Bioinformationsrecht: Zur Persönlichkeitsentfaltung des Menschen in technisierter Verfassung 9783161536922, 9783161536724

Bio- und Informationstechnologien generieren ständig neue, bislang kaum für möglich gehaltene Verbindungen zwischen Tech

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German Pages 419 [421] Year 2015

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Prolog. Standortbestimmung und Lagebeschreibung. Verkörpertes Wissen
Erster Abschnitt. Personen. Natürliche Bestimmung und technologische Funktionalisierung
Erster Titel. „Natürliche“ Personen
I. Funktionalisierung der Person
II. Funktionalisierung der Natur
Zweiter Titel. „Technisierte“ Personen
I. Funktionalisierung des Körpers: Körperteile und physische Erweiterungen
II. Molekularisierung: Körperdaten und genetische Erweiterungen
III. Neuronalisierung: Körperbilder und kognitive Erweiterungen
IV. Informationalisierung: Körperanalogien und informationstechnische Erweiterungen
Dritter Titel. Personale Entfaltungen
I. Ethisierung der Technik
II. Humanisierung durch Recht
III. Biomoralität und Empathie des Rechts
IV. Rechtsgerechtigkeit und Menschenrechte
V. Menschliche Einheit in personaler Vielheit
VI. Entfaltung personaler Vielfalt
VII. Körperwissen
Zweiter Abschnitt. Sachen. Expansionstechnologien
Erster Titel. Biosoziofakte und informationstechnische Lebensentfaltungen
I. Die Eigennormativität sozialer Informationstechnologien
II. Informationstechnische Mediatisierung der Lebenswelt
III. Gesellschaftsperspektive: Multiple und fragmentierte Identitäten in konvergierenden Medienumgebungen
IV. Kommunikationsmedienperspektive: Vermischung von sinnhafter und technischer Kommunikation
V. Rechtsperspektive: Personale Funktionalisierung informationstechnischer Systeme
VI. Grundrechtsperspektive: Vertraulichkeits- und Integritätsgewährleistung
Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz als informationstechnischer System- und Institutionenschutz
I. Ein Beispiel: „Battlefield“
II. Verbraucherschutz
III. Vertragliche Haftung für informationstechnische Eingriffe
IV. Deliktische Haftung
V. Schadensbemessung
VI. Informations- und biotechnologische Wertbestimmungen im Vergleich
VII. Ermächtigung von Dritt- und Allgemeininteressen
VIII. Ermöglichung von kollektiver Rechtsdurchsetzung
IX. Präsentation im fluiden Zivilverfahren
X. Fazit: Persönlichkeitsentfaltung kraft Daten-, System- und Institutionenschutzes
Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse. Bioartifizielle Assoziationen
Erster Titel. Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte
I. Elektronischer Geschäftsverkehr: Rechtsfähigkeiten und Teilrechtsfähigkeiten
II. Identifikationsfunktionen und Zurechnungsfiktionen: Informationstechnische Haftungserweiterungen
III. „Mittelbare“ Täter fremder Taten: Informationstechnisch assoziierte Rechtssubjekte und mediatisierte Rechtsverletzungen
VI. Rechtssubjektsteile als autonome Agenten: Informationstechnisch verselbständigte Teilrechtssubjekte
V. Rechtssubjektsteile als Agenturen: Informationstechnische Identitäts- und Handlungszurechnungen
IV. „Schlichte“ Einwilligung ohne Willen: Informationstechnisch mediatisierte Persönlichkeits- und Verantwortlichkeitsentfaltung
VII. Grenzen der Rechtsfähigkeit: Soziale Ontogenese und moralisch-rechtliche Geburt als Bedingungen der personalen Anerkennung
Zweiter Titel. Technische Verkörperungen als Mensch-Maschine-Assoziationen
I. Robotikforschung: Verantwortungszumutungen im Risikohaftungsrecht
II. Jenseits von Ursache und Schuld: Funktionalisierung der Haftung für technologisch-industrielle Risiken
III. Jenseits von Individualismus und Effizienz: Sozialisierung der Risikohaftung
IV. Entindividualisierte Gefährdungshaftung
V. Technische Verantwortung als Produkt- und Produzentenhaftung
VI. Technische Verantwortung als Betreiberhaftung
VII. Zumutbarkeit von Verantwortung im Umgang mit Informationstechnologien
VIII. Verantwortungs- und Risikozumutungen als Möglichkeitsbedingungen sozialen Vertrauens
IX. Vertrauensbildung durch Recht: Risikoassoziierung und Personifizierung
X. Zukünftige Herausforderungen der Robotik im Überblick
Dritter Titel. Intergenerationelle Rechtsverhältnisse als Assoziationen biotechnologischer Zukunftssubjekte
I. Biodiversitätsschutz: Moderne und nichtmoderne Zukunftsträger in biotechnologischen Konfliktlagen
II. Zukünftige Gerechtigkeit: Natürliche und kulturelle Eigenwerte
III. Biosoziale Schicksalsgemeinschaften: Sachwalter der biologischen und kulturellen Vielfalt
IV. Versammlung der „Noch-nicht-Versammelten“: Vertreter der offenen Zukunft
V. Versammlungen zukünftiger Generationen als Schicksalsgemeinschaften
VI. Zukünftige Rechte der Biodiversität und der zukünftigen Gerechtigkeit
Vierter Titel. Zusammenfassungen: Wiederversammlungen
I. Persönlichkeits- und Körperverfassungen
II. Autonomie als biosoziomaterielle Selbstbestimmung
III. Externalisierungen: Informationstechnische Systeme und ausgelagertes Körpermaterial
IV. Vermittlungen: Genetische Information und neuronale Bildgebung
V. Aussichten einer Re-Humanisierung
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Personenregister
Sachregister
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Bioinformationsrecht: Zur Persönlichkeitsentfaltung des Menschen in technisierter Verfassung
 9783161536922, 9783161536724

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JUS PRIVAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 197

Malte-Christian Gruber

Bioinformationsrecht Zur Persönlichkeitsentfaltung des Menschen in technisierter Verfassung

Mohr Siebeck

Malte-Christian Gruber, geboren 1974; Studium der Rechtswissenschaft und der Philosophie in Frankfurt und Mainz; 2001–2010 Rechtsanwalt; 2005 Promotion; 2006–2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Frankfurter Institut für Arbeits-, Wirtschafts- und Zivilrecht; 2014 Habilitation; seit 2010 Akademischer Rat a. Z. am Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. e-ISBN PDF 978-3-16-153692-2 ISBN 978-3-16-153672-4 ISSN  0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­biblio­gra­ phie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Stempel Garamond gesetzt, auf alte­ rungsbeständiges Werk­druck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Otters­ weier gebunden.

Vorwort Das Recht der nächsten Gesellschaft steht vor der Herausforderung, mit Verbindungen von digitalen Kommunikationsmedien und neuen Biotechnologien zurechtkommen zu müssen. Vollzieht die Computergesellschaft damit ihren nächsten Entwicklungsschritt zur Bioinformationsgesellschaft, so hat sich ihr Recht – als Bioinformationsrecht – auf diese Veränderungen einzustellen. Ein solches Recht verfügt nicht über seine Gegen­stände, sondern muss sich durch sie zunächst informieren lassen: Es bedarf technologi­scher Aufklärung. Dem Kritikprogramm der soziologischen Aufklärung folgend bezeichnet diese den Versuch, der aufklärerischen Juristenvernunft ihre Grenzen zu gewinnen. Insbesondere geht es ihr um eine Kritik des juristischen Wissens über techno­ logische Realitäten. Sie fordert vom Recht, dass es seinen technisierten Umwel­ ten, denen neben sozialen auch psychische und physische Systeme, d.h. menschliche, lebendige Wesen und Körperteile zugehören, gerecht werde. Mit anderen Worten: Ein technologisch aufgeklärtes Recht muss, um diesen Umwelten gerecht zu werden, nicht nur technik- und gesellschaftsadäquat sein, sondern vor allem menschengerecht. Dabei ist es auf entsprechende technische Realisierungen in rechtskonform ausgestalteten Medien angewiesen. Nur so wird es seinen nächsten Aufgaben als ein mit den Lebens­wissenschaften Schritt haltendes, humanes Lebensrecht gewachsen sein. Den damit vorgezeichneten Wegen der technologischen Aufklärung und der Humanisie­r ung von Technik mit den Mitteln des Rechts gilt es nachzugehen. Die vorliegende Untersuchung, die im Wintersemester 2013/14 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität als Habilitationsschrift angenommen wurde, handelt in diesem Sinne vor allen Dingen vom Menschen: Sie versteht sich als Versuch über den Menschen in einer Zeit, in der die Biowissenschaften als Leitdisziplinen neu­artige Konfliktlagen generieren, deren Bewältigung letztlich nur einer techniksoziologi­schen Jurisprudenz zuzutrauen ist. Dem Betreuer meiner Arbeit, Gunther Teubner, danke ich sehr herzlich für die engagierte Unterstützung und langjährige freundschaftliche Förderung. Ebenso herzlich danke ich Alexander Peukert für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie für zahlrei­che weiterführende Hinweise. Wertvolle Impulse erhielt ich auch von meinem früheren Lehrer und Doktorvater Ulfrid Neumann, und nicht zuletzt von Rudolf Wiethölter: Seinen „Zwi­schenrufen“ im Frank­

VI

Vorwort

furter privatrechtstheoretischen Seminar, das ich seit 2008 mit ihm gemeinsam veranstalten durfte, verdanke ich viel. Aus den dortigen Diskussionen habe ich che Anregungen gewonnen. Besonderen Anteil daran hatten einige zusätzli­ Ricardo R. Campos, Stefan Häußler und Isabell Hensel, denen ich – stellvertretend für alle Beteiligten – ebenso sehr danken möchte wie meinen Frankfurter Freunden und Kolle­gen Anna Beckers, Christina Henrich, Jose F. López, Carsten Wilke und Sascha Ziemann. In überaus dankbarer Erinnerung werde ich Gisela Engel behalten, die in diesem Jahr unerwartet verstorben ist. Meinen größten Dank richte ich schließlich an meine Nächsten und Liebsten. Vor allem meine Frau Miriam und mein Sohn Erik waren auf je eigene, ganz besondere Weise an meiner Arbeit beteiligt, deren Fertigstellung sie mit liebevoller Geduld, Ausdauer und Motivationskraft begleitet haben. Ihnen beiden widme ich dieses Buch. Frankfurt am Main, im Dezember 2014

Malte Gruber

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V

Prolog. Standortbestimmung und Lagebeschreibung. Verkörpertes Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erster Abschnitt. Personen. Natürliche Bestimmung und technologische Funktionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Erster Titel. „Natürliche“ Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Funktionalisierung der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Funktionalisierung der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Zweiter Titel. „Technisierte“ Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Funktionalisierung des Körpers: Körperteile und physische Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Molekularisierung: Körperdaten und genetische Erweiterungen . 33 III. Neuronalisierung: Körperbilder und kognitive Erweiterungen . . 47 IV. Informationalisierung: Körperanalogien und informations technische Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Dritter Titel. Personale Entfaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Ethisierung der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Humanisierung durch Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Biomoralität und Empathie des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Rechtsgerechtigkeit und Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . 90 V. Menschliche Einheit in personaler Vielheit . . . . . . . . . . . . . 94 VI. Entfaltung personaler Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 VII. Körperwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

VIII

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Abschnitt. Sachen. Expansionstechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Erster Titel. Biosoziofakte und informationstechnische Lebensentfaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I. Die Eigennormativität sozialer Informationstechnologien . . . . . 117 II. Informationstechnische Mediatisierung der Lebenswelt . . . . . . 119 III. Gesellschaftsperspektive: Multiple und fragmentierte Identitäten in konvergierenden Medienumgebungen . . . . . . . . . . . . . . . 121 IV. Kommunikationsmedienperspektive: Vermischung von sinnhafter und technischer Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 V. Rechtsperspektive: Personale Funktionalisierung informations technischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 VI. Grundrechtsperspektive: Vertraulichkeits- und Integritäts gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz als informationstechnischer Systemund Institutionenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Ein Beispiel: „Battlefield“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Vertragliche Haftung für informationstechnische Eingriffe . . . . 152 IV. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 V. Schadensbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 VI. Informations- und biotechnologische Wertbestimmungen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 VII. Ermächtigung von Dritt- und Allgemeininteressen . . . . . . . . 177 V III. Ermöglichung von kollektiver Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . 185 IX. Präsentation im fluiden Zivilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 195 X. Fazit: Persönlichkeitsentfaltung kraft Daten-, System und Institutionenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse. Bioartifizielle Assoziationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Erster Titel. Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Elektronischer Geschäftsverkehr: Rechtsfähigkeiten und Teilrechtsfähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis

IX

II. Identifikationsfunktionen und Zurechnungsfiktionen: Informationstechnische Haftungserweiterungen . . . . . . . . . . 234 III. „Mittelbare“ Täter fremder Taten: Informationstechnisch assoziierte Rechtssubjekte und mediatisierte Rechtsverletzungen 238 IV. „Schlichte“ Einwilligung ohne Willen: Informationstechnisch mediatisierte Persönlichkeits- und Verantwortlichkeitsentfaltung 242 V. Rechtssubjektsteile als Agenturen: Informationstechnische Identitäts- und Handlungszurechnungen . . . . . . . . . . . . . . 247 VI. Rechtssubjektsteile als autonome Agenten: Informationstechnisch verselbständigte Teilrechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 VII. Grenzen der Rechtsfähigkeit: Soziale Ontogenese und moralisch rechtliche Geburt als Bedingungen der personalen Anerkennung 255 Zweiter Titel. Technische Verkörperungen als Mensch-MaschineAssoziationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 I. Robotikforschung: Verantwortungszumutungen im Risikohaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 II. Jenseits von Ursache und Schuld: Funktionalisierung der Haftung für technologisch-industrielle Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Jenseits von Individualismus und Effizienz: Sozialisierung der Risikohaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 IV. Entindividualisierte Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . 273 V. Technische Verantwortung als Produkt- und Produzentenhaftung 276 VI. Technische Verantwortung als Betreiberhaftung . . . . . . . . . . 279 VII. Zumutbarkeit von Verantwortung im Umgang mit Informationstechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 V III. Verantwortungs- und Risikozumutungen als Möglichkeits bedingungen sozialen Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 IX. Vertrauensbildung durch Recht: Risikoassoziierung und Personifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 X. Zukünftige Herausforderungen der Robotik im Überblick . . . . 291 Dritter Titel. Intergenerationelle Rechtsverhältnisse als Assoziationen biotechnologischer Zukunftssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Biodiversitätsschutz: Moderne und nichtmoderne Zukunftsträger in biotechnologischen Konfliktlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 II. Zukünftige Gerechtigkeit: Natürliche und kulturelle Eigenwerte 299 III. Biosoziale Schicksalsgemeinschaften: Sachwalter der biologischen und kulturellen Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 IV. Versammlung der „Noch-nicht-Versammelten“: Vertreter der offenen Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

X

Inhaltsverzeichnis

V. Versammlungen zukünftiger Generationen als Schicksals gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 VI. Zukünftige Rechte der Biodiversität und der zukünftigen Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Vierter Titel. Zusammenfassungen: Wiederversammlungen . . . . . . . 323 I. Persönlichkeits- und Körperverfassungen . . . . . . . . . . . . . . 324 II. Autonomie als biosoziomaterielle Selbstbestimmung . . . . . . . 327 III. Externalisierungen: Informationstechnische Systeme und ausgelagertes Körpermaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 IV. Vermittlungen: Genetische Information und neuronale Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 V. Aussichten einer Re-Humanisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

Jaume Plensa, Body of Knowledge (2010).

Prolog

Standortbestimmung und Lagebeschreibung Verkörpertes Wissen Auf dem neuen Campus Westend der Frankfurter Johann Wolfgang GoetheUniversität sitzt eine menschliche Gestalt. Die Figur ist ein körperliches Artefakt, ein Kunstwerk mit dem Namen Body of Knowledge. Ihr Schöpfer, der katalanische Künstler Jaume Plensa, deutet sie selbst ganz im Sinne der Institution, in der sie Platz genommen hat: „Unser Körper ist der Sitz des Geistes. Die Universität ist eine Ausweitung unseres Körpers. Ein Versammlungsort, an dem sich Menschen und Ideen, Tradition und Zukunft zu Zwiegesprächen treffen und das Netz menschlichen Wissens weben.“1

Warum aber hat Plensa diese Ausweitung, den Versammlungsort, bloß mit einem einsam dahockenden Individuum dargestellt? Hätte eine Skulptur nach dem Vorbild eines Hobbes’schen Leviathan mit seinen vielen Einzelwesen als Teilen eines universitären Ganzen nicht viel besser zur künstlerisch intendierten Aussage gepasst? Und wie überhaupt konnte das aus menschlichen und nichtmenschlichen Versammlungen und Zwiegesprächen gewobene Wissensnetz trotz der anzunehmenden Vielzahl beteiligter Menschen, Ideen, Traditionen und Zukünfte schließlich doch die organische, biomorph anmutende Gestalt eines einzelnen menschlichen Körpers finden? 2 Der Body of Knowledge macht in dieser Hinsicht auf ein weiteres, viel näherliegendes Phänomen aufmerksam, das zugleich ein Grundmotiv dieser Arbeit widerspiegelt: Die Ausweitung unseres Körpers findet längst nicht mehr nur auf rein kommunikativer Ebene in einem Netz des menschlichen Wissens statt. Sie ist ganz und gar plastisch geworden. Mit anderen Worten: Die geistige Expansion des Menschen hat 1  Siehe etwa unter ; (letzter Aufruf der genannten und aller nachfolgend zitierten Webseiten am 30.12.2014). 2   Die Zweifel an der künstlerischen Interpretation könnten drastischer formuliert auch lauten: „Er [der Mensch] ist nicht mehr das Maß der Gesellschaft. Diese Idee des Humanismus kann nicht kontinuieren. Denn wer wollte ernsthaft durchdacht behaupten, daß die Gesellschaft nach dem Bilde des Menschen, Kopf oben usw., geformt werden könnte.“ (Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a.M. 1984, 289). Zur weiteren systemtheoretischen Kritik an der modernen Bestimmung des Menschen als Maß der Gesellschaft siehe Peter Fuchs, Das Maß aller Dinge. Eine Abhandlung zur Metaphysik des Menschen, Weilerswist 2007.

2

Prolog

bereits auch zu einer physischen Erweiterung seines Körpers geführt. Der Body of Knowledge ist mehr als ein Sitz des Geistes und mehr noch als ein Netz menschlichen Wissens – er ist im wahrsten Sinne dessen Verkörperung. In dieser Hinsicht wird womöglich viel klarer, was es mit der Skulptur eines einzigen Menschenkörpers auf sich hat: Ihr Körper setzt sich nicht nur aus dem oberflächlich sichtbaren materiellen Gerüst zusammen, sondern aus den Schriftzeichen verschiedener Sprachen. Sie repräsentieren das symbolische Universum, wie es vor allem Ernst Cassirer in seiner Philosophie der symbolischen Formen und seinem Versuch über den Menschen beschreibt.3 Die Figur des Body of Knowledge stellt mit dem Bild eines sitzenden Menschen also nicht bloß ein biologisches, sondern ein symbolisch intelligentes Wesen dar, ein animal symbolicum, das in zwei Welten zugleich lebt. Diese zwei Welten des Menschen – seine biologisch-körperliche Existenz einerseits und die geistig-kulturelle Existenz andererseits – sind allerdings nicht mehr deutlich voneinander getrennt. Je nach Beobachtungsstandpunkt und ‑perspektive erscheint der Body of Knowledge entweder als ein Körper, der aus materialisierten, artifiziell-metallischen Zeichen zusammengesetzt ist, oder aber als eine aus immateriellen Symbolen (re‑)konstruierte Entität, die als geistige Ressource fungiert. Eine weitere Besonderheit mag den Grenzverlust noch zusätzlich verdeutlichen: Die Figur ist vorne geöffnet. Man kann hineingehen, sie von innen betrachten; man kann ihr Inneres aber auch wieder verlassen. Sie hat keine festen Körpergrenzen, keine Haut, keine Knochen, kein Fleisch, kein Blut, allenfalls Metall und Lack, kurz: sie zeigt eine Transparenz, wie sie für den Menschen und seinen Körper im Zeitalter der Bioinformationstechnologien typisch zu sein scheint. Es ist diese Transparenz des Menschen, der Verlust seiner tradierten Grenzbestimmungen, insbesondere der alten Körpergrenzen des Menschen aus Fleisch und Blut, welche die gegenwärtige Technisierung4 der Welt, genauer: der Welten kennzeichnet. 3   Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, in: Gesammelte Werke, Hamburger Ausgabe (ECW), hg.  v. Birgit Recki, Bd.  11–13, Hamburg 2009; ders., Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur, Hamburg 1996, 47 ff. 4  Zum gesellschaftlichen Status von Technik und zum Phänomen der „Technisierung“ etwa Wolfgang Krohn, Eine Einführung in die Soziologie der Technik, Manuskript 2006, abrufbar unter: ; für einen umfassenden Überblick siehe auch die gesammelten Beiträge von Werner Rammert, Technik – Handeln – Wissen. Zu einer pragmatistischen Technik- und Sozialtheorie, Wiesbaden 2007; Günter Ropohl, Technologische Aufklärung. Beiträge zur Technikphilosophie, Frankfurt a.M. 1991, insbesondere 183 ff.; ders., Allgemeine Technologie. Eine Systemtheorie der Technik, 3.  Auflage, Karlsruhe 2009; des Weiteren Gerhard Gamm, Technik als Medium. Grundlinien einer Philosophie der Technik, in: Michael Hauskeller/Christoph Rehmann-Sutter/Gregor Schiemann (Hg.), Naturerkenntnis und Natursein. Für Gernot Böhme, Frankfurt a.M. 1997, 94 ff.; Ingo Schulz-Schaeffer, Technik als sozialer Akteur und als soziale Institution. Sozialität von Technik statt Postsozialität, in: Karl-Siegbert Rehberg (Hg.), Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in

Standortbestimmung und Lagebeschreibung

3

Technisiert wird in diesem Sinn derzeit geradezu alles: Die Natur, der Mensch, seine Organe, besonders sein Gehirn,5 aber auch Geist, Gesellschaft und Kultur6 – und damit wohl auch das Recht selbst. Alles scheint heute technisch produzierbar oder reproduzierbar zu sein – oder zu werden. Die damit zunächst befassten Technikwissenschaften7 und Ingenieurskünste beschäftigen sich aber nicht nur damit, neue empirische Fakten oder neue Entitäten zu erschaffen, seien es nicht-lebendige Artefakte oder seien es auch lebendige „Biofakte“8 , deren Wachstumsprozesse als „Lebenszeichen“ nicht mehr eigengesetzlich und in diesem Sinn „natürlich“ ablaufen, sondern technisch manipuliert und insoweit „künstlich“ sind.9 Vielmehr liefern die Technologieproduzenten in zunehmendem Maße auch die einschlägigen normativen Standards und Direktiven gleich mit. Diese technologischen Normierungskräfte stellen das Recht vor besondere Herausforderungen. Seine Aufgabe besteht nunmehr darin, selbst als eine Technik der Humanisierung von Technologien10 zu wirken, indem es einerseits die aus wissenschaftlichen Kontexten herausgebildeten normativen Erwartungen Kassel 2006, Teilband II, Frankfurt a.M. 2008, 705 ff.; Jutta Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, Frankfurt a.M./New York 2003, 118 ff. 5  Vgl. Oliver Müller/Jens Clausen/Giovanni Maio (Hg.), Das technisierte Gehirn. Neurotechnologien als Herausforderung für Ethik und Anthropologie, Paderborn 2009. 6   Vgl. etwa Jörn Ahrens, Frühembryonale Menschen? Kulturanthropologische und ethische Effekte der Biowissenschaften, München 2008. 7   In gleicher Weise kann schließlich auch von einer Technisierung der Wissenschaft – im Sinne einer besonderen Technikabhängigkeit derselben – die Rede sein: vgl. Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1992, 711 ff., mit besonderem Hinweis auf Edmund Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie, in: Husserliana, Bd. VI, hg.  v. Walter Biemel, Den Haag 1954; siehe nicht zuletzt Hans Blumenberg, Lebenswelt und Technisierung, in: Wirklichkeiten, in denen wir leben. Aufsätze und eine Rede, Stuttgart 2012, 7 ff. 8  Vgl. Nicole C. Karafyllis (Hg.), Biofakte. Versuch über den Menschen zwischen Artefakt und Lebewesen, Paderborn 2003; dies., Biofakte. Grundlagen, Probleme und Perspektiven, Erwägen Wissen Ethik (EWE) 17 (2006), 547 ff. 9  Näher hierzu Nicole C. Karafyllis, Das Wesen der Biofakte, in: dies. (Hg.), Biofakte. Versuch über den Menschen zwischen Artefakt und Lebewesen, Paderborn 2003, 11 ff. (16): „Biofakte sind eben nicht Roboter mit menschlichen Funktionen, bei denen man den artifiziellen Anteil auch phänomenal sieht. Man sieht den artifiziellen Anteil nicht und findet ihn womöglich auch nicht einmal auf substantieller, molekularer Ebene, obwohl das lebende Subjekt in weiten Teilen künstlich zum Wachsen veranlaßt oder zumindest technisch zugerichtet wurde.“ Mögliche Beispiele bilden etwa die biotechnologischen „Zeugungstechniken“ (InVitro-Fertilisation, genetische Selektion im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik oder auch Klonierungstechniken). Gewiss bleibt in allen diesen Fällen stets ein natürlich-lebendiger Anteil, vor dessen Hintergrund der Gedanke an einen völligen Verlust von lebendiger „Autonomie“, mithin an eine fundamentale Differenz zum „natürlich“ gewachsenen Lebewesen eher fernliegt. Zu den möglichen Gradualisierungen der schon in der Mischbezeichnung angelegten „Biofaktizität“ siehe im selben Band Malte-Christian Gruber, Vom Kontinuum der Herkunft ins Kontinuum der Zukunft. Zur Relevanz von Argumenten der Potentialität bei der Bestimmung des rechtlichen Status von Biofakten, 131 ff. 10   Zum Status des Rechts als Humanisierungstechnik – genauer: „une technique d’huma-

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Prolog

wahrnimmt, andererseits jedoch einen eigenständigen Zugang zu den neuen Phänomenen der einschlägigen Bio- und Informationstechnologien findet. Vereint unter dem Banner einer verheißungsvoll in die Zukunft weisenden „Wissenschaft vom Leben“, der als Leitwissenschaft und Schlüsseltechnologie zugleich geltenden Life Science, generieren diese Bioinformationstechnologien ständig neue, bislang kaum für möglich gehaltene Verhältnisse, Verknüpfungen und Anschlüsse zwischen Technischem und Lebendigem.11 Im Recht werfen diese technisch-lebendigen Assoziationen zahlreiche verschiedene, indes gleichermaßen grundsätzliche Fragen auf. Sie verlangen nach Entscheidungen, wenn es beispielsweise darum geht, welche Persönlichkeitsoder Eigentumsrechte an extrakorporal gelagerten Körpersubstanzen oder auch an genetischer Information bestehen – und wem diese gegebenenfalls zustehen können. Ebenso handeln sie davon, welche Bedeutung neuronalen Daten und Abbildungen von Hirnaktivitäten, etwa für den Beweis psychischer Schädigungen im Schmerzensgeldprozess, zukommt. Und nicht zuletzt führen sie sogar zu der keineswegs mehr abwegigen Rechtsfrage, ob der Eingriff in ein informationstechnisches System als persönlichkeitsverletzend gelten darf, weil dieses womöglich wie ein ausgelagerter Teil des Körpers zu behandeln ist.12 Der Fragenkatalog ließe sich nahezu endlos erweitern. In jedem Fall wird das Recht seine eigenen Antworten finden müssen; es muss auf die lebenswissenschaftlichen Herausforderungen in der Weise antworten, dass es das Wissen der Wissenschaften, die Perspektivität ihrer Erkenntnis, die „Politik der Wahrheit“13 im Sinne Michel Foucaults seinem kritischen Urteil unterwirft, jedoch ohne dabei sein eigenes Wissen gegenüber jeglichen außerjuristischen Rationanisation de la technique“ – vor allem Alain Supiot, Homo Juridicus. Essai sur la fonction anthropologique du Droit, Paris 2005, 179 ff., insbesondere 184. 11   Vgl. hierzu Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 41 ff. und 166 ff.; siehe ferner Martin G. Weiß (Hg.), Bios und Zoë. Die menschliche Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a.M. 2009. Häufig werden neben den Bio- und Informationswissenschaften noch weitere lebenswissenschaftliche Disziplinen genannt. Üblich ist etwa auch eine Unterscheidung von Informations-, Kognitions-, Bio- und Nanowissenschaften: vgl. statt vieler Stefan Herbrechter, Posthumanismus. Eine kritische Einführung, Darmstadt 2009, 35. Übereinstimmend, wenngleich in anderer Reihenfolge, lauten auch die großen innovationspolitischen „NBIC“-Projekte der „konvergierenden Technologien“; siehe Mihail C. Roco/William S. Bainbridge (Hg.), Converging Technologies for Improving Human Performance. Nanotechnology, Biotechnology, Information Technology and Cognitive Science, National Science Foundation Report, Arlington (VA) 2002, abrufbar unter: . Solche zusätzlichen Auffächerungen dürften einer allgemeineren Fassung von Bio- und Informationstechnologien, zu denen eben – unter anderem – auch die Kognitions- und Nanowissenschaften gehören, jedoch nicht entgegenstehen. 12   Mehr dazu im nachfolgenden 1. Abschnitt dieser Arbeit. 13   Siehe hierzu, insbesondere mit Bezug auf Friedrich Nietzsches Entdeckung der Erkenntnis als Erfindung, Michel Foucault, Die Wahrheit und die juristischen Formen, Frankfurt a.M. 2003, 15 ff.

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litäten absolut zu setzen und – wie Michel Serres es ausdrücken würde – ohne sich selbst zur „totalen sozialen Tatsache“14 zu erklären. Doch das wissenschaftlich anerkannte Wissen leitet sich Serres zufolge seinerseits nur aus einer als „Gesamtheit der Beziehungen von Wissenschaft und Recht, von Vernunft und Urteil“ verstandenen „Epistemodizee“ her, in der zum einen rechtlich beurteilt wird, was als wissenschaftlich „wahr“ gilt, zum anderen aber auch wissenschaftlich erkannt wird, was rechtlich „richtig“ sein kann.15 Wir sollten es daher längst wissen: „Wissen allein genügt uns nicht mehr.“16 An die Stelle der in der Theodizee17 problematisierten „tragischen Verantwortung des Schöpfers“18 treten nunmehr drängende Fragen nach der Verantwortung der heutigen Lebenswissenschaften: „Von Anfang an geht die Frage nach der Gerechtigkeit Hand in Hand mit der nach der Wissenschaft.“19 In der Epistemodizee geht es folglich darum, die Wissenschaften mit den Mitteln des Rechts für das Wohlergehen der Menschen, für ihr Leben und das Leben Anderer, insbesondere auch für die natürlichen Lebensgrundlagen, in die Verantwor Vgl. Michel Serres, Der Naturvertrag, Frankfurt a.M. 1994, 133.   Siehe hierzu Serres, a.a.O. (43): „In der Wissenschaft greift das Recht dem Faktum voraus, wie auch die Subjekte dem Objekt vorausgehen; tatsächlich aber greift das Faktum dem Recht voraus, wie auch das Objekt dem Recht vorausgeht.“; ferner ders., a.a.O. (135 f.); ähnlich mit Blick auf die Genealogie von Wissen und Macht als Geschichte juristischer Praktiken bereits Foucault, Die Wahrheit und die juristischen Formen, 2003. Eine ähnliche, wenngleich klarer abgrenzende Gegenüberstellung von Wissen und Recht findet Niklas Luhmann in der Sinndifferenz zwischen normativen und kognitiven Erwartungstypen: „Mit Hilfe dieser Unterscheidung soll Wissen definiert werden als kognitiv stilisierter Sinn, während wir normativ stilisierten Sinn als Recht bezeichnen wollen. […] Kommunikation kann mithin weder als laufende Anwendung von Normen noch als laufende Anwendung von Wissen begriffen werden. Recht und Wissen sind vielmehr das Resultat eines typischen Differenzierungsprozesses. Sie können eine vorausgegangene, in dieser Hinsicht undifferenzierte Kommunikationspraxis nur gemeinsam ersetzen; und sie können sie nie vollständig ersetzen, denn die Masse der Kommunikationen läuft, was normative und kognitive Prämissen angeht, immer noch undifferenziert, obwohl dies heute zweifelsfrei in einer Gesellschaft geschieht, in der vorausgesetzt werden kann, daß man weiß, daß es Recht und Wissen gibt.“ (ders., Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1992, 138 und 150). 16   Serres, a.a.O. (144; vgl. auch 155 f.). 17   Hinsichtlich dieser Frage nach der Gerechtigkeit und Rechtfertigung Gottes gilt als locus classicus, jedenfalls für die Moderne, Gottfried Wilhelm Leibniz, Die Theodizee von der Güte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des Übels, in: Philosophische Schriften, Band II, hg.  v. Herbert Herring, Darmstadt 1985. Gewiss reichen die Wurzeln der Theodizee-Problematik zumindest bis in die vorsokratische Philosophie Epikurs hinein; dazu, sowie auch zu jüngeren Entwicklungen, Walter Sparn, Mit dem Bösen leben. Zur Aktualität des Theodizeeproblems, in: Carsten Colpe/Wilhelm Schmidt-Biggemann (Hg.), Das Böse. Eine historische Phänomenologie des Unerklärlichen, 2.  Auflage, Frankfurt a.M. 1993, 204 ff.; Hermann Häring, Das Böse in der Welt. Gottes Macht oder Ohnmacht? Darmstadt 1999, 128 ff.; zu den damit verbundenen Aporien insbesondere Paul Ricœur, Das Böse. Eine Herausforderung für Philosophie und Theologie, Zürich 2006, 21 ff.; ferner Rüdiger Safranski, Das Böse oder Das Drama der Freiheit, 6.  Auflage, Frankfurt a.M. 2004, 294 ff. 18  Vgl. Serres, a.a.O. (45). 19   Serres, a.a.O. (98). 14

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tung zu nehmen, menschen- und lebensgerecht zu gestalten, und das bedeutet: zu humanisieren. Seinen Humanisierungsauftrag erhält das Recht dabei vor allem aus seiner lebendigen Umwelt, namentlich von den Menschen selbst, die allen Befürchtungen und Warnungen vor einem „Ende des Menschen“20 zum Trotz auch in Zukunft eine Sonderstellung einnehmen werden. Diese Sonderstellung liegt aber nicht mehr innerhalb der Gesellschaft oder innerhalb des Rechts, denn Menschen sind keine Teile der Gesellschaft oder auch des Rechts.21 Dennoch handelt es sich durchaus um eine rechtliche Sonderstellung. Sie ergibt sich aus einer epistemisch unausweichlichen Perspektive, aus deren Sicht es letztlich immer Menschen sein müssen, die Recht und Gesellschaft konstituieren.22 Das setzt selbstverständlich voraus, dass sie rechtlich und sozial kommunizieren, psychisch-sinnhaft erleben, und nicht zuletzt: physisch lebendig sind. In diesem Sinn gilt Wilhelm Diltheys bekannte Formel: „Die Erkenntnis kann nicht hinter das Leben zurück, dessen Funktion sie ist.“23 – und ebenso wenig können deshalb auch Gesellschaft und Recht hinter das Leben zurückgehen. Es geht demnach in jeder Hinsicht um unser Leben, um spezifisch menschliche Lebensformen (bíos) ebenso wie ums nackte Überleben (zoé).24 Diesbezüglich dienen die 20  Siehe statt vieler Francis Fukuyama, Das Ende des Menschen, 2.  Auflage, Darmstadt 2002; für eine Neubestimmung des Menschen dagegen etwa Chris Hables Gray, Cyborg Citizen. Politics in the Posthuman Age, New York 2002. 21   Zur Lokalisierung der Menschen in der Umwelt der Gesellschaft vor allem Niklas Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 346 ff.; darauf aufbauend zur Trennung von Gesellschaft und Bewusstsein Peter Fuchs, Der Eigen-Sinn des Bewußtseins. Die Person, die Psyche, die Signatur, Bielefeld 2003, 15 ff. und 47 ff.; zur dementsprechenden Trennung von Recht und Menschen insbesondere Gunther Teubner, Die anonyme Matrix: Zu Menschenrechtsverletzungen durch „private“ transnationale Akteure, Der Staat 45 (2006), 161 ff. (168 ff.); dazu auch Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1993, 35. 22  In diesem spezifischen Sinn ist der Mensch, anders als die oben (Fn.  2) zitierte Bemerkung Niklas Luhmanns womöglich nahelegen mag, sehr wohl noch Maß der Gesellschaft; an anderer Stelle insoweit übereinstimmend ders., Soziale Systeme, 1984, 558: „Die Geschlossenheit der rekursiven kommunikativen Verhältnisse hat demnach nicht die Funktion, von Umwelt zu befreien. Sie ist und bleibt auf Sensoren angewiesen, die ihr Umwelt vermitteln. Diese Sensoren sind die Menschen im Vollsinne ihrer Interpenetration: als psychische und körperliche Systeme.“ Vgl. mit Bezug darauf und noch weitergehend Luc Ciompi, Ein blinder Fleck bei Niklas Luhmann? Soziale Wirkungen von Emotionen aus Sicht der fraktalen Affektlogik, in: Soziale Systeme 10 (2004), 21 ff. (44): „Aus unserer Sicht spielt der Mensch zusätzlich als Energiequelle und ‑verstärker eine unverzichtbare Rolle.“ 23   Wilhelm Dilthey, Grundlegung der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und der Geschichte. Ausarbeitungen und Entwürfe zum zweiten Band der Einleitung in die Geisteswissenschaften (ca. 1870–1895), in: Gesammelte Schriften, Bd.  19, hg.  v. Helmut Johach/Frithjof Rodi, 2.  Auflage, Göttingen 1997, 329. 24   Auf diese antike Differenz der Lebensbegriffe greift die späte Moderne nun verstärkt zurück: Hannah Arendt, Vita activa oder Vom tätigen Leben, München 1960; Giorgio Agamben, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a.M. 2002; Martin G. Weiß (Hg.), Bios und Zoë. Die menschliche Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a.M. 2009.

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Humanisierungsleistungen des Rechts letztlich dazu, die Bedingungen seiner eigenen Möglichkeit aufrechtzuerhalten – was allerdings keineswegs bedeutet, dass seine Schutzwirkungen ausschließlich auf Menschen mit engagiertem Bewusstsein 25 und kommunikativer Kompetenz beschränkt sein dürften. Das für alle genannten Phänomene konstitutive Moment des Lebendigen verlangt im normativen, extensionalen Sinn schließlich einen seiner Bedeutung angemessenen Rechtsschutz, und zwar sowohl des menschlichen als auch des nichtmenschlichen Lebens.26 Man könnte in diesem Zusammenhang sogar von einer über die Humanisierung noch hinausgehenden Funktion des Rechts sprechen, etwa im Sinne einer umfassenden Ökologisierung zugunsten alles Lebendigen, mithin einer gewissen „Vitalisierung“ oder „Animierung“.27 Wenn es jedoch zunächst darum geht, mit neuen Technologien umzugehen, die – wie insbesondere die Bio- und Informationstechnologien – bereits selbst damit begonnen haben, „den Menschen“, seine „Natur“ oder auch sein „Menschenbild“ zu bestimmen und zu verändern, 28 dann ist es zuallererst darum zu tun, den besonderen Status der Menschen als epistemische Subjekte und Konstituenten der Gesellschaft zu bewahren, zu stabilisieren und für die Zukunft fortzuschreiben. Das Recht erbringt seine Humanisierungsleistungen demnach zuallererst in der Form seiner konstruktiven Bestimmungen von Rechtssubjektivität, von Rechts- und Handlungsfähigkeiten, insbesondere in der Form „Person“29 mit ihren vielfältigen materiellen Ausformungen als „Persönlichkeit“. Dabei zeigt gerade die rechtliche Entwicklung des Persönlichkeitsschutzes, deren „treibende Kraft“ schon immer die Technikentwicklung gewesen ist,30 dass es ein stabiles, klar umrissenes „Persönlichkeitsrecht“ gar nicht gibt – und auch nicht ge25  Vgl. Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966 (Nachdruck 1974), 419 ff., insbesondere 514: „Das Bewußtsein hält sich verantwortlich für alles, alles eignet es sich an, doch ist ihm nichts von sich aus zu eigen und vollbringt es sein Leben nur in der Welt.“ 26  Vgl. Malte-Christian Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben. Der moralische Status des Lebendigen und seine Implementierung in Tierschutz-, Naturschutz- und Umweltrecht, Baden-Baden 2006; siehe in diesem Zusammenhang auch Serres, Der Naturvertrag, 1994, 64 ff. 27   Zu vergleichbaren „postanthropozentrischen“ Perspektiven siehe vor allem Rosi Braidotti, Zur Transposition des Lebens im Zeitalter des genetischen Biokapitalismus, in: Martin G. Weiß (Hg.), Bios und Zoë. Die menschliche Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a.M. 2009, 108 ff.; ausführlicher dazu noch dies., Transpositions. On Nomadic Ethics, Cambridge (UK) 2006. 28   Zu den Problemen, „den“ Menschen zu bestimmen, siehe insbesondere die Beobachtungen von Peter Fuchs, Das Maß aller Dinge. Eine Abhandlung zur Metaphysik des Menschen, Weilerswist 2007, 23 ff. 29  Vgl. Niklas Luhmann, Die Form „Person“, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995, 142 ff. 30   Vgl. bereits Horst-Peter Götting/Christian Schertz/Walter Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, München 2008, Vorwort, V.

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ben kann. Vor allem aber sind es die gegenwärtigen Entwicklungen der Biound Informationstechnologien, unter deren Bedingungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht seine Konturen vollends zu verlieren droht. Auf die immer neuen Herausforderungen der technisierten Wirklichkeit können Anpassungs- und Korrekturversuche zumeist nur mit entsprechenden Ausdehnungen des persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereichs reagieren, oder auch mit Neufassungen korrespondierender Begrifflichkeiten, zum Beispiel des Körpers, des Geistes, der Selbstbestimmung oder etwa der in jüngerer Zeit entwickelten „Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“31. Besonders mit Blick auf informationstechnische Systeme kommt dabei zunehmend auch eine Verselbständigung von bislang nur als Objekte oder Teile der menschlichen Persönlichkeit beobachteten Artefakten in Betracht. Diese können nunmehr auch – als verkörperte Technik ebenso wie als technisierte Körper – zu den möglichen Adressaten subjektivierender, personifizierender Zuschreibungen gehören.32 Bei alledem ist fraglich, inwieweit die neu hinzukommenden Problemfelder noch mit den bisherigen Deutungen von Persönlichkeit und Autonomie zu bewältigen sind. Gegebenenfalls könnte ein modifiziertes Verständnis von Selbstbestimmung erforderlich werden, das vom subjektiven und mehr noch vom empirischen Willen der Person abstrahiert und stattdessen weitere, andersgeartete Bestimmungen des personalen Selbst, namentlich in Gestalt körperlicher, technischer oder auch kommunikativer Identifizierungsprozesse zulässt. Wo derartige Formen der „Selbst-Bestimmung“ allerdings an ihre Grenzen stoßen, kommt es darauf an, den Persönlichkeitsschutz mit den erwähnten korrespondierenden Begriffen und Konzepten zu flankieren. Gegenüber solchen Ausweitungen ist es dann freilich umso wichtiger, im Auge zu behalten, was den persönlichkeitsrechtlichen Kern der Menschen eigentlich ausmachen könnte: Nach wie vor muss an erster Stelle deren engste körperliche und geistige Sphäre der Selbstachtung stehen, die letztlich nur in der Form einer unveräußerlichen Würde für die gesellschaftliche und rechtliche Kommunikation zugänglich sein kann. Von diesem Ankerpunkt ausgehend kann schließlich auch die Suche nach den weiteren, eigensinnigen, technisierten Welten der Persönlichkeitsentfaltung und deren Verfassung beginnen. Nicht zuletzt angesichts des unaufhaltsamen Wandels der Bio- und Informationstechnologien werden sich die rechtlichen Deutungen von Rechtssubjektivität und Personalität dabei kaum zu einer statischen Begriffs- oder Seinsordnung fügen. Sie werden eher nach der Art von Experimenten als veränderliche Versuchsanordnungen aufzufassen sein, mit dem besonderen Ziel, den Dyna  Vgl. BVerfG, Urt. v. 27.2.2008, BVerfGE 120, 274 (302) = NJW 2008, 822 (824).  Vgl. Malte-Christian Gruber/Jochen Bung/Sascha Ziemann (Hg.), Autonome Automaten. Künstliche Körper und artifizielle Agenten in der technisierten Gesellschaft, Berlin 2014. 31

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miken der Technisierungsbedingungen lernend zu begegnen und die rechtlichen Begriffe sowie Konstruktionen den jeweiligen technologischen Gegebenheiten anzupassen. In gewissem Sinne geht es dabei um eine – natürlich immer an ihre jeweilige Zeit und deren Ereignisse gebundene – Verfassung der menschlichen Persönlichkeit. Diese kann das Recht in die Lage versetzen, den Menschen als lebendigen, psychophysischen Systemen ebenso wie auch anderen lebendigen oder sozialen Systemen in bestmöglicher, wenngleich immer nur vorläufiger Weise gerecht zu werden. Sie ist folglich nicht nur eine Angelegenheit des Rechts oder der Politik oder anderer sozialer Systeme, sondern erfasst mit der Persönlichkeit des Menschen gleichzeitig auch dessen Psyche und physischen Körper, mit dem sie schon in ihrer ursprünglichen, der Medizin entstammenden Bedeutung als Constitutio verbunden bleibt. „Zur Persönlichkeitsentfaltung des Menschen in technisierter Verfassung“ dienend, richtet sie sich buchstäblich auf dessen gute, gesunde „Konstitution“. Daher setzt die Verfassung der menschlichen Persönlichkeit, einer Sozialverfassung durchaus vergleichbar, mindestens zweierlei voraus: „das gute Funktionieren der inneren Organe und die Eignung des Körpers zum Leben in seiner Umwelt“.33 Eine solche Persönlichkeitsverfassung hat selbstverständlich eine Geschichte. Im folgenden Abschnitt ist daher zunächst die grundlegende Frage zu behandeln, wie die Persönlichkeit im rechtlichen Sinne das werden konnte, was sie heute ist. Nach einem kurzen historischen Abriss zur Vorgeschichte der Rechtsperson und der erst verhältnismäßig spät einsetzenden Herausbildung des Persönlichkeitsrechts soll anhand jüngerer Rechtsfälle aus den miteinander verbundenen Bereichen der Reproduktionsmedizin, Gentechnologie, Neurowissenschaft und Informationstechnologie dargestellt werden, mit welchen Grenzüberschreitungen und ‑verlusten es das Persönlichkeitsrecht in den neuen lebenswissenschaftlichen Technologiefeldern zu tun bekommt. Im Anschluss daran können einige Schlüsselthemen und ‑begriffe des Bioinformationsrechts, allerdings ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, diskutiert werden. Statt einer erschöpfenden Abhandlung der Thematik wird es dabei eher um einen „Allgemeinen Teil des Bioinformationsrechts“ gehen, mit punktuellen Erkundungen und Sondierungen in einem Gebiet, das weitaus weniger als andere von bestimmten Verwirklichungen und umso mehr von zurzeit noch unbestimmten Möglichkeiten geprägt – mit einem Wort: zukunftsoffen ist.

 Vgl. Gunther Teubner, Verfassungsfragmente. Gesellschaftlicher Konstitutionalismus in der Globalisierung, Berlin 2012, 138. 33

Erster Abschnitt

Personen Natürliche Bestimmung und technologische Funktionalisierung

Erster Titel

„Natürliche“ Personen „‚Jahrelang schon bedien ich mich meiner Nase zum Riechen, hab ich denn wirklich an sie ein erweisliches Recht?‘ So fragt Schiller spöttisch. Der antwortende Jurist, weicht er nicht in leeres Gerede aus, gerät in arge Bedrängnis. Natürlich darf ich riechen, natürlich kann ich gegen jeden etwas unternehmen, der mir die Nase zuhält. Jenseits solcher Banalitäten hört das ‚Natürliche‘ auf.“1

Das „Natürliche“, dessen Grenzen Rudolf Wiethölter in seiner 1968 erstmals erschienenen „Rechtswissenschaft“ am Beispiel der provokanten Frage Schillers nach seinem Recht am eigenen Riechorgan 2 vorführt, findet sein Ende in der vermeinten Natürlichkeit der Person: Das individualistische Modell der bürgerlich-rechtlichen Vermögensordnung mit seinen Bezugspunkten „Persönlichkeit“ und „Privatautonomie“ scheint sich nämlich im Umgang mit dem Menschen als „Mensch im Recht“ noch immer schwerzutun. Als „natürliche“ Person 3 hatte ihn schon die natur- und vernunftrechtliche Tradition mit „natürlichen“ Pflichten4 und Rechten 5 versehen. Ihr zufolge sollte der Mensch   Rudolf Wiethölter, Rechtswissenschaft, Basel/Frankfurt a.M. 1986, 182.   Dass gerade die Nase offenbar einen besonderen Bezug zur Personalität aufweist, nicht nur als Sinnesorgan, sondern vor allem auch als ein besonderer Teil des menschlichen Antlitzes, zeigt sich auch daran, dass sie ein beliebtes Beispiel für zahlreiche weitere Illustrationen von Mensch-Umwelt-Verhältnissen abgibt, etwa zur Darstellung von Erwartungen an ihre Länge (Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 415, mit weiterem Hinweis auf Erving Goffman, Stigma: Notes on the Management of Spoiled Identity, Englewood Cliffs, NJ, 1963) oder auch zur Markierung der Grenzen des modernen, rationalistischen Denkens, „[…] wo wir immer noch kaum über unsere Nasenspitze hinaussehen können“ (Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt a.M. 2008, 153). 3   Dass die „natürliche“ Person keineswegs etwa mit Menschen als natürlichen, lebendigen Wesen identifiziert werden darf, verdeutlicht bereits Thomas Hobbes, Leviathan, Stuttgart 1980, im 16. Kapitel „von Personen und Urhebern“, insbesondere mit der Parallelsetzung von Selbst- und Fremdvertretung: „Wer für sich oder im Namen eines andern etwas betreibt, ist eine Person. Tut er es für sich selbst, so ist er eine eigentliche oder natürliche Person, tut er es aber in eines anderen Namen, so ist er eine stellvertretende Person.“ (a.a.O., 142, Hervorhebung im Original); näher dazu Rolf Knieper, Gesetz und Geschichte. Ein Beitrag zu Bestand und Veränderung des Bürgerlichen Gesetzbuches, Baden-Baden 1996, 55 ff. 4   Samuel von Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur, Lund 1673 (übersetzte Ausgabe Frankfurt a.M. 1994, hg.  v. Klaus Luig). 5   Siehe vor allem Christian von Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts: worin alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menschen in einem beständigen Zusammenhange hergeleitet werden, Halle im Magdeburgischen 1769; näher hierzu Wiethölter, a.a.O. (184 f.). 1 2

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Erster Abschnitt. Personen

bereits mit seiner Geburt über unveräußerliche Rechte verfügen, deren Inhalte sich eben nach der Menschennatur und der Vernunft bemaßen. Die (als solche noch unerkannt gebliebene) Konstruktion eines Menschenbildes erlaubte damit immer neue Kreationen „natürlicher“ Rechte auf scheinbar Naturgegebenes. „Von Natur aus“, so heißt es auch heute noch bei der Begründung von Grundrechten, habe der Mensch ein Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art.  2 Abs.  1 GG), auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit (Art.  2 Abs.  2 S.  1 GG), auf persönliche Freiheit (Art.  2 Abs.  2 S.  2 GG). Neben diesen fundamentalen Menschenrechten gibt es indessen auch wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte auf Teilhabe und Teilnahme am gemeinschaftlichen Zusammenleben, die ebenfalls aus einer bestimmten, sozialen „Natur des Menschen“ abgeleitet werden. Der heutige „Mensch im Recht“ ist insoweit noch immer vergleichbar mit dem aristotelischen zoon politikón, das sich erst im politischen Gemeinwesen verwirklichen und nach modernem Verständnis „Person“ sein kann. 6

I.  Funktionalisierung der Person Was „Person“ heute bedeutet, ist allerdings im Wesentlichen geprägt von Immanuel Kants begrifflicher Verknüpfung mit dem Rechtssubjekt: „Person ist dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind.“7 Eine Person sei mithin keinen anderen Gesetzen unterworfen, als denen, die sie sich selbst gebe. 8 Genügte im Vernunftrecht prinzipiell die Eigenschaft allein, ein Mensch zu sein, um als „Person“ zu gelten,9 so ist es bei und nach Kant die sittliche Autonomie des Menschen, die ihn zum rechtsfähigen Subjekt macht. Die menschliche Fähigkeit zur Verantwortung als Grundlage der Freiheit bestimmt letztere daher nicht nur als Basis allgemeingültiger Gesetze, sondern zugleich als das einzige „angeborne Recht“, das dem Menschen aufgrund seines Menschseins zukommt: 6  Vgl. Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1986, 187. Niklas Luhmann zufolge könnte man in der humanistischen Tradition zwar noch eine historische Erweiterung der menschlichen Existenzform zu einem animal sociale finden. Aber auch diese setzt die „Natur des Menschen“ letztlich unverändert „als bestimmt durch normative Anforderungen der sozialen Ordnung“ voraus. Der Mensch gilt demzufolge auch hier noch „als Bestandteil der sozialen Ordnung, als Element der Gesellschaft selbst“ (Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 286 f.). 7   Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, Werkausgabe VIII, hg.  v. Wilhelm Weisch­ edel, Frankfurt a.M. 1968/1993, AB 22 (329). 8   Kant, a.a.O., AB 22 (329 f.) 9   Allerdings vermochten es die „angeborenen“ Rechte der Menschen wegen des vernunftrechtlichten „Doppelstatus des Menschen und Bürgers“ nicht auszuschließen, dass diese in der bürgerlichen Rechtsordnung noch lange Zeit ungleich behandelt wurden. Siehe dazu Wiethölter, a.a.O. (185).

Erster Titel. „Natürliche“ Personen

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„Freiheit (Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen, kraft seiner Menschheit, zustehende Recht.“10

Kants Rede von der Person als Subjekt der Handlungszurechnung bereitete der dem gegenwärtigen Recht geradezu selbstverständlichen Lehre den Boden, die in der „Person“ nicht mehr unmittelbar den Menschen sieht, sondern in erster Linie die Funktion des Rechtssubjekts als Träger von Rechten und Pflichten. Die „Rechtsfähigkeit des Menschen“ wird aufgrund der Kantischen „Verschmelzung von Person, Recht und Freiheit“11 seither gleichbedeutend mit dessen Eigenschaft als Subjekt und „natürlicher“ Person verwendet.12 Das Bürgerliche Gesetzbuch verzichtet danach sogar auf eine Definition des Personenbegriffs, indem es unter dem Titel „Natürliche Personen“ die Einheit von Person, Subjekt und Mensch einfach voraussetzt: „Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt“ (§  1 BGB).13 Auch das Grundgesetz folgt Kant, indem es dessen Vorstellung der in jeder Person ruhenden „Sittlichkeit“ und „Menschheit“ übernimmt: Demzufolge ist der geborene, rechtsfähige Mensch aufgrund seiner sittlichen Autonomie Zweck an sich selbst; 14 er hat wie jedes vernünftige Wesen einen inneren Wert, mithin „Würde eines vernünftigen Wesens, das keinem Gesetze gehorcht, als dem, das es zugleich selbst gibt“15 – oder im Sinne des Art.  1 Abs.  1 GG: Menschenwürde. Mit der „Menschheit“ in der Person „als von physischen Bestimmungen unabhängiger Persönlichkeit (homo noumenon)“16 legte Kant zugleich den Grundstein für die heutige Dogmatik des „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ nach Art.  2 Abs.  1 i.V.m. Art.  1 Abs.  1 GG.17 Genauer Ursprung, Genese und zukünftige Entwicklung dieses in Deutschland gesetzlich nicht ausdrücklich bestimmten, sondern bloß in Gestalt einzel  Kant, a.a.O., AB 45 (345).   Wiethölter, a.a.O. (187). 12   In der Nachfolge etwa Anton Friedrich Justus Thibaut, System des Pandekten-Rechts, Band I, Jena 1803, §  188 (140); Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band II, Berlin 1840, §  60 (1). Zur juristischen Rekonstruktion des Menschen als „physische“ Person, die letztlich nichts anderes als eine juristische Person sei, siehe vor allem Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, 2.  Auflage, Wien 1960, 176 ff. 13   Siehe im Unterschied hierzu den Wortlaut des §  1 des ersten Titels im ersten Teil des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten (1794), in welchem man offenbar eine Definition des Personenbegriffs noch für notwendig erachtet hatte: „Der Mensch wird, insofern er gewisse Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft genießt, eine Person genannt.“ 14  Vgl. Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Werkausgabe VII, hg.  v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1968/1993, BA 62 ff. (58 ff.). 15   Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1968/1993, BA 76 f. (67). 16   Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1968/1993, AB 48 (347); näher zur Differenzierung von homo noumenon und homo phaenomenon etwa Joachim Hruschka, Die Würde des Menschen bei Kant, ARSP 88 (2002), 463 ff. 17  Ebenso Wiethölter, a.a.O. (190); vgl. ferner Klaus Martin, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, Hamburg 2007, 114. 10 11

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Erster Abschnitt. Personen

ner besonderer Persönlichkeitsrechte18 geregelten, im Ganzen von der Rechtsprechung19 herausgebildeten Rechts sind ungewiss.20 Fraglich ist schon allein, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht konstruktiv zu behandeln sei, ob als „Recht der Persönlichkeit, an Persönlichkeit, auf Persönlichkeit“ oder „aus Persönlichkeit“.21 Wiethölter gibt diesbezüglich schon einen entscheidenden Hinweis, indem er betont, dass es nicht etwa als Herrschafts- oder Interessenrecht zu begründen sei, sondern „den Menschen als Menschen“ schütze: 22 „Und ein Recht der Nase oder an meiner Nase habe ich so wenig wie auf meine oder aus meiner Nase; die Nase ist auch nicht ihrerseits etwa ein Recht. Ich bediene mich ihrer schließlich auch nicht zum Riechen, ich rieche. Wer mich darin rechtswidrig stört oder schädigt, der hat weder das Recht noch mein Recht verletzt, sondern mich, und ich bin im Recht, wenn ich Aufhebung der Störung oder Schädigung verlange.“23

Die Parallelen der Fragen nach den Rechten an der Nase und an der Persönlichkeit als Teilen der menschlichen „Natur“ werden umso deutlicher, je mehr man sich mit dem Wandel des begrifflichen Verhältnisses von „Mensch“, „Person“ und „Persönlichkeit“ auseinandersetzt. Auf die „natürliche“ Identität von Mensch und Person im Vernunftrecht wie auch auf die Kantische Funktionalisierung des Personenbegriffs folgte nämlich nicht nur die personale Bestimmung des Menschen als autonomes Subjekt in seinen Pflichten gegen andere, später auch ganz allgemein als „Träger“ von Rechten und Pflichten.24 Vielmehr kam es – zumindest in der jüngeren Rechtsentwicklung – noch zu einer wesentlich weitergehenden, materialen Funktionalisierung des Persönlichkeitsbegriffs: „Das Recht der Persönlichkeit ist ein subjektives Recht und muß von Jedermann anerkannt und geachtet werden. Es ist das einheitliche subjektive Grundrecht, das alle besonderen subjektiven Rechte fundamentirt und in sie alle hineinreicht (…)“25 18   Einzelne Bereiche des Persönlichkeitsrechts sind gesetzlich besonders geschützt, beispielsweise die persönliche Ehre (§§  185 ff. StGB), die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes sowie von Briefen, Daten und persönlichen Geheimnissen (§§  201 ff. StGB), der Name (§  12 BGB), die Rechte am eigenen Bild (§§  22 ff. KUG) und an personenbezogenen Daten (§§  1, 3, 4 BDSG) oder auch das Urheberrecht, das sich seit dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert in theoretischer Nähe zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelt hat und im Urheberrechtsgesetz (UrhG) ausformuliert ist; siehe hierzu Martin, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, Hamburg 2007, 191 ff. 19   Richtungweisend vor allem die sogenannte „Leserbrief“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes, BGHZ 13, 334. 20  Zur komplexen Entstehungsgeschichte im deutschen Rechtsraum etwa Horst-Peter Götting, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  2 (24 ff.). 21  Ebenso Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1986, 190 (Hervorhebung von mir, M.G.). 22   Wiethölter, a.a.O. (197 f.) 23   Wiethölter, a.a.O. (200; Hervorhebung im Original). 24  Vgl. v. Savigny (Fn.  12, in diesem Abschnitt). 25   Otto von Gierke, Deutsches Privatrecht, Erster Band: Allgemeiner Teil und Personenrecht, Leipzig 1895, §  81 (703).

Erster Titel. „Natürliche“ Personen

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Konnte sich Otto von Gierke um die Wende des achtzehnten zum neunzehnten Jahrhunderts noch nicht mit dieser Auffassung durchsetzen, dass „Persönlichkeitsrechte“ solche „Rechte an der eigenen Person“ seien, „die ihrem Subjekte die Herrschaft über einen Bestandteil der eigenen Persönlichkeitssphäre gewährleisten“, 26 so erkannte man seit der frühen Nachkriegszeit in der Persönlichkeit mehr als nur eine bloß gleichbleibende, statische „Eigenschaft“27 der Person, nämlich – in den Worten Heinrich Hubmanns – ein „Wesen voll schöpferischer Dynamik, voll inneren Reichtums und von eigenem Wertcharakter“, verbunden mit der „Notwendigkeit der Entfaltung und Entwicklung“: 28 „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist keineswegs identisch mit der Rechtsfähigkeit oder Rechtspersönlichkeit. Die Rechtsfähigkeit bedeutet die Anerkennung der menschlichen Person als eines selbständigen und selbstmächtigen Geistwesens in den Beziehungen, in die sie von der Natur gestellt ist. Sie bedeutet die rechtliche Möglichkeit, Träger von Rechtsbeziehungen, Subjekt von Rechten und Pflichten zu sein. Damit ist aber die Achtung, die dem Persönlichkeitswert gebührt, nicht erschöpft. In ihren Beziehungen verwirklicht die Persönlichkeit in ständiger Selbstentfaltung Werte, die erworbenen Werte sucht sie zu erhalten und so realisiert sie jenes originelle Menschenbild in sich, das ihr einen einmaligen Eigenwert verleiht. Diesem Wertstreben und diesen erworbenen Werten gebührt unbedingte Achtung von Seiten der Mitmenschen und Schutz gegen Störungen und Verletzungen. (…) Gerade die einmalige Persönlichkeit, nicht der Durchschnittsmensch, nötigt unserem Wertgefühl die höchste Anerkennung ab.“29

„Persönlichkeit“ bezeichnet heute nicht mehr nur, wie es noch bei Kant geheißen hat, die auf sittlicher Autonomie begründeten Pflichten des Menschen „gegen sich selbst“,30 sondern darüber hinaus ein umfassendes Recht auf Achtung und freie Entfaltung der Persönlichkeit.31 Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zählen inzwischen nicht mehr alleine solche Rechte, die den inneren Kreis der privaten menschlichen Sphäre bewahren sollen, wie etwa die körperliche Integrität, die personale Integrität in Gestalt der Menschenwürde, der Ehre und des sozialen Ansehens. Persönlichkeitsrechtlich geschützt sind nämlich auch ursprünglich außerpersönliche Güter, in denen sich die Persönlichkeit materialisiert: Bildnisse, Briefe, Tagebücher, Bild- und Tonaufnah-

 So v. Gierke, a.a.O., §  81 (702 f.).   In diesem Sinn etwa noch Eduard Hölder, Natürliche und juristische Personen, Leipzig 1905 (Neudruck Aalen 1964), 1: „Die Bezeichnung der Person und der Persönlichkeit werden vielfach in demselben Sinne gebraucht. Das zweite Wort bezeichnet eine Eigenschaft, das erste ein Ding, das jene Eigenschaft hat.“ 28   Heinrich Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, Münster/Köln 1953, 59 f. 29   Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 1953, 119 f. 30   Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1968/1993, A 65 (550). 31   Vgl. insoweit bereits Georg Carl Neuner, Wesen und Arten der Privatrechtsverhältnisse, Kiel 1866, 15: „Unter dem Rechte der Persönlichkeit verstehen wir aber das Recht der Person, sich selbst Zweck zu sein, sich als Selbstzweck zu behaupten und zu entfalten.“ 26 27

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men.32 Daneben gibt es noch zahlreiche besondere Ausprägungen,33 zu denen unter anderem 34 Immaterialgüter gehören, die das Ergebnis einer schöpferisch-geistigen Leistung des Menschen (als Persönlichkeit) sind und aus denen etwa Urheberpersönlichkeitsrechte abgeleitet werden.35 Diese vor allem an Funktionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens von Menschen orientierte Ausdehnung des Persönlichkeitsschutzes lässt sich auf die allgemeinere Entwicklung des Menschenbildes zurückführen, genaugenommen auf den Verlust einer selbstevidenten, von einer ebenso klar begriffenen „Natur“ abgegrenzten, einheitlichen Bestimmung des Menschen als Rechtsperson: Gibt es keinen substanziell bestimmbaren Menschen oder „Durchschnittsmenschen“ mehr, so sollen wenigstens seine Entfaltungsmöglichkeiten funktional gewährleistet sein.36 Allerdings scheint dies heute nur noch in der Weise zu gelingen, dass „spezifische sozial-kulturelle Sondereinschätzungen spezifischer Menschen“37 in entsprechend spezifische, fragmentierte Persönlichkeitsrechte übersetzt werden.

II.  Funktionalisierung der Natur Demgegenüber vermochte die Kantische Funktionalisierung der Person als autonomes Subjekt den Verlust eines substanziellen Menschenbildes noch „allgemeingültig“ zu kompensieren, solange sich der Mensch zumindest seiner inneren Freiheit sicher sein konnte. Doch spätestens mit den bio-, neuro- und informationstechnologischen Entwicklungen der Gegenwart zeigt sich immer deutlicher, dass die anthropologischen Gewissheiten über „den Menschen“ sowie über eine hiervon unterschiedene, außermenschliche „Natur“ auch nicht mit der dem Recht noch immer eingeschriebenen Subjektidee Kants zurückzugewinnen sind. Kant selbst hatte bei seinen Betrachtungen der auf empirische Prinzipien begründeten, modernen Naturwissenschaft die Grenzen der menschlichen Vernunft offengelegt, insofern sie „nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Ent-

32   Einen Überblick bietet Götting, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  1 (1 ff.). 33  Zur Differenzierung allgemeiner und besonderer Persönlichkeitsrechte Götting, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  11 (204 ff.). 34   Siehe bereits oben, Fn.  18, in diesem Abschnitt. 35  Vgl. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  4 (49 ff.). 36   Siehe beispielsweise Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 1953, 140 ff., der dabei weiterhin an bestimmte gesellschaftliche Persönlichkeitsvorstellungen anknüpft. 37   Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1986, 190.

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wurf hervorbringt“38 . Dementsprechend sei – ähnlich der Kopernikanischen Wende – die Denkrichtung in Bezug auf die Möglichkeiten der Vernunft umzukehren: Die Erkenntnis richte sich nicht etwa nach den Gegenständen, sondern die Gegenstände müssten sich nach der Erkenntnis richten.39 Dieser Schritt zu einem konstruktivistischen Vernunftbegriff bedeutete zugleich, dass Gegenstände als „Dinge an sich selbst“ ohne sinnliche Anschauung nicht erkannt, sondern bloß gedacht werden könnten.40 Von diesem Standpunkt aus konnte der Mensch allerdings noch immer als frei gelten, sofern er zwar einerseits als reines, körperliches, objekthaftes Naturwesen zu erfahren war, andererseits aber in der Dimension der reinen Verstandesbegriffe als sittlich autonomes Wesen gedacht werden konnte.41 Doch der Dualismus von Erscheinungen und Dingen an sich vertiefte zugleich die Spaltung von Mensch und Natur, Denken und Seiendem, Geist und Körper, Subjekt und Objekt, und schließlich auch von Personen und Gegenständen im moralischen sowie im rechtlichen Sinn. War die Natur demnach nicht mehr als Natur an sich selbst erkennbar (und mithin auch nicht der Mensch als Naturwesen an sich), sondern allenfalls in der Weise, „daß wir uns eine absichtlich-wirkende oberste Ursache derselben denken“42 , so deutete sich schon hier der Verlust einer einheitlichen Bestimmung von Natur und Menschennatur an. Die Kantische Fiktion einer teleologischen Natur, die gleichsam absichtsvoll organisiert zu denken sei, lässt den Verdacht zu, dass auch die in der Verstandeswelt begründete innere Freiheit des Menschen bloß fingiert sein könnte. Jedenfalls dürften an diesem Punkt die bisherigen Seinsgewissheiten einer einheitlichen Welt und deren objektiver Erkennbarkeit endgültig verloren sein.43 Der Mensch ist seither nicht mehr Teil einer natürlichen oder gar göttlichen Ordnung, sondern als Subjekt von der Natur geschieden, die ihrerseits zunächst das Material einer vom Menschen produzierten Welt bildet. Die verlorenen Gewissheiten betreffen mithin nicht alleine das Menschenbild, sondern auch die dem Subjekt gegenübergestellte Natur, deren Bedeutung demnach nur noch auf ihre Funktion als „Produktionsmaterial“ zurückgeführt wird. Funktionalisierung scheint also auch hier die Strategie zu sein, einen verlorenen Einheitsbegriff wieder mit Sinn anzureichern. Doch der funktional bestimmte Sinngehalt der Natur erhält ebenso wie im Fall des Menschenbildes einen fragmentarischen Charakter: Führte schon der Verlust einer einheitlichen 38   Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Werkausgabe III, hg.  v. Wilhelm Weisch­ edel, Frankfurt a.M. 1968/1992, B XIII (23). 39   Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1968/1992, B XVI (25). 40   Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1968/1992, B XXVI (30 f.). 41   Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1968/1992, B XXVII ff. (31 ff.). 42   Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, Werkausgabe X, hg.  v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1968/1992, B 335/A 331 (351) (Hervorhebung im Original). 43  Vgl. Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 35 f.

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anthropologischen Bestimmung zu einer Vielzahl spezifischer, sozio-funktional begründeter Persönlichkeitsrechte, so verschärft ein spezifischer Naturbegriff, der in der gegenwärtigen Entwicklung von Bio-, Neuro- und Informationstechnologien zunehmend verunsichert wird, die Schwierigkeiten des Verhältnisses zwischen „Person“ und „Natur“ noch. Hier geht es vor allem um den Verlust einer klaren Unterscheidung. Wie aber sollen der Personenbegriff und die Persönlichkeitsrechte noch bestimmt werden, wenn ihnen keine begrifflich abgrenzbare „Natur“ mehr gegenüberstehen sollte? Die technologische Funktionalisierung einer ihrem Wesen nach opaken Natur bildet die Basis der noch heute in den Natur- und Technikwissenschaften erhobenen empirischen Wahrheitsansprüche, deren normative Bedeutung demgegenüber jedoch in der Regel unsicher ist.44 Natur- und technikwissenschaftlich kann Natur daher im Grunde nur als unbelebte Materie, als prozessierbare Energie oder als „Inkorporation von Informationsstrukturen“ beobachtet werden.45 Dabei können sich naturwissenschaftliche Beschreibungen lediglich am Prinzip der naturgesetzlichen Verursachung orientieren; sie können Natur nur erklären, nicht aber sinnhaft verstehen.46 Natur vermag demnach keinen eigenständigen Sinn mehr zu stiften. Vielmehr kommt seit Kants „Kopernikanischer Wende“ dem erkennenden Subjekt die Aufgabe zu, die Welt zu deuten. Wenngleich solche Deutungsversuche immer wieder auch von Seiten der Naturwissenschaften unternommen werden, ändert dies nichts an der Tatsache, dass deren Erfahrungs- und Handlungswissen ursprünglich gerade erst durch die strikte Ablehnung von Metaphysik und sinnhaften Seinsordnungen, mithin durch den Verzicht auf normative Geltungsansprüche und „Orientierungswissen“, erreicht werden konnte.47 Soll Natur unter diesen Umständen dennoch zum Verständnis des menschlichen Lebens beitragen, so gilt es zu beachten, dass diese nur noch um den erkenntnistheoretischen Preis der Reduktion von Erfahrungsgegenständen auf messbare Einzeltatsachen erforscht werden kann.48 Naturalistische und positivistische Ansätze, empirische oder funktionale Erklärungen unmittelbar für 44  Vgl. Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 25 und 36 f. 45  So Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 39 und 156 ff., m.w.N. 46   Zum Gegensatz von erklärendem und verstehendem Weltzugang vgl. Wilhelm Dilthey, Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie (1894), in: Gesammelte Schriften, Fünfter Band, 2.  Auflage, hg.  v. Georg Misch, Stuttgart 1957, 139 ff.; ferner ders., Einleitung in die Geisteswissenschaften (1883), in: Gesammelte Schriften, Erster Band, hg.  v. Bernhard Groethuysen, Stuttgart 1959. 47  Siehe Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 39 ff. 48  Vgl. Helmuth Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, in: Gesammelte Schriften IV, hg.  v. Günter Dux/Odo Marquard/Elisabeth Ströker, Frankfurt a.M. 1981, 62.

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das normative Verständnis der geistigen, sozialen und kulturellen Existenz des Menschen fruchtbar zu machen,49 begegnen daher stets dem Problem, ihre normativen Prämissen offenlegen und rechtfertigen zu müssen, um dem Vorwurf eines naturalistischen Fehlschlusses50 zu entgehen. Trotz dieser Schwierigkeiten richten die natur- und technikwissenschaftlichen Disziplinen ihr Augenmerk gegenwärtig verstärkt auf die Bereiche des menschlichen Lebens, die ursprünglich dem Subjekt als Freiheitsräume – oder doch zumindest als Freiheitsfiktionen – vorbehalten waren. Hier sind es vor allem die Neurowissenschaften, die beispielsweise phänomenales Bewusstsein, Intentionalität oder sogar das menschliche „Selbst“ in messbare neuronale Vorgänge übersetzen und auf diesem Weg auch in normativen Begriffen wie Handlungsverantwortlichkeit oder Personalität verstehen möchten.51 Derartige naturwissenschaftliche Bestrebungen sind das Ergebnis einer zunehmenden wissenschaftlichen Ausdifferenzierung und der damit verbundenen technologischen Fortschritte, in deren Verlauf die ursprünglich klaren Grenzen zwischen materieller, unbelebter Natur und lebendigem Menschen durchlässig geworden sind.52 War es zunächst die Konfrontation mit einer veränderlichen Natur, die sich den statischen Gesetzmäßigkeiten formaler Logik zu widersetzen schien und eine genauere Betrachtung des Naturgeschehens als historischen Veränderungsprozess oder evolutionäre Genese erforderte, so mündete diese Sichtweise schließlich in eine „Neudefinition von Natur als wandelbare und umformbare Größe“.53 Natur konnte unter diesen Bedingungen schon nicht mehr nur als leblose Materie, als reines Produktionsmaterial menschlicher Konstruktionstätigkeit, gelten. Unbelebte Dinge und lebendige Wesen wie auch Menschen und Tiere schienen im Rahmen der neuen genetischen, insbesondere evolutionstheoretischen Naturbeschreibungen miteinander verbunden, verwandt und prinzipiell ineinander verwandelbar zu sein.

49   Besondere Wirkungen entfaltete in dieser Hinsicht die Evolutionstheorie. Siehe hierzu Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 26 ff. 50   Strenggenommen ist der naturalistic fallacy jedoch allenfalls ein definist fallacy; seine Ergebnisse sind nur insoweit falsch, als er mit verdeckten normativen Prämissen arbeitet, die einer bestimmten ontologischen Prämisse, der Vorstellung zweier getrennter Welten des Seins und des Sollens, zuwiderlaufen. Das sagt aber nichts darüber aus, ob diese Prämisse richtig ist – und ob es daher nicht doch möglich ist, unter bestimmten Voraussetzungen von einem Sein auf ein Sollen zu schließen. Siehe hierzu William K. Frankena, The Naturalistic Fallacy, Mind 1939, Vol.  48, 464 ff. 51  Vgl. Malte-Christian Gruber, Neuro-Theorien des Rechts, in: Sonja Buckel/Ralph Chris­ tensen/Andreas Fischer-Lescano (Hg.), Neue Theorien des Rechts, 2.  Auflage, Stuttgart 2009, 327 ff. (341 ff.). 52  Dazu Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 41 ff. 53   Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 43 f.

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Schließlich betrachteten kybernetische und systemtheoretische Ansätze sogar körperliche und nicht-körperliche Vorgänge als gegeneinander austauschbare kommunikative Prozesse. Der lebendige Organismus konnte somit als eine „biotische Komponente“ innerhalb eines kommunikativen Netzwerkes rekon­ struiert werden, die sich vor allem durch den Mechanismus der zirkulären Rückkoppelung (re-entry) gegenüber ihrer Umwelt stabilisiert.54 Anhand einer solchen Selbstproduktion lebender Systeme, deren zirkuläre Organisation ein stabiles, operativ geschlossenes Netzwerk zur Reproduktion eigener Bestandteile bildet, entwarf Humberto Maturana die Figur der Autopoiesis55 – ein Konzept, das Niklas Luhmann wenig später aufgriff, wobei er Autopoiesis als „Invariante“ verstand, die „bei allen Arten von Leben, bei allen Arten von Kommunikation stets dieselbe“ sei.56 Die ihrem Grunde nach zwar kommunikativ verfasste, jedoch ursprünglich auf lebende Systeme beschränkte57 Autopoiesistheorie wurde auf diese Weise gewissermaßen von der Biologie in den Bereich des Kommunikativen, insbesondere des Sozialen zurückübertragen. Das alles hatte zur Folge, dass lebendige und künstliche Systeme als prinzipiell miteinander vergleichbar, kompatibel und sogar konvertibel erschienen: Menschen und Maschinen konnten mithin auf einer informationstheoretischen Ebene als gegenseitig anschlussfähig gedacht werden, so dass einerseits der Versuch einer technischen Entwicklung künstlichen Lebens und künstlicher Intelligenz nicht mehr fernlag, andererseits auch die neurobiologische Erforschung des „natürlichen“ Lebens wie auch des Mentalen mit informationswissenschaftlichen Mitteln vorangetrieben wurde. Jetzt war es nicht mehr alleine eine unbelebte Natur, die dem Menschen als Produktionsmaterial diente. Vielmehr wurden nun auch lebendige Wesen neuro-, bio- und gentechnologisch verfügbar, und mit ihnen die Menschen selbst. Diese können nunmehr zur gleichen Zeit als selbstbestimmte Personen wie auch als natürlich gewachsene Lebewesen und technisch geschaffene Artefakte, sozusagen als „Biofakte“, aufgefasst werden.58

54  Vgl. Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 45 f. 55  Vgl. Humberto R. Maturana/Francisco J. Varela, Autopoietische Systeme: eine Bestimmung der lebendigen Organisation, in: Maturana, Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie. Autorisierte deutsche Fassung von Köck, Braunschweig/Wiesbaden 1982, 170 ff.; siehe im selben Band auch Maturana, Biologie der Kognition, 32 ff. 56   Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 45. 57   Die Ausweitung des (biologischen) Autopoiesiskonzepts auf sämtliche kommunikativen, insbesondere auch sozialen Systeme sah Maturana selbst kritisch; vgl. dazu etwa Niklas Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, 2.  Auflage, Darmstadt 2004, 113. 58   Vgl. hierzu Malte-Christian Gruber, Vom Kontinuum der Herkunft ins Kontinuum der Zukunft. Zur Relevanz von Argumenten der Potentialität bei der Bestimmung des rechtlichen Status von Biofakten, in: Nicole C. Karafyllis (Hg.), Biofakte. Versuch über den Menschen zwischen Artefakt und Lebewesen, Paderborn 2003, 131 ff. (134).

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Da die technologische Verfügbarkeit von Natur und Mensch allerdings zunächst nur auf das den Natur- und Technikwissenschaften eigene praktische „Handlungswissen“ beschränkt ist, muss es um ein den technologischen Entwicklungen angepasstes „Orientierungswissen“ ergänzt werden. Dabei gilt es zu beachten, dass die längst begonnene technologische Produktion von „natürlichen“ Dingen und Lebewesen zwangsläufig zu einem gewandelten Verständnis von Natürlichem, Lebendigem, Menschlichem führt.59 Die ehemals deutlichen Grenzen zwischen Natürlichem und Artifiziellem, Leblosem und Lebendigem, Tierischem und Menschlichem, Materiellem und Immateriellem sind durch die gegenseitige Annäherung von Bio- und Informationswissenschaften beweglich geworden. Das informationstheoretische Verständnis von Natur, Leben und Mensch verunsichert einerseits zwar die genannten begrifflichen Dichotomien, stabilisiert aber andererseits auch alte Dualismen von Information und Materie, Geist und Körper, oder allgemeiner: Inhalt und Form. 60 Letztere begünstigen den begrifflichen Transfer zwischen den „technologischen“ und „natürlichen“ Beschreibungsperspektiven. Letztlich sind es gerade die permanenten Rückwirkungen eines infolge technologischer Einflüsse veränderlichen Naturverständnisses auf den Begriff der Technik, sowie in umgekehrter Richtung eines „natürlichen“ Technikverständnisses auf das Verständnis von Natur, die es schwierig machen, mit gesellschaftlichen Konflikten in den einschlägigen Bereichen normativ umzugehen. Dem Recht stellt sich in diesem Zusammenhang insbesondere die Aufgabe, den Personenbegriff und die Persönlichkeitsrechte weiterhin in ihrem Verhältnis zur „Natur“ zu bestimmen und an die neuen Bedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens anzupassen. Dabei kann es sich nach alledem nicht mehr auf alte anthropologische Gewissheiten über ein bestimmtes, von einer außermenschlichen Natur scharf abgegrenztes Menschenbild stützen, sondern muss dem von den Bio-, Neuro- und Informationstechnologien eingeschlagenen Pfad der Auflösung tradierter Dichotomien folgen, um sich an deren neu erzeugten Phänomenen und konkreten Fallgestaltungen zu bewähren.

59  Vgl. entsprechend Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 48, m.w.N. 60  Dazu Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 156 ff.

Zweiter Titel

„Technisierte“ Personen Die Natur- und Technikwissenschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten derart dynamisch fortentwickelt, dass ihre Deutungsmacht in den Bereichen des Menschlichen, des Natürlichen und Technischen, ebenso des Geistigen, Sozialen und Kulturellen nun auch in der Lebenswelt spürbar geworden ist. Die Wirkungen zeigen sich insbesondere in jüngeren Konflikten, die sich nur als Folge eines durch eine technisch produzierte Natur modifizierten Naturbegriffs sowie eines gleichzeitig gewandelten Technikbegriffs, der zunehmend „Natürliches“ einschließt, verstehen lassen. Im Mittelpunkt dieser technologischen Expansion steht der Mensch, genauer: der Mensch als Person, als Körper, als Träger von immateriellen Ressourcen oder auch als Besitzer wertvoller Informationen. Doch was heißt es nach dem von Wiethölter zitierten Ende des „Natürlichen“ überhaupt, eine Person oder ein Körper zu „sein“ – oder etwa eine Persönlichkeit oder einen Körper zu „haben“? Was bedeutet es ferner, „Träger“ oder „Besitzer“ geistiger oder immaterieller Güter zu sein? Wo liegen insbesondere die Grenzen des Personen- und Persönlichkeitsschutzes, des menschlichen Körpers wie auch seines Geistes? Wenn Konflikte zu Rechtsfällen werden, lassen sich derartige Fragen nicht mehr mit einem bloßen Verweis auf eine evidente Übereinstimmung von Person, Mensch, Geist und individuellem Körper erledigen. Sowohl die rechtliche Entwicklung eines funktionalisierten Personenkonzepts als auch die technologische Funktionalisierung des Naturbegriffs zeigen, dass normative Bestimmungen längst jenseits der individuellen „Haut-Grenzen“ biologischer Organismen ansetzen müssen. Diesen Notwendigkeiten entsprechen auch die folgenden, exemplarisch ausgewählten Gerichtsentscheidungen, die sich mit eben jenen Fragen auseinanderzusetzen hatten, wie weit der Schutz der menschlichen Person reicht und wo der menschliche Körper oder seine in Genen oder auch in informationstechnischen Systemen gespeicherten „Daten“ enden.

Zweiter Titel. „Technisierte“ Personen

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I.  Funktionalisierung des Körpers: Körperteile und physische Erweiterungen Das erstes Beispiel bildet eine Entscheidung auf dem Gebiet der medizinischen Biotechnologien, die das Verhältnis des Begriffs vom menschlichen „Körper“ zur „Person“ betrifft: Es handelt sich dabei um die sogenannte „Sperma-Entscheidung“ des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1993. 61 Im Mittelpunkt stand dabei die Frage nach den Grenzen des menschlichen Körpers, die der Senat in einer den technologischen Entwicklungen angemessenen Weise zu bestimmen suchte. In der Sache ging es um die Schmerzensgeldforderung eines einunddrei­ ßigjährigen Mannes, dessen eingelagertes Sperma vernichtet worden war. Der Mann hatte sein Sperma zuvor konservieren62 lassen, da voraussehbar war, dass er aufgrund einer notwendigen medizinischen Behandlung zeugungsunfähig werden würde. Das konservierte Sperma sollte es ihm ermöglichen, einen zukünftigen Wunsch auf eigene Nachkommen zu verwirklichen. Die Konserve wurde später jedoch von der lagernden Klinik infolge eines zurechenbaren Kommunikationsfehlers vernichtet. Nach seiner späteren Heirat musste der Mann deshalb erfahren, dass sein Wunsch, im Wege künstlicher Befruchtung Kinder zu bekommen, nicht mehr erfüllt werden könnte. Er erlitt psychoso­ matische Störungen und verlangte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25 000 DM. Der vor der Schuldrechtsreform entschiedene Fall würde heute nicht mehr alleine deliktsrechtliche, sondern auch vertragsrechtliche Fragen aufwerfen. Denn wegen des im Jahr 2002 neugefassten §  253 Abs.  2 BGB können nunmehr auch Vertragsverletzungen einen immateriellen Schadensersatz begründen. Für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist allerdings weiterhin zweifelhaft, ob die Regelung mit ihrer abschließenden Aufzählung der Rechtsgüter „Körper“, „Gesundheit“, „Freiheit“ und „sexuelle Selbstbestimmung“ hier überhaupt angewendet werden kann. Nach Ansicht der Rechtsprechung scheitert eine in Teilen der Literatur befürwortete erweiterte Anwendbarkeit63 oder auch eine etwa nach dem Vorbild der alten Norm des §  847 BGB entwickelte Analogie64 eben genau daran, dass die vier genannten Rechtsgüter enumerativ   BGH, Urteil vom 9.11.1993, BGHZ 124, 52 = NJW 1994, 127.   Zum technischen Verfahren der Kryokonservierung vgl. Andreas Voß, Vernichtung tiefgefrorenen Spermas als Körperverletzung? Deliktsrechtliche Probleme ausgelagerter Körpersubstanzen des Menschen, Lage 1997, 8 (Anm.  39); siehe ferner – auch mit Blick auf weitere Rechtsfragen – Niclas Börgers/Helmut Frister, Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Kryokonservierung von Keimzellen, HFR 2010, 1 ff. 63  Vgl. Gerhard Wagner, Ersatz immaterieller Schäden: Bestandsaufnahme und europäische Perspektiven, JZ 2004, 319 ff. (329 f.). 64   Siehe etwa die noch in einem ähnlichen Sinn begründete Herrenreiter-Entscheidung des I. Zivilsenats des BGH, der einen immateriellen Ersatzanspruch auf eine analoge Anwendung 61

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aufgezählt seien – und das, obwohl die Neuregelung des §  253 Abs.  2 BGB zu einer Zeit entstanden sei, als das allgemeine Persönlichkeitsrecht längst zum rechtsdogmatischen Bestand gehörte. Dessen Verletzung kann zwar immerhin noch einen eigenständigen Anspruch auf Ausgleich immaterieller Schäden begründen, der – wie der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 ausgeführt hat – „unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art.  1 und 2 Abs.  1 GG zurückgeht“. 65 Dieser Anspruch, bei dem es sich um einen „Entschädigungsanspruch“ und nicht um einen „Schmerzensgeldanspruch“ handelt, 66 soll aber letztlich nur in denjenigen Fällen begründet sein, in welchen die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach den konkreten Umständen als schwerwiegend gelten und nicht auf anderem Weg ausgeglichen werden kann. 67 Demnach ist es heute wie zum damaligen Zeitpunkt der „Sperma-Entscheidung“ nicht nur theoretisch interessant, sondern auch praktisch bedeutsam, ob der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch mit einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der Gesundheit oder aber des Körpers begründet werden kann. Der Bundesgerichtshof wählte die zuletzt genannte Alternative, indem er bei der Auslegung des deliktischen Tatbestandsmerkmals der Körperverletzung nach seinen eigenen Worten „das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgende Selbstbestimmungsrecht (…) für das Schutzgut Körper“ um eine „zusätzliche Bedeutung“ anreicherte68 : „Schutzgut des §  823 I BGB ist nicht die Materie, sondern das Seins- und Bestimmungsfeld der Persönlichkeit, das in der körperlichen Befindlichkeit materialisiert ist (…). Die Vorschrift des §  823 I BGB schützt den Körper als Basis der Persönlichkeit.“69

Der Körper wird also zunächst nicht mehr nach seiner Substanz, sondern nach seiner Funktion bestimmt; sein Begriff wird wegen der „heutigen medizinischen Möglichkeiten“70 im Ergebnis ausgeweitet. Damit ist es zuallererst möglich, auch vorübergehend abgetrennte Körperteile wegen der beabsichtigten „Wiedereingliederung“ in den Körper ununterbrochen als dessen Teile zu des §  847 Abs.  1 BGB a.F. gestützt und mit einer „Freiheitsberaubung im Geistigen“ begründet hatte (BGHZ 26, 349, 356). Von dieser Begründung ist der VI. Zivilsenat allerdings bereits in seiner Ginseng-Entscheidung abgewichen (BGHZ 35, 363, 367 f.). Zu den einzelnen Entwicklungsschritten der Rechtsprechung zum persönlichkeitsrechtlichen Entschädigungsanspruch siehe insbesondere Gerda Müller, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  51 (817 ff.). 65   Vgl. hierzu vor allem BGHZ 143, 214 (218 f.) – „Marlene Dietrich“, unter Verweis auf BVerfGE 34, 269 (282 und 292) – „Soraya“; sowie BGHZ 128, 1 (15) – „Caroline von Monaco“. 66   Zur Differenzierung – insbesondere auch hinsichtlich der unterschiedlichen Funktionen von Schmerzensgeld- und Entschädigungsansprüchen – vgl. G. Müller, in: Götting/Schertz/ Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  51 (819 ff./Rn.  4 ff.). 67   Vgl. etwa BGH NJW 1985, 1617 (1619); 1980, 994 (995); 1971, 698. 68   BGHZ 124, 52 (54 f.). 69   BGHZ 124, 52 (54). 70   BGH, a.a.O.

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schützen. Das gilt etwa für Eigenblutspenden, Eigentransplantationen und für Eizellen, die in vitro befruchtet werden sollen.71 Doch der Bundesgerichtshof ist an diesem Punkt nicht stehengeblieben: Selbst Sperma, das unzweifelhaft nicht mehr in den ursprünglichen Körper eingegliedert werden solle, also endgültig von diesem getrennt bleibe, könne als – funktionaler – Körperteil gelten, soweit es dazu bestimmt sei, die „körpertypische Funktion“ der Fortpflanzung des Rechtsträgers zu erfüllen und zu erhalten.72 Das Gericht kam danach zu dem Ergebnis, dass dem Kläger ein Schmerzensgeldanspruch wegen Körperverletzung zustehe. Freilich ließ es sich dabei vor allem auch von dem Vergleich mit den hinsichtlich des Aspekts der Fortpflanzungsfähigkeit ähnlichen Fällen der Entnahme von Eizellen zwecks künstlicher Befruchtung leiten.73 Im Übrigen folgte es dabei aber auch einem allgemeinen Trend des Rechts, der vor allem die Ausweitung des Personenkonzeptes und damit zugleich der personalen Bestimmungen anderer Begriffe wie hier des „Körpers“ betreibt. Körper und Person, ja sogar die rechtlichen Bestimmungen von Körperverletzungen und Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sind in der Folge nicht mehr deutlich voneinander zu trennen. Ursächlich hierfür sind nicht zuletzt auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofes die neueren medizinischen, biotechnologischen Möglichkeiten, den Körper über seine „Haut-Grenzen“ hinaus zu erweitern. Das Recht vermag darauf offenbar zunächst mit entsprechenden Erweiterungen des Persönlichkeitsbegriffs zu reagieren. Aus diesem Grund erweiterte das Gericht schließlich auch „das Recht am eigenen Körper als gesetzlich ausgeformten Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“74. In Konserven gelagertes, tiefgefrorenes Sperma als verletzbaren Teil eines erweiterten Körpers zu verstehen, mag ungewöhnlich scheinen. Vor allem aber provoziert es Kritik von Juristen, deren disziplinäres Selbstverständnis vom stabilen Glauben daran geprägt ist, über klar abgegrenzte Begriffe als getreue Abbildungen der Umwelt des Rechts zu verfügen. Entsprechend zahlreich waren die ablehnenden Kommentare zur „Sperma-Entscheidung“: Der erweiterte Körperbegriff des Bundesgerichthofes widerspreche – so lautete die überwiegende Ansicht – dem „Sprachgebrauch“.75 Nach der „natürlichen Auffassung“   Darauf ausdrücklich Bezug nehmend BGHZ 124, 52 (55).   BGHZ 124, 52 (56). 73   BGHZ 124, 52 (56). 74   BGHZ 124, 52 (54), mit Verweis auf eine frühere Entscheidung desselben Senats zum Schadensersatz für ein ungewolltes Kind: BGH, Urteil vom 18.3.1980, NJW 1980, 1452 (1453). 75   In diesem Sinn Adolf Laufs/Emil Reiling, Schmerzensgeld wegen schuldhafter Vernichtung deponierten Spermas?, NJW 1994, 775 f.; Wolfgang Nixdorf, Zur ärztlichen Haftung hinsichtlich entnommener Körpersubstanzen – Körper, Persönlichkeit, Totenfürsorge, VersR 1995, 740 ff. (743); Dominik Peris, Vernichtung einer Spermakonserve: Körperverletzung des 71

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sei das Schutzgut „Körper“ im Sinne des §  823 Abs.  1 BGB als „Materialisierung“ der Einheit des lebenden Menschen zu verstehen, zu der ausschließlich die mit dem Körper fest verbundenen natürlichen oder artifiziellen Teile gehörten.76 Anders als im Fall des Eigentums werde der Verletzungstatbestand des §  823 Abs.  1 BGB bei den „Lebensgütern“ („Leben“, „Körper“, „Gesundheit“ und „Freiheit“) vorrangig durch „natürliche Tatbestandselemente“ definiert.77 „Natürlich“, so könnte man erneut hinzufügen, habe ich ein Recht an allen fest miteinander verbundenen Bestandteilen meines Körpers. Doch bedeutet dies zugleich, dass jenseits dieses „Natürlichen“ dem Lebensgut „Körper“ nichts mehr zugeordnet werden könnte? Soll dies auch dann noch gelten, wenn die Biotechnologie bereits so weit vorangeschritten ist, dass es für die Existenz einzelner Körperteile und ‑substanzen kaum einen Unterschied mehr machen kann, ob diese gerade in einer festen Verbindung zum lebenden Organismus stehen oder ob sie extrakorporal – jedoch mit der jederzeitigen Möglichkeit der „Wiedereingliederung“ oder Erfüllung der „körpertypischen Funktion“ – erhalten werden? Die Antwort der meisten Kritiker ist deutlich: Abgetrennte Körperteile verlieren ab dem Moment der Trennung grundsätzlich ihren Status als Teile des Körpers: Sie werden zu eigentumsfähigen Sachen.78 Das ist die Rechtslage.79 Gewiss, so räumen sie ein, bestünden auch dann noch „in gewissem Rahmen persönlichkeitsrechtlich geprägte Beziehungen“80 fort. Das Persönlichkeitsrecht „überlagert“ oder „verdrängt“ sogar die Sachenrechte, 81 so dass dem ehemaligen Träger der abgetrennten Körperteile auch weiterhin personenrechtliche Direktionsbefugnisse gegenüber einem etwaigen fremden Eigentümer zustünden. Eine solche „persönlichkeitsrechtliche Ausstrahlung“ wird allgemein mit einem Bild vom Menschen als „Einheit aus Körper und Geist“ begründet, die auch

Spenders – Anmerkung zu BGH, Urteil vom 9.11.1993 – VI ZR 62/92, MedR 1994, 113 ff.; Jochen Taupitz, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 9.11.1993 – VI ZR 62/93 (BGHZ 124, 52), JR 1995, 22 ff.; für die Gegenansicht etwa York Schnorbus, Schmerzensgeld wegen schuldhafter Vernichtung von Sperma – BGH, NJW 1994, 127, JuS 1994, 830 ff. (834). 76  So Jochen Taupitz, Der deliktsrechtliche Schutz des menschlichen Körpers und seiner Teile, NJW 1995, 745 ff. 77   Vgl. hierzu Taupitz, a.a.O.; vgl. ferner Voß, Vernichtung tiefgefrorenen Spermas als Körperverletzung?, 1997, 10. 78   Vgl. etwa Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (746). 79   Vgl. dazu bereits die Begründung der „Sperma-Entscheidung“ unter II 2 a), BGHZ 124, 52 (54 ff.), m.w.N.; siehe etwa auch Christina Stresemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, §  9 0 BGB, Rn.  26 f. 80   Nixdorf, VersR 1995, 740 ff. 81   Siehe etwa Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (746); näher zu diesem „Überlagerungsmodell“ Carsten Roth, Eigentum an Körperteilen. Rechtsfragen der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, Berlin/Heidelberg 2009, 9 ff., m.w.N.

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isolierte Teile und Substanzen des Körpers umfasse, soweit diese mit dem Ziel der späteren Wiedereinfügung entnommen worden seien. 82 Doch sehen die Kritiker gerade darin zugleich die Grenzen der „funktionalen Einheit“ des Körpers. Zu weit geht ihnen daher die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, den persönlichkeitsrechtlich abgeleiteten Schutz der körperlichen Integrität auch auf solche Körpersubstanzen auszudehnen, die wie das extrakorporal gelagerte Sperma unter keinen Umständen mehr in den ursprünglichen Körper eingebracht werden sollten. Schon alleine weil es in räumlicher Hinsicht „endgültig und irreversibel vom Körper des Rechtsträgers getrennt“ bleibe, könne das Sperma nicht mehr zur funktionalen Einheit des Körpers zählen. 83 Die anders lautende Auffassung des Bundesgerichtshofes führe demgegenüber auf rechtlichem Weg zu einer – sonst nur aus „Heiligenlegenden“ bekannten – „Bi- oder Multilokation“ des Körpers, der nun gleichzeitig überall dort sein könnte, wo sich dessen Samen befände. 84 Das Sperma werde nicht mehr wie andere abgetrennte Körperteile und ‑substanzen nur deshalb geschützt, weil deren Schädigung angesichts der angestrebten „Wiedereingliederung“ später auch kausal zu einer Beeinträchtigung des Gesamtorganismus führe. Vielmehr diene der Schutz des Spermas einer vom Rechtsträger beabsichtigten, aber noch nicht konkretisierten Realisierungsmöglichkeit einer körperlichen Funktion. 85 Auf diese Weise werde – so lautet schließlich ein wesentlicher Einwand – der Schutz des Körpers „vorverlagert (…) in den Schutz von subjektiven Verwendungsinteressen“. 86 Indem der Bundesgerichtshof auf den veränderlichen87 Willen des Berechtigten abstelle, seine Körpersubstanz „körperfunktional“ zu verwenden, betreibe er eine insoweit fragwürdige „Versubjektivierung der Körperverletzungstatbestandes“: Der „Verletzer“ einer Körpersubstanz könne deshalb unter Umständen gar nicht erkennen, dass diese aufgrund der Zweckbestimmung des Berechtigten nicht bloß eine Sache sei, sondern zum menschlichen Körper des Berechtigten gehöre. Sogar entferntere körperliche Folgeschäden müssten dann dem Schädiger zwingend zugerechnet werden, ohne dass die Haftung – wie es sonst bei mittelbaren Schädigungen verschiedener Rechtsgüter möglich wäre – im Rahmen der Bestimmung „adäquater Kausalität“ begrenzt werden könnte. 88

82   Dazu erläuternd Winfried Brohm, Forum: Humanbiotechnik, Eigentum und Menschen­ würde, JuS 1998, 197 ff. (199), m.w.N.; siehe auch Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (746). 83  So Laufs/Reiling, NJW 1994, 775 f.; Peris, MedR 1994, 113 ff. 84  Siehe Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (746). 85  Vgl. Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (746 f. und 751). 86   Vgl. hierzu Taupitz, a.a.O. 87   Eingehend zum Problem etwaiger Willensänderungen bezüglich der Verwendung entnommener Körpersubstanzen Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (752). 88  So Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (750).

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Erster Abschnitt. Personen

Zweifelsohne trifft die Kritik an der „Versubjektivierung“ einen Schwachpunkt in der Argumentation des Bundesgerichtshofes. Die Körperfunktion kann eben nicht alleine vom Willen des Einzelnen abhängen. Nicht die subjektive Zweckbestimmung, auch nicht die aus der individuellen Persönlichkeit hergeleitete „Selbstbestimmung“ sind dazu geeignet, körperliche Funktionen, funktionale Einheiten oder auch „körperfunktionale Substanzen“ zu bestimmen. Selbstbeschreibungen entscheiden nicht – jedenfalls nicht alleine – über Funktionen. Es sind auch die den Einzelnen umgebenden sozialen Umwelten, die Körperfunktionen allgemein und für alle „erkennbar“, etwa auf der Basis einer bestimmten Beschreibung der „Natur des Menschen“, feststellen. Und doch weist der Bundesgerichtshof in der „Sperma-Entscheidung“ den richtigen Weg, nicht nur indem er den erweiterten medizinischen Möglichkeiten, die außer Chancen eben auch neue Gefährdungslagen hervorbringen, mit einem entsprechend erweiterten, persönlichkeitsrechtlich begründeten Schutz Rechnung trägt. Vielmehr ist es gerade die Ausdehnung des personal motivierten Rechtsschutzes im Bereich der körperlichen Integrität, die zumindest dem Grundsatz nach zu befürworten ist. Mitnichten kann diesbezüglich von einer „Erosion des Haftungsrechts“ gesprochen werden, 89 wenn es nur darum geht, das Haftungsrecht den neuen biotechnologischen Wirklichkeiten anzupassen. Auch die übrigen Einwände der Kritiker vermögen die Entscheidung jedenfalls in ihrer grundsätzlichen Zielrichtung nicht überzeugend zu widerlegen. Weder der „natürliche“ Sprachgebrauch noch die räumliche Trennung hindern heute noch zwingend daran, eine extrakorporal gelagerte Substanz eines Körpers unter bestimmten Bedingungen weiterhin als Teil desselben zu begreifen. Denn diesen „natürlichen“ Sprachgebrauch gibt es nicht mehr. Und ebenso wenig gibt es noch den einen Körper,90 dessen personaler Schutz zwingend an den Demarkationen von Haut und Schädeldecke enden müsste. Im Gegenteil: Der Körper kann überall dort sein, wo Natur oder auch Technik seine Funktionen erfüllen. Freilich ist es beim „Sonderfall“91 des extrakorporal gelagerten Spermas noch etwas komplizierter, da mit dessen Konservierung nicht wie bei Eigenblutspenden oder Eigentransplantationen nur eine Körperfunktion bewahrt, sondern erst in ungewisser Zukunft verwirklicht werden soll.92 Fraglich ist hierbei also,   So aber Laufs/Reiling, NJW 1994, 775 f.  Daher verwundert es auch kaum, dass der menschliche Körper, wie Jochen Taupitz, NJW 1995, 745, zunächst selbst feststellt, im „Katalog der von §  823 I BGB genannten Schutzgüter (…) gleich mehrfach ‚enthalten‘ (sei)“, nämlich in den Schutzgütern „Leben“, „Gesundheit“, „Freiheit“, „sonstiges Recht“ (in Gestalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) und „Körper“. Den letzteren Körperbegriff möchte Taupitz dann jedoch in Abgrenzung zu den übrigen körperlichen Schutzgütern eng fassen. Im Ergebnis sieht er sich offenbar gezwungen, mit mehreren Körperbegriffen zu arbeiten. 91   Zumindest darin übereinstimmend BGHZ 124, 52 (56) und Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (747). 92   Zu dieser Differenzierung Brohm, JuS 1998, 197 ff. (199 f.). 89

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wer oder was die körperliche Funktion bestimmt. Wenn „Selbstbestimmung“ diese Aufgabe offensichtlich nicht alleine bewältigen kann, weil subjektive Zwecksetzungen unsicher sind, bedarf es weiterer konstruktiver Unterstützung, um nicht zuletzt auch die offenen Fragen93 der „Sperma-Entscheidung“ beantworten zu können: Ist etwa nur solches Sperma als Körperteil anzuerkennen, das die verlorene Fortpflanzungsfähigkeit substituieren soll? Muss das konservierte Sperma auch tatsächlich die einzige verbleibende Chance darstellen, Nachkommen zu zeugen? In welchen Mengen und für welche Zeiträume kann konserviertes Sperma dem Körper zugeordnet bleiben? Wie verhält sich dessen Status als Körperteil, wenn der Rechtsträger seine Verwendungsabsicht ändert? Und schließlich: Was lässt sich aus alledem für die Statusbestimmungen anderer körperlicher oder körperfunktionaler Entitäten folgern? Was bedeutet das alles für den Umgang mit solchen, ebenfalls körperfunktional einsetzbaren Substanzen, Teilen, Hilfsmitteln oder Werkzeugen, die körperliche Funktionen unter Umständen nicht nur wie Prothesen94 ersetzen, sondern auch erweitern95 können? Alle diese Fragen reichen über die Perspektive der Selbstbeschreibung hinaus und verlangen nach adäquaten Fremdbeschreibungen der menschlichen Natur. Demnach ist es zwar nicht, wie der Bundesgerichtshof argumentiert, das Selbstbestimmungsrecht, welches „für das Schutzgut Körper“96 mit einer neuen Bedeutung zu versehen wäre. Es ist aber auch nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht97, das alleine, gewissermaßen ohne seine Bedeutung aus dem konkreteren Schutzgut „Körper“ gewinnen zu müssen, dessen technischer Funk­ tionalisierung gerecht werden könnte. Das wiederum heißt nicht, dass das Schutzgut „Körper“ durch den Schutzumfang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sozusagen das „Konkrete“ durch das „Allgemeine“ bestimmt werden sollte, um es schließlich „ausufern zu lassen“98 und damit den Körperverletzungstatbestand „zu sprengen“99. Sehr wohl aber wird der Körperverletzungstatbestand in seiner konkreten Gestalt wesentlich von Merkmalen der personalen Integrität geprägt. Das Rechtsgut „Körper“ ist daher, ebenso wie die übri823 Abs.   1 BGB auch, als ein besonderer Teil des gen Schutzgüter des §   allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu begreifen.100 Insoweit wäre es voreilig,  Dazu Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (751 f.)   Siehe diesbezüglich Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (752). 95   Einen kurzen Überblick über die Entwicklungen des Human Enhancement geben etwa Helga Nowotny/Giuseppe Testa, Die gläsernen Gene. Die Erfindung des Individuums im molekularen Zeitalter, Frankfurt a.M. 2009. 96   Siehe oben, Fn.  68, in diesem Abschnitt. 97   Vgl. insbesondere Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (748 f.). 98   So aber der gegenüber dem BGH geäußerte Vorwurf von Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (750 f.); siehe ferner Laufs/Reiling, NJW 1994, 775 f. 99   Laufs/Reiling, a.a.O. 100   Vgl. etwa Gerhard Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 93

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neue Verletzungsformen, die infolge der funktionalen Körpererweiterungen technisierter Personen möglich geworden sind, alleine als Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufzufassen. Anstatt dabei den Schutzbereich dieses gegenüber den in §  823 Abs.  1 BGB ausdrücklich genannten Lebensgütern ohnehin nur subsidiären, aber schon heute geradezu uferlosen, generalklauselartigen „Auffangtatbestands“101 noch weiter auszuweiten, sind zunächst die spezifischen Bereiche der personalen Integrität in Betracht zu ziehen. Demnach genügt es keineswegs, in jeder neuartigen Verletzung der personalen Integrität immer nur die allgemeine Persönlichkeit betroffen zu sehen, ohne zuvor näher untersucht zu haben, welcher spezifische Teil der Persönlichkeit verletzt sein könnte. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann dabei nicht etwa nach Art eines universalen Auffangrechts dazu verwendet werden, die notwendige Anpassung besonderer, scheinbar „natürlicher“ Begriffe an die technologisch gewandelte Wirklichkeit zu umgehen. Und genau in diesem Punkt ist der 2013, §  823, Rn.  130; Ansgar Staudinger, in: Schulze u. a., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 8.  Auflage 2014, §  823, Rn.  5 und 90 f.; siehe auch Taupitz, NJW 1995, 745, mit weiteren Hinweisen (Anm.  3), insbesondere auf die Protokolle bei Benno Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band. Recht der Schuldverhältnisse, Berlin, 1899, 1073, denen zufolge die Rechtskreise des Einzelnen die erwähnten Schutzgüter als sogenannte „Persönlichkeitsrechte“ umfassen sollten. 101   Zur Charakterisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als „Auffangtatbestand“ siehe Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (748), m.w.N. (Anm.  34); kritisch dazu und zur inzwischen häufiger verwendeten Bezeichnung „Rahmenrecht“ etwa Roland Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  8 f. Zumindest die speziell normierten, besonderen Persönlichkeitsrechte (vgl. Fn.  18, in diesem Abschnitt) entfalten gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht trotz ihrer Spezialität noch keine „Sperrwirkung“; dazu etwa Götting, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  11 (205/Rn.  9); Staudinger, in: Schulze u. a., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 8.  Auflage 2014, §  823, Rn.  92. Offen bleibt dabei jedoch, ob dasselbe auch für die in §  823 Abs.  1 BGB aufgezählten Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit gelten soll. Soweit man deren Status als „Teilgewährleistungen des Persönlichkeitsrechts“ (Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 2013, §  823, Rn.  130) – oder kurz: als „Persönlichkeitsgüter“ (a.a.O., Rn.  241) – ernst nimmt, muss man zwar noch keine Sperrwirkung unterstellen, aber doch zumindest einen begrifflichen Vorrang der spezielleren Persönlichkeitsgüter vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht annehmen. Was demnach etwa zum Schutzgut Körper zählt, bedarf keiner weiteren Zuordnung zum Schutzbereich des allgemeineren Persönlichkeitsrechts mehr. Damit ließe sich neue Kritik an dessen subjektivrechtlicher Konstruktion wie auch an dessen Ufer- und Konturenlosigkeit vermeiden – prominentes Beispiel für diese gewiss allmählich verklingende Kritik: Dieter Medicus/Jens Petersen, Bürgerliches Recht, 24.  Auflage, München 2013, Rn.  615; dazu Volker Beuthien, Ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eine juristische Missgeburt?, in: ders./Maximilian Fuchs/Herbert Roth/Gottfried Schiemann/Andreas Wacke (Hg.), Perspektiven des Privatrechts am Anfang des 21. Jahrhunderts, Festschrift für Dieter Medicus zum 80. Geburtstag am 9. Mai 2009, Köln 2009, 1 ff.; Gert Brüggemeier, „Du sollst Dir kein Bildnis machen …“ – Der I. Zivilsenat des BGH und die Paradoxien des Persönlichkeitsrechts, in: Gralf-Peter Calliess/Andreas Fischer-Lescano/Dan Wielsch/Peer Zumbansen (Hg.), Soziologische Jurisprudenz, Festschrift für Gunther Teubner zum 65. Geburtstag, Berlin 2009, 231 ff. (235).

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Bundesgerichtshof mit seiner „Sperma-Entscheidung“ einer Lösung des Pro­ blems der technisierten Person nähergekommen als viele seiner Kritiker: Denn es geht um die „natürliche“ Bestimmung des Körpers selbst.102 Dieser Körper ist gewiss kein „natürlicher“ mehr, schon gar nicht im Sinne einer „natürlichen“ Auffassung oder eines „natürlichen“ Sprachgebrauchs; es ist der technisierte Körper des „molekularen“103 Zeitalters, den es „natürlich“ zu beschreiben gilt. Die „Natürlichkeit“ der Beschreibung wird letztlich daran zu messen sein, inwieweit sie aus unterschiedlichen Beobachterperspektiven erkennbar, sichtbar und vorhersehbar macht, was ein Körper oder ein Teil desselben ist oder sein könnte.

II.  Molekularisierung: Körperdaten und genetische Erweiterungen Während im Fall des Spermas ohne Weiteres noch von einem materiellen Teil eines Körpers die Rede sein kann, fällt es angesichts gegenwärtiger, vor allem von der Molekularbiologie weiter vorangetriebener Funktionalisierungen des Körpers schwer, überhaupt noch dessen materielle Körperlichkeit als „natürliches“ Definitionsmerkmal zu erkennen. Insbesondere mit den Fortschritten der Genforschung ist der Glaube der Menschen daran gereift, dass Sie über ein – sozusagen körperlich codiertes – Genom mit wertvollen Daten verfügen.104 An solche neuen „Wahrheiten“ und „Dinge“ lassen sich Eigentumsrechte, vor allem Immaterialgüterrechte oder sogar die individuelle und kollektive Identität von Personen knüpfen, wie der im Folgenden zu schildernde zweite Beispielsfall verdeutlichen mag: In einem Rechtsstreit, den der Oberste Gerichtshof von Kalifornien im Jahr 1990105 zu entscheiden hatte und welcher recht schnell auch in Deutschland bekannt wurde,106 ging es gerade um eben diese Frage, wem das Eigentum an entnommenen Körperzellen und daraus entwickelten Zelllinien zustehen soll. Der Kläger, ein aus Seattle stammender Mann namens John Moore, hatte sich 1976 102   Ob die Vernichtung von Sperma mit Blick auf die Dogmatik des §  823 Abs.  1 BGB letztendlich unter das Schutzgut „Körper“ oder unter das davon nur schwer zu unterscheidende, indes ebenfalls körperbezügliche Schutzgut „Gesundheit“ einzuordnen ist (vgl. Taupitz, NJW 1995, 748), soll hier dahingestellt bleiben. 103  Vgl. Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009. 104  Vgl. Paul Rabinow, Probleme der Anthropologie, in: Anthropologie der Vernunft. Studien zu Wissenschaft und Lebensführung, hg.  v. Carlo Caduff/Tobias Rees, Frankfurt a.M. 2004, 33 ff. (43 ff.). 105   Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al., (1990) 51 Cal.3d 120, 793 P.2d 479. 106   Siehe vor allem Jochen Taupitz, Die Zellen des John Moore vor den amerikanischen Gerichten: Ende der „heimlichen“ Nutzung menschlicher Körpersubstanzen?, VersR 1991, 369 ff.; ders., Wem gebührt der Schatz im menschlichen Körper?, AcP 191 (1991), 201 ff. (204 ff.).

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Erster Abschnitt. Personen

wegen einer selten auftretenden Leukämie-Erkrankung im Medical Center der Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) behandeln lassen. Dort hatte er sich auf Anraten des behandelnden Arztes einer operativen Entnahme seiner Milz unterzogen. Der Eingriff verlief erfolgreich und führte immerhin dazu, dass sich Moores Gesundheitszustand stabilisierte. In der Folgezeit bis zum Jahr 1983 besuchte Moore die Klinik weiterhin regelmäßig und ließ sich vom behandelnden Arzt jeweils Blutproben, Blutserum, Haut, Knochenmark­ aspirat sowie Spermazellen entnehmen. Dieser hatte bereits vor der Milzentnahme vermutet, dass der Körper seines Patienten besondere Eigenschaften haben könnte, deren Erforschung sich lohnen würde. In der Tat bestätigten die weiteren Untersuchungen an Teilen der entnommenen Milz diesen Verdacht: Moores Körper verfügte über besondere weiße Blutkörperchen (T‑Lymphozyten), denen wertvolle Informationen zur Produktion eines bestimmten, für das Immunsystem wichtigen Proteins (Lymphokin GM‑CSF) zu entnehmen waren.107 Ohne Wissen seines Patienten verwendete der behandelnde Arzt die entnommenen Körpersubstanzen schließlich dazu, um daraus „unsterbliche“ Zelllinien von großem Wert für die Herstellung pharmazeutischer Produkte zu gewinnen. Für diese „immortalisierte“, aufgrund einer bestimmten Manipulation sich selbst unendlich reproduzierende Zelllinie erwarben die Regents als Träger der UCLA im Jahr 1984 ein Patent108 , das nicht zuletzt auch sämtliche Nebenprodukte der sogenannten „Mo cell line“ umfasste. Ferner verwerteten sie die ärztliche „Erfindung“ weiter, indem sie mit den Pharmaunternehmen Sandoz Pharmaceuticals Corporation und Genetics Institute, Inc. eine Reihe von gewinnbringenden Verträgen zur kommerziellen Nutzung schlossen. Das Marktpotential der aus den Zelllinien herzustellenden Arzneimittel wurde auf über drei Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 1990 geschätzt. Dass John Moores Körperzellen nicht nur zu therapeutischen, sondern auch zu wissenschaftlichen und insbesondere wirtschaftlichen Zwecken entnommen worden waren, erfuhr der Kläger erst, als ihm der behandelnde Arzt ein Formular zur Unterschrift vorlegte, in welchem er die Abtretung aller Rechte an seinen Zelllinien und den daraus hervorgehenden Körperprodukten erklären sollte. Moore forderte daraufhin, an den Gewinnen, die aus der Verwertung des Patents erwirtschaftet wurden, beteiligt zu werden. Zur Begründung machte er zunächst vor dem erstinstanzlichen Trial Court insgesamt dreizehn Klagegründe geltend.109 Ein wesentliches Argument des Klägers bezog sich ganz direkt auf   Näher hierzu Taupitz, VersR 1991, 369 ff. (370).   U.S. Patent No.  4,438,032 (March 20, 1984), abgedruckt in: 249 Cal. Rptr 494 (516). 109   Im Einzelnen: (1) „conversion“; (2) „lack of informed consent“; (3) „breach of fiduciary duty“; (4) „fraud and deceit“; (5) „unjust enrichment“; (6) „quasi-contract“; (7) „bad faith breach of the implied covenant of good faith and fair dealing“; (8) „intentional infliction of emotional distress“; (9) „negligent misrepresentation“; (10) „intentional interference with prospective advantageous economic relationships“; (11) „slander of title“; (12) „accounting“ for profits; (13) „declaratory relief.“ 107

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den Vorwurf einer Eigentumsverletzung: Durch die Entnahme und Weiterverwendung der Körperzellen hätten der Arzt und dessen Arbeitgeber widerrechtlich in sein Eigentum eingegriffen und damit den deliktischen Tatbestand der „conversion“ verwirklicht. Vor allem um diesen Gesichtspunkt drehten sich auch die weiteren Erwägungen der mit dem Rechtsstreit befassten Gerichte. Diese hatten insoweit einerseits zu prüfen, ob es sich bei den Körperzellen überhaupt um eigentumsfähige Sachen handelte, an denen Moore sein privates Eigentum geltend machen konnte, und andererseits, ob die Entnahme der Körperzellen widerrechtlich, also auch nicht durch Moores Einwilligung in die ärztliche Behandlung gerechtfertigt war. Nachdem das erstinstanzliche Gericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen hatte, dass die Einwilligung in die Behandlung durch eine Universitätsklinik in jedem Fall auch deren weitere Forschungsarbeit umfasste, hatte die Berufung demgegenüber zunächst zum Erfolg geführt.110 Die Mehrheit der Berufungsrichter hatte dabei die Ansicht vertreten, dass es sich bei den entnommenen Körperzellen tatsächlich um das persönliche Eigentum des Klägers gehandelt habe. Ihrer Auffassung zufolge waren die Eigentumsrechte am eigenen Körper und dessen Teilen schon alleine deshalb anzuerkennen, weil sie sich prinzipiell nicht von solchen Vermögensinteressen unterschieden, wie sie etwa die Beklagten selbst für die Körpersubstanzen des Klägers beansprucht hatten. Auch wenn die Ärzte die entnommenen Körperzellen später eigenständig weiterverarbeitet und in unsterbliche Zelllinien umgewandelt hätten, so änderte dies nach der Ansicht des Gerichts jedoch nichts daran, dass der Wert dieser Entwicklungen jedenfalls zum Teil auf den Zellen und deren eigener Produktivität beruhte: Der Kläger habe insoweit nicht einfach nur als ein Studienobjekt zum Erkenntnisgewinn gedient. Dass er den Wert seines Körpermaterials zumindest zum Zeitpunkt der Entnahme gering geschätzt haben dürfte, schließe es keinesfalls aus, dennoch eine Eigentumsverletzung anzunehmen. Seine Zustimmungserklärungen zur medizinischen Behandlung und Gewebeentnahme bedeuteten auch keineswegs, dass er seine Körperzellen einschließlich der darin enthaltenen genetischen Information den Beklagten zur freien Verfügung gestellt habe. Dieser Auffassung folgte der Oberste Gerichtshof111 jedoch nicht. Auch sein Standpunkt war zunächst weniger von der persönlichkeitsrechtlichen Vorstellung des Körpers, insbesondere seiner genetischen Information als Ausdruck eines einzigartigen menschlichen Individuums bestimmt, als vielmehr von einer nüchternen eigentumsrechtlichen Betrachtung:

  Court of Appeal of California, (1988) 215 Cal. App. 3d 709, 249 Cal. Rptr. 494.   Vgl. Fn.  105, in diesem Abschnitt.

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„Dennoch kann man den Schutz von Privatheit und Würde aufrichtig wünschen, ohne dabei den äußerst problematischen Schluss zu ziehen, dass eine Beeinträchtigung dieser Interessen einer Eigentumsverletzung gleichkomme. Ebenso wenig ist es notwendig, die runden Pflöcke von ‚Privatheit‘ und ‚Würde‘ in die viereckigen Löcher des Eigentums zu stoßen, um den Patienten zu schützen, da die Lehren der Vertrauenspflicht und der informierten Einwilligung diese Interessen bereits unmittelbar schützen, indem sie vollständige Offenlegungen verlangen.“112

Das Gericht sah den Kläger mithin nicht schon dadurch in seinen individuellen Rechten verletzt, dass die Beklagten aus seinen Körperzellen eine unsterbliche Zelllinie mit dem Ziel erzeugt hätten, bestimmte Lymphokine zu produzieren. Der Kläger könne seine Forderung insoweit jedenfalls nicht auf die Verletzung eines Eigentumsrechts am eigenen genetischen Material stützen. Einen Vergleich mit anderen persönlichkeitsrechtlich und zugleich vermögensrechtlich geschützten Merkmalen menschlicher Einzigartigkeit, wie zum Beispiel dem Namen oder dem Gesicht, hielt das Gericht für unangebracht. Die molekulare Struktur der Lymphokine sowie deren Funktionen innerhalb des Immunsystems seien nämlich bei allen Individuen die gleichen. Ihr genetischer Code könnte deswegen überhaupt nicht einzigartig sein; und gerade auf dieser fehlenden Einzigartigkeit beruhe letztlich auch ihr therapeutischer Wert für andere Menschen. Im Übrigen verwies das Gericht darauf, dass die Überproduktion der Lymphokine in Moores Fall auf eine Virusinfektion zurückzuführen war, die auch bei anderen Menschen eine verstärkte Lymphokinproduktion bewirkt hätte.113 Ein fortbestehendes Eigentumsinteresse des Klägers scheitere schließlich auch daran, dass es ohnehin im vorrangigen Interesse der öffentlichen Sicherheit gesetzlich vorgeschrieben sei, entnommenes Körpermaterial spätestens nach dessen wissenschaftlicher Nutzung zu vernichten.114 Noch weniger könnte der Kläger Rechte an den daraus entwickelten und patentierten Zelllinien und Produkten geltend machen, da diese sich von den ursprünglich entnommenen Körperzellen unterschieden.115 Wenngleich das Gericht den Fall insoweit zwar anders als die Berufungs­ instanz nicht als „conversion“ beurteilte, sah es den Kläger aber doch zumindest 112   Siehe hierzu Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al., (1990) 51 Cal.3d 120 (140): „Yet one may earnestly wish to protect privacy and dignity without accepting the extremely problematic conclusion that interference with those interests amounts to a conversion of personal property. Nor is it necessary to force the round pegs of ‚privacy‘ and ‚dignity‘ into the square hole of ‚property‘ in order to protect the patient, since the fiduciary-duty and informed-consent theories protect these interests directly by requiring full disclosure.“ (Übersetzung von mir, M. G.). 113   Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al., (1990) 51 Cal.3d 120 (138 f.). 114   Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al., (1990) 51 Cal.3d 120 (140 f.). 115   Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al., (1990) 51 Cal.3d 120 (141 f.).

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nach seinem eigenen Vortrag in seinen Informationsrechten verletzt. Die Mehrheit der Richter war nämlich der Auffassung, dass der behandelnde Arzt dazu verpflichtet gewesen wäre, den Patienten Moore über alle seine persönlichen Interessen, ob wissenschaftlicher oder auch wirtschaftlicher Art, bereits vor der Behandlung aufzuklären. Dies habe er jedoch versäumt. Er habe daher die aus dem Vertragsverhältnis von Arzt und Patienten erwachsenden Treuepflichten verletzt. Im Übrigen sei die Zellentnahme unter diesen Umständen auch nicht mehr von einer informierten Einwilligung des Patienten gedeckt gewesen.116 Damit glaubte das Gericht eine ausgewogene Lösung gefunden zu haben, die auf den ersten Blick alle widerstreitenden Interessen angemessen zu berücksichtigen schien: Einerseits werde der einzelne Patient dadurch ausreichend geschützt, dass ihn der behandelnde Arzt über sämtliche wissenschaftlichen und ökonomischen Interessen informieren müsse, andererseits könnte die medizinische Forschung grundsätzlich weiterhin ihren Bedarf an entnommenen Körpersubstanzen decken und somit ihre für die Gesellschaft wichtige Arbeit fortsetzen, ohne durch eine allzu weite Ausdehnung individueller Eigentumspositionen und einer damit verbundenen verschuldensunabhängigen Haftung behindert zu werden.117 Doch stellt ein derartiger Interessenausgleich im Grunde nichts anderes dar als ein argumentatives Ausweichmanöver. Das Gericht ließ nämlich letztlich offen, inwiefern das genetische Material des John Moore als Teil seines Körpers anzusehen war und in welchem Maße ihm eben aus diesem Grund ein eigentums- oder persönlichkeitsrechtlicher Schutz zustehen könnte. Obwohl das Gericht offenbar davon ausgegangen war, dass es um den Schutz von Persönlichkeit und Würde ging, sagte es nichts zu den möglicherweise darauf zu stützenden Rechten, mit dem eigenen genetischen Material wie ein Eigentümer verfahren und andere von der Einwirkung ausschließen zu können. Stattdessen begnügte es sich mit der in bioethischen Argumentationszusammenhängen allgemein dominanten Forderung nach informierter Einwilligung und Selbstbestimmung. Ob es hierbei jedoch wirklich um „Selbstbestimmung“ im eigentlichen Sinne des Wortes, das heißt um „Selbst-Bestimmung“ als Bestimmung über sich selbst, oder aber um Verfügungen über den eigenen Körper nach Art einer eigentumsfähigen Sache ging, blieb unentschieden.118 Die endgültige Ent116   Siehe dazu Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al., (1990) 51 Cal.3d 120 (128 ff., 147 f.). 117   Vgl. Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al., (1990) 51 Cal.3d 120 (147). 118   Vgl. hierzu Marcus Düwell, Zum moralischen Status des menschlichen Körpers – Eine Diskussion mit der ‚Phänomenologie der Leiblichkeit‘, in: Jochen Taupitz (Hg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, Berlin/Heidelberg 2007, 161 ff. (168): „Wenn große Teile der Bioethik nur das Selbstbestimmungsrecht und den informed consent zentral stellen, dann wird nicht mehr darüber nachgedacht, dass zwischen der Verfügung über Sachen und der Verfügung über sich selbst ein grundlegender Unterschied besteht.“; zu einer allgemeine-

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scheidung in dieser Sache wurde ohnehin praktisch auf unbestimmte Zeit vertagt. Nachdem der Oberste Gerichtshof den Rechtsstreit an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen hatte, statt einer „conversion“ vor allem eine Verletzung der Treuepflichten sowie das Fehlen einer informierten Einwilligung näher zu untersuchen, beendeten ihn die Parteien mit einem Vergleich. Dennoch sind der höchstrichterlichen Entscheidung einige aufschlussreiche Informationen darüber zu entnehmen, welchen Schwierigkeiten das Recht angesichts der Frage nach dem normativen Status menschlichen Genmaterials begegnet. Obwohl das Gericht offenbar nicht daran zweifelte, dass menschliche Körpersubstanzen und Zellen nach ihrer Entnahme als eigentumsfähige Sachen gelten dürften, wollte es dem Kläger jedoch weder ein originäres Eigentumsrecht an seinen Zellen zusprechen noch gar deren wirtschaftlichen Wert bestimmen. Aber gerade mit der Ablehnung des ursprünglichen Eigentums verwies das Gericht auf den ungewissen Rechtsstatus entnommener Körperzellen, die in vergleichbarer Weise wie auch anderes menschliches biologisches Material – transplantierbare Organe, Blut, Föten, Hirnanhangdrüsen, Hornhautgewebe und Leichname – als Gegenstände sui generis zu behandeln seien. Als solche unterlägen sie weniger dem persönlichen Eigentumsrecht als vielmehr den Regelungszielen spezieller Gesetze, die gesondert über Art und Umfang ihrer Verfügbarkeit bestimmen.119 Doch wenn die Eigentumsfrage nicht mehr dadurch bestimmt werden soll, wem die Körperzellen vor ihrer Entnahme gehört haben, dann muss zumindest klar sein, dass damit zugleich einem anderen die Verfügungsberechtigung zugesprochen wird: Im Fall des John Moore war es zunächst der behandelnde, operierende, entnehmende Arzt und Wissenschaftler, der die Körperzellen faktisch wie sein eigenes Eigentum nutzen und wirtschaftlich verwerten durfte, und zwar unabhängig davon, dass er dies ohne die Einwilligung seines Patienten getan hatte. Einen etwaigen Schadensersatz schuldete er allenfalls wegen des ärztlichen Eingriffs, der mangels informierter Einwilligung des Patienten für rechtswidrig zu erachten war, sowie wegen des damit verbundenen Vertrauensbruchs. Doch das entnommene Körpermaterial und die daraus gewonnenen Produkte blieben im Ergebnis seinem Vermögen zugeordnet. Freilich diente diese Entscheidung in erster Linie dem allgemeinen gesellschaftlichen Interesse am Fortschritt der medizinischen Forschung. Wissenschaft und Pharmaindustrie sind wesentlich darauf angewiesen, weitgehend ungehindert mit menschlichen Körpersubstanzen arbeiten zu können. Allerren Kritik an der einseitigen Fixierung auf das Selbstbestimmungsrecht auch Malte-Christian Gruber, Formationen paternaler Bindungen als Normierungsmotive rechtlicher Paternalismen, in: ders./Sascha Ziemann (Hg.), Die Unsicherheit der Väter. Zur Herausbildung paternaler Bindungen, Berlin 2009, 33 ff. 119   Vgl. Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al., (1990) 51 Cal.3d 120 (137), mit weiteren Hinweisen auf einschlägige Judikatur.

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dings bedeutet eine derartige Freiheit der Forschung an Teilen des insoweit technisierten Menschenkörpers in der Konsequenz nichts anderes als dessen „Sozialisierung“120 und „Kommerzialisierung“121. Vorliegend waren es die Körperzellen des Menschen John Moore, die ihm nicht mehr individuell zustehen, sondern für andere frei nutzbar und dem Wohl der Allgemeinheit dienlich sein sollten. Für ein solches Ergebnis mag es durchaus gute Gründe geben. Doch hat das Gericht einen wichtigen Punkt nicht weiter diskutiert, der jeder Entscheidung über die Nutzung des menschlichen Körpers und seiner Teile vorausgeht: Welches Konzept des menschlichen Körpers ist der Entscheidung über den Umgang mit entnommenem Genmaterial überhaupt zugrundezulegen? Welche Bedeutung ist der körperlichen Integrität beizumessen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Lebenserhaltung, des Schutzes vor Verletzungen und der Vermeidung von Schmerzen, sondern auch im Hinblick auf die Herausbildung einer eigenen, personalen Identität des Einzelnen? Handelte der Rechtsstreit tatsächlich von den Körperzellen des John Moore, oder ging es dabei nicht doch etwa um John Moore selbst? Oder war womöglich sogar eine überindividuelle „Menschheit“ in seiner Person betroffen? Es geht demnach nicht allein um Eigentumsfragen; es geht auch um Körperfragen, genauer: um den moralischen Status des menschlichen Körpers und um dessen Verhältnis zur menschlichen Person, das aus phänomenologischer Sicht gleichermaßen von der (Fremd‑)Wahrnehmung objektivierbarer Materialität wie von der (Selbst‑)Erfahrung eigener Leiblichkeit geprägt wird.122 Natürlich musste auch das Gericht einen Körperbegriff bei seiner Entscheidung voraussetzen: Sah es in seinen abgetrennten Teilen Objekte sui generis, die zwar keine frei verfügbaren Sachen seien, aber doch offenbar nach Maßgabe spezialgesetzlicher Normen wie Sachen wissenschaftlich, wirtschaftlich, gesellschaftlich genutzt werden können, so könnte man an eine Parallele zu dem in Deutschland seit Inkrafttreten des §  90a BGB im Jahr 1990 modifizierten Rechtsstatus von Tieren123 denken („Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch 120   Siehe entsprechend Düwell, Zum moralischen Status des menschlichen Körpers – Eine Diskussion mit der ‚Phänomenologie der Leiblichkeit‘, in: Taupitz (Hg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, 2007, 161 ff. (168 f.); vgl. auch Taupitz, VersR 1991, 369 ff. (375). 121   Wie eng Wissenschaft und Ökonomie gerade durch das „Eindringen von Risikokapital in die Welt der Biotechnologie“ in der Spätmoderne miteinander verflochten sind, legt Paul Rabinow, Fragmentierung und Würde in der Spätmoderne, in: Anthropologie der Vernunft. Studien zu Wissenschaft und Lebensführung, hg.  v. Carlo Caduff/Tobias Rees, Frankfurt a.M. 2004, 153 ff. (156 ff.) eindrücklich dar. Vgl. ferner etwa Jochen Taupitz (Hg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, Berlin/Heidelberg 2007; Roth, Eigentum an Körperteilen, 2009. 122   Zur entsprechenden Unterscheidung von Leibsein und Körperhaben vor allem Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch, in: Gesammelte Schriften IV, 1981. 123   Vgl. hierzu Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 22 f.

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besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“).124 Eine solche Parallele muss allerdings auf die ganz allgemeine Begriffsebene der abstrakten „Objekte sui generis“ beschränkt bleiben. Denn zwischen Tieren und abgetrennten Körperteilen bestehen derart fundamentale Unterschiede, dass jeder konkretere Vergleich als abwegig erscheinen muss: Abgesehen davon, dass Körperteile – selbst wenn sie menschlichen Ursprungs sein mögen – im Gegensatz zu Tieren eben keine eigenständig lebenden Organismen sind, gibt es zudem eine entscheidende Differenz hinsichtlich der Gründe, warum sie aus dem Sachbegriff ausgenommen werden. Während Tiere zu ihrem eigenen Schutz zu Rechtsobjekten eigener Art im Sinne des §  90a BGB geworden sind, dient die besondere Behandlung von Körperteilen und Organen zunächst dem Schutz ihrer ursprünglichen Träger und schließlich der genaueren Festlegung der gesellschaftlich wünschenswerten Nutzungsmöglichkeiten. Eben dieselbe Differenz legt es allerdings nahe, weiterhin zwischen dem menschlichen Körper und seinen abgetrennten Teilen zu unterscheiden. Die Technisierung, Sozialisierung oder auch Kommerzialisierung von Körperteilen, ‑organen und ‑substanzen wäre demzufolge keineswegs mit den entsprechenden Funktionalisierungen des ganzen, ursprünglichen Körpers gleichzusetzen. Wenngleich die Grenzen dazwischen kontinuierlich verlaufen dürften, sind also hinsichtlich des funktionalisierten Körpers noch weitere begriffliche Differenzierungen zu treffen. Am Anfang steht dabei wieder die Frage, inwiefern von Körperrechten als Ausdruck der eigenen personalen Identität eines „Selbst“ oder aber von Rechten am eigenen Körper, seinen Teilen, genetischen Materialien und sogar Informationen die Rede sein kann. Im ersten Fall würde es sich konzeptionell unmittelbar um Personenrechte handeln, im zweiten Fall um Eigentumsrechte, die freilich wiederum in unterschiedlichem Maße eine mittelbare persönlichkeitsrechtliche „Ausstrahlungswirkung“125 aufweisen könnten. Letzteres dürfte vor allem auch auf die Rechte an (immateriellen) Geninformationen und mithin insbesondere auf den Fall „Moore“ zutreffen. Eine entscheidende Differenzierung muss daher bereits in den betreffenden körperlichen Gütern gesucht werden.126 Je nachdem, ob ein originärer Körper oder aber 124   Diesen Gedanken verfolgen Christian Lenk/Nils Hoppe, Ein Modell zur Konstitution von Nutzungsrechten an menschlichem Gewebe und Körpermaterialien, in: Jochen Taupitz (Hg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, Berlin/Heidelberg 2007, 199 ff. (206). 125  Vgl. Roth, Eigentum an Körperteilen, 2009, 9 ff., 15 und 57 ff.; zu den moralphilosophischen Ursprüngen von „Rechten am eigenen Körper“ und den Grenzen solcher Selbstverfügungsrechte etwa Düwell, a.a.O. (165); siehe im Übrigen oben, Fn.  78–81, in diesem Abschnitt. 126  Siehe Lenk/Hoppe, Ein Modell zur Konstitution von Nutzungsrechten an menschlichem Gewebe und Körpermaterialien, in: Taupitz (Hg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, 2007, 199 ff. (203 ff.), welche in einem ähnlichen Sinn nach der „Art der Körper-

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seine Teile, Substanzen oder Informationen zum Gegenstand von Rechten gemacht werden sollen, kann erst über deren funktionale Eigenschaften als materialisiertes „Seins- und Bestimmungsfeld der Persönlichkeit“127, als Eigentum mit „persönlichkeitsrechtlichem Einschlag“ oder aber als frei technisierbares, sozialisierbares, kommerzialisierbares Verfügungsobjekt entschieden werden. Gefordert ist damit ein Konzept des menschlichen Körpers und seiner Teile, das deren Bedeutungen als Körpermaterial, als Informationsquelle, möglicherweise aber auch als lebendiges Substrat eines als nicht-funktionalisiert und mithin als nicht-objektivierbar erfahrenen Leibes differenziert berücksichtigt. Letztere Bedeutungsvariante bezieht sich auf die phänomenologische Erkenntnis, dass Menschen erst im „eigenleiblichen Spüren“ ihre Identität bilden können. Neben deren Fremdbeschreibung als objektivierbare Körper tritt dann nämlich ihre eigene Selbstbeobachtung als „wahrnehmendes Wesen mit einem prinzipiell nicht-objektivierbaren Leib“ – eine genuine Binnenperspektive, welche für die moralische Sonderstellung des Menschen als Person konstitutiv zu sein scheint.128 Eine solche Perspektive ist in Zeiten technisierter Personalität jedoch nicht mehr leicht zu finden: Der funktionalisierte Körperbegriff der beiden zuvor beschriebenen Entscheidungen zu Genmaterial und Geninformation scheint den Blick auf nicht-instrumentelle Selbsterfahrungen zu verstellen. Im Fall „Moore“ geht die Funktionalisierung des Körpers – oder genauer formuliert: die Funktionalisierung des Erbgutes – sogar so weit, dass allenfalls noch von einem „molekularisierten“ Körper die Rede sein kann. Denn das Interesse an seinen Zellen richtet sich strenggenommen nicht auf deren Material, sondern vielmehr auf die daraus zu gewinnenden molekularbiologischen Informationen. Das Genom – und nicht der Körper selbst – wird hier zur eigentlichen Quelle eines rechtlich relevanten Wertes. Dieser Wert verdankt sich zu einem gewissen Teil einem „genomisch-metaphysischen“ Denken, welches das Genom für den Kernbestandteil der individuellen Identität einzelner Menschen, aber auch der kollektiven Identität der Menschheit als Gattung hält. Das menschliche Genom gilt in diesem Sinn als Individualgut und Gemeingut zugleich, als „wahre Essenz“ der Natur des Men-

materialien“, sowie ferner nach der „Art der Nutzung“ und dem „Ausmaß der zu erwerbenden Rechte“ unterscheiden, ohne jedoch zu berücksichtigen, dass der Wert des Körpergutes nicht nur in seinem Material, sondern vielmehr – wie im Fall „Moore“ – in der darin enthaltenen genetischen Information liegen kann. 127   Vgl. BGHZ 124, 52 (54); siehe oben, Fn.  69, in diesem Abschnitt. 128  Vgl. Düwell, Zum moralischen Status des menschlichen Körpers – Eine Diskussion mit der ‚Phänomenologie der Leiblichkeit‘, in: Taupitz (Hg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, 2007, 161 ff. (169), mit weiterem Hinweis auf Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch, in: Gesammelte Schriften IV, 1981; ders., Die Frage nach der Conditio humana. Aufsätze zur philosophischen Anthropologie, Frankfurt a.M. 1976.

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schen, ja sogar als ein säkulares Äquivalent der menschlichen Seele.129 Dies ist nicht zuletzt ein wichtiger Grund dafür, dass sich biotechnologische Konflikte um Menschenwürde und Gerechtigkeit, insbesondere auch um eigentums- und persönlichkeitsrechtliche Ansprüche, weniger unmittelbar auf das biologische Körpermaterial beziehen, als vielmehr auf immaterielle Ressourcen wie Gene, Körperdaten oder ‑bilder. Zu einem anderen, erheblichen Teil gewinnen diese Körperressourcen ihren Wert indes aus einem ganz anderen, der Vorstellung eines seelenverwandten Genoms widerstrebenden, ökonomischen Gesichtspunkt: Sie versprechen nämlich nicht mehr nur eine traditionell-wissenschaftliche Erkenntnis von Wahrheiten, sondern auch handfestes instrumentelles Wissen darüber, wie sich Leben manipulieren und nach Möglichkeit auch wirtschaftlich nutzbar machen lässt. Leben wird damit ebenso wie Natur verfügbar und geht schließlich als unverfügbares Gegenüber der menschlichen Gesellschaft verloren, kurz: Leben wird selbst zum Gegenstand gesellschaftlicher, politischer und rechtlicher Normierung. Es ist der von Helga Nowotny und Giuseppe Testa so genannte „molekulare Blick“ der Lebenswissenschaften, der das Leben verfügbar macht, indem er die erwähnten Körperressourcen als neue Entitäten überhaupt erst ins Leben ruft: Er mache „sichtbar, was vorher nicht zu sehen war“.130 Die neue Sichtbarkeit der inneren Vorgänge lebendiger Körper sei allerdings an eine neuartige Fragmentierung des Lebens geknüpft, das in Organisationseinheiten und in Einzelbestandteile biologischer Materie zerlegt und letztlich von seinem ursprünglichen Kontext isoliert werde. Daraus ergäben sich letztlich auch die zahlreichen Kontroversen über Einsatz- und Verwertungsmöglichkeiten biotechnologischer Erkenntnisse.131 Bei John Moore war es die Sichtbarmachung seiner Gene, die zur Grundlage eines Rechtsstreits wurde. War es zunächst nur der molekulare Blick der Wissenschaften, der Gene aus epistemischen Gründen als nahezu invariante, von Umwelteinflüssen unberührte, das Leben determinierende, materialisierte Codes konstruierte und damit empirisch handhabbar machte, so ist dieses – in den Wissenschaften selbst schon überholte – naturalistische Bild der Gene als „Bausteine des Lebens“ bald auch in den gesellschaftlichen Diskurs eingedrungen.132 Gene sind nun auch sozial sichtbar; sie haben sich von wissenschaftlich konstruierten „epistemischen Dingen“133 in sozial konstruierte, semantische  So Alex Mauron, Is the Genome the Secular Equivalent of the Soul?, Science 2001, Vol.  291, 831 f.; ausdrücklich zustimmend Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 14. 130  So Nowotny/Testa, a.a.O. (11). 131   Nowotny/Testa, a.a.O. (13 ff. und 24 f.). 132  Vgl. Nowotny/Testa, a.a.O. (38 und 44 ff.). 133   Hans-Jörg Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas, Frankfurt a.M. 2006. 129

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Artefakte verwandelt, und schließlich sogar in Rechtsobjekte. Das „eigenartige Ding“, als das Hans-Jörg Rheinberger das Gen beschreibt,134 wird als soziales Artefakt jetzt auf eine neue, ganz eigene Art sichtbar: als ein im lebenden Organismus verkörperter Code, als lesbarer Text, als „Sprache des Lebens“.135 Die neuen genetischen Informationsträger können auf diese Weise scheinbar abstrakt vom lebendigen Körper wie auch von dessen Umwelt informationstechnisch genutzt und wirtschaftlich verwertet werden. Die in Text gefasste Geninformation ist insoweit das Ergebnis einer technologisch funktionalisierten, auf inkorporierte Informationsstrukturen fokussierenden wissenschaftlichen Konstruktion, die im informationstechnologisch geprägten Gesellschaftsdiskurs der Gegenwart als eine kommunikative Operation des Lebendigen erscheinen muss. Als solche scheint sie an andere kommunikative Prozesse der „Wissensgesellschaft“ anschließen zu können, seien sie wissenschaftlicher, informationstechnischer oder auch rechtlicher Art. Mit dem als Text verfassten genetischen Code werden lebendige Prozesse sozusagen entmaterialisiert und dem Sinnmedium der gesellschaftlichen Kommunikation zugänglich gemacht. Leben und Kommunikation erscheinen danach als prinzipiell gegeneinander austauschbare Operationen, ungeachtet ihrer materiellen Grundlagen. Insoweit geht die naturalistische Betrachtung des Lebendigen und sogar des Sozialen ihrerseits in die soziale Kommunikation ein, aus deren Per­ spektive sich natürliche und lebendige Entitäten dann wiederum als soziale, technisch manipulierbare, wenn nicht gar frei gestaltbare Artefakte darstellen. Doch gelingt ein derartiger kommunikativer Anschluss, der letztlich zur Sozialisierung des Lebendigen führt, eben nur auf der Basis eines informationstheoretischen Lebensbegriffs, der Körper und lebendige Materie auf immaterielle Ressourcen reduziert. Nur in ihrer Umformulierung zum lesbaren Text werden Lebewesen als lebendige Artefakte, als sogenannte „Biofakte“136 , technisch verfügbar und als soziale Artefakte – sozusagen als „Soziofakte“137 – ge Siehe Hans-Jörg Rheinberger, Epistemologie des Konkreten. Studien zur Geschichte der modernen Biologie, Frankfurt a.M. 2006. 135   Siehe dazu Nowotny/Testa, a.a.O. (39 f.), m.w.N. 136  Vgl. Nicole C. Karafyllis (Hg.), Biofakte. Versuch über den Menschen zwischen Artefakt und Lebewesen, Paderborn 2003; siehe in diesem Band Malte-Christian Gruber, Vom Kontinuum der Herkunft ins Kontinuum der Zukunft. Zur Relevanz von Argumenten der Potentialität bei der Bestimmung des rechtlichen Status von Biofakten, 131 ff. 137   Der Begriff der „socifacts“ wurde erstmals von Julian Huxley zur Beschreibung des kulturellen Aspekts der jeweils gegebenen Sozialstrukturen, d.h. der im gesellschaftlichen Zusammenleben gebildeten Institutionen und Organisationen verwendet. Weitere Strukturmerkmale der Kultur sah er in den so genannten „mentifacts“ als den psychologischen Rahmenbedingungen einer Kultur (z.B. Ideen, Wertvorstellungen) sowie in den „artifacts“ als den materiellen Kulturgegenständen (z.B. Werkzeuge, Technologien, Kunstgegenstände). Siehe hierzu Julian Huxley, Evolution, Cultural and Biological, in: Knowledge, Morality, and Destiny (Original Title: New Bottles for New Wine), New York 1960, 56 ff. (73). In jüngerer Zeit spricht Udo Thiedeke über „kybernetische Soziofakte“, wobei er sich ausschließlich auf die informationell und kommunikativ erzeugte, virtuelle Realität des „Cyberspace“ bezieht. 134

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sellschaftlich kommunizierbar. Die Neologismen „Biofakt“ und „Soziofakt“ kennzeichnen insoweit eine neuartige Sicht auf Leben, insbesondere auf menschliche Körper und deren Bestandteile, die sich demzufolge als technisierte, sozialisierte, unter Umständen auch als kommerzialisierte Lebewesen darstellen. Gerade im Fall der Gene bleibt es aber nicht dabei, dass Leben einfach in einen Text übersetzt und dadurch kommunikabel gemacht wird. Die Reduktion des Lebendigen geht hier noch wesentlich weiter: Genetische Information formuliert einen Text ohne „Geschichte“. Leben wird in seiner genetischen Fassung von den Bedingungen seiner Umwelt, von seinen Entstehungsbedingungen und sozialen Kontexten, entkleidet. Fehlt es jedoch an einem solchen Kontext, aufgrund dessen die lebensgeschichtlichen, narrativen Aspekte des Lebens in seinen Umwelten erst verstehbar wären, tritt das Deutungsprimat der genetischen Abstammung und des genetischen Determinismus an seine Stelle. Die Gene scheinen schließlich sogar das soziale Geschehen selbst zu bestimmen, indem sie von nicht-narrativen Texten zur „Essenz“ des Lebendigen transformiert werden. Auf die informationstheoretische Reduktion des Lebensbegriffs folgt mithin die genetische Verkürzung des Sozialen. Diese versperrt in letzter Konsequenz den Zugang zu einem ganzheitlichen, orientierenden Wissen im Umgang mit den neuen Technologien, denen die Gene ihre – bioartifizielle wie auch sozioartifizielle – Existenz überhaupt erst verdanken.138 Wenn wie im Fall „Moore“ um den Wert genetischer Information gestritten wird, oder wie im zuvor beschriebenen „Sperma-Fall“ um die Bedeutung der Samenflüssigkeit, geht es indes keineswegs um materiell fixierte „wahre Essenzen“, geschweige denn um „Seelenäquivalente“ einer menschlichen Person, deren individuelle Zuordnung etwa in Spannung mit einer ebenfalls genetisch begründeten, kollektiven Identität der menschlichen Spezies geriete.139 Nur vordergründig geht es um die Abwägung zwischen den beiden Bedeutungsvarianten des Genoms Vgl. Thiedeke, Wir Kosmopoliten: Einführung in eine Soziologie des Cyberspace, in: ders. (Hg.), Soziologie des Cyberspace. Medien, Strukturen und Semantiken, Wiesbaden 2004, 15 ff. (16 f.); ders., Cyberspace: Die Matrix der Erwartungen, in: ders. (Hg.), Soziologie des Cyberspace. Medien, Strukturen und Semantiken, Wiesbaden 2004, 121 ff. (130); ders., Drei – zwei – eins – download! Über die Schwierigkeit virtualisiertes Eigentum zu besitzen, in: ders. (Hg.), Soziologie des Cyberspace. Medien, Strukturen und Semantiken, Wiesbaden 2004, 283 ff. (297); ders., Programmiere Dich selbst! Die Persona als Form der Vergesellschaftung im Cyberspace, in: Michael Jäckel/Manfred Mai (Hg.), Online-Vergesellschaftung? Mediensoziologische Perspektiven auf neue Kommunikationstechnologien, Wiesbaden 2005, 73 ff. (75, 78 sowie 88). 138   Vgl. hierzu Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 24 f. 139   Zum genetischen Spannungsverhältnis von individueller und kollektiver Identität, d.h. von „Person“ und als „Referenzpopulation“ dienender Gemeinschaft etwa Nowotny/Testa, a.a.O. (44 ff.); allgemein zur Opposition von subjektzentriertem Gattungs- und individualorientiertem Populationsbegriff auch Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, 2.  Auflage 2004, 247 ff.

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als seelenanalogem Ausdruck individueller Persönlichkeit einerseits und als Gemeinschaftsgut der Menschheitsgattung andererseits.140 Vielmehr geht es um das, was konkret mit (oder aus) dem lebendigen Körper eines Menschen gemacht wird. Doch gerade in dieser Hinsicht ist der „molekulare Blick“ blind, soweit er den ursprünglichen Lebenskontext verdrängt. Indem er Leben auf einen genetischen Text ohne Narrative reduziert, vermag er keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, wem die umstrittenen Entitäten zuzuordnen sind. Es genügt eben nicht, entweder auf einem vermeinten Recht am eigenen Genom oder aber auf einem gemeinschaftlichen Interesse am menschlichen Erbgut zu beharren. Wer eine Körperinformation oder ‑substanz sein „Eigen“ nennen will, muss jenseits solcher beliebig anmutenden Argumente darlegen, inwieweit sie mit ihm besonders verbunden ist – etwa dadurch, dass sie eine enge Nähe zu seinem Körper aufweist. Er muss sich dabei auf die Lebensgeschichte seines Körpers, seine soziale Bedeutung und gewiss auch – wenngleich nicht ausschließlich – auf seine biologischen Funktionen berufen können. Nur auf diese Weise kann er begründen, dass er selbst es ist, der jenseits seiner „Haut-Grenzen“ als lebendiges, körperliches Wesen selbst betroffen ist. Gewiss lässt sich damit keineswegs die geschilderte biotechnologische Entwicklung übergehen, in deren Verlauf der „molekulare Blick“ zunehmend in die inneren Lebensvorgänge vorgedrungen ist und Leben – freilich um den Preis der Fragmentierung und der Abstraktion des Lebens von seiner materiellen Basis – sichtbar sowie verfügbar gemacht hat. Die technologische Funktionalisierung von Natürlichem, Lebendigem, Körperlichem verstellt die einstigen Unterscheidungen zwischen natürlichen, lebendigen und artifiziellen, technisierten Körpern. Der bereits beschriebene Verlust einer einheitlichen anthropologischen Bestimmung führt daher nicht alleine zu fragmentierten, sozio-funktional begründeten Persönlichkeitsrechten, sondern verändert und fragmentiert bereits deren Basis, namentlich den Begriff des menschlichen Körpers. Doch immerhin sind aus diesem Blickwinkel auch weiterhin noch Möglichkeiten der Differenzierung zwischen Argumenten der Körperzugehörigkeit auszumachen. Es bedeutet schon einen relevanten Unterschied, ob dem Körper eine Information oder aber eine Substanz als Körperteil zugeordnet werden soll, und vor allem, ob sich diese Zuordnung in erster Linie auf körperliche, technische oder soziale Funktionalisierungen stützt. Die neuen sozialen Entitäten der Bio-, Neuro- und Informationstechnologien sind demnach vielleicht nicht in dem gleichen, strengen, existentiellen Sinn wie etwa die menschlichen Organe als Körperteile einzustufen. Sie können aber immerhin noch im Rah140   Siehe hierzu Paul Rabinow, Artifizialität und Aufklärung. Von der Soziobiologie zur Biosozialität, in: Anthropologie der Vernunft. Studien zu Wissenschaft und Lebensführung, hg.  v. Carlo Caduff/Tobias Rees, Frankfurt a.M. 2004, 129 ff.; ferner ders., Fragmentierung und Würde in der Spätmoderne, a.a.O. (153 ff.).

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men eines den technologischen Entwicklungen angepassten bio- und soziofunktionalen Konzeptes als Teile eines Körpers angesehen werden – eines Körpers nämlich, der schon längst ein bio- und sozioartifizieller Körper ist. Einer solcherart begründeten Körperzugehörigkeit folgt dann auch die Persönlichkeitszugehörigkeit. Somit können Bio- und Soziofakte doch noch zum Bestandteil eines bio- und soziofunktionalen Persönlichkeitskonzeptes werden. Sie werden es indes nur in ihrer jeweils bestimmten Weise: nicht unmittelbar als Teil des menschlichen Körpers selbst, sondern nur in ihrer Funktion als Körperteil. Fehlt es den Genen des John Moore also an einer mit anderen Körperteilen vergleichbaren Körperlichkeit, so bedeutet dies nicht zwingend, dass sie ihm nicht wenigstens funktional zugeordnet werden könnten. Zwar genügt es diesbezüglich nicht, auf die Herkunft der Körperzellen oder gar der Erbsubstanz zu verweisen, um damit seine Rechte an der begehrten genetischen Information zu begründen. Wenngleich diese nämlich in Moores Körpermaterial stofflich fixiert sein mag, beruht doch ihre Existenz in Form von „Genen“ auf ganz anderen Bedingungen, insbesondere auf der erwähnten Sichtbarmachung durch den molekularen Blick der Wissenschaften. Aber eben dieser Blick macht es schließlich auch möglich, immaterielle Güter, Informationen, Daten oder sogar Bilder als Teile des Körpers und mithin der Person anzusehen. Aus einer funktionalen Perspektive kann somit nicht nur Sperma aufgrund seiner biologischen Funktion der Fortpflanzung als Körperteil behandelt werden, sondern auch Gene können als solcher gelten, allerdings nur, soweit sie dem Körper soziofunktional als gesellschaftlich kommunizierte Soziofakte zugeordnet und in diesem besonderen Sinne „renaturalisiert“ werden können. Dieses Vorgehen scheint zunächst der von Bruno Latour beschriebenen Schwierigkeit zu begegnen, die Dichotomien der Moderne, insbesondere die strenge Trennung von Natur und Gesellschaft, aufrechtzuerhalten: Auf die „Vermittlung“ und „Vermischung“ der Grenzen von Natürlichem und Sozialem, die mit der Naturalisierung der Gene durch den molekularen Blick einsetzt und – allerdings nur auf den ersten Blick – mit der Sozialisierung zu enden scheint, folgt deren Neukonfiguration und „Reinigung“ im Sinne einer Wiederherstellung „reiner“, vermeintlich klar voneinander unterschiedener, ihrerseits jedoch kaum zu stabilisierender Zonen des Natürlichen und des Sozialen.141 Die Prozesse der Naturalisierung und Sozialisierung, und weiter der Re-Naturalisierung und Re-Sozialisierung enden nicht und legen fortlaufend fest, was als 141   Mit den Praktiken der „Vermittlung“ oder „Übersetzung“ als Erzeugung neuer, gewissermaßen „unreiner“ Mischungen sowie der „Reinigung“ als (Wieder‑)Herstellung getrennter ontologischer Zonen kennzeichnet Bruno Latour die voneinander isolierten Grenzbestimmungen und ‑bewegungen der Moderne; hierzu ders., Wir sind nie modern gewesen, 2008, 18 ff. und 55 ff.; zur „Reinigungsarbeit“ am Beispiel des Sportdopings Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 31 ff.

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(nicht-soziale) Natur, als lebendiger Körper oder auch als Teil desselben zu gelten hat. Diesbezüglich bedarf es indes weiterer, guter Argumente, die eine besondere Körpernähe der genetischen Information begründen und plausibel machen, dass der „molekulare Blick“ die Körpergrenzen nicht nur – wie schon der „Sperma-Fall“ nahelegt – in physischer Hinsicht ausdehnt, sondern auch zu einer „genetischen Erweiterung“ des Körpers führt. Als erstes müssen sie dabei dem gängigen Einwand entgegentreten, dass das menschliche Genom bei allen Individuen weitgehend übereinstimme und daher als Gemeinschaftsgut gelten müsse. Doch auch dieses ist nur ein einzelnes, auf die wissenschaftliche Rekonstruktion von Lebensvorgängen verweisendes Argument. Individuelle und kollektive Zuordnungen sind als normative Entscheidungen allerdings nicht alleine nach den biologischen, bio- oder auch sozioartifiziellen Wirklichkeitskon­ struktionen zu beurteilen, sondern rekurrieren auf das zusätzlich zum wissenschaftlichen Handlungswissen erforderliche Orientierungswissen.142 Dieses richtet sich vor allem nach den Maßstäben des jeweiligen sozialen Kontextes, der jedoch gerade im Gendiskurs bislang weitgehend unbeachtet bleibt.

III.  Neuronalisierung: Körperbilder und kognitive Erweiterungen Auf eine mit dem „molekularen Blick“ der Genforschung vergleichbare informationale Betrachtungsweise verweisen jüngere Konflikte, in denen neurowissenschaftliche Techniken zum Einsatz kommen. Die neuen Möglichkeiten, Gehirnaktivitäten abzubilden und transparent zu machen, führen zu ganz ähnlichen Problemlagen, wie sie die Sichtbarmachung der Gene hervorgebracht hat. Zur funktionalen Überschreitung der „Haut-Grenzen“ des menschlichen Körpers hinsichtlich seiner Körperteile, ‑substanzen und ‑daten kommen nun Erweiterungen hinzu, die sich vornehmlich auf Körperbilder stützen. Unter dem Eindruck der neuronalen „Bildgebung“ ist längst von einem dem Genom vergleichbaren „Brainom“ die Rede,143 das ebenfalls wertvolle Daten zu enthalten scheint. Welchen Wert diese Daten schon heute vor Gericht haben können, zeigt der folgende, dritte Beispielsfall: Der Court of Appeals im US-Bundesstaat Michigan144 hatte als Berufungs­ instanz in einem Verkehrsunfallprozess darüber zu entscheiden, ob der erst­ instanzliche Trial Court ein bildgebendes Verfahren zum Beweis eines von der   Siehe dazu in diesem Abschnitt oben, 1. Titel, II. (S.  18 ff.).  Vgl. Ronald M. Greene, From genome to brainome: charting the lessons learned, in: Judy Illes (Hg.), Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy, Oxford 2006, 105 ff. 144   Michigan Court of Appeals (April 8, 2003), Fini v. General Motors Corp. and Hill, No.  227592, 2003 WL 1861025 (2003 Mich. App. LEXIS 884). 142 143

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Klägerin behaupteten Schädelhirntraumas zulassen durfte. Die Klägerin, Angela R. Fini, war am Nachmittag des 9. Mai 1996 mit einem Dienstwagen der beklagten General Motors Corporation kollidiert, an deren Steuer ein Mitarbeiter der Beklagten, der ebenfalls beklagte Jimmy F. Hill, saß. Auf regennasser Fahrbahn hatte dieser kurz zuvor die Kontrolle über die Corvette seines Arbeitgebers verloren und war auf die Gegenspur geraten. Die entgegenkommende Klägerin konnte nicht mehr ausweichen. Infolge des Zusammenstoßes verlor sie zunächst das Bewusstsein, kam aber etwa im Laufe einer Stunde wieder zu sich. An die Kollision konnte sich die Klägerin danach nicht mehr erinnern. Sie erlitt Schmerzen im Kopf-, Nacken- und Rückenbereich. Nach vier Tagen wurde sie wieder aus dem Krankenhaus entlassen. In der Folgezeit konnte Angela Fini jedoch kein normales Leben mehr führen. Ihre bisherige Arbeit und auch eine bereits begonnene Berufsausbildung brach sie ab. Der Trial Court verurteilte die Beklagten zur Zahlung von 2 615 000 US-Dollar an die Klägerin, nachdem deren Sachverständiger mit Hilfe sogenannter SPECT-Scans (Single Photon Emission Computed Tomography) 145 gezeigt hatte, dass ihr Gehirn erhebliche Schädigungen im Bereich des Frontallappens aufwies.146 Da die Gehirnbilder aus seiner Sicht mit den Ergebnissen seiner weiteren neurologischen Tests „korrelierten“, sah der Neuropsychologe seinen Befund bestätigt. Vergeblich richtete sich die Beklagtenseite in ihrer Berufung gegen die Verwendung der SPECT-Bilder im Beweisverfahren. Ihre Auffassung, dass diese Technik für die Bewertung von Schädelhirntraumata ungeeignet sei, teilte auch die Berufungsinstanz nicht. Zweifel an der Qualifikation des sachverständigen Zeugen wies das Gericht ebenfalls zurück. Dieser verfügte als Neuropsycholo145   Unter den funktionellen Bildgebungstechniken gibt es unterschiedliche, mehr oder weniger invasive Verfahren: SPECT (Einzelphotonen-Emissions-Tomographie) erzeugt etwa ähnlich wie PET (Positronen-Emissions-Tomographie) Schnittbilder des Gehirns, indem die Verteilung eines zuvor injizierten radioaktiven Tracers ermittelt wird, welche schließlich Rückschlüsse über die Stoffwechselaktivität zulässt. Die ebenfalls häufig eingesetzte fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie) kann mit den Mitteln der herkömmlichen Magnetresonanztomographie Änderungen der Konzentration sauerstoffreichen Blutes darstellen, auf deren Basis dann neuronale Aktivitäten dargestellt werden können. MRS (Magnetresonanzspektroskopie) untersucht mit den Mitteln der Kernspinresonanz biochemische Verteilungen von Stoffwechselzwischenprodukten (Metaboliten). Für einen kurzen Überblick vgl. Owen D. Jones/Joshua W. Buckholtz/Jeffrey D. Schall/Rene Marois, Brain Imaging for Legal Thinkers: A Guide for the Perplexed, Stanford Technology Law Review 2009, Vol.  5, Rn.  13– 18. 146   Die Parallele zu dem wissenschaftshistorischen Fall des Phineas Gage, der sich bei einem Arbeitsunfall eine schwere Läsion des präfrontalen Cortex zugezogen und danach ebenfalls die Fähigkeit verloren hatte, seinen bisherigen Lebenswandel fortzusetzen, sind augenfällig. Näher zu diesem Fall Hanna Damasio/Thomas Grabowski/Randall Frank/Albert M. Galaburda/Antonio R. Damasio, The Return of Phineas Gage: Clues about the Brain from the Skull of a Famous Patient, Science 1994, Vol.  264, 1102 ff.; siehe auch Antonio R. Damasio, Descartes’ Irrtum: Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, Berlin 2004, 25 ff.

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ge zwar weder über die nach Ansicht der Beklagten erforderliche medizinische Ausbildung, noch hatte er die Hirnscans selbst angefertigt. Die grundsätzliche Eignung des Beweismittels blieb nach Ansicht des Gerichts aber hiervon unberührt. Vergeblich hatten die Beklagten insbesondere vorgebracht, dass das SPECT-Verfahren nach dem von der Rechtsprechung für die Frage der Zulässigkeit von Beweismitteln entwickelten Frye-Standard147 von vornherein auszuschließen gewesen wäre, da die wissenschaftliche Community darin kein verlässliches Mittel erkenne, um Schädelhirntraumata nachzuweisen. Wie auch der erstinstanzliche Trial Court gelangte der Court of Appeals schließlich zu der gegenteiligen Überzeugung, dass SPECT-Scans innerhalb der medizinischen und psychologischen Wissenschaftsgemeinschaft generell als geeignet gelten, um Abnormalitäten im Bereich der Hirnfunktion aufzuzeigen. Im Ergebnis erkannten damit beide Instanzgerichte an, dass das Schädelhirntrauma der Klägerin mittels bildgebender Verfahren bewiesen werden konnte. Indem die Gehirnbilder in einem – wie der Sachverständige der Klägerin es nannte – Verfahren der „clinical correlation“ zu den übrigen neurologischen Testergebnissen ins Verhältnis gesetzt wurden, kam ihnen bei der Bestimmung der Art und des Umfangs des Schädelhirntraumas eine maßgebende Rolle zu. Der Fall der Angela Fini ist keineswegs der erste Rechtsstreit, in dem neuro­ nale Bilder als Beweismittel dienten.148 Vor allem in den Vereinigten Staaten wurden SPECT-Scans bereits in mehreren Schadensersatzprozessen zum Beweis von Hirnschädigungen zugelassen.149 Häufig werden Beispiele zitiert, in denen bei den Anspruchsstellern jeweils chronische Enzephalopathien infolge toxischer Einflüsse nachgewiesen werden konnten.150 In einem weiteren, immer wieder genannten Fall eines Flugzeugabsturzes erachtete der United States Court of Appeals151 umgekehrt eine von der Klägerin behauptete Hirnschädi147  Nach Frye v. United States, 54 App. D.C. 46, 47; 293 f. 1013, 1014 (D.C. Cir. 1923) ist ein wissenschaftlicher Beweis als zulässig anzuerkennen, wenn die entsprechenden Techniken, Daten oder Methoden von der einschlägigen wissenschaftlichen Gemeinschaft auf „generelle Akzeptanz“ stoßen. Im vorliegenden Fall verwies der Court of Appeals ergänzend auf weitere bundesstaatliche Urteile, die den „Generelle-Akzeptanz“-Standard bestätigt haben: People v. Davis, 343 Mich 348; 72 NW2d 269 (Mich. 1955); SPECT Imaging, Inc v. Allstate Ins Co, 246 Mich App 568, 579; 633 NW2d 461 (Mich. App. 2001). 148   Siehe etwa Jones/Buckholtz/Schall/Marois, Brain Imaging for Legal Thinkers: A Guide for the Perplexed, Stanford Technology Law Review 2009, Vol.  5, Rn.  1–12 (vgl. Fn.  145, in diesem Abschnitt). 149   Dazu speziell Hal S. Wortzel/Christopher M. Filley/C. Alan Anderson/Timothy Oster/David B. Arciniegas, Forensic Applications of Cerebral Single Photon Emission Computed Tomography in Mild Traumatic Brain Injury, The Journal of the American Academy of Psychiatry and the Law 2008, Vol.  36, 310 ff.; siehe ferner Robert P. Granacher, Commentary: Applications of Functional Neuroimaging to Civil Litigation of Mild Traumatic Brain Injury, The Journal of the American Academy of Psychiatry and the Law 2008, Vol.  36, 323 ff. 150  Insbesondere Guilbeau v. W.W. Henry Co., 85 f.3d 1149 (5th Cir. 1996) sowie Rhilinger v. Jancsics, 8 Mass. Law Rep. 373 (Mass. Super. Ct. 1998). 151   In re Air Crash at Little Rock Arkansas, 291 f.3d 503 (8th Cir. 2002).

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gung als nicht ausreichend bewiesen, da es ihr medizinischer Sachverständiger unter anderem versäumt habe, die Klägerin einer bildgebenden Untersuchung mittels SPECT, PET oder MRS152 zu unterziehen. Nach Ansicht des Gerichts hätte die Klägerin mit Neuroimaging-Techniken den Beweis antreten können, dass ihr durch den Flugzeugabsturz erlittenes posttraumatisches Belastungssyndrom letztlich auch zu physischen Hirnschädigungen geführt habe. Psychische Störungen als physische Verletzungen sichtbar zu machen, wird demnach von einem bloßen neurowissenschaftlichen Zukunftsversprechen zum Erfordernis rechtlicher Beweisführung. Mit den erweiterten Möglichkeiten, innere Körpervorgänge außerhalb der „Haut-Grenzen“ zu visualisieren, wachsen zugleich die Erwartungen der Beweislast. Entgehen Störungen der seelischen oder geistigen Lebensvorgänge den Blicken der Scanner und Bildinterpreten, verlieren sie ihre Relevanz. Die „innere“, ehemals für unverfügbar gehaltene Seele wird insoweit nicht nur transparent und verfügbar. Das „Innere“ hört sogar auf zu existieren; es gibt nur noch das „Äußere“ des Körperlichen. Doch dieses Körperliche liegt, wie schon in den Fällen der Gene und des menschlichen Spermas, längst auch außerhalb der ursprünglichen Körpergrenzen. Körperteile und Substanzen, Gene und jetzt auch Neuroscans – sie alle bilden eine wirkungsmächtige Gruppe bioartifizieller Bestandteile eines zunehmend fragmentierten Körpers. An die Stelle dessen organischer Einheit tritt nun eine Vielheit von Entitäten, die aus einem produktiven Zusammenwirken von biologischen, sozialen und technischen Prozessen hervorgehen. Den drei Quellen ihrer Herkunft entsprechend erweisen sich diese Körperfragmente gleichzeitig als lebendig und natürlich, als kommunikativ, semantisch konstruiert, und schließlich auch als technisch-artifiziell – verkürzt ausgedrückt: als „biosoziofaktisch“. Solche „Biosoziofakte“ entfalten eine eigene Wirkungsmacht, und zwar in allen drei Bereichen. Sie verändern die Welt der lebendigen Materie ebenso, wie sie die der kommunikativen und geistigen Symbole und auch der technischen Artefakte prägen. Als lebendige, sozial konstruierte, semantische Artefakte lassen sie sich keinem einzelnen Kontext zuordnen – im Gegenteil: sie scheinen aufgrund ihrer vielfältigen Entstehungskontexte isoliert zu existieren, frei von Lebenszusammenhängen und ‑geschichten. Darauf beruht ihre materielle und auch geistige, soziale Wirkungsmacht: Für jeden Lebensbereich erscheinen sie jeweils als fremde, widerständige Determinanten, die einer kaum beeinflussbaren Umwelt entstammen. Während sie aus einer sozialen Sicht als natürliche Tatsachen bestimmend sein mögen, sieht ein naturorientierter Blick den konstruktiven Charakter jeder kommunikativ vermittelten Natur als determinierendes Moment. So können etwa die Gene einerseits als „naturgegebene“ Determinanten des sozialen Geschehens gesehen wer  Zu den unterschiedlichen Bildgebungstechniken bereits oben, Fn.  145, in diesem Abschnitt. 152

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den, andererseits aber auch als soziale Rekonstruktionen des Lebendigen, die das Natürliche feststellen und verfügbar machen. Im Fall der Neuroscans kommt zudem die dritte, technologische Perspektive noch deutlicher zum Vorschein. Das Gehirnbild kann als natürliches und technisches Faktum, als Ausdruck der Sozialisierung und Technisierung des Natürlichen, aber auch als Objekt gedeutet werden, das aufgrund natürlicher Lebensvorgänge und geistig-sozialer Interpretationsleistungen die Technik seiner Darstellung bestimmt. Im Neuroimaging verwischen die Grenzen von Natürlichem, Sozialem und Technischem. Ebenso wie der molekulare Blick der Genforschung bedarf daher insbesondere der neuronale Blick des Hirnscanners der fortdauernden „Reinigung“153. Die Frage lautet hier: Inwieweit ist das Gehirnbild ein technisches Artefakt, soziales Konstrukt oder unmittelbarer Ausdruck eines lebendigen Körpers? Angela Finis SPECT-Scans schienen vor Gericht jedenfalls mehr zu bedeuten als bloße Abbildungen. An ihre Darstellung knüpften der sachverständige Zeuge und im Ergebnis auch die Richter die Existenz einer physischen Schädigung ihres Gehirns. Die technische Möglichkeit der Bildgebung hat somit neue Deutungen der körperlichen Unversehrtheit und neue Arten der Körperverletzung ins Leben gerufen. Doch zugleich hat sie den inneren Bereich des natürlichen Körpers drastisch reduziert, indem sie ihn transparent gemacht hat. Denn nur was außerhalb des ursprünglichen Kontextes, insbesondere der organischen Einheit des Körpers, als Schaden technisch darstellbar ist, wird auch als solcher anerkannt. Innere Schädigungen, die dem neuronalen Blick des Hirnscanners entgehen, gelten demgegenüber als nichtexistent. Alles kommt darauf an, dass „innere“ psychische Schädigungen als „äußere“ physische Verletzung sichtbar sind. Das Innere der körperlichen und insbesondere auch der geistigen Vorgänge wird somit durch die Techniken des Neuroimaging nach außen verlegt – allerdings nur teilweise, im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten. Mit der zunehmenden äußeren Sichtbarkeit von vormals inneren Körperprozessen wachsen indes zugleich die Möglichkeiten, diese im Inneren zu manipulieren und verfügbar zu machen. Insoweit tragen die bildgebenden Verfahren dazu bei, dass die Unterscheidung der inneren, „reinen“ Natur und der äußeren, die körperliche „Reinheit“ berührenden Technik instabil wird. Auch hier verschwindet also der Begriff des „natürlichen“ Körpers und weicht einem technisierten, bio- und sozioartifiziell angereicherten Körperbild. Je sichtbarer und verfügbarer die Teile dieses Körpers jedoch sind, desto isolierter scheinen sie aber von ihrem ursprünglichen Kontext zu sein. Ähnlich wie im Fall der Gene übersieht der neuronale Blick die Entstehungsbedingungen und sozialen Zusammenhänge der körperlichen Phänomene, die er zu erfassen versucht, indem er Brainscans an ihre Stelle setzt. Diese können augenscheinlich bereits heute   Dazu bereits oben, Fn.  141, in diesem Abschnitt.

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das richterliche Verständnis sozialer Ereignisse beeinflussen, die zu psychischen Verletzungen geführt haben. Die eigenleibliche Erfahrung der Verletzten, ihre erlebte Lebensgeschichte, ja womöglich sogar ihre tatsächlichen psychischen Zustände verlieren unter dem Eindruck der Hirnbilder an Bedeutung. Freilich geht deren soziale Wirkungsmacht nicht schon so weit, dass die neuronalen Bilder alleine für sich sprechen. Der sachverständige Zeuge im Fall Fini suchte immerhin nach korrelierenden neurologischen Daten. Im Übrigen ist die Zahl der Rechtsfälle, in denen Neuroimaging-Techniken eine Rolle spielen, auch in den Vereinigten Staaten noch überschaubar.154 Ob sie zum Beweis von Schädelhirntraumata taugen, ist auch dort weiterhin umstritten.155 Vor deutschen Gerichten finden die neuen Bilder der Hirnforschung ohnehin noch keine beweisrechtliche Anerkennung. Da SPECT-Untersuchungen nur Störungen des Hirn-Stoffwechsels anzeigen und folglich allenfalls in Verbindung mit strukturabbildenden Verfahren wie dem MRT156 etwas über mögliche Substanzverletzungen des Gehirns aussagen können, hält sie die deutsche Rechtsprechung für entbehrlich.157 Aber während „die suggestiven Bilder der Hirnforschung“158 in Deutschland generellen epistemischen Zweifeln begegnen und daher forensisch kaum eingesetzt werden, denkt man anderenorts ganz anders: Längst spekulieren Wissenschaftler, unter ihnen auch viele Juristen, in internationalen Publikationen über die weiteren Einsatzmöglichkeiten von Neuroimaging-Techniken und sprechen dabei bereits von Mind Reading.159 Ihrer Ansicht nach können Hirnscans mehr, als psychische Schädigungen in körperlich sichtbare Phänomene zu transformieren. Wenn dabei schon spürbar wird, dass psychische und physische Verletzungen immer schwieriger voneinander zu unterscheiden sind, verwandelt der Ausblick auf künftige Techniken des Gedankenlesens den menschlichen Geist sogar vollends in eine körperliche Erscheinung. Deren Vorgänge sollen dann

  Siehe oben, Fn.  148, in diesem Abschnitt.   Dazu insbesondere Granacher, The Journal of the American Academy of Psychiatry and the Law 2008, Vol.  36, 323 ff. 156   MRT (Magnetresonanztomographie) erzeugt mittels Kernspinresonanz in einem starken Magnetfeld Schnittbilder des lebenden Gewebes. Vgl. Jones/Buckholtz/Schall/Marois, Brain Imaging for Legal Thinkers: A Guide for the Perplexed, Stanford Technology Law Review 2009, Vol.  5, Rn.  16–18 (siehe Fn.  145, in diesem Abschnitt). 157   Ablehnende Entscheidungen stammen insbesondere aus der Sozialgerichtsbarkeit, wie etwa SG Düsseldorf, Urteil vom 9.3.2007, S 16 (18) U 62/04 (Gescheiterter Nachweis einer organischen Hirnschädigung im Sinne einer toxischen Enzephalopathie als Berufskrankheit); LSG Bayern, Urteil vom 29.1.2008, L 3 U 231/06 (Ablehnung des SPECT-Verfahrens zum Nachweis einer substanziellen Hirnschädigung infolge eines Arbeitsunfalls). 158  Vgl. Friederike Reents, „Die suggestiven Bilder der Hirnforschung“, F.A.Z. v. 15.10.2008, abrufbar unter: . 159   Statt vieler Annabelle Belcher/Walter Sinnott-Armstrong, Neurolaw, WIREs Cognitive Science 1 (2010), 18 ff. 154 155

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mit entsprechend fortschrittlichen Bildgebungstechniken prinzipiell vollständig abzubilden und transparent zu machen sein. Darauf basierend hoffen Neurowissenschaftler und Neurojuristen, eines Tages Aussagen über das Ausmaß von Schmerzempfindungen und Leiden,160 den Grad der Verantwortungsfähigkeit,161 den Bewusstseinszustand,162 ja sogar über aktuelle Gedanken163 eines Menschen gewinnen zu können. Aus dieser 160   Zur Vision einer „Pain Detection“ mittels Neuroimaging vor allem Adam J. Kolber, Pain Detection and the Privacy of Subjective Experience, American Journal of Law & Medicine 2007, Vol.  33, 433 ff. (444 ff.); siehe auch Betsy J. Grey, Neuroscience, Emotional Harm, and Emotional Distress Tort Claims, The American Journal of Bioethics – Neuroscience 2007, Vol.  7(9), 65 ff.; Stacey A. Tovino, Functional Neuroimaging and the Law: Trends and Directions for Future Scholarship, The American Journal of Bioethics 2007, Vol.  7(9), 45 f. 161   Auch dazu gibt es bereits zumindest einen Zivilrechtsfall: In Michigan Court of Appeals (May 2009, 5), Van Middlesworth v. Century Bank & Trust Co., No.  215512, 2000 WL 33421451 (2000 Mich. App. LEXIS 2369) gelang es der Beklagtenseite, mittels MRT ihre fehlende Geschäftsfähigkeit nachzuweisen und einen zuvor geschlossenen Vertrag aus diesem Grund anzufechten. Zur parallelen Frage der strafrechtlichen Schuldfähigkeit vgl. etwa Nicole A. Vincent, Neuroimaging and Responsibility Assessments, Neuroethics 2011, Vol.  4, 35 ff. 162   Besondere Relevanz erfährt dieser Aspekt im Zusammenhang mit den normativen Fragen des Umgangs mit Wachkomapatienten sowie dem in jüngerer Zeit wieder verstärkt in Zweifel geratenen Hirntodkonzept. Vgl. hierzu Jukka Varelius, Minimally Conscious State and Human Dignity, Neuroethics 2009, Vol.  2, 35 ff.; ferner Martha J. Farah, Neuroethics and the Problem of Other Minds: Implications of Neuroscience for the Moral Status of Brain-Damaged Patients and Nonhuman Animals, Neuroethics 2008, Vol.  1, 9 ff.; zur neuen, unter dem Eindruck des Neuroimaging wiederentfachten Hirntod-Debatte etwa Sabine Müller, Revival der Hirntod-Debatte: Funktionelle Bildgebung für die Hirntod-Diagnostik, Ethik in der Medizin 22 (2010), 5 ff. 163   Vgl. etwa John-Dylan Haynes/Geraint Rees, Decoding mental states from brain activity in humans, Nature Reviews Neuroscience 2006, Vol.  7, 523 ff.; sowie unter den neueren Untersuchungen Jesse Rissman/Henry T. Greely/Anthony D. Wagner, Detecting individual memories through the neural decoding of memory states and past experience, PNAS 2010, abrufbar unter: . Zweifelsohne dominiert die alte und durch die Neurotechnologie wiederbelebte Hoffnung auf einen in naher Zukunft möglichen Einsatz von nahezu unfehlbaren Lügendetektoren die heutige Mind-Reading-Diskussion; siehe nur Paul Root Wolpe/Kenneth R. Foster/Daniel D. Langleben, Emerging Neurotechnologies for Lie-Detection: Promises and Perils, The American Journal of Bioethics 2005, Vol.  5 (2), 39 ff.; Joseph R. Simpson, Functional MRI Lie Detection: Too Good to be True?, Journal of the American Academy of Psychiatry and the Law 2008, Vol.  36, 491 ff.; Brian Reese, Using fMRI as a Lie Detector – Are We Lying to Ourselves?, Albany Law Journal of Science & Technology 2009, Vol.  19, 205 ff. Zu einzelnen Fällen, in denen die neuen Lügendetektoren bereits vor Gericht zugelassen wurden, siehe etwa Dov Fox, The Right to Silence as Protecting Mental Control, Akron Law Review 2009, Vol.  42, 763 ff. (766 ff. und 775 ff.). In Deutschland wird die Diskussion um den künftigen Einsatz neuartiger Lügendetektoren vornehmlich im Strafrecht geführt: Stephan Stübinger, Lügendetektor ante portas. Zu möglichen Auswirkungen neurowissenschaftlicher Erkenntnisse auf den Strafprozess, Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2008, 538 ff.; Susanne Beck, Unterstützung der Strafermittlung durch die Neurowissenschaften? Einsatz von Verfahren funktioneller Bildgebung als ‚Lügendetektoren‘ im Strafverfahren, JR 2006, 146 ff.; für einen Überblick Gruber, Neuro-Theorien des Rechts, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano (Hg.), Neue Theorien des Rechts, 2.  Auflage 2009, 327 ff. (337 ff.).

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Sicht bleibt für die Psyche – etwa verstanden als eine äußerlich unzugängliche Sphäre der Selbsterfahrung – immer weniger Raum. Sie endet dort, wo der Hirnscanner ihr neuronales Korrelat abbildet und sie als physisches Ereignis objektiviert. Eine solche Verlegung des Psychischen ins Physische konfrontiert das Recht zunächst mit einer engen Deutung dessen, was noch als psychische Schädigung im Sinne einer Gesundheitsverletzung gelten und damit etwa Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche begründen kann. Nicht der Kontext des Schadensereignisses und der Erlebnisse betroffener Personen sind dann für die Bewertung psychischer Störungen entscheidend, sondern der mittels Neuroimaging zu erbringende Nachweis einer eingetretenen nachteiligen Veränderung ihrer Gehirnfunktionen.164 Gewiss bestehen heute kaum noch Zweifel daran, dass psychische Traumata von gewisser Intensität mit physiologischen Hirnveränderungen einhergehen.165 Aber dennoch behält die Unterscheidung von psychischen und physischen Schädigungen ihre rechtliche Relevanz. Nur unter der Prämisse, dass es außer dem äußerlich sichtbaren oder sichtbar zu machenden Teil des menschlichen Körpers auch noch einen psychischen Bereich des inneren Erlebens gibt, vermag das Recht den Menschen als sein Subjekt überhaupt zu erfassen. Doch gerät dieser innere Bereich unter dem Eindruck des neuronalen Blicks zusehends in Bedrängnis. Die subjektive Selbsterfahrung und ‑beschreibung weicht einer objektivierenden Betrachtung der körperlichen und geistigen Vorgänge, die Verletzungen als Substanzschäden, Prozessbeteiligte als körperlich zu untersuchende Beweismittel,166 verkürzt ausgedrückt: Personen als Gegenstände erscheinen lässt. Dagegen richten sich neuroethische Forderungen nach einem verstärkten Schutz einer innerpsychischen Privatsphäre, welcher mit Schlagworten wie

  Die Möglichkeit eines solchen Nachweises mag andererseits auch die Rechtsprechung dazu bewegen, bislang kaum nachprüfbare Beeinträchtigungen wie beispielsweise emotionale Leiden als Gesundheitsverletzungen anzuerkennen. Vgl. hierzu Grey, The American Journal of Bioethics – Neuroscience 2007, Vol.  7(9), 65 ff.; kritisch demgegenüber Adrian M. Viens, The Use of Functional Neuroimaging Technology in the Assessment of Loss and Damages in Tort Law, The American Journal of Bioethics 2007, Vol.  7(9), 63 ff. Im deutschen Deliktsrecht werden psychische Schäden ohnehin nur dann als Gesundheitsverletzungen anerkannt, wenn sie medizinisch nachweisbar sind und sich als außergewöhnliche Schädigungen darstellen; vgl. hierzu insbesondere die restriktive Rechtsprechung zum sogenannten „Schockschaden“ seit BGHZ 56, 163. 165  Vgl. Reese, Albany Law Journal of Science & Technology 2009, Vol.  19, 205 ff. (225), m.w.N. 166   Mit Blick auf die mögliche Verwendung von Lügendetektoren zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Beschuldigten und Zeugen wird bereits darüber nachgedacht, ob in diesem Zusammenhang noch die strafprozessualen Normen des Zeugenbeweises, insbesondere zum Schweigerecht, oder aber der körperlichen Untersuchung einschlägig sind. Vgl. Fox, Akron Law Review 2009, Vol.  42, 763 ff. 164

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„Datenschutz fürs Gehirn“167 oder „Neuroprivacy“168 gekennzeichnet und von entsprechenden rechtlichen Forderungen begleitet wird, die zum Beispiel ein eigenständiges Grundrecht auf mentale Selbstbestimmung169 für notwendig erachten. Die Gewährleistung der Privatheit und Vertraulichkeit von Gedanken170 soll Menschen aber nicht nur vor einem „Einblick in die Seele“171, sondern auch vor Eingriffen bewahren. Denn ebenso wie der neuronale Blick der funktionellen Bildgebung das Innere des Menschen nach außen verlegt und in Form von Daten und Bildern verfügbar macht, wachsen gleichzeitig auch die Möglichkeiten, dieses Innere von außen zu manipulieren. Dahinter können sich durchaus beste Absichten verbergen, etwa wenn es darum geht, mit Hilfe von Transkranieller Magnetstimulation neurologische Erkrankungen zu diagnostizieren und zu behandeln, oder mit Tiefenhirnstimulation die Symptome der Parkinson-Krankheit zu lindern und künftig womöglich sogar Epilepsie und Depressionen zu therapieren.172 Neben der nicht mehr fernen Vision eines Einsatzes neuronaler Implantate173 ruhen große Hoffnungen auf neuen Entwicklungen im pharmakologischen Bereich, die sowohl therapeutischen Zwecken als auch einer Leistungssteigerung gesunder Menschen dienen können. Psychoaktive Substanzen und Stimulanzien eröffnen als soge  Thomas Metzinger, „Gedankenleser im Kreuzverhör“, Gehirn & Geist 3/2006, 37 ff.  Vgl. Committee on Science and Law, Are Your Thoughts Your Own? ‚Neuroprivacy‘ and the Legal Implications of Brain Imaging, CBA Record 2005, Vol.  60, 407 ff.; siehe ferner Stacey A. Tovino, The Confidentiality and Privacy Implications of Functional Magnetic Resonance Imaging, The Journal of Law, Medicine & Ethics 2005, Vol.  33(4), 844 ff.; Sheri Alpert, Brain Privacy: How Can We Protect it?, The American Journal of Bioethics 2007, Vol.  7(9), 70 ff.; Juha Räikkä, Brain Imaging and Privacy, Neuroethics 2010, Vol.  3, 5 ff. 169  Vgl. Jan-Christoph Bublitz, Der (straf‑)rechtliche Schutz der Psyche. Vom Körperverletzungstatbestand zum Grundrecht auf mentale Selbstbestimmung, RW 2011, 28 ff. (59 ff.). 170  Vgl. Tovino, The Journal of Law, Medicine & Ethics 2005, Vol.  33(4), 844 ff.; Brent Garland, Neuroscience and the Law: A Report, in: ders. (Hg.), Neuroscience and the Law: Brain, Mind, and the Scales of Justice, New York/Washington (DC) 2004, 1 ff. (35 ff.); Henry T. Greely, Prediction, Litigation, Privacy, and Property. Some Possible Legal and Social Implications of Advances in Neurosciences, in: Brent Garland (Hg.), Neuroscience and the Law: Brain, Mind, and the Scales of Justice, New York/Washington (DC) 2004, 114 ff. (143 ff.). 171   Mit dem Topos „Einblick in die Seele des Beschuldigten und ihre unbewußten Regungen“ begründete die erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Unzulässigkeit des Polygraphentests (BGHSt 5, 332, 335). 172  Zu den Techniken der Transkraniellen Magnetstimulation (Transcranial Magnetic Stimulation – TMS) und der Tiefenhirnstimulation (Deep Brain Stimulation – DBS) etwa Reinhard Merkel/Gerard Boer/Jörg Fegert/Thorsten Galert/Dirk Hartmann/Bart Nuttin/ Steffen Rosahl, Intervening in the Brain. Changing Psyche and Society, Berlin/Heidelberg 2007, 161 ff.; zu den Behandlungsmöglichkeiten siehe den Überblick bei Kirsten Brukamp, Patientenautonomie angesichts moderner Neurotechnologien wie der tiefen Hirnstimulation, in: Malte-Christian Gruber/Jochen Bung/Sascha Ziemann (Hg.), Autonome Automaten. Künstliche Körper und artifizielle Agenten in der technisierten Gesellschaft, Berlin 2014, 207 ff. 173  Vgl. Merkel/Boer/Fegert/Galert/Hartmann/Nuttin/Rosahl, Intervening in the Brain, 2007, 117 ff. 167

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nannte Cognitive Enhancers – populär auch als Mind Doping174 bezeichnet – bereits heute einen neuen Markt der „Lifestyle-Medikamente“.175 Solches Neuroenhancement soll aber bald nicht mehr nur auf pharmakologischen Weg möglich sein, sondern auch mit informationstechnischen Mitteln erreicht werden. Indem Human-Machine Interfaces, im Besonderen Brain-Computer Interfaces (BCIs) funktionell in die kognitiven Prozesse von Menschen integriert werden, sollen sie diese in die Lage versetzen, Kommunikations- und sogar Robotertechnik in Echtzeit zu steuern. Damit scheinen sich zunächst zahlreiche Möglichkeiten aufzutun, schwerstgelähmte oder Locked-in-Patienten durch Ableitung der bioelektrischen Signale ihrer Gehirnaktivität wieder zu befähigen, mit ihrer sozialen Umwelt zu interagieren und technische Hilfsmittel wie Rollstühle oder künstliche Gliedmaßen zu steuern.176 Die Neuroprothetik weckt aber zugleich noch weitergehende Interessen an einer medizinisch nicht indizierten Leistungssteigerung von Menschen, die bislang als gesund gelten. Neuronale Implantate sollen dann, etwa nach dem Vorbild bereits entwickelter Technologien wie Cochlear- oder Retina-Implantaten,177 erweiterte sensorische Funktionen erfüllen, die das natürliche Spektrum der visuellen, akustischen und olfaktorischen Wahrnehmungsfähigkeit von Menschen übersteigen. Im nächsten Schritt folgen schließlich Spekulationen über eine Verbesserung der kognitiven Kapazitäten um die zusätzlichen Rechen- und Speicherleistungen informationstechnischer Miniatursysteme.178 Unabhängig von der Frage, ob derartige Zukunftsvisionen realistisch sind, machen bereits die gegenwärtigen Entwicklungen der Neurotechnologie deutlich, wie Gehirnvorgänge zunehmend verfügbar und manipulierbar werden. Aus einer vergleichbaren informationstheoretischen Sicht wie in den zuvor genannten Fällen wird es nun möglich, Menschen als lebendige Systeme mit technischen Artefakten zu verbinden. Damit werden körperliche Aktivitäten zunächst als neuronale Daten informationstechnisch verfügbar und – anders noch als die in Text gefasste Geninformation – vor allem in Bilder transformiert.

  Vgl. nur Stephan Schleim, Dragee zum Glück?, Gehirn & Geist 12/2005, 46 ff.  Vgl. Gruber, Neuro-Theorien des Rechts, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano (Hg.), Neue Theorien des Rechts, 2.  Auflage 2009, 327 ff. (339), m.w.N. 176   Vgl. hierzu den Überblick bei Oliver Müller/Jens Clausen/Giovanni Maio, Der technische Zugriff auf das menschliche Gehirn. Methoden – Herausforderungen – Reflexionen, in: dies. (Hg.), Das technisierte Gehirn. Neurotechnologien als Herausforderung für Ethik und Anthropologie, Paderborn 2009, 11 ff.; sowie im selben Band – speziell zur Verwendung von BCIs als Hilfsmittel für Locked-in-Patienten – Femke Nijboer/Sonja Kleih/Andrea Kübler, Gehirn-Computer-Schnittstellen für schwerstgelähmte Menschen, 51 ff. 177   Siehe Fn.  173, in diesem Abschnitt. 178  Vgl. Matthis Synofzik, Technische Optimierung des Gehirns: Was wäre dagegen einzuwenden?, in: Oliver Müller/Jens Clausen/Giovanni Maio (Hg.), Das technisierte Gehirn. Neurotechnologien als Herausforderung für Ethik und Anthropologie, Paderborn 2009, 313 ff. 174

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Die neurotechnische Koppelung lebendiger und künstlicher Systeme vermag aber noch mehr: Indem letztere die bioelektrischen Signale lebendiger Körper nicht nur ableiten und verarbeiten, sondern mittels Magnetfeldern oder Elek­ troden auch stimulieren können, spielen sie in den gekoppelten Mensch-Maschine-Systemen zugleich eine aktive Rolle. Die Verarbeitung neuronaler Informationen dient hier dazu, deren neurophysiologische Quellen – kognitive und emotionale Prozesse – informationstechnisch zu modulieren. Insoweit erscheinen die eingesetzten Informationstechnologien selbst als Teil eines kognitiven Gesamtsystems, das abermals die „Haut-Grenzen“ des menschlichen Körpers überschreitet.179 Ebenso wie die Funktionalisierung des Körpers im „Sperma-Fall“ zu physischen Erweiterungen um extrakorporal gelagerte Körpersubstanzen und im Fall „Moore“ zu genetischen Erweiterungen um Körperinformationen geführt hat, ermöglicht sie nun auch kognitive Erweiterungen. Denn auch die Neurotechnologien funktionalisieren den Körper, und zwar als kognitiven Apparat. Aus dieser Sicht gehören geistige Aktivitäten in der informationstheoretisch reduzierten Gestalt neuronaler Prozesse zu den körpertypischen Funktionen, die sich prinzipiell auch außerhalb eines menschlichen Körpers, zum Beispiel in einem Computer, vollziehen können. Die neurowissenschaftliche Reduktion des Geistes auf informationstechnisch zu verarbeitende Vorgänge mag dabei ähnlich angreifbar sein wie die genetische Fassung des Lebendigen als isolierte immaterielle Ressource. Gewiss kann sie den menschlichen Geist nur ausschnittsweise180 und isoliert von seinem sozialen Kontext181 erfassen. Allerdings wird anhand ihrer Entwicklung deutlich, dass der menschliche Geist seinerseits offenbar dazu imstande ist, externe Ressourcen wie „Sehchips“ oder Neuroprothesen aktiv zu nutzen und funktionell zu integrieren, so dass sie zu einem unentbehrlichen Bestandteil eines kognitiven Gesamtsystems werden.182 Neurowissenschaftlich wird diese Fähigkeit mit der Plastizität und Adaptivität menschlicher Gehirne begründet – einem mit empirischen Methoden beobachtbaren Phänomen, das externalistischen Theorien zufolge eine Ausdehnung des menschlichen Geistes über die Gehirn- und Körpergrenzen hinaus plausi179   Vgl. mit Blick auf Brain Computer Interfaces etwa Andrew Fenton/Sheri Alpert, Extending Our View on Using BCIs for Locked-in Syndrome, Neuroethics 2008, Vol.  1, 119 ff.; kritisch zu dieser Betrachtungsweise Sven Walter, Locked-in Syndrome, BCI, and a Confusion about Embodied, Embedded, Extended, and Enacted Cognition, Neuroethics 2010, Vol.  3, 61 ff. 180   Vgl. hierzu Müller/Clausen/Maio, Der technische Zugriff auf das menschliche Gehirn, in: dies. (Hg.), Das technisierte Gehirn, 2009, 11 ff. 181   Dazu am Beispiel des genetischen Reduktionismus bereits oben, Fn.  138, in diesem Abschnitt. 182  Vgl. Gruber, Neuro-Theorien des Rechts, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano (Hg.), Neue Theorien des Rechts, 2.  Auflage 2009, 327 ff. (340 f.).

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bel macht.183 Entsprechende normative Konsequenzen liegen nahe: Einem Eingriff in die derart in ein kognitives Gesamtsystem inkorporierten externen Ressourcen müsste demnach eine vergleichbare rechtliche Bedeutung beizumessen sein wie einer Verletzung der personalen Integrität, sei es in Gestalt einer Körperverletzung, sei es auch in Form einer Störung der Privatheit und Vertraulichkeit von Gedanken.184 Unklar bleibt bei alledem jedoch, ob und gegebenenfalls wie die rechtlich bedeutungsvolle Trennlinie zwischen geistiger und körperlicher Sphäre unter den Bedingungen der Neuronalisierung zu ziehen sein wird. Anders als in den Fällen von Genmaterial und Geninformation betrifft die Funktionalisierung des kognitiven Apparates nämlich nicht nur Körperteile, sondern auch Geistes­ teile. Während das Neuroimaging physische Vorgänge zunächst in Bilder verwandelt, zielen die geschilderten neurotechnologischen Eingriffe in erster Linie auf körperliche Veränderungen. Was also soll jetzt noch Körper, was Psyche sein, wenn Körperliches als immaterielle Ressource abgebildet und Geistiges in körperliche Informationstechniksysteme verlagert wird? Die neurowissenschaftliche Verschmelzung physischer und psychischer Prozesse gibt immerhin einen deutlichen Hinweis auf die weitergehende Notwendigkeit, den Schutz der personalen und körperlichen Integrität über die Grenzen von Haut und Schädeldecke hinaus auszuweiten. Gehirn und Geist werden durch die Neurotechnologien zunehmend von innen manipulierbar und gleichzeitig durch Neuro­ imaging und Neuroenhancement nach außen verlagert. Beides verlangt nach Gewährleistung einer inneren Sphäre, in der die geistige und körperliche Selbsterfahrung als konstitutive Voraussetzung rechtlicher Subjektivität unantastbar, nicht-objektivierbar bleibt. Zu dieser Sphäre kann grundsätzlich auch ein neuronales Implantat oder ein externes informationstechnisches System gehören, das im Rahmen kognitiver Prozesse inkorporiert wird und somit wie ein ausgelagerter Teil des Gehirns wirkt.

IV.  Informationalisierung: Körperanalogien und informationstechnische Erweiterungen So ungewöhnlich es scheinen mag: Nach einer jüngeren Entscheidung185 des Bundesverfassungsgerichts können auch Computer und andere informations  Locus classicus bereits jetzt: Andy Clark/David Chalmers, The Extended Mind, Analysis 1998, Vol.  58, 7 ff. 184   Vgl. hierzu Malte-Christian Gruber, Neurotechnologisch modifizierte Rechtssubjektivität. Persönlichkeitsschutz im Recht der Neuro- und Informationstechnologie, in: Oliver Müller/Jens Clausen/Giovanni Maio (Hg.), Das technisierte Gehirn. Neurotechnologien als Herausforderung für Ethik und Anthropologie, Paderborn 2009, 87 ff. 185   BVerfG, Urteil vom 27.2.2008, BVerfGE 120, 274. 183

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technische Systeme als ein ausgelagerter Teil des Gehirns186 oder allgemein des menschlichen Körpers187 gelten. Diese Entscheidung zur sogenannten „Online-Durchsuchung“ bildet das vierte, abschließende Beispiel technisierter Personalität im heutigen Recht. In der Sache ging es um zwei Verfassungsbeschwerden, die das nordrheinwestfälische Verfassungsschutzgesetz in der Fassung des Jahres 2006 zum Gegenstand hatten. Fraglich war insbesondere, ob die in diesem Gesetz vorgesehenen Ermächtigungen zur heimlichen Infiltration und Ausspähung der Speichermedien von Computern über Netzverbindungen zulässig waren. Das Bundesverfassungsgericht erachtete die streitgegenständlichen Ermächtigungsgrundlagen schließlich als verfassungswidrig: Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems sei nämlich nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut, d.h. für Leib, Leben, Freiheit und sonstige existentiell wichtige Allgemeingüter bestünden.188 Das an einem weniger strengen Maßstab orientierte Verfassungsschutzgesetz verletze insoweit „das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art.  2 Abs.  1 i.V.m. 1 Abs.  1 GG) in seiner besonderen Ausprägung als Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“.189 Die heimliche Infiltration und das Ausspähen informationstechnischer Speichermedien werden demnach im Kern als ein qualitativ neuartiger Grundrechtseingriff aufgefasst, sofern es dadurch generell möglich ist, „Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person […] oder gar ein aussagekräftiges Bild der Persönlichkeit“190 aus dem – gewissermaßen wie ein externalisiertes Gedächtnis funktionierenden – Computer zu gewinnen. Das Gericht erkennt dabei ausdrücklich an, dass der Einzelne zur Entfaltung seiner Persönlichkeit auf informationstechnische Systeme angewiesen sei.191 Mit anderen Worten: Die private Lebensgestaltung ist von Technik und Medien abhängig; sie findet in technisierten, mediatisierten192 Welten statt.

186  Siehe Wolfgang Hoffmann-Riem, Der grundrechtliche Schutz der Vertraulichkeit und Integrität eigengenutzter informationstechnischer Systeme, JZ 2008, 1009 ff. (1012): „Wer sich den Zugang zum informationstechnischen System verschafft, kann gewissermaßen – jedenfalls ausschnitthaft – Zugang zum ‚ausgelagerten Gehirn‘ oder gar zur ‚ausgelagerten Psyche‘, aber auch zu vielen anderen wichtigen Informationen über die betroffene Persönlichkeit erhalten.“ 187  Vgl. Winfried Hassemer, „Der Computer ist ein ausgelagerter Teil des Körpers“, Interview in: Süddeutsche Zeitung vom 11. Juni 2008, 6 – genauer: „Der Computer ist bei vielen ein ausgelagerter Teil des Körpers, oder jedenfalls ein ausgelagertes Tagebuch.“ 188   BVerfGE 120, 274 (Leitsatz 2). 189   BVerfGE 120, 274 (302). 190   Siehe BVerfGE 120, 274 (314). 191   Vgl. BVerfGE 120, 274 (312 f.). 192  Siehe Friedrich Krotz, Mediatisierung. Fallstudien zum Wandel von Kommunikation,

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Konsequenterweise vertritt das Bundesverfassungsgericht daher die Auffassung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht alleine den altbekannten Bereich des individuellen Selbstbestimmungsrechts schütze, sondern nun auch weitere, generalisierte Sphären der Persönlichkeitsentfaltung erfasse: 193 erstens die „Vertraulichkeit“ eines gesamten Datenbestandes, unabhängig von den konkreten Inhalten oder auch einer konkreten Willensäußerung des Nutzers, und zweitens die „Integrität“ eines informationstechnischen, oder wenn man so will: nichtmenschlichen Systems, das „als eigenes genutzt“194 wird. Die tatsächliche (Eigen‑)Nutzung ist also das entscheidende, von rechtlichen Eigentumsfragen unabhängige Kriterium, nach welchem das System in gewisser Weise als ein funktionaler Teil der Nutzerpersönlichkeit angesehen wird.195 Solche personalen Funktionalisierungen informationstechnischer Systeme dürften in Zukunft dazu führen, dass das Recht einer Vielzahl neuartiger, sozial konstruierter, semantischer Artefakte begegnet. Die Person erscheint dann nicht mehr auf das menschliche, in jedem seiner Handlungen selbstbestimmte Individuum beschränkt, sondern zeigt sich immer mehr als eine feste Beziehung von Menschen und Dingen – als etwas, das man im Sinne von Bruno Latour als „Assoziation von Menschen und nicht-menschlichen Wesen“196 bezeichnen könnte. Die darauf bezogenen Befürchtungen einiger Rechtswissenschaftler hinsichtlich einer Entpersonalisierung oder Entindividualisierung des Grund-

Wiesbaden 2007, 25 ff. und 85 ff.; ferner ders./Andreas Hepp (Hg.), Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze, Wiesbaden 2012. 193   Erläuternd hierzu Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff. (1013): „Grundrechtlicher Persönlichkeitsschutz als Freiheitsschutz fordert dann auch Schutz von Vertrauen, der über den Schutz des Vertrauens in die Möglichkeit selbstbestimmter Entscheidung über das Ausmaß der Zugänglichkeit von Daten hinausgeht. Zu sichern ist auch der Schutz des Vertrauens in die Vertraulichkeit und Integrität des informationstechnischen Systems selbst, dem der Grundrechtsträger sich anvertraut, ohne dass von ihm erwartet wird, es selbst beherrschen zu können.“ 194   BVerfGE 120, 274, 315. 195   Dies betont vor allem Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff. (1011 ff.); vgl. ferner Thomas Böckenförde, Auf dem Weg zur elektronischen Privatsphäre, JZ 2008, 925 ff. (929); kritisch zu diesem Kriterium sowie auch zu begrifflichen Unklarheiten und dogmatischen Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gabriele Britz, Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme – Einige Fragen zu einem neuen Grundrecht, DÖV 2008, 411 ff.; Thomas Hoeren, Was ist das „Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme“?, MMR 2008, 365 f. 196  Vgl. Bruno Latour, Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie, Frankfurt a.M. 2001, 82 ff.; siehe auch ders., Wir sind nie modern gewesen, 2008, 173 ff.; ferner ders., Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt a.M. 2007, 76 ff.

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rechtsschutzes197 sind jedoch unbegründet198 und beruhen letztlich auf einer Verwechslung menschlicher Individuen mit deren kommunikativen Rekonstruktionen als „Personen“ oder „Rechtssubjekte“. Die Ausdehnung des personalen Rechtsschutzes auf kollektive Akteure, auf Mensch-Ding-Assoziationen, ja sogar auf bloße Informationsströme bedeutet daher keinesfalls zwingend eine „Entmenschlichung“ des Rechts.199 Im Gegenteil: Das neue Grundrecht trägt der Tatsache Rechnung, dass die Eigenrationalität sozialer Informationstechnologien mit der Vorstellung eines selbstbestimmten Nutzungsverhältnisses zwischen Mensch und Maschine nicht mehr adäquat zu erfassen ist. Insoweit wird allerdings noch weiter darzulegen sein, dass der Schutzbereich des neuen „Computer-Grundrechts“ nicht bloß – wie das Bundesverfassungsgericht offenbar meint – in quantitativer Sicht über die bisher vermeintlich auf einzelne Datenerhebungen beschränkten Schutzbereichskonzepte der informationellen Selbstbestimmung hinausgeht.200 Vielmehr kommt es darauf an, dass die in den Anwendungsbereich des neuen Grundrechts fallenden Eingriffe gerade auch qualitativ anders zu bewerten sind.201 Das mag sich zum einen bereits aus der hohen Komplexität informationstechnischer Systeme ergeben, die somit für den Nutzer unbeherrschbar geworden sind.202 Zum anderen kann ein qualitativer Unterschied jedoch auch anhand besonderer, empirischen Beobachtungen zugänglicher Aspekte wie der in mediatisierten Welten gebildeten Erwartung an die Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme203 herausgearbeitet werden. Inwiefern eine solche Erwartung im Kontext der sozial vorherrschenden Formen von System- und 197   Vgl. etwa Martin Eifert, Informationelle Selbstbestimmung im Internet – Das BVerfG und die Online-Durchsuchungen, NVwZ 2008, 521 ff. (522); Oliver Lepsius, Das Computer-Grundrecht: Herleitung, Funktion, Überzeugungskraft, in: Fredrik Roggan (Hg.), Online-Durchsuchungen – Rechtliche und tatsächliche Konsequenzen des BVerfG-Urteils vom 27. Februar 2008, Berlin 2008, 21 ff. (32 ff.). 198  Siehe Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff. (1012 und 1015), mit knappem Hinweis auf den fortbestehenden Persönlichkeitsbezug des neuen IT-Grundrechts. 199   Auf denselben Verwechslungen von Personen und Subjekten mit konkreten Menschen beruhen schließlich auch die allgemein gegen systemtheoretische Konzeptionen gerichteten Vorwürfe, dass die der Systemumwelt zugeordneten Menschen im Kommunikationssystem vernachlässigt würden. Vgl. statt vieler etwa Walter Kargl, Kommunikation kommuniziert? Kritik des rechtssoziologischen Autopoiesebegriffs, Rechtstheorie 1990, 352 ff.; dazu – unter Berufung auf den erst durch die System-Umwelt-Differenz möglichen „radikalen Individualismus in der Umwelt des Systems“ – Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, 2.  Auflage 2004, 257; ferner ders., Das Recht der Gesellschaft, 1993, 35 und 48 f. 200   In diesem Sinn aber BVerfGE 120, 274, 313; vgl. diesbezüglich die treffende Kritik von Britz, DÖV 2008, 411 ff. (413); auf gleicher Linie Gerrit Hornung, Ein neues Grundrecht. Der verfassungsrechtliche Schutz der „Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“, CR 2008, 299 ff. (301); Martin Kutscha, Mehr Schutz von Computerdaten durch ein neues Grundrecht?, NJW 2008, 1042 ff. (1043). 201   Auf gleicher Linie Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff. (1015 ff.). 202   Vgl. hierzu BVerfGE 120, 274 (303 ff.). 203   Diese „Vertraulichkeits- und Integritätserwartung“ hat das Bundesverfassungsgericht

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Personvertrauen normativ anerkannt werden kann, ist nicht zuletzt eine Frage der dort vorzufindenden Vorstellungen von Personalität und Körperlichkeit, wie sie etwa in Näheverhältnissen, Privatheitsempfindungen und Gemeinschaftsgefühlen zum Vorschein kommen. Derartige Gesichtspunkte könnten helfen, einige offene Fragen der Entscheidung zur „Online-Durchsuchung“ zu beantworten und nicht zuletzt das neue Grundrecht deutlicher vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung abzugrenzen. Dabei ist zunächst die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme als generalisierte, unabhängig von konkreten Willensäußerungen zu schützende Sphäre der Persönlichkeitsentfaltung näher zu bestimmen. Über den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall hinaus muss weiter danach gefragt werden, inwiefern solche informationstechnischen Persönlichkeitssphären auch gegen nicht-heimliche Eingriffe zu schützen sind.204 In einem weiteren Schritt ist dann präziser darzustellen, wie die für die Zuordnung dieser Sphäre maßgeblichen tatsächlichen (eigentumsunabhängigen) Nutzungsverhältnisse von Menschen und informationstechnischen Systemen zu identifizieren sind. Ebenso klärungsbedürftig ist die Frage, welche technischen Artefakte im Einzelnen als geschützte informationstechnische Systeme verstanden werden dürfen.205 Der auf diese Weise zu konkretisierende Schutz informationstechnologisch externalisierter Personen ist schließlich zwischen den beiden traditionell-rechtlichen Polen „Privatheit“ und „Öffentlichkeit“, etwa als informationeller Nahbereich menschlichen Zusammenlebens, zu lokalisieren. Sofern informationstechnische Systeme zumindest ausschnitthaft zum „ausgelagerten Gehirn“206 der zunehmend auf mediale Umwelten verteilten, fragmentierten Persönlichkeiten werden, sind diese konsequent als Teil dieser Persönlichkeiten zu schützen.207 Anders ausgedrückt werden Computer zu Teilen der technisierten Person, deren Körper und Geist ähnlich wie in den zuvor beschriebenen Fällen über die Grenzen von Haut und Schädeldecke hinaus funktional erweitert werden können. Informationstechnische Systeme können unter diesen Umständen als körperanaloge Bestandteile eines informationalisierten Menschen erscheinen, dessen körperliche und geistige Konstitution sowohl natürliche als auch künstliche mit seinem Urteil schließlich für normativ „berechtigt“ erklärt (BVerfGE 120, 274, 306 ff.); dazu Britz, DÖV 2008, 411 ff. (412).; Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff. (1012), m.w.N. 204  Vgl. Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff. (1019); Böckenförde, JZ 2008, 925 ff. (931). 205   Zur Kritik an der mangelnden Bestimmtheit des „informationstechnischen Systems“ wiederum Britz, DÖV 2008, 411 ff. (414); ähnlich sieht Hoffmann-Riem, a.a.O. (1012/ Anm.  26), die künftige rechtsdogmatische Aufgabe, „die rechtlich relevanten Strukturen der ‚eigenen informationstechnischen Systeme‘ näher zu umschreiben.“ 206   Siehe bereits oben, Fn.  185, in diesem Abschnitt. 207   Vgl. hierzu Gruber, Neurotechnologisch modifizierte Rechtssubjektivität, in: Müller/ Clausen/Maio (Hg.), Das technisierte Gehirn, 87 ff. (99 ff.).

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Eigenschaften umfasst. Körperteile, Körperdaten, Körperbilder und ‑analogien – sie alle bilden die „Basis der Persönlichkeit“208 . Insoweit wird auch die Integrität und Vertraulichkeit der Informationstechnik zu einer persönlichen Angelegenheit. Die Rede von „ausgelagerten“ Gehirnen oder Körperteilen ist dabei keineswegs als bloß metaphorisch aufzufassen. Sie macht nämlich deutlich, dass sich unter den Bedingungen neuerer Technologien nicht nur der gesellschaftliche Umgang mit Computertechnik verändert, sondern auch die Vorstellungen von der „Natur des Menschen“ als Einheit von lebendigem Körper und Geist. Diese Veränderungen lassen sich als Konsequenz veränderter normativer Erwartungen innerhalb mediatisierter Welten lesen.209 Der Begriff der „mediatisierten Welten“ kann dabei jedoch nicht auf den Bereich der Computertechnologien beschränkt bleiben. Er bezeichnet vielmehr einen allgemeinen Wandel der sozialen Kommunikation, der von einer zunehmenden Mediatisierung und Technisierung der Gesellschaft bestimmt wird. Medien und Technik prägen die menschliche Lebens- und Erfahrungswelt in wachsendem Maße – so sehr, dass sich gesellschaftliche Kommunikation und kulturelle Sinngebung mit ihren medialen Umwelten verschränken. Aus der „Mediatisierung“ oder „Technisierung“ der Gesellschaft durch informationstechnische Kommunikationsmedien, in denen sich sinnhafte und technische Kommunikation zusehends miteinander vermischen, folgt zugleich eine zunehmende Vernetzung von technischen mit körperlichen und geistigen Prozessen. Das Recht reagiert darauf offenbar generell mit einer Ausweitung des eigenen Personenkonzeptes und damit korrespondierender Begrifflichkeiten, wie insbesondere die Beispiele der personal erweiterten Konzeptionen des „Körpers“ oder des „informationstechnischen Systems“ zeigen: Über die „Haut“-Grenze hinaus werden lebendige Körper als biotechnologisch externalisierte, funktionale Verbindungen von Körperteilen, ‑substanzen und ‑informationen zur „Basis der Persönlichkeit“ erklärt, ganz genauso wie informationstechnische Systeme als artifizielle, informationstechnologisch externalisierte Körperteile einen eigenständigen, persönlichkeitsrechtlich begründeten (System‑)Schutz erhalten. Die neuesten Entwicklungen des Rechts der sozialen Informationstechnologien sind insoweit als Teilaspekt einer allgemeinen technologischen Externalisierung des Menschen zu deuten, die mit entsprechenden normativen Erweiterungen des rechtlichen Personenkonzeptes beantwortet werden. Indem informationstechnische Systeme zu funktionalen Bestandteilen der menschlichen Persönlichkeit erklärt werden, ist wiederum das bereits in Anbetracht der anderen Expansionstechnologien erwähnte bio- und soziofunktionale Konzept des   Siehe oben, Fn.  69, in diesem Abschnitt.   Siehe bereits oben, Fn.  192, in diesem Abschnitt.

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fragmentierten Körpers aufgerufen. Auch informationstechnische Systeme können demnach zu den bioartifiziellen Teilen des menschlichen Körpers zählen, zwar nicht unmittelbar, im Sinne einer lebendigen Substanz, aber doch in ihrer Funktion. Diese Funktion ist keinesfalls bloß technischer Art, sondern durchaus sozial, und sie erlaubt es sogar – soweit man die zunehmende Technisierung des Menschen berücksichtigt – artifizielle Entitäten als Teile des lebendigen Körpers anzusehen: Ebenso wie Körperteile und ‑substanzen, Gene und Neuroscans können damit auch informationstechnische Entitäten zu den „Biosoziofakten“ gehören, die in ihrer Funktion als Körperteile sowohl lebendig-natürlich als auch sozial konstruiert und technisch-artifiziell zu sein scheinen. Ihre Bedeutung schöpfen sie aus dem Zusammenwirken biologischer, sozialer und technischer Prozesse; dabei wirken sie ihrerseits auf Lebensvorgänge, gesellschaftliche Wirklichkeiten und technische Realisierungen zurück. Die in diesem Sinn als „sozial“ gekennzeichneten, dem menschlichen Körper und mithin der Persönlichkeit zugeordneten Informationstechnologien sind folglich nicht mehr als rein technische Artefakte zu verstehen, sondern mit den anderen genannten Erweiterungen des menschlichen Körpers als neuartige soziale Entitäten der Bio-, Neuro- und Informationstechnologie vergleichbar. Sie basieren gleichermaßen auf einem informationstheoretischen Lebensbegriff, der Lebendiges sozial kommunizierbar und technisch verfügbar macht. Gemeinsam bilden sie den Gegenstand eines technologieübergreifenden Rechtsgebiets, das sowohl bio- als auch informationstechnologische Fragen behandelt und daher „Bioinformationsrecht“ genannt werden darf. Als Recht der ausgelagerten Teile des menschlichen Körpers und Geistes hat es sich mit informationstechnischen Systemen ebenso zu befassen wie mit allen anderen Expansionstechnologien, die Menschen um neurowissenschaftliche Daten, genetische Information oder menschliche Körperteile und ‑substanzen erweitern. Das gemeinsame Problem der technologischen Externalisierung des Menschen – und dementsprechend seiner Personalität – besteht darin, dass die vormals als „natürlich“ bestimmte Person ihr Proprium verloren zu haben scheint. Selbst der auf den ersten Blick als stabile „Basis der Persönlichkeit“ erscheinende Körper erlaubt keine substanziellen, etwa an den Demarkationen von Haut und Schädeldecke orientierten Grenzziehungen mehr. Er dürfte aber noch immer als der entscheidende Bezugspunkt gelten, anhand dessen sich Inhalt und Reichweite des Persönlichkeitsrechts bestimmen lassen. Deshalb kommt es zuallererst darauf an, ein Körperkonzept zu erarbeiten, das den beschriebenen Herausforderungen der Bio- und Informationstechnologien Rechnung trägt. So hat sich beispielsweise im „Sperma-Fall“ gezeigt, dass eine überzeugende Lösung einen entsprechenden Körperbegriff benötigt, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht anderenfalls zu einem unpräzisen Auffangtatbestand missrät. Auch die Lösung im Fall „Moore“ bedarf eines Körperkonzeptes, um einerseits eine ungebremste Sozialisierung der genetischen Informa-

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tion in den Kategorien des Eigentums und des Gemeingebrauchs zu verhindern, andererseits aber auch eine übersteigerte Personalisierung unter dem Deckmantel der Selbstbestimmung über das nachgerade als Seelenersatz gedeutete Genom zu vermeiden. Im Fall „Fini“ muss ein solches Körperkonzept mit Blick auf die neurowissenschaftliche Sichtbarmachung des „Inneren“ sogar noch mehr leisten: Neben dem geschützten Bereich eines prinzipiell technologisch erweiterbaren Körpers gilt es nämlich noch einen abgegrenzten Bereich des psychischen Erlebens zu erhalten, der dem technischen Zugriff entzogen bleibt. Ein solcher Bereich kann sich prinzipiell auch auf kognitive und informationstechnische Erweiterungen erstrecken. Darin liegt die grundsätzliche Berech­ tigung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur „Online-Durchsuchung“. Nach alledem wird ein Körperkonzept benötigt, das den beteiligten Expansionstechnologien Rechnung trägt, indem es körperlich-lebendige, genetischinformationale, neuronal-bildhafte und informationstechnisch-artifizielle Erweiterungen berücksichtigt. Nach dem Verlust der organischen Einheit des Körpers und dessen Fragmentierung in bioartifizielle Bestandteile sind allerdings unterschiedliche Grade der Körperzugehörigkeit auszumachen, je nachdem, ob dem Körper eine Substanz oder eine Information zugeordnet werden soll und wie diese Zuordnung letztlich gerechtfertigt wird. Fehlt es an einer ausreichenden Körperlichkeit, wie es schon im Falle des Spermas zu vermuten ist, jedenfalls aber bei genetischer Information und Neuroscans angenommen werden darf, so kann deren Körperzugehörigkeit dennoch auf einer informationalen Ebene, mit funktionalen Gesichtspunkten begründet werden. Körperliche Zugehörigkeiten stützen sich zwar immer häufiger auf solche funktionalen Aspekte, wobei noch weitere Differenzierungen nach körperlichen, sozialen oder technischen Funktionalisierungen möglich sind. Daneben gibt es aber weiterhin noch die Möglichkeit der lebensgeschichtlich-narrativen Zuordnung, die auf den gesellschaftlichen Kontext rekurriert. Und schließlich gibt es noch die Zugehörigkeit und Nähe aufgrund phänomenaler Selbsterfahrung und ‑beschreibung.210 In der Empfindung des Körpers als eigenen Leib liegt zugleich ein Zugang zur mentalen Binnenperspektive, die als „innere“ psychische Sphäre unverfügbar bleibt. Diese Zuordnung zum Bereich des Geistigen markiert den Kern des Persönlichkeitsrechts, an dem sich eine Neubestimmung der Personalität in technisierter Gesellschaft orientieren muss. Hier – im Schnittpunkt von physischer und psychischer Integrität – hat die Selbstachtung des Menschen, rechtlich formuliert als Würde, ihren Ort. Sie ist nicht zu verwechseln mit den weiteren persönlichkeitsrechtlichen Ausprägungen, die Menschen in unterschiedli  Siehe oben, Fn.  128, in diesem Abschnitt.

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chen sozialen Kontexten zugeschrieben werden, wie zum Beispiel Ruf, Ehre oder soziales Ansehen. Gleichfalls unterscheidet sie sich von den erweiterten kognitiven Bereichen der jüngeren Neurotechnologien. Neuroenhancements und andere Inkorporationen technischer Artefakte deuten zwar auf einige neue Möglichkeiten hin, dass der menschliche Geist ebenso wie der Körper außerhalb der „Haut-Grenzen“ operieren kann. Dennoch bedarf auch ein solcherart externalisierter Geist eines besonderen Schutzes im „Inneren“. Dieser bemisst sich nicht nach räumlichen, sondern vielmehr nach den genannten phänomenologischen Gesichtspunkten. Selbsterfahrungen und ‑beschreibungen könnten nicht zuletzt auch dazu beitragen, die rechtlich bedeutsame, jedoch durch die neuen Technologien in Zweifel geratene Trennung von geistiger und körperlicher Sphäre aufrecht zu erhalten. Sowohl körperliche als auch geistige Zugehörigkeiten entscheiden schließlich darüber, inwieweit ausgelagerte Körperteile, genetische und neuronale Information sowie neuro- und informationstechnische Systeme als externe Ressourcen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelangen können. Damit bilden sich in der technisierten Gesellschaft neue personale Identitäten heraus, die sich wenigstens zum Teil aus artifiziellen Komponenten zusammensetzen. Zugleich erzeugen sie die Vorstellung von körpergleichen informationstechnischen Systemen, die ihrerseits auf die Körperbilder der Lebenswelt zurückwirken. Zu diesen Körperbildern zählen die geschilderten technologischen Externalisierungen des Menschen, dessen Teile, Substanzen, Daten und Bilder einerseits als „Basis der Persönlichkeit“ gedeutet werden, andererseits als prinzipiell verfügbar gelten können. Aus diesem Grund ist eine weitere Differenzierung von entscheidender Bedeutung: Gegenüber dem Persönlichkeitsrecht, das jedenfalls in seiner ideellen Lesart bestimmt, was als unverfügbarer, mithin nicht-sozialisierbarer und nicht-kommerzialisierbarer Teil der personalen Identität anzuerkennen sei, ist das Eigentum abzugrenzen. Dieses scheint zwar auf den ersten Blick ganz ähnlich wie die Persönlichkeit das zu sein, „was mir eigen ist“, also dasjenige, „was mir allein zugehört“.211 Darüber hinaus weist es in seiner wieder in Mode gekommenen Verwendung im Begriff des „Geistigen Eigentums“212 einen nicht zu verkennenden Bezug zur Persönlichkeit des Berechtigten auf. Jedoch zeichnet es sich im Unterschied zum Persönlichkeitsrecht gerade dadurch aus, dass es  Vgl. Josef Kohler, Die Idee des geistigen Eigenthums, AcP 82 (1894), 141 ff.   Siehe etwa Volker Jänich, Geistiges Eigentum – eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?, Tübingen 2002, 353 ff.; Ansgar Ohly, Geistiges Eigentum?, JZ 2003, 545 ff.; Horst-Peter Götting, Der Begriff des Geistigen Eigentums, GRUR 2006, 353 ff.; zur berechtigten Kritik bereits Kohler, a.a.O.; siehe ferner Manfred Rehbinder, Urheberrecht, 16.  Auflage, München 2010, 45 f. (Rn.  97); Malte-Christian Gruber, Anfechtungen des Plagiats: Herausforderung des Rechts am „Geistigen Eigentum“, in: Jochen Bung/Malte-Christian Gruber/Sebastian Kühn (Hg.), Plagiate. Fälschungen, Imitate und andere Strategien aus zweiter Hand, Berlin 2011, 87 ff. (96 ff.). 211

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sich nur auf solche externen Sachen oder Güter bezieht, die nicht Teil der Person sind. Sie dienen der Person nur zum Gebrauch und könnten ihr grundsätzlich auch fremd werden. Eigentum ist von der berechtigten Person in der Regel körperlich abgrenzbar und – vergleichbar dem äußeren, bloß-rechtlichen, intelligiblen Besitz im Sinne Kants213 – nur erworben, nicht angeboren, folglich prinzipiell ersetzbar, nutzbar, verwertbar, kurzum: verfügbar. Im Gegensatz dazu gehört zur Persönlichkeit dasjenige, was ihr – im eigentlichen Sinn – eigen ist und niemals fremd sein kann. Sein Verlust bedeutet nicht nur ersetzbaren Schaden, sondern auch Verletzung der physischen oder psychischen Integrität. Das somit vom Eigentum zu trennende Persönlichkeitsrecht ist deswegen allerdings noch nicht klar definiert oder fest bestimmt. Es ist seinem Inhalt nach weiterhin abhängig von den erwähnten Kriterien der Körper- und Geisteszugehörigkeit, die sich substanziell, funktional, narrativ und phänomenologisch herleiten. Phänomenale Perspektiven, soziale und lebensgeschichtliche Zusammenhänge und vor allem funktionale Zuweisungen sind jedoch ihrerseits an die gesellschaftlichen Rationalitäten ihrer jeweiligen Umgebung geknüpft. Diese Rationalitäten stellen den unterschiedlichen Sozialsystemen entsprechend eigene Normativitäten dar, mit je unterschiedlichen Konzeptionen von Personalität und Körperlichkeit, die im Rechtsdiskurs insbesondere auf dem Gebiet des allgemeinen Persönlichkeitsrechts miteinander kollidieren können. Allen diesen Eigennormativitäten der gesellschaftlichen, kommunikativ eigensinnigen Teilbereiche mit ihren je eigenen Begrifflichkeiten und Konzepten, die jeweils materiell vorgezeichnet sind, hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit seinen unterschiedlichen Wirkungsfeldern – Körpern, Genen, Neuroscans oder auch informationstechnischen Systemen – Rechnung zu tragen. Es kann deshalb nicht im Zustand eines generalklauselartigen Auffanggrundrechts für neuartige, zumeist technologieinduzierte Probleme verharren, sondern muss zu einer differenzierten, den einzelnen Feldern adäquaten Konzeption finden. Das bedeutet, dass das Persönlichkeitsrecht außer den mentalen Selbstbestimmungsprozessen auch den unterschiedlichen Eigengesetzlichkeiten von lebendigen Körpervorgängen, aber auch von gen-, neuro- und informationstechnischen Prozessen gerecht werden muss.

213   Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1968/1993, AB 61 ff. (357 ff.); erläuternd hierzu Peter Baumann, Zwei Seiten der Kantschen Begründung von Eigentum und Staat, Kant-Studien 85 (1994), 147 ff. (148); Kristian Kühl, Eigentumsordnung als Freiheitsordnung. Zur Aktualität der Kantischen Rechts- und Eigentumslehre, München/Freiburg 1984, 133; Michael Schefczyk, Rechte an Immaterialgütern – eine kantische Perspektive, Deutsche Zeitschrift für Philosophie 5 (2004), 739 ff. (740 f.); Franco Zotta, Immanuel Kant. Legitimität und Recht. Eine Kritik seiner Eigentumslehre, Staatslehre und seiner Geschichtsphilosophie, München/Freiburg 2000, 41 ff.

Dritter Titel

Personale Entfaltungen I.  Ethisierung der Technik Die Aufgabe des Persönlichkeitsrechts und allgemein des Bioinformationsrechts besteht zusammengefasst darin, sich auf die gewandelten gesellschaftlichen Anforderungen einzustellen, die aus den spezifischen Kommunikationsbedingungen der sozialen Bio- und Informationstechnologien erwachsen. Auf die Beobachtungen der Bio- und Informationstechnologien, auf deren Bilder und Begriffe vom Menschen, aber auch auf deren Selbstbeschreibungen kann sich das Recht dabei allerdings nicht stützen, noch weniger auf deren Werturteile und Regeln. Die steigende Zahl und der wachsende Einfluss der entsprechenden Bereichsethiken, ob sie Bioethik, Medizinethik, Neuroethik oder etwa auch Informationsethik heißen, vermag die Kluft zwischen Recht und Technologien nur scheinbar zu überbrücken. Denn deren Vertreter, die zunehmend aus dem Bereich der Technik- und Ingenieursdisziplinen selbst rekrutiert werden, haben sich inzwischen zu einem eigenständigen, weltumspannenden Netzwerk formiert, das vorrangig auf eine öffentliche Vermittlung ethischer und rechtlicher Problematiken in den Bereichen der Bio- und Informationstechnologien abzielt. Die in dieser Weise professionalisierte Bioethik ist weit mehr als etwa der rechtswissenschaftliche Diskurs am agenda-setting in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik beteiligt. Sie bestimmt wesentlich mit, welche ethischen Fragen in welchem Rahmen überhaupt zur Debatte stehen und wie die möglichen Antworten aussehen – und sie beeinflusst sogar das Recht selbst, indem sie ihm die entscheidenden Konzepte zur Lösung streitiger Rechtsfälle in ihrem Anwendungsfeld vorgibt.214 Dass der juristische Einfluss auf Entscheidungen über technische Innovationen, zukünftige Risiken und ethische Werte allmählich schwindet und sich die Entscheidungskompetenz vielmehr in andere gesellschaftliche Normierungsbereiche verschiebt, hat sichtbare Konsequenzen und zeigt sich schon daran, dass ethische Debatten weitgehend unabhängig vom institutionalisierten Rechtsdiskurs verlaufen. Selbst die daran beteiligten Juristen diskutieren nach ihrem eigenen Verständnis in der Regel nur „rechtsethisch“, „rechtspolitisch“, jedenfalls   Ausführlich zum Ganzen John H. Evans, The History and Future of Bioethics: A Sociological View, Oxford 2011, xii ff. 214

Dritter Titel. Personale Entfaltungen

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nicht „rechtswissenschaftlich“ im engen Sinn. Richtungsweisende Entscheidungen werden in diesen Bereichen dann häufig auch zunächst von Ethikräten und ‑kommissionen 215 vorgefertigt und erst im Anschluss daran von staatlichen Gesetzgebern und Gerichten getroffen. Insgesamt kann daher – sozusagen als Kehrseite der gesellschaftlichen, kulturellen, geistigen, körperlichen und sogar natürlichen Technisierung – auch eine gewisse „Ethisierung von Wissenschaft und Technik“ konstatiert werden.216 Gewiss spiegelt sich bereits darin der globale Wandel wider, in dessen Folge wesentliche Rechtsprobleme der gegenwärtigen Zukunft längst nicht mehr alleine von institutionalisierten Politik- und Justizprozessen gelöst, sondern nur noch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zu bewältigen, und das heißt: als Verfassungsprobleme eines „Konstitutionalismus jenseits des Nationalstaats“ reformulierbar sind.217 Doch zuallererst stellt sich dann die Frage, unter welchem Regime die neuen Konstitutionalismen der Bio- und Informationstechnologien eigentlich stehen: Wissenschaft, Wirtschaft, Recht, Politik, oder spezieller: Politik der Menschenrechte? Diese Fragestellung darf gewiss nicht vorschnell zu einer einseitigen Positionsbestimmung zwischen vermeintlich gegensätzlichen, einander ausschließenden Alternativen verleiten. Denn es ist nicht bloß ein einziges soziales Teilsystem am bio- und informationstechnologischen Produktionsregime218 beteiligt: Insbesondere gibt nicht mehr die „reine“ Wissenschaft, deren symbolisches Kapital alleine in der öffentlichen Anerkennung des Wahrheitssuchers bestünde. Spätestens mit dem Eindringen des Risikokapitals sind Forscher zu Unternehmern geworden, die zumindest auch nach den Bedingungen wirtschaftlicher Rationalität zu handeln und zu entscheiden haben.219 215  Aufschlussreich diesbezüglich Jochen Taupitz, Ethikkommissionen in der Politik: Bleibt die Ethik auf der Strecke?, JZ 2003, 815 ff. 216   Siehe hierzu Alexander Bogner, Die Ethisierung von Technikkonflikten. Studien zum Geltungswandel des Dissenses, Weilerswist 2011, 47 ff., welcher allerdings eine „Dominanz der Jurisprudenz“ (a.a.O., 97 ff.) sieht. Diese Dominanz scheint jedoch allenfalls in personeller, nicht jedoch in sachlicher Hinsicht zu bestehen, denn die den Technikdiskurs scheinbar dominierende Jurisprudenz erscheint hier ihrerseits als „ethisiert“. Dies wird in der Rede von einem „Ethik-Boom“ nur bestätigt; dazu ders. (Hg.), Ethisierung der Technik – Technisierung der Ethik. Der Ethik-Boom im Lichte der Wissenschafts- und Technikforschung, Baden-Baden 2013. Zu den ethischen Einwirkungen auf das Recht – aus rechtlicher Perspektive – siehe Tade Matthias Spranger, Recht und Bioethik. Verweisungszusammenhänge bei der Normierung der Lebenswissenschaften, Tübingen 2010, 43 ff. 217  Vgl. Teubner, Verfassungsfragmente, 2012; Andreas Fischer-Lescano/Gunther Teubner, Regime-Kollisionen. Zur Fragmentierung des globalen Rechts, Frankfurt a.M. 2006. 218   Passend hierzu bestimmt Gunther Teubner Produktionsregimes als „[…] etwas gänzlich Unsystemisches, strukturelle Kopplungen von autonomen Sozialsystemen, die aber nicht selbst zu autonomen Systemen mit eigenen Elementen, Strukturen, Grenzen werden“. Siehe ders., Eigensinnige Produktionsregimes: Zur Ko-evolution von Wirtschaft und Recht in den varieties of capitalism, in: Soziale Systeme 5 (1999), 7 ff. (10). 219   Vgl. hierzu vor allem Rabinow, Fragmentierung und Würde in der Spätmoderne, in:

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Doch es sind noch weitere Rationalitäten im Spiel: Im Bereich der Informationstechnologien formieren sich ständig neue, insbesondere materielle Artefakte; in den Biotechnologien sind einige neue Entitäten sogar lebendig. Auch diese „Biofakte“ werden als biologische, technische und zugleich soziale Erzeugnisse zunächst sichtbar gemacht, dann verfügbar, danach manipulierbar und schließlich kommerziell verwertbar. Dagegen formieren sich Widerstände und Gegenforderungen, etwa nach einem gegenüber dieser Form von Biomacht und biopolitischer Subjektivierung220 verbesserten Menschenrechtsschutz. Doch selbst Widerstände können die in diesem Zusammenhängen neu entstehenden Sozialund Rechtsbeziehungen unter Umständen noch weiter stützen: Wenn zum Beispiel Persönlichkeitsrechte an abgetrennten Körperteilen, Körpersubstanzen oder sogar an genetischer Information geltend gemacht werden, um deren kommerzielle Verwertung zu verhindern, dann liegt darin zunächst eine implizite Bestätigung der von den Biotechnologien erzeugten (bio‑)soziotechnischen Artefakte.221 Wenn dann auch noch das heute kaum mehr hinterfragte, zudem inhaltlich verdünnte222 Prinzip des informed consent223 zum zentralen ethisch-rechtlichen Kriterium erhoben wird, liegt darin schon eine prinzipielle Anerkennung einer prinzipiellen Verfügbarkeit von Körpern und Körperdaten: 224 Ich selbst Anthropologie der Vernunft, 2004, 153 ff.; siehe auch Nikolas Rose, The Politics of Life Itself: Biomedicine, Power, and Subjectivity in the Twenty-First Century, Princeton 2007, 36, der in diesem „bioökonomischen“ Zusammenhang von einem „biomedical biotechnological complex“ aus Unternehmen, Verfahren, technischen Ausstattungen und Gegenständen spricht und insofern vor allem die soziomateriellen Aspekte der Biotechnologien in den Blick bekommt. 220   Die buchstäbliche Unterwerfung des modernen Menschen als Subjekt von Biomacht und Biopolitik, die ihn zum „Tier, in dessen Politik sein Leben als Lebewesen auf dem Spiel steht“, macht, hat vor allem Michel Foucault mit Beginn des agrarwirtschaftlichen Fortschritts im 18. Jahrhundert offengelegt: „In dem von ihnen gewonnenen und forthin organisierten und ausgeweiteten Spielraum nehmen Macht- und Wissensverfahren die Prozesse des Lebens in ihre Hand, um sie zu kontrollieren und zu modifizieren. Der abendländische Mensch lernt allmählich, was es ist, eine lebende Spezies in einer lebenden Welt zu sein, einen Körper zu haben sowie Existenzbedingungen, Lebenserwartungen, eine individuelle und kollektive Gesundheit, die man modifizieren, und einen Raum, in dem man sie optimal verteilen kann. Zum ersten Mal in der Geschichte reflektiert sich das Biologische im Politischen.“ (ders., Der Wille zum Wissen, Sexualität und Wahrheit I, Frankfurt a.M. 1983, 137 f.). 221  Dazu Rabinow, Probleme der Anthropologie, in: Anthropologie der Vernunft. Studien zu Wissenschaft und Lebensführung, 2004, 33 ff. (43 f.). 222   Siehe hierzu Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 96 ff., mit Hinweis auf John H. Evans, Playing God? Human Genetic Engineering and the Rationalization of Public Bioethical Debate, Chicago 2002, 11 ff. et passim. 223   Die wesentlichen Ursprünge des Konzepts der informierten Einwilligung sind freilich wiederum im bioethischen, insbesondere medizinethischen Diskurs zu lokalisieren. Siehe dazu etwa Ruth R. Faden/Tom L. Beauchamp, A History and Theory of Informed Consent, New York 1986, 86 ff. 224   Kritisch zur bioethischen, mithin biopolitischen Fixierung auf eine vermeintlich freie, vollständig informierbare, willentliche Selbstbestimmung etwa auch Peter Wehling, Selbstbestimmung oder sozialer Optimierungsdruck? Perspektiven einer kritischen Soziologie der

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bin dann nicht mehr ein Leib, sondern ich habe einen Körper,225 mit dem man – meine informierte Einwilligung vorausgesetzt – im Prinzip wie mit einem isolierten Eigentumsgegenstand verfahren kann. Wohlgemerkt: immer nur „im Prinzip“! Es ist eben dieser „Prinziplismus“226 , der es der Bioethik ermöglicht, mehr noch als etwa nationale Rechtsordnungen ein allgemeines Artikulations-, Argumentations- und Abwägungsmodell für (prinzipiell) jedwede Art von ethischen Fragen anzubieten und schließlich sogar mit dem Anspruch aufzutreten, für geradezu jedes neue moralische Di­ lemma einen Weg zu einer universell richtigen Position weisen zu können. Der bioethische Diskurs ist dabei durchaus zu einem effizienten Übersetzungsinstrument geworden, das die Vielfalt der gesellschaftlich, kulturell und nationalstaatlich-territorial varianten Wertbestimmungen in eine gemeinsame moralische Sprache transformiert. Es ist ihre universelle Anwendbarkeit, die aus der professionalisierten Bioethik ein politisches Mittel gemacht hat, um widerstreitende Werte verhandeln, aushandeln, unter Umständen sogar umwerten zu können. Ihre Stärke liegt in der besonderen Nützlichkeit des Prinzipiendenkens, das einheitliche normative Standards bereitstellt, um zulässige von unzulässigen Werturteilen zu trennen, um zugelassene Werte miteinander vergleichbar, abwägbar zu machen und gewissermaßen in ihrer allgemeinen „Währung“ zu verrechnen – und nicht zuletzt auch, um Debatten und Auseinandersetzungen dem eigenen Anspruch nach „rational“, „affektfrei“, „sachlich“, mit scheinbar „neutralen“ Prozeduren zu führen. Kraft dieser besonderen Eigenschaften ist die Bioethik mithin zu einem mächtigen Governance-Instrument der Lebenswissenschaften geworden.227 Deren Autorität kann sich heute nicht mehr alleine auf wissenschaftliche Wahrheitsansprüche stützen, sondern bedarf zugleich einer normativen Rechtfertigung, namentlich der Legitimierung vor einer von wissenschaftlichen Innovationen unmittelbar betroffenen Öffentlichkeit. Darin liegt die wesentliche Funktion der Bioethik als „Kernelement der institutionellen Biopolitik“228 . Gerade Biopolitik, Leviathan 36 (2008), 249 ff.; vgl. ferner Petra Gehring, Was ist Biomacht? Vom zweifelhaften Mehrwert des Lebens, Frankfurt a.M. 2006; Thomas Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, Wiesbaden 2007; ders., Biopolitik zur Einführung, Hamburg 2007; für eine auf diese Kritik durchaus differenziert antwortende Gegenansicht siehe etwa Wolfgang van den Daele, Einleitung: Soziologische Aufklärung zur Biopolitik, in: ders. (Hg.), Biopolitik, Leviathan, Sonderheft 23, Wiesbaden 2005, 97 ff.; ders., Biopolitik, Biomacht und soziologische Analyse, Leviathan 37 (2009), 52 ff. 225   Vgl. oben, Fn.  122, in diesem Abschnitt. 226   Als Gründungstext dieses im englischsprachigen Raum so genannten „principlism“ gilt Tom L. Beauchamp/James F. Childress, Principles of Biomedical Ethics, 6.  Auflage, Oxford 2009. 227   Vgl. hierzu Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 96 ff.; siehe ebenfalls Bogner, Die Ethisierung von Technikkonflikten, 2011, insbesondere 35 ff.; sowie ders. (Hg.), Ethisierung der Technik – Technisierung der Ethik, 2013. 228  Vgl. W. van den Daele, Leviathan 37 (2009), 52 ff. (53/Anm.  1).

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aufgrund ihrer Professionalisierung ist sie heute dazu in der Lage, auf die divergierenden Anforderungen der an den wissenschaftlichen Innovationen beteiligten gesellschaftlichen Sektoren einzugehen. Es sind aber eben auch nur gesellschaftliche Teilrationalitäten, zuallererst die der Wirtschaft und der Politik, gegenüber denen die Bioethik ihre Übersetzungs- und Vermittlungsleistungen erbringt. Den individuellen Schicksalen der von den Lebenswissenschaften materiell betroffenen Menschen, ihren Erfahrungen und Empfindungen als Wesen aus Fleisch und Blut, vermag sie dabei kaum gerecht zu werden. Mit ihrem Anspruch auf universell richtige, verallgemeinerbare Entscheidungen verschiebt sie das weite Feld des subjektiven Erlebens und der emotionalen Beteiligung einzelner in den Bereich einer diffusen „Biomoralität“.229 Dort mögen Werte und Zwecke noch verhandelbar sein, allerdings ohne jede Aussicht auf gemeinsame Lösungen, von einem einheitsstiftenden Konsens ganz zu schweigen. Aus der Erkenntnis, dass gemeinsame Werte angesichts tief liegender Widersprüche der modernen Gesellschaft, der Kollision ihrer zahlreichen Sektoren, mithin der Fragmentierung eines globalen Wertepluralismus kaum zu finden sein werden, verzichtet die Bioethik weitgehend auf eine Diskussion von Zwecken, Inhalten, Werten und verlegt sich auf ihre stabilisierenden Standards: Mittel, Verfahren, Prozeduren. Doch der Preis ihrer vermeintlich „neutralen“, „sachlichen“, „affektfreien“, in einem eng verstandenen Sinn „rationalen“ Prinzipienethik ist die erwähnte Ausdünnung ihrer Inhalte. Sie bietet keine orientierenden inhaltlichen Zielbestimmungen, keine anderweitigen Maßstäbe oder alternativen Bewertungsmöglichkeiten der lebenswissenschaftlichen Wissensproduktion, ebenso wenig einen besonderen Beobachterstandpunkt, um deren Ziele und Entwicklungen einer grundsätzlichen Kritik zu unterziehen.230 Verkürzt ausgedrückt vermag die Bioethik im Wesentlichen nur das „Wie“ der biowissenschaftlichen Innovationsprozesse zu beeinflussen, nicht jedoch das „Ob“. Darüber entscheiden vorrangig nur die unmittelbar beteiligten Biowissenschaftler, und zwar nach wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Maßgaben.

II.  Humanisierung durch Recht Mit Blick auf die spezifisch normative Aufgabe der Ethik und vor allem auch des Rechts, Technologien zu humanisieren, 231 scheint danach nur noch dasjenige (normativ) regelbar zu sein, was ohnehin bereits (faktisch) geregelt ist. Verfan Siehe Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 98.   Vgl. hierzu etwa Gehring, Was ist Biomacht?, 2006, 110 ff. 231   Siehe nochmals Alain Supiot (oben, Prolog, Fn.  10). 229

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gen in dieser paradoxen Lage lautet die Frage zugespitzt: „Was kann Humani­ sierung bedeuten, wenn das Humane selbst durch die Wissenschaft verändert wird?“232 Dass ethische Aspekte der naturwissenschaftlichen Forschung regelmäßig nachgeordnet bleiben, 233 dass die Lebenswissenschaften vielmehr das „soziale Design der Gesellschaft“ in das „synthetische Design des Lebens“ von vornherein integrieren, 234 ist eine der Konsequenzen des bereits von Niklas Luhmann für die Weltgesellschaft angekündigten Führungswechsels von normativen Erwartungstypen hin zu kognitiven Erwartungstypen.235 Demnach sind es nicht mehr Normen in Gestalt von Werten, Vorschriften oder Zwecken, welche die „Vorauswahl“ der Erkenntnisgegenstände regeln, sondern umgekehrt müssen sich alle gesellschaftlichen Teile und mit ihnen gerade auch die Bioethik den nunmehr vorherrschenden Bedingungen der lernenden Anpassung fügen.236 Unter diesen „biosozialen“237 Bedingungen kann das Recht seine neue Aufgabe zum einen darin finden, die strukturell geforderte Lernfähigkeit aller gesellschaftlichen Teilsysteme normativ abzustützen, 238 zum anderen aber auch in den ebenfalls von der Bioethik vernachlässigten „biomoralischen“ Herausforderung, den individuellen Schicksalen und konkreten Erfahrungen einzelner   So eine treffende Formulierung von Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 86.   Besonders aufschlussreich mit Bezug auf das konkrete Beispiel eines gescheiterten Projektes zur begleitenden Analyse der ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Aspekte biowissenschaftlicher Forschung Paul Rabinow/Gaymon Bennett, Auf dem Weg zum synthetischen Anthropos: Re-Mediatisierende Konzepte, in: Martin G. Weiß (Hg.), Bios und Zoë. Die menschliche Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a.M. 2009, 330 ff. 234   Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 99. 235  Siehe Niklas Luhmann, Die Weltgesellschaft, ARSP 57 (1971), 1 ff.; dazu mit Blick auf die Konsequenzen für das fragmentierte globale Recht der Gegenwart Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen, 2006, 7 ff. 236   Diese Diagnose wird schließlich auch durch die Feststellung bestätigt, dass „[d]ie modernen Biowissenschaften […] sich jenseits der Biopolitik [befinden], weil über sie Politik neu fundiert wird“; so Ahrens, Frühembryonale Menschen?, 2008, 93. 237   Zur spezifischen Bedeutung von „Biosozialität“ als einer den komplexen Problemen heutiger Biotechnologien angepassten Reformulierung der Foucault’schen These der Biopolitik, aber auch als Problematisierung der Grenzen zwischen Natur und Kultur in einem allgemeineren Sinn, siehe Paul Rabinow, Französische Aufklärung. Wahrheit und Leben, in: Anthropologie der Vernunft. Studien zu Wissenschaft und Lebensführung, hg.  v. Carlo Caduff/ Tobias Rees, Frankfurt a.M. 2004, 85 ff.; sowie ders., Artifizialität und Aufklärung. Von der Soziobiologie zur Biosozialität, a.a.O. (139): „In der Zukunft wird die neue Genetik jedoch keine biologische Metapher der modernen Gesellschaft mehr sein, sondern sich stattdessen in ein Zirkulations-Netzwerk von Identitätsbegriffen und Restriktionsstellen verwandeln, durch das eine neue Gestalt von Autopoiesis entstehen wird, die ich ‚Biosozialität‘ nenne. Handelte es sich bei der Soziobiologie um eine Form von Kultur, die auf der Grundlage einer biologischen Metapher konstruiert ist, dann wird die Natur in der Biosozialität auf der Grundlage von Kultur modelliert werden, wobei ich Kultur als Praxis verstehe. Natur wird mit Hilfe von Technik erkannt und neu hergestellt werden. Und sie wird schließlich artifiziell werden, genauso wie Kultur natürlich werden wird.“ 238   Luhmann, ARSP 57 (1971), 1 ff. (26). 232 233

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Menschen in der Begegnung mit den Lebenswissenschaften gerecht zu werden. Die Humanisierung von Technologien bleibt insoweit seine Aufgabe, doch die Methoden zur Erreichung dieses Ziels müssen den Bedingungen der pluralistisch-fragmentierten Gesellschaft eben „lernend angepasst“ werden. In dieser Hinsicht kann es nicht mehr bloß darum gehen, bio- oder informationstechnologische Standards ohne Weiteres in rechtliche Normen zu überführen. Ebenso würde das Recht seine Potentiale ungenutzt lassen, wenn es auch weiterhin die Prinzipien und Prozeduren des Bioethik-Diskurses integrieren würde, ohne diese auf seine eigenen Möglichkeiten der Produktion von Gesellschaftsstrukturen zu reflektieren.239 Stattdessen entfaltet das Recht seine besonderen Stärken, wenn es die innerhalb des bio- und informationstechnologischen Produktionsregimes miteinander kollidierenden gesellschaftlichen Teilrationalitäten immerhin so kompatibilisiert, dass mindestens punktuelle und vorläufige Konfliktlösungen auch dort möglich werden, wo Konflikte als unlösbar erscheinen.240 Darin zeigt sich letztlich das Proprium des Rechts: Es stellt eine spezifische Konfliktlösungsinstanz für diejenigen Fälle dar, welche nicht mehr alleine durch die systeminterne Praxis der Bio- und Informationstechnologien, auch nicht vermittelst deren bioethischen Reflexionsmechanismen, bewältigt werden können. Das Recht stellt dann alternative Foren bereit, die andere, rechtseigene Maßstäbe und sogar eigene Realitätskonstruktionen zu entwickeln imstande sind. In diesem bestimmten Sinn bildet es für die Gesellschaft ein Immunsystem 241, das aus Anlass unlösbarer Konflikte Normen produziert und dabei eine spezifisch rechtliche Binnenperspektive herausbildet, deren Fokus schließlich darauf liegt, Rationalitätenkonflikte zu entscheiden. Es ist gerade diese besondere Entscheidungsorientierung des Rechts, die es dazu in die Lage versetzt, über die allgemeinen ethischen Prinzipienabwägungen hinauszublicken und sein Augenmerk auf singuläre Fallgestaltungen zu richten. Damit vermag es eine eigene, auch Einzelschicksale und ‑erfahrungen wahrnehmende Kasuistik zu entfalten, die sich in erster Linie auf konkrete Falllösungen und individuelle Streitbeilegungen richtet. Das Recht kann insoweit erstens die unlösbaren Rationalitätenkonflikte der modernen, technisierten Gesellschaft so transformie239  Zu diesem rechtlichen proprium insbesondere Gunther Teubner/Peer Zumbansen, Rechtsentfremdungen: Zum gesellschaftlichen Mehrwert des zwölften Kamels, Zeitschrift für Rechtssoziologie 21 (2000), 189 ff. (195): „Die Stunde des Rechts ist in dem Moment gekommen, in dem Konflikte sich mit Hilfe normaler Realitätskonstruktionen als nicht lösbar herausstellen. […] Nicht die Rückbindung rechtlicher Entscheidungen an Sozialnormen macht den Mehrwert der rechtlichen Rekonstruktion aus, sondern ihre Entfremdung von ihnen.“ 240  Vgl. Teubner/Zumbansen, a.a.O. (197 ff.); Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen, 2006, 24. 241   Zum Konzept einer sozialen Immunologie bereits Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 504 ff.; ders., Das Recht der Gesellschaft, 1993, 565 ff.

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ren, dass sie, wenn nicht lösbar, so doch immerhin entscheidbar werden, und zweitens die „biomoralischen“ Konflikte der beteiligten Menschen bei seinen Entscheidungen berücksichtigen. Die soziale Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft in autonome Teilsysteme, deren Eigenrationalitäten sich nicht von vornherein einer territorialen oder sonstigen einheitsstiftenden Ordnung fügen, sondern auf maximale Steigerung und weltweite Expansion richten, weist dem Recht demnach eine neue, spezifische Funktion zu: Seine Aufgabe besteht darin, als ein intersystemisches Kollisionsrecht 242 mit der losen Kopplung der kollidierenden Rationalitäten produktiv umzugehen und die Vernetzungen der gesellschaftlichen Regimes in zweierlei Hinsicht abzustützen, nämlich als externe Vernetzungen des Rechts mit gesellschaftlichen Autonomiebereichen ebenso wie in Form von entsprechenden, rechtsintern rekonstruierten Beziehungsnetzen der gesellschaftlich vernetzten Regimes untereinander.243 Gerade mit Blick auf die Rationalitätenkonflikte der Bio- und Informationstechnologien ergeben sich daraus neue Perspektiven. Vor allem die kollidierenden Handlungslogiken und Normen der involvierten Sektoren Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ließen sich im Rahmen der genannten rechtsexternen und ‑internen Vernetzungen miteinander verknüpfen, koordinieren und abstimmen. Damit würde das Recht zumindest sein erstes Aufgabenziel der Herstellung gesellschaftlicher Autonomiebereiche, insbesondere der wechselseitigen Anerkennung, Beobachtung, Anpassung, womöglich sogar Kooperation der betreffenden Gesellschaftssektoren erreichen. In der dadurch entstehenden Vielheit gesellschaftlicher Beobachtungsstandpunkte mit jeweils eigenen Kommunikations- und Anschlussmöglichkeiten liegt die Aussicht auf eine neue, rechtlich vermittelte Form der dezentralen Kollisionsbewältigung. Eine derartige Strategie verlangt jedoch besondere konstruktive Leistungen, die über die im Recht verbreitete Individualperspektive hinausreichen: Rekonstruktion der Regime-Kommunikationen in eigenen Rechtsbegrifflichkeiten und „Erfindung“ von Verfahren, „die über die Vernetzung vielfältige Betroffenheiten sichtbar und hörbar machen“.244 242   Dazu bereits Gunther Teubner, Recht als autopoietisches System, Frankfurt a.M. 1989, 123 ff. 243   Näher hierzu Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen, 2006, 24, 38 ff., 57 ff. 244  So Fischer-Lescano/Teubner, a.a.O. (64), die dabei ihr Augenmerk auf die Regimevernetzungen in „interinstitutionellen Netzwerken“ richten: „Gesucht sind also in letzter In­ stanz Rechtsformen einer Autonomie von eigenständigen Regimes, die zugleich auf andere Interessen und besonders auf Gemeinwohl reflektieren und die gleichzeitig Vermetzung durch Beteiligungsrechte effektuieren.“ Vgl. hierzu auch den weiteren Hinweis der Autoren auf die damit anzustrebende Rechtsfortbildung in einem von Rudolf Wiethölter formulierten Sinn: „Solche gelingenden Wunder sind längst als ‚prozedurales‘ Recht (auf die Bezeichnung kommt es nicht an) unterwegs: die Einrichtung und Ausübung von inhaltsrechtlich orientierter Verfahrensqualität reguliert eine – von Zukunftszeit und Zukunftswissen noch unberührte, aber mitbestimmbare – Implementation einer erst noch zu verwirklichenden Möglich-

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Mit diesen Leistungen verbindet sich das weitere rechtliche Aufgabenziel einer konstitutionellen Konsolidierung des bio- und informationstechnologischen Regimes. Dessen Regimeverfassung ist auf die Produktion entsprechender Rechtsnormen angewiesen, welche die Grundstrukturen seiner technologischen Sozialordnung rekonstruieren und zugleich normativ fundieren. Aus rechtlicher Sicht ergibt sich daraus eine eigentümliche Verflechtung mit den Eigenrationalitäten, insbesondere Eigennormativitäten der beteiligten Sozialsysteme, die durchaus schon die Rede von einer „Technisierung“ des Rechts nahelegt. Das Regime der Bio- und Informationstechnologien beschränkt sich allerdings nicht nur darauf, technikspezifische Normen geradezu im Gleichlauf mit der technischen Entwicklung herauszubilden. Seine Selbstnormierungskräfte reichen noch wesentlich weiter. Angetrieben durch seine eigene Bereichsethik vermag es auch nicht-technische, substantielle Normen für seine eigene gesellschaftliche Domäne zu produzieren. Darüber hinaus bietet insbesondere die professionalisierte Bioethik die notwendigen formellen Voraussetzungen, um die eigene Normenproduktion reflexiv zu normieren, indem sie selbst die Mittel, Verfahren und Prozeduren ihrer Normierungstätigkeit bestimmt. Das alles würde freilich noch immer nicht genügen, um von einer Eigenverfassung des bio- und informationstechnologischen Regimes zu sprechen, wenn dabei nicht das Recht – als Recht der Bio- und Informationstechnologien, vor allem aber als Bioinformationsrecht – ins Spiel käme: Erst die intersystemische Kopplung seiner reflexiven Normierungsmechanismen mit den reflexiven Mechanismen des Rechts kann das bio- und informationstechnologische Regime zu einem „autokonstitutionellen Regime“ machen – einem Regime, dessen eigene Verfassung an der Schnittstelle der daran beteiligten Sozialprozesse und des Rechts über „Normierungen der Normierungen“ in Kraft tritt.245 Unter diesen Voraussetzungen können, vereinfacht gesagt, die Wissenschaften im Bereich der Bio- und Informationstechnologien über ihre Selbstnormierung hinaus eine Eigenverfassung entwickeln, indem sie zunächst mit den Mitteln einer an Prinzipien und Prozeduren orientierten Bereichsethik vor allem keits-Bestimmung, die auf nicht weniger zielt als eine – in stabiler Dauerveränderung – ‚autonome‘ Wahrnehmung von jeweiligen Eigen-Interessen zugleich als/für Allgemein-(Fremd‑) Interesse, beides jenseits von ‚Markt‘ und ‚Politik‘, als ‚Rechts-Fortbildung‘.“ Siehe Wiethölter, Zum Fortbildungsrecht der (richterlichen) Rechtsfortbildung. Fragen eines lesenden Recht-Fertigungslehrers, KritV 71 (1988), 1 ff. (22 f.). 245   Ausführlich zur Entstehung und zu den Besonderheiten autokonstitutioneller Regimes Fischer-Lescano/Teubner, a.a.O. (53 ff.); Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 159 ff., mit besonderem Hinweis auf den Begriff der „doppelten Schließung“ von Heinz von Foerster, Observing Systems, Seaside (CA) 1981, 304 ff.; siehe ebenfalls, insbesondere mit Blick auf das Regime der Wissenschaften – Ino Augsberg, Wissenschaftsverfassungsrecht, in: Thomas Vesting/Stefan Korioth (Hg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts. Was bleibt von der Verfassung nach der Globalisierung?, Tübingen 2011, 187 ff.

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politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen zugänglich gemacht und schließlich durch ein auf Stabilisierung und Kompatibilisierung gesellschaftlicher Autonomiebereiche gerichtetes Recht in ihrer Identität bewahrt werden. Eine solche autonome Verrechtlichung der am bio- und informationstechnologischen Regime beteiligten Gesellschaftssektoren würde insoweit alle Merkmale einer zivilgesellschaftlichen Konstitutionalisierung im Sinne einer „technisierten Verfassung“ erfüllen. Als Regimeverfassung der Bio- und Informationstechnologien – eines heterogenen, soziomateriellen Interferenzgebiets von Wissenschaften, Wirtschaft und Politik 246 – könnte sie die normativen Bedingungen schaffen, um über die gewöhnliche Abwägung unterschiedlicher Interessen, Normen und Policies hinaus die unauflöslichen Widersprüche der kon­ fligierenden gesellschaftlichen Teilrationalitäten in offenen, allseits zugäng­ lichen „Rechtsarenen“ auszutragen.247

III.  Biomoralität und Empathie des Rechts Die heutigen Lebenswissenschaften befinden sich nach alledem in ihren soziomateriellen Ausprägungen als Biotechnologien und auch als Informationstechnologien auf dem Weg zu einer Regimeverfassung, die es mit parallelen tech­ nischen und ethischen Problemstellungen, vor allem aber mit vergleichbaren Rationalitätenkonflikten auf diesen neuen, als sozial gekennzeichneten Technologiefeldern zu tun bekommt. Doch sind die daran beteiligten Gesellschaftssektoren, das Recht eingeschlossen, nicht die einzigen Systeme, an die sich eine „technisierte Verfassung“ richtet: Auch psychophysische Systeme, konkreter: lebendige, denkende Wesen, im Besonderen Menschen aus Fleisch und Blut, gehören zu deren kommunikativen Bezugspunkten. Die „technisierte Verfassung“ kann insoweit nicht auf die konstitutive Funktion einer Regimeverfassung der Bioinformationstechnologien beschränkt bleiben. Sie muss darüber hinaus besondere limitative Verfassungsnormen entwickeln, 248 um allzu weitge246   Generell ist davon auszugehen, dass Technologien anders als etwa Wissenschaften keine autopoietischen Sozialsysteme sind, sondern mangels operativer Schließung die genannten Überschneidungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilrationalitäten aufweisen – und darüber hinaus eine besondere Wirkung in der materiellen Welt entfalten; in diesem Sinn bereits Reiner Grundmann, Marxism und Ecology, Oxford 1991, 147 ff. Zur weiteren Bestätigung können die von Paul Rabinow und Nikolas Rose (Fn.  219, in diesem Abschnitt) im biotechnologischen Bereich gemachten Beobachtungen dienen. 247  Vgl. hierzu nochmals Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen, 2006, 72 f. und 170 f., hier mit besonderem Hinweis auf Karl-Heinz Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie: Selbstrefererenz – Selbstorganisation – Prozeduralisierung, Berlin 1992, 159 f. 248  Zu den konstitutiven und limitativen Verfassungsfunktionen insbesondere Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 23 ff. und 120 ff.; siehe dazu auch Karl-Heinz Ladeur/Ino Augsberg, Die Funktion der Menschenwürde im Verfassungsstaat. Humangenetik – Neurowissenschaft – Medien, Tübingen 2008, 5 ff.

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hende Technisierungstendenzen einzudämmen, die sich sonst zu technoszientistischen Expansionsbestrebungen auswachsen und neben anderen gesellschaftlichen Funktionssystemen ganz konkret auch menschliche ebenso wie nichtmenschliche Lebewesen bedrohen oder gar verletzen können. Damit ist das zweite, mindestens ebenso anspruchsvolle Aufgabenziel des Bioinformationsrechts angesprochen, das sich vor allem auf die Berücksichtigung menschlicher Belange richtet – und darauf, den Forderungen nach einer „Biomoralität“, soweit möglich, gerecht zu werden. Deren Berechtigung geht nicht etwa schon dadurch verloren, dass eine universelle Moral in der modernen, in Funktionssysteme ausdifferenzierten Gesellschaft längst nicht mehr integrativ wirken kann.249 Denn Moral wirkt dessen ungeachtet weiterhin systemunabhängig, gesellschaftsweit, und zwar genau dann, wenn es um die Achtung, insbesondere um die existentielle Berechtigung der menschlichen „Person als ganze“250 geht. Diese erscheint bedroht, sobald einzelne soziale Teilsysteme nicht mehr dazu imstande sind, sie in ihrer gesellschaftlichen, technologischen Betroffenheit – genauer: in der existentiellen Betroffenheit des dahinter stehenden individuellen menschlichen Lebens – wahrzunehmen. Gewiss sind auch hier die gesellschaftstheoretischen Warnungen vor einer moralischen Einmischung in die spezialisierten Kommunikationen autonomer Sozialsysteme zu bedenken.251 Doch allen berechtigten Forderungen nach einer ethischen Limitierung des Anwendungsbereichs der Moral zum Trotz behält diese im Kern eine eigenständige Bedeutung, vor allem in den Grenzbereichen des menschlichen Daseins. Wenn es nämlich darum geht, die psychische und physische Integrität des Menschen aus Fleisch und Blut gegenüber solchen Lebens- und Bewusstseinsbedrohungen zu wahren, die von den kommunikativen Prozessen des Gesellschaftssystems ausgehen, kommen – ebenfalls berechtigte – Moralitätsforderungen ins Spiel. Moralische Kommunikation kann in solchen Momenten die isolierte Ruhe der operativen Geschlossenheit funktional differenzierter Sozialsysteme stören und diese dazu anregen, einen Sinn für ihre lebendigen Umwelten zu entwickeln, deren „latente Eigenrechte“ dann in Gestalt von Widerständen, Selbsterhaltungstendenzen und Identitätskämpfen spürbar werden.252 Derartige Umwelteinflüsse wirken sich auf die Autonomie und Funktionsfähigkeit der gesellschaftlichen Teilsysteme dabei keineswegs schädlich aus, im 249   Vgl. hierzu Niklas Luhmann, Paradigm Lost: Über die ethische Reflexion der Moral, in: Die Moral der Gesellschaft, hg.  v. Detlef Horster, Frankfurt a.M. 2008, 253 ff. (259 ff.). 250  Siehe Luhmann, a.a.O. (260); sowie ders., Ethik als Reflexionstheorie der Moral, in: Die Moral der Gesellschaft, 2008, 270 ff. (276). 251  Vgl. Luhmann, Paradigm Lost: Über die ethische Reflexion der Moral, in: Die Moral der Gesellschaft, 2008, 253 ff. (266). 252  Vgl. Teubner, Die anonyme Matrix, Der Staat 45 (2006), 161 ff. (168 ff.), mit treffendem Bezug auf Fuchs, Der Eigen-Sinn des Bewußtseins, 2003, insbesondere 22 und 42.

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Gegenteil: Wie alle autopoietischen Systeme253 sind auch diese auf externe Störungen, Irritationen oder Perturbationen angewiesen, um den Anforderungen einer letztlich auch für ihre eigene Erhaltung notwendigen Umwelt möglichst gerecht zu werden. Gelingt es ihnen auf diese Weise, sich gegenüber ihren lebendigen Umwelten responsiv zu verhalten und ihre Kommunikation ökologisch zu sensibilisieren, vermögen sie der Gerechtigkeit – verstanden als eine die Gesellschaft transzendierende Gerechtigkeit 254 – sukzessive näher zu kommen. Die gesellschaftliche Kommunikation wird dann für die „latenten Rechte“ ihrer lebendigen, natürlichen und insbesondere auch humanen Umwelten empfänglich, und schließlich kann sie sogar die Selbstbeobachtungen der lebendigen Wesen, ihr psychisches und auch physisches Erleben, ihre Erfahrungen und Empfindungen, vor allem ihre Leiden und Schmerzen, im Modus ihrer eigenen kommunikativen Operationen rekonstruieren. Soweit und solange sich Kommunikation demnach von den selbsterhaltenden Reaktionen einer gegen Ungerechtigkeiten aufbegehrenden lebendigen Umwelt irritieren lässt, vermag sie in diesem Sinne ihre Umweltgerechtigkeit immer weiter zu steigern. In letzter Konsequenz kommt sie dadurch in die Lage, eine besondere Form von Empathie herauszubilden, die gerade auch aufgrund ihrer vorgesellschaftlichen und vorrechtlichen Wurzeln als ein Bindeglied im Bereich der strukturellen Kopplungen komplexer Sinnsysteme mit deren lebendigen Umwelten fungieren kann.255 Die sinnsysteminterne Rekonstruktion ermöglicht somit auch im Sozialen ein „Nachempfinden“ des Erlebens Anderer – eine kommunikative Form des „Miterlebens“, der emotional motivierten Rekonstruktion der Selbstbeobachtungen, Introspektionen, Leiden und Schmerzen lebendiger Wesen, die spätestens im „Schrei“ die Grenzen von Körper und Bewusstsein überschreiten und in diesem Moment in der Kommunikation wahrnehmbar werden.256 Lebendige Prozesse finden auf diese Weise, sozusagen aufgrund der proto-kommunikati-

253   Allgemein dazu Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 242 ff.; ders., Das Recht der Gesellschaft, 440 ff.; ferner ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, Band 2, Frankfurt a.M. 1997, 789 ff. 254   Vgl. hierzu Teubner, Die anonyme Matrix, Der Staat 45 (2006), 161 ff. (169); und weiter speziell mit Blick auf die Gerechtigkeit des Rechts: ders., Selbstsubversive Gerechtigkeit: Kontingenz- oder Transzendenzformel des Rechts?, Zeitschrift für Rechtssoziologie 29 (2008), 9 ff. 255   Zu einer derartigen, durch das Emotionale vermittelten Verbindung des Organischen, Psychischen und Sozialen etwa Paul Stenner, Is Autopoietic Systems Theory Alexithymic? Luhmann and the Socio-Psychology of Emotions, in: Soziale Systeme 10 (2004), 159 ff. (166 ff.); für eine noch weiter gehende systemtheoretische Alternative einer „fraktalen Affektlogik“, die von grundsätzlich gleichartigen, selbstähnlichen emotionalen Wirkungen auf psychische sowie soziale Prozesse ausgeht und Affekte als psycho-sozio-biologische Mediatoren betrachtet, siehe Ciompi, in: Soziale Systeme 10 (2004), 21 ff. 256   Vgl. hierzu Teubner, a.a.O. (186 f.).

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ven Funktionen affektiver Kräfte, 257 doch einen über die phänomenalen Binnenperspektiven des psychischen Erlebens vermittelten, eben empathischen Zugang zu den operativ geschlossenen Kommunikationen der Gesellschaft. Dies gelingt ihnen jedoch nur deshalb, weil psychisches Erleben nicht alleine als „Bewusstsein“ im gleichen Sinnmedium wie Kommunikation operiert, sondern auch entsprechend seinen entwicklungsgeschichtlichen Ursprüngen dem natürlichen Medium des Lebendigen verhaftet bleibt. Es ist diese Doppelrolle des phänomenalen Erlebens, die es der gesellschaftlichen Kommunikation trotz ihrer operativen Geschlossenheit ermöglicht, sich über den begrenzten autopoietischen Begriff des „Lebens“ im Sinne einer zirkulären Selbstreproduktion 258 hinaus für die phänomenale Fülle des erlebbaren Lebens zu öffnen. Psychisches wie auch leibliches Erleben können demnach in die Kommunikation überführt werden, so dass diese über ihre Grenzen hinausgeführt wird – und sich selbst transzendiert. Eine solche Verknüpfung von lebendigen und kommunikativen Operationen in der phänomenalen „Lebens-Erlebensper­ spektive“ entsteht gewiss nicht von selbst. Vielmehr muss sie auf irgendeine Weise angetrieben oder angestoßen werden; es muss insoweit zu einer Impulsübertragung kommen, die nur in den Begrifflichkeiten eines lebendig-kommunikativen Potentials oder einer biosozialen Energie259 zu erfassen ist, welche sich 257   Siehe hierzu Stenner, a.a.O. (171): „Emotions do not simply constitute a coupling of organic processes to consciousness. They also represent a threshold at which an organic system-made-conscious is harnessed to the project of social communication. If the smile of joy, the tears of distress and the blush of shame are potentials that are organically inscribed in the facial musculature, then this is because such affects play a proto-communicative role. This applies also to the vocalizations specific to affects, such as the laughter of joy, the gasp of excitement and the scream of fear.“ 258   Dazu insbesondere Maturana/Varela, Autopoietische Systeme: eine Bestimmung der lebendigen Organisation, in: Maturana, Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, 1982, 170 ff.; vgl. im selben Band auch Maturana, Biologie der Kognition, 32 ff. 259   Vgl. hierzu Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 102, welcher hinsichtlich der gesellschaftlichen (Regime‑)Verfassungsgebung mit ganz vergleichbaren Begriffen vorschlägt, „[…] den ‚pouvoir constituant‘ als ein kommunikatives Potenzial zu verstehen, also als eine Art sozialer Energie, buchstäblich als eine ‚Gewalt‘, die sich mit Hilfe von Verfassungsrechtsnormen zur ‚pouvoir constitué‘ aktualisiert, die aber als Dauerirritation der konstituierten Gewalt ständig präsent bleibt.“ Wenn eine Verfassung danach, wie Teubner auf der folgenden Seite mit überzeugenden systemtheoretischen Argumenten weiter ausführt, nicht etwa Menschen verfasse, sondern in erster Linie Kommunikationen strukturiere, dann geht es auch hier letztlich darum, dass diese Kommunikationen den außergesellschaftlichen, lebendigen Umwelten der „realen Menschen“ kraft eines Potentials oder einer Energie gerecht werden müssen. Ein derartiges Vermögen der Kraftentfaltung kann indes nicht ausschließlich „kommunikativ“ oder „sozial“ sein, sondern muss entsprechend der erwähnten Doppelrolle des phänomenalen Erlebens transsystemisch an sozialen, psychischen und lebendigen Systemen ansetzen. In diese Richtung geht schließlich auch der von Teubner zitierte Beitrag von Christoph Menke, Subjektive Rechte: Zur Paradoxie der Form, Zeitschrift für Rechtssoziologie 29 (2008), 81 ff. (105 f.): „Allein die Dekonstruktion vermag die Differenz von System und Umwelt, der beiden Seiten der Form, damit der Form der Form tatsächlich als ‚erzeugt‘ (Luhmann) zu verstehen: Sie wird erzeugt in jedem Akt der Formproduktion. Denn jeder Akt der

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etwa als eine bewegende Kraft 260 entfaltet.261 Es bedarf insoweit, analog zu den Konzepten im biologisch-technischen Grenzgebiet der Biosensorik, einer Art „Transduktor“, 262 der biologische in artifizielle Signale umwandeln, gegebenenfalls verstärken, vielleicht auch übersteigen und transzendieren kann. Eine solche hinüber- und hinausführende Kraft könnte im Vermögen der Empathie als einer ursprünglichen Verbindung psychophysischer und sozialer Formproduktion besteht in der Entfaltung und Bekundung einer Kraft, die, eben weil sie eine Kraft vor aller und über alle Form hinaus ist, die sie begrenzende Form – erst – hervorbringt. […] Die zwei Seiten der Form ‚Person‘ sind das soziale und das psychische System. Wenn Luhmann diese Differenz dadurch erläutert, wie in ihnen jeweils Sinn prozessiert wird – durch Kommunikation oder durch Bewusstsein –, dann scheint ihre Differenz gegeben. Sie ist jedoch, wie alle Differenz von System und Umwelt ‚erzeugt‘ (Luhmann). Während sie nach Luhmann jedoch erzeugt und zugleich unverfügbar ‚vorausgesetzt‘ ist, verlangt die Dekon­ struktion, die Differenz von sozialem und psychischem System als einen Effekt zu denken, der durch eben die Kraft – die Kraft oder den Trieb der Gerechtigkeit – hervorgebracht wird, der ihre Einheit fordert. Die Differenz von sozialem und psychischem System gibt es nicht – sie liegt nicht vor. Sie ist eine Forderung der Gerechtigkeit: Sie wird hervorgebracht in dem Versuch, eine soziale Form zu finden, die dem psychischem System, ‚der konkreten Natur des Einzelmenschen‘ (Luhmann) gerecht wird. Die Differenz von sozialem und psychischem System ist, paradoxerweise, ein Effekt der Forderung nach der Einheit von sozialem und psychischem System.“ 260   Die zunächst bloß metaphorische Anlehnung an physikalische Konzepte, wie etwa der vis viva nach Gottfried Wilhelm Leibniz oder der bewegenden Kraft der Wärme im Sinne des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik nach Rudolf Clausius, ist durchaus beabsichtigt. Zur vis viva siehe Gottfried Wilhelm Leibniz, Specimen Dynamicum (1695), Hamburg 1982; zur bewegenden Kraft der (hier freilich noch ausschließlich im physikalischen und nicht etwa im sozialen oder „empathischen“ Sinne aufzufassenden) Wärme siehe Rudolf Clausius, Ueber die bewegende Kraft der Wärme und die Gesetze, welche sich daraus für die Wärmelehre selbst ableiten lassen (1850), 1. unveränd. Abdr., Leipzig 1921; vgl. allerdings die an Leibniz anschließenden Ausweitung des lebendigen, bewegenden Kraftbegriffs auf die „inter-psychischen“, sozialen Kräfte der Überzeugung und des Begehrens bei Gabriel Tarde, Monadologie und Soziologie, Frankfurt a.M. 2009; zur Übertragung eines „Kraft-Rechts“ auf empathische Rechtsverhältnisse siehe auch Andreas Fischer-Lescano, Rechtskraft, Berlin 2013. 261   Auf dieser Basis ist schließlich auch die von Gilles Deleuze zum Ausdruck gebrachte Deutung des Kraftbegriffs bei Friedrich Nietzsche zu verstehen: „Niemals werden wir den Sinn von etwas erfassen (einem menschlichen, biologischen oder selbst physischen Phänomen), sofern wir nicht erkennen, welche Kraft sich das Ding aneignet, es ausbeutet, sich seiner bemächtigt oder in ihm sich zum Ausdruck bringt. Ein Phänomen ist weder eine Erscheinung noch gar bloßer Schein, sondern ist ein Zeichen, ein Symptom, das seine Bedeutung, seinen Sinn in einer aktuellen Kraft findet.“ (ders., Nietzsche und die Philosophie, Hamburg 1991, 7). 262  Vgl. hierzu den Definitionsvorschlag der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC), abgedruckt in: Biosensors & Bioelectronics 1996, Vol.  11, Issue 4, i: „A biosensor is a self-contained integrated device which is capable of providing specific quantitative or semi-quantitative analytical information using a biological recognition element (biochemical receptor) which is in direct spatial contact with a transducer element.“; für einen Überblick siehe Rajinder S. Sethi, Transducer aspects of biosensors, in: Biosensors & Bioelectronics 1994, Vol.  9, Issue 3, 243 ff.; sowie ferner Brian R. Eggins, Chemical Sensors and Biosensors, Chichester 2002. Zur kommunikativen Funktion von (menschlichen) Sensoren siehe im Übrigen bereits oben, Prolog, Fn.  22.

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Systeme zu finden sein.263 Dieses mag die Kluft zwischen lebendig-materiellen, „naturwüchsigen“, „präreflexiven“, also den erwähnten „latenten Eigenrechten“ und (rechts‑)kommunikativ konstituierten, „echten“ Rechten überbrücken und im „Zwischen“264 des intersystemischen Perturbationsgeschehens vermitteln. Eben dies ist gemeint, wenn von „Selbsttranszendierung“ die Rede ist – Selbsttranszendierung der Kommunikation, aber auch des verengten, weil kommunikativ gefassten Lebensbegriffs: Gerade die systemtheoretische Fassung des Lebendigen in den Modellen zirkulärer, operativ geschlossener, auf Reproduktion eigener Bestandteile angelegter, mithin autopoietischer Systeme lässt etwas ausgeschlossen; sie invisibilisiert etwas, das zum Leben gehört, kurz: sie vermag das Leben nicht vollständig zu erfassen. Der autopoietische Lebensbegriff behandelt lebendige Prozesse im Grunde nämlich wie kommunikative Vorgänge. Er verkürzt damit die phänomenale Fülle des erlebbaren Lebens in einer ähnlichen Weise, wie es schon der autopoietische Begriff der Kommunikation tut, die ohne ihre eigenen transzendenten Erfahrungen, Verweisungsüberschüsse, utopischen Energien nur ungenügend verstanden ist.265 Einen Ausweg aus der autopoietischen Verschlossenheit gegenüber dem authentischen Leben, dessen Exklusion aus der „Matrix“ der Kommunikation sogar zur handfesten Lebensbedrohung werden kann, 266 weist Gunther Teubners   Ausführlicher dazu Malte-Christian Gruber, Normen der Empathie – zur Einfühlung, in: ders./Stefan Häußler (Hg.), Normen der Empathie, Berlin 2012, 9 ff. Für einen engeren Begriff eines sozial erworbenen „Vermögens“ sowie für dessen deutlichere Abgrenzung vom vorsubjektiven Kraftbegriff allerdings etwa Christoph Menke, Die Kraft der Kunst, Berlin 2013, 13: „Vermögen machen uns zu Subjekten, die erfolgreich an sozialen Praktiken teilnehmen können, indem sie deren allgemeine Form reproduzieren. Im Spiel der Kräfte sind wir vor- und übersubjektiv – Agenten, die keine Subjekte sind; aktiv, ohne Selbstbewußtsein; erfinderisch, ohne Zweck.“ (Hervorhebungen im Original). Eine solche Grenzziehung muss allerdings auch die normativen, insbesondere rechtlichen Einflussmöglichkeiten einer ästhetischen Kraft geringer einschätzen: „Deshalb ist die Kunst kein Teil der Gesellschaft – keine soziale Praxis […]“ (ders., a.a.O., 14). Demgegenüber bezeichnet Empathie mehr als nur „die Kunst des Übergangs zwischen Vermögen und Kraft, zwischen Kraft und Vermögen“ (a.a.O.) – denn sie ist darüber hinaus körperlich materialisiert; sie ist gleichermaßen leiblich erlebbar, psychisch erfahrbar und sozial wirksam. Empathie ist demnach gleichzeitig sozial erworben und vorsubjektiv; sie kann bewusst und „nicht gewusst“, formierend und geformt sein, mit anderen Worten: Sie ist Kraft und Vermögen zugleich. Genau darin liegt ihr besonderes Potential, körperliche, geistige und soziale Prozesse zu überbrücken. 264   Für dieses „Zwischen“ der Systeme scheint die Systemtheorie selbst blind zu sein: dazu Teubner, Zeitschrift für Rechtssoziologie 29 (2008), 9 ff. (26). 265   Deshalb empfiehlt Teubner a.a.O., den blinden Fleck der Systemtheorie mit den Mitteln der Dekonstruktion zu therapieren. Näher zu diesem Ansatz Malte-Christian Gruber, Lebenswerk, in: Gralf-Peter Calliess/Andreas Fischer-Lescano/Dan Wielsch/Peer Zumbansen (Hg.), Soziologische Jurisprudenz, Festschrift für Gunther Teubner zum 65. Geburtstag, Berlin 2009, 299 ff. (305 ff.). 266   Für eine eingehende Auseinandersetzung mit den systemübergreifenden Lebensgefährdungen durch verselbständigte kommunikative Matrices siehe Teubner, Die anonyme Matrix, Der Staat 45 (2006), 161 ff. (175 ff.). 263

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kritisch-systemtheoretisch-dekonstruktive Konzeption einer „selbstsubversiven Gerechtigkeit“, die Jacques Derridas „Forderung nach unendlicher Gerechtigkeit“267 als (Selbst‑)Transzendenzformel des Rechts aufnimmt.268 Es geht dabei insbesondere um die „Verantwortung gegenüber dem Gedächtnis“, die verlangt, „die Grenzen der Begriffe […] ins Gedächtnis zurückzurufen“269 – und sich daher vor allem auch der Grenzen des autopoietischen, von phänomenalen Strukturen abstrahierenden Lebensbegriffs zu erinnern. Anders als das Autopoiesiskonzept mit seiner Unterscheidung von kommunikativen und lebendigen Operationen, die aber ihrerseits wie Kommunikationen funktionieren sollen, vermuten lässt, bestimmt sich Leben nämlich keineswegs alleine durch sich selbst, sondern vielmehr durch sein eigenes Erleben, seine phänomenale Selbsterfahrung und ‑beschreibung. In dieser Art der Selbstbeobachtung liegen die besonderen Transzendenz­ erfahrungen, Verweisungsüberschüsse und utopischen Energien des autopoietischen Lebensbegriffs, die „Leben“ – selbst – verstehbar machen. Mit ihren Selbstbeobachtungen vermögen lebendige Systeme demnach eine doppelte Aufgabe zu erfüllen: Zum einen können sie sich als lebendige Umwelten in der Kommunikation Gehör verschaffen. Zum anderen finden sie auf diese Weise die als transzendent bezeichneten Zugänge zum Leben, die jenseits des Sinnmediums verlaufen. Es sind eben diese Selbstbeobachtungen, welche in ihrer Doppelrolle an zwei unterschiedlichen Operationen, an Kommunikation und Leben zugleich, teilnehmen und damit die operative Geschlossenheit der Systeme überwinden. Aus der entgegengesetzten Blickrichtung der sozialen Systeme stellt sich diese Verbindung lebendiger und kommunikativer Operationen dann entsprechend als empathische Umweltgerechtigkeit der Kommunikation dar. Mit anderen Worten: In der phänomenalen Binnenperspektive des Selbst-Erlebens, am Transduktor des phänomenalen Erlebens von Leben, dort also, wo leiblich-psychisches Erleben empathisch in die Kommunikation eingeht, mögen Sozialsysteme wie das Recht insoweit zu einer Art einfühlender Resonanz gegenüber anderen Rationalitäten finden, um schließlich auch dem Anderen der Kommunikation, konkret: dem Lebendigen gerecht zu werden. Ebenso wie einzelne Menschen können demzufolge auch soziale Systeme und vor allem das Recht gegenüber ihren lebendigen Umwelten, insbesondere den individuellen Menschen aus Fleisch und Blut, eine eigene, kommunikativ verfasste Empathie herausbilden. Deren Ursprünge liegen bereits in der menschlichen Begabung der Imagination, die Menschen in die Lage versetzen kann, Recht anders, nämlich außerhalb des Rechtscodes, womöglich sogar jenseits der 267  Vgl. hierzu Jacques Derrida, Gesetzeskraft. Der „mystische Grund der Autorität“, Frankfurt a.M. 1991, 40. 268   Teubner, Zeitschrift für Rechtssoziologie 29 (2008), 9 ff. (25 ff.). 269   Derrida, Gesetzeskraft. Der „mystische Grund der Autorität“, 1991, 40.

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Kommunikation und des Sinnmediums zu erfahren. Entwicklungsgenetisch ist sie noch weiter zurückzuverfolgen bis zu den affektiven und emotionalen Fähigkeiten einzelner Lebe- und Menschenwesen. Lebendige Wesen – Menschen, aber auch manche Menschenähnliche270 – sind dazu imstande, ihre Wahrnehmungen unmittelbar in darauf bezogene Handlungsmöglichkeiten zu übersetzen, ohne dass es dabei einer zentralen, verstandesmäßigen Vermittlung oder gar einer bewussten Reflexion bedürfte.271 Sie erleben ihre Umwelt als eine Welt mit Aufforderungscharakter: Während ihnen Dinge als Ensembles von Handlungshypothesen erscheinen, erkennen sie andere Lebewesen als potentielle Interaktionspartner, deren Handlungen sie als solche unmittelbar, präreflexiv erfassen können.272 Dieses implizite Handlungsverständnis eröffnet schließlich noch weitere Zugänge zu den „inneren“, intentionalen Einstellungen eines beobachteten Gegenübers. Beobachten sich mehrere Akteure wechselseitig, so entsteht daraus ein gemeinsamer Handlungsraum, in dem fremde Handlungen und Intentionen 270   Dass die Menschheit besondere kommunikative Fähigkeiten in Sprache, Schrift, Buch und nunmehr auch in elektronischen Medien herausgebildet hat und insoweit eine geistige, kulturelle, soziale Sonderstellung im Kontinuum der Evolution einnimmt, sollte nicht dazu verleiten, ihre phylogenetische Herkunft, insbesondere Verwandtschaften und Ähnlichkeiten mit nichtmenschlichen Lebewesen zu leugnen: siehe etwa Frans de Waal, Das Prinzip Empathie. Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können, München 2011; zu den neuronalen Grundlagen vor allem Giacomo Rizzolatti/Corrado Sinigaglia, Empathie und Spiegelneurone. Die biologische Basis des Mitgefühls, Frankfurt a.M. 2008. 271  Siehe Rizzolatti/Sinigaglia, a.a.O. (106 f.); ferner Vittorio Gallese, The ‚Shared Manifold‘ Hypothesis: From Mirror Neurons To Empathy, Journal of Consciousness Studies 2001, Vol.  8 , 33 ff.; ders., Embodied simulation: From neurons to phenomenal experience, Phenomenology and the Cognitive Sciences 2005, Vol.  4, 23 ff. (32 ff.). Die gegenwärtige Erforschung der neuronalen Grundlagen des Empathievermögens stützt sich dabei in vielerlei Hinsicht auf die Phänomenologie, unter anderem auf Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966 (Nachdruck 1974), 166 ff.: „Das Bewußtsein ist ursprünglich nicht ein ‚Ich denke zu …‘, sondern ein ‚Ich kann‘. […] Sehen und Bewegung sind spezifische Weisen unseres Gegenstandsbezuges, und wenn in all diesen Erfahrungen eine einzige Funktion sich ausdrückt, so die Bewegung der Existenz, die nicht die radikale Verschiedenartigkeit der Inhalte einebnet, da sie sie nicht verknüpft durch ihre Unterordnung unter die Herrschaft eines ‚Ich denke‘, sondern durch ihre Orientierung auf die intersensorische Einheit einer ‚Welt‘ hin. […] Bewußtsein ist Sein beim Ding durch das Mittel des Leibes. Erlernt ist eine Bewegung, wenn der Leib sie verstanden hat, d. h. wenn er sie seiner ‚Welt‘ einverleibt hat, und seinen Leib bewegen heißt immer, durch ihn hindurch auf Dinge abzielen, ihn einer Aufforderung entsprechen lassen, die an ihn ohne den Umweg über irgendeine Vorstellung ergeht.“ 272   Vgl. auch hierzu Merleau-Ponty, a.a.O. (397 ff.) – zum Aspekt der präreflexiven Erfahrung eines Anderen, d.h. zur „Frage meines Vermögens, aus mir selbst heraus zu gehen, um Unreflektiertes als solches zu erleben“, insbesondere etwa 412: „Das zentrale Phänomen, in dem in eins meine Subjektivität und meine Transzendenz auf den Anderen hin ihre Gründung finden, ist dies, daß ich mir selbst gegeben bin. Ich bin gegeben – das besagt, je schon finde ich mich situiert und engagiert in einer physischen und sozialen Welt; ich bin mir selbst gegeben – das besagt, daß mir diese Situation nie verborgen ist, niemals mich umgibt nach Art einer fremden Notwendigkeit, ich niemals in sie wirklich eingeschlossen bin wie ein Gegenstand in eine Büchse.“ (Hervorhebungen im Original).

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wie eigene erlebt werden – ein empathischer Raum, der wechselseitiges Mitfühlen im Sinne einer „emotionalen Resonanz“ ermöglicht.273 Darin liegt die phänomenologische Basis der Empathie: im Wahrnehmen und Empfinden, welches mit motorischem Vermögen und Körperkräften neuronal verknüpft ist. Dabei ist zu betonen, dass ein solcher empathischer „Resonanzraum“ nicht etwa nach dem Bild eines mehr oder weniger mit Inhalt gefüllten Behältnisses oder auch im Sinne einer Eigenwelt jenseits der Systeme vorzustellen, sondern vielmehr als ein emergentes Phänomen der intersystemischen Vernetzungen, mithin als Konkretisierung struktureller Kopplungen zu begreifen ist.274 In dieser Verwendung entspricht der Raumbegriff seinen weiteren dynamischen Fassungen, die sich eher an Vorstellungen von Vermögen, Kraft und Bewegung ausrichten und beispielsweise als „Spielräume“, „Möglichkeitsräume“ oder auch als autonome „Entfaltungsräume“ ihren Ausdruck finden. Es sind die beobachtenden Systeme, die ihre wechselseitigen strukturellen Kopplungen in deren spezifischen Vernetzungslogiken räumlich wahrnehmen, und zwar als Lebensund Bewegungsräume, in denen sie nicht bloß nebeneinander existieren, vielmehr miteinander koexistieren, sich zueinander in Beziehung setzen, einander emotional bewegen, empathisch mitschwingen und auf diese Weise die genannte Resonanz erzeugen. Der Raum stellt insoweit im Verhältnis der Systeme zu ihren jeweiligen Umwelten ein vorauszusetzendes Drittes dar,275 das aber nicht etwa als ein „einiges“ 273  Siehe hierzu Rizzolatti/Sinigaglia, a.a.O. (174 ff.); siehe ferner Gruber, Normen der Empathie – zur Einfühlung, in: Gruber/Häußler (Hg.), Normen der Empathie, 2012, 9 ff. (10 ff.); zum weiteren Verständnis der sozio-kognitiven Grundlagen des Spracherwerbs und der Entwicklung kommunikativer Kompetenzen aufgrund von „Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit“ siehe Michael Tomasello, Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Zur Evolution der Kognition, Frankfurt a.M. 2006, 126 ff. 274   Für weitere Konkretisierungs- und Korrekturversuche des bislang noch kaum ausgeleuchteten systemtheoretischen Raumbegriffs, namentlich im Hinblick auf eine eigenständige, von der Zeitdimension unterschiedene Raumdimension des Sinns, siehe vor allem Niels Werber, Raum und Technik. Zur medientheoretischen Problematik in Luhmanns Theorie der Gesellschaft, in: Soziale Systeme 4 (1998), Heft 1, 219 ff.; ders., Raumvergessenheit oder Raum­ontologie, Latour oder Luhmann? Zur Rolle der Systemtheorie in einer (medien)geographischen Kontroverse, in: Soziale Systeme 17 (2011), Heft 2, 361 ff.; vgl. ferner Rudolf Stichweh, Raum, Region und Stadt in der Systemtheorie, in: Soziale Systeme 4 (1998), Heft 2, 341 ff.; zu den darüber hinausgehenden Perspektiven auf eine ökologische, mit der empathischen Gerechtigkeit durchaus vereinbare „Raumgerechtigkeit“ des Rechts insbesondere Andreas Philippopoulos-Mihalopoulos, Law’s Spatial Turn: Geography, Justice and a Certain Fear of Space, in: Law, Culture and the Humanities 7 (2011), 187 ff. 275   Zur notwendigen Vorstellung des Raumes a priori bereits Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 22 ff./B 37 ff. (71 ff.); zur allgemeinen Notwendigkeit eines „Dritten“, insbesondere zur triadischen Struktur psychischer, sozialer und damit auch empathischer (Dreiecks‑)Verhältnisse, siehe etwa Eva Eßlinger/Tobias Schlechtriemen/Doris Schweitzer/Alexander Zons (Hg.), Die Figur des Dritten. Ein kulturwissenschaftliches Paradigma, Berlin 2010; Fritz Breithaupt, Kulturen der Empathie, Frankfurt a.M. 2009; Rüdiger Campe, An Outline for a Critical History of Fürsprache: Synegoria and Advocacy, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 82 (2008), 355 ff. – in diesem Licht kommt

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Sein beobachtbar ist. Dem entspricht schließlich auch ein phänomenologisches Verständnis des Raumes, das den Verhältnissen zwischen den Systemen und ihren Umwelten eine Bedeutung verleiht, die sie zunächst – wie Maurice Merleau-Ponty es ausdrückt – „unserer Erfahrung als inkarnierter Subjekte“ sowie der „Mannigfaltigkeit der Sinne“ und ihrer je eigenen Räumlichkeit entleiht.276 „Jede Empfindung ist räumlich“ – ein Raum ist ein sinnlich konstituiertes „Milieu der Koexistenz“,277 das Ergebnis einer empfundenen „Simultaneität“278 auf mehr oder weniger große Distanz.279 Die räumliche Wahrnehmung ist insoweit schließlich auch eine entsprechende Deutung von Franz Kafkas „Fürsprecher“, hier im Sinn einer ubiquitären Notwendigkeit eines fürsprechenden „Dritten“, in Betracht: ders., Fürsprecher (1936), in: Die Erzählungen und andere ausgewählte Prosa, hg.  v. Roger Hermes, Frankfurt a.M. 2011, 356 ff. 276  Vgl. Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966 (Nachdruck 1974), 240, 255 ff. und 260 ff., ferner 284 ff. Dass dabei jeder Sinn eine eigene „Welt“ hat, dass sozusagen eine Vielfalt von „Sinnesräumen“ zur Welt kommt, führt Merleau-Ponty schließlich zu einer vermittelnden Position zwischen der Kantischen reinen Anschauung eines einigen Raumes (Kant, a.a.O., A 24 f./B 39 f. (73)) und der empirischen Vielheit faktischer, kontingenter, per­ spektivischer und allem Anschein nach inkompossibler Sinneserfahrungen: „Die Einheit der Sinne, die vormals als eine Wahrheit a priori galt, ist nur mehr formaler Ausdruck einer fundamentalen Kontingenz: des Faktums, daß wir zur Welt sind, und die Mannigfaltigkeit der Sinne, vormals als eine Gegebenheit a posteriori betrachtet, einschließlich der konkreten Form, die sie bei einem menschlichen Subjekt annimmt, erscheint nunmehr als eine dieser unserer Welt notwendige, dieser einzigen Welt, die wir in konsequenter Weise zu denken vermögen; sie wird mithin zur Wahrheit a priori. […] Haben wir einmal die Unterscheidung von Apriorischem und Empirischem, von Form und Inhalt überwunden, so stellen sich uns die Sinnesräume schließlich als die konkreten Momente der allumfassenden Konfiguration dar, welche der einzige Raum ist, und das Vermögen, zu diesem Zugang zu finden, bleibt unablöslich von dem Vermögen, sich aus ihm in die Abgeschiedenheit eines der Sinne zurückzuziehen. […] Wie die Weltperspektive des Anderen für mich, so ist der Raumbereich eines jeden Sinnes für die anderen Sinne ein absolut Unerkennbares und begrenzt ebensosehr die Räumlichkeit dieser.“ (Merleau-Ponty, a.a.O., 259 f.). Daraus folgt für die Phänomenologie, dass „die Einheit des Raumes allein in der Verfugung der Sinnesbereiche ineinander gefunden werden kann.“ (Merleau-Ponty, a.a.O., 260). 277  Vgl. Merleau-Ponty, a.a.O. (259). 278  Vgl. Merleau-Ponty, a.a.O. (262). 279   Zum Beispiel: „Sage ich, ich sehe einen Gegenstand auf Abstand, so will ich sagen, daß ich ihn schon festhalte oder noch festhalte, er ist gleichzeitig damit, daß er im Raume ist, in der Zukunft oder in der Vergangenheit. […] [D]ie Koexistenz, die in der Tat den Raum definiert, ist der Zeit nicht fremd, sie ist die Zugehörigkeit zweier Phänomene zu ein und derselben Zeitwelle. Was das Verhältnis des wahrgenommenen Gegenstandes zu meiner Wahrnehmung betrifft, so verknüpft es beide nicht im Raum, und nicht außer der Zeit: beide sind Zeitgenossen. Die ‚Ordnung der Koexistenz‘ ist nicht zu trennen von der ‚Ordnung der Sukzession‘, oder vielmehr die Zeit ist überhaupt nicht nur Bewußtsein einer Sukzession. Die Wahrnehmung gibt mir ein ‚Präsenzfeld‘ im weiten Sinne, das sich nach zwei Dimensionen erstreckt: der Dimension des Hier-Dort und der Dimension Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft. Diese ist es, die jene verständlich macht. Ich ‚halte‘, ich ‚habe‘ den entfernten Gegenstand ohne ausdrückliche Setzung der räumlichen Perspektive (scheinbare Größe und Form), wie ich die nächste Vergangenheit ‚noch festhalte‘ ohne jede Verzerrung, ohne eingeschobene ‚Erinnerung‘“ (Merleau-Ponty, a.a.O., 308 f., mit Hinweis auf Edmund Husserl, Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins, Halle a. d. S. 1928, 398 ff.); zum phänome-

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ein „Strukturphänomen“, das auf der „Fixierung des Subjekts in einer Umwelt“, mithin auf seiner „Weltzugehörigkeit“ beruht.280 Anders formuliert, gründen sich Raumwahrnehmungen auf die sinnlich vermittelten Wahrnehmungen beobachtender Systeme, welche sich dann auch wechselseitig als räumlich-zeitlich aufeinander bezogene System-Umwelten – und schließlich: als gemeinsame Welt erleben.281 Für sie alle gilt: „Existieren heißt Zur-Welt-Sein.“282 Indem also lebendige Wesen, ganz besonders Menschen, als psychophysische Systeme eine gemeinsame Erfahrungswelt mit wechselseitigen Resonanzen erzeugen, in der sie die Erfahrungen des jeweils Anderen beinahe wie eigene miterleben können, vermögen sie die Kluft zwischen lebendigen Körperprozessen, sinnhaften Bewusstseinsvorgängen und Kommunikation unter bestimmten Bedingungen zu überbrücken. Eine ganz wesentliche dieser Bedingungen besteht in einer gewissen sozialen Nähe, die Menschen dazu bringt, sich gegenseitig als Menschen mit vergleichbaren Empfindungen und Erfahrungen wahrzunehmen – als lebendige Wesen mithin, die ähnlich verletzbar und gewissermaßen miteinander verwandt sind. Das setzt jedoch mehr voraus als eine bloße Begegnung und gegenseitige Wahrnehmung. Soziale Näheverhältnisse können nur auf kommunikativem Weg hergestellt werden; sie sind auf das erzählerisch-fiktionale Spannen einer Brücke einer „narrativen Empathie“283 angewiesen. nologischen Verständnis von empirisch wahrnehmbaren, physischen Dingen als „Einheiten der Coexistenz und Succession“ ebenfalls bereits Edmund Husserl, Logische Untersuchungen. Zweiter Theil. Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. V. Ueber intentionale Erlebnisse und ihre „Inhalte“, Halle a. S. 1901, 337. 280  Vgl. hierzu Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966 (Nachdruck 1974), 326 ff.: „In der natürlichen Einstellung habe ich nicht Wahrnehmungen, setze ich nicht diesen Gegenstand neben jenem anderem und beider objektive Beziehungen, vielmehr habe ich einen Fluß sich in Simultaneität wie in Sukzession wechselseitig einander implizierender und explizierender Erfahrungen. […] Die Raumwahrnehmung ist keine besondere Klasse von ‚Bewußtseinszuständen‘ oder von Akten, ihre Modalitäten sind stets ein Ausdruck des gesamten Lebens des Subjekts und der Energie, mit der dieses sich durch seinen Leib und durch seine Welt hindurch auf eine Zukunft richtet.“ (327 und 329). Ersetzt man an dieser Stelle die Rede vom „Subjekt“ durch den Begriff des beobachtenden Systems und den „Leib“ allgemeiner durch „Substrat“ oder „Medium“, so könnte man annehmen, dass Räumlichkeit ganz allgemein auf einer räumlichen und auch zeitlichen Wahrnehmungsorientierung eines beobachtenden Systems in Richtung auf seine Umwelt beruht. 281   Siehe hierzu insbesondere Maurice Merleau-Ponty, Das Auge und der Geist, in: Das Auge und der Geist. Philosophische Essays, hg.  v. Hans Werner Arndt, Reinbek bei Hamburg 1967, 13 ff. (14): „Mit meinem eigenen Körper müssen die assoziierten Körper, die ‚anderen‘ erwachen […] als diejenigen, die mir im Umgang vertraut sind, mit denen zusammen ich im vertrauten Umgang zu einem einzigen, gegenwärtigen Sein stehe […]“. 282  Vgl. Merleau-Ponty, a.a.O. (413); prägnant formuliert ders., a.a.O. (170), diesbezüglich auch: „[I]ch bin nicht im Raum und in der Zeit, ich denke nicht Raum und Zeit; ich bin vielmehr zum Raum und zur Zeit, mein Leib heftet sich ihnen an und umfängt sie. Die Weite dieses Umfangens ist das Maß der Weite meiner Existenz“; in diesem Sinn auch ders., Das Auge und der Geist, 1967, (13 ff.) 26 ff. 283   Vgl. hierzu Breithaupt, Kulturen der Empathie, 2009, 114 ff.

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Eine solche kommunikative Form der Empathie ermöglicht es allerdings auch, dass die Erfahrungs- und Lebenswelten lebendiger Wesen und Menschen aus Fleisch und Blut mit dem ihnen eigenen Aufforderungscharakter kommunikabel werden. Mehr noch: Sie erzeugt einen gemeinsamen Resonanzraum, in dem die körperlichen und mentalen Empfindungen lebendiger Wesen kommunikativ miterlebt werden. Damit bleibt sie nicht etwa nur auf einen uniformen, leib- und kraftlosen „Raum symbolisch verkörperter Gründe“284 beschränkt, sondern zieht auch das in Betracht, was nicht intentional mitgeteilt wird. Weniger geht es hierbei um ein geteiltes Wissen kommunikativ Handelnder als vielmehr um ein wechselseitiges Verstehen, Nachempfinden oder Mitfühlen lebendiger Wesen. Die lebendigen Umwelten der Gesellschaft – Dinge, Körper und Psychen – werden so zu Teilen einer eigenen phänomenalen Binnenperspektive, die sich aus deren Doppelrolle, gewissermaßen also einem empathischen Gleichlauf von Leben und Kommunikation ergibt – und die es erst möglich macht, dass die Kommunikation ihre immanenten Grenzen überwindet. Alles in allem sind es – ursprünglich – biogene Fähigkeiten, die über die Perspektive menschlicher Individuen hinaus auch auf gesellschaftlicher und rechtlicher Ebene ihre Wirkung entfalten: Sie bilden eigene Erfahrungsweisen, die in rechtlichen Sachverhaltsdarstellungen, Tatbeständen oder Fallbeispielen nur unvollständig zu erfassen sind. Den Forderungen einer Biomoralität vermag somit nur ein Recht zu genügen, das eine empathische Normierungspraxis herauszubilden in der Lage ist, indem es erlebte Einzelfälle, Schicksale und Erfahrungen in ihren je eigenen Erzählungen zur Kenntnis nimmt, sich in fremde Erfahrungswelten einfühlt, um schließlich, vielleicht, gerechtere Entscheidungen zu treffen. Ein solches Recht kann sich nicht damit begnügen, die in den einschlägigen Bereichsethiken der Bio- und Informationstechnologien entworfenen Prinzipien in durchaus zeitgemäßer begriffsjuristischer Manier zu Rechtsprinzipien zu erklären. Noch weniger darf es sich auf irgendwelche Ideen von universeller Gerechtigkeit, Vernunft oder gar Nützlichkeit verpflichten. Biomoralität verlangt vom Recht etwas ganz anderes: Gerechtigkeit im Hier und Jetzt, und zwar vor allem um der Menschen willen.285 In diesem Sinne geht es dann vielmehr darum, die empathische Kraft der Gerechtigkeit zur Entfaltung zu bringen – 284  Siehe dazu Jürgen Habermas, Die Lebenswelt als Raum symbolisch verkörperter Gründe, in: Nachmetaphysisches Denken II. Aufsätze und Repliken, Berlin 2012, 54 ff., dessen „Raum der Gründe“ auch körperliche Gesten und Bewegungen letztlich auf ihre Mitteilungsfunktion reduziert und insofern eher „symbolisch vermittelt“ genannt werden müsste. 285   Locus classicus für ein solcherart entzaubertes Recht und seine Gerechtigkeit: Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1986, 26: „Recht kann unpoetische, demütige, ehrliche, oft hilflose, tränenreiche, immer aber letztlich unzulängliche und erdenschwere Beiträge leisten, eine brauchbare, auf ‚Gerechtigkeit‘ und ‚Vernunft‘ zielende Friedensordnung für jedermann hier und jetzt zu verwirklichen, nicht hingegen sollte Recht beteiligt sein an der Opferung von Menschen heute, um einer meist utopischen Zukunft willen, oder umgekehrt an einer dauern-

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also um soziale Entfaltungsmöglichkeiten und individuelle Spielräume, um offene Zukünfte, um das Rechtsbewusstsein zumal, dass es auch anders sein könnte, und nicht zuletzt um die – freilich zunächst nur in Fiktionen aufscheinende – Sehnsucht nach etwas, das dem Recht fehlt, ohne dass man es unbedingt bisher vermisst hätte.286 Nur so könnte es – vielleicht zu Gerechtigkeit kommen: 287 Gerechtigkeit, verstanden als Gerechtigkeit des Rechts, und zwar als Gerechtigkeit im Recht mit Recht gegen Recht kraft Rechts288 – zu Recht,289 das heißt: Gerechtigkeit als mögliche Erfüllung der Sehnsucht nach dem Anderen des Rechts, die nicht jedoch zum Verlust seiner Ordnung und Regelhaftigkeit führt.

den Verfremdung oder gar Versklavung von Menschen im Namen eines Pflicht-Gottes für jedermann, eines Weltgeistes oder einer ewigen Naturvernunft.“ 286   Siehe entsprechend mit besonderem Augenmerk auf die Potentialität einer literarisch erzeugten, fiktionalen, insbesondere virtuellen Realität Niklas Luhmann, Literatur als fiktionale Realität, in: Schriften zu Kunst und Literatur, hg.  v. Niels Werber, Frankfurt a.M. 2008, 276 ff. (280 f.): „Sieht man genauer zu und zieht man die Geschichte der Ausdifferenzierung von eigenständiger Fiktionalität mit in Betracht, dann handelt es sich gar nicht um die bloße Ausarbeitung irgendeiner virtuellen Realität, sondern, thematisch oder unthematisch, um das Verhältnis von virtueller Realität und realer Realität. Es wird eine fiktionale Ordnung gefunden, damit man von da aus die normale, allen bekannte Wirklichkeit betrachten kann, etwa in ihrer Härte und Unausweichlichkeit oder in ihrer Normalität und Langweiligkeit. Oder es wird eine Sehnsucht geweckt nach etwas, was fehlt, ohne daß man es bisher vermißt hätte [...]“. Ähnlich, allerdings mit Bezug auf Glauben und Wissen – verstanden als komplementäre Gestalten des Geistes, die gleichermaßen fähig sind, Lernprozesse in Gang zu setzen – Jürgen Habermas, Ein Bewußtsein von dem, was fehlt, in: Michael Reder/Josef Schmidt (Hg.), „Ein Bewußtsein von dem, was fehlt“. Eine Diskussion mit Jürgen Habermas, Frankfurt a.M. 2008, 26 ff.; das Habermas’sche „Bewußtsein von dem, was fehlt“ gibt es aber eben nur deshalb, weil man etwas vermisst, „was zum Himmel schreit“; die Luhmann’sche Sehnsucht blickt dahingegen über den aktuell realisierten Horizont hinaus in die Sphäre des virtuell Möglichen – und der empathischen Gerechtigkeit. 287  Dass die Gerechtigkeit immer im Kommen bleibt und vielleicht eine zu-künftige Rechtsgerechtigkeit ermöglicht, ist immerhin etwas, das man in einer entzauberten Rechtswelt, die den gegenwärtig (und möglichst auch noch in Zukunft) Lebenden gewidmet ist, hoffen kann: siehe Derrida, Gesetzeskraft. Der „mystische Grund der Autorität“, 1991, 56. Nicht beseitigen lässt sich damit aber das „[…] Unbehagen daran, daß wir Recht suchen, weil wir es brauchen, es aber für uns und unsere Zeit nicht finden können, weil es noch nicht da ist“ (Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1986, 41). 288   Diese Formulierung ist freilich nur eine geringfügige Variation der bereits von Rudolf Wiethölter gestellten Frage nach dem „Faktor X“ des Rechts; dazu ders., Zum Fortbildungsrecht der (richterlichen) Rechtsfortbildung. Fragen eines lesenden Recht-Fertigungslehrers, KritV 71 (1988), 1 ff. („Recht als Recht gegen Recht durch Recht“). 289   In diesem Sinn: Teubner, Zeitschrift für Rechtssoziologie 29 (2008), 9 ff. (21 ff.); sowie im selben Band Menke, 81 ff. (103 ff.).

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IV.  Rechtsgerechtigkeit und Menschenrechte Konkretisiert man demnach die scheinbar verschwommenen Vorstellungen einer Biomoralität in der soeben angedeuteten Weise, also dergestalt, dass sie die Forderungen einer empathischen Rechtsgerechtigkeit im Sinne einer sich selbst transzendierenden Gesellschafts-Gerechtigkeit formulieren, erschließen sich die notwendigen Möglichkeitsräume, in denen soziale Systeme und vor allem das Recht ihren lebendigen Umwelten, insbesondere den individuellen Menschen aus Fleisch und Blut gerecht werden können. Noch konkreter bedeutet das, Rechte, allen voran Menschenrechte, als soziale und auch als individuelle Entfaltungsrechte zu verstehen. Dann geht es nicht mehr bloß darum, Grundrechte als subjektiv-rechtliche Durchsetzungsinstrumente von bürgerlich, politisch, wirtschaftlich, sozial oder kulturell bestimmten Zwecken und Gütern anzuwenden. Anstatt sie als Verwirklichungsrechte der vorgegebenen, verdinglichten Verhältnisse zu deuten, sind Grundrechte zukünftig vielmehr als Ermöglichungsrechte von gesellschaftlichen wie auch individuellen Entfaltungen zu denken. Insoweit kommt es vor allen Dingen darauf an, dass das Recht je gesellschafts- und menschenspezifische Autonomieräume gewährt, indem es erstens gesellschaftliche, kommunikative Prozesse in Form von institutionellen Grundrechten als intersystemische Kollisionsnormen stabilisiert, zweitens innergesellschaftliche Kommunikationen von Personen durch personale Grundrechte absichert und nicht zuletzt drittens humane und ökologische Rechte zum Schutz der lebendigen und natürlichen Umwelten des Rechts etabliert.290 Mit den letztgenannten Grundrechtsarten vermag das Recht ganz explizit auf die soeben skizzierten Forderungen der Biomoralität einzugehen, indem es sich in Gestalt „echter“, eng verstandener Menschenrechte unmittelbar der körperlichen und psychischen Integrität lebendiger Menschen annimmt.291 Doch auch die personale Seite des Grundrechtsschutzes dient letztlich der individuellen menschlichen Entfaltung, indem sie entsprechende personale Entfaltungsräume garantiert. Die Umstellung von einem Verwirklichungs- auf ein Ermöglichungsdenken zeigt sich hier vor allem in den jüngeren Verschiebungen der grundrechtlichen Schutzbereichsdogmatik in Richtung auf eine Gewährleistungsdogmatik 292 zur Einrichtung und Sicherung personaler Entfaltungschancen. Hierfür dürfte im bio- und informationstechnologischen Kontext das erst unlängst vom Bundesverfassungsgericht entworfene „Grundrecht auf Ge-

 Vgl. Teubner, Die anonyme Matrix, Der Staat 45 (2006), 161 ff. (177 ff.).  Siehe Teubner, a.a.O. (181 ff.). 292   Für einen Ansatz zur Systematisierung der Gewährleistungsdogmatik siehe Benjamin Rusteberg, Der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt. Eine veränderte Perspektive auf die Grundrechtsdogmatik durch eine präzise Schutzbereichsbestimmung, Tübingen 2009. 290

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währleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ ein prominentes Beispiel abgeben.293 Die Persönlichkeitsentfaltung des Menschen wird dabei in zweierlei Weise gewährleistet, die mit der Form, genauer: der Zwei-Seiten-Form der Person 294 korrespondiert. Rechtsperson wie auch Rechtspersönlichkeit bestehen im und als Unterschied von Person und individuellem Menschen, oder systemtheo­ retisch ausgedrückt: „Personen dienen der strukturellen Kopplung von psychischen und sozialen Systemen.“295 Daraus folgt zugleich der agonale Charakter der Rechtsperson „als eines Feldes unaufhörlicher wechselseitiger Irritationen“, deren Doppelseitigkeit „die Gestalt einer irreduziblen Doppeladressierung des Rechtssubjekts“ an[nimmt]: als Teilnehmer sozialer Praktiken […] und als In­ stanz privater Willkür […].“296 Die Rechtsperson ist die Form, die es dem Recht möglich macht, sich selbst reflexiv an seinem Anderen, nämlich an seinen psychischen und auch physischen, vor allem an seinen humanen, natürlichen, technischen und sonstigen materiellen Umwelten zu beobachten.297 Die angestrebte empathische Normierungspraxis, die Gerechtigkeit für das Andere des Rechts, findet somit hier ihren Ort: einen weiteren Möglichkeitsraum, dessen Gewährleistungen den Schutz der körperlichen und psychischen Integrität der Menschen mit weiteren personalen Entfaltungsmöglichkeiten flankieren – die ihrerseits wieder auf die Bestimmung der körperlichen und psychischen Inte­grität zurückverweisen. Entscheidend dabei ist, Personalität nicht bloß als eine quasi-naturale Eigenschaft menschlicher, von Natur aus vermeintlich freier Wesen zu sehen, geschweige denn „Mensch“ und „Person“ schlicht gleichzusetzen.298 Weitaus besser versteht man die „Person“ im systemtheoretischen Sinne als eine „individuell attribuierte Einschränkung von Verhaltensmöglichkeiten“299 und   BVerfGE 120, 274 (302).   Vgl. hierzu Luhmann, Die Form „Person“, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 142 ff. 295   Luhmann, a.a.O. (153). 296   Siehe hierzu Menke, Subjektive Rechte: Zur Paradoxie der Form, Zeitschrift für Rechtssoziologie 29 (2008), 81 ff. (94). 297   Siehe weiterhin Menke, a.a.O. (90 ff.); Niklas Luhmann, Subjektive Rechte: Zum Umbau des Rechtsbewußtseins für die moderne Gesellschaft, in: Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd.  2, Frankfurt a.M. 1981, 45 ff. 298   Niklas Luhmann betont es immer wieder aufs Neue; er scheint sich also der schier übermächtigen Neigungen, Mensch und Person oder Mensch und Subjekt miteinander zu verwechseln, durchaus bewusst zu sein: „Was geblieben ist, ist eigentlich nur die Gewohnheit, das menschliche Individuum als Subjekt zu bezeichnen und es, in einer Art Konspiration gegen die Gesellschaft, unter diesem Namen zu verteidigen. Das ist nun freilich an Banalität kaum mehr zu übertreffen – und deshalb meinungsklimatisch wirksam. Die Tücke des Subjekts – das ist seine Art, sich menschlich zu geben, sich als Mensch anbiedern zu können.“ (Ders., Die Tücke des Subjekts und die Frage nach den Menschen, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 155 ff., 157). Dazu im Übrigen auch ders., Soziale Systeme, 1984, 286 ff. 299   Luhmann, Die Form „Person“, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der 293

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„soziale Ermächtigung zum Handeln“300 . Aber auch dadurch wird noch nicht die „Person als ganze“ erfasst, solange sie als semantisches Artefakt eines Akteurs lediglich zu den verhaltenseinschränkenden „Erwartungskollagen“301 sozialer Systeme gerechnet wird. Die „Person als ganze“ ist mehr: der ganze Reichtum ihrer Lebens- und Erlebensgeschichten, ihrer narrativen Identität, ihre „Selbstheit“, aber auch ihre unveränderliche „Selbigkeit“302 – Körper und Psyche des Person gewordenen Individuums als deren Anderes eingeschlossen. Aus alledem folgt die Forderung nach einem umfassend verstandenen Menschenschutz, der zuallererst eine Rückbesinnung auf die von Hannah Arendt auf den Punkt gebrachte Kernfunktion der Menschenwürdegarantie als ein „Recht, Rechte zu haben“303 verlangt. Christoph Menke setzt diesen Gedanken fort, indem er das in der Menschenwürde verankerte „Recht auf Rechte“ einerseits auf die menschliche Bestimmung zur sozialen Mitgliedschaft, andererseits jedoch auch auf die Eigenrechte des individuellen Menschenwesens bezieht. Neben Rechten darauf, in sozialen Beziehungen und einer politisch organisierten Gemeinschaft berücksichtigt zu werden,304 folgt daraus zugleich ein Anspruch eines jeden einzelnen Menschen, hinsichtlich seiner individuellen Besonderheiten, die nicht sozial integriert werden können, außerhalb der Gesellschaft zu bleiben.305 Dabei ist es vor allem die Selbstachtung des individuellen Menschen, seine psychische und physische Integrität, sein leibliches und seelisches Innenleben, aber auch seine biologisch-materielle Existenz als Mensch aus Fleisch und Blut, Mensch, 1995, 142 ff. (148); ferner ders., Soziale Systeme, 1984, 429: „Als Personen sind hier nicht psychische Systeme gemeint, geschweige denn ganze Menschen. Eine Person wird vielmehr konstituiert, um Verhaltenserwartungen ordnen zu können, die durch sie und nur durch sie eingelöst werden können. Jemand kann für sich selbst und für andere Person sein. Das Personsein erfordert, daß man mit Hilfe seines psychischen Systems und seines Körpers Erwartungen an sich zieht und bindet, und wiederum: Selbsterwartungen und Fremderwartungen.“ 300   Luhmann, Subjektive Rechte: Zum Umbau des Rechtsbewußtseins für die moderne Gesellschaft, in: Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd.  2, 1981, 45 ff. (74). 301  Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 178. 302   Zur Einheit der Differenz von „Selbstheit“ (ipse) und „Selbigkeit“ (idem) im Sinne einer narrativen Identität vor allem Paul Ricœur, Das Selbst als ein Anderer, München 1996, 173 ff. 303   Hannah Arendt, Es gibt nur ein einziges Menschenrecht, Die Wandlung 4 (1949), 754 ff. (760).; dies., Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt a.M. 1955, 476. 304   Siehe nochmals Arendt, a.a.O. 305   Vgl. hierzu Christoph Menke, Subjektive Rechte und Menschenwürde. Zur Einleitung, in: Trivium, 3‑2009, Rn.  9 f., mit besonderen Hinweisen zu den Vorgängern eines solchen radikalen Individualismus: Adorno, Plessner, Luhmann; näher zu diesem Menschenwürdekonzept Malte-Christian Gruber, „Menschenwürde“ – Menschlichkeit als Bedingung der Würde?, in: Heike Baranzke/Gunnar Duttge (Hg.), Autonomie und Würde. Leitprinzipien in Bioethik und Medizinrecht, Würzburg 2013, 417 ff. (428 ff.); siehe ferner Ladeur/Augsberg, Die Funktion der Menschenwürde im Verfassungsstaat, 2008, 10 ff., die allerdings in erster Linie nur die „Rolle des Menschen als Rechtssubjekt“ und weniger dessen außergesellschaftliche, individuelle Besonderheiten durch die Menschenwürdegarantie geschützt sehen.

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die nicht erst als Teil der sozialen und rechtlichen Kommunikation zur Persönlichkeitsentfaltung wird, sondern schon vorgesellschaftlich und auch vorrechtlich im phänomenalen Selbsterleben verborgen liegt. Dort ist sie kommunikativ nicht unmittelbar erreichbar, in diesem Sinn also „unantastbar“ – und doch bildet sie mit den lebendigen Reaktionen, Widerständen, Selbsterhaltungsprozessen und Identitätskämpfen der Individuen den Ursprung der bereits erwähnten „latenten Rechte“, die als „Proto-Rechte“306 oder „Eigenansprüche der Menschen aus Fleisch und Blut“307 zuerst ein „Recht auf Rechte“ einfordern – was ins Recht übersetzt eben bedeutet, die Unantastbarkeit der Menschenwürde zu gewährleisten. Auf diesem Weg gelangen die existentiellen Forderungen der außerrechtlichen, aus lebendigen Wesen mit ihren Selbsterfahrungen und selbst erlebten Lebensgeschichten zusammengesetzten Umwelten des Rechts schließlich doch ins Recht: Durch Irritationen und Perturbationen, die in Rechtskonflikte – insbesondere in solche um Menschenwürde und Menschenrechte – übersetzt werden, deren Lösung letztlich einen absoluten, nicht-abwägbaren, mithin unantastbaren Grundbestand von Eigenrechten beachten muss. Menschenwürdeschutz heißt dann, den Menschen als ein lebendiges Individuum ebenso wie als soziales Wesen zu berücksichtigen und – zu berechtigen. Die Würde des Menschen ist daher sowohl in dessen natürlicher Individualität als auch in seiner sozialen Integrität als Rechtssubjekt und ‑person zu garantieren; er ist gleichermaßen als „Seinsgegebenheit“308 und als gesellschaftlicher Akteur, eben als Mensch und als Subjekt zu achten. Auch die Menschenwürde bedarf allerdings einer rechtlichen Anerkennung, die über eine rein deklaratorische Feststellung einer als jederzeit vorhanden zu denkenden Menschenwürde hinausgeht.309 Anerkennung heißt in diesem Sinn zunächst festzulegen, inwieweit der Mensch zur sozialen Teilnahme berechtigt und verpflichtet sein soll. Des Weiteren gilt es zu bestimmen, welche Teile der individuellen Menschlichkeit in ihrer Besonderheit geschützt werden sollen, obwohl oder gerade weil sie sich außerhalb der gesellschaftlichen Kommunikation befinden. Dieser Schutz 306   Siehe hierzu Stenner, in: Soziale Systeme 10 (2004), 159 ff. (162): „If a claim is an expectation we feel a right to, then it must be recognised that we are dealing with a primal notion of right (a ‚proto-right‘) prior to its division into moral, legal and epistemic orders.“ 307   Teubner, Die anonyme Matrix, Der Staat 45 (2006), 161 ff. (172). 308   Darin liegt weiterhin der richtige Kern der traditionellen Verfassungsinterpretation, die in der Menschenwürdegarantie einen „obersten Wert des Grundgesetzes“ (vgl. BVerfGE 45, 187, 227; 96, 375, 399) sieht, der jeder rechtlichen und politischen Ordnung unverfügbar vorausliege und dem zufolge der Wortlaut des Art.  1 Abs.  1 GG eine deklaratorische Funktion habe, die sich auf die Feststellung einer „Seinsgegebenheit“ richte. Siehe hierzu Günter Dürig, in: Maunz/Dürig: Grundgesetz. Kommentar. Loseblattsammlung, München 1958, Rn.  17 ff. 309   Darin liegt der Irrtum traditioneller Standpunkte, die den „allgemein menschliche[n] Eigenwert der Würde unabhängig von der Realisierung beim konkret existierenden Menschen“ als vorhanden denken möchten. Vgl. Dürig, a.a.O. Vgl. auch Ladeur/Augsberg, Die Funktion der Menschenwürde im Verfassungsstaat, 2008, 10 ff. und 27 ff.

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bleibt nicht alleine auf Menschen im Vollbesitz ihrer Vernunftfähigkeit und Autonomie beschränkt, sondern vermag auch anderen menschlichen Wesen an den Randbereichen ihrer Existenz, vom Ungeborenen bis hin zum Sterbenden, zugute zu kommen.310

V.  Menschliche Einheit in personaler Vielheit Wenn von der Entfaltung der Persönlichkeit des Menschen in technisierter Verfassung die Rede ist, soll damit folglich ein Mehrfaches zum Ausdruck kommen. Zunächst ist es der Mensch selbst, als körperlich-leiblich-seelische Einheit, der sich in technisierter Verfassung befindet – und die ihn zu einer Einheit in der Vielheit seiner psychischen und physischen Teile macht, zu einem individuellen Naturwesen, das zugleich Person ist mit einer Vielzahl bereichsspezifischer Ausprägungen, die als Gewährleistungen des Persönlichkeitsrechts entfaltet werden. „Mensch in technisierter Verfassung“ bezeichnet damit weder einen krankhaften Zustand noch eine transhumanistische Zukunftsverheißung, vielmehr eine Gegenwartsdiagnose des – wenn man entsprechende, in der gegenwärtigen Verwendung jedoch immer nur vorläufige historische Einordnungen gebrauchen will – posthumanen Zeitalters der Bioinformations-Technowissenschaften.311 In diesem Zeitalter ist „der Mensch“ längst keine Naturkonstante mehr; sein Körper und auch sein Geist sind selbst der Technisierung unterworfen. Beide müssen im dauernden Wandel der Technologien und in reflexivem Bezug auf entsprechend veränderliche Personalitätskonzepte der – ebenfalls technisierten – Gesellschaft immer wieder neu verhandelt und zur menschlichen Einheit der 310  Vgl. Gruber, Vom Kontinuum der Herkunft ins Kontinuum der Zukunft, in: Karafyllis (Hg.), Biofakte, 2003, 131 ff. 311   Als Schlüsseltexte der posthumanen Ära der Technoscience können gelten: N. Katherine Hayles, How We Became Posthuman: Virtual Bodies in Cybernetics, Literature, and Informatics, Chicago 1999; Donna J. Haraway, Modest_Witness@Second_Millennium. FemaleMan©_Meets_OncoMouse™. Feminism and Technoscience, New York/London 1997; Bruno Latour, Science in Action: How to Follow Scientists and Engineers through Society, Cambridge (MA) 1987; für einen Überblick mit zahlreichen weiteren Nachweisen siehe etwa Herbrechter, Posthumanismus, 2009, 31 ff.; Weber, Umkämpfte Bedeutungen. Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience, 2003, 45 ff. und 114 ff.; vgl. ferner die gesammelten Beiträge in Weiß (Hg.), Bios und Zoë, 2009. Ein besonderes Kennzeichen des Posthumanismus sollte schließlich in der Einsicht bestehen, dass Menschen zu den Umwelten des Gesellschaftssystems gehören. Dieses ist dann seinerseits zwar nicht mehr von einer „Natur des Menschen“ oder sonstigen Menschenbildern her bestimmbar, kann sich aber dennoch (oder gerade deswegen) in einem normativen Sinn human gestalten, insofern es sich dadurch vom modernen, humanistischen „Theoriemuster der sozial generalisierten, aber eben damit entindividualisierten ‚Identität‘“ befreien kann. Vgl. hierzu Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 353; ders., Die Tücke des Subjekts und die Frage nach den Menschen, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 155 ff. (167 f.).

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Vielheit bestimmt werden.312 Genaugenommen geht es um das Eine in der Vielfalt von Körper- und Seelenteilen, die zur gleichen Zeit und an gleicher Stelle real voneinander unterschieden und dabei untrennbar miteinander verbunden sein können.313 Die gerade angesichts immer neuer technologischer Bedrohungen wiederholt beschworene und beinahe schon als trivial geltende Formel gilt auch weiterhin: Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Teile. Allerdings aus gutem Grund, wie Gilles Deleuze unter Berufung auf Gottfried Wilhelm Leibniz schreibt: „Das Vielfältige ist nicht nur dasjenige, was viele Teile hat, sondern was auf viele Weisen gefaltet ist.“314 Beim Menschen sind es die „Faltungen der Materie“ seines Körpers und die „Falten in der Seele“, die seine Einheit dadurch konstitutieren, dass sie in ihren untrennbaren Verstrickungen einander entsprechen, ohne jedoch ihren realen Unterschied beseitigen zu können. Denn auch zwischen den Falten von Seelen und Körpern verlaufen Falten, plica ex plica. Die in sich gefalteten Seelen umgeben die Faltungen der Materie, wie auch umgekehrt die als „Verinnerlichung des Äußeren“ gefaltete Körpermaterie die Seelen umschließt.315 Wenngleich der Gedanke eines solchen Faltenwurfes in der untrennbaren Vereinigung des Unterschiedenen aus heutiger Sicht ungewöhnlich scheinen mag,316 stellt er doch einen aussichtsreichen Entwurf dar, das Leib-Seele-Verhältnis dem bioinformationstechnologischen Zeitalter gemäß in seiner technisierten Mannigfaltigkeit zu denken, ohne dabei die Immanenzebene des Lebens317 zu verlassen.318 In ihrer Vereinigung gehört der Seele ein Körper, von 312   In gewissem Sinn bedeutet das die fortgesetzte Suche nach einer Vereinigung von Seele und Körper (l’union de l’ame et du corps), wie sie bereits Gottfried Wilhelm Leibniz vor Augen hatte: „Auf diese Weise kann man auch verstehen, wie die Seele ihre Stätte im Körper hat kraft einer unmittelbaren Gegenwart, die nicht größer sein kann, weil sie darin ist wie die Einheit im Ergebnis der Einheiten, nämlich der Menge [la multitude].“ (Ders., Neues System der Natur und des Verkehrs der Substanzen sowie der Verbindung, die es zwischen Seele und Körper gibt, in: Philosophische Schriften, Band I (im Folgenden: PS I), hg.  v. Hans Heinz Holz, Darmstadt 1965, 200 ff., 220 f.). 313   Zu dieser wesentlichen These der Leibniz’schen Verbindung von Seele und Körper siehe vor allem Gilles Deleuze, Die Falte: Leibniz und der Barock, Frankfurt a.M. 1995, 175 und 193 ff. 314  So Deleuze, a.a.O. (11). 315   Siehe hierzu Deleuze, a.a.O. (11 ff. und 193 ff.). Ganz ähnlich, mit besonderem Bezug auf „die einzigartige topologische Vielfalt, die unsere Haut zeigt“, aus deren „Einstülpung“ dann die Sinne hervorgehen, lautet auch die Deutung der Gemische von Körper und Seele bei Michel Serres, Die fünf Sinne. Eine Philosophie der Gemenge und Gemische, Frankfurt a.M. 1998, 26, 64 sowie 103 ff. 316   Zur Philosophie der Faltung, Entfaltung und Wiederfaltung siehe ferner Gilles Deleuze, Spinoza und das Problem des Ausdrucks in der Philosophie, München 1993; sowie insbesondere ders., Foucault, Frankfurt a.M. 1992, 131 ff. 317  Vgl. Gilles Deleuze, Die Immanenz: Ein Leben…, in: Friedrich Balke/Joseph Vogl (Hg.), Gilles Deleuze – Fluchtlinien der Philosophie, München 1996, 29 ff. 318   Dass das Bild des Faltenwurfes besonders geeignet ist, um das Verhältnis von Form und Materialität zu explizieren, insbesondere im sinnlichen Erleben durch den „phänomenalen

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dem sie unterschieden, aber untrennbar ist. Sie ist ihm unmittelbar gegenwärtig, indem sie in ihm eine Entsprechung projiziert, sich sozusagen auf ihm faltet. Umgekehrt ist der Körper aber auch untrennbar von Seelen, die ihm zugehören, insofern sie ihm in Form von Erfordernissen des organischen Körpers anwesend sind. Verkürzt ausgedrückt: Körper und Seelen sind füreinander jeweils Außenseiten der Innenseiten, oder auch Innenseiten der Außenseiten, je nach Beobachtungsstandpunkt und Blickrichtung – und sie ragen ineinander, sind miteinander wie „Invaginationen des Außen“319 verbunden. Beide sind voneinander abgegrenzt, insofern sie real unterschieden sind, doch niemals lassen sich zwischen ihnen genau bestimmte Demarkationslinien feststellen. Ihre Grenzen gleichen Küstenlinien, nach Art einer fraktalen Geometrie der Natur320 oder, im Besonderen, einer fraktalen Affektlogik 321. In jedem Punkt ihrer Trennlinien tut sich ein neuer Spielraum auf, finden sich neue Umwege. Jeder noch so kleine Grenzabschnitt erweist sich als „Ort einer neuen Auffaltung“.322 Die gefaltete, fraktal erscheinende Grenze zwischen Körpern und Seelen erzeugt so im Zusammenwirken von körperlichen, psychischen und auch sozialen Vorgängen eine Struktur der Selbstähnlichkeit, die in diesem Sinn auch auf eine gewisse „Brückenfunktion“ der Affekte als „umfassende psychophysische Gestimmtheiten“ zurückgeführt werden kann.323 Darin lassen sich zugleich die erwähnten vorrechtlichen Wurzeln eines Empathievermögens erkennen, das seinerseits eine dynamische Brückenfunktion in den strukturellen Kopplungen komplexer Sinnsysteme mit deren lebendigen Umwelten übernehmen kann.324 Im Ergebnis lässt sich das Leib-Seele-Verhältnis nach Leibniz und mit Deleuze als eine wechselseitige Beziehung der „doppelten Zugehörigkeit“ durch unmittelbare Anwesenheit beschreiben, die jedoch keine Einwirkung bedeutet.325

Leib als das Vehikel unseres Zur-Welt-seins“, zeigt sich auch angesichts einer entsprechenden Illustration des synästhetischen Wahrnehmens bei Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966 (Nachdruck 1974), 268: „Die Form einer Falte in Leinen- oder Baumwolltuch macht uns die Geschmeidigkeit oder Sprödigkeit der Faser, die Kühle oder Wärme des Stoffes sichtbar.“ 319  Vgl. Deleuze, a.a.O. (20). 320  Siehe Benoît B. Mandelbrot, Die fraktale Geometrie der Natur, Basel/Boston 1991. 321   Vgl. hierzu Ciompi, in: Soziale Systeme 10 (2004), 21 ff. (28 ff.). 322   Vgl. hierzu Deleuze, Die Falte: Leibniz und der Barock, 1995, 32. 323   So – allerdings mit recht weit gehender Betonung der „Wechselwirkungen zwischen Emotion und Kognition auf beliebigen individuellen und kollektiven Ebenen“ – Ciompi, in: Soziale Systeme 10 (2004), 21 ff. (28 ff. und 34 ff.). 324   Siehe dazu oben, Fn.  255, in diesem Abschnitt. 325  Dazu Deleuze, a.a.O. (194 f.): „Die Seele ist Lebensprinzip durch ihre Anwesenheit und nicht durch ihre Einwirkung. Die Kraft ist Anwesenheit und nicht Einwirkung. Jede Seele ist untrennbar von einem Körper, der ihr gehört, sie ist ihm durch Projektion anwesend; jeder Körper ist untrennbar von Seelen, die ihm gehören und die ihm im Erfordern anwesend sind.“ (Hervorhebung im Original); ferner ders., a.a.O. (26 f., 184 ff. und 192); zum ursprünglichen Gedanken der Leib-Seele-Zugehörigkeit Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie, §§  63 ff.,

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Mag die Seele als substantielle Einheit das menschliche Ich womöglich noch in seinem Kern prägen,326 und zwar auch insofern sie einen Körper hat, so erschöpft sich die Personalität des Menschen nicht etwa in den Aktualisierungen dieses monadischen Seins, sondern wird im Möglichkeitsraum des Körpers vielfältig realisiert. Sie entfaltet sich in den Faltungen des körperlichen Materials, welches der Seele zwar ähnlich, aber äußerlich ist – und das diese wiederum affiziert und modifiziert nach Art einer gewundenen Falte oder eines vinculum substantiale, das ein „Hin und Her von Seele zu Körper und Körpern zu Seelen“ herstellt und es erlaubt, dass „man bald im Körper eine ‚ideale Ursache‘ dessen bezeichnen kann, was in der Seele geschieht, bald in der Seele eine ideale Ursache dessen, was dem Körper geschieht […]“.327 Aus einem derartigen vinculum, durch das „jede psychische Aktivität an das Funktionieren eines körperlichen Apparates gebunden ist“, hat bereits Gabriel Tarde aus soziologischer Sicht gefolgert, „dass kein Individuum in einer Gesellschaft sozial handeln kann – oder überhaupt handeln kann – ohne die Mitarbeit einer großen Anzahl anderer Individuen, von deren Existenz es zumeist nicht einmal etwas ahnt.“328 Gesellschaft ist danach, so Tarde, „der in mannigfaltigen Formen auftretende Besitz von allen durch jeden Einzelnen“.329 Besitz heißt auch hier Zugehörigkeit im Leibniz’schen Sinn. Die Individuen können zu „besessenen Besitzern“ werden und einander gehören; sie können einander in einer vergleichbaren Weise haben, wie Seelen einen Körper haben können: Sie können im jeweils anderen unmittelbar anwesend, gegenwärtig sein – hier zunächst weniger im körperlichen als vielmehr im geistigen Sinne, vor allem nämlich durch ihre Gedanken, Ideen, Willen, Urteile, Absichten, Erfindungen, Entdeckungen, Gebräuche, Moden und sonstigen sozialen Neuerungen, die sich allesamt im Wege der Nachahmung – mittels des menschlichen Gehirns als „Wiederholungsorgan“ und vermöge der subjektiven, „inneren“, quasi-seelischen Kräfte der Überzeugung und des Begehrens – verbreiten können.330

in: Philosophische Schriften, Band I (im Folgenden: PS I), hg.  v. Hans Heinz Holz, Darmstadt 1965, 438 ff. (468 ff.). 326   Siehe hierzu Leibniz, Neues System der Natur und des Verkehrs der Substanzen sowie der Verbindung, die es zwischen Seele und Körper gibt, in: PS I, 1965, 200 ff. (214 f.): „Darüber hinaus gibt es vermittels der Seele oder Form eine wahre Einheit, die dem entspricht, was man in uns das Ich nennt. Das kann weder bei den künstlichen Maschinen noch bei der einfachen Materiemasse statthaben, die man sich, wie organisiert sie auch sein mag, wie eine Armee oder einen Haufen vorstellen kann oder wie einen Teich voll von Fischen oder wie eine aus Federn und Rädern zusammengesetzte Uhr. Wenn es indessen keine wahren substantiellen Einheiten gäbe, so gäbe es auch nichts Substantielles oder Wirkliches in der Sammlung.“ 327   Vgl. hierzu Deleuze, Die Falte: Leibniz und der Barock, 1995, 178 ff. und 195 f. 328   Tarde, Monadologie und Soziologie, 2009, 60. 329  So Tarde, a.a.O. (87). 330   Hierzu insbesondere Gabriel Tarde, Die Gesetze der Nachahmung, Frankfurt a.M. 2009, 95 ff. und 163 ff.

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Erster Abschnitt. Personen

„Einen Gedanken haben“, „eine Seele haben“, „einen Körper haben“ – kaum kann mit einem solchen Haben ein isoliertes Eigentum im Sinne eines andere vollständig ausschließenden Verfügungsrechts gemeint sein.331 Allenfalls in einer Art höchsten Habens einer eigenen, substantiellen Seele und eines eigenen Leibes, welche man besser als Person-Sein, mithin als Kern der menschlichen Persönlichkeit beschreibt, mag ein besonderes absolutes Recht denkbar sein, das aber geradezu das Gegenteil eines eigentumsmäßigen Verfügungsrechts bedeuten wird: nämlich personale Nicht-Sozialisierbarkeit, Nicht-Kommerzialisierbarkeit, in diesem Sinn also Unverfügbarkeit, Unantastbarkeit, Würdegarantie. Es gibt demnach durchaus eine personale Identität, doch kann sie nur einen Kernbereich, mithin eine sehr eng verstandene Sphäre eines einzigartigen menschlichen Individuums, des lebendigen Menschen aus Fleisch und Blut in seiner psychischen und physischen Integrität, bezeichnen. Demgegenüber kann die Mannigfaltigkeit der menschlichen Persönlichkeit – gerade in ihrer Sozialität – weniger durch ein Selbst-Sein als vielmehr durch ein Selbst-Haben bestimmt werden. Eine solche Umstellung des auf dem Verb „sein“ basierenden philosophischen Denkens, das – wie Tarde feststellt – „mal haben, mal gleichen“ bedeuten kann, auf den Leitbegriff des „Habens“,332 gehört zu den wichtigsten Erträgen, die man für ein besseres Verständnis der menschlichen Personalität unter Technisierungsbedingungen gewinnen kann. Anders als die ontologische Unterscheidung von „Sein“ und „Nicht-Sein“ sowie von „Ich“ und „Nicht-Ich“ ist die „Philosophie des Habens“ dazu imstande, das graduelle Kontinuum der möglichen und wirklichen personalen Eigenschaften, die eben keine Identitäten sind, mit ihren eigenen Differenzen von „Ich“ und „mein“ und von „Sein“ und „gehabt“ zu erfassen: „Man kann mehr oder weniger haben, während es zwischen Sein und Nichtsein keine Mitte gibt.“333 Diesen gedanklichen Schritt hat in der jüngeren Vergangenheit vor allem Bruno Latour weiterverfolgt und im Rahmen seiner „neuen“ Soziologie, der Theorie des Wiederversammelns des Sozialen und des erneuten Assoziierens des Noch-nicht-Sozialen,334 die Vermutung bestätigt, dass diese Aussage auch 331   Derartige Missverständnisse erklären insoweit den humanistischen Protest und die kritische Klage der Entfremdung des Individuums durch die am Besitz orientierte Gesellschaft, wie ihn beispielsweise Erich Fromm, Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, 27.  Auflage, München 1999, 27 ff., formuliert. Demgegenüber sei nochmals betont, dass Haben nicht mit einem eigentumsmäßigen Verfügen gleichzusetzen ist, sondern Zugehören bedeutet. Dieses Verständnis findet eine Parallele in der Phänomenologie der Wahrnehmung als „Haben“ im Sinne einer raum-zeitlichen Koexistenz und „Zugehörigkeit zweier Phänomene zu ein und derselben Zeitwelle“ (Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966 (Nachdruck 1974), 308; hierzu bereits oben, Fn.  279, in diesem Abschnitt). 332   Siehe dazu Tarde, Monadologie und Soziologie, 2009, 87 ff. 333  So Tarde, a.a.O. (89). 334  Vgl. Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 9 ff., unter anderem

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für das Haben einer Persönlichkeit gilt: Die menschliche Persönlichkeit setzt sich demzufolge aus eine Vielzahl zirkulierender Entitäten zusammen. Latour nennt sie „Mittler“, im Besonderen „Subjektivierer“, „Personalisierer“, „Individualisierer“, vorzugsweise gar – in Anlehnung an die entsprechende informationstechnologische Begriffsbildung – „Plug-ins“.335 Die menschliche Persönlichkeit scheint also in einer den Informationstechnologien ähnlichen Art und auf eine vergleichbare Weise wie das Soziale in einer netzwerkförmigen Gestalt generiert und als eine „provisorische Realisierung einer buntscheckigen Assemblage“336 zusammengehalten zu werden. Daher kann sie sich letztlich auch nicht in der Identität des Menschen aus Fleisch und Blut erschöpfen, sondern entfaltet sich in „vielen sukzessiven Schichten“337, im Haben der Latour’schen „Plug-ins“. Allerdings konkretisiert Latour dieses Haben zu einer beweglichen, temporalisierten Form des „Formatierens“, „Beziehens“, sozusagen „Herunterladens“ von „Plug-ins“. Als solche muss sie fortlaufend aktualisiert werden und kann insoweit niemals zu einem dauerhaften, statischen Besitz eines Individuums werden.338 Auf gleicher Linie mit Tarde, mit beachtenswertem Hinweis auf die Verpflichtung der Soziologie auf eine „Wissenschaft vom Zusammenleben“ (11): Laurent Thévenot, Une science de la vie ensemble dans le monde, in: La Revue semestrielle du MAUSS 24, 115 ff. 335  Siehe Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 352 ff. 336  So Latour, a.a.O. (359), der diesen Punkt noch näher beleuchtet: „So wie die von Bürokratien und Industrien geschaffene Arbeitsteilung Durkheim und Weber half, ihre eigenen Definitionen sozialer Verknüpfungen aufzuzeichnen, helfen uns die Informationstechnologien, die Arbeit zu erfassen, die bei der Akteur-Produktion geleistet wird. Es ist nun sehr viel leichter, den Akteur nicht als ein Subjekt zu betrachten, das mit irgendeiner primordialen Innerlichkeit ausgestattet ist und seinen Blick auf eine objektive Welt richtet, die aus rohen Dingen besteht, denen es sich widersetzen muß oder aus denen es sich ein symbolisches Gebräu brauen kann. Statt dessen sollten wir nun imstande sein, empirisch zu beobachten, wie ein anonymer und generischer Körper dazu gebracht wird, eine Person zu werden: Je intensiver der Schauer angebotener Subjektivitäten, desto mehr Innerlichkeit erhält man.“ Mit vergleichbarem Bezug auf die sozialen Bedingungen der „Individualität“ psychischer Systeme auch Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 348 ff., insbesondere 360 f.; ferner ders., Die gesellschaftliche Differenzierung und das Individuum, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995, 125 ff.; vgl. ferner – mit besonderem Augenmerk auf die psychologischen Formen der Subjektivierung in vielfältigen Assemblagen – Nikolas Rose, Inventing our selves. Psychology, power, and personhood, Cambridge (UK) 1996, 169 ff. 337   Latour, a.a.O. (358). 338  Vgl. Latour, a.a.O. (362 f.). Vergleichbare Deutungen eines solchen dynamischen Habensbegriffs lassen sich indes auch bei Tarde und Deleuze erkennen, so etwa bei Deleuze, Die Falte: Leibniz und der Barock, 1995, 178. Den Grundgedanken eines beweglichen, geradezu heraklitisch-fluiden „Habens“ findet man freilich schon bei Leibniz; in diesem Sinn etwa ders., Monadologie, §  71, in: PS I, 1965, 438 ff. (470 ff.): „Man darf sich aber nicht wie einige, die meine Gedanken mißverstanden haben, einbilden, daß jede Seele eine Masse oder einen Abschnitt Materie besitzt, der ihr für immer eigen oder angeheftet wäre und daß sie folglich andere niedere Lebewesen besäße, die immer zu ihrem Dienste bestimmt wären. Denn alle Körper sind wie Ströme in einem dauernden Fluß, und dauernd gehen Teile in sie ein und verlassen sie wieder.“ Zur vergleichbaren Vorstellung einer „Zeitlichkeit“ des stets in der Gegenwart operierenden Bewusstseins Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 356.

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Erster Abschnitt. Personen

Deleuze und Leibniz erweisen sich auch Latours „Plug-ins“ dabei als „Seelensupplemente“339, die insoweit zum Körper gehören, als sie diesem zwar materiell und auch kognitiv und mental anwesend sein, nicht aber unmittelbar darauf einwirken können: „Während keines der Plug-ins die Macht hat zu determinieren, können sie vielleicht einfach jemanden dazu bringen, etwas zu tun.“340 In einem derartigen Vermögen, jemanden zu einem Tun zu veranlassen, anders ausgedrückt: in einer solchen Handlungswirksamkeit nichtmenschlicher Wesen ist Leibnizens „idealer Einfluß“341 oder die „ideale Ursache“ wiederzuerkennen, welche Deleuze dazu gebracht hat, das „Hin und Her von Seele zu Körper und Körpern zu Seelen“ als gefaltet und gebunden zu denken – mit dem Ergebnis, „daß es keine zwei Welten gibt“, sondern „nur ein und dieselbe Welt, ausgedrückt einerseits durch die Seelen, die sie aktualisieren, und andererseits durch die Körper, die sie realisieren, und die selbst nicht außerhalb ihrer Ausdrücke existiert.“342 Die untrennbar verbundenen, aber real unterschiedenen Sphären von Körpern und Seelen sind demnach zwei real unterschiedliche Ausdrücke derselben, einzigen, indes vielfach gefalteten Welt, in deren Faltungen sie bei aller Unterschiedenheit einander gegenwärtig sind und entsprechen. Diese eine, real unterschiedene und auch unterschiedlich auszudrückende, indes untrennbar vereinte Welt umfasst Körperliches wie Geistiges in Form von Zugehörigkeiten kraft „Anwesenheit“, „Gegenwart“, „Entsprechung“ und „Ähnlichkeit“. Um es auf eine Formel zu bringen: Ob körperlich-materiell oder geistig-immateriell, es handelt sich immer um ein und dieselbe Welt, aber diese Welt basiert auf realen Unterscheidungen des untrennbar Vereinten: Vielheit der Einheit, Einheit in der Vielheit, Einheit aller Differenzen.343

  Latour, a.a.O. (361).  So Latour, a.a.O. (370; Hervorhebung im Original); auch hierzu finden sich in der Systemtheorie vergleichbare Perspektiven im – freilich weiterhin konkretisierungsbedürftigen – Begriff der „strukturellen Kopplung“: „Gekoppelt sind mithin verschiedene, operational getrennte autopoietische Systeme, die einander wechselseitig voraussetzen und irritieren, aber nicht determinieren können.“ (Luhmann, Die Tücke des Subjekts und die Frage nach den Menschen, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 155 ff., 167). 341  Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie, §  51, in: PS I, 1965, 438 ff. (462 ff.). 342  Siehe Deleuze, Die Falte: Leibniz und der Barock, 1995, 194. 343  Diese Formel variiert die systemtheoretische Bestimmung der Einheit der Form als Einheit der Differenz von System und Umwelt – und verdeutlicht auf diese Weise, dass Luhmanns differenztheoretischer Ansatz mit den Vorstellungen einer real unterschiedenen, jedoch untrennbar vereinten Welt durchaus parallel läuft. Die Lebenswelt wird in ihrer Vielfalt niemals voll erfasst, kann aber als Umwelt in ihrer Komplexität und ihrem Ungeordnetsein immerhin vorausgesetzt und begriffen werden: vgl. hierzu Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 289 und 559; ders., Die Tücke des Subjekts und die Frage nach den Menschen, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 155 ff. (164 ff.). 339

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VI.  Entfaltung personaler Vielfalt Auf einen ersten, analytischen Blick mag dies auf unzulässige Vermengungen und Vermischungen 344 monistischer und dualistischer Denkweisen über Körper und Geist, Mensch, Natur, Kultur und Gesellschaft hindeuten. Genau besehen weist es jedoch darauf hin, dass die gewöhnliche Differenz von Monismus und Dualismus möglicherweise falsche Fronten und (Schein‑)Alternativen erzeugt. Dazwischen, im blinden Fleck dieser Unterscheidung von Einheits- und Zweiheitsdenken, bewegen sich die beschriebenen Ansätze des Vielfältigkeitsdenkens.345 Gewiss, das Leib-Seele-Problem ist mit alledem nicht gelöst – und wird vermutlich auch unlösbar bleiben. Aber anstatt sich im unendlichen Widerstreit monistischer versus dualistischer Geistestheorien 346 zu verlieren, vermögen die beschriebenen Verschiebungen des Beobachtungsstandpunktes, die neuen Unterscheidungen (im Untrennbaren), mit anderen Worten: Entfaltungen, den Blick freizugeben in die vielfachen Faltungen der körperlich-leiblich-seelischen Einheit „Mensch“ – und damit einen produktiven Umgang mit der Vielfalt der menschlichen Personalität ermöglichen. Diese Vielfalt gilt es also zu entfalten – was keinesfalls heißt, Differenzen, Spannungen, Paradoxien zu glätten, einzuebnen oder zu lösen,347 sondern eher im Sinne von Deleuze, von einer bis zu einer anderen Falte zu folgen,348 oder in   Siehe dazu jedoch auch Serres, Die fünf Sinne, 1998, 24: „Die Abstraktion zerschneidet den empfindenden Körper; sie grenzt Geschmack, Gehör und Tastsinn aus, behält nur Gesichtssinn und Gehör, Anschauung und Erkenntnisvermögen, zurück. Abstrahieren heißt weniger den Körper hinter sich lassen als ihn in Stücke schneiden: Analyse. […] Körper und Seele sind nicht getrennt, sondern unentwirrbar miteinander vermengt, selbst auf der Haut.“; weiter ders., a.a.O. (225 ff.). 345   Eilige Einordnungen der Leibniz’schen Leib-Seele-Theorie in die Kategorie dualistischer Ansätze können daher auch insoweit nicht überzeugen, als sie – von diesem Standpunkt aus betrachtet durchaus folgerichtig – sich dazu gezwungen sehen, die Vereinigung von Körperlichem und Seelischem schließlich etwa als „psychophysischen Parallelismus“, also gewissermaßen doch als einen Quasi-Monismus zu kennzeichnen. Vgl. hierzu etwa Michael Pauen, Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine Einführung, 2.  Auflage, Frankfurt a.M. 2001, 47 f.; Ansgar Beckermann, Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes, 2.  Auflage, Berlin/New York 2001, 44 ff. 346   Für einen Überblick (ebenfalls ohne Lösung) siehe Beckermann, a.a.O. (19 ff.); Pauen, a.a.O. (34 ff.). 347  Zum produktiven Umgang mit Paradoxien, vor allem auch mit solchen des Rechts, Gunther Teubner, Der Umgang mit Rechtsparadoxien: Derrida, Luhmann, Wiethölter, in: Christian Joerges/Gunther Teubner (Hg.), Rechtsverfassungsrecht. Recht-Fertigung zwischen Privatrechtsdogmatik und Gesellschaftstheorie, Baden-Baden 2003, 25 ff. (30 f.). 348  Vgl. Deleuze, Die Falte: Leibniz und der Barock, 1995, 16. Entsprechend der Bedeutung von „Falte“ im französischen Original – „le pli“ – lässt sich das Entfalten als Entwicklung des Einen im Vielfältigen (Explikation) verstehen, das Falten als Einhüllen (Implikation) und die Einheit der Differenz dieser zwei Bewegungen als „Komplikation“, anders ausgedrückt: als immanente „Weltseele, die alles kompliziert“; hierzu – mit weiteren Hinweisen auf das Werk „De triplici minimo et mensura“ (1591) von Giordano Bruno und auf die ursprüngliche Theorie der „complicatio“ nach Nikolaus von Kues – Gilles Deleuze, a.a.O. (43 f.): „[D]as Eine hat 344

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den Worten Latours, die sozialen Verbindungen neu zu versammeln, insbesondere die Assoziationen des Sozialen nachzuzeichnen 349 und eine nichtmoderne Verfassung350 der technisierten Welt zu entwerfen, oder einfach – in der etwas weniger bildhaften Sprache der Systemtheorie Luhmanns – andere Unterscheidungen zu finden.351 Wenn demzufolge „ein System die Differenz ‚ist‘, die Differenz zwischen System und Umwelt“,352 so ist diese Differenz zudem vielfach gefaltet und aktuell assoziiert: Systeme werfen Falten. Für das Subjekt, dessen „Einheit von etwas, was eine Vielheit ist, als Selbigkeit des Verschiedenen“ demnach bedeutet, dass es das „Paradox der Selbstbeobachtung, die Einheit der dazu nötigen Unterscheidung“ ist, bedeutet das zunächst: „[D]ie Entfaltung dieses Paradoxes kann verschiedene Wege nehmen je nach dem, wovon das Subjekt sich unterscheidet, um seine eigene Identität bezeichnen zu können.“353 Nicht alle Subjekte identifizieren sich über die gleichen Unterscheidungen, und auch die einzelnen Subjekte können ihre identifizierenden Unterscheidungen je nach Situation wechseln: „Das Subjekt wäre dann die ein Enthüllungs- und Entwicklungsvermögen, während das Vielfältige untrennbar von den Falten ist, welche es macht, wenn es eingehüllt ist, und untrennbar von den Entfaltungen, wenn es entwickelt ist. […] Explizieren – Implizieren – Komplizieren bilden die Triade der Falte, je nach den Variationen des Vielfältig-Einen.“ 349  Vgl. Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 17 ff., 35 f. und 275 ff. 350   Vgl. hierzu Latour, Wir sind nie modern gewesen, 2008, 184 ff.; sowie weiter ders., Das Parlament der Dinge, 2001. 351   Zum Verständnis des Umgangs mit Paradoxien im Sinne ihrer Entfaltung insbesondere Niklas Luhmann, Die Paradoxie des Entscheidens, Verwaltungs-Archiv 84 (1993), 287 ff. (294 f.): „Entfaltung einer Paradoxie ist nichts anderes als die Verlagerung des blinden Flecks des Beobachters an eine andere, weniger störende Stelle. […] Es werden, wider besseres Wissen, wieder stabile Identitäten eingeführt, die sich besser halten lassen. […] Aber Identitäten kann man nur mit Hilfe von Unterscheidungen bezeichnen, und auch diese Unterscheidungen sind paradoxieträchtig. Das muß man bei jeder Entfaltung einer Ausgangsparadoxie in Kauf nehmen. Der Gewinn kann also nie in einer paradoxiefrei gesicherten Weltkonstruktion liegen, wohl aber in Organisationsvorteilen der Kognition; oder auch in größerer historischer Plausibilität des Wissens in Situationen, in denen alte Unterscheidungen verbraucht sind und allzu leicht ‚hinterfragt‘ werden können.“ 352  So Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, 2.  Auflage 2004, 66 f. 353   Luhmann, Die Tücke des Subjekts und die Frage nach den Menschen, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 155 ff. (159 f.); dazu noch ders., a.a.O. (164): „Wenn aber Identität Differenz ist (ist!), stößt jeder Beobachter, der die Frage ‚was ist …?‘ stellt, auf eine Paradoxie. Ein System ist die Differenz von System und Umwelt, ist die Grenze, die eine innere Seite (System) und eine äußere Seite (Umwelt) trennt. Eben das nennen wir Form. Für Entitäten, denen man die Möglichkeit der Selbstbeobachtung nicht absprechen kann, bleibt dann nur noch die Annahme der Selbstfundierung in einer Paradoxie mit diversen Möglichkeiten der Entfaltung, das heißt der Überführung in handfeste Identitäten, die aber dann als kontingent, als bloße ‚Identifikationen‘ begriffen werden müssen. Jeder kann sich selbst irgendwie identifizieren – und sei es an der Gewißheit des eigenen Leibes, den er wie von außen (auch eine Paradoxie!) sehen kann. Mit einer raffinierten Begrifflichkeit kann man (wenn das System sich selbst schon gegeben ist) auf einen ‚Wiedereintritt‘ der Differenz von System und Umwelt setzen in Form der Möglichkeit, eigene Beobachtungsoperationen an der Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz zu orientieren.“

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jeweils neu zu aktualisierende Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremd­ referenz mit jeweils anderen Bestimmungen.“354 In der fortlaufenden Oszillation zwischen den Paradoxien der Selbstbeobachtung des Subjekts und den immer neuen, indes ebenfalls paradoxieträchtigen Differenzierungen von subjektiver Identität liegt zwar letztlich nur ein Wechselspiel von Entparadoxierung und Reparadoxierung, in gewissem Sinne gar eine ewige Wiederkehr des Gleichen 355 – und das ohne jede Aussicht auf eine „paradoxiefrei gesicherte Weltkonstruktion“356 , die stabile Subjekt-, Personund Persönlichkeitskonzepte oder auch endgültige Lösungen versprechen könnte.357 Aber es zeigen sich darin Perspektiven, um die modernen Widersprüche, Unlösbarkeiten und verdrängten Paradoxien in einer Art und Weise zu bearbeiten, die sich nicht mehr alleine auf Syllogismen und Subsumtionen, und auch nicht bloß auf praktische Konkordanzen 358 und Abwägungen 359 verlässt. Darüber hinaus geht es im weiteren Sinn um eine juristische Methode, die sich auf neue, experimentelle Wege einlässt, um mit Übergangsordnungen, ‑konzepten und ‑begriffen wenigstens vorläufig, unter den besonderen Bedingungen gegenwärtiger Entscheidungsunsicherheiten und ‑zwänge, immerhin zu vorerst plausiblen Unterscheidungen und prärogativen Entscheidungen findet.360 „Anything may go, aber nicht alles zu jeder Zeit“,361 lautet das Versuchsprogramm dieser rechtlichen Paradoxieentfaltung. 354   Mit anderen Worten Luhmanns, a.a.O.: „Es [das Subjekt] wäre die Form des re-entry der Unterscheidung von System und Umwelt in das System. Aber war das gemeint und vor allem: war die Festlegung auf die Grundparadoxie gemeint, als man die Menschen zu Subjekten erklärte?“ 355   Zu dieser Andeutung eines Nietzsche’schen Anteils am produktiven Umgang mit Paradoxien Teubner, Der Umgang mit Rechtsparadoxien: Derrida, Luhmann, Wiethölter, in: Joerges/Teubner (Hg.), Rechtsverfassungsrecht, 2003, 25 ff. (31); vgl. ferner – mit noch weitergehendem Rekurs auf Heraklit – Gilles Deleuze, Nietzsche und die Philosophie, Hamburg 1991, 28 ff.; sowie ders., Differenz und Wiederholung, München 1992, 20 ff. 356   Siehe Fn.  351, in diesem Abschnitt. 357   Auch psychische Systeme sind in ihren Selbstbeobachtungen und ‑beschreibungen – insbesondere, wenn es um ihre eigene „Individualität“ geht – auf „soziale Resonanz“ angewiesen, die aber immer anders ausfallen kann: vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 360 f. 358   Zur Kritik daran vgl. Andreas Fischer-Lescano, Kritik der praktischen Konkordanz, KJ 2008, 166 ff. 359   Zur Kritik am Abwägungsdenken als Ausdruck einer „sekundären Oralität“ vor allem Karl-Heinz Ladeur, „Finding our text…“. Der Aufstieg des Abwägungsdenkens als ein Phänomen der ‚sekundären Oralität‘ und die Wiedergewinnung des Rechts in der Postmoderne, in: Ino Augsberg/Sophie-Charlotte Lenski (Hg.), Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt des Rechts. Annäherungen zwischen Rechts- und Literaturwissenschaft, München 2012, 173 ff.; sowie im selben Band Thomas Vesting, Medialität des Rechts. Zur Genese des Verhältnisses von Sprache und Schrift in der „westlichen Rechtstradition“, a.a.O. (149 ff.). 360  Zum Übergang auf ein „experimentierendes […] Herstellen von Ordnungen“ siehe Teubner, Der Umgang mit Rechtsparadoxien: Derrida, Luhmann, Wiethölter, in: Joerges/ Teubner (Hg.), Rechtsverfassungsrecht, 2003, 25 ff. (31). 361  So Niklas Luhmann, Das Paradox der Menschenrechte und drei Formen seiner Entfal-

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Erster Abschnitt. Personen

Zu einer solchen experimentellen Entfaltungsmethodik gehören insbesondere Aktualisierungen der menschlichen Persönlichkeit im Hinblick auf die Besonderheiten einer technisierten, posthumanen Gegenwart, die es um des Menschen willen zu humanisieren gilt. Darin liegt kein Widerspruch. Obwohl die menschlichen Alltagserfahrungen nicht mehr von wissenschaftlichem Wissen und technischen Einflüssen trennbar sind362 und auch wenn das Bild des Menschen selbst zur symbolischen Repräsentation biowissenschaftlicher Selbstdeutungen in der gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeit gerät,363 können sich technisierte Welten gewiss noch immer human gestalten, wenn und soweit sie die menschlichen Individuen in ihren jeweiligen Umwelten als autonome, lebendige Wesen mit eigenen Entfaltungsansprüchen anerkennen.364 Mögen sich Persönlichkeiten etwa auch durch Latour’sche „Subjektivierer“, „Personalisierer“, „Individualisierer“ nach der Art von „Plug-ins“ konstituieren und durch „Fluten, Schauer, Schwärme von Psycho-Morphs“ als Psychen formen,365 so bleibt noch immer ein materielles Substrat,366 ohne das sich Persönlichkeiten kaum herausbilden können. Denn: Menschen sind auch biomorph. Als psychische und körperlich-lebendige Systeme operieren sie in derselben, einen Welt, auch wenn – wie zuvor schon Leibniz und Deleuze gezeigt tung, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995, 229 ff. (236). 362  Vgl. Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 62 ff. 363   Vgl. hierzu Ahrens, Frühembryonale Menschen?, 2008, 31 ff., mit deutlichem Bezug auf Ernst Cassirers Verständnis der symbolischen Repräsentation in ihrer gegenüber sinnlichen Wahrnehmungen verselbständigten, wirklichkeitsgenerierenden Darstellungsfunktion (Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, Band III: Phänomenologie der Erkenntnis, in: Gesammelte Werke, Hamburger Ausgabe (ECW), hg.  v. Birgit Recki, Bd.  13, Hamburg 2009, 119 ff.). 364   Eine solche Sicht vermag freilich nur eine „radikal individualistische Theorie“ wie die Systemtheorie einzunehmen, „weil sie ihre Individuen nicht nur durch konkret einzigartige Merkmalskombinationen, sondern außerdem noch durch jeweils eigene, selbstkonstituierte Umweltperspektiven, also durch jeweils andere Welteinschnitte kennzeichnet“ (Luhmann, Die Tücke des Subjekts und die Frage nach den Menschen, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 155 ff., 165 ff.) 365  Vgl. Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 366. 366   Dieser Gesichtspunkt findet sich vor allem in phänomenologischen Betrachtungen des Leib-Seele-Verhältnisses präzisiert, etwa bei Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966 (Nachdruck 1974), 154: „Das Verhältnis zwischen Materie und Form ist ein solches, das die Phänomenologie ein Verhältnis der Fundierung nennt: die Symbolfunktion ruht auf dem Sehen gleichwie als ihrem Boden, nicht aber als wäre das Sehen ihre Ursache, sondern weil es jene Gabe der Natur ist, die der Geist in unverhoffter Weise zu nutzen berufen ist, um ihr einen radikal neuen Sinn zu geben, deren er aber zuvor erst einmal bedarf, nicht allein um sich zu inkarnieren, sondern um überhaupt zu sein.“ Merleau-Ponty bezieht sich dabei vor allem auf Ernst Cassirers Konzeption der „symbolischen Prägnanz“, gemäß welcher es die „Wahrnehmung selbst [ist], die kraft ihrer eigenen immanenten Gliederung eine Art von geistiger ‚Artikulation‘ gewinnt – die, als in sich gefügte, auch einer bestimmten Sinnfügung angehört“ (Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, Band III: Phänomenologie der Erkenntnis, in: Gesammelte Werke, Hamburger Ausgabe (ECW), Bd.  13, 2009, 231).

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haben 367 – ihre Operationen nicht aufeinander reduziert werden können, sondern höchstens einmal von der einen Warte aus, ein anderes Mal von der anderen Warte aus beobachtbar sind. Das kann jedoch nicht die reale Unterschiedenheit psychischer und physischer Systeme, die verschiedenen „Realitätsebenen“ ihrer spezifischen Operationsmodi, beseitigen.368 Man mag das menschliche Bewusstsein einseitig als ein körperlich verursachtes (Epi‑)Phänomen sehen, oder auch umgekehrt, den menschlichen Körper etwa als inkorporierten Geist – immer wird ein blinder Fleck bleiben, der etwas auslässt, das zum Menschen gehört. Menschen bilden insoweit nicht nur eine psychische, sondern auch eine physische, mithin lebendige Basis ihrer entsprechenden kommunikativen Rekon­ struktionen als Subjekte, Personen und Persönlichkeiten. Diese stellen funktio­ nale Abbreviaturen der gesellschaftlichen Kommunikation dar, anhand derer insbesondere das Recht eine Vielzahl von Konflikten sowie Kollisionen psychophysischer und sozialer Rationalitäten austragen, in diesem Sinn wiederum entfalten kann. Durch das semantische Artefakt der Person – in seiner vermuteten griechischen Ursprungsbedeutung des prósopon dasjenige, was den Augen eines anderen entgegenblickt, nämlich natürliches „Gesicht“ und künstliche „Maske“ zugleich 369 – tönt das Bewusstsein, aber auch der lebendige Leib des Menschen aus Fleisch und Blut buchstäblich hindurch 370 und fordert seine latenten Eigenrechte ein.371 Dadurch wird es dem Recht möglich, der beschriebenen biomoralischen Herausforderung im Wege einer darauf ausgerichteten empathischen Normierungspraxis gerecht zu werden. Des Weiteren kann es sich auf die besonderen Anforderungen einstellen, die an ein umfassend verstandenes intersystemisches Kollisionsrecht einer Regimeverfassung der Bio- und Informationstechnologien zu stellen sind: Im Kern geht es dabei um Gewährleistungen sowohl von gesellschaftlichen Autonomiebereichen als auch von individuellen Entfaltungsräumen. Auf diese Weise können die an den Bio- und Informationstechnologien beteiligten Rationalitäten als ein (bio‑)soziomaterielles Netzwerk aus sozialen und psychophysischen Systemen, Menschen und auch Dingen erfasst und verfasst werden.

  Siehe insbesondere Fn.  312 und 325, in diesem Abschnitt.  Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 354 ff. 369   Siehe hierzu Richard Weihe, Die Paradoxie der Maske. Geschichte einer Form, München 2004, 99 ff. 370   Mag es sich bei der vermeintlichen Herkunft der „Person“ vom lateinischen personare („hindurchklingen“) auch um eine, wie Weihe a.a.O. (27 f.), sie nennt, „Scheinetymologie“ handeln, so ändert sich doch nichts daran, dass damit die strukturellen Kopplungen von sozialen, psychischen und physischen Systemoperationen treffend begriffen sind. 371   Siehe nochmals Fn.  252, in diesem Abschnitt. 367

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VII. Körperwissen Die „technisierte Verfassung“ ist insoweit auch eine Eigenverfassung der Menschen aus Fleisch und Blut, für die in der gesellschaftlichen und rechtlichen Kommunikation indes nur die genannten Abbreviaturen zur Verfügung stehen. Immerhin jedoch kann sie in der „Persönlichkeitsverfassung“ einen rechtlichen Ausdruck finden. Die Persönlichkeit bleibt dabei zwar als rechtlicher Schutzbezirk von Leben und Freiheit in erster Linie noch an die körperliche Selbstbestimmung des Menschen gebunden. Aber sie kann keineswegs alleine mit dem menschlichen Körper identifiziert werden, da auch dieser nur als Differenz gegeben ist.372 Der Körper ist – jedenfalls wenn er mit personaler Identität in Verbindung gebracht wird – polyvalent.373 Er ist womöglich genauso fragmentiert wie die Sinnsysteme, Gesellschaft und Bewusstsein, die ihn beobachten. Zudem mag er sozial oder auch geistig designiert sein. Doch trotzdem ist er etwas, das da ist: etwas, das womöglich zwar nicht jeder sinnförmigen Beobachtung vollständig zugänglich sein mag, das aber dennoch latent wirkt, sich gegenüber Kommunikation und Bewusstsein als widerständig erweist, mithin leibhaftig, materiell anwesend ist. Und mehr noch: Sinnförmige Operationen kommen gar nicht ohne eine Referenz auf den Körper als ihr Anderes aus.374 Gewiss kann gerade die zunehmende Kommunikation über Körper als ein „Krisensymptom“ moderner Fragmentierungen gesehen werden, die nicht einfach durch eine scheinbare „Super-Evidenz des Körpers“ aufzulösen oder gar zu de-fragmentieren sind.375 Das ändert jedoch nichts daran, dass lebendige Körper für das Soziale ebenso wie für das Geistige konstitutiv sind. Geist und Gesellschaft sind in diesem Sinne verkörpert.376 Körper sind daher 372  Vgl. Luhmann, Die Form „Person“, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 142 ff. (151 f.). 373   Eingehend zu dieser Perspektive Peter Fuchs, Die Psyche. Studien zur Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, Weilerswist 2005, 99 ff.; ebenso ders., Die Form des Körpers, in: Markus Schroer (Hg.), Soziologie des Körpers, Frankfurt a.M. 2005, 48 ff. 374   Trotz abweichender Folgerungen hinsichtlich der sozialen Relevanz des Körpers insoweit übereinstimmend Fuchs, a.a.O. (104 ff.). 375   Siehe hierzu Fuchs, a.a.O. (116 f.): „Es liegt dann nahe, auf den Körper auszuweichen, der die Einheit der Vielfalt markiert, das Unauslöschbare, das wie ein inviolate level funktioniert, von dem her sich das einzelne menschliche Bewußtsein als einzeln Identisches beschreiben kann, von dem her aber auch die großen Themen der Geburt, des Todes, des Begehrens organisiert werden, die im Gegensatz stehen zur Abstraktion der Funktionssysteme und den Körper als ens realissimum erscheinen lassen. Da aber der menschliche Körper, wie wir gezeigt haben, beobachteter Körper ist und da die Sinnzuweisungen, die sich auf ihn beziehen, nur sozial organisiert werden können (auch im Falle des beobachtenden Bewußtseins), kann dieser Körper nicht aus der Fragmentarisierung herausgenommen werden, die durch funktionale Differenzierung bezeichnet ist. Das eine Bewußtsein thront nicht mehr in dem einen Körper, der garantiert, daß es das eine Bewußtsein ist, sondern: Polykontexturales Bewußtsein erzeugt sich den polykontexturalen Körper.“ (Hervorhebungen im Original). 376   Dazu etwa, mit besonderem Bezug auf Helmuth Plessners Theorie der „exzentrischen

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keineswegs nur bloße, einseitig bestimmbare „Sinnverfügungsmasse“,377 sondern selbst lebendige Verkörperungen des sinnförmigen Wissens: Verkörperungen des Sozialen, des Geistigen, insbesondere auch der Persönlichkeit. Was die Bestimmung der Persönlichkeit durch den Körper dabei allerdings immer weiter erschwert, ist die Veränderlichkeit des Körperwissens, sozusagen des Body of Knowledge, wie er in der zu Beginn erwähnten Figur378 künstlerische Gestalt annimmt, und auch des Knowledge of Body: Gemeint ist damit sowohl das verkörperte, „implizite“379 Wissen des Körpers als auch das gesellschaftliche Wissen über den Körper380 , welches im zukünftigen Wandel der Biound Informationstechnologien immer ein anderes als das gegenwärtige sein wird. Dabei bilden die Bio- und Informationstechnologien neben besonderen Person- und Persönlichkeitskonzepten auf spezifische Weise auch neue Rechts­ gegenstände heraus, die als eigentumsfähige Sachen oder auch als Immaterialgüter wirtschaftlich verwertbar sein können. Diese Gegenstände beziehen ihr Material nicht mehr alleine aus einer natürlichen Objektwelt, sondern zunehmend auch aus menschlichen Subjekten: Körperteile, Körpersubstanzen, genetische oder neuronale Information und nicht zuletzt auch „private“, in sozialen Netzen generierte Daten werden isoliert verfügbar gemacht und werfen die rechtliche Frage auf, ob sie als verkehrsfähige Sachen, vermögenswerte Güter oder aber als ideelle Teile der menschlichen Persönlichkeit zu gelten haben. Die beteiligten Bio-, Neuro- und Informationstechnologien entfalten dabei zugleich eine eigene normative Wirksamkeit, die mitunter in eine informationstheoretisch motivierte Gleichsetzung von Menschen und Maschinen mündet.381 Positionalität“, Gesa Lindemann, Die Verkörperung des Sozialen. Theoriekonstruktionen und empirische Forschungsperspektiven, in: Markus Schroer (Hg.), Soziologie des Körpers, Frankfurt a.M. 2005, 114 ff.; vgl. auch dies., Lebendiger Körper – Technik – Gesellschaft, in: Karl-Siegbert Rehberg (Hg.), Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006, Teilband II, Frankfurt a.M. 2008, 689 ff.; siehe ferner Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch, in: Gesammelte Schriften IV, 1981. 377   So aber Fuchs, Die Psyche. Studien zur Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, 2005, 117 f., der sich dabei allerdings nur auf die zum Scheitern verurteilte Suche nach der Identität des „einen“ Körpers bezieht. 378   Siehe oben, Prolog, Fn.  1. 379  Vgl. Michael Polanyi, Implizites Wissen, Frankfurt a.M. 1985. 380  Vgl. Ahrens, Frühembryonale Menschen?, 2008, 9 ff. und 47 ff. 381   Kritisch dazu insbesondere Merleau-Ponty, Das Auge und der Geist, 1967, 13 ff. (14): „Das ‚operative‘ Denken wird zu einer Art absoluter Konstruktionssucht, wie man es in der kybernetischen Ideologie sieht, wo die menschlichen Schöpfungen aus einem natürlichen Informationsprozeß abgeleitet werden, der jedoch selbst nach dem Modell menschlicher Maschinen konzipiert wird. Wenn eine solche Denkweise sich mit dem Menschen und der Geschichte befaßt und wenn sie, hinwegsehend über das, was wir durch direkten Kontakt und unsere eigene Lage davon wissen, sich anschickt, sie auf Grund einiger abstrakter Indices zu konstruieren, […] gerät man, weil der Mensch dann tatsächlich zu dem manipulandum wird, das er zu sein glaubt, in ein Kultursystem, wo es kein Richtig und Falsch mehr für den Men-

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Erster Abschnitt. Personen

Künstliches Leben und künstliche Intelligenz erscheinen dann als technisch machbar, menschliches Leben als technisch manipulierbar. Es ist die technische Reproduzierbarkeit des Menschen, die schließlich auch den Begriff des lebendigen, „natürlichen“ Körpers verändert: Dessen ursprüngliche organische Einheit scheint sich längst in eine fragmentierte, körperlich-technische Assemblage verwandelt zu haben, die sich aus einer Vielheit natürlicher und artifizieller Körperteile zusammensetzt. Eine solche „Technisierung“ des menschlichen Körpers wirft Fragen auf, denen sich nicht nur die einschlägigen Angewandten Ethiken, sondern auch das Recht selbst zu stellen haben. Die Herausforderung besteht darin, mit den neuen Gemengen und Gemischen 382 von technisierten Körpern, verkörperter Technik und anderen Quasi-Objekten rechtlich umzugehen, und das unter den Bedingungen des bioinformationstechnologischen Zeitalters – eines Zeitalters, das sich nicht mehr ohne Weiteres an alte anthropologische Gewissheiten oder tradierte Dichotomien, etwa von Natur und Kultur, insbesondere von Natürlichem und Künstlichem, von Leblosem und Lebendigem, Nichtmenschlichem und Menschlichem, mithin auch von Körperlichem und Technischem, halten kann, sondern sich auf die ständige Suche nach neuen Unterscheidungen begeben muss. Das Feld der Bio- und Informationstechnologien, in der diese neuen Unterscheidungen zu suchen sind – die soziale Landschaft also, in der besonders in rechtlicher Hinsicht neue Begriffe und Konstruktionen experimentell zu entfalten und in konkreten Fallkonstellationen zu erproben sind,383 liegt nun offen vor uns. Und das dazugehörige Rechtsgebiet, das Bioinformationsrecht, hat die Netzwerke dieser als Lebenswissenschaften firmierenden Technologien buchstäblich, als „Lebensnetzwerke“ zu fassen, die nicht nur nach den Maßgaben gesellschaftlicher Autonomien, sondern auch im Sinne der Lebensentfaltung psychophysischer, also lebendiger Wesen zu behandeln sind. Kurzum: Die individuellen Schicksale und Erfahrungen der den sozialen Bio- und Informationstechnologien ausgesetzten Menschen sind auch von Rechts wegen ernst zu nehmen, und nicht etwa in den verschwommenen Feldern einer Biomoral zu belasschen und die Geschichte gibt, in einen Schlaf oder Albtraum, aus dem nichts ihn zu wecken vermag. Das wissenschaftliche Denken – ein Überblicksdenken, ein Denken des Gegenstandes in seiner Allgemeinheit – muß sich in ein vorausgehendes ‚Es gibt‘ zurückversetzen, in die Landschaft, auf den Boden der sinnfälligen Welt und der bearbeiteten Welt, wie sie in unserem Leben, für unseren Körper vorhanden sind, nicht für jenen möglichen Körper, den man, wenn man will, als eine Informationsmaschine betrachten kann, sondern für diesen tatsächlichen Körper, den ich den meinen nenne, diesen Wachposten, der schweigend hinter meinen Worten und meinen Handlungen steht.“ 382   Vgl. entsprechend Serres, Die fünf Sinne, 1998, 17 ff.,; ferner ders., Der Naturvertrag, 1994, 64 ff. und 78 f.; daran anknüpfend insbesondere auch Latour, Wir sind nie modern gewesen, 2008; ferner ders., Das Parlament der Dinge, 2001. 383   Mehr dazu in den nachfolgenden Abschnitten dieser Arbeit.

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sen. Es geht dabei mithin um die Verfassung des Persönlichkeitsrechts, wie sie sich unter dem Eindruck aktueller informationstechnologischer Entwicklungen im Bereich mediatisierter Netzwerkwelten, aber auch auf den Feldern der Neurowissenschaften, der Gen- sowie der Reproduktionstechnologien herausbildet. Als Teil der „technisierten Verfassung“ erfüllt sie, neben deren konstitutiven Funktion als bioinformationsrechtliche Regimeverfassung, eine lebensnotwendige limitative Verfassungsfunktion,384 vor allem um lebendige Wesen, Menschen zumal, vor den mit „Technisierungen“ – technischen Funktionalisierungen, Molekularisierungen, Neuronalisierungen, Informationalisierungen – einhergehenden Gefahren zu bewahren und die Bioinformationstechnologien in diesem Sinne zu humanisieren. Wie die zu Beginn dieses Abschnitts beschriebenen Fallkonstellationen gezeigt haben, verwandeln diese technischen Funktionalisierungen vormals „natürlich“ verstandene Personen in „technisierte“ Personen und Persönlichkeiten; sie erweitern personale Sphären zu technisch-lebendigen Assoziationen von menschlichen Körpern und ihren artifiziellen Körperteilen, seien es Körpersubstanzen, Körperdaten, Körperbilder oder seien es auch Körperanalogien, die informationstechnische Systeme als ausgelagerte Teile des Gehirns erscheinen lassen. Ist es auf diese Weise unter den besonderen bio- und informationstechnologischen Kommunikationsbedingungen sogar möglich, Dinge zu Teilen des menschlichen Körpers, mithin Sachen zu personalen Bestandteilen zu erklären, so wirken diese neuen, zunächst nur auf spezifische Technologiefelder zugeschnittenen Körperbestimmungen auf die Körperbilder anderer Technologien und schließlich der übrigen Lebenswelt zurück. Es ist dann anzunehmen, dass die Vielzahl der als „Basis der Persönlichkeit“ gedeuteten technologischen Externalisierungen nicht alleine unter dem Aspekt einer zunehmenden Fragmentierung der menschlichen Personalität in ihre nichtmenschlichen Bestandteile beobachtbar ist. Vielmehr legt sie einen Wechsel der Blickrichtung von „Personen“ zu „Sachen“ nahe, der die nichtmenschlichen Dinge gleichzeitig als zunehmend subjektivierte Objekte, eben als personalisierte Sachen in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Die Persönlichkeitsentfaltung des Menschen in technisierter Verfassung ist daher zuerst anhand solcher Expansionstechnologien zu erkunden, die sich als besondere Felder ihrer vielfältigen personalen Ausdehnung erweisen. Dort sind auch die genannten Paradoxien, denen die überkommenen dualistischen Vorstellungen von Person und Sache, von Subjekt und Objekt oder auch von Körper und Geist begegnen und die nicht im Wege einfacher Subsumtions- oder Abwägungsschritte zu einer Lösung finden können, zur Entfaltung zu bringen. Die in diesem Sinn aufzuspürenden neuen Unterscheidungen sollen der Ausweitung der menschlichen Persönlichkeit, der Auslagerung ihrer fragmentierten Kör  Siehe bereits oben, Fn.  248, in diesem Abschnitt.

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Erster Abschnitt. Personen

per- und Geistesteile, dadurch gerecht werden, dass sie diese zuallererst begreiflich machen. Dabei sind die neuen funktionalen Externalisierungen zunächst als bio- und informationstechnologische Wirkungen nachzuvollziehen, dann jedoch auch einer möglichen Kritik zu unterziehen, und zwar nach Maßgabe der einschlägigen sozialen Kontexte, namentlich der narrativ-lebensgeschichtlichen und phänomenologischen Zuordnungen von Artefakten zu menschlichen Körpern und Seelen. Nur wenn die Vermischungen von Menschlichem und Nichtmenschlichem solcherweise zur Sprache kommen, kann die Ausdehnung der Persönlichkeit in den jeweiligen Technologiefeldern transparent gemacht, aber auch vor einer übermäßigen Expansion bewahrt werden. Insbesondere das zu immer neuen Ausweitungen tendierende allgemeine Persönlichkeitsrecht bedarf ständiger Neubegrenzungen und Bestimmungen dessen, was nicht mehr zur Person gehört, sondern „was Sache ist“. Diese Bestimmungen setzen an den genannten funktionalen, narrativen, phänomenologischen Zuordnungen und Zugehörigkeiten von menschlichen Körpern und Seelen zu nichtmenschlichen Wesen an. Sie können das Recht insoweit in die Lage versetzen, seiner Humanisierungsaufgabe gerecht zu werden, indem es den beschriebenen Forderungen einer funktional, narrativ, phänomenologisch bestimmten Biomoralität, Empathie und Gerechtigkeit nachkommt. Besondere Beachtung verdient in dieser Hinsicht zuerst dasjenige Technologiefeld, welches auf den ersten Blick am weitesten davon entfernt ist, von und mit Menschenkörpern und ‑seelen zu handeln: Gemeint ist damit die Informationstechnologie mit ihrer scheinbaren Begrenztheit auf digitale, elektronische Medien. Es ist nämlich gerade ihre vermeintliche Distanz zum Menschlichen, aufgrund derer vor allem die Informationstechnologie Aufschlüsse darüber zu geben verspricht, wie weit die Externalisierung von menschlichem Körper und Geist gehen kann und in welchem Maße auch nichtmenschliche, technische Artefakte personifizierbar sind. Im Anschluss daran wird möglicherweise umso deutlicher, in welcher Weise die den übrigen lebenswissenschaftlichen Bereichen zugrunde liegenden Bilder von menschlicher „Natur“, von Körper, Geist oder auch Seele, unter dem Einfluss informationstheoretischer Grundvorstellungen transportiert und modifiziert werden. Vor allen Dingen ist es die persönlichkeitsrechtliche Ausprägung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, die aus dieser Perspektive als eine wesentliche Konsequenz der bio- und informationstechnologischen Vernetzungen von technischen, körperlichen und geistigen Vorgängen erscheint – von Prozessen zumal, die auf Lebensvorgänge, gesellschaftliche Wirklichkeiten und technische Realisierungen zurückwirken, indem sie Körper und Seelen auslagern, Dinge einlagern, kurz: Assoziationen von menschlichen und nichtmenschlichen Wesen herausbilden.

Dritter Titel. Personale Entfaltungen

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Vor diesem Hintergrund ist im Folgenden zunächst die vorwiegend öffentlich-rechtlich geprägte Fortentwicklung des Informationsrechts in ihren Auswirkungen auf das Privatrecht zu reflektieren, insbesondere hinsichtlich der Dogmatik des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, des Datenschutzes im nicht-öffentlichen Bereich sowie der Rechtsverhältnisse des elek­ tronischen Geschäftsverkehrs. Näher zu untersuchen sind dabei die auf diesen Feldern erkennbaren spezifischen Zuschreibungen von personaler Identität und Handlungsverantwortlichkeit, wie auch die besonderen informationsrechtlichen Wertbestimmungen von Daten, Bildern und auch Körpern, die als materielle oder auch immaterielle „Basis der Persönlichkeit“ für schutzwürdig erachtet werden. Werden informationstechnische Systeme dabei einerseits als ein neuer, externalisierter Bereich der Persönlichkeitsentfaltung begriffen, so kann diese Bestimmung auch auf den rechtlichen Begriff des menschlichen Körpers zurückwirken, soweit dieser ebenfalls als „Basis der Persönlichkeit“ behandelt wird. Und andererseits dürfte es noch nicht einmal ausgeschlossen sein, dass unter bestimmten Bedingungen auch nicht-körperlichen, nicht-lebendigen, informationstechnischen Artefakten eine gewisse Personalität zugeschrieben werden könnte. Gewiss werden informationstechnische Systeme trotz ihrer gesteigerten Komplexität und kommunikativen Kapazitäten noch immer nicht für solche personalen Wesen gehalten, die über menschliche Eigenschaften wie Bewusstsein, Denken, Wahrnehmen, Soziabilität, Imitationsfähigkeit oder gar Lebendigkeit verfügen. Trotzdem ist es immerhin vorstellbar, dass künstliche Akteure unter besonderen Umständen auf eine spezifische, dem jeweiligen technischen Medium entsprechende Art und Weise rechtlich „personifiziert“ werden, indem sie zu Verursachern bestimmter Ereignisse erklärt werden.

Zweiter Abschnitt

Sachen Expansionstechnologien

Erster Titel

Biosoziofakte und informationstechnische Lebensentfaltungen Informationstechnische Systeme sind Sachen. Sie sind es allerdings nicht in dem engen Sinn, den das bürgerliche Recht in §  90 BGB mit seiner Legaldefinition von Sachen als körperlichen Gegenständen voraussetzt. Nicht immer fügen sie sich der traditionellen, von Friedrich Carl von Savigny übernommenen Idee einer „unfreien Natur“, die räumlich begrenzbar und somit jedenfalls stückweise beherrschbar wäre.1 Ganz im Gegenteil: In dem Maß, in welchem sie zur Grundlage der menschlichen Lebensgestaltung und Persönlichkeitsentfaltung geworden sind, lassen sich informationstechnische Systeme nicht mehr einfach als eine außerpersönliche „unfreie Natur“ definieren, die der einseitigen Bestimmungsmacht menschlicher Personen unterliegt. Und sie entsprechen nicht einmal vollständig der formalen Kantischen Vorgabe, als Sachen das zu sein, was nicht Person sei.2 Denn sie bleiben nicht auf die passive Rolle von Gegenständen der menschlichen Verfügungsmacht beschränkt. Vielmehr entsprechen sie der ursprünglichen, weitaus reicheren Begriffstradition als Sachen, die menschliche Personen in vielfältiger Weise beschäftigen: auf den ersten Blick nur als nützliche Dinge3 , im Weiteren aber auch als Lebensund Arbeitsgrundlagen4 und schließlich sogar als Gegenstände von sozialen

1  Siehe Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, Berlin 1840, §  53 (338): „Die unfreye Natur kann von uns beherrscht werden nicht als Ganzes, sondern nur in bestimmter räumlicher Begränzung; ein so begränztes Stück derselben nennen wir Sache, und auf diese bezieht sich daher die erste Art möglicher Rechte: das Recht an einer Sache, welches in seiner reinsten und vollständigsten Gestalt Eigenthum heißt.“ 2   Vgl. hierzu Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1968/1993, AB 22 f. (329 f.): „Person ist dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind. [...] Sache ist ein Ding, was keiner Zurechnung fähig ist. Ein jedes Objekt der freien Willkür, welches selbst der Freiheit ermangelt, heißt daher Sache (res corporalis).“; siehe dazu auch oben, 1. Abschnitt, Fn.  7. 3   Dazu bereits Christian von Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts, Halle im Magdeburgischen 1769, §  121 (76): „Eine Sache (res) nennen wir ein jedes Ding (ens omne), welches uns nützlich seyn kan [...]“. 4   Vgl. dazu nur die noch in der Nachkriegszeit beobachtbaren Schwierigkeiten, Sachgesamtheiten wie etwa Unternehmen dem individualistischen Sachbegriff des BGB zuzuordnen; zusammenfassend Hans Hattenhauer, Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts: historisch-dogmatische Einführung, München 1982, 54 f.

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Zweiter Abschnitt. Sachen

Konflikten und Prozessen 5 . Solche „Sachverhalte“ bezeichnen den „Stand der Dinge“, eine eigene Realität, die in den sinnhaften Medien des Bewusstseins und der Kommunikation repräsentiert oder zumindest rekonstruiert werden kann. Indem sie auf diese Weise buchstäblich zur Sprache kommen, „sagen“6 Sachen etwas aus, das über ihre bloße Tatsächlichkeit hinausgeht; sie begegnen der geistigen und sozialen Sphäre mit einem eigenen Aufforderungscharakter, der sich an menschliche Personen richtet – und das bedeutet: mit einer eigenen Normativität. Die Verhältnisse von menschlichen Nutzern und informationstechnischen Artefakten stellen sich danach nicht mehr als asymmetrische Beziehungen zwischen jederzeit selbstbestimmt handelnden Individuen auf der einen Seite und „äußerem“, vollständig verfügbarem Computermaterial auf der anderen Seite dar. Vielmehr entfalten informationstechnische Systeme eine eigene soziale Wirkungsmacht, soweit Menschen mit ihnen eine feste kommunikative Verbindung eingehen und sie als Medium ihrer erweiterten Persönlichkeitsentfaltung beanspruchen. Als soziale Informationstechnologien werden sie mithin zu Expansionstechnologien des Menschen selbst. Daraus ergibt sich zunächst eine gewisse Vergleichbarkeit der Informationstechnologie mit anderen Technologiefeldern, die auf den gleichen informationstheoretischen Lebensbegriff rekurrieren, welcher künstliches und natürliches „Leben“ ununterscheidbar erscheinen lässt: Ganz genauso wie Körperteile und ‑substanzen im Bereich der Reproduktionsmedizin, genetische Information in der Gentechnologie, oder auch Neuroscans in der Neurotechnologie stellen sich informationstechnische Systeme insoweit mitunter als funktionale Teile des menschlichen Körpers und Geistes dar. Alle diese „Biosoziofakte“ – Körperteile, Körperdaten, Körperbilder – verdanken ihre Entstehung einer einheitlichen Grundanschauung von Natur und Technik.7 Diese gedankliche Verbindung erlaubt es in rechtlicher Hinsicht, die den genannten Technologiefeldern zugeordneten Rechtsgebiete als Teilgebiete eines umfassenden Bioinformationsrechts zu betrachten. Bei allen Gemeinsamkeiten ist allerdings dennoch davon auszugehen, dass deren „Biosoziofakte“ in ihrer Vielfalt jeweils eigene soziale Wirkungen und normative Maßstäbe entfalten. Je nach der Art ihrer Beziehung zu menschlichen Personen und deren gesellschaftlicher Wahrnehmung erzeugen sie jeweils eigene Erwartungen und Vorstellungen von Personalität und Körperlichkeit, aber auch von Sachqualität und Eigentum, oder auch von Mensch-Ding-Verhältnissen – verkürzt ausgedrückt also: Eigennormativität. Dabei wird die durch den sozialen Einsatz informations5   Zu den Ursprüngen der Sachbegriffs im Bereich der Jurisprudenz siehe etwa Historisches Wörterbuch der Philosophie, „Sache“ (Bearbeiter: K. R. Meist). 6  Auf die etymologische Verwandtschaft von „Sache“ und „sagen“ weist Hattenhauer a.a.O. (40), hin. 7   Vgl. oben, 1. Abschnitt, 1. Titel, II. (S.  18 ff.).

Erster Titel. Biosoziofakte und informationstechnische Lebensentfaltungen

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technischer Systeme herausgebildete Eigennormativität vor allem in besonderen Näheverhältnissen, Privatheitsempfindungen oder auch Gemeinschaftsgefühlen erkennbar, die für technisierte, mediatisierte Welten prägend sind.

I.  Die Eigennormativität sozialer Informationstechnologien Die Eigennormativität der sozialen Informationstechnologien, welche vermehrt unter dem Begriff der „Social Software“8 untersucht werden, ergibt sich vor allem aus neuen Formen der computernetzwerkgestützten Kooperation von Teilnehmern, die Gemeinschaftsgefühle erzeugen und ein unter besonderen Bedingungen herzustellendes Personvertrauen9 erfordern. Das Internet stellt sich insoweit nicht mehr, wie früher angenommen wurde,10 nur als ein anonymes Medium dar, das sich nur durch ein konditioniertes Systemvertrauen auf die „entpersonalisierte Zuverlässigkeit des regulären Ablaufs von technischen Prozessen“11 auszeichnet.12 Vielmehr geben sich Teilnehmer dort immer häufiger zu erkennen, indem sie Teile ihrer „realen“ Identität in der Lebenswirklichkeit, ihre Herkunft, Biographie und soziale Rolle ebenso wie ihren gegenwärtigen Wohnort, ihre Lebenssituation einschließlich privater Bilder und Tagebuchaufzeichnungen preisgeben. Möglicherweise tun sie dies aber nicht aus freien Stücken. Es ist durchaus fraglich, ob die sozialen Informationstechnologien des Internets etwa einen spezifischen Zwangscharakter dadurch entfalten, dass nur derjenige von der Netzgemeinschaft als Mitglied akzeptiert wird, welcher mindestens so viele intime Informationen offenbart wie die anderen Teilnehmer auch. Mitunter könnte es demzufolge zu einem exhibitionistischen Wettlauf um die größtmögliche Öffentlichkeit des Privaten, um die jederzeitige Sichtbarkeit des Persönlichen und mithin zugleich um die allgegenwärtige Transparenz des eigenen Lebens kommen. Die zunehmende Öffentlichkeit des Privaten könnte jedoch, von einem anderen Standpunkt aus gesehen, auch auf ein allgemein verändertes Privatheitsempfinden hindeuten. Ein Rückgang der Anonymität ist indessen nicht nur eine Sache individueller Wahrnehmung von Privatheit, sondern auch auf den Gebieten des Privatrechts zu beobachten, insbesondere im elektronischen Geschäftsverkehr: Hier erweist 8   Vgl. nur Christian Stegbauer/Michael Jäckel (Hg.), Social Software. Formen der Kooperation in computerbasierten Netzwerken, Wiesbaden 2008, 7 ff. 9   Siehe dazu insbesondere Gerd Sebald, Person und Vertrauen. Mediale Konstruktionen in den Online Kooperationen der Free/Open-Source-Softwareentwicklung, in: Stegbauer/Jäckel (Hg.), Social Software, 2008, 11 ff. 10   Vgl. im Abstand von zehn Jahren etwa Thomas Hoeren, Internet und Recht – Neue Paradigmen des Informationsrechts, NJW 1998, 2849 ff.; demgegenüber ders., Das Pferd frisst keinen Gurkensalat – Überlegungen zur Internet Governance NJW 2008, 2615 ff. 11   Gunther Teubner, Das Recht hybrider Netzwerke, ZHR 2001, 550 ff. (556 f.). 12  Hierzu Hoeren, NJW 2008, 2615 ff.

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Zweiter Abschnitt. Sachen

sich beispielsweise die mangelnde Identifizierbarkeit und Glaubwürdigkeit von Geschäftspartnern im Fernabsatzgeschäft als hinderlich.13 Die daraus resultierenden Bestrebungen, die Netzwelten zu „re-onymisieren“ und dem Personvertrauen eine gesteigerte Bedeutung beizumessen, werden überdies begleitet von einer verstärkten Bereitschaft der Teilnehmer, selbst auch aktiv an der Gestaltung von Inhalten mitzuwirken („user generated content“) und sich auf diese Weise an produktiven Prozessen anderer zu beteiligen. Unternehmen sehen hier Chancen der Einbindung von Teilnehmern als Mitarbeiter und Kunden zugleich.14 Solche neuen Formen der aktiven Beteiligung bilden zusammen mit dem Rückgang der Anonymität die „sozialen“ Konstituenten der „Social Software“. Mit ihnen gelangen Näheverhältnisse in die neuen Medien; 15 allerdings handelt es sich dabei um Näheverhältnisse eigener Art, die nur zum Teil mit den lebensweltlichen Nähebeziehungen der Vertrautheit, Sympathie, Zuwendung, Obhut, Fürsorge übereinstimmen. Es ist offenbar eine eigentümliche Mischung aus räumlicher Distanz und synchroner kommunikativer Verbundenheit, die Menschen dazu verleitet, sich dem „Netz“ anzuvertrauen und persönliche Einzelheiten unwiderruflich preiszugeben. Sie tun dies allerdings zumeist fragmentarisch, indem sie geistige Inhalte und Informationen zu verschiedenen Zeiten auf unterschiedliche informationstechnologische Ressourcen verteilen. In derartigen Eigentümlichkeiten der „distanzierten Nähe“ des Netzes dürfte eine neue, gewandelte Form der Sozialität zu sehen sein, die ihre eigenen Konzeptionen der Stabilisierung von Verhaltenserwartungen in pluralen Netzwelten finden muss. Das bedeutet jedoch auf der anderen Seite keineswegs, dass die Netzwelten gänzlich isoliert von der Lebenswelt zu betrachten wären. Vielmehr ist gerade auch vor dem Hintergrund rechtlicher Fragestellungen näher zu untersuchen, wie die sogenannte „virtuelle Realität“ mit der „Lebenswirklichkeit“ verknüpft ist und sich in diesem Rahmen etwa die genannten Näheverhältnisse, aber auch die jeweiligen Empfindungen von Privatheit und sogar von Körperlichkeit16 wechselseitig beeinflussen. 13   Zu den spezifischen „Trust Games“ der Informationsgesellschaft etwa Andreas Pfitzmann/Sandra Steinbrecher, Digitale Glaubwürdigkeit und Privatsphäre in einer vernetzten Gesellschaft, in: Dieter Klumpp/Herbert Kubicek/Alexander Roßnagel (Hg.), next generation information society? Notwendigkeit einer Neuorientierung, Mössingen 2003, 290 ff.; vgl. ferner die Beiträge zum Thema „Trust and Community on the Internet“ in Analyse & Kritik 26 (2004), Heft 1, abrufbar unter: . 14   Thomas Döbler, Zum Einsatz von Social Software in Unternehmen, in: Christian Stegbauer/Michael Jäckel (Hg.), Social Software. Formen der Kooperation in computerbasierten Netzwerken, Wiesbaden 2008, 119 ff. 15  Vgl. Stefan Beck (Hg.), Technogene Nähe. Ethnographische Studien zur Mediennutzung im Alltag, Münster 2000. 16   Dazu etwa Christiane Funken, Der Körper im Internet, in: Markus Schroer (Hg.), Soziologie des Körpers, Frankfurt a.M. 2005, 215 ff.

Erster Titel. Biosoziofakte und informationstechnische Lebensentfaltungen

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Die enge Verbindung der Vorstellungen von Personalität und Körperlichkeit bildet schließlich den Grund dafür, dass sich auch Rechtspersonen und deren Persönlichkeitssphären wesentlich durch Körperbegriffe und ‑analogien bestimmen. Menschen genießen dabei aber üblicherweise keinen Rechtsschutz „als“ Person, sondern haben (Selbstbestimmungs‑)Rechte „an“ ihrer Person und deren Teilen, namentlich an Körper, Geist, Bild und Information.17 „Person“ kann auf diese Weise zu einem funktionalen Äquivalent für prinzipiell alle Arten von individuellen Verfügungsrechten werden. Von der nahezu unbegrenzten Einsetzbarkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eine Art „subjektives Universalrecht“ wird denn auch reichlich Gebrauch gemacht, sei es im Zusammenhang mit Rechten an Körperteilen, Körperdaten wie genetischer Information, oder auch an „informationstechnischen Systemen“ als „elektronischen Privatsphären“ – all das wird zur funktionalen Basis der Persönlichkeit. Damit erweitert sich zugleich der Bereich der personalen Zuschreibung; und zugleich gibt es neue, sozial konstruierte, semantische Artefakte. Die neuen Artefakte bleiben nach alledem aber nicht auf ihr Herkunftsgebiet beschränkt. Neue Handlungsformen, wie sie sich etwa in elektronischen Kommunikationsmedien herausbilden, finden ihre Fortsetzung auch in den sogenannten „realen“ Welten: Solche Phänomene können als gewandelte Identitäten und Sozialbeziehungen, als veränderte Selbstbilder, auch als „Virtualisierung des Körpers“, als neues „Privatheitsempfinden“ oder auch als besondere ästhetische Präferenzen beobachtet werden. Die sich darin ausdrückende Wechselwirkung oder „Verschränkung“ der Medien kann nun unter dem Aspekt ihrer unterschiedlichen materiellen (technischen) Konstitution untersucht werden – als sozialer Prozess einer sogenannten „Mediatisierung“, der nicht bloß eine technische Neuerung darstellt, sondern aufgrund seiner veränderten Materialität zu neuen Kommunikationen führt.

II.  Informationstechnische Mediatisierung der Lebenswelt Die sozialen Wirkungen informationstechnischer Systeme zeigen sich vor allem in Anbetracht der neuen Bedingungen und normativen Konsequenzen, die sich als Folge einer zunehmenden Mediatisierung der menschlichen Lebens- und Erfahrungswelt darstellen lassen. Mediatisierung bezeichnet insoweit nicht bloß einen technischen Fortschrittsprozess, sondern darüber hinaus ein neuartiges soziales Phänomen. Gesellschaftliche Kommunikation und kulturelle Sinngebung sind demzufolge mit ihren medialen Umwelten derart verschränkt,

  Siehe hierzu bereits oben, 1. Abschnitt, 1. Titel, I. (S.  14 ff.).

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Zweiter Abschnitt. Sachen

dass sich besondere, vor allem von informationstechnischer Medienkommunikation geprägte, mediatisierte Welten herausbilden.18 Das Recht hat sich dabei gerade auch im Bereich des Internets auf die gewandelten gesellschaftlichen Anforderungen einzustellen, die sich aus den spezi­ fischen Kommunikationsbedingungen sozialer Informationstechnologien er­ geben. Dabei wird von ihm erwartet, dass es den neuen Arten des kommuni­ kativen Handelns in mediatisierten Welten entsprechend ihrer jeweils herausgebildeten Eigennormativität gerecht wird. Neu sind dabei vor allem die Auswirkungen der Medienkommunikation auf die Zuschreibungen von personaler Identität und Handlungsverantwortlichkeit. Die Informationstechnologien führen mit ihren zahlreichen Kommunikationsmöglichkeiten einerseits zu entsprechend vielfältigen Arten von sozialen Rollenübernahmen sowie Verhaltenserwartungen, andererseits aber auch zu möglichen Identitätsverlusten, insofern Menschen ihre geistigen Aktivitäten verstärkt auf externe Medien distribuieren. Neben diesen identitätsverändernden Wirkungen, die sich in einer neuartigen Multiplizität und Fragmentierung von personaler Identität ausdrücken, bilden mediatisierte Welten zudem besondere Formen des Umgangs mit Informationen, Daten sowie Bildern heraus. Dabei werfen die wachsende technologische Konvergenz und die damit verbundene Kontrollierbarkeit von Informationszugängen das weitere Problem auf, dass nicht alle Menschen die gleichen Zugangschancen erhalten. Im Übrigen bieten sich in mediatisierten Welten neue Möglichkeiten, persönliche Informationen zu erlangen, zu speichern, zu verwenden, und mithin die personale Integrität von Menschen zu gefährden. Gerade in Anbetracht derartiger Bedrohungen von Freiheits- und Persönlichkeitsrechten wird deutlich, dass Informationen, vor allem personenbezogenen Daten und Bildern, unter den Bedingungen der Mediatisierung ein besonderer Wert zukommt. Die zunehmende Verlagerung geistiger Aktivitäten in den Bereich neuer medialer Umwelten legt es daher auch in normativer Hinsicht nahe, die Nutzung informationstechnischer Systeme als einen neuen, informationstechnologisch externalisierten Bereich der Persönlichkeitsentfaltung aufzufassen, der menschliches Individuum und informationstechnisches System als eine „funktionale Einheit“ bestimmt. Ähnlich wie bereits der menschliche Körper dem „Seins- und Bestimmungsfeld der Persönlichkeit“19 zugeordnet und die körperliche Integrität als ein physischer Bestandteil der Privatsphäre20 verstanden werden, lässt sich die menschliche Person unter Umständen auch als eine funktional erweiterte, hybride Verbindung von menschlichem Individuum und informationstechnischem System auffassen.   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  192.   Vgl. BGHZ 124, 52 (54); näher dazu oben im 1. Abschnitt, 2. Titel, I (Fn.  69). 20   Vgl. hierzu insbesondere das Caroline-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 24.6.2004, NJW 2004, 2647 (2648). 18 19

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Rechtlich führt die personale Funktionalisierung informationstechnischer Systeme zunächst dazu, den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts auszudehnen und in der Folge auch neue subjektive Rechtspositionen zu formulieren. In diesem Sinn hat das Recht die neuen Arten des kommunikativen Handelns in mediatisierten Welten entsprechend ihrer jeweils herausgebildeten Eigennormativität zu berücksichtigen. Darüber hinaus muss es mit einem erweiterten Personenkonzept auch den neuen sozialen Akteuren gerecht werden, an denen informationstechnische Systeme beteiligt sind. Deren Verwandlung von einem reinen Kommunikationsmedium zu einem Akteursbestandteil erfordert neue Arten der juristischen Handlungszurechnung. Mediatisierung wird damit nicht zuletzt auch zu einem rechtlichen Phänomen. Die Eigennormativität mediatisierter Welten lässt sich demnach von drei unterschiedlichen Beobachterstandpunkten aus beschreiben, namentlich aus der gesellschaftlichen Perspektive der vom medialen Wandel betroffenen Sozialsysteme, aber auch aus dem technikorientierten Blickwinkel der für die sozialen Veränderungen maßgeblichen Kommunikationsmedien, und nicht zuletzt aus der Sicht des Rechts, das den sozialen und medialen Veränderungen gerecht werden muss. Dementsprechend soll zunächst kurz dargestellt werden, inwiefern sich die sozialen Verhältnisse in mediatisierten Welten verändern und dabei insbesondere neue personale Identitäten formieren. Eine Ursache für diesen Wandel ist in den bereits angedeuteten Besonderheiten des technischen Mediums zu suchen, nämlich in der Vermischung von sinnhafter Kommunikation und technischer Umwelt des Kommunizierens. Die spezifischen Bedingungen mediatisierter Welten erfordern einen entsprechenden rechtlichen Wandel, insbesondere bezüglich der Zuschreibungen von Rechtspersonalität und Handlungsträgerschaft.

III.  Gesellschaftsperspektive: Multiple und fragmentierte Identitäten in konvergierenden Medienumgebungen Neuentwicklungen im Bereich der Informationstechnologien richten sich verstärkt auf die aktive Beteiligung ihrer bisherigen Empfänger und „Nutzer“. Als Kommunikationstechnologien ermöglichen sie es ihren Teilnehmern, in wachsendem Maße Formen und Inhalte der Kommunikation mitzubestimmen.21 Auf diese Weise kommt es zur Entstehung von sozialen Netzwerken und nutzergenerierten Inhalten unterschiedlichster Art, die als neuartige mediale Phänome21  Vgl. Michael Jäckel/Manfred Mai (Hg.), Online-Vergesellschaftung?, 2005; Krotz, Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation, 2007; Stegbauer/Jäckel (Hg.), Social Software, 2008; sowie Herbert Willems (Hg.), Weltweite Welten. Internet-Figurationen aus wissenssoziologischer Perspektive, 2008.

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ne gegenwärtig unter der modischen Bezeichnung „Web 2.0“ zusammengefasst werden: Schreibkollektive wie Internet-Enzyklopädien, Meinungsforen, Blogs, elektronische Tagebücher, Multiuser-Umgebungen, Foto- und Videoalben, aber auch Personensuchmaschinen und private wie auch geschäftliche Netzwerk-Plattformen setzen heute verstärkt auf die aktive Beteiligung von Menschen.22 Gemeinsames Kennzeichen dieser Phänomene ist es, dass hier die bisher bekannte duale Rollenverteilung im Bereich der Informationstechnologien allmählich schwindet: Anbieter und Nutzer sind insofern kaum noch eindeutig voneinander zu unterscheiden. Vielmehr können zunächst nur Teilnehmer informationstechnologischer Kommunikationsnetzwerke ausgemacht werden, deren Rollen weitestgehend kontextabhängig interpretierbar sind. Statt einer statischen Festlegung des Einzelnen auf eine unveränderliche Position etwa als Empfänger und Nutzer variieren dessen Rollen je nachdem, auf welche Weise er im Netzwerk tätig wird. Teilnehmer informationstechnologischer Netze verfügen heute nicht mehr nur über eine einzige, festbestimmte Identität, sondern sind aufgrund ihrer Einbindung in plurale virtuelle Kontexte schlagwortartig als „multipersonal“ zu charakterisieren.23 Zugleich deutet vieles darauf hin, dass der Zugang zu neuen, räumlich wie auch zeitlich kaum noch begrenzten Kommunikationswelten mit jeweils eigenen Rollenverteilungen auch Nachteile für die individuellen menschlichen Teilnehmer birgt. Dem vordergründigen Freiheitsgewinn des Einzelnen steht – scheinbar notwendig – ein Verlust an Sicherheit gegenüber.24 Lebensweltliche Wahrheiten und Stabilitätserwartungen können angesichts neuer medialer Umwelten bestenfalls noch partikulare Geltung beanspruchen. Handlungsorientierungen müssen gemäß den immer neuen Normprogrammierungen und Instruktionen sozialer Software ständig modifiziert werden. Die in Gleichzeitigkeit multipel agierenden Menschen vervielfachen dabei ihre Interaktionen, Kooperationen und Rechtsbeziehungen. Doch der Preis dieser Multiplikation ist möglicherweise eine qualitative Reduktion zeitlicher, räumlicher und persönlicher Bindungen. Derartige Gewissheitsverluste könnten eine mögliche Begründung dafür bieten, dass neurowissenschaftliche Untersuchungen der Menschen des digitalen Zeitalters eine allgemeine Verringerung identitätsbildender Geisteska-

22   Einen Überblick geben etwa Miriam Meckel/Katarina Stanoevska-Slabeva (Hg.), Web 2.0: Die nächste Generation Internet, Baden-Baden 2008. 23   Siehe vor allem mit Blick auf die Parallelwelten des „Second Life“ Marie-Theres Tinnefeld, Freiheit in der digitalen Gesellschaft? Zu den Bedingungen von Selbstbestimmung und Kommunikation, RDV 2009, 47 ff. (50). 24   In den Worten der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008 zur „Online-Durchsuchung“ (BVerfGE 120, 274, 305): „Die zunehmende Verbreitung vernetzter informationstechnischer Systeme begründet für den Einzelnen neben neuen Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltung auch neue Persönlichkeitsgefährdungen.“

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pazitäten wie Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis, Erinnerungsvermögen und psychischer Kontinuität beobachten.25 Menschliche Bewusstseinsinhalte scheinen sich dabei immer mehr auf die erweiterten Speichermedien heutiger Informationstechnologien zu verteilen und sozusagen ein teilartifizielles, die ursprünglichen Körpergrenzen überschreitendes „Extended Mind“26 herauszubilden. Damit wächst einerseits die individuelle psychische Abhängigkeit von bestimmten medialen Umwelten, andererseits könnte in der fortschreitenden Externalisierung des Geistes aber auch ein gewisses Potential der geistigen Weiterentwicklung zu erkennen sein.27 Unter diesen Bedingungen sind Lebens- und Netzwelten nicht mehr eindeutig voneinander zu unterscheiden, sondern nähern sich vielmehr als mediatisierte Welten einander an. Die Konvergenzen 28 nehmen in dem Maße zu, wie in­ formationstechnologische Netze permanent, ubiquitär zugänglich gemacht werden. Die ständige Präsenz des Internets verwandelt dieses in eine neue Alltagswirklichkeit, der man sich allenfalls noch vorübergehend entziehen kann. Die zunehmend konvergierenden Netzwirklichkeiten ermöglichen mithin einerseits eine neuartige Synchronizität, nämlich die gleichzeitige Teilnahme an verschiedenen Bereichen der ursprünglich sozial ausdifferenzierten Welt, könnten andererseits aber auch zu einem Verlust an Zeit und Identität, kurz: zur geistigen Fragmentierung führen. Der mit den neuen Medien verbundene Wandel von Informations- und Kommunikationsprozessen nimmt insoweit zugleich einen bestimmenden Einfluss auf die Identitätsbildung, nicht nur indem Zugangsmöglichkeiten je nach technischer Ausstattung beschränkt oder eröffnet werden, sondern auch durch die formale wie auch inhaltliche Beschaffenheit der Informationen selbst. Die Art der Informationsdarbietung entscheidet darüber, wie Informationen verarbeitet 25   Aus der umfangreichen, überwiegend pessimistischen Populärliteratur siehe etwa Maggie Jackson, Distracted: The Erosion of Attention and the Coming Dark Age, Amherst/New York 2008; sowie auch Frank Schirrmacher, Payback: Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen, München 2009; vgl. ferner Evelyn Finger, „Verzettelt im Netz“, Die ZEIT Nr.  21 vom 15.5.2008. 26  Vgl. Clark/Chalmers, The Extended Mind, Analysis 1998, Vol.  58, 7 ff.; Andy Clark, Natural-Born Cyborgs. Minds, Technologies, and the Future of Human Intelligence, Oxford 2003; ders., Re-Inventing Ourselves: The Plasticity of Embodiment, Sensing, and Mind, Journal of Medicine and Philosophy 2007, Vol.  32, 263 ff.; dazu Gruber, Neurotechnologisch modifizierte Rechtssubjektivität, in: Müller/Clausen/Maio (Hg.), Das technisierte Gehirn, 2009, 87 ff. 27   Zu optimistischen Perspektiven zukünftiger Informationsverarbeitung siehe insbesondere Cass R. Sunstein, Infotopia: How Many Minds Produce Knowledge, Oxford/New York 2008. 28  Vgl. Henry Jenkins, Convergence Culture: Where Old and New Media Collide, New York/London 2006; speziell zu den technischen und medienrechtlichen Konvergenzentwicklungen in Deutschland etwa Stefan Mückl, Die Konvergenz der Medien im Lichte des neuen Telemediengesetzes, JZ 2007, 1077 ff.

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werden, ob sie für relevant gehalten werden und ob sie in richtiger Weise für relevant gehalten werden.29 Daneben hat mitunter auch die zielgerichtete In­ strumentalisierung psychischer, insbesondere neuronaler Mechanismen einen bestimmenden Einfluss auf menschliche Identitäten. Neue Forschungsrichtungen der Neuroökonomie30 und des Neuromarketing31 sowie auch neuartige Beteiligungsformen in den Massenmedien 32 verdeutlichen die wachsenden me­ dialen Zugriffsmöglichkeiten auf Menschen. Verstärkt werden die Eingriffspotentiale durch die im Informationszeitalter neu entstandene Situation, dass prinzipiell alles gespeichert werden kann und dass einmal gespeichertes Wissen – wie es etwa im Rahmen von Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen und Video-Überwachungen gewonnen wird – nicht mehr vergessen wird.33

IV. Kommunikationsmedienperspektive: Vermischung von sinnhafter und technischer Kommunikation Die geschilderten sozialen Wandlungsprozesse charakterisieren mediatisierte Welten als einen qualitativ neuartigen Bereich des gesellschaftlichen Lebens, der sich auf die spezifischen Kommunikationsbedingungen der sozialen Informationstechnologien gründet. Deren Besonderheit zeigt sich nicht etwa schon darin, dass diese in irgendeiner Weise die gesellschaftlichen Verhältnisse beeinflussen. Denn schließlich durften auch frühere Kommunikationsmedien wie etwa die Sprache, die Schrift oder auch der Buchdruck ursprünglich als technische Innovationen gelten, die als „soziale Medien“ das Verhalten und die normativen Einstellungen der Menschen verändert haben: Bereits die gesprochene und die geschriebene Sprache wie etwa auch der Buchdruck hatten ihren jeweils eigenen Aufforderungscharakter; sie führten zu jeweils anderen Lebensgewohnheiten, sozialen Erwartungen und schließlich auch zu normativen Veränderungen in Moral und Recht. Insoweit könnten die neuen informationstechnischen Medien noch als bloße Fortsetzungen einer bereits sehr viel früher einsetzenden Ent29   Zur Problematik der individuell kaum noch zu bewältigenden „Informationsfluten“ und der damit verbundenen Machtstellung von Informationsintermediären Marie-Theres Tinnefeld, Sapere aude! Über Informationsfreiheit, Privatheit und Raster, NJW 2007, 625 ff. (627 f.). 30   Dazu insbesondere Paul W. Glimcher, Decisions, Uncertainty, and the Brain. The Science of Neuroeconomics, Cambridge (MA) 2003. 31  Vgl. Spiros Simitis, Biowissenschaften und Biotechnologie – Perspektiven, Dilemmata und Grenzen einer notwendigen rechtlichen Regelung, JZ 2008, 693 ff. (696 f.). 32   Zu den Beispielen interaktiver Gewinnspiele und sogenannter Call-In-Sendungen etwa Stefan Bolay, Televoting- und Gewinnspiel-Call-In-Shows zwischen Teleshopping und redaktionellem Programm, KuR 2009, 91 ff. 33   Vor diesem Hintergrund etwa Peter Schaar, Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft, München 2007; Wolfgang Sofsky, Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift, Bonn 2007.

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wicklung verstanden werden, die auf eine immer größere Verbreitung kommunikativer Medien gerichtet ist.34 Was allerdings an den neuen Informationstechnologien neu sein dürfte, ist die von Thomas Vesting konstatierte Aufhebung der bisherigen Grenzbestimmungen von kommunikativen Inhalten und deren technisch-materieller Basis: Sinnhafte Kommunikation und technische Umwelt des Kommunizierens können demnach nicht mehr deutlich voneinander unterschieden werden; das Internet erscheint dann zu gleicher Zeit als technisches Phänomen und als soziales Kommunikationsnetzwerk.35 Konnte etwa noch die natürliche Sprache als Kommunikationsmedium von der Stimme unterschieden werden, wie auch Schrift und Druck von ihren jeweiligen „Werkträgern“, basieren neuere Informationstechnologien auf der Vernetzung des Kommunikationsmediums „Computer“, das jedoch selbst die technischen Kommunikationsbedingungen setzt. Diese fügen sich bezüglich ihres Sinngehalts nicht mehr einseitig den Vorgaben der sozialen Kommunikation, sondern bestimmen dieselbe aufgrund ihrer digitalen Codes, zum Beispiel in Gestalt von Programmiersprachen, Benutzeroberflächen oder Textformaten, gerade auch inhaltlich mit.36 Dementsprechend weist Vesting zu Recht darauf hin, dass sich die Software nicht etwa auf eine technische Umweltbedingung der Kommunikation reduzieren lasse. Ebenso wenig dürfe sie mit der Grammatik einer natürlichen Sprache, also mit einer alleine dem Sinnmedium zugehörigen Form der Kommunikation gleichgesetzt werden. Vielmehr eröffne der Computer jenseits der Differenzen von Materialität und Sinn, von Laut und Zeichen wie auch von Physis der Schrift und Hermeneutik von Texten eine „dritte Ebene“, die sich als „Logik der Vernetzung“ beschreiben lasse: „Die Codeschrift wandert als technisch vergegenständlichte Schrift selbst in den Kern des Kommunikationsmediums ein.“37 Diese Beschreibung des Computers als eine eigenständige, vernetzte Form der sinnhaften und zugleich technischen Kommunikation ermöglicht es zu­ allererst, den bisher insbesondere in der Systemtheorie noch vorherrschenden Standpunkt zu überwinden, nach welchem sich das informationstechnische Medium ebenso wie alle anderen Medien auch letztlich allein auf die Sprache im 34   Vgl. etwa Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Band 1, Frankfurt a.M. 1997, 202 ff.; Dirk Baecker, Studien zur nächsten Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2007, 7 ff., 34 ff. und 152 ff. 35   Vgl. hierzu Thomas Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Karl-Heinz Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet. Neues Recht für Kommunikationsnetzwerke, Baden-Baden 2003, 155 ff. (179); siehe ferner Vagias Karavas, Digitale Grundrechte. Elemente einer Verfassung des Kommunikationsflusses im Internet, Baden-Baden 2007, 144 ff. 36  Dazu Vesting, a.a.O., unter Berufung auf Jacques Derrida, Grammatologie, Frankfurt a.M. 1983, 17 ff. 37  So Vesting, a.a.O. (180), mit vertiefendem Hinweis auf Gotthard Günther, Das Bewußtsein der Maschinen. Eine Metaphysik der Kybernetik, 2.  Auflage, Krefeld/Baden-Baden 1963, 19 ff.

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Sinne eines grundlegenden Kommunikationsmediums zurückführen lasse.38 Dementgegen ist anzunehmen, dass es in der bislang noch kontinuierlich verlaufenden Medienevolution zu einer Zäsur gekommen ist, die sich mit der Neuerung des universellen Kommunikationsmediums „Computer“ kennzeichnen lässt. Als „Medium zweiter Ordnung“ vermag dieser andere Medien wie etwa Sprache, Schrift, Bild, Musik zu integrieren und auf immer neue Arten miteinander zu verbinden.39 Die „transmedialen“40 Kapazitäten des Computers erreichen allerdings erst durch ihren spezifischen Einsatz in sozialen Informationstechnologien eine neue Stufe der Medienentwicklung, auf welcher der „Rechner […] so an die Kommunikation strukturell gekoppelt ist, wie es bislang nur das Bewusstsein war“41. Ähnlich wie das menschliche Bewusstsein als selbstreferentielles psychisches System42 für die gesellschaftliche Kommunikation eine notwendige, allerdings auch unberechenbare Umwelt bildet, kommunizieren nunmehr auch artifizielle, informationstechnische Systeme als komplexe, eigendynamisch operierende, womöglich sogar eigensinnige „Agenten“ mit.43 Kurzum: Technik wird zunehmend sozial als Medium und auch als Akteur. Die These, dass Technik neue soziale Akteure bildet oder jedenfalls zu einem wesentlichen Bestandteil sozialer Akteure wird, kann vor allem anhand von Fällen näher untersucht werden, deren rechtliche Problematik im Zusammenhang mit technologischen Erweiterungen der Person nachzuvollziehen ist. Dieser Zusammenhang wird insbesondere dadurch erzeugt, dass menschliche Nutzer informationstechnischer Systeme ihre geistigen Aktivitäten zunehmend in die neuen medialen Umwelten verlagern, die sich dann als ein externalisierter, funktionaler Bestandteil der Nutzerpersönlichkeit darstellen. Unter diesen Bedingungen können elektronisch gespeicherte und verbreitete Daten sowie Bil38   Siehe etwa Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Band 1, 1997, 205 ff.; vgl. ferner Baecker, Studien zur nächsten Gesellschaft, 2007, 38, 81 f., 84 f. und 169, welcher immerhin einen sozialen „Eigensinn“ und eine „Eigendynamik“ beim mitkommunizierenden Computer vermutet. 39  Vgl. Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, 2003, 155 ff. (178 f.). 40   Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, (155 ff.) 179, unter Berufung auf Mike Sandbothe, Pragmatische Medienphilosophie. Grundlegung einer neuen Disziplin im Zeitalter des Internet, Weilerswist 2001; vgl. bereits Sandbothe, Digitale Verflechtungen. Eine medienphilosophische Analyse von Bild, Sprache und Schrift im Internet, in: Klaus Beck/ Gerhard Vowe (Hg.), Computernetze – ein Medium öffentlicher Kommunikation, Berlin 1997, 125 ff. 41   Baecker, Studien zur nächsten Gesellschaft, 2007, 38. 42  Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 286 ff. und 346 ff. 43  Siehe Baecker, Studien zur nächsten Gesellschaft, 2007, 81; ferner Gunther Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen: Zur Ausweitung des Akteursstatus in Recht und Politik, in: Paolo Becchi/Christoph Graber/Michele Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, Zürich/Basel/Genf 2008, 1 ff.

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der wegen ihres „Personenbezugs“44 als besonders schützenswert gelten. Dabei scheint sich anzudeuten, dass die spezifischen Kommunikationsbedingungen mediatisierter Welten gleichzeitig zu einer entsprechenden Mediatisierung des Rechts führen, die eine kritische Reflexion einiger seiner grundlegenden Prämissen erfordern.

V.  Rechtsperspektive: Personale Funktionalisierung informationstechnischer Systeme Rechtliche Veränderungen sind bereits jetzt vor allem im Bereich der (rechts‑) personalen Zuschreibungen, etwa von personaler Integrität, Privatsphären, Entfaltungsmöglichkeiten, Autonomiebereichen, Handlungsfähigkeiten und ‑verantwortlichkeiten zu beobachten. Im Mittelpunkt steht dabei die Neubestimmung des Rechtssubjekts, dessen personaler Rechtsstatus offensichtlich nicht mehr – jedenfalls nicht mehr alleine – mit der Selbstbestimmung des Menschen zu begründen ist, sondern zuerst aus der Menge der von den neuen Kommunikationsmedien geprägten, gesellschaftlichen Grenzvorstellungen herausgearbeitet werden muss.45 Dieser Schritt wird jedoch erst unter der Voraussetzung nachvollziehbar, dass man den Begriff der Rechtsperson als interne Konstruktion der rechtlichen Kommunikation deutlich von den außerhalb der Kommunikation lebenden Menschen unterscheidet.46 Menschliches Bewusstsein und menschliche Körper gehören als psychische und physiologische Prozesse zur Umwelt der Kommunikation47 – ebenso, wie auch informationstechnische Systeme der Kommunikation ursprünglich äußerlich sind. Die Unterscheidungen von Kommunikation und Bewusstsein, Körper oder auch informationstechnischem System werden allerdings innerhalb der kommunikativen Sinnwelt wiederholt, deren Unsicherheit über die Identität und das Verhalten derart komplexer, selbstreferentieller Systeme damit aber noch nicht behoben ist. Vielmehr bewältigt die rechtliche Kommunikation ihre Unsicherheit erst dadurch, dass sie selbstreferentielle Systeme sozialer, psychischer, körperlicher oder auch technischer Art 44   Siehe §  1 Abs.  1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG): „Zweck dieses Gesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.“ 45   Siehe entsprechend Gesa Lindemann, Das Soziale von seinen Grenzen her denken, Weilerswist 2009; vgl. ferner Thomas Luckmann, Über die Grenzen der Sozialwelt, in: Lebenswelt und Gesellschaft. Grundstrukturen und geschichtliche Wandlungen, Paderborn 1980, 56 ff. 46   Vgl. hierzu Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 269 ff. und 286 ff.; näher zur rechtspersonalen Rekonstruktion Gunther Teubner, Unternehmenskorporatismus. New Industrial Policy und das „Wesen“ der juristischen Person, KritV 70 (1987), 61 ff. 47   Näher dazu Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 346 ff.

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als besondere semantische Artefakte rekonstruiert. Indem sie ihnen unter Bedingungen der doppelten Kontingenz eigene Subjektivität und Handlungsfähigkeit zuschreibt,48 institutionalisiert sie neue Akteure und schafft mit ihnen „soziale Realität“.49 Auf diese Weise werden zunächst die außerhalb der Rechtskommunikation stehenden Menschen als rechts- und handlungsfähige „natürliche Personen“ rekonstruiert. Damit wird es aber des Weiteren prinzipiell denkbar, nicht nur individuellen Menschen, sondern auch Kollektiven, womöglich sogar nichtmenschlichen Wesen oder bloßen Informationsströmen Personalität zuzuerkennen, sofern diese nur eine ausreichende Komplexität erreichen. Verhaltenserwartungen müssen dann über bloße Kausalvorstellungen hinaus mit den ebenfalls unter Bedingungen der doppelten Kontingenz zu treffenden Entscheidungen eines personalen, intentionalen Gegenübers rechnen.50 Aus einer solchen Perspektive vermögen nun auch die beschriebenen Kommunikationsbedingungen mediatisierter Welten neue Akteure herauszubilden, die kommunikativ-sinnhafte und zugleich technisch-artifizielle Konstruktionen darstellen, in denen Menschen ihre geistigen und auch körperlichen Aktivitäten mit technischen Prozessen verbinden. Bei alledem ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die lebendigen, natürlichen oder auch artifiziellen Umwelten der Kommunikation – Bewusstsein, Körper und Technik – nicht alleine als deren Gegenstände angesehen werden können, sondern jenseits ihrer gesellschaftlichen Rekonstruktion als „Personen“ oder „Sachen“ vor allem auch eigen- und widerständig wirkende, materiale Realitäten sind.51 Auf diese Materialitäten informationstechnischer Kommunikationsmedien antwortet das Recht mit der   Vgl. hierzu Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. (4 ff.). Aus einer anderen theoretischen Sicht betont etwa auch Peter F. Strawson, dass Menschen generell auf reaktive und personale Haltungen gegenüber ihren Mitmenschen festgelegt seien; siehe ders., Freiheit und Übelnehmen, in: Ulrich Pothast (Hg.), Seminar: Freies Handeln und Determinismus, 2.  Auflage, Frankfurt a.M. 1988, 208 ff. 49  Vgl. Teubner, Unternehmenskorporatismus, KritV 70 (1987), 61 ff. (68 f.); Michael Hutter/Gunther Teubner, Der Gesellschaft fette Beute. Homo juridicus und Homo oeconomicus als kommunikationserhaltende Fiktionen, in: Peter Fuchs/Andreas Göbel (Hg.), Der Mensch – das Medium der Gesellschaft, Frankfurt a.M., 1994, 110 ff. (118 ff.); zur „Objektivität“ einer sozial instituierten Wirklichkeit aus einer anderen Theorieperspektive John R. Searle, Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Zur Ontologie sozialer Tatsachen, Reinbek bei Hamburg 1997, 41 ff.; ders., Geist, Sprache und Gesellschaft. Philosophie in der wirklichen Welt, Darmstadt 2001, 134 ff. 50  Ähnlich auch Daniel C. Dennett, Mechanism and Responsibility, in: Gary Watson (Hg.), Free Will, Oxford 1982, 155 ff., welcher die „intentional stance“ als ein Mittel zur Herstellung von Erwartungssicherheit hinsichtlich der möglichen Handlungen und Reaktionen komplexer Systeme beschreibt. Siehe auch ders., Intentional Systems, The Journal of Philosophy LXVIII (1971), 87 ff.; ferner ders., Kinds of Minds. Towards an Understanding of Consciousness, New York 1996 (Neuausgabe 1998), 34 ff. 51   Zum Aspekt der „Widerständigkeit“, der auch nichtmenschliche Wesen als eigenständige Akteure auszeichnen kann, vgl. etwa Latour, Das Parlament der Dinge, 2001, 110 ff. 48

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erwähnten Ausweitung seines Personenkonzepts, einschließlich der damit korrespondierenden Begriffe des „Körpers“ und auch des „informationstechnischen Systems“, indem diese als „Basis der Persönlichkeit“52 oder jedenfalls als deren Äquivalent53 gesehen werden. Das zuvor zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur „Online-Durchsuchung“ mit seiner Neuschöpfung eines Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme bildet dabei ein besonders eindrückliches Beispiel für eine solche, der informationstechnologischen Externalisierung des Menschen entsprechende Erweiterung des rechtlichen Personenkonzeptes. In diesem Rahmen stellt sich aufs Neue die Frage, wie weit der Schutz der menschlichen Person im informationstechnischen Medium reicht und wo Körper und Geist oder deren in informationstechnischen Systemen gespeicherten Daten enden, die den Umfang des informatorischen Privatheitsschutzes mitbestimmen. Antworten auf diese besondere Fragestellung des Bioinformationsrechts versprechen, gerade auch in rechtsdogmatischer Hinsicht, zur Systematisierung der angedeuteten informationsrechtlichen Neuentwicklungen beizutragen. Vor allem dürften sie helfen, die rechtlichen Konzeptionen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, des Datenschutzes sowie der Identitäts- und Handlungszuschreibung im Bereich der Informationstechnologie zu konkretisieren und insbesondere deren Bedeutung für das Privatrecht herauszuarbeiten. Dass gerade der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wie auch das Datenschutzrecht nicht zu den Angelegenheiten des öffentlichen Rechts alleine gehören, zeigen bereits die privatrechtlichen Ursprünge des Persönlichkeitsschutzes, beginnend mit der römisch-rechtlichen Injurienklage über die Rezeption und Erweiterung durch Hugo Donellus bis hin zur modernen Fassung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Otto von Gierke, die schließlich zur Basis der persönlichkeitsrechtlichen Zivilrechtsprechung der Nachkriegszeit wurde.54 Die inzwischen berühmten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu „Leserbrief“55 , „Herrenreiter“56 und „Mephisto“57 konnten sich gegenüber anders lautenden reichsgerichtlichen Entscheidungen 58 gewiss in erster Linie auf die grundlegend veränderte Verfassungslage stützen, welche in der Bundesrepublik Deutschland vor allem mit der an erster Stelle verankerten Menschenwürdegarantie (Art.  1 GG) und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlich  Siehe nochmals BGHZ 124, 52 (54): oben, 1. Abschnitt, Fn.  69.   Vgl. BVerfGE 120, 274 (312 f.). 54   Hierzu im Einzelnen Götting, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  2 (24 ff.). 55   BGHZ 13, 334. 56   BGHZ 26, 349. 57   BGHZ 50, 133; im Ergebnis bestätigend BVerfGE 30, 173. 58   In deutlichem Gegensatz vor allem RGZ 69, 401 (403) – „Nietzsche-Briefe“: „Ein allgemeines subjektives Persönlichkeitsrecht ist dem geltenden bürgerlichen Rechte fremd.“ 52 53

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keit (Art.  2 GG) begründet worden war. Darüber hinaus waren es aber die technologischen Entwicklungen und die zunehmende Verbreitung der Massenmedien Presse, Film, Rundfunk und Fernsehen, die neuartige Persönlichkeitsgefährdungen hervorbrachten und somit nach einem verstärkten Schutz der Persönlichkeitsrechte verlangten.59 In einer vergleichbaren Weise führen nunmehr auch die gegenwärtigen Entwicklungen der sozialen Informationstechnologien zu ganz neuen persönlichkeitsrechtlichen Gefährdungs- und Verletzungsformen. Diese gehen keineswegs alleine von staatlichen Akteuren aus. Im Gegenteil: Gerade in den neuen Informationstechnologien kommt eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung besonders deutlich zum Vorschein, die in wachsendem Maß auch durch grenzüberschreitende Grundrechtsverletzungen seitens privater Akteure geprägt ist. 60 Unter diesen Umständen erscheinen Gewährleistungen eines Grundrechtsschutzes gegenüber nicht-öffentlichen Akteuren, womöglich auch gegenüber einseitigen normativen Vereinnahmungen des gesellschaftlichen Lebens durch die „Matrix“ der kommunikativen Eigenwelten bestimmter gesellschaftlicher Teilsysteme, umso dringlicher. 61 Das Verfassungsrecht alleine kann derartige Leistungen nicht erbringen; Grundrechtsschutz in den Informationstechnologien muss vielmehr auf allen Teilgebieten des Rechts verwirklicht werden. Den Rechtsverletzungen durch Private ist daher im Besonderen auch mit Rechtskonzepten des subjektiven, auch kollektiven Rechtsschutzes, etwa im Sinne eines „Private Enforcement“62 oder auch eines „Private Law Enforcement“63 , zu begegnen. Diese können entsprechende öffentlich-rechtliche Normierungen in Gestalt objektiver Schutzgesetze – wie insbesondere des Datenschutzgesetzes64 – zwar nicht ersetzen, wohl aber wirksam ergänzen. Mit Rücksicht auf die wachsende transnationale Streuwirkung65 der in den informationstechnischen Medien beobachtbaren Persönlichkeitsverletzungen müssen diese Konzeptionen darüber hinaus auch die Möglichkeiten einer die nationale Jurisdiktion überschreitenden Rechtsdurchsetzung einkalkulieren.

 Siehe Götting, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  2 (34 f./Rn.  16). 60   Hierzu vor allem Teubner, Die anonyme Matrix, Der Staat 45 (2006), 161 ff. 61  Vgl. Teubner, a.a.O. (175 ff.). 62   Vgl. statt vieler etwa Astrid Stadler, Grenzüberschreitender kollektiver Rechtsschutz in Europa, JZ 2009, 121 ff. 63  Vgl. Burkhard Hess, „Private law enforcement“ und Kollektivklagen. Regelungsbedarf für das deutsche Zivilprozessrecht?, JZ 2011, 66 ff. 64   Vgl. hierzu insbesondere Benedikt Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, Tübingen 2006. 65   Einen Überblick bietet etwa Renate Schaub, Streuschäden im deutschen und europäischen Recht, JZ 2011, 13 ff. 59

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VI.  Grundrechtsperspektive: Vertraulichkeits- und Integritätsgewährleistung Das neue, vom Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete „Computer-Grundrecht“ ist in der Rechtsliteratur zwar hinsichtlich seiner informationsbezogenen Schutzrichtung grundsätzlich zustimmend aufgenommen worden, hat jedoch als neuartige dogmatische Konstruktion66 wegen einiger begrifflicher Unschärfen67 auch Kritik hervorgerufen. 68 Während die vom konkreten Nutzer abstrahierende Rechtskonstruktion aus einer systemtheoretisch informierten Perspektive als Konsequenz der personalen Funktionalisierung informationstechnischer Systeme und der Herausbildung soziotechnischer „Mensch-Ding-Assoziationen“ nachvollzogen werden kann, erfordern die begrifflichen Unklarheiten neben systematischen Lösungen noch weitere Aufklärung. In dieser Hinsicht sind zunächst die verschiedenen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das neue „Computer-Grundrecht“, voneinander abzugrenzen. 69 Ebenso wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht mit einer „absoluten Verfügungsbefugnis über ‚eigene‘ Daten“ verwechselt werden darf und daher deutlicher im Hinblick auf sozialbereichsspezifische, „freiheitsbezogene“ Schutzziele zu differenzieren ist,70 darf auch das neue Grundrecht auf Persönlichkeitsschutz nicht im Sinne eines absoluten Rechts am selbstgenutztem informationstechnischen System als Ganzem missverstanden werden. Dabei ist allerdings mit Rücksicht auf die beschriebene zunehmende Verteilung menschlicher Bewusstseinsinhalte auf externe informationstechnische Speichermedien ein gesteigerter, auch über den von der Entscheidung zur Online-Durchsuchung begründeten Umfang hinausgehender Persönlichkeitsschutz zu erwägen, der selbst diejenigen geistigen Fragmente der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung erfasst, aus denen sich kein umfassendes Persönlichkeitsbild herstellen lässt. Wo nämlich keine einzelnen, zentralen Zuordnungs  Skeptisch gegenüber der Konstruktion eines nur noch „mittelbar“ und „instrumentell“ auf die Nutzerpersönlichkeit bezogenen, technischen Integritätsschutzes vor allem Eifert, NVwZ 2008, 521 ff. (522); vgl. ferner Lepsius, Das Computer-Grundrecht: Herleitung, Funktion, Überzeugungskraft, in: Roggan (Hg.), Online-Durchsuchungen, 2008, 21 ff. (32 ff.). 67   Dazu insbesondere Britz, DÖV 2008, 411 ff.; Hoeren, MMR 2008, 365 f. 68  Zusammenfassend Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff. (1015). 69   Zu Befürchtungen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde durch das neue Grundrecht „klein geredet“, siehe vor allem Britz, DÖV 2008, 411 ff. (413). 70  So Britz, a.a.O. (412 f.), mit weiterem Hinweis auf Marion Albers, Informationelle Selbstbestimmung, Baden-Baden 2005. Zur Notwendigkeit einer genaueren Differenzierung auch Karl-Heinz Ladeur, Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Eine juristische Fehlkonstruktion?, DÖV 2009, 45 ff. 66

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punkte ganzheitlicher „Persönlichkeiten“ mehr zu ermitteln sind, bedarf es eines entsprechend erhöhten Schutzes der vor allem in den sozialen Informationstechnologien verteilten Sphären fragmentierter Persönlichkeitsentfaltungen. Ebenso ist über den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall hinaus zu bestimmen, in welchem Maße diese informationstechnischen Persönlichkeitssphären auch gegenüber solchen Eingriffen, die nicht heimlich erfolgen, für schutzwürdig zu erachten sind.71 In diesem Zusammenhang sind ferner die tatsächlichen, eigentumsunabhängigen Nutzungsverhältnisse näher zu bestimmen, die informationstechnische Systeme als Teile der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung erscheinen lassen. Dabei kommt es nicht zuletzt darauf an, die wesentlichen Eigenschaften herauszuarbeiten, die technische Artefakte als informationstechnische Systeme qualifizieren, welche eine schutzwürdige Basis der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung, womöglich sogar einen ausgelagerten Teil des menschlichen Gehirns oder des Körpers bilden können. Der persönlichkeitsrechtliche Schutz informationstechnischer Systeme geht nach der Entscheidung zur „Online-Durchsuchung“ deutlich über den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinaus.72 Das Bundesverfassungsgericht sieht einen qualitativen Unterschied offenbar schon da­ rin, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur die berechtigten Geheimhaltungsinteressen in Bezug auf „Daten mit punktuellem Bezug zu einem bestimmten Lebensbereich des Betroffenen“ schütze, während sich Eingriffe in informationstechnische Systeme auf ganze Datenbestände, beispielsweise von privat oder auch geschäftlich genutzten Personalcomputern, richten könnten. Der dadurch ermöglichte „Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person“ sowie auch das damit zu gewinnende „aussagekräftige Bild der Persönlichkeit“ verlangen demzufolge nach einem andersartigen, spezifischen Grundrechtsschutz, wie er in der neuen Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, zum Ausdruck kommen soll.73 Damit nutzt das Bundesverfassungsgericht den weiten Spielraum, den es sich in seiner eigenen Judikatur zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht erhalten hat, stets betonend, dass dessen Inhalt nicht abschließend umschrieben werden könnte, vielmehr seine Ausprägungen anhand des jeweils zu entscheidenden Falles herauszuarbeiten seien. Entsprechend der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als ein „unbenanntes“, die speziellen „benannten“ Freiheitsrechte ergänzendes Recht werden auf diese Weise die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gewährleistet.74   Siehe bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  204.   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  190 und 200. 73   BVerfGE 120, 274 (314). 74   Siehe BVerfGE 54, 148 (153 f.). 71

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Das ermöglicht einerseits die Schaffung vielfältiger, bereichsspezifischer Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,75 namentlich eines besonderen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, wenn es um die Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten geht.76 Auf diese Weise ist die Rechtsprechung in der Lage, vor allem auf neue, bislang nicht vorhergesehene Herausforderungen an das Recht zu antworten, die sich erst im Zuge der technologischen Entwicklungen und des Einsatzes neuer Verbreitungsmedien ergeben. Andererseits mag die verfassungsrichterliche Freiheit, immer neue persönlichkeitsrechtliche Ausprägungen zu kreieren, gewiss auch Befürchtungen nähren, dass sie eine systematische Fassung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereichs oder zumindest eine klare Abgrenzung der immer zahlreicher werdenden Ausprägungen erschweren könnte. In diese Richtung zielen die kritischen Kommentare zur Online-Durchsuchungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Ihnen zufolge bleibe etwa der „präzise“ Zusammenhang zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Datenerhebung insofern undeutlich, als das Gericht nicht genau herausgestellt habe, welches Schutzgut gegenüber der Da­ ten­erhebung eigentlich verfolgt werde.77 In der Folge vermögen einige Kommentatoren auch keinen wesentlichen Unterschied zwischen der neuen Ausprägung des „Computer-Grundrechts“ und dem älteren Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu erkennen: Beide Ausprägungen sollen schließlich vor Persönlichkeitsgefährdungen schützen, die sich aus der Auswertung von Daten und den dadurch möglichen Rückschlüssen auf das Verhalten und die Eigenschaften einer Person ergeben. Ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht schon im Volkszählungsurteil78 die Gefahr einer Gewinnung „vollständiger Persönlichkeitsbilder“ angenommen habe, sei nunmehr von einer „Profilbildung“79 die Rede. Dabei bleibe aber weiterhin ungeklärt, warum Profil- oder Persönlichkeitsbilder zu Persönlichkeitsgefährdungen führen und in welcher Hinsicht die Entfaltung der Persönlichkeit dagegen zu schützen sei. 80 Offenbar genügt es nicht mehr, wie das Bundesverfassungsgericht darauf zu verweisen, dass Persönlichkeitsbilder, deren Richtigkeit und Verwendung der   Das Bundesverfassungsgericht benennt selbst die wichtigsten Schutzgüter Privatsphäre, Geheimsphäre, Intimsphäre (BVerfGE 27, 1 (6); 27, 344 (350 f.); 32, 373 (379); 34, 238 (245 f.); 47, 46 (73); 49, 286 (298)), die persönliche Ehre und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (BVerfGE 35, 202 (220)), das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort (BVerfGE 34, 238 (246)) sowie das Recht vor Unterschiebung nicht getaner Äußerungen (BVerfGE 34, 269 (282 f.)). 76  Vgl. etwa BVerfGE 65, 1 (42). Dazu vor allem Albers, Informationelle Selbstbestimmung, 2005. 77  Siehe Britz, DÖV 2008, 411 ff. (412). 78   BVerfGE 65, 1 (42). 79   BVerfGE 120, 274 (305). 80  So Britz, DÖV 2008, 411 ff. (413). 75

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Betroffene nicht zureichend kontrollieren könne, dessen Verhalten „schon durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme“ beeinflussen können. 81 Ebenso unzureichend scheint eine Präzisierung des Schutzes der individuellen Selbstbestimmung dahingehend zu sein, „dass dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten.“82 Es mag zwar durchaus zutreffen, dass Volkszählungen und vergleichbare Datenerhebungen die individuelle Freiheitsausübung des Einzelnen beeinträchtigen können, soweit dieser „nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind“, und er damit auch „das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag.“ Insbesondere dürfte es in dieser Hinsicht richtig sein anzunehmen, dass „[m]it dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung [...] eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar [wären], in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.“83 Was aber mit Blick auf das freiheitliche demokratische Gemeinwesen noch als ein exzeptioneller Zustand betrachtet und schließlich abgelehnt werden kann, weil dadurch die „individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen“ und somit auch eine „elementare Funktionsbedingung“ dieses Gemeinwesens beeinträchtigt würden, 84 gehört inzwischen zu den faktisch hinzunehmenden Grundbedingungen heutiger Online-Welten: Niemand kann dort mehr sicher sein, ob und inwiefern seine Verhaltensweisen verfolgt, aufgezeichnet, gespeichert, verwendet, weitergegeben werden. Kaum jemand versucht aber deswegen, sein Verhalten bei der Nutzung informationstechnischer Systeme – wie es das Bundesverfassungsgericht etwa bei Volkszählungen noch erwartet hat85 – entsprechend dieser Situation anzupassen, sich unauffällig zu benehmen, womöglich sogar auf die Ausübung seiner Grundrechte zu verzichten. Ein solches Verhalten gälte zumindest als ungewöhnlich und widerspräche der Eigennormativität, die sich vor allem im sozialen Einsatz informationstechnischer Systeme herausgebildet hat. Denn nur wer sich aktiv an den sozialen Kommunikationen informationstechnischer Medien beteiligt, sich von einem nicht mehr überschaubaren Kreis anderer Teilnehmer beobachten lässt und insoweit seine persönlichen Daten preisgibt, findet dort auch gesellschaftliche Anerkennung.

  Siehe BVerfGE 120, 274 (305 und 312), insbesondere mit Verweis auf BVerfGE 65, 1 (42).   BVerfGE 65, 1 (42 f.). 83   BVerfGE 65, 1 (43). 84   BVerfGE 65, 1 (43). 85   Vgl. BVerfGE 65, 1 (43). 81

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Darin könnte allerdings durchaus schon ein (konkludenter) Grundrechtsverzicht gesehen werden, namentlich ein genereller Verzicht auf das eigene Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Als einziger denkbarer Ausweg aus dem ubiquitären Beobachtungsraum der sozialen Informationstechnologie des Internets bliebe demgegenüber allenfalls ein (selbstbestimmter) vollständiger Verzicht auf die Nutzung informationstechnischer Systeme. Doch diesen Schritt scheinen allenfalls noch diejenigen wenigen Menschen gehen zu können, die nicht auf die sozialen, insbesondere auch ökonomischen Vorteile des weltweiten „Mitmachnetzes“ angewiesen sind. 86 Für die große Mehrheit aber gibt es praktisch keine Ausstiegsmöglichkeit mehr, keine Option eines „Exit“, einem Ausdruck von Albert O. Hirschman entsprechend – ihnen bleibt nur die Wahl, sich den vorgefundenen soziotechnischen Bedingungen und Gefahren des weltweiten Netzes widerspruchslos zu fügen – oder aber die vielleicht noch gegebene Chance wahrzunehmen, ihre Stimmen zum Protest zu erheben. 87 Innerhalb dieses Netzes erscheint es als ein uneinlösbares Versprechen, die informationelle Selbstbestimmung nach deren ursprünglichen Idee, wie sie das Bundesverfassungsgericht in der Volkszählungs-Entscheidung entworfen hat, schützen zu wollen. Anders ausgedrückt: Selbstbestimmung ist zwar „eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens“, 88 die insbesondere in Gestalt der informationellen Selbstbestimmung vor Verhaltensbeeinflussungen infolge öffentlicher Datenerhebungen geschützt werden muss. Die „elementare Funktionsbedingung“ des informationstechnischen Gemeinwesens ist aber offenbar eine andere. Nutzer informationstechnischer Systeme werden nicht etwa vermittelst der damit verbundenen Möglichkeiten der Beobachtung und Datenerhebung in ihrem Verhalten beeinflusst. Vielmehr sind sie ganz direkten Eingriffen in ihre persönliche Entfaltung innerhalb des informationstechnischen Mediums ausgesetzt, soweit nunmehr nicht alleine auf Daten, sondern darüber hinaus auf die gesamte Technik zugegriffen wird89 – einer Technik, die unter den „Lebensbedingungen“ sozialer Informationstechnologien nicht mehr nur als ein bloßes Werkzeug gesehen werden kann, sondern eher als ein neuer medialer „Lebensraum“ der Kommunikation, Gesellschaft und lebendigen Existenz, kurzum: der persönlichen Entfaltung der Menschen. 86   Vgl. dazu etwa die aktuelle Rechtsprechung zum Schadensersatz bei Ausfall des Internetzugangs, BGH WM 2013, 580 ff. (583): Danach habe „sich das Internet zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“ 87  Vgl. Albert Otto Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty: Responses to Decline in Firms, Organizations, and States, Cambridge (MA) 1970. 88   BVerfGE 65, 1 (43). 89   So auch Michael Bartsch, Die „Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ als sonstiges Recht nach §  823 Abs.  1 BGB, CR 2008, 613 ff. (617).

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Von Eingriffen in die Vertraulichkeit und vor allem in die Integrität90 informationstechnischer Systeme wird gewiss auch die Selbstbestimmung des jeweiligen Nutzers betroffen sein, allerdings nicht in der für gewöhnlich vorgestellten Form einer freien Verhaltens- und Willensbestimmung. Gefährdet erscheint hier vielmehr die Selbstbestimmung in ihrer besonderen Bedeutung als kommunikative, soziale, technische und nicht zuletzt auch geistige und körperlich-lebendige Selbstreproduktion: 91 Es ist die besondere bioartifizielle Verbindung zwischen informationstechnischen und psychophysischen Systemen, zwischen vernetzten Computern und menschlichen Bewusstseinen wie auch lebendigen Körpern, welche die Konstruktion des neuen Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme notwendig gemacht hat. Informationstechnische Systeme gehören zum geschützten Bereich der Persönlichkeitsentfaltung nicht alleine deswegen, weil sie Daten über das Verhalten menschlicher Nutzer aufzeichnen und verfügbar machen, sondern vor allem auch, weil sie als erweiterte Teile ihres Geistes und auch ihres Körpers fungieren. Die Geistes- und Körperzugehörigkeit informationstechnischer Systeme bemisst sich nach den bereits beschriebenen funktionalen, lebensgeschichtlich-narrativen oder auch phänomenologischen Zuordnungsformen: 92 Sie gehören zu den körperanalogen Teilen der informationalisierten, natürlich-lebendigen und zugleich technisch-artifiziellen Menschen zunächst in dem Maße, wie sie körperfunktional integriert oder kognitiv inkorporiert werden. Sie können überdies im Rahmen eines bestimmten gesellschaftlichen Kontextes der menschlichen Persönlichkeit zugeordnet werden. Und schließlich werden sie zu Teilen der personalen Identität derjenigen Menschen, die sie aus ihrer phänomenalen Binnensicht als ihnen zugehörige, eigene Körper- und Geistesteile empfinden und leiblich erfahren, mithin als Basis ihrer Persönlichkeit erleben. Letztlich kommt es daher auf die Art des Nutzungsverhältnisses zwischen Mensch und Maschine, insbesondere auf die Nähe oder sogar Unauflöslichkeit dieser Beziehung an, um darüber urteilen zu können, inwieweit informationstechnische Systeme als bioartifizielle Teile des menschlichen Körpers, als ausgelagerter Teil des menschlichen Gehirns und auch des Geistes – und somit als Teile der personalen Identität menschlicher Nutzer – gelten müssen. Von daher kommt es auch nicht so sehr darauf an, ob Eingriffe in die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme heimlich erfolgen oder 90   Diesen besonders wichtigen Aspekt des „Integritätsschutzes“, der das neue „Computer-Grundrecht“ vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung wesentlich abhebt, unterschätzt vor allem Britz, DÖV 2008, 411 ff. (412). 91   Mit der erweiterten Konzeption von Selbstbestimmung als Selbstreproduktion sind alle Arten der zirkulären Selbstreproduktion lebendiger und auch kommunizierender Systeme zu erfassen, mit denen man letztlich auch auf „Autopoiese“ zu sprechen kommen mag. Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  55–57. 92   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  128 und 210.

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nicht. Der Nutzer kann prinzipiell auch dann in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sein, wenn er weiß oder wissen müsste, dass die Nutzung seines informationstechnischen Systems unter Umständen einer Preisgabe seiner personenbezogenen Daten gleichkommt. Dieses Wissen nützt ihm jedoch wenig, wenn er daraus nicht die entsprechenden Konsequenzen ziehen kann – oder wenn ihm bestenfalls noch der Ausweg bleibt, „selbstbestimmt“ auf die weitere Nutzung und damit zugleich auf eine weitere Teilnahme am sozialen, informationstechnisch mediatisierten Leben zu verzichten. Entsprechend der Vielzahl der informationstechnischen Nutzungsformen, die sich in unterschiedlichen Graden als körperlich-lebendige, technisch-artifizielle oder auch sozial-kommunikative Persönlichkeitserweiterungen darstellen, kann der personale Informationstechnik-Schutz, d.h. die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, schließlich auch nicht einfach bei einer dualistischen Unterscheidung etwa von „elektronischer Privatsphäre“93 und öffentlich zugänglicher Kommunikationssphäre stehenbleiben. Vielmehr sollte ein abgestufter Schutz erwogen werden, der – funktional bestimmt – von Öffentlichkeit über „kommunikative Zwischenräume“ und „Privatsphären“ bis hin zu Gewährleistungen intimster informationstechnologischer „Kernbereiche“ reicht. Geschützt werden könnten dann etwa auch solche menschlichen Verhaltensweisen, die sich in einem für „Online-Welten“ eigentümlichen Zwischenbereich zwischen Öffentlichem und Privatem abspielen, wie es beispielsweise bei Weblogs oder „öffentlichen“ Privatfotosammlungen der Fall sein dürfte. Gerade solche kommunikativen Zwischenräume, in denen sich Menschen in „Wechselbeziehungen“ zu Mitmenschen verwirklichen,94 könnten somit als Nahbereiche des menschlichen Zusammenlebens grundsätzlich auch dann einen erhöhten (Persönlichkeits‑)Schutz erfahren, wenn diese öffentlich zugänglich sein mögen.95 Wie diese Nahbereiche im Einzelnen beschaffen sind und welchen rechtlichen Normierungen sie zugänglich sein könnten, hängt – wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend bestimmt hat96 – davon ab, wie sich die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse von Menschen und informationstechnischen Systemen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit gestalten. Neue soziale Kommunikationsund Handlungsformen von informationstechnologisch externalisierten Akteuren liefern insoweit Kriterien, an denen sich die informationstechnologisch bestimmte Erweiterung der Rechtsperson künftig orientieren kann. Daraus lassen sich die Grundzüge eines entsprechenden, an der Eigennormativität des informationstechnischen Mediums orientierten, sozusagen „mediati Vgl. Böckenförde, JZ 2008, 925 ff. (938 f.).   Entsprechend etwa EGMR NJW 2004, 2647 ff. (2848) – „Caroline“. 95   Siehe entsprechend Tinnefeld, NJW 2007, 625 ff. (629), m.w.N. 96   Siehe BVerfGE 120, 274 (315). 93

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sierten“ Rechts gewinnen, das aus der engen Verbindung von informationstechnischer und sozialer Kommunikation resultiert und dadurch sein spezifisches Gepräge erhält. Gezeigt werden soll dabei zunächst, dass das neue, vom Bundesverfassungsgericht geschaffene „Computer-Grundrecht“ entgegen allen Bedenken keineswegs „unnötig“, „überflüssig“ oder „schädlich“ ist97 oder gar die Struktur des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu sprengen droht.98 Eine derartige Ablehnung des neuen „Computer-Grundrechts“ wäre allenfalls dann vertretbar, wenn dieses tatsächlich nur darauf abzielen würde, den Einzelnen auf die gleiche Weise wie schon das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor einer „Ausforschung der Persönlichkeit“99 zu schützen. Darüber hinaus geht es beim „Computer-Grundrecht“ aber gerade auch – und nicht nur am Rande – um den Schutz des informationstechnischen Systems vor Beschädigungen und Manipulationen.100 Dieser als „Integritätsschutz“ gekennzeichnete Aspekt des informationstechnischen Persönlichkeitsschutzes steht zwar in einem engen Zusammenhang mit dem Schutz der „Vertraulichkeit“ in die Gesamtheit der Datenbestände, die in informationstechnischen Systemen auffindbar sind. Er dient aber auch nicht bloß einem vorgelagerten, „präventiven“ Systemschutz, der die „repressiven“ Mittel des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zum Schutz einzelner Daten lediglich im Vorfeld ergänzt.101 Ebenso wenig stellt er nur eine objektive Kehrseite der subjektiven Vertraulichkeitserwartung des Systemnutzers dar – dessen berechtigte Erwartungen beziehen sich ohnehin nicht alleine auf die Vertraulichkeit, sondern überdies eben auch auf die Integrität des informationstechnischen Systems.102 Das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme bildet demnach auch keinen schlichten Gefährdungstatbestand mit Blick auf mögliche Verletzungen der informationellen Selbstbestimmung.103 Stattdessen handelt es sich – wie das Bundesverfassungsgericht selbst deutlich betont hat104 – um eine eigenständige, neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigende Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

  So aber Britz, DÖV 2008, 411 ff. (413); Eifert, NVwZ 2008, 521 ff. (522).   In diesem Sinn etwa Lepsius, Das Computer-Grundrecht: Herleitung, Funktion, Überzeugungskraft, in: Roggan (Hg.), Online-Durchsuchungen, 2008, 21 ff. (32 ff.). 99   Vgl. BVerfGE 120, 274 (322). 100   A.A. insoweit vor allem Britz, DÖV 2008, 411 ff. (412). 101   So jedoch Anika Luch, Das neue „IT-Grundrecht“. Grundbedingung einer „OnlineHandlungsfreiheit“, MMR 2011, 75 ff. 102   Siehe BVerfGE 120, 274 (306): „Der Einzelne ist darauf angewiesen, dass der Staat die mit Blick auf die ungehinderte Persönlichkeitsentfaltung berechtigten Erwartungen an die Integrität und Vertraulichkeit derartiger Systeme achtet.“ 103   Vgl. dagegen Luch, MMR 2011, 75 ff. (75 und 78). 104   Vgl. nochmals BVerfGE 120, 274 (313 ff.). 97

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„Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ bedeutet danach mehr als ein alleine auf subjektive Vertraulichkeitserwartungen gestützter Daten- und Informationsschutz innerhalb einer medialen Umgebung, in der „Datenflüsse [...] das ‚Normalste von der Welt‘“ sind.105 Einen derartigen Schutz kann in der Tat auch das altbekannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung bieten. Der Mehrwert des neuen Grundrechts auf Persönlichkeitsschutz besteht jedoch darin, dass es außer rein informationellen Selbstbestimmungen auch technische Artefakte als biosozioartifizielle Teile der Persönlichkeit schützt. Diese erhalten damit einen besonderen normativen Status, der mit dem von Körperteilen durchaus vergleichbar ist. Das ist eine Konsequenz der beschriebenen Entwicklungen sozialer Informationstechnologien als Expansionstechnologien, in die Menschen als Akteure derart eingebettet sind, dass informationstechnische Systeme wie ausgelagerte Teile des Körpers sowie des Geistes erscheinen. Es sind dieselben Expansionstechnologien, in welchen sich auch artifizielle Entitäten als widerständige Akteure entfalten, in denen sinnhafte mit technischer Kommunikation vermischt scheint und in deren Bereich nicht zuletzt auch lebensweltliche mit medialen Erfahrungswelten konvergieren. Die Nutzungsverhältnisse von Menschen und informationstechnischen Systemen sind daher von ganz besonderer, technisch-artifizieller und kommunikativer, ja mitunter sogar auch körperlicher und geistiger Art – und mithin nicht auf den Maßstab subjektiver Vertraulichkeitserwartungen reduzibel. Ohnehin wird sich die Berechtigung von Vertraulichkeitserwartungen in Ansehung der immer neuen Konfrontationen mit immer neuen informationstechnologischen Herausforderungen nicht mehr im Wege einer einfachen Verhältnismäßigkeitsprüfung von individuellen Chancen und Risiken ermitteln lassen. Aus diesem Grund bedarf es eines über die Individualperspektive der informationellen Selbstbestimmung hinausreichenden, „technologiebezogenen“106 Schutzes. Dieser dient nicht nur der personalen Absicherung der individuellen Freiheit und Selbstbestimmung im Sinne subjektiver Erwartungen und Willensäußerungen, sondern auch der personal erweiterten (und keineswegs „apersonalen“107) Gewährleistung von informationstechnischen Nutzungsverhältnissen als Assoziationen von menschlichen und nichtmenschlichen Wesen.108 Gleichzeitig kann er als ein wohlbegründeter Ausgangspunkt für den Umgang mit noch weiteren, insbesondere biotechnologischen Herausforderungen dienen,   Auf diesen Gesichtspunkt reduziert etwa Britz, DÖV 2008, 411 ff. (412 f.), die Funktion des „Computer-Grundrechts“, mit der Konsequenz, dass sie darin lediglich eine entbehrliche „Neuerfindung“ zu erkennen vermag, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung letztlich degradiere. 106   Zu dieser Wortwahl, allerdings mit kritischer Intention, Britz, DÖV 2008, 411 ff. (415). 107   So jedoch Eifert, NVwZ 2008, 521 ff. (522). 108   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  196. 105

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deren spezifisches Gefährdungspotential nicht mehr alleine mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht in seinem traditionellen, individualistisch verstandenen Sinn zu zähmen ist.109 Auch in den übrigen Bereichen des Bioinformationsrechts sind spezifische, (bio‑)technologiebezogene Ausprägungen des Persönlichkeitsschutzes vonnöten, die den jeweiligen Technisierungen der Person mit ihren veränderten Vorstellungen von Körperteilen, ‑daten und ‑bildern gerecht werden muss. Insoweit verlangen auch die Neuro-, Gen- und Reproduktionstechnologien nach einem Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität der durch sie hervorgebrachten „Biosoziofakte“. Darin liegt der tiefere Grund des neuen Grundrechts auf Persönlichkeitsschutz: im Integritätsschutz als echtem „Systemschutz“,110 und das heißt zugleich: Schutz der physischen und psychischen Integrität technisierter Personen. Diesen Schutz hat der Staat nunmehr zu gewährleisten, also einerseits bei Erfüllung seiner Aufgaben selbst zu berücksichtigen, andererseits aber auch im Rahmen seiner Schutzpflichten für private Rechtsverhältnisse zu garantieren.111 Die staatliche Schutzpflicht, die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme auch gegen Persönlichkeitsgefährdungen von nicht-staatlicher Seite zu verteidigen, wird insbesondere dort relevant, wo weltweit agierende IT-Unternehmen und Diensteanbieter über immer größer werdende Datenmengen einer wachsenden Anzahl von Nutzern verfügen können.112 Facebook113 und Google114 bilden hierbei nur zwei besonders schillernde Beispiele dafür, welches Ausmaß die dadurch erzeugten Machtungleichgewichte zwischen privaten Nutzern und den Anbietern globaler Dienste erreichen können. Besondere Bedeutung erhält das neue Grundrecht insoweit für die gerade in den sozialen Informationstechnologien beobachtbaren Persönlichkeitsbedrohungen durch nicht-staatliche Akteure. Nicht von ungefähr bezog sich das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungsgründen zur „Online-Durchsuchung“ ausdrücklich auch auf die zusätzlichen Persönlichkeitsgefährdungen vonseiten „privater Akteure“.115 In der Tat gab es zum Zeitpunkt der Entscheidung im Jahr 2008 gute Gründe für die Annahme, dass die gravierendsten 109  Diese Überforderung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wird indes kaum zur Kenntnis genommen, vielmehr etwa als Folge mangelnder Präzisierung abgetan. Vgl. hierzu Britz, DÖV 2008, 411 ff. (413 ff.). 110   Insoweit auch Luch, MMR 2011, 75 ff. 111   Vgl. hierzu Karl-Heinz Ladeur, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  9 (165 ff.). 112   Näher dazu Luch, MMR 2011, 75 ff. (77 ff.). 113   Vgl. etwa Oliver Leistert/Theo Röhle (Hg.), Generation Facebook. Über das Leben im Social Net, Bielefeld 2011. 114  Vgl. Theo Röhle, Der Google-Komplex. Über Macht im Zeitalter des Internets, Bielefeld 2010. 115   Siehe BVerfGE 120, 274 (312), mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2006, JZ 2007, 576 ff. – „Datenschutz im privaten Versicherungsrecht“. Vgl. ferner Luch, MMR 2011, 75 ff. (77).

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Grundrechtsgefährdungen, vor allem bezüglich des Persönlichkeits- und Datenschutzes im Internet, nicht mehr in erster Linie von staatlicher Seite, sondern in zunehmendem Maße von privaten Akteuren ausgehen. Diese Einschätzung muss in Anbetracht der jüngeren Enthüllungen zu den umfangreichen Überwachungsprogrammen staatlicher Geheimdienste sicherlich revidiert werden: 116 „PRISM“ und „Tempora“ scheinen dabei eher auf eine Kollusion staatlicher und nicht-staatlicher Akteure hinzudeuten, zumindest soweit Geheimdienste und Sicherheitsbehörden auf die von privaten Unternehmen massenhaft gesammelten Daten ohne Weiteres zugreifen können.117 Revisionsbedürftig ist dann aber auch die staatliche Schutzpflichtenlehre, soweit sie jedenfalls bei derart massiven Eingriffen, die unter staatlicher Mitwirkung stattfinden, offenbar nur eine sehr begrenzte Reichweite hat. Die Grundrechtsproblematik betrifft hier nicht mehr alleine die „vertikale“ Ebene des Verhältnisses von Staat und Bürger. Ebenso wenig beschränkt sie sich auf die „horizontale“ Ebene etwaiger, damit mehr oder weniger vergleichbarer Sub­ ordinationsbeziehungen zwischen „privaten“ Akteuren. Vielmehr geht es zuvorderst um das informationstechnische Kommunikationsmedium selbst, das eine derartige Datensammelwut transnational agierender Staaten und Unternehmen erst ermöglicht – und in einem solchen Maß auszuweiten droht, dass seine menschlichen und gesellschaftlichen Umwelten gefährdet erscheinen. Ebenfalls gefährdet erscheinen dabei schließlich sogar seine eigenen institutionellen Fundamente, insbesondere die Vertraulichkeit und Integrität der informationstechnischen Nutzungsverhältnisse und ‑zugänge. Die Wirkung der Grundrechte, und ganz besonders des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, kann sich dann allerdings nicht mehr nur auf einzelne gesellschaftliche Akteure richten. Vielmehr ist sie im Medium selbst zu entfalten, und zwar als „Schutz nicht nur der Grundrechte von Individuen, sondern der von gesellschaftlichen Institutionen gegenüber expansiven gesellschaftlichen Medien“.118 Dieser Schutz kann gewiss auch „private“ Rechtsverhältnisse betreffen. Es ist im Grunde auch gar nicht anders möglich, als die medialen Grundrechtskonflikte um bedrohte gesellschaftliche Institutionen in die Zwei-Parteien-Perspektive des Rechts, auch des Zivilrechts und vor allem des Zivilverfahrensrechts, zu übersetzen.119 Der Schutz gegen „Private“ ist dementsprechend gerade auch 116  Exemplarisch für die Vielzahl einschlägiger Artikel mit immer neuen Enthüllungen siehe unter: . 117   Zum Teil wenden sich Bürgerrechtsorganisationen deshalb auch direkt gegen die Weitergabe von Daten durch Unternehmen wie Facebook, Apple, Microsoft, Skype oder Yahoo; siehe unter ; . 118   Siehe hierzu Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 29. 119   Vgl. entsprechend Teubner, Die anonyme Matrix, Der Staat 45 (2006), 161 ff. (182): „In-

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mit Blick auf die zivilrechtliche Dogmatik auf der Basis des neuen Grundrechts zu konkretisieren.120 Dass dabei vor allem das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht eine entsprechende Erweiterung erfährt, dürfte schon unabhängig von der allgemeinen Begründung der zivilrechtlichen „Drittwirkung“ von Grundrechten121 anzunehmen sein. Ansprüche auf materiellen Schadensersatz könnten sich demzufolge nunmehr aus einer Verletzung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ergeben. Hierzu mehren sich bereits die Stimmen, die darin ein „sonstiges Recht“ oder zumindest ein von §  823 Abs.  1 BGB zwar nicht ausdrücklich benanntes, aber dennoch geschütztes absolutes Recht erblicken.122 Neben etwaigen vertraglichen Schadensersatzansprüchen123 kommen demnach in der Regel auch deliktische Anspruchsgrundlagen in Betracht, wenn private Akteure zum Beispiel mit schädlicher Software124 , heimlichen „Software-Updates“125 , „Digital Rights Management“- und Kopierschutzprogrammen126 oder mit sonstigen gezielten Maßnahmen auf Leistungen, Funktionen oder Speicherinhalte zugreifen. Während schon im technischen Zugriff sowie in der Maninerhalb individueller Klagformen muss die eigentlich gemeinte Auseinandersetzung mit in­ stitutionellen Problemen stattfinden.“ 120  Vgl. Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff. (1019); Kutscha, NJW 2008, 1042 (1044); Alexander Roßnagel/Christoph Schnabel, Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und sein Einfluss auf das Privatrecht, NJW 2008, 3534 ff. 121   Zur traditionellen Verhältnisbestimmung von verfassungsrechtlichem und zivilrechtlichem Persönlichkeitsschutz etwa Marion Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Tübingen 1997, 115 ff.; Götting, in: Götting/ Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  3 (46 ff.); siehe auch Luch, MMR 2011, 75 ff. (78 f.). Dass Grundrechte auch im Zivilrecht längst nicht mehr nur mittelbar, kraft „Drittwirkung“ gelten sollten, sondern unmittelbar auch den privaten Bereich bis in die „Kapillaren der Gesellschaft“ hinein erfassen müssen, mag noch immer umstritten sein. Richtigerweise ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass Grundrechte in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten eine „indirekte“, d.h. „im Sinne ihrer kontextspezifischen Transformation“ vermittelte Wirkung entfalten, indem sie gegen allerart Grundrechtsverletzungen durch anonyme kommunikative Prozesse schützen – allerdings immer nur im jeweiligen Medium des betreffenden Sozialkontextes. Näher dazu Teubner, Die anonyme Matrix, Der Staat 45 (2006), 161 ff. (177 ff.); ders., Verfassungsfragmente, 2012, 204 ff. 122   Vgl. hierzu Bartsch, CR 2008, 613 ff.; Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. (3535 f.). 123   Besondere Beispiele, in welchen sich das neue Grundrecht auch vertragsrechtlich bemerkbar macht, benennen Roßnagel/Schnabel, a.a.O. (3536 f.). 124   Für derartige Software-Angriffe gewährt regelmäßig auch §  823 Abs.  2 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Strafnormen (§§  202a ff., 263, 263a, 303a ff. StGB) Schadensersatz. 125  Freilich entsprechen in den meisten Fällen derartige Eingriffe, soweit sie von Software-Anbietern bei deren Nutzern vorgenommen werden, dem vertraglich vorausgesetzten Einsatz der Software und sind insoweit jedenfalls nicht als rechtswidrig zu erachten. Allerdings dürften Hersteller und Anbieter dann zumindest entsprechenden Verkehrssicherungspflichten unterliegen, die besondere Schutzvorkehrungen und Informationen zum Schutz ihrer Vertragspartner vor etwaigen Eingriffen Dritter verlangen. Vgl. hierzu Roßnagel/ Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. (3536). 126   Dazu erläuternd Roßnagel/Schnabel, a.a.O. (3536), m.w.N.

Erster Titel. Biosoziofakte und informationstechnische Lebensentfaltungen

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pulation oder der Sperrung des Informationszugangs eine Verletzung der in­ formationstechnischen Integrität als „sonstiges Recht“ nach §  823 Abs.  1 BGB gesehen werden kann, ist zudem eine Verletzung der Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme anzunehmen, wenn Daten ausgespäht, kopiert, genutzt, weitergegeben oder auch wenn Datenverkehre überwacht werden. Gerade die Kontrolle von Informationsverkehren und ‑zugängen durch Internet-Provider dürfte hierzu relevante Fälle bieten, sofern diese sich nach der für die Abgrenzung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereichs erforderlichen Güter- und Interessenabwägung als rechtswidrige Verletzungen erweisen. Die vom Bundesverfassungsgericht als neuartige Persönlichkeitsgefährdung erkannten informationstechnischen Möglichkeiten, „einen Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person zu gewinnen oder gar ein aussagekräftiges Bild der Persönlichkeit zu erhalten“,127 bieten diesbezüglich ein wichtiges Kriterium.128 Bei schwerwiegenden Verletzungen der „Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ dürften zudem die Voraussetzungen eines immateriellen Entschädigungsanspruchs gemäß §  823 Abs.  1 BGB i.V.m. Art.  2 Abs.  1 und Art.  1 Abs.  1 GG129 gegeben sein,130 der damit zugleich ein kaum leugbares Beispiel für die Möglichkeit einer unmittelbaren Drittwirkung von Grundrechten im Privatrecht abgibt. Sollten sich informationstechnische Systeme demnach aufgrund ihrer besonderen Weiterentwicklung in mediatisierten Welten als soziale Informationstechnologien mit eigenen Erwartungsformen eines zunehmend personalisierten Vertrauens sowie mit entsprechenden „Gemeinschaftsgefühlen“, „Privatheitsempfindungen“ und „Näheverhältnissen“ bestimmen lassen, so kann die Schwelle zur schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung schnell überschritten sein.131 Neben der Verletzung eines „elementaren Lebensraums“132 gilt es dann möglicherweise sogar eine im Zuge heutiger Biotechnologien entstehende Vorstellung von (teil‑)artifiziellen oder „technisierten“ Körpern und Gehirnen133

  BVerfGE 120, 274 (314).  Siehe Bartsch, CR 2008, 613 ff. (614 ff.), welcher konsequent auch eine Anpassung der Beweislastregeln, etwa nach dem Vorbild der Produkthaftung, fordert. 129   Zur dogmatischen Herleitung aus dem unmittelbaren „Schutzauftrag aus Art.  1 und 2 Abs.  1 GG“ vgl. insbesondere BGHZ 143, 214 ff.: oben, 1. Abschnitt, Fn.  65. 130  Zu möglichen immateriellen Schadensersatzansprüchen aufgrund von Verletzungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts siehe bereits Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 2006, 304 ff. 131  Siehe allerdings etwa AG Speyer, Beschluss vom 2. April 2008, RDV 2008, 161 f. – „Schmerzensgeld wegen unzulässiger Datenspeicherung nur bei ‚Außenwirkung‘ des fortdauernden Eintrags“. 132  Vgl. Bartsch, CR 2008, 613 ff. 133  Vgl. Müller/Clausen/Maio (Hg.), Das technisierte Gehirn, 2009. 127

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Zweiter Abschnitt. Sachen

zu beachten,134 in deren Licht informationstechnische Systeme unter Umständen als eine körpergleiche „Basis der Persönlichkeit“ erscheinen.135

134   Zu den rechtlichen Auswirkungen biotechnologischer Entwicklungen Simitis, JZ 2008, 693 ff. 135   In derartigen Fällen wäre dann entsprechend BGHZ 124, 52 sogar bei nicht schwerwiegenden Eingriffen an einen Anspruch auf Schmerzensgeld zu denken. Zur Abgrenzung der immateriellen Ansprüche auf Schmerzensgeld und Geldentschädigung etwa G. Müller, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  51 (819 ff./Rn.  4 ff.).

Zweiter Titel

Persönlichkeitsschutz als informationstechnischer Systemund Institutionenschutz Auch wenn die soeben angedeuteten zivilrechtlichen Konsequenzen des neuen Computer-Grundrechts in der Rechtspraxis noch kaum thematisiert worden sind, gibt es bereits zahlreiche Fälle, für die eine Anwendung der genannten Grundsätze einer vertraglichen, vor allem aber auch deliktischen Haftung in Betracht kommt. Diese Fälle werden für gewöhnlich allgemein als Probleme des Datenschutzes behandelt.136 Das schließt aber noch nicht aus, sie im Besonderen aus einer engeren, zivilrechtlichen Perspektive zu untersuchen und in diesem Sinn die Möglichkeiten einer privatrechtlichen Flankierung des Datenschutzes zu erkunden.

I.  Ein Beispiel: „Battlefield“ Einer dieser Fälle geriet im Herbst 2011 in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, als die Softwarefirma Electronic Arts, Inc. ein neues Computerspiel namens „Battlefield 3“ auf den Markt brachte. Das über die Online-Plattform „Origin“ laufende Programm weckte nicht nur als „spielerische“ Kriegssimulation besondere Aufmerksamkeit, sondern wurde schnell auch zu einem „Schlachtfeld“ für Datenschützer.137 Den Anstoß gaben vor allem die massenhaften kritischen Bewertungen und Proteste, die empörte Käufer und Nutzer im Netz verbreiteten, weil „Origin“ die Dateiverzeichnisse ihrer Computer durchsuchte, überwachte und offenbar auch dazu in der Lage war, Nutzerdaten zu sammeln und an Electronic Arts weiterzugeben. Entsprechend dieser technischen Funktionalität seiner Online-Plattform hatte das Unternehmen auch seinen Endbenutzer-Lizenzvertrag (End User License Agreement – EULA) für

136   Eingehend dazu unter dem Blickwinkel der informationellen Selbstbestimmung Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 2006, 231 ff. und 299 ff. 137   Vgl. etwa Kurt Sagatz, „Schlacht um ‚Battlefield‘“, Der Tagesspiegel vom 1.11.2011, abrufbar unter: . Inzwischen wächst die Zahl vergleichbarer Abmahnfälle; siehe unter: .

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Zweiter Abschnitt. Sachen

die Anwendung „Origin“ und verwandte Dienste ausgestaltet,138 in dem es unter Ziffer 1 folgende Bedingungen formulierte: „[...] Lizenzbestätigung. Die Anwendung und eine Internetverbindung sind notwendig, um die Lizenz bestimmter Produkte zu prüfen, die von EA vertrieben werden. Du bestätigst und stimmst zu, dass die Anwendung automatisch Lizenzrechte für einige oder alle EA-Produkte prüfen kann, ohne dich separat darüber zu benachrichtigen. Dies bedeutet, dass die Anwendung auf deinem Computer installiert bleiben muss, damit du die Anwendung und bestimmte EA-Produkte benutzen kannst. Du bestätigst und stimmst zu, dass die Anwendung Informationen über deinen Computer, Hardware, Medien, Software und deine Nutzung der Anwendung benutzen kann, um deine Lizenzrechte zu prüfen und die Anwendung zu aktualisieren.“

Die unter Ziffer 2 geregelte „Einwilligung zur Datenerhebung und ‑nutzung“ bestimmte weiter: „Du gestattest EA und seinen Partnern das Sammeln, Nutzen, Speichern und Übertragen von technischen und verwandten Informationen, die deinen Computer (einschließlich IP-Adresse), dein Betriebssystem, deine Nutzung der Anwendung (einschließlich erfolgreicher Installation und/oder Deinstallation), Software, Software-Nutzung und deine Hardware-Peripherie identifizieren [...]. EA kann diese Daten ebenfalls in Verbindung mit personenbezogenen Informationen zu Marketingzwecken und zur Verbesserung seiner Produkte und Dienste nutzen.“

Unter Ziffer 3 („Anwendungskommunikation und Verhalten/Datenschutz-Einstellungen“) folgte schließlich folgender Satz: „EA behält sich das Recht vor, die über die Anwendung stattfindende Kommunikation zu überwachen und jegliche Information zu veröffentlichen, die EA für nötig hält, um (i) deine Einhaltung dieser Lizenz sicherzustellen; (ii) geltende Gesetze, Regelungen oder Bestimmungen rechtlicher Verfahren einzuhalten; (iii) die Rechte, Interessen und das Eigentum von EA, seinen Angestellten oder der Öffentlichkeit zu schützen.“

Die drei zitierten Absätze des EULA zeigen bereits, wozu „Origin“ eingesetzt werden sollte: erstens als DRM-System139 zur Autorisierung berechtigter Nutzer und zur Identifizierung von Raubkopierern, zweitens zur umfassenden Erhebung und Weitergabe von Nutzer- sowie Computerdaten, drittens zur Überwachung und gegebenenfalls auch zur Rechtsverfolgung gegenüber lizenzwidrig handelnden Nutzern.

138   Nachdem die ursprüngliche Version des EULA aufgrund andauernder öffentlicher Kritik mehrfach überarbeitet wurde, ist deren Wortlaut nicht mehr auf der Herstellerseite der Firma Electronic Arts zu finden. Die aktuelle, nach überwiegender Ansicht als rechtlich unbedenklich geltende Fassung steht dort zum Abruf bereit: . Zu den älteren Versionen siehe insbesondere unter: sowie . 139   Siehe oben, Fn.  126, in diesem Abschnitt.

Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz

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Die inzwischen unter der allgemeineren Bezeichnung „Cloud“ geläufige Konzeption einer Online-Plattform, in der alle wichtigen Spielerdaten zentral verwaltet werden, bietet dabei zunächst auf beiden Seiten praktische Vorteile: Neben einem besseren Schutz ihrer Software vor illegalen Nutzungen versprechen sich einerseits die Anbieter davon effizientere Gestaltungsmöglichkeiten im Umgang mit wachsenden Datenmengen, und zwar gerade auch dann, wenn es darum geht, den Bedürfnissen ihrer Kunden, etwa nach Communityfunktionen oder automatischen Wartungsdiensten, nachzukommen. Auf der anderen Seite können die Nutzer prinzipiell jederzeit und jederorts mit jedem geeigneten Gerät auf ihre Daten und Spielstände zugreifen. Sie sind daher in der Regel auch besser vor Datenverlusten geschützt – zumindest wenn man von solchen Fällen absieht, in denen die Zentralserver von Online-Plattformen versagt haben und damit sämtliche verkauften Spiele mit einem Mal nicht mehr funktionierten.140 Vor allem im Fall „Battlefield“ wurde aber die Schattenseite einer derartigen zentralen Datenverwaltung und ‑kontrolle deutlich: Während illegale Nutzer schnell auch Mittel und Wege fanden, das Spiel ohne die Plattform „Origin“ zu betreiben, mussten sich rechtmäßige Lizenzerwerber der vollen Autorisierungs- und Überwachungsprozedur im Sinne des EULA unterwerfen und die Installationssoftware nach Art einer Spyware141 auf ihrem Computer dulden. Die solchermaßen gegängelten Spieler protestierten aber nicht nur in Bewertungs- und Diskussionsforen,142 sondern fragten ganz konkret nach rechtlichen Schritten gegen das Softwareunternehmen. Neben den Maßnahmen, die Datenschutzbeauftragte143 im Interesse der Nutzer hinsichtlich etwaiger Verstöße gegen das deutsche Datenschutzrecht treffen konnten, stellten sich aus der Sicht der unmittelbar Betroffenen vor allem auch Fragen nach etwaigen zivilrechtlichen Ansprüchen.  So etwa im Fall der Firma Ubisoft: . 141   Dass es sich bei Origin um Spyware handelte, wurde freilich von Electronic Arts von Anfang an bestritten. Die Software erwecke allenfalls den Anschein eines Computerscans, wobei die entsprechenden Zugriffe ausschließlich zur Installation und Wartung des Spielprogramms erfolgten; vgl. sowie . Für einen Überblick über die Debatte um den Fall „Battlefield“ und Origin siehe unter . 142   Die in der Forderung nach einem Verkaufsverbot gipfelnden Proteste hatten ihrerseits einigen Einfluss auf Electronic Arts; siehe unter und . 143   Zu den entsprechenden Ermittlungen des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen siehe unter . 140

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Zweiter Abschnitt. Sachen

II. Verbraucherschutz Von Anfang an sahen sich vor allem die einzelnen Nutzer mit besonderen, für das Informationsrecht charakteristischen Schwierigkeiten konfrontiert, eine etwaige Verletzung ihrer Rechte sowie einen dadurch verursachten Schaden zu begründen und entsprechend geltend zu machen. Das Problem bestand hauptsächlich darin, dass die durch ein mögliches Ausspähen und Weiterleiten von Nutzerdaten hervorgerufenen Schäden in ihrer individuellen Höhe für den jeweiligen Einzelfall nur sehr schwer bestimmbar waren und sich in ihrem gesamten Umfang auf die Vielzahl der betroffenen Nutzer verstreuten. Hinderlich dürfte im Übrigen auch der Auslandsbezug der Sache – Electronic Arts hat seinen Sitz in den Vereinigten Staaten – gewirkt haben, wenngleich die als Verbraucherverträge zu qualifizierenden Softwareverträge nach Art.  6 Rom I‑VO144 für deutsche Erwerber grundsätzlich auch deutschem Recht unterlagen.145 Weiter jedoch schienen die Möglichkeiten zu reichen, die das Verbandsklagerecht nach §  3 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) vor allem Verbraucherschützern gewährt, um jedenfalls die genannten Vertragsbedingungen einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.146 Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nutzte diese Möglichkeiten, Electronic Arts wegen mangelnder Kundeninformation über die Funktionsweise des Programms und aufgrund der späten, erst im Rahmen des Installationsvorgangs erfolgenden Zustimmung zu den Lizenzbedingungen als Allgemeinen Geschäftsbedingungen abzumahnen. In vertraglicher Hinsicht stellt sich nämlich schon die Frage, ob die Regelungen des EULA als Allgemeine Geschäftsbedingungen überhaupt den Anforderungen der §§  305 ff. BGB genügen. Zuallererst ist es keineswegs selbstverständ144   Vgl. hierzu die Verordnung 593/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) vom 17.6.2008 (ABl. L 177, 6, berichtigt am 24.11.2009 in ABl. L 309, 87), welche die zuvor geltenden nationalen Kollisionsnormen der Art.  27–37 EGBGB ersetzt hat. 145  Zumindest soweit es an einer anderweitigen Rechtswahl im Sinne von Art.  6 Abs.  2 Rom I‑VO fehlt, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher – hier der deutsche Computernutzer – seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Vgl. entsprechend mit Blick auf die „Datenschutzrichtlinie“ eines IT-Diensteanbieters LG Berlin, NJW 2013, 2605. Im Übrigen wäre die Rechtswahl ohnehin schon insofern eingeschränkt, als sie nicht dazu führen dürfte, dem Verbraucher den Schutz zu entziehen, dem ihn das zwingende Recht seines Aufenthaltsstaates gewährt. Zwingendes Verbraucherschutzrecht ist in diesem Sinne etwa das vorliegend einschlägige Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§  305 ff. BGB). 146  Siehe dazu die Pressemitteilung der vzbv vom 30.11.2011, abrufbar unter: . Ein aktueller Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts vom 18.06. 2014, abrufbar unter: sowie ) beabsichtigt nunmehr klarzustellen, dass die genannten Möglichkeiten einer Verbandsklage generell für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften gelten sollen.

Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz

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lich anzunehmen, dass die Lizenzbedingungen von Electronic Arts in die Kaufverträge seiner Kunden wirksam einbezogen sind. Auch wenn es inzwischen der gängigen Praxis des elektronischen Geschäftsverkehrs beim Softwarekauf entspricht, den jeweiligen Erwerbern die Vertragsbedingungen erst im Rahmen des Installationsvorgangs zur Kenntnis zu geben und deren Einwilligung in Form eines durch Mausklick gesetzten Häkchens einzuholen, weckt der Wortlaut des §  305 BGB dennoch Zweifel: Demzufolge werden Allgemeine Geschäftsbedingungen schon im ersten Absatz definiert als vorformulierte Vertragsbedingungen, die der Verwender „bei Abschluss eines Vertrags“ stellt (§  305 Abs.  1 S.  1 BGB). §  305 Abs.  2 BGB bestimmt danach ganz konkret, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Vertragsbestandteil werden, „wenn der Verwender bei Vertragsschluss (1.) die andere Partei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und (2.) der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise [...] von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.“ „Beim Vertragsschluss“ hieße streng genommen, dass der Käufer bereits beim Erwerb der Software, sei es bei der Übergabe des Datenträgers am Ladentisch oder sei es auch beim Download im Internet147, über die AGB informiert werden und zustimmen müsste.148 Gewiss kommt die gängige Rechtsliteratur dem eingerichteten und ausgeübten E‑Commerce zur Hilfe, indem sie auf das Erfordernis verzichtet, dass die Informationspflicht „exakt im oder bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfüllt werden muss“.149 Jedenfalls im elektronischen Geschäftsverkehr lässt sie es im Rahmen des §  312g BGB genügen, wenn der Kunde die Vertragsbedingungen spätestens mit der vollständigen Leistungserbringung erfährt.150 Danach kann es noch als rechtzeitig gelten, wenn die AGB von Softwarelizenzen – wie auch im Fall des Spiels „Battlefield 3“ – noch im Laufe der Installationsprozedur bekannt gegeben und akzeptiert werden. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Ware aber, jedenfalls beim klassischen Er  Siehe dazu die Regelung in §  312g Abs.  1 Nr.  4 BGB.  Vgl. hierzu auch die Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale Bundesverband (Fn.  146, in diesem Abschnitt): „Der vzbv beanstandet außerdem die gängige Praxis, nach der eine Zustimmung zu den Lizenzvereinbarungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen erst erfolgt, wenn der Kunde das Spiel auf seinem Rechner installiert. Das ist nach Auffassung des vzbv zu spät, denn nach deutschem Recht müsse dies bereits beim Abschluss eines Vertrages erfolgen. Nur so sei gewährleistet, dass die Nutzer sich vor Vertragsschluss über problematische Klauseln informieren können.“ 149  So Christiane Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 6.  Auflage 2012, §  312g, Rn.  108. 150  Siehe Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 6.  Auflage 2012, §  312g, Rn.  108. 147

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Zweiter Abschnitt. Sachen

werb eines Datenträgers, schon bezahlt sein. Die Einbeziehung der AGB erfolgt im Grunde also nicht „beim“, sondern „nach“ Vertragsschluss – und müsste daher schon gemäß §  305 Abs.  2 BGB unwirksam sein. Demnach könnte in der vom Installationsprogramm vorgesehenen EULA allenfalls noch eine nachträgliche Einbeziehung der AGB gesehen werden.151 Ein solcher Nachtrag ist grundsätzlich möglich, allerdings nur in Gestalt einer gesonderten Vereinbarung im Sinne von §  311 Abs.  1 BGB. Da es sich dabei aber um eine Vertragsänderung zum Nachteil des Käufers handelt, mit der dieser nach erfolgtem Softwarekauf nicht mehr rechnen muss, ist vom Verkäufer zumindest ein zusätzlicher Hinweis darauf zu verlangen, dass er damit von den ursprünglichen Konditionen eines bereits zustande gekommenen Vertragsverhältnisses abweichen wolle.152 Dies entspricht jedoch keineswegs der geschilderten Praxis, die offenbar wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die AGB erst nach Bezahlung des Kaufpreises einzubeziehen wären. Nimmt man indes im Einklang mit der allgemein praktizierten, herrschenden Meinung an, dass die Bedingungen des EULA rechtzeitig in das Vertragsverhältnis zwischen Electronic Arts und den Käufern von „Battlefield 3“ einbezogen worden sind, so stößt man schnell auf weitere formale sowie inhaltliche Probleme: Mag es im elektronischen Geschäftsverkehr auch üblich sein, die EULA-Bedingungen erst nachträglich zu vereinbaren, so müssen Softwarekäufer doch nicht damit rechnen, wie im Fall „Battlefield“ mit den AGB ihre generelle Einwilligung in die automatische Überwachung ihrer Computer oder ihrer Kommunikation, geschweige denn in die weitere Verwendung ihrer Daten zu geben. Die zitierten Klauseln dürften daher als überraschend im Sinne von §  305c Abs.  1 BGB zu bewerten sein. Denn mit derart weitgehenden Eingriffen in die persönlichkeitsrechtlichen Bereiche der privaten Computernutzung sowie des Umgangs mit personenbezogenen Daten müssen jedenfalls die Erwerber von Computerspielen nicht rechnen.153 Spätestens aber die Inhaltskontrolle der AGB dürfte ergeben, dass diese nach deutschem Recht unwirksam sind: Eine unangemessene Benachteiligung der Käufer ergibt sich zunächst schon daraus, dass die genannten Lizenzbedingungen nicht klar und verständlich im Sinne von §  307 Abs.  1 S.  2 BGB sind. Deren Intransparenz betrifft vor allem die von Electronic Arts vorgesehene generelle Datenerfassung und ‑verwendung, die keine weiteren Informationen darüber vorsieht, welche Daten im Einzelnen zu welchen konkreten Zwecken und ohne   Dazu etwa BGH NJW 2010, 864 (867) – „Happy Digits“.   Etwa entsprechend KG MDR 1981, 933; KG MDR 1994, 1265; LG Gießen NJW-RR 1996, 630. 153   Vgl. etwa OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 302: Ein Gewinnspielteilnehmer muss nicht mit einer – insoweit überraschenden – Klausel in den Teilnahmebedingungen rechnen, die ihm die Einwilligung in die beliebige Verwendung seiner persönlichen Daten zu Werbezwecken abverlangt. 151

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Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz

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eine weitere Zustimmung der betroffenen Käufer genutzt werden sollen.154 Die pauschale, in die AGB eingebundene Einwilligung kann daher auch nicht den datenschutzrechtlichen Wirksamkeitsbedingungen des §  4a BDSG entsprechen, da sie weder den Zweck der vorgesehenen Datenverarbeitung ausreichend bestimmt noch besonders hervorgehoben erscheint. Die darüber hinaus vorgesehene Datenverwendung für Marketingzwecke verfehlt zudem die noch engeren Voraussetzungen des §  28 Abs.  3a BDSG und der bezüglich der Bereitstellung der Online-Plattform „Origin“ einschlägigen §§  12, 13 Abs.  2 TMG155 , welche unter anderem eine „bewusst und eindeutig“ erteilte Einwilligung sowie eine Widerrufsmöglichkeit verlangen. Im Übrigen verletzen die Bedingungen des Endbenutzer-Lizenzvertrags, soweit dessen Wirksamkeit wie auch die tatsächliche Verwendbarkeit des Computerspiels an die Zustimmung zur Datenerhebung und ‑verwendung geknüpft sind, auch das datenschutzrechtliche Koppelungsverbot nach §  28 Abs.  3b BDSG. Für die in den AGB vorgesehene Einwilligung in die Datenerhebung, die demzufolge schon aus datenschutzrechtlicher Sicht unwirksam ist, folgt daraus, dass sie die Käufer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Bedingungen des EULA verstoßen insoweit nicht nur gegen das Transparenzgebot des §  307 Abs.  1 S.  2 BGB, sondern erweisen sich auch in ihren transparenten Teilen, d.h. hinsichtlich der darin erkennbar vorgesehenen, nahezu schrankenlosen Datenerhebungen und ‑verwendungen als unangemessene Benachteiligung der Käufer. Unangemessen erscheint dabei zum einen die beabsichtigte umfangreiche Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten, die mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem da­ rauf bezogenen Datenschutzrecht unvereinbar ist. Zum anderen ist die Unangemessenheit nunmehr auch in der vorgesehenen Verpflichtung der Käufer zu sehen, die Verletzung der Vertraulichkeit und Integrität ihrer informationstechnischen Systeme zu dulden.156 Doch unabhängig von dieser weiteren, auf das neue Computer-Grundrecht rekurrierenden Begründung ist für den Fall „Bat­ 154   Die Intransparenz der Lizenzbedingungen beanstandet ebenso auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (Fn.  146, in diesem Abschnitt), wobei sie die fehlerhafte Kundeninformation des Weiteren darin sieht, dass der Käufer bereits beim Kauf im Unklaren darüber bleibe, dass er das Spiel nur in Verbindung mit der Online-Plattform „Origin“ nutzen könne. 155   Die Anwendbarkeit der besonderen datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Telemediengesetzes (§§  11–15a TMG) bezieht sich allerdings nur auf solche Daten, die als Nutzungs- oder Bestandsdaten mit der Bereitstellung von Telemedien erhoben und verwendet werden. Für personenbezogene Inhaltsdaten gelten demgegenüber die allgemeinen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes. Inwieweit Electronic Arts im Einzelnen Inhalts- oder Nutzungsdaten verarbeiten wollte und ob gegebenenfalls die §§  11 ff. TMG als leges speciales die Regelungen des BDSG verdrängen, kann vorliegend dahinstehen, da die Ausgestaltung des EULA nach beiden Normtexten unzweifelhaft als datenschutzwidrig zu erachten ist. 156   Vgl. hierzu Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. (3537), die für derartige Fälle, insbesondere wenn es um DRM-Verträge geht, sogar einen Verstoß gegen die guten Sitten gemäß §  138 BGB in Betracht ziehen.

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Zweiter Abschnitt. Sachen

tle­field 3“ festzustellen: Die Klauseln des EULA sind nach §  307 Abs.  1 S.  1 BGB unwirksam. Die gleiche Einsicht dürfte Electronic Arts schließlich dazu veranlasst haben, gegenüber der abmahnenden Verbraucherzentrale eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.157 Der Spielehersteller verpflichtete sich darin, für die Zukunft sicherzustellen, dass Verbraucher schon vor dem Kauf der Software ausreichend über deren Funktionsweise, insbesondere über erforderliche Internetverbindungen und zusätzliche Installationssoftware, informiert werden. Vor allem aber verpflichtete sich das Unternehmen, dafür zu sorgen, dass die Erwerber der Software bereits bei Vertragsschluss die Möglichkeit haben, in zumutbarer Weise Kenntnis von den – im Übrigen der deutschen Rechtslage angepassten158 – Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu erlangen.

III.  Vertragliche Haftung für informationstechnische Eingriffe Auf den ersten Blick scheint sich somit schon zu bestätigen, dass die zeitgleich mit der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 um kollektive Rechtsschutzfunktionen angereicherten, namentlich als Verbandsklagen ausgestalteten Unterlassungsklagen ein effektives Instrument der zivilprozessualen Durchsetzung des Verbraucherschutzes gegen widerrechtliche AGB im Bereich des Softwarevertragsrechts darstellen, und zwar gerade in solchen Fällen, in denen Individualklagen keinen vergleichbaren Erfolg versprechen. Doch beschränkt sich dieser Schutz im Grunde nur auf die Verwendung der beschriebenen EULA-Bedingungen. Die EULA mögen sich insoweit unter dem Druck der Nutzerproteste und der – dabei ebenfalls von einer Spielercommunity unterstützten159 – Verbraucherzentrale der Rechtslage angepasst haben. Doch ist es noch immer möglich, dass die Software und die technischen Vorkehrungen zur Datenerhebung, auf die sich diese EULA ursprünglich bezogen, prinzipiell unverändert geblieben sind. Auch wenn Electronic Arts öffentlich erklärt hat, dass die Software nicht zur illegalen Datenerhebung und ‑weitergabe eingesetzt werde,160 erscheint zumindest ein hypothetischer Fall denkbar, in dem die einzelnen Nutzer tatsächlich einen illegalen Zugriff auf ihre Computer und eine unkontrollierte Erhebung sowie Verwendung ihrer personenbezogenen Daten hinnehmen müssen, sofern 157  Siehe hierzu die Pressemitteilung der vzbv vom 21.5.2012, abrufbar unter: . 158   Siehe oben, Fn.  138, in diesem Abschnitt. 159   Nach Mitteilung der vzbv wurde das Verfahren gegen Electronic Arts von einem Team von theorigin.de unterstützt. Dabei handelte es sich einem Zusammenschluss von Spielern, die sich mit Missständen in der Spiele-Branche auseinandersetzen und für die Rechte von Computerspielern eintritt. Siehe hierzu oben, Fn.  157, in diesem Abschnitt. 160   Siehe oben, Fn.  141, in diesem Abschnitt.

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sie nicht auf das erworbene Produkt verzichten möchten. Weitere Unterlassungsansprüche, die sich direkt gegen den widerrechtlichen informationstechnischen Zugriff und die Erhebung sowie Weiterleitung der Nutzerdaten richten, wären an dieser Stelle selten zielführend, da die technischen Zugriffe – anders als etwa die AGB – aus der Sicht der betroffenen Nutzer kaum erkennbar sein dürften, im Grunde genommen also heimlich stattfinden.161 Umso wichtiger ist es dann, auch die Fragen der Haftung für bereits begangene, erst nachträglich bekannt werdende Verletzungen des personalen Daten- und Integritätsschutzes in den Blick zu nehmen. Gesetzt den Fall also, Electronic Arts hätte die in den ursprünglichen Lizenzbedingungen angekündigte Datenverarbeitung in die Tat umgesetzt, so wäre vor allem zu klären, welche Rechtsschutzmöglichkeiten den betroffenen Kunden bei und auch nach einer etwaigen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte zur Verfügung stehen. Soweit die Kunden ihre Software per Download mit „Origin“ direkt bei Electronic Arts erworben haben, bietet das Vertragsrecht hierzu zwei denkbare Lösungswege: Zum einen könnte die mangelnde Datensicherheit, die in der notwendigen Nutzung der Online-Plattform „Origin“ begründet ist, einen Sachmangel des Computerspiels darstellen (§§  453 Abs.  1 Var.  2, 434 BGB).162 Dann hätte ein Kunde, den das Programm in seinen Rechten auf informationelle Selbstbestimmung und auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität seines informationstechnischen Systems verletzt, gegebenenfalls einen Schadensersatzanspruch nach §§  437 Nr.  3, 280 Abs.  1 BGB. Zum anderen könnte man, soweit kein ausreichender Bezug zur kaufvertraglichen Hauptleistungspflicht der Verkäuferin zu erkennen ist, in der softwarebedingten Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Käufers eine Verletzung der nebenvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils sehen (§  241 Abs.  2 BGB).163 Auch aus diesem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung kann sich ein entsprechender Anspruch auf Schadensersatz gemäß §  280 Abs.  1 BGB ergeben. Die beiden Lösungsvarianten unterscheiden sich auf der Rechtsfolgenseite hinsichtlich ihrer Verjährungsfristen, die im Falle eines Sachmangels grundsätzlich zwei Jahre ab Lieferung (§  438 Abs.  1 Nr.  3, Abs.  2 BGB), beim Scha161   Dass insbesondere vorbeugende Unterlassungsansprüche in derartigen Fällen zumeist leerlaufen und deshalb Schadensersatzansprüche umso wichtiger werden, betont vor allem Bartsch, CR 2008, 613 ff. (616). 162   Zu dieser Sichtweise etwa Bartsch, a.a.O. (614/Anm.  4), der davon ausgeht, „[...] dass Produkte und Leistungen, die angemessenen Sicherheitserwartungen nicht genügen, mangelhaft sind, dass hierfür der Stand der Technik maßgeblich ist (also ein hohes Niveau) und dass diese Anforderung AGB-fest ist“. Zur Qualifikation von standardisierter Computersoftware als „sonstiger Gegenstand“ im Sinne von §  453 Abs.  1 Var.  2 BGB siehe insbesondere Alexander Peukert, Sonstige Gegenstände im Rechtsverkehr, in: Stefan Leible/Matthias Lehmann/ Herbert Zech (Hg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, Tübingen 2011, 95 ff. 163   Diesen Lösungsweg wählen Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. (3537).

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Zweiter Abschnitt. Sachen

densersatzanspruch wegen einer Schutzpflichtverletzung hingegen drei Jahre ab Kenntnis betragen (§§  195, 199 BGB). Außerdem gewährt das Sachmangelrecht unter Umständen nach §  437 BGB weitere Gewährleistungsansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung164 , Rücktritt oder Minderung. Praktisch bedeutsam ist deshalb die Frage, ob die von Electronic Arts mit der Online-Plattform „Origin“ bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzungen als hauptleistungsbezogene oder aber leistungsbegleitende Pflichtverletzungen einzuordnen sind. Insoweit kommt es insbesondere darauf an, ob die notwendige Verknüpfung des Computerspiels „Battlefield 3“ mit der Online-Plattform „Origin“ als ein Sachmangel im Sinne von §  434 BGB zu deuten ist. Für Computerspiele ist das Vorliegen eines Mangels wie für andere käuflich erworbene Standardsoftware auch grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Sachmangelrechts zu beurteilen. Ob ein Computerprogramm mangelhaft ist, hängt also von seiner „Soll-Beschaffenheit“ ab, die sich nach dem vertraglich vorausgesetzten oder, falls eine solche vertragliche Voraussetzung nicht ersichtlich ist, nach dem gewöhnlichen Gebrauch richten, soweit sich nach der Verkehrsanschauung „gewisse Mindeststandards“ herausgebildet haben.165 Im Fall des Spiels „Battlefield 3“ findet sich gewiss weder eine ausdrückliche Vereinbarung über dessen Beschaffenheit (§  434 Abs.  1 S.  1 BGB) noch eine implizite vertragliche Voraussetzung (Abs.  1 S.  2 Nr.  1) dergestalt, dass das Spiel ohne eine – wenngleich datenschutzwidrig operierende – Online-Plattform zu betreiben wäre. Einzig im Kriterium der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und der üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art, die der Käufer auch erwarten kann (Abs.  1 S.  2 Nr.  2), könnte eine mögliche Begründung dafür zu finden sein, dass „Battlefield 3“ doch als mangelhaft zu erachten wäre. So lassen sich auf die Verkehrsanschauung und die gerechtfertigten Käufererwartungen etwa auch solche Mängel stützen, die im Grunde genommen außerhalb des eigentlichen Kaufgegenstands liegen, wie zum Beispiel schon das Fehlen einer Bedienungsanleitung166 , unter Umständen aber auch Programmsperren gegen unbefugtes Kopieren167, die unter der Kontrolle des Herstellers bleiben.168 164   Im Falle einer nur leistungsbegleitenden Schutzpflichtverletzung könnte der Gläubiger hingegen nur dann Schadensersatz statt der Leistung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner nicht mehr zuzumuten ist (§§  282, 324 BGB). Allerdings kann im Fall „Battlefield“ eine Unzumutbarkeit durchaus anzunehmen sein, sofern die Verkäuferin durch ihre rechtswidrige Datenerhebung und ‑verwendung und den Zugriff auf die Computer ihrer Kunden ein „grundlegende Störung des Vertrauensverhältnisses“ zwischen den Vertragspartnern bewirkt. Zu diesem Unzumutbarkeitskriterium etwa Wolfgang Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 6.  Auflage 2012, §  282, Rn.  5 und 9. 165  Vgl. etwa Annemarie Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, §  434, Rn.  239. 166   Siehe etwa OLG Karlsruhe CR 1991, 410; OLG Frankfurt VersR 1992, 1409. 167   Vgl. OLG Celle NJW-RR 1993, 432; BGH NJW 1987, 2004. 168   Zu weiteren Einzelfällen Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014,

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Die Verknüpfung von „Battlefield 3“ mit der Online-Plattform „Origin“ ist in einem gewissen Sinn durchaus mit derartigen Programmsperren vergleichbar: Schließlich geht es dem Anbieter Electronic Arts ebenfalls darum, die Einhaltung seiner Lizenzbedingungen zu kontrollieren und gegebenenfalls unberechtigte Nutzer auszuschließen. Anders jedoch als bei Programmsperren, deren Passwortschutz bei den Herstellern verbleibt, überlässt es Electronic Arts seinen Kunden selbst, ihre Accounts auf „Origin“ einzurichten und zu verwalten. Es bleibt insoweit Sache der Nutzer, ob sie das Computerspiel starten möchten, freilich um den Preis einer möglichen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Auch wenn man also „Origin“ mit einer Spyware gleichsetzen würde, wäre das Computerspiel selbst deshalb noch nicht als mangelhaft zu qualifizieren. Anders läge der Fall höchstens dann, wenn es sich bei „Battlefield 3“ selbst um Spyware handelte: Computerviren können insoweit durchaus einen Mangel an einem Kaufgegenstand darstellen,169 nicht aber, wenn die Schadsoftware außerhalb der Kaufsache liegt und erst durch weiteres eigenständiges Zutun des Nutzers aufgerufen wird. Wie in allen anderen Fällen, in denen das Vorliegen eines Sachmangels in Rede steht, dürfte auch hier entscheidend sein, ob die Kaufsache sich für ihre gewöhnliche, erwartungsgemäße Verwendung eignet: Nur soweit die Gebrauchstauglichkeit einer Software herabgesetzt ist, und zwar in einem solchen Maße, dass die nach dem Stand der Technik im Verkehr herausgebildeten Mindeststandards unterschritten werden, ist ein Sachmangel anzunehmen. Dieser Fall wird bei direkten Zugriffen gegeben sein, die sich als Integritätsverletzungen informationstechnischer Systeme etwa dadurch erweisen, dass sie diese unbrauchbar machen. Erfolgen die Zugriffe jedoch nur indirekt und, wie etwa im Fall „Battlefield“, mittels einer vom Nutzer nachträglich aufgerufenen OnlinePlattform, so kommt lediglich eine Verletzung leistungsbegleitender Schutzpflichten des Vertragspartners in Betracht. Schadensersatzansprüche der Computerspiel-Käufer gegen Electronic Arts als Verkäufer in seinem über „Origin“ betriebenen Download-Geschäft können sich dann aus §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB ergeben. Soweit die im EULA angekündigten Maßnahmen der Datenerhebung und ‑verwendung tatsächlich zur Ausführung kommen, dürfte Electronic Arts mit dem Computerspiel in Verbindung mit „Origin“ seine Pflichten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seiner Käufer verletzen. Die Pflichtverletzung betrifft dabei nicht alleine die Erhebung personenbezogener Daten, deren datenschutzrechtliche Unzulässigkeit bereits feststeht. Auch soweit Electronic Arts mittels Internetverbindung auf Daten ohne Personenbezug oder auf die Datenbestände als §  434, Rn.  241 f.; Harm Peter Westermann, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 3, 6.  Auflage 2012, §  434, Rn.  74 f. 169   Zum Fall einer mit einem Boot-Virus befallenen Computeranlage LG Regensburg CR 1997, 686 = NJW-RR 1998, 1353.

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solche zugreifen möchte, die sich auf den Computern seiner Kunden befinden, könnte darin eine Pflichtverletzung im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB liegen. Denn mit der neuen persönlichkeitsrechtlichen Ausprägung des Gewährleistungsgrundrechts auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme steht ebenso fest, dass neben personenbezogenen auch technikbezogene Zugriffe das Persönlichkeitsrecht des jeweiligen Systemnutzers verletzen können. Dies gilt jedenfalls für Zugriffe auf alle informationstechnischen Systeme, die der Nutzer als eigene nutzt,170 sofern der Zugriff heimlich erfolgt und über das für den Softwarebetrieb unbedingt notwendige Maß hinausgeht.171 Unerheblich ist dabei, ob mit dem Zugriff Persönlichkeitsbilder oder ‑profile des betroffenen Nutzers hergestellt werden. Eine Verletzung der Vertraulichkeit und Integrität seiner informationstechnischen Systeme verlangt noch nicht einmal, dass auch nur Fragmente der Nutzerpersönlichkeit transparent werden. Und es sind sogar solche technikbezogenen Integritätsverletzungen denkbar, mit denen überhaupt keine Daten erhoben werden: Pflichtverletzung im Sinne der §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB kann nämlich aufgrund des neuen Computer-Grundrechts prinzipiell jeder Zugriff auf ein informationstechnisches System sein, sofern dieses persönlich „als eigenes“ genutzt wird und daher zumindest potentiell personenbezogene Daten enthalten könnte.172 Hier genügt es bereits, wenn der Zugriff auf das System zu einem Kontrollverlust des Nutzers führt. Der technikbezogene Persönlichkeitsschutz des Nutzers setzt also nicht erst mit der tatsächlichen Erhebung von Daten ein, sondern beginnt schon viel früher, beispielsweise im Moment des Einschleusens von Schadsoftware und damit vergleichbaren systemverändernden Programmen. Die Integrität informationstechnischer Systeme ist daher bereits dann verletzt, wenn darauf in einer Weise zugegriffen wird, die dem Nutzer die Kontrolle über sein System entzieht und Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet. Als Integritätsverletzungen können danach auch Manipulationen wie das unbefugte Löschen, Ändern oder Hinzufügen von Daten oder auch die Sperrung von Zugängen zu Daten, Netzen und Diensten gelten.173 Daneben sind entsprechend der neuen technologieorientierten Ausprägung des Persönlichkeitsrechts als weitere Verletzungshandlungen auch Verstöße gegen die Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme bestimmbar: Ausspähen, Kopieren, Nutzen, Weitergeben von Daten, Datenverarbeitungen oder ‑verkehren, und zwar unabhängig davon, ob diese Daten personenbezogen sind und welchen konkreten Inhalt sie haben.174   Vgl. nochmals BVerfGE 120, 274 (315).   Siehe hierzu Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. (3537). 172   Auf gleicher Linie Roßnagel/Schnabel, a.a.O. (3536); siehe ferner Hornung, CR 2008, 299 ff. (303). 173   Näher hierzu Bartsch, CR 2008, 613 ff. (615). 174  Vgl. Bartsch, a.a.O. 170 171

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Mit „Origin“ dürfte Electronic Arts demnach nicht nur gegen das Recht seiner Kunden auf informationelle Selbstbestimmung in Gestalt des Datenschutzrechts verstoßen haben, sondern auch Pflichtverletzungen hinsichtlich der Nutzerrechte auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme begangen haben. Die in den Bedingungen des EULA angekündigten und mittels „Origin“ über das Internet vorzunehmenden Datenerhebungen und ‑verwendungen, die Maßnahmen zur Lizenzkontrolle und auch die mögliche Kommunikationsüberwachung stellen allesamt Zugriffe auf informationstechnische Systeme dar, die als Systemmanipulationen und zum Teil auch als Zugangssperren deren Integrität berühren und darüber hinaus – soweit Daten tatsächlich erhoben und verwendet werden – auch deren Vertraulichkeit betreffen. Der naheliegende Gedanke, dass die genannten Zugriffe als Verstöße gegen die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme zu qua­li­ fizieren sind, könnte danach allenfalls noch unter einem Gesichtspunkt zweifelhaft erscheinen: Electronic Arts hat den Käufern des Computerspiels im Rahmen des Installationsvorgangs immerhin die Gelegenheit gegeben, die Lizenzbedingungen und somit auch die beabsichtigten Datenerhebungen, ‑verwendungen und ‑kontrollen zur Kenntnis zu nehmen. Insoweit spricht auf den ersten Blick einiges für die Erwägung, dass die Zugriffe nicht heimlich seien und deshalb auch keine Vertraulichkeits- oder Integritätsverletzung informationstechnischer Systeme darstellen könnten, weil sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur „Online-Durchsuchung“ eben nur mit der heimlichen Infiltration und Ausspähung von Speichermedien befasst habe.175 Doch zum einen ist es demgegenüber schon fraglich, ob die einmalige generelle Ankündigung derartiger Zugriffe in datenschutzwidrigen und mithin überraschenden Klauseln eines EULA hinreichend transparent sind, um die Heimlichkeit aller nachfolgenden konkreten Datenerhebungen und ‑verwendungen aufzuheben. Und zum anderen verlieren Eingriffe in die persönlichkeitsrechtlich relevanten Bereiche der neuen Medien ihren rechtsverletzenden Charakter nicht schon dadurch, dass sie dem Betroffenen bekannt gegeben werden.176 Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn der Betroffene jederzeit dazu in der Lage wäre, die Eingriffe abzuwehren oder sich diesen zumindest zu entziehen. Nach der Installation und Anmeldung auf „Origin“ hatten die Nutzer von „Battlefield 3“ aber keine volle Kontrolle mehr über ihre Computer und die darauf gespeicherten Daten.

175   Zur Frage, inwieweit die Entscheidung sich auch auf nicht-heimliche Zugriffe beziehen lässt, siehe bereits zuvor, 1. Abschnitt, Fn.  204, sowie in diesem Abschnitt Fn.  71. 176  Vgl. Hornung, CR 2008, 299 ff. (303), der zutreffend auf die ausdrückliche Formulierung des Bundesverfassungsgerichts hinweist, dass das neue Grundrecht nur „insbesondere vor einem heimlichen Zugriff“ schütze (BVerfGE 120, 274, 314). Diese Formulierung schließt einen weitergehenden Schutz vor nicht-heimlichen Zugriffen keinesfalls aus.

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Ist mit den beschriebenen Zugriffen folglich eine Verletzung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme dargetan, so ist darin ohne Weiteres eine Pflichtverletzung im Sinne der §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB zu erkennen. Mit Rücksicht auf die entsprechenden Formulierungen des EULA wäre auch davon auszugehen, dass es Electronic Arts gegebenenfalls nicht gelingen würde, die Verschuldensvermutung des §  280 Abs.  1 S.  2 BGB zu widerlegen. Als Verkäufer hätte Electronic Arts somit den Schaden zu ersetzen, der den Computerspiel-Käufern aus der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Gewährleistungsrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme entstünde.

IV.  Deliktische Haftung Ein solcher Schadensersatzanspruch könnte dann im Übrigen unabhängig davon anzunehmen sein, ob ein Vertragsverhältnis zwischen Verletzer und Verletztem bestanden hat, da mit der Vertraulichkeits- und Integritätsverletzung informationstechnischer Systeme – neben dem besonderen datenschutzrechtlichen Anspruch gemäß §  7 BDSG und über die Auskunfts- und Löschungsrechte in §§  34 f. BDSG hinaus – auch ein deliktsrechtlicher Anspruch auf Ersatz materieller Schäden nach §  823 Abs.  1 BGB begründbar sein dürfte.177 Der spezialgesetzliche Schadensersatzanspruch nach §  7 BDSG ist zwar gemäß §  1 Abs.  5 S.  2 BDSG auch auf ausländische Unternehmen außerhalb Europas anwendbar, die – wie im vorliegenden Beispiel Electronic Arts – auf die privaten Computer ihrer deutschen Kunden „im Inland“ zurückgreifen, um deren Nutzerdaten zu erheben und zu verarbeiten.178 Aber er vermag nicht die – für damit verbundene Persönlichkeitsverletzungen weitergehenden – bürgerlich-rechtlichen Normen des allgemeinen Deliktsrechts zu verdrängen.179   Vgl. oben, Fn.  122, in diesem Abschnitt.  Eingehend zur Auslegung der datenschutzrechtlichen Kollisionsnorm des §  1 Abs.  5 BDSG, insbesondere im Hinblick auf die internationale Anwendbarkeit des BDSG auf außereuropäische Unternehmen, Florian Jotzo, Gilt deutsches Datenschutzrecht auch für Google, Facebook & Co. bei grenzüberschreitendem Datenverkehr?, MMR 2009, 232 ff. (235 ff.), mit dem Ergebnis, dass die Datenschutzbestimmungen des BDSG auch auf außereuropäische Unternehmen anwendbar sind, „[…] wenn sie normativ betrachtet hierzu auf im Inland belegene Computer der Nutzer zurückgreifen. Das ist der Fall, wenn sich das Angebot äußerlich erkennbar (auch) an deutsche Nutzer richtet.“ Doch schon eine nicht-normative, rein „technische“ Betrachtung würde im Fall „Battlefield“ für eine Anwendbarkeit sprechen, da Electronic Arts mit der vorgesehenen Software-Installation aktiv auf die Rechner seiner Kunden zugreift. Allzu eng scheint demgegenüber Andreas Spickhoff, Der Schutz von Daten durch das Deliktsrecht, in: Stefan Leible/Matthias Lehmann/Herbert Zech (Hg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, Tübingen 2011, 233 ff., den Anwendungsbereich der Schadensersatzansprüche nach §§  7 f. BDSG zu begrenzen, indem er von vornherein nur „öffentliche Stellen“ als passiv legitimiert ansieht. 179  Siehe Jotzo, a.a.O. (233), m.w.N.: insbesondere Rixecker, in: Münchener Kommentar 177 178

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Der allgemeine deliktische Anspruch nach §  823 Abs.  1 BGB könnte dann allenfalls noch hinter einer Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne von §  823 Abs.  2 BGB als subsidiär zurücktreten. Dies wäre aber höchstens dann anzunehmen, wenn sich die nach Abs.  1 geltend gemachte Persönlichkeitsrechtsverletzung auf ein Schutzgut beziehen würde, das gleichermaßen, umfassend durch besondere Schutzgesetze gemäß Abs.  2 abgesichert ist. Aus dieser Sicht bedürfte es dann keiner weiteren Feststellung mehr, ob derselbe persönlichkeitsrechtliche Eingriff auch die Voraussetzungen des ersten Absatzes erfüllt. Dessen Rechtswidrigkeit wäre im Rahmen des allgemeinen deliktischen Persönlichkeitsschutzes ohnehin nicht schon durch den Eingriff indiziert und soll sich stattdessen erst aus einer gesonderten, selten unproblematischen und klar nachvollziehbaren Abwägung der beteiligten Interessen ergeben.180 Insoweit mag eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zur Begründung eines 1 womöglich nicht mehr in Betracht Schadensersatzanspruchs gemäß Abs.   kommen, wenn sich der gleiche Anspruch nach Abs.  2 in Verbindung mit einer Verletzung von individualschützenden Normen des Datenschutzrechts begründen lässt.181 Denn dieses schützt bereits gemäß seinem in §  1 Abs.  1 BDSG ausdrücklich formulierten Zweck „[…] den Einzelnen davor […], dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird“ – mit anderen Worten: Für die informationelle Selbstbestimmung sorgt das Datenschutzrecht. Doch geht es bei einer Vertraulichkeits- und Integritätsverletzung eben nicht allein um die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, sondern über die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen hinaus um den beschriebenen technologiebezogenen Systemschutz: Die informationstechnischen Systeme Einzelner werden dabei nicht mehr bloß als Träger von Nutzerdaten geschützt, und auch nicht nur als gegenständlich verkörpertes Eigentum,182 sonzum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  112, welcher einen Vorrang lediglich der besonderen datenschutzrechtlichen Ansprüche auf Berichtigung (§  35 Abs.  1 S.  1 BDSG), Löschung (§  35 Abs.  2 BDSG), Sperrung (§  35 Abs.  3 BDSG) und Auskunft (§  34 BDSG) sieht. 180   Zum Erfordernis und zu den Problemen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung etwa Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  8 f., mit der Klarstellung, dass die in der Rechtsprechung mitunter gebräuchliche Bezeichnung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als „Auffangtatbestand“ (vgl. BGHZ 80, 311, 319) insoweit irreführend sei, als jeweils noch geprüft werden müsse, ob besondere Normierungen einen weiterreichenden Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht von vornherein ausschließen sollten; vgl. ferner oben, 1. Abschnitt, Fn.  101. 181   In diesem Sinn etwa Spickhoff, Der Schutz von Daten durch das Deliktsrecht, in: Leible/Lehmann/Zech (Hg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, 2011, 233 ff. (240 ff.). 182   Die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme kann ebenso wenig wie auch der Schutz von Daten nur in der vergegenständlichten Dimension des Sacheigentums gewährleistet werden. Denn es geht hier gerade nicht um Eigentum, geschweige denn um Sachen im Sinne körperlicher Gegenstände, sondern um Persönlichkeitsrechte. Deren Gewährleistungen bemessen sich nicht nach Eigentumsverhältnissen; maßgebend sind viel-

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dern vor allem deshalb, weil sie als psychische und physische Erweiterungen eine wesentliche Basis menschlicher Persönlichkeiten bilden. Das Datenschutzrecht mag auch in dieser Hinsicht durchaus noch eine mittelbar schützende Wirkung haben, soweit jeder technikbezogene Eingriff zugleich einen Persönlichkeitsbezug, jedenfalls im Sinne des neuen Grundrechts, aufweisen wird. Indes wird es hierbei nicht in erster Linie um personenbezogene Daten, sondern um persönlichkeitsbezogene Expansionstechnologien gehen. In die Sprache des Datenschutzgesetzes übersetzt hieße das etwa, den Einzelnen in seinen personalen, d.h. kommunikativen, geistigen und körperlichen Assoziationen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten und mit seiner assoziierten oder inkorporierten Informationstechnik in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Auf den Punkt gebracht lautet die Aufgabe demnach, die isolierte personenbezogene Datenschutzperspektive des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung um die neue persönlichkeitsrechtliche Ausprägung des „ComputerGrundrechts“ zu erweitern. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass zahlreiche datenschutzrechtliche Normen im Lichte des neuen Grundrechts eine veränderte Auslegung erfahren werden,183 wird das Datenschutzrecht diese Aufgabe nicht umfassend erfüllen können. Weder Datenschutz noch Eigentumsschutz – und auch nicht etwa ein mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vergleichbarer Schutz am eingerichteten und personalisierten Computerbetrieb184 – können die Vertraulichkeit und Integrität mehr die Nutzungsverhältnisse (siehe bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  195), mithin das Maß der Zugehörigkeit und Nähe zwischen Mensch und Maschine. Jegliche Versuche, diese Beziehungen ausschließlich in Eigentumsverhältnissen reflexhaft zu rekonstruieren, sind daher mit anderen juristischen „Ausweichbewegungen“ vergleichbar, die Daten wie auch Immaterialgüter in ihrer „Verkörperung“ alleine mit den Mitteln eines auf das Trägermedium bezogenen Sacheigentums zu erfassen suchen: vgl. hierzu vor allem Matthias Berberich, Virtuelles Eigentum, Tübingen 2010, 93 ff.; übereinstimmend Matthias Leistner, „Immaterialgut“ als Flucht aus dem Sachbegriff?, in: Stefan Leible/Matthias Lehmann/Herbert Zech (Hg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, Tübingen 2011, 201 ff. (212 ff.); zum Eigentumsschutz von Datenspeichern sowie zu einem möglichen „sacheigentumsnahen“ Schutz über §  823 Abs.  2 BGB in Verbindung mit den früheren Regelungen des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes (GPSG), nunmehr des Gesetzes über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG), der jedoch im Kern nur die körperliche Unversehrtheit verteidige, Bartsch, CR 2008, 613 ff. (614). Auch Regelungen zur Produktsicherheit- und ‑haftung mögen demnach zwar geeignet sein, den deliktsrechtlichen Schutz der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme innerhalb ihres Anwendungsbereiches zu flankieren – sie können ihn aber nicht in dem gebotenen, umfassenden Maße garantieren, um eine gesonderte Anspruchsprüfung nach §  823 Abs.  1 BGB entbehrlich zu machen. 183   Vgl. insbesondere Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. (3538). 184   Zu einem derartigen Vergleich Bartsch, CR 2008, 613 ff. (614). Dessen Parallelsetzung des informationstechnologischen Vertraulichkeits- und Integritätsschutzes mit dem „sonstigen Recht“ des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erscheint zumindest insoweit als missverständlich, als es das Persönlichkeitsrecht in die Nähe zu einer rein vermögensrechtlichen Konstruktion rückt, deren Ursprünge zudem auf einer – von Persönlichkeits- und

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informationstechnischer Systeme in der durch das neue Grundrecht gebotenen Vollständigkeit, das heißt: als umfassenden Persönlichkeitsschutz, gewährleisten. Das bedeutet ferner, dass auch der schon sehr weitgehende Schutz des Strafrechts gegen das Ausspähen und Abfangen von Daten (§§  202a ff. StGB), gegen den ebenfalls auf einen missbräuchlichen Umgang mit Daten bezogenen Computerbetrug (§   263a StGB) sowie auch gegen Datenveränderungen (§   303a StGB) und erhebliche Störungen von Datenverarbeitungen als Computersabotage (§  303b StGB) keinen Ersatz für den allgemeinen Persönlichkeitsschutz des zivilistischen Deliktsrechts darstellen kann. Zwar können ihn die genannten Strafnormen in Verbindung mit §  823 Abs.  2 BGB um zahlreiche eigenständige Anspruchsgrundlagen ergänzen.185 Als Schutzgesetze erfassen sie aber ebenfalls nur die Daten-, Vermögens- und Sachdimension, nicht jedoch den vollen informationstechnologischen Persönlichkeitsschutz, wie ihn das neue Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme verlangt. Dass insoweit aus zivilrechtlicher Sicht einige Schutzlücken verbleiben, zeigt sich insbesondere in solchen Fallkonstellationen, die – wie im Beispiel „Battlefield“ – nicht von bösartigen, mit strafrechtlich relevantem Vorsatz begangenen Angriffen auf informationstechnische Systeme handeln, sondern von Eingriffen mittels DRM-Systemen oder auch Software-Updates, die vordergründig sogar in guter Absicht erfolgen, sich aber schließlich doch als zivilrechtlich relevante Persönlichkeitsverletzungen erweisen können. Für diese Rechtsverletzungen bietet §  823 Abs.  1 BGB weiterhin die maßgebliche Anspruchsgrundlage, ohne dass es auf daten-, vermögens- oder sachbezogene Straftatbestände oder sonstige Schutzgesetze im Sinne des §  823 Abs.  2 BGB ankommt, so sehr auch diese bereits einen gewissen Persönlichkeitsschutz vermitteln mögen.186 Gewiss mag die dogmatische Herleitung eines solchen deliktischen Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Vertraulichkeit und Integrität inLebensgütern abstrahierenden – „Legende vom Recht am Unternehmen“ beruht. Siehe hierzu Rudolf Wiethölter, Zur politischen Funktion des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, KJ 1970, 121 ff.; zur allgemeinen Kritik an der dogmatischen Konstruktion des „sonstigen Rechts“ am Gewerbebetrieb etwa Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 2013, §  823, Rn.  252 ff., m.w.N. 185   Vor allem der Tatbestand des §  303a StGB („Wer eine Datenverarbeitung, die für einen anderen von wesentlicher Bedeutung ist, […] erheblich stört […]“) trägt deutliche Züge eines dem neuen „Computer-Grundrecht“ entsprechenden Schutzes besonderer, personaler Mensch-Maschine-Beziehungen. Die „Präzisierungs- und Ergänzungsfunktion“ des §  823 Abs.  2 BGB in Bezug auf den Schutz der durch Abs.  1 anerkannten Rechtsgüter und Rechte (dazu Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 2013, §  823, Rn.  385) erreicht somit durchaus auch die neue persönlichkeitsrechtliche Ausprägung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. 186  Übereinstimmend hierzu Bartsch, CR 2008, 613 ff. (615); Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. (3536).

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formationstechnischer Systeme auf die bekannten Schwierigkeiten stoßen, die eine Einordnung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Verletzungstatbestand ins Recht der unerlaubten Handlungen schon seit der „Leserbrief“-Entscheidung187 bereitet. Als persönlichkeitsrechtliche Ausprägung wird sich auch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nicht leicht der Tatbestandsstruktur des §  823 Abs.  1 BGB einpassen.188 Während die Norm auf der einen Seite zunächst nur die enumerativ erfassten Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit als absolute „Lebensgüter“ schützt, können persönlichkeitsrechtliche Ausprägungen auch nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres, als Eigentum oder sonstige Rechte gelten. Soweit Rechtsprechung und Literatur generell davon ausgehen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein „sonstiges Recht“ im Sinne des §  823 Abs.  1 BGB sei,189 setzen sie sich einer Kritik aus, die mit der Bestimmung dessen, was „sonstiges Recht“ im Sinne des §  823 Abs.  1 BGB sein kann, weitaus restriktiver umgehen möchte und eine unkontrollierte, generalklauselartige Ausweitung des ursprünglich auf dem Enumerationsprinzip basierenden Deliktstatbestands zu vermeiden sucht. Demzufolge könnten sonstige Rechte jedenfalls nur subjektive Ausschließlichkeitsrechte nach Art des gemäß §  903 S.  1 BGB subjektivrechtlich verfassten Eigentumsrechts sein. Die Einbeziehung weiterer, unbenannter Rechtsgüter wird unter diesem Gesichtspunkt in der Regel mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Aufzählung der in §  823 Abs.  1 BGB genannten Lebensgüter abschließend sei und nicht mit einem weiten Verständnis des „sonstigen Rechts“ erweitert werden dürfe.190 Diese Argumentation steht und fällt allerdings mit der – keineswegs selbstverständlichen – Unterscheidung von absoluten, nicht auf subjektiv-rechtliche Normierungen angewiesenen „Rechtsgütern“ einerseits und „Rechten“ im Sinne subjektiv-rechtlich verankerter Eigentums- oder Herrschaftsrechte andererseits. Wie schon die verbreitete Rede von Rechten am eigenen Körper oder auch von Rechten auf körperliche Unversehrtheit, auf Leben, auf Freiheit, nicht zuletzt: auf Entfaltung der Persönlichkeit, an der Persönlichkeit oder auf Individualität,191 vermuten lässt, stößt die Differenz von absoluten, wegen ihrer ver-

  BGHZ 13, 334, vgl. bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  19, und in diesem Abschnitt Fn.  55.   Siehe bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  101. 189   Vgl. insbesondere BGHZ 13, 334 (338); 24, 72 (76 ff.); 50, 133 (143); ferner Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  2 ; Staudinger, in: Schulze u. a., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 8.  Auflage 2014, §  823, Rn.  42 und 90, m.w.N. 190  Vgl. hierzu vor allem die Darstellung bei Alexander Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, Tübingen 2008, 249 ff. 191   Zu diesem Dreiklang des Persönlichkeitsrechts Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 1953, 140 ff., 162 ff. und 216 ff. 187

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meintlichen „sozialtypischen Offenkundigkeit“192 gleichsam „auf der Seinsebene“ zu erfassenden Lebensgütern und subjektiven Herrschaftsrechten zumindest auf sprachliche Widerstände.193 Die Schwierigkeiten spitzen sich schließlich noch weiter zu, wenn diese Differenz auf die Zweiteilung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in eine ideelle und eine materielle oder kommerzielle Komponente trifft.194 Dann wäre es nur folgerichtig und konsequent, ausschließlich den kommerziellen, vermögenswerten, als Ausschließlichkeitsrecht anerkannten195 Teil als „sonstiges Recht“ im Sinne des §  823 Abs.  1 BGB anzuerkennen und im Übrigen den ideellen Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mangels Erwähnung in der Aufzählung der geschützten Lebensgüter unberücksichtigt zu lassen196 – oder dessen Schutz jedenfalls außerhalb der zivilrechtlichen Reichweite des §  823 Abs.  1 BGB im „Schutzauftrag aus Art.  1 und 2 Abs.  1 GG“ 197 dogmatisch zu verankern. Wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht trotzdem als solches insgesamt zu den „sonstigen Rechten“ zählt, so doch nur unter Auflagen. Die mangelnde Differenzierung auf der konzeptionellen Ebene muss dann durch das allgemeine Erfordernis einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im konkreten Anwendungsfall ersetzt werden, verbunden mit der „Gefahr, im Meer der Abwägungen jeglichen Kurs zu verlieren“198 . Will man aber die neben den be192   Der Glaube an evidente, natürliche Grenzbestimmungen von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum scheint insoweit auch in der technisierten Welt zu überleben, vermutlich jedoch nur als Relikt auf dem abgelegenen Begriffsarchipel der Rechtsdogmatik: vgl. Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Zweiter Band, Besonderer Teil, 2. Halbband (Schuldrecht II/2), 13.  Auflage, München 1994, §  80 I 1 (491); Götting, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  1 (3/Rn.  2); Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  9. 193  Siehe Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, 2008, 252 ff., mit weiterführendem Hinweis auf den schon in der Gesetzgebungshistorie des BGB unklar gebliebenen Begriff des „absoluten Rechts“; vgl. ferner Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 2013, §  823, Rn.  205 ff. 194  Siehe etwa Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 2013, §  823, Rn.  208 und 245 f.; für einen monistischen Ansatz, der indes ebenfalls ideelle und kommerzielle Persönlichkeitsinteressen berücksichtigt und letztere sub verbo „wirtschaftliche Selbstbestimmung“ zur Geltung bringen möchte, vor allem Götting, in: Götting/Schertz/ Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  10 (195 ff.), m.w.N.; vgl. ebenfalls Alexander Peukert, Persönlichkeitsbezogene Immaterialgüterrechte?, ZUM 2000, 710 ff. 195   Grundlegend BGHZ 20, 345 – „Paul Dahlke“; 143, 214 – „Marlene Dietrich“; näher hierzu Brüggemeier, „Du sollst Dir kein Bildnis machen …“ – Der I. Zivilsenat des BGH und die Paradoxien des Persönlichkeitsrechts, in: Calliess/Fischer-Lescano/Wielsch/Zumbansen (Hg.), Soziologische Jurisprudenz, 2009, 231 ff. (235 ff.); ferner Götting, in: Götting/Schertz/ Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §   2 (27/Rn.   4); sowie im selben Band G. Müller, §  50 (810 ff./Rn.  35 ff.). 196   In diesem Sinne etwa noch RGZ 69, 401 (403) – „Nietzsche-Briefe“; vgl. oben, Fn.  58, in diesem Abschnitt. 197   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  65. 198   So die treffende Zuspitzung bei Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  9.

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sonderen Schutzgesetzen verbleibenden Lücken des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes füllen und „die legislativen persönlichkeitsrechtlichen Inseln zu festem Land verbinden“199, so tut man gut daran, weniger auf derart wiegende, schwankende Mittel zu setzen und mehr auf den soliden Grund neuer Begrifflichkeiten zu bauen, die in neuen Unterscheidungen zu entfalten sind.200 Daraus beziehen diejenigen Ansätze ihre Überzeugungskraft, welche das allgemeine Persönlichkeitsrecht begrifflich auszudifferenzieren versuchen, indem sie weitere besondere Persönlichkeitsrechte als dessen Ausprägungen entwickeln. Gewiss sind diese Ausprägungen nicht einfach als „materialisierte“ Objekte vorzustellen, an denen – persönlichkeitsrechtlich vermittelt – eigentumsartige Herrschaftsrechte bestehen könnten, deren Beeinträchtigung dann ohne Weiteres die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs indiziert. Diese bemisst sich nicht alleine nach dem verletzten Interesse, sondern auch nach der Art seiner Beeinträchtigung.201 Allerdings gelten vergleichbare Einschränkungen auch für die vermeintlich offenkundigen, sichtbaren, geradezu für unverrückbare Essenzen gehaltenen Lebensgüter des §  823 Abs.  1 BGB. Lebens-, Körper-, Gesundheitsoder auch Freiheitsverletzungen mögen in den meisten Fällen evident rechtswidrig sein; doch in Grenzbereichen bedarf es immer neuer Ent- und Unterscheidungen, die bestimmen, was als „Leben“, „Körper“, „Gesundheit“, „Freiheit“ verletzbar ist – und eben diese Bestimmung richtet sich nicht nach eindeutig erkennbaren Entitäten, sondern nach Beobachtungen von Handlungen und Ereignissen, namentlich von beeinträchtigenden Verhaltensweisen und Betroffenheiten. Kurzum: Weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die als Materialisierungen des personalen Seins- und Bestimmungsfeldes202 aufzufassenden Lebensgüter sind noch als offensichtliche Seinsgegebenheiten anzusehen. Was Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit in Grenzsituationen bedeuten sollen, ist kaum klarer zu bestimmen als eine unter gesellschaftlichen Technisierungsbedingungen wahrzunehmende, noch in Begriffe zu fassende Verletzung einer anderweitigen Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Freilich weisen die Landmarken der insofern bereits „begriffenen“ Persönlichkeitsgüter immerhin einen Weg entlang bereits bekannter, als „sozialtypisch offenkundig“ geltender Deutungsmuster. Deshalb liegt es näher, auch die Konzeptionen neuer Persönlichkeitsausprägungen zunächst an diesen Güterbegrif  Rixecker a.a.O. (Rn.  2).   Zum Mehrwert der Entfaltungsmethodik bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  360. 201  Vgl. Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  10 f. 202   Zu dem in der körperlichen Befindlichkeit materialisierten Seins- und Bestimmungsfeld der Persönlichkeit siehe bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  69; passend erscheint daher auch die Bezeichnung der in §  823 Abs.  1 BGB aufgezählten Rechtsgüter als „Persönlichkeitsgüter“, z.B. bei Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 2013, §  823, Rn.  241. 199

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fen zu orientieren, anstatt Verletzungstatbestände und Rechtswidrigkeiten erst aus Abwägungsprozessen hervorzubringen. Das Beispiel der neuen persönlichkeitsrechtlichen Ausprägung des Rechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme weist in diese Richtung, indem es eben nicht einfach nur ein Herrschaftsrecht an Daten oder an Datenbeständen 203 oder auch ein bloßes virtuelles Eigentum 204 modelliert, sondern stattdessen ein körperanaloges Persönlichkeitsgut herausbildet. Dieses ist auf der Ebene der in §  823 Abs.  1 BGB aufgezählten Lebensgüter anzusiedeln, insbesondere des Körpers, dessen ausgelagerte Teile dann sowohl in ihren vermögenswerten als auch in ihren ideellen Aspekten im Rahmen des „sonstigen Rechts“ geschützt sind. Ein solcherweise um informationstechnologische Persönlichkeitsgüter erweitertes Verständnis des „sonstigen Rechts“ scheitert dann auch nicht an der verbreiteten Annahme, dass sich dieses nur auf Ausschließlichkeitsrechte nach Art des Eigentums beziehen lasse. Denn weder zwingen die Gesetzesmaterialien zu dieser einschränkenden Sichtweise, noch gelingt es nach alledem überzeugend, Lebens- und Persönlichkeitsgütern die Eigenschaft von Gegenständen subjektiver Rechte abzusprechen, während Persönlichkeitsrechte weiterhin als solche gelten sollen.205 Nähert man den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als „sonstiges Recht“ insoweit dem Lebensgüterschutz nach §   823 Abs.   1 BGB an, wird schließlich auch einsichtig, wogegen sich eine etwaige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eigentlich richtet. So orientiert sich der Bezugspunkt der im Beispielsfall angenommenen Vertraulichkeits- und Integritätsverletzungen informationstechnischer Systeme nicht etwa nur an der allgemein abzu­ wägenden „Koordination von rechtlich geschützten aber widerstreitenden Verhaltensweisen“206 , sondern ganz konkret am menschlichen, wenngleich technisierten Körper. Anderenfalls, ohne eine derartige Referenz auf einen Rechtsgutsbegriff mit eigener Bedeutungsgeschichte und ‑entwicklung, gerät jede Güter- und Interessenabwägung in die Nähe des Beliebigen, das je nach

  Zur Kritik bezüglich eines auf Datenbestände reduzierten „sonstigen Rechts“ Spickhoff, Der Schutz von Daten durch das Deliktsrecht, in: Leible/Lehmann/Zech (Hg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, 2011, 233 ff. (243 ff.), m.w.N. 204   Zu den „Verwandtschaften“ sachlicher und immaterieller Güter im Rahmen eines „virtuellen Eigentums“ vor allem Leistner, „Immaterialgut“ als Flucht aus dem Sachbegriff?, in: Leible/Lehmann/Zech (Hg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, 2011, 201 ff. (210 ff.); ausführlich hierzu Berberich, Virtuelles Eigentum, 2010, 86 ff. und 212 ff.; vgl. ferner oben, Fn.  182, in diesem Abschnitt. 205   Siehe insbesondere Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, 2008, 252 ff.; ebenso Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 2013, §  823, Rn.  241. 206   Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  10. 203

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konkreter Sach- und Rechtslagenbeschreibung so oder auch anders entscheidbar sein kann. Das bedeutet nun keinesfalls, dass die Prüfung einer etwaigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegen allen rechtsdogmatischen Regeln auf eine Abwägung der im jeweiligen Fall widerstreitenden, rechtlich geschützten Interessen 207 gänzlich verzichten könnte. Um deren Rechtswidrigkeit festzustellen, genügt es keineswegs, auf ein durch einen Eingriff indiziertes Unrecht zu verweisen. Ein derartiger Kurzschluss mag schon hinsichtlich der für offenkundig, evident feststellbar gehaltenen Lebensgüter des §  823 Abs.  1 BGB in vielen Grenzsituationen auf Zweifel stoßen.208 Denn auch deren Bedeutung erschließt sich letztlich erst aus einer wertenden, gewichtenden Beurteilung von Verhaltens- und Interessenbeobachtungen – einem Abwägungsprozess, der allerdings anders als die gewöhnliche Güter- und Interessenabwägung in einem spezifischen Begriffs- und Bedeutungsfeld verankert ist. Auch die Frage nach einer Verletzung der neuen persönlichkeitsrechtlichen Ausprägung des „Computer-Grundrechts“ erfordert demnach eine gesonderte Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit; diese ist gewiss nicht schon durch einen Eingriff in ein informationstechnisches System indiziert. Aber die dabei vorzunehmende Abwägung ist dann eben nicht mehr allgemeiner Natur, sondern bringt eine besondere Problemlage – hier des menschlichen Körpers in seinen Beziehungen zu informationstechnischen Systemen – spezifisch auf den Begriff. Sofern man sich auf diese Weise klarmacht, dass man es in derartigen Fällen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eigentlich mit der Verletzung eines erweiterten Körpers im Sinne eines personalen Seins- und Bestimmungsfeldes der Persönlichkeit zu tun hat, wird auch die Rede von „schwerwiegenden“ Verletzungen besser nachvollziehbar, wenn es um die Begründung eines weitergehenden, immateriellen Entschädigungsanspruchs geht. Ähnlich wie der Bundesgerichtshof in seiner „Sperma-Entscheidung“ aus einer als funktionale Körperverletzung gedeuteten Persönlichkeitsverletzung sogar Schmerzensgeldansprüche herzuleiten vermochte, 209 mag sich auch die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme in außergewöhnlichen Fällen 207   Vgl. hierzu nochmals Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, Anhang zu §  12, Rn.  9. 208   Ein schillerndes Beispiel für die offenkundige Nicht-Offenkundigkeit des „Körpers“ in Grenzfällen bildet der Streit um die – inzwischen gesetzgeberisch als eine durch Einwilligung der Sorgeberechtigten gerechtfertigte Körperverletzung qualifizierte – Beschneidung von Jungen: hierzu zunächst LG Köln NJW 2012, 2128 = JZ 2012, 805 – „Strafbarkeit religiös motivierter Beschneidung“, sodann die eilige Verkündung eines „Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“ vom 20.12.2012 (BGBl. I 2749), dem zufolge der männlichen Vorhaut in den ersten sechs Lebensmonaten jedenfalls kein den übrigen Körperteilen vergleichbarer Schutz mehr zukommt (§  1631d BGB). 209   Siehe oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, I. (S.  25 ff.).

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zu einem körpergleichen Recht verdichten, dessen Verletzung zu Ansprüchen auf Ersatz von immateriellen Schäden führt. Der menschliche, indes technisierte, um bestimmte, besonders eng mit ihm verbundene Artefakte erweiterte Körper210 ist dann – gewissermaßen als Kondensat des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – gerade hinsichtlich seiner informationstechnischen Ausprägung in vergleichbarer Weise zu berücksichtigen wie andere Lebensgüter auch. Insoweit kann unter Umständen sogar der recht unzivilistische Kunstgriff einer Herlei1 und 2 tung persönlichkeitsrechtlicher Entschädigungsansprüche aus Art.   Abs.  1 GG entbehrlich werden, indem besondere, dem menschlichen Körper funktional zugehörige informationstechnische Systeme als Teile eines erweiterten „Körpers“ im Sinne von §  253 Abs.  2 BGB behandelt werden. Durch den insoweit naheliegenden Schritt, den Körperbegriff des §  253 Abs.  2 BGB den gegenwärtigen Technisierungsentwicklungen entsprechend weit zu fassen und somit auch hinsichtlich bestimmter, körpergleicher informationstechnischer Systeme immaterielle Entschädigungsansprüche zu ermöglichen, erhält auf der Gegenseite das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine engere, bestimmtere Fassung. Der erweiterte Körperbegriff verleiht ihm insbesondere dadurch klarere Konturen, dass er es hinsichtlich eines spezifischen Bereichs der personalen Integrität abgrenzbar macht. Auf diese Weise kann es ganz genauso wie die anderen Lebensgüter, in denen es verwirklicht wird, 211 berücksichtigt und rechtlich geschützt werden. An dieser Stelle zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass Subsumtion und Abwägung zwar zum unverzichtbaren methodischen Rüstzeug des juristischen Denkens gehören, aber angesichts neuer Tatsachen und Kontexte nur einen schlechten Ersatz für Begriffsarbeit und ‑entfaltungen mittels neuer Unterscheidungen darstellen können.212 Was etwa im Sinne der Entschädigungsvoraussetzungen „schwer wiegt“, ist weder eine Frage der Subsumtion noch eine bloße Angelegenheit von Abwägungen oder gar ‚Schwerwägungen‘. Vielmehr geht es darum, wie eine spezifische persönlichkeitsrechtliche Problemlage im Rahmen einer neuen Unterscheidung begrifflich entfaltet werden kann. Zusammenfassend muss es nochmals betont werden: Vor allem bei privat genutzten, ständig erreichbaren und präsenten informationstechnischen Systemen geht es im Rahmen des deliktsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes nicht mehr in erster Linie um die altbekannte informationelle Selbstbestimmung, schon gar nicht alleine um Eigentumsrechte an Computerhardware oder auch um virtuelles Eigentum an Software und Datenbeständen, sondern um das, was die Nutzung und der Umgang mit diesen technischen Artefakten aus dem 210   Zu den Maßstäben einer derart engen Körperzugehörigkeit vgl. bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  128 und 210, sowie in diesem Abschnitt Fn.  92. 211   Siehe hierzu oben, 1. Abschnitt, Fn.  74 und 100. 212  Zu den Vorzügen einer Entfaltungsmethodik siehe nochmals oben, 1. Abschnitt, Fn.  360.

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menschlichen Körper machen.213 Danach hat sich dem Grunde nach ein möglicher Schadensersatzanspruch gemäß §  823 Abs.  1 BGB zu richten, der die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme als „sonstiges Recht“ begreift und unter besonderen, eng gefassten Voraussetzungen sogar immaterielle Entschädigungen umfassen kann. Diese werden allerdings nicht nur im Hinblick auf die Eingriffsintensität der Verletzungshandlung hohe Anforderungen stellen, sondern auch hinsichtlich der Körperqualität des informationstechnischen Systems. Wie bei anderen technologischen Erweiterungen des menschlichen Körpers auch wird es insoweit darum gehen, eine enge Nähebeziehung zwischen lebendigem Körper und technischem Artefakt festzustellen. Diese kann sich aus Körperfunktionen, Lebensgeschichten und körperlichen Narrationen sowie aus phänomenologisch nachvollziehbarem Erleben des betroffenen Menschen ergeben.214

V. Schadensbemessung Mit Blick auf den Beispielsfall „Battlefield“ stellt sich an diesem Punkt allerdings die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Computerspieler durch der Vertraulichkeits- und Integritätsverletzung überhaupt einen Schaden erleiden könnten, der ersatzfähig wäre. Schmerzensgeldansprüche dürften in dieser Fallkonstellation ohnehin kaum in Betracht kommen. Normalerweise ist davon auszugehen, dass es sich bei der Installation und Anmeldung auf „Origin“ um reversible Vorgänge handelt, die mit der Deinstallation komplett rückgängig zu machen sind, ohne dass die betroffenen informationstechnischen Systeme einen Schaden an ihrer Hard- oder Software davontragen. Versteht man die Rechtsfolgenbestimmung des §  280 Abs.  1 BGB daher in einem engen Sinne und begrenzt den ersatzfähigen Schaden streng auf das Integritätsinteresse, also auf die Wiederherstellung desjenigen Zustands, welcher bestünde, wenn es nicht zur Pflichtverletzung gekommen wäre, 215 so kommen im Grunde nur Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung der datenschutzwidrigen Software in Betracht. Ein geldwerter Schaden wäre den Nutzern aus dieser eingeschränkten Sicht gar nicht entstanden. Nur ausnahmsweise wäre ein geringer Schaden dann noch damit zu begründen, dass besondere Software zur Beseitigung der spyware-ähnlichen Installa  Ein vergleichbare Fragerichtung erscheint auch in anderen Abwägungszusammenhängen – etwa in der Abwägung von individuellen und kollektiven Interessen sowie Rechten an genetischer Information – als vorzugswürdig: hierzu bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  140. 214   Vgl. hierzu die Beispiele physischer, genetischer, kognitiver und informationstechnischer Körpererweiterungen im 1. Abschnitt, 2. Titel. (S.  24 ff.). 215   Siehe nur Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 6.  Auflage 2012, §  280, Rn.  29; vgl. ferner Roland Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, §  280, Rn.  E 15. 213

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tion beschafft werden müsste. Ein solcher Schaden würde aber kaum die Bagatellgrenze überschreiten. Insoweit würde eine Klage gegen einen Softwarehersteller mit Sitz im außereuropäischen Ausland zumindest aus der Sicht der einzelnen Nutzer als wenig zweckmäßig erscheinen. Demgegenüber ist jedoch zu bedenken, dass die schadhafte Software bereits auf informationstechnische Systeme zugegriffen und Nutzerdaten an den Hersteller oder sogar an Dritte übermittelt haben kann. Sind die Daten aber erst einmal erhoben, laufen nicht nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche leer. Ein etwaiges Löschungs- und Herausgabeverlangen kann nicht zielführend sein, solange danach noch immer zu befürchten ist, dass weitere Datenkopien existieren oder dass diese Daten weiterhin im Umlauf sind. Ist das der Fall, kann niemand mehr die weitere Verbreitung der Daten kontrollieren, so dass auch ein auf Naturalrestitution (§  249 Abs.  1 BGB) gerichteter Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller seine bezweckte Wirkung verfehlen wird.216 Der dann nach §  251 BGB in Geld zu bemessende Schadensersatz ist allerdings in seiner Höhe schwer bestimmbar. Die Frage, welchen Wert die den einzelnen Nutzern entnommenen Daten haben, hängt dabei nicht nur von einzelfallbezogenen Wertungen ab, und auch nicht alleine davon, inwieweit sie einen Personenbezug aufweisen. Vielmehr stellen sich in diesem Zusammenhang schon ganz grundsätzliche Fragen danach, worauf der Wert von digitaler Information, insbesondere von personenbezogenen oder privaten Daten, beruht – und vor allem: ob und gegebenenfalls wem ausschließliche Rechte an diesen Daten zuzusprechen sind. Denn das Datum, selbst wenn es personenbezogen sein sollte, ist nicht einfach etwas von der einzelnen Person oder ihrem informationstechnischen Eigentum Gegebenes. Ähnlich wie in solchen Fällen, in denen Einzelne ihre Rechte an „ihrer“ genetischen Information geltend machen, 217 muss zunächst geklärt werden, was davon ihnen „eigen“ sein kann und was ihnen „zugehört“, 218 sei es im Sinne eines Eigentums oder sei es auch als ein Teil ihrer personalen Identität. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass die Erhebung, die Verarbeitung, die Weitergabe, der Umgang und der Umlauf, sozusagen die „Flüsse“ von Daten, das „Normalste von der Welt“,219 der informationstechnologischen Welt zumal, sind. Eine allzu weite Ausdehnung von subjektiven Individualrechten 220   Anders insoweit Bartsch, CR 2008, (613 ff.) 616.   Siehe dazu den oben im 1. Abschnitt, 2. Titel, unter II. (S.  33 ff.) geschilderten Beispielsfall des John Moore. 218  Zu dieser Wortwahl bereits Kohler, AcP 82 (1894), 141 ff. (vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  211). 219   Siehe dazu nochmals Britz, DÖV 2011, 411 ff. (vgl. oben, Fn.  105, in diesem Abschnitt). 220   Zu den Freiheitsgefährdungen durch eine eigentums- und ausschließlichkeitsrechtszentrierte Sicht siehe vor allem Alexander Peukert, Güterzuordnung und Freiheitsschutz, in: Reto M. Hilty/Thomas Jaeger/Volker Kitz (Hg.), Geistiges Eigentum. Herausforderung Durchsetzung, Berlin/Heidelberg 2008, 47 ff. (71): „Wären subjektive Rechte einschließlich 216

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droht in dieser Hinsicht ebenso wie auch ein überspannter Datenschutz im Internet als Kommunikationsblockade zu wirken.221 Die Zugänge zu Daten, Informationen, Wissen sind im Hinblick auf die „netzwerkförmige konnexionistische Struktur der Internetkommunikation“222 offenzuhalten, allerdings nicht nur mit Rücksicht auf die dort beobachtbare „Verwandlung von Informationen in Wirtschaftsgüter“223 , für die sich der Persönlichkeits- und Datenschutz in der Tat als bloße „ökonomische Verhinderungsstrategie“224 darstellen kann. Vielmehr geht es generell darum, soziale Kommunikation und menschliches Zusammenleben überhaupt zu gewährleisten. Dann jedoch gewinnt der Persönlichkeits- und Datenschutz eine zusätzliche Bedeutung, die sich nicht auf den einfachen Gegensatz von wirtschaftlicher Nutzung oder Ausschließung reduzieren lässt, sondern darüber hinaus die Integrität des Sozialen insgesamt, den Schutz der sozialen wie auch der psychophysischen Systeme, namentlich der Menschen aus Fleisch und Blut, im Auge behalten muss. Das mag in den mediatisierten Welten des Internets, in denen menschliche Personen und Körper zunehmend „virtualisiert“225 erscheinen, auf den ersten Blick noch fernliegen. Doch auch diese Welten kommen nicht ohne Konstruktionen eines menschlichen Körpers aus: eines Körpers, der – wenngleich er in dem bereits beschriebenen Sinn informationalisiert und bio- sowie sozioartifiziell sein mag226 – sozusagen noch immer ein lebendiger Körper ist: ein Körper aus Fleisch und Blut und – informationstechnischem System. Daraus lässt sich auch ersehen, warum der Persönlichkeits- und Datenschutz in wachsendem Maß als technologiebezogener Systemschutz entfaltet wird.227 Es geht dann nämlich nicht mehr in erster Linie um Daten, die gegebenenfalls aufgrund ihres Personenbezugs der informationellen Selbstbestimmung und ‑verfügung unterliegen. In dieser Hinsicht ist jede Kritik berechtigt, die darauf abzielt, dass in der Internetkommunikation und generell auch in der sozialen der Immaterialgüterrechte unbegrenzt, würde vom Freiraum, der nach eigenen Vorstellungen ohne Vorgaben des Gesetzes ausgefüllt werden kann, nichts übrig bleiben.“; im Einzelnen dazu ders., Güterzuordnung als Rechtsprinzip, 2008; zur weiteren Forderung nach einer Abstützung der Nutzungsfreiheiten durch besondere, den Ausschließlichkeitsrechten mit Blick auf eine „systemische Konnexität des Schutzrechts“ entgegenzusetzende Zugangsrechte Dan Wielsch, Zugangsregeln. Die Rechtsverfassung der Wissensteilung, Tübingen 2008. 221  Vgl. Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, 2003, 155 ff. (162 ff.) 222  Vgl. Vesting, a.a.O. (162 sowie 171). 223  Vgl. Vesting, a.a.O. (164). 224  Vgl. Vesting, a.a.O. (169). 225  Siehe Hayles, How We Became Posthuman, 1999; dazu, speziell mit Blick auf die Soziologie des Internet, Funken, Der Körper im Internet, in: Schroer (Hg.), Soziologie des Körpers, 2005, 215 ff. 226   Siehe oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, IV. (S.  58 ff.). 227  Vgl. Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, 2003, 155 ff. (163); ferner Britz, DÖV 2008, 411 ff. (415); siehe auch oben, Fn.  106, in diesem Abschnitt.

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Kommunikation der Bezug auf eine Person im Grunde immer schon gegeben ist, dass eine Unterscheidung zwischen Daten- und Kommunikationsschutz mithin kaum möglich ist und dass daher auch die vor allem im Datenschutzrecht unterstellte Gefährdungslage für Nutzerpersonen zweifelhaft erscheint, zumal diese ihre Daten häufig freiwillig preisgeben, darüber verfügen, mitunter auch im eigenen Interesse wirtschaftlich verwerten.228 Doch ist das Internet keineswegs nur auf ökonomische Kommunikationen beschränkt. Und spätestens mit seiner Entwicklung zur sozialen Informationstechnologie ist es auch schon längst kein isoliertes Medium mehr, auf das jeder selbstbestimmt verzichten könnte, ohne sich dabei selbst vom gesellschaftlichen Leben zu isolieren.229 Anstatt also immer wieder von Neuem auf die informationelle Selbstbestimmung der Nutzer, auf ihre vermeintliche Willensherrschaft über ihre personenbezogenen Daten, zu rekurrieren, muss sich der Persönlichkeits- und Datenschutz gerade den neueren informationstechnologischen Entwicklungen anpassen, die einen wesentlichen, die gesamte mediatisierte Welt prägenden Lebensbereich herausgebildet haben. An erster Stelle des Persönlichkeitsschutzes im Internet steht insoweit nicht mehr der – gewissermaßen noch am Idealbild eines isolierten, „technikfreien“ menschlichen Individuums haftende – Schutz von mehr oder weniger personenbezogenen Daten.230 In den Vordergrund rückt dann vielmehr die Integrität des informationstechnischen Systems, das aufgrund seiner Vertraulichkeit, Privatheit, Erreichbarkeit und Anwesenheit, vor allem auch kraft seiner Zugehörigkeit und Nähe zum menschlichen Nutzer, als Basis seiner Persönlichkeit und in gewissem Sinne als Teil seines Körpers gelten darf. Auch wenn der Nutzer niemals imstande sein wird, dieses System vollständig zu beherrschen oder dessen Operationen im Einzelnen zu kontrollieren oder gar über seine Datenvielfalt zu verfügen, so kann es ihm doch – ganz dem Bild eines anwesenden, jederzeit erlebbaren, jedoch nie berechenbaren Körpers entsprechend – in seiner technisierten Verfassung zugehören.231 Die Art der Zugehörigkeit bestimmt sich dabei nicht alleine nach den Idealvorstellungen der informationellen Selbstbestimmung. Damit wäre ohnehin nur eine besondere Verfügungsbefugnis kraft Willensbestimmung, die Möglichkeit der Ausschließung anderer, im Ergebnis also ein eigentumsartiges Recht an Systemen und Daten begründbar.232 Demgegenüber kann ein informa228  Vgl. hierzu Vesting, a.a.O. (167 ff., insbesondere auch 187): „Ein umfassendes menschenrechtlich-persönlichkeitsrechtlich verankertes Grundrecht auf ‚informationelle Selbstbestimmung‘ kann es in der ‚Informationsgesellschaft‘ nicht geben.“ 229   Siehe oben, Fn.  86, in diesem Abschnitt. 230  Zur rechtsdogmatischen Diskussion des Merkmals des „Personenbezugs“ siehe mit Blick auf das Internet Niko Härting, Datenschutz im Internet. Wo bleibt der Personenbezug?, CR 2008, 743 ff. 231   Siehe hierzu oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, V., VI, VII. (S.  94 ff.). 232   Insoweit gilt für die informationelle Selbstbestimmung, was auch auf das ebenfalls an

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tionstechnisches System in der bereits beschriebenen Weise233 über ein bloßes Objekt von Eigentumsrechten hinaus zu einem ausgelagerten Teil des menschlichen Körpers und zum Bestandteil der Persönlichkeit des Nutzers selbst werden. Und dies kann völlig unabhängig von konkreten Willensäußerungen geschehen. Viel entscheidender als ein irgendwie noch zu bestimmender „Wille“ ist nämlich die durch wechselseitige Anwesenheit erzeugte Zugehörigkeit von Körper, Geist und Artefakt. Diese richtet sich – im Rahmen der Eigennormativität der sozialen Informationstechnologien – nach funktionalen, lebensgeschichtlich-narrativen oder phänomenologischen Aspekten, die wiederum von der jeweiligen Art des Nutzungsverhältnisses zwischen Mensch und Maschine abhängen und dem informationstechnischen System schließlich sogar – insbesondere wenn es um die private Nutzung eigener Computer geht – eine körper­ analoge Bedeutung als Basis der Nutzerpersönlichkeit zuweisen können. In dieser Hinsicht kann der persönlichkeitsrechtliche Systemschutz dann nicht auf einen rein technologieorientierten, informationstechnischen Systemschutz begrenzt bleiben, sondern muss sich darüber hinaus als ein menschenorientierter Schutz lebendiger, psychophysischer Systeme verstehen. Die auf „Origin“ angemeldeten und möglichen Zugriffen ausgelieferten Privatcomputer sind daher zwar durchaus als Persönlichkeitsteile ihrer Nutzer zu sehen und als solche auch haftungsrechtlich zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des in Frage stehenden Schadensumfangs kommt es jedoch nicht unmittelbar auf die Integrität oder Substanz der Computer an, sondern auf die durch etwaige Zugriffe erhobenen, verarbeiteten und verbreiteten Daten. Diese können ihren Wert dementsprechend auch nicht unmittelbar aus ihrem Personenbezug schöpfen, sondern nur aus ihrer Zugehörigkeit und Nähe zur körpergleichen, aus Mensch und informationstechnischem System assoziierten Sphäre der Computernutzer.

VI.  Informations- und biotechnologische Wertbestimmungen im Vergleich Ein solcherart wertsetzender Körperbezug von Computerdaten führt auf den Vergleich mit dem Wert genetischer Daten zurück. Während in gentechnologischen Zusammenhängen häufig Rechte am eigenen Körper geltend gemacht werden, um individuelle Rechte auch an der eigenen genetischen Information und dem daraus zu erzielenden Vermögensgewinn zu behaupten, könnte insoweit auch die aus dem wie ein ausgelagerter Körperteil genutzten Computer die Selbstbestimmungs-Idee anknüpfende Prinzip der informierten Einwilligung zutrifft; siehe hierzu oben, 1. Abschnitt, Fn.  118 sowie 224. 233   Siehe oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, IV. (S.  58 ff.).

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gewonnene Information als Gegenstand begehrter Ausschließlichkeitsrechte, mithin als eine Art „Geistiges Eigentum“ des Nutzers, gedeutet werden. Für informationstechnische, auch personenbezogene Daten gilt hier jedoch Vergleichbares wie für Körperdaten aus genetischer Information: Deren wirtschaftlicher Wert ist ursprünglich nicht, jedenfalls nicht alleine, im Körper oder auch in dessen Material angelegt, sondern wird erst durch den „molekularen Blick“234 und die Erhebungs-, Entschlüsselungs- und Entwicklungsarbeit von Forschern generiert. Sofern diese unter ihrem Blickwinkel dann noch deutlich machen, dass das Genom eines einzelnen Menschen gar nichts Individuelles sei, sondern freilich ganz überwiegend mit der genetischen Information anderer Menschen übereinstimme, scheint damit bereits jeder weitere Versuch fehlzugehen, individuelles „Geistiges Eigentum“ an körpereigener genetischer Information zu begründen. Trotzdem mag es immer noch eine Reihe von Fällen geben, in denen solche Körperdaten als Teile des entsprechend „genetisch erweiterten“ Körpers, dem sie als Biosoziofakte entstammen, zu erachten sind. Vor allem narrative und phänomenologische Perspektiven vermögen unter Umständen und in bestimmten sozialen Kontexten die szientistische Betrachtung von Körpermaterial und ‑information in der Weise zu ersetzen, dass deren Körperbezug und die zu­ gehörigen Rechte nicht mehr anhand ihrer Eigenschaften als Material oder Information, auch nicht aufgrund ihrer bloßen Funktion bestimmt werden, sondern danach, mit welchen Erlebnissen, Erfahrungen und Schicksalen die Prozesse ihrer Wahrnehmung, Produktion und Kommunikation verbunden sind. Genetische Information kann folglich etwa dann als Körper- und Persönlichkeitsteil anzusehen sein, wenn ihre Herstellung besonders eng mit den Lebensgeschichten und dem Erleben menschlicher Individuen verbunden ist. Eine solche lebensgeschichtlich-narrativ oder auch phänomenologisch begründete Nähebeziehung von Personen, Körpern und ihren Daten zeigt sich derzeit beispielsweise im medizinischen Bereich der prädiktiven Diagnostik. Neue Sequenzierungstechniken machen für jeden Menschen eine wachsende Anzahl individueller Krankheitsdispositionen feststellbar, die bei Bekanntwerden seine weiteren Lebensentscheidungen prägen, ihn mit einer unverwechselbaren Lebensgeschichte versehen, kurzum: sein Schicksal wesentlich bestimmen werden.235

  Siehe nochmals oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, unter II., Fn.  130.   Siehe hierzu – mit der kritischen Forderung nach einem staatlich zentralisierten „Genetic Information Management“ – H. Hilger Ropers et al., Stellungnahme zu den neuen Sequenzierungstechniken und ihren Konsequenzen für die genetische Krankenversorgung, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abrufbar unter: . 234 235

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Eine derart enge Zugehörigkeit von genetischer Information zu bestimmten Personen dürfte jedoch noch immer die Ausnahme sein. In der Regel wird man davon ausgehen müssen, dass die zur Gewinnung genetischer Information he­ ran­gezogenen Menschen keine individuellen Rechte an ihren Körperdaten und somit auch keinen individuell bestimmbaren Vermögensschaden dartun können, selbst wenn diese Daten ohne ihre Einwilligung und nur aufgrund einer Verletzung ihrer körperlichen Integrität gewonnen wurden. Insoweit könnte nur noch bezüglich etwaiger Patentrechtsanmeldungen geprüft werden, ob eine mit rechtswidrigen Mitteln, insbesondere durch Verletzungen der körperlichen Integrität, ermöglichte Erfindung gegen den Vorbehalt des ordre public verstoße und daher von der Patentierung auszuschließen sei.236 Dass auf der einen Seite diejenigen, deren Körperdaten wissenschaftlich und wirtschaftlich verwertet werden, diesbezüglich keine eigenen Ansprüche geltend machen können, muss aus dieser Sicht nicht zwangsläufig dazu führen, dass auf der anderen Seite die Rechtsverletzer als Erfinder alleine davon profitieren. In der Tat sind individuelle Rechtspositionen nämlich auch dort schlecht zu begründen, wo ihr Gegenstand auf einer rechtswidrigen Verletzung und Ausnutzung fremder Rechte oder Güter beruht. Das Patentrecht mag vielleicht, soweit es sich als ein reines Anreizinstrument für technische Innovationen versteht, außerhalb der sonstigen Rechtsordnung stehen.237 Aber es kann sich gegenüber anderen rechtlichen und sozialen Rationalitätsbereichen jedenfalls nicht völlig immunisieren, sondern muss bei Konflikten und Kollisionen zu einer lernenden Anpassung finden, um – wie andere Rechtsgebiete auch – seinen gesellschaftlichen Umwelten gerecht zu werden. Denn auch Anreize zu Innovationen können doch nur im gesamtrechtlichen Rahmen und nicht etwa auf der Basis gesonderter Ausbeutungsbelohnungsprinzipien gegeben werden, um schließlich gesamtgesellschaftlich wirksam sein zu können. Die Rechtskollisionen des Biopatentrechts bedürfen indes noch keiner abschließenden Lösung, insofern sie an dieser Stelle lediglich zum Vergleich mit der ähnlichen Problematik des informationstechnologischen Persönlichkeitsund Datenschutzes dienen und mögliche Aussagen zu deren Fragen nach den Rechten und dem Wert informationstechnischer Daten liefern sollen. Soweit einer Erhebung dieser Daten eine Verletzung der Integrität eines privaten, körperanalog genutzten informationstechnischen Systems vorausgeht, stellt sich ebenso wie bei der Gewinnung genetischer Information durch körperliche Integritätsverletzungen die Frage, ob daraus ein ersatzfähiger Schaden ableitbar ist, der den Betroffenen – hier den Computernutzern – individuell zugemessen 236   Vgl. Art.  27 Abs.  2 TRIPS sowie §  2 Abs.  1 PatG und Art.  53 lit. a EPÜ; dazu etwa Niclas Kunczik, Geistiges Eigentum an genetischen Informationen. Das Spannungsfeld zwischen geistigen Eigentumsrechten und Wissens- sowie Technologietransfer beim Schutz genetischer Informationen, Baden-Baden 2006, 131 ff. 237  So Kunczik, a.a.O. (134).

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werden kann. Genauso gilt auch hier, dass ein individuelles, vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht nur ausnahmsweise dann anzunehmen ist, wenn zwischen den Computernutzern und ihren Daten eine besonders enge Verbindung besteht. Nur wenn und soweit Daten als Teil einer körperanalogen Sphäre des Nutzers zu fassen sind und zur funktionalen, vor allem aber lebensgeschichtlich-narrativen, phänomenal erlebten Basis seiner Persönlichkeit gehören, können sie einen individuell bestimmbaren Wert verkörpern. Im Beispielsfall „Battlefield“ könnte für eine Bewertung der Nutzerdaten in Geld allerdings auch der Umstand sprechen, dass Electronic Arts ganz offensichtlich ein wirtschaftliches Interesse an der Erhebung und Verwendung der Nutzerdaten hatte, die es gemäß seinen ursprünglichen Lizenzbedingungen sogar für Marketingzwecke einsetzen wollte. Auch ein Datenhandel ist damit jedenfalls nicht ausgeschlossen – eine wirtschaftliche Aktivität, die in heutiger Zeit durchaus lukrativ zu sein scheint und mit neuen datenschutzrechtlichen Normierungen offenbar nur schwer in einem gesellschaftlich akzeptablen Rahmen zu halten ist.238 Daten, insbesondere solche mit Personenbezug, haben als „Güter der Internetökonomie“ zweifelsohne einen eigenen Marktwert, der mit dem für Immaterialgüter schon seit langem anerkannten wirtschaftlichen Wert durchaus vergleichbar sein kann.239 Im Immaterialgüterrecht hat sich indes schon vor dem Inkrafttreten des BGB die Methode der sogenannten „dreifachen Schadensberechnung“ durchgesetzt, 240 mit der nicht nur der tatsächlich entstandene konkrete Schaden, sondern gegebenenfalls auch der mit der Pflichtverletzung erlangte Gewinn oder sogar der mit einer fiktiven Lizenzgebühr berechnete Wert des Erlangten abgeschöpft werden kann.241 Weder die Herausgabe des Verletzergewinns noch die Berechnung im Wege einer Lizenzanalogie haben eine dogmatische Grundlage in den Schadensberechnungsgrundsätzen des bürgerlichen Rechts.242 Ihren gewohnheitsrechtlichen Status haben sie mit der üblichen Begründung erlangt,   Siehe dazu insbesondere die BDSG-Novelle II aus dem Jahr 2009 (BT-Drucksachen 16/12011 und 16/13657) mit den neuen Sonderregelungen zur Datennutzung für Zwecke des Adresshandels und der Werbung (§§  28 Abs.  3, 3a, 3b BDSG). 239   Siehe nochmals Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, 2003, 155 ff. (165 ff.). 240   Vgl. hierzu das richtungsweisende „Ariston“-Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1895: RGZ 35, 63. 241   Siehe hierzu vor allem die entsprechenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes: BGHZ 44, 372 – „Meßmer-Tee II“; BGHZ 61, 88 – „Wählamt“; BGHZ 119, 20 – „Tchibo/ Rolex II“; BGH GRUR 2006, 136 – „Pressefotos“; BGH GRUR 2006, 143 – „Catwalk“. 242   Vgl. allerdings etwa die nunmehr in Umsetzung des Art.  13 der EU-Enforcementrichtlinie 2004/48/EG vom 29.4.2004 (ABl. L 195, 16) eingeführten gesetzlichen Regelungen in §  139 Abs.  2 S.  2 und 3 PatG; §  24 Abs.  2 S.  2 und 3 GebrMG; §  14 Abs.  6 S.  2 und 3 MarkenG; §  42 Abs.  2 S.  2 und 3 GeschmG; §  97 Abs.  2 S.  2 und 3 UrhG. Näher hierzu Malte Stieper, Dreifache Schadensberechnung nach der Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG im Immaterialgüter- und im Wettbewerbsrecht, WRP 2010, 624 ff. (627 f.). 238

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dass es sich bei Immaterialgüterrechten um besonders verletzliche Ausschließlichkeitsrechte handele, deren Verletzung in der Regel zu keinem konkret bestimmbaren Schaden führe.243 Die weiteren Maßstäbe der Gewinnherausgabe und der Lizenzanalogie orientieren sich dann freilich nicht mehr am schadensrechtlichen Grundgedanken der Restitution.244 Ebenso sind sie weniger Ausdruck eines weiteren Grundsatzes der Kompensation als vielmehr Folgerungen aus Billigkeits- und Präventionsgedanken: Der Verletzer soll in der Regel an seinem Verhalten festgehalten werden und schließlich nicht besser gestellt sein als ein rechtstreuer Lizenznehmer, und zwar unabhängig davon, ob im jeweiligen Fall überhaupt eine Lizenzerteilung in Frage gekommen wäre.245 Auf der gleichen Basis ist seit langem anerkannt, dass die dreifache Schadensberechnung grundsätzlich auch auf schuldhafte Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anwendbar ist, sofern dieses – etwa in Gestalt eines Rechts am eigenen Bildnis – als ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht betroffen ist.246 Nach vergleichbaren Grundsätzen könnte diese Art der Schadensberechnung nunmehr auch für Rechtsverletzungen in Betracht kommen, die im Beispielsfall „Battlefield“ zumindest hypothetisch als möglich erscheinen: Soweit Electronic Arts tatsächlich Daten erheben und verwenden sollte, die als Gegenstände vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte gelten könnten, zu deren Nutzung mithin ausschließlich der Computernutzer berechtigt wäre, könnte dieser auch entsprechende Schadensersatzansprüche geltend machen. Einen derartigen, ausschließlich der Nutzerpersönlichkeit zugewiesenen und zugleich vermögenswerten Gegenstand können jedoch allenfalls solche Daten darstellen, die zumindest als Fragmente von Persönlichkeitsbildern einen mit den bekannten vermögenswerten Persönlichkeitsrechten vergleichbaren Status aufweisen.247 Das wäre vor allem dann anzunehmen, wenn in den betreffenden Daten die individuellen menschlichen Erlebnisse, Erfahrungen, Schicksale der Nutzer wahrgenommen, nachgezeichnet und kommuniziert werden können.   Vgl. etwa Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, 2008, 384 f.; Ernst Steindorff, Abstrakte und konkrete Schadensberechnung, AcP 158 (1959/1960), 431 ff. (451 ff.). 244   Freilich lassen sich von dort einige Parallelen mit dem bürgerlichen Recht ziehen, insbesondere mit der Eingriffskondiktion und der angemaßten Geschäftsführung; vgl. nur BGHZ 77, 16 (25) sowie BGHZ 34, 320 (321); näher hierzu – mit zahlreichen weiteren Nachweisen – Peukert, a.a.O.; ferner etwa Hartmut Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 6.  Auflage 2012, §  252, Rn.  55 ff. 245   Siehe nur RGZ 35, 63 (68 f.); BGHZ 44, 372 (374); BGHZ 119, 20 (27/Rn 32). 246   Siehe oben, Fn.  195, in diesem Abschnitt; zur Schadensberechnung etwa Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6.  Auflage 2013, §  823, Rn.  244; Staudinger, in: Schulze u. a., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 8.  Auflage 2014, §  823, Rn.  110. 247  Vgl. dazu jedoch Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 2006, 304, der die Maßstäbe der Schadensbemessung sehr weit fasst und einen abstrakten Wertausgleich nach der Lizenzanalogie, wahlweise auch die Herausgabe des durch eine unzulässige Datenverarbeitung erzielten Gewinns an den einzelnen Betroffenen bereits dann für möglich hält, wenn diesem kein tatsächlicher Schaden entstanden ist. 243

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Am Beispiel „Battlefield“ zeigt sich jedoch, dass die Nutzerdaten häufig gar kein individuelles Persönlichkeitsbild oder Nutzerprofil ergeben, sondern allenfalls wirtschaftliche Entscheidungen im Rahmen des Marketings und der Produktion erleichtern sollen. Ähnlich wie im Regelfall der Gewinnung genetischer Information gilt auch hier, dass sich der Wert der Nutzerdaten erst aus dem Verarbeitungsprozess selbst ergibt. Sind es im Bereich der Gentechnologie vor allem die Wissenschaftler und Forschungsunternehmen, die den Wert genetischer Information erst im kollektiven Zusammenhang einer Datensammlung und ‑auswertung herstellen und selbst individuelle Besonderheiten einzelner Menschen nur vor dem Hintergrund einer Referenzpopulation sichtbar machen, 248 so werden auch die Daten von Computernutzern nur im Rahmen eines umfassenden Datenkollektivs wirtschaftlich relevant.

VII.  Ermächtigung von Dritt- und Allgemeininteressen Die Tatsache, dass der Einzelne in diesem Fall keinen bestimmbaren individuellen Schaden dartun kann, muss allerdings keineswegs zwingend bedeuten, dass der Nutzen aus den möglicherweise massenhaften Integritätsverletzungen informationstechnischer Systeme beim Verletzer verbleiben müsste. Ähnlich wie im Patentrecht unter bestimmten Bedingungen gute Gründe gegen eine Patentierbarkeit derartiger „Früchte des vergifteten Baumes“ sprechen können,249 wird auch an dieser Stelle des Informationsrechts erkennbar, dass ein wirksamer Persönlichkeits- und Datenschutz, so er den veränderten Bedingungen der technisierten Gesellschaft gerecht werden soll, über die privatrechtliche Beschränkung auf die Kompensation individueller Schäden hinausreichen muss. Auch die Früchte widerrechtlicher Eingriffe in informationstechnische Systeme und illegaler Datensammlungen werfen insoweit die Frage auf, welche rechtlichen und prozessualen Mittel zur Verfügung gestellt werden können, um sie dem jeweiligen Rechtsverletzer zu entziehen. In dieser Hinsicht bedarf es zusätzlicher Konzepte für einen Ersatz solcher Schäden, die sich infolge massenhafter Rechtsverletzungen über eine Vielzahl von Menschen verstreuen und in ihrer Gesamtheit einen erheblichen Umfang annehmen.250 Auch wenn diese Schäden aus der individuellen Sicht der einzelnen Betroffenen nicht immer als materielle Vermögensnachteile darstellbar sind, erweisen sie sich doch auf kollektiver Ebene durchaus als relevant: In gewissem Sinne ist es der kollektive Wert der Datensammlung, welcher nur der   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  139.   Siehe oben, Fn.  236, in diesem Abschnitt. 250  Vgl. Schaub, JZ 2011, 13 ff.; mit Blick auf die US-amerikanische Rechtslage bereits Courtland H. Peterson/Joachim Zekoll, Mass Torts, American Journal of Comparative Law 42 (1994), 79 ff. 248 249

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Gemeinschaft der in ihren Persönlichkeitsrechten verletzten Computernutzer zugeordnet werden kann und insofern noch nicht einmal auf die Summe der individuellen Nutzerdaten reduzibel ist, der nach entsprechenden Formen eines kollektiven Rechtsschutzes verlangt. Es handelt sich hierbei also keineswegs alleine um sogenannte „Bagatellschäden“251, bei denen die individuellen Vermögensnachteile der von einer Rechtsverletzung Betroffenen zwar gering ausfallen und möglicherweise nicht mehr genau zu bestimmen sind, aber immerhin noch als individuelle Schädigungen den jeweils konkret betroffenen Einzelnen zugemessen werden können. Vielmehr – und für die überkommene individualistische Konzeption des Zivilprozesses als Zwei-Parteien-Prozess252 viel problematischer – geht es auch um „echte“ Kollektivschäden in einem eng verstandenen Sinn. Diese besondere Schadensdimension zeichnet sich dadurch aus, dass eine individuelle Schadensbemessung schon wegen der kollektiven Zuordnung des Schadensobjekts, anders ausgedrückt: aufgrund der kollektiven Natur des Schadenssubjekts, unmöglich ist. Doch wäre es voreilig, von der mangelnden Bestimmbarkeit eines individuell Geschädigten ohne Weiteres auf einen „diffusen“ Schaden zu schließen, der – etwa nach dem Vorbild des Umwelthaftungsrechts – als Gemeinschaftsgüterschaden allenfalls zum Gegenstand öffentlich-rechtlicher, nicht aber privatrechtlicher Regelungen gemacht werden könnte.253 Abgesehen davon, dass schon der Differenzierungsversuch bedeutungsgleicher Begriffe von „Schadensstreuungen“ und „Schadensdiffusionen“ keine Systematisierungsleistung erbringen, sondern eher zu neuen Konfusionen führen wird, vermag eine solche haftungsrechtliche Abstinenz des Privatrechts auch sachlich nicht zu überzeugen. Selbst in Fällen von global verteilten ökologischen Schäden ist es keineswegs immer plausibel, diese als Gemeinschaftsgüterschäden zur alleinigen Sache des Staates zu machen und damit jegliche Ansätze, dieselben auch privatrechtlich zu berücksichtigen, als angeblich systemwidrige Vermischungen mit Dritt- oder Allgemeininteressen 254 dem Zwei-Seiten-Blick sowohl des materiellen Zivil  Siehe hierzu Schaub, JZ 2011, 13 ff. (15 f.).   Zu diesem „Leitbild“ des Zivilprozesses siehe etwa Daniel Saam, Kollektive Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im europäischen Wettbewerbs- und Verbraucherrecht. Eine systematische Untersuchung der aktuellen Vorhaben der EU-Kommission und ihrer möglichen Kompetenzgrundlagen, Baden-Baden 2011, 35 ff. 253   So jedoch Schaub, JZ 2011, 13 ff.; zu weiteren begrifflichen Differenzierungen, insbesondere von Streu- und Gemeinschaftsgüterschäden, siehe Gerhard Wagner, Kollektiver Rechtsschutz – Regelungsbedarf bei Massen- und Streuschäden, in: Matthias Casper (Hg.), Auf dem Weg zu einer europäischen Sammelklage?, München 2009, 41 ff. (50 ff.); vgl. ferner Saam, a.a.O. (39 ff.). 254   Vgl. etwa Harm Peter Westermann, Drittinteressen und öffentliches Wohl als Elemente der Bewertung privater Rechtsverhältnisse, AcP 208 (2008), 141 ff. 251

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rechts als auch des Zivilverfahrensrechts zu entziehen.255 Das mag im Zusammenhang früherer Versuche, globale Umweltmedien wie sauberes Wasser, reine Luft oder ungestörten Naturgenuss als „sonstige Rechte“ im Sinne des §  823 Abs.  1 BGB zu behandeln, noch angehen.256 Doch wenn statt bloßer Umweltmedien oder ‑werte bestimmte, abgrenzbare Lebensgesamtheiten besonders gefährdet erscheinen, spricht jedenfalls keine privatrechtliche Systematik und auch kein sonstiges, für allzeit unveränderlich gehaltenes Prinzip gegen deren Berücksichtigung als schutzwürdige, mit eigenen schützenswerten Interessen ausgestattete Träger subjektiver Rechte. In welchem Maß das Privatrecht zur Anwendung kommen kann, hängt dann vielmehr davon ab, wer oder was zuvor als Rechtsperson 257 anerkannt wird und welche Handlungen, Verantwortlichkeiten und Kausalitäten 258 überhaupt gesehen werden. Auch ökologische Schäden müssen deshalb keineswegs für alle Zeiten zwingend als „subjektlose“ Gemeinschaftsgüterschäden qualifiziert werden.259 Werden beispielsweise der Klimawandel, die Veränderung von Meeresbiotopen oder die Beeinträchtigung natürlicher Lebensräume an Land noch als derartige Schädigungen der Allgemeinheit betrachtet,260 so können sie durchaus immer auch eine spezifische subjektivierende Zuordnung zu Personen erhalten, wenn existentiell besonders betroffene Lebensgesamtheiten von Menschen 261 oder 255   Zur Reduktion sozialer Verhältnisse auf bilaterale Privatrechtsbeziehungen und zu deren möglicher rechtsdogmatischer Überwindung mit Blick auf das Vertragsrecht etwa Gunther Teubner, Expertise als soziale Institution: Die Internalisierung Dritter in den Vertrag, in: Gert Brüggemeier (Hg.), Liber Amicorum Eike Schmidt, Heidelberg 2005, 303 ff.; für den Bereich des Zivilverfahrensrechts siehe Hess, JZ 2011, 66 ff. 256  Siehe Westermann, AcP 208 (2008), 141 ff. (146), unter anderem mit Verweis auf BGHZ 102, 350 – „Waldschäden“; vgl. allerdings Johannes Köndgen, Überlegungen zur Fortbildung des Umwelthaftpflichtrechts, UPR 1983, 345 ff. (348 ff.); sowie Christine Godt, Haftung für ökologische Schäden. Verantwortung für Beeinträchtigungen des Allgemeingutes Umwelt durch individualisierbare Verletzungshandlungen, Berlin 1997, 149 ff.; dagegen jedoch – neben Westermann – vor allem Dieter Medicus, Zivilrecht und Umweltschutz, JZ 1986, 778 ff.; vgl. ferner Christoph H. Seibt, Zivilrechtlicher Ausgleich ökologischer Schäden, Tübingen 1994, 48 ff.; Rüdiger Wilhelmi, Risikoschutz durch Privatrecht, Tübingen 2009, 42 ff. 257   Zu den daraus resultierenden Möglichkeiten eines subjektiven Kollektivrechtsschutzes vgl. Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 152 ff. und 205 ff.; ders., Die Rechte des Lebendigen: Wege zum Rechtsschutz nichtmenschlichen Lebens und natürlicher Lebensgesamtheiten, Aktuelle Juristische Praxis/Pratique Juridique Actuelle (AJP/PJA) 2007, 1545 ff. (1554 ff.); auf gleicher Linie Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. 258   Zur Notwendigkeit kollektiver Verantwortungszurechnungen in multikausalen Handlungszusammenhängen siehe vor allem Gunther Teubner, Die unsichtbare „Cupola“: Kausalitätskrise und kollektive Zurechnung, in: Weyma Lübbe (Hg.), Kausalität und Zurechnung. Über Verantwortung in komplexen kulturellen Prozessen, Berlin 1994, 91 ff. 259  Vgl. Wagner, Kollektiver Rechtsschutz, in: Casper (Hg.), Auf dem Weg zu einer europäischen Sammelklage?, 2009, 41 ff. (50 f.). 260   Diese und weitere Beispiele benennt Wagner, a.a.O. 261   Zur Klage eines im Nordwesten Alaskas gelegenen Inseldorfes wegen der existenzbe-

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auch Nichtmenschen 262 als konkrete Kläger auftreten. Deren Klagen werden freilich nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die geltend gemachten Schädigungen nicht etwa weiterhin als „subjektlos“ angesehen werden, sondern den Klägern selbst, eben als verletzten Rechtssubjekten, zugerechnet werden. Aber gerade das ist niemals von vornherein, sozusagen als eine kategorische Bestimmung des Rechts, auszuschließen. Wenn den Klägern de lege lata (noch) keine Rechts- und Parteifähigkeit oder zumindest keine eigene Klage- oder Prozessführungsbefugnis zuerkannt wird, dann doch nur aufgrund von Unterscheidungen, die das Andere der Bestimmung subjektiver Rechte und ihrer personalen Träger ausgrenzen und verbergen. Dabei sind es gerade diese Unterscheidungen, die Zwei-Seiten-Form der Person, in denen sich das Recht an seinem Anderen, insbesondere an seinen humanen, natürlichen, technischen, materiellen Umwelten reflexiv beobachten kann.263 Auf diese Weise ist es im Prinzip immer möglich (wenn auch „nicht alles zu jeder Zeit“264), dass die durch die bisherigen Unterscheidungen von Rechtssubjekten und ‑objekten, von Handlungen und Ereignissen, von Kausalitäten und Zufälligkeiten verdeckten Paradoxien aufbrechen und mittels neuer Unterscheidungen zur Entfaltung gebracht werden müssen. Diese neuen Unterscheidungen brechen sich Bahn, sobald erkennbar wird, dass Schäden, die zweifellos vorhanden sind, nicht kompensiert werden, weil sie bislang nicht justitiabel sind. Und spätestens wenn in der gesellschaftlichen Wahrnehmung offenbar wird, dass es Geschädigte gibt, die gar nicht erst vor die Gerichte kommen, beginnen sich neue Akteure und Personen als Träger subjektiver Rechte herauszubilden. Wenngleich diese Geschädigten keineswegs immer individuell, als konkrete Einzelmenschen identifizierbar sein mögen, können sie doch sehr wohl als bestimmbare Gruppen kollektiv nachgezeichnet werden. Die Ausklammerung sogenannter „diffuser Schäden“ aus dem Privatrecht kann in dieser Hinsicht nämlich auch ein Zeichen seiner Blindheit gegenüber bestimmten Arten von Streuschäden sein, vor allem gegenüber solchen „echten“ Massenschäden, in denen die einzelnen Geschädigten nicht mehr individuell bestimmt werden können. Indes geht es auch bei diesen Schadensarten letztlich darum, privatrechtliche Durchsetzungsdefizite im Schadensersatzrecht auszugleichen, die sich vor allem daraus ergeben, dass Geschädigte nicht klagen, etwa

drohenden Folgen der globalen Erwärmung: Complaint for Damages, Native Village of Kivalina v. Exxon Mobil Corp (ND Cal, filed February 26, 2008), abrufbar unter: ; näher zu diesem und weiteren Beispielen Roda Verheyen/Michael Lührs, Klimaschutz durch Gerichte in den USA, ZUR 2009, 129 ff. 262   Zur Klage der „Seehunde in der Nordsee“ wegen einer drohenden Veränderung ihres Meeresbiotops: VG Hamburg NVwZ 1988, 1058 ff. 263   Siehe hierzu oben, 1. Abschnitt, Fn.  296 f. 264   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  361.

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weil sie nicht klagen können oder dürfen. „Private Enforcement“265 oder „Private Law Enforcement“266 bezeichnen diese verfahrensrechtlich orientierten Bemühungen um eine verstärkte privatrechtliche Berücksichtigung von sogenannten „Drittinteressen“267. Wer sich hier weiterhin an einen – vermeintlich zu den privatrechtlichen Grundprinzipien gehörenden – methodologischen Individualismus klammert, kann den neuen Problem- und Konfliktlagen der technisierten Gesellschaft mit ihren sich neu formierenden kollektiven Identitäten und multikausalen Handlungs- sowie Verantwortungszusammenhängen nicht gerecht werden. Wenn sowohl das materielle Zivilrecht als auch das Zivilverfahrensrecht daran festhalten müssen, soziale Konflikte auf rein individualistische Zwei-Seiten-Beziehungen zu reduzieren, treten die Fragen nach der Einheit der Zwei-Parteien-Differenz, mithin die Paradoxie des unterdrückten „Anderen“, des „Dritten“, offen zu Tage. Zu betonen ist dabei, dass es nicht darum gehen kann, die spezifisch rechtliche Rekonstruktion der sozialen Welt in Gestalt bilateraler Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Parteien zu revolutionieren. In diesem Weltmodell liegt gewiss auch ein besonderes Potential der Reduktion von Komplexität, und mithin der Lösung von gesellschaftlichen Konflikten, die gerade wegen ihrer Komplexität ohne die besonderen Mittel des Rechts als unlösbar erscheinen müssten. Es sind also neben historischen Gründen auch gesellschaftliche Funktionen, die das Zivilrecht dazu bringen, die zweiseitigen Rechtsverhältnisse zwischen Bürger und Bürger zu beobachten, und die schließlich auch den Zivilprozess nach dem Modell des Zweikampfes268 operieren lassen. Für diese Vereinfachung des Sozialen ist jedoch ein Preis zu entrichten: „Rechtsentfremdung“.269 Die Beobachtungen des Rechts mit ihren besonderen Komplexitätsreduktionen, Simplifizierungen und partiellen Blindheiten für gesellschaftliche Umwelten dürfen niemals mit der sozialen Wirklichkeit verwechselt werden. Denn diese kennt mehr als nur einen vom Zivilrichter gelegentlich zu Argumentationszwecken „eingebildeten Dritten“.270 Sie ist von   Siehe bereits oben, Fn.  62, in diesem Abschnitt.   Siehe oben, Fn.  63, in diesem Abschnitt. 267   Für eine materiell-rechtliche Orientierung vgl. nochmals Westermann, AcP 208 (2008), 141 ff. 268   Vgl. hierzu – wiederum mit eigenen Vorschlägen zur Überwindung dieses Kampfes – Reinhard Greger, Vom „Kampf ums Recht“ zum Zivilprozeß der Zukunft, JZ 1997, 1077 ff. Freilich kann man im konkreten Gerichtsverfahren – im „Gerichthalten“ – neben der agonalen auch eine theatrale Funktion, „die Dinge zur Sprache zu bringen und zur Sache zu machen“, entdecken: Cornelia Vismann, Medien der Rechtsprechung, Frankfurt a.M. 2011. 269  Vgl. Teubner/Zumbansen, Zeitschrift für Rechtssoziologie 21 (2000), 189 ff.; dazu bereits oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II. (S.  72 ff.). 270  Vgl. Elena Barnert, Der eingebildete Dritte. Eine Argumentationsfigur im Zivilrecht, Tübingen 2008. 265

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Grund auf triadischer Natur271 und wird sich daher niemals vollständig einer Zwei-Seiten-Betrachtung erschließen. Die Interessen eines „Dritten“ oder auch eines „öffentlichen Wohls“ sind an Privatrechtsverhältnissen stets beteiligt. Ihr Einfluss erstreckt sich auch auf Schuldverhältnisse, und sei es nur in Form eines – immer nur von Dritter Seite zu bestimmenden – Parteiwillens, einer „Art des Rechtsverhältnisses“ oder auch eines Gesetzes.272 Wer an dieser Stelle aber trotzdem weiterhin von Dritt- oder Allgemeinin­ teressen abstrahieren möchte, etwa mit der Begründung, dass das Privatrecht nur auf diese Weise seine besondere gesellschaftliche Funktion erfüllen könne, die insbesondere in der „Individualgerechtigkeit“ und der „Dezentralisierung der Interessenkonflikte auf die konkrete Lebenssituation der an einem Rechtsverhältnis beteiligten Subjekte“ zu sehen sei,273 vernachlässigt die darüber hinausgehenden Funktionen eines auf die Bewältigung sozialer Konfliktlagen ausgerichteten Privatrechts: Spätestens sobald neben individuellen Subjekten auch die von ihnen gebildeten Gruppen ins Spiel kommen,274 ist eine echte Dezentralisation und erst recht die damit angestrebte Individualgerechtigkeit nur noch durch „gesellschaftliche Selbstregulierungen jenseits der traditionellen individuellen Privatautonomie“ zu erreichen.275 Ein in diesem Sinn verstandenes, soziales Privatrecht richtet sich daher auf die Ermöglichung von Sozialautonomie.276 Und einem entsprechenden sozialen Zivilprozessrecht 277 muss es dann um deren Durchsetzung, genauer: um ein buchstäblich verstandenes „Enforcement“ gehen, einem „In-Kraft-Setzen“ lebendig-kommunikativer Potentiale278 – jenseits der traditionell-individualistischen Vorstellung von Einzelinteressen und (Einzel‑)Parteiherrschaft. 271  Vgl. Thomas Bedorf/Joachim Fischer/Gesa Lindemann (Hg.), Theorien des Dritten. Innovationen in Soziologie und Sozialphilosophie, München 2010; siehe im Übrigen oben, 1. Abschnitt, Fn.  275. 272   Diese Einbruchsstellen für Drittinteressen sieht – insoweit übereinstimmend – auch Westermann, AcP 208 (2008), 141 ff. (147 ff.). 273  So Westermann, a.a.O. (148), der indes schon im nächsten Schritt neben Individualsubjekten auch die von ihnen gebildeten Gruppen berücksichtigen, zum Teil also die Individualgerechtigkeit gleich wieder kollektivieren und die Dezentralisation zentralisieren möchte. 274  Vgl. Westermann, a.a.O.: „Ordnungsfaktoren in einem solchen System sind dezentralisierte wirtschaftliche Entscheidungen und Aktivitäten von Subjekten einschließlich von ihnen gebildeter Gruppen […]“. 275   Vgl. hierzu Teubner, Expertise als soziale Institution: Die Internalisierung Dritter in den Vertrag, in: Brüggemeier (Hg.), Liber Amicorum Eike Schmidt, 2005, 303 ff. 276   Vgl. hierzu Eike Schmidt, Von der Privat- zur Sozialautonomie. Vorläufige Gedanken zur abnehmenden Gestaltungskraft konventioneller juristischer Dogmatik im Privatrechtssystem. Josef Esser zum 70. Geburtstag am 12.3.1980, JZ 1980, 153 ff. 277   Auch beim sozialen Zivilprozess geht es insoweit nicht nur um sozialstaatliche Eingriffe – vgl. hierzu etwa Rudolf Wassermann, Der soziale Zivilprozeß. Zur Theorie und Praxis des Zivilprozesses im sozialen Rechtsstaat, Neuwied/Darmstadt 1978 –, sondern vor allem um die genannte Sozialautonomie. 278   Vgl. dazu oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, III. (S.  77 ff.).

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Zivil- und Zivilverfahrensrecht orientieren sich insoweit nicht mehr idiosynkratisch am Erhalt ihrer eigenen Operationsbedingungen, sondern selbstreflexiv an den Bedingungen der Möglichkeit von sozialer Autonomie.279 Demnach sind nicht nur die individuellen Verhältnisse zu dezentralisieren, sondern auch – und ganz besonders – die gesellschaftssektoriellen Eigenrationalitäten in ihrer Pluralität zu bewahren und zur wechselseitigen Kooperation anzuregen. Erst darin – in der Vielheit und Diversität gesellschaftlicher Beobachtungsstandpunkte – liegt eine Chance, Konflikte und Kollisionen tatsächlich dezen­ tral zu bewältigen. Erst wenn man den Blick also auf die sozialen Funktionsbedingungen, Strukturen, Institutionen richtet, die individuelles Handeln und Entscheiden gerade erst möglich machen, eröffnet sich auch eine Aussicht auf die gesuchte Individualgerechtigkeit. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Recht vermag seine konkreten Leistungen in Gestalt von dezentralisierten, individuell-gerechten Konfliktlösungen vor allem dadurch zu erbringen, dass es seine eigenen begrifflichen Zentralisierungen, seine Fixierungen auf starre Leitunterscheidungen von Individuum und Gemeinschaft, insbesondere von privaten und öffentlichen Rechtsverhältnissen, aufhebt und selbstreflexiv operiert. Anstatt alles „Private“ immer nur in kontrafaktische, in gewisser Weise sogar realitätsferne Zwei-Seiten-Beziehungen von Individuen zu zerlegen und diese den gemeinschaftlichen Interessen der „Öffentlichkeit“ gegenüberzustellen, muss eine weiterreichende privatrechtliche Sicht gerade auch dazu imstande sein, die spezifischen Kommunikationen des bio- und informationstechnologischen Regimes in eigene Begriffe zu fassen. Dabei hat es zivile Verfahren herauszubilden, in denen die vielfältigen Betroffenheiten der technisierten Welt zur Sprache und Verhandlung kommen, das heißt: zur Sache gemacht werden können.280 Nur so können schließlich auch die bio- und informationstechnologischen Selbstregulierungen in reflexiv-rechtlichen Normen berücksichtigt, ihrerseits reflektiert und schließlich in ihren eigenen Normbildungen normiert werden.281 Dann sind Drittinteressen auch nicht mehr nur als Gemeinwohlinteressen nach Maßgabe eines irgendwie rekonstruierten, womöglich gar fingierten Parteiwillens oder eines Reflexes der zugrunde liegenden individuellen Rechtsbeziehung oder auch der Gesetzeslage einzubeziehen, sondern nach den eigenen Normen einer auf soziale Autonomie verpflichteten bio- und informationstechnologischen Regimeverfassung. Gewiss ist damit noch immer nicht die an die Konzeptionen eines „Private Enforcement“ gerichtete kritische Frage beantwortet, „wann sich der Einzelne bei der Durchsetzung privater Ansprüche zum Sachwalter von Allgemeinbelangen machen und seiner Rechtsverfolgung somit die höhere Dignität des Öf279  Zu den entsprechenden Reflexivitätsanforderungen an das Recht siehe bereits oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II. (S.  72 ff.). 280   Siehe bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  244. 281   Siehe bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  245.

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fentlichen geben kann.“282 Aber gerade angesichts der beschriebenen Probleme des Persönlichkeits- und Datenschutzes wird immerhin deutlich, dass die Frage nach der Reichweite des Drittschutzes künftig anders gestellt werden muss. Es geht nicht mehr in erster Linie darum, inwieweit öffentliche Allgemeinbelange privat durchgesetzt werden können, noch weniger um vermeintlich „diffuse“ Schäden, die eben nur aus der eingeschränkten Sicht des Rechts als solche erscheinen. Vielmehr geht es um die Frage, wie Rationalitätenkonflikte und Kollisionen gesellschaftlicher Autonomiebereiche im Bioinformationsrecht so gelöst oder zumindest entschieden werden können, dass deren Stabilität und Kompatibilität gewährleistet bleiben. Vor diesem Hintergrund sind zuerst einmal die beteiligten Akteure und Betroffenen zu ermitteln. Niemand darf dabei mit seinen Rechten alleine aufgrund mangelnder Justiziabilität schutzlos bleiben, wenn und soweit er tatsächlich von Rechtsverletzungen betroffen ist. Ohnehin sind die Verhältnisse des Persönlichkeits- und Datenschutzes – weniger noch, als es in manchen Fragen des Umweltschutzes der Fall zu sein scheint – keine bloßen Angelegenheiten des gemeinen Wohls. Denn sie betreffen niemals nur das eine, umfassende Kollektiv der Allgemeinheit, was immer das auch sei, sondern ganz bestimmte, nach besonderen Eigenschaften spezifizierte, informationstechnisch vermittelte, sozioartifizielle Assoziationen. Derartige Assoziationen können sich in informationstechnologischen Zusammenhängen schon dadurch als kollektive Identitäten formieren, dass – wie etwa im Beispiel „Battlefield“ – eine Vielzahl privater Softwarenutzer in gleicher Weise mit Systemeingriffen und Datenerhebungen eines bestimmten Anbieters rechnen muss. Sie sind dabei allesamt in ihrer Eigenschaft als Nutzer betroffen, ohne jedoch als Einzelne in der Lage zu sein, ihre individuell miteinander vergleichbaren Interessen rechtlich durchzusetzen. In dieser Hinsicht wäre es müßig, weiter danach zu fragen, ob diese „überindividuellen“ Interessen privater oder öffentlicher Natur seien. Denn sie sind beides zugleich: Jeder einzelne dieser privaten Computernutzer hat ein individuelles Interesse an der Vermeidung derartiger Rechtsverletzungen. Diese führen aber nur zu einem gemeinschaftlichen Schaden auf der Ebene des Kollektivs der betroffenen Nutzer, und das macht, wenn man so will, die öffentliche Dimension der Problematik aus. Letztlich geht es damit um den Schutz der besonderen informationstechnischen Nutzungsverhältnisse im Sinne einer Institution des Bioinformationsrechts.283 282   Vgl. hierzu Westermann, AcP 208 (2008), 141 ff. (146). Freilich verliert die Kritik schon dann ihre Schärfe, wenn man „Private Enforcement“ nicht als Normdurchsetzung durch Private, sondern – allerdings um den Preis einer dann anderweitig wieder zu verbergenden Paradoxie – als privatrechtliche Normdurchsetzung versteht: vgl. Dörte Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, Tübingen 2012, 7 f. 283   Zum Konzept der Institutionen als „Normenensembles“ im Sinne von Teilstrukturen sozialer Systeme siehe Teubner, Expertise als soziale Institution: Die Internalisierung Dritter in den Vertrag, in: Brüggemeier (Hg.), Liber Amicorum Eike Schmidt, 2005, 303 ff., m.w.N. (Anm.  3 und 42). Für eine frühere Fassung des Institutionenschutzes, dem es allerdings noch

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VIII.  Ermöglichung von kollektiver Rechtsdurchsetzung Dem entspricht schließlich auch die zivilverfahrensrechtliche Einsicht, dass die sozialen Kollisionslagen, die sich in derartigen Schadensfällen konkret zeigen, nur im Wege einer Überwindung der herkömmlichen Zwei-Parteien-Konzeption des Zivilprozesses und mittels kollektiver Rechtsbehelfe behandelbar sind.284 Dabei geht es allerdings nicht alleine darum, dass die individuell Geschädigten etwa aus ökonomischen oder kognitiven Gründen, oder auch mangels ausreichender justizieller Ressourcen daran gehindert sind, ihre Rechte in Einzelprozessen zu verfolgen. Das Problem ist auch nicht bloß abstrakt in einer verringerten Regelungs- oder Steuerungswirkung des Privatrechts zu sehen, die es im allgemeinen Interesse wiederherzustellen gelte.285 Das alles sind zweifellos wichtige Aspekte der Massen- und Streuschadensproblematik. In dem hier erörterten besonderen Fall persönlichkeitsverletzender Eingriffe in die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme geht es jedoch darüber hinaus sehr konkret um den genannten Institutionenschutz, und das nicht zuletzt im Interesse des individuellen Schutzes der in ihren Persönlichkeitsrechten verletzten Computernutzer. Demzufolge ist es an dieser Stelle auch nicht zwingend notwendig, die Forderung nach einer Ausweitung des kollektiven Rechtsschutzes mit einer neben der Funktion des Schadensausgleichs vorauszusetzenden Steuerungsaufgabe des Privatrechts zu begründen.286 Denn der auf kollektiver Ebene eingetretene Schaden betrifft eine bestimmte Gruppe von Computernutzern in ihren Nutzungsbeziehungen zu informationstechnischen Systemen. Der gesamte Schadensumfang kann insoweit nach dem Vorbild der dreifachen Schadensberechnung an der Höhe des tatsächlich erzielten oder des potentiell zu erzielenden Verkaufswertes der für Marketingzwecke angelegten Datensammlung berechnet werden. Eine Kompensation der kollektiv erlittenen Schäden erscheint daimmer vorrangig um eine individualistische Zuordnung institutioneller Interessen in Gestalt „sekundärer“ subjektiver Rechte geht, Ludwig Raiser, Der Stand der Lehre vom subjektiven Recht im Deutschen Zivilrecht, JZ 1961, 465 ff. (472 f.); ders., Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Summum Ius Summa Iniuria. Individualgerechtigkeit und der Schutz allgemeiner Werte im Rechtsleben, Tübingen 1963, 145 ff.; daran anschließend und deshalb kurzerhand auch Allgemeinwohlinteressen durch das Instrument individueller Eigeninteressen mitgeschützt sehend Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, 425 ff. Der volle Schutz sozialer Institutionen kann sich indes nicht mit dem Schutz rechtlicher In­ stitute durch solche „Reflexrechte“ begnügen, sondern muss deren Eigenrechte als eigenständige subjektive Rechte rekonstruieren und den primär betroffenen sozioartifiziellen Assoziationen unmittelbar zuordnen. 284   Siehe vor allem Hess, JZ 2011, 66 ff. 285   Siehe hierzu die Zusammenfassung bei Saam, Kollektive Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im europäischen Wettbewerbs- und Verbraucherrecht, 2011, 52 f. 286  Vgl. Saam, a.a.O. (53), m.w.N.; ausführlich zu den weitergehenden Problemen dieser Steuerungsaufgabe Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012.

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her durchaus als möglich, soweit diese gegebenfalls an ein als Person und Partei juristisch rekonstruiertes Kollektiv der Computernutzer adressiert werden kann. Doch gerade darin liegt der Kern des Problems: Wie kann die sozioartifizielle Assoziation der individuell verletzten und kollektiv geschädigten Computernutzer im Zivilprozess auftreten oder vertreten sein? Mögliche Antworten finden sich unter anderem im jüngsten Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zum „Private Enforcement“ und zur Einführung einer europäischen Sammelklage unter der Sammelbezeichnung „Collective Redress“.287 Doch unabhängig von den auf europäischer Ebene bereits seit längerem angekündigten Reformvorhaben 288 bietet schon das geltende deutsche Zivilverfahrensrecht einige mögliche Orientierungspunkte, wie die Computernutzer im geschilderten Beispiel Rechtsschutz erlangen könnten. Grundsätzlich kommen dabei zwei konstruktive Möglichkeiten in Betracht: Zunächst liegt der Gedanke nahe, dass sich die in ihren Persönlichkeitsrechten verletzten Nutzer zwecks gemeinsamer Rechtsverfolgung zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbinden und auf dieser Basis eine Gruppenklage289 führen. Seitdem die Rechtsprechung die Parteifähigkeit der BGB-Außengesellschaft anerkannt hat,290 kann diese unter bestimmten Voraussetzungen auch zur gebündelten Geltendmachung von Ansprüchen einsetzbar sein.291 Kaum weniger naheliegend als eine Gruppenklage erscheint nach den bisherigen Schilderungen allerdings auch die zweite Lösungsmöglichkeit, die auf eine den Verbraucherverbänden eingeräumte „besondere ‚privatrechtlich ausgestaltete Sorgezuständigkeit‘“292 zur Führung von Verbandsklagen rekurriert. Doch sowohl Gruppenklagen als auch Verbandsklagen vermögen die besondere Problematik der vorliegend angenommenen Fallkonstellation nur zum Teil zu erfassen. So scheitert die Bündelung der Ersatzansprüche von Computernutzern wegen massenhafter Persönlichkeitsverletzungen im Rahmen einer 287   Vgl. dazu die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 11. Juni 2013 zur Einführung kollektiver Rechtsschutzverfahren, abrufbar unter: ; siehe ferner unter: . 288   Für einen Überblick über die bisherigen rechtspolitischen Diskussionen und dogmatischen Entwicklungen kollektiver Rechtsbehelfe im Zivilprozessrecht siehe insbesondere Saam, Kollektive Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im europäischen Wettbewerbs- und Verbraucherrecht, 2011, 25 ff., m.w.N.; sowie Harald Koch/Joachim Zekoll, Europäisierung der Sammelklage mit Hindernissen, ZEuP 2010, 107 ff. 289   Zum Begriff der Gruppenklage und zur Unterscheidung von Verbandsklagen und Musterprozessen etwa Saam, a.a.O. (59 ff.). 290   Vgl. BGHZ 146, 341; für einen Überblick über weitere Entwicklungen und Konsequenzen Diederich Eckardt, in: Barbara Dauner-Lieb/Werner Langen, BGB Schuldrecht, Band 2, Anhang I zu § 705: Die GbR im Verfahrensrecht – Zivilprozess, Zwangsvollstreckung, Freiwillige Gerichtsbarkeit und Schiedsverfahren, 2.  Auflage, Baden-Baden 2012. 291  Vgl. Harald Koch, Sammelklagen durch eine BGB-Gesellschaft, NJW 2006, 1469 ff. 292  Vgl. Hans-Wolfgang Micklitz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band 3, 4.  Auflage 2013, §  3 UKlaG, Rn.  4.

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BGB-Gesellschaft freilich nicht unbedingt schon daran, dass deren kumulative Geltendmachung und Verfolgung in einer Sammelklage keinen gemeinsamen Gesellschaftszweck im Sinne von §  705 BGB bilden könnte.293 Keineswegs zwingend ist es jedenfalls, die bezweckte kumulative Rechtsverfolgung einer von betroffenen Computernutzern gegründeten Interessengesellschaft als eine gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoßende geschäftsmäßige Einziehung fremder Forderungen anzusehen, die nach §  134 BGB zur Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags, mithin zur Ablehnung der Parteifähigkeit führen müsste. Solange es dabei nämlich nur um die Wahrnehmung der Gesellschafterinteressen in einer bestimmten Sache geht, gibt es gute Argumente gegen die verbreitete Auffassung, dass es sich hierbei um das eigenständige Geschäft einer Inkassodienstleistung handele, das nach §  2 Abs.  2 S.  1 i.V.m. §  10 Abs.  1 Nr.  1 RDG registrierungspflichtig, ansonsten jedoch unzulässig wäre (§  3 RDG).294 In diesem Sinne kann ein bestimmter, einheitlicher Lebenssachverhalt etwa auch bei massenhaften Zugriffen eines Softwareunternehmens auf die Computer seiner Kunden, wie sie nach dem Beispiel „Battlefield“ jedenfalls als möglich erscheinen, anzunehmen sein. Denn die im Beispielsfall angenommenen Rechtsverletzungen beruhen einheitlich auf bestimmten datenschutzwidrigen Praktiken eines einzelnen Softwareherstellers, und mit den Käufern betreffen sie zudem einen abgrenzbaren Personenkreis. Demnach kann es sich durchaus weiterhin um käufereigene statt um fremde Forderungen handeln, wenn dieselben Käufer alleine zum Zwecke ihrer Geltendmachung eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründen. Eine solche Gesellschaft zieht diese Forderungen dann  Vgl. hierzu Koch, NJW 2006, 1469 ff. (1470). Dabei sind drei Gestaltungsvarianten denkbar: (1) Die stellvertretende Geltendmachung der Gesellschafteransprüche im fremden Namen, (2) die Rechtsverfolgung im eigenen Namen nach erfolgter Inkassozession oder auch (3) eine Klage im eigenen Namen, jedoch aus fremdem Recht, wenn lediglich eine Einziehungsermächtigung vorliegt. 294   In Bezug auf Anlegerinteressengesellschaften siehe etwa Karl-Georg Loritz/Klaus-R. Wagner, Sammelklagen geschädigter Kapitalanleger mittels BGB-Gesellschaften, WM 2007, 477 ff., die mit Blick auf das zum Zeitpunkt der Publikation noch geltende Rechtsberatungsgesetz (RBerG) die Ansicht vertreten, dass die in einer Außen-GbR gebündelte Rechtsverfolgung von Anlegerinteressen eine geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten darstelle, die gemäß Art.  1 §  1 Abs.  1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) erlaubnispflichtig sei. In diesem Sinne dann auch die Rechtsprechung: OLG Düsseldorf NZG 2010, 1106 ff. (Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags und fehlende Parteifähigkeit einer Anlegerinteressengesellschaft in Gestalt einer Außen-GbR wegen Verstoßes gegen Art.  1 §  1 Abs.  1 RBerG), sowie bestätigend BGH, Beschluss vom 19.07.2011 – II ZR 86/10, BeckRS 2011, 26973 (LSK 2012, 020435). Überzeugend dagegen jedoch Koch, a.a.O. (1470 ff., insbesondere 1472): „Selbst wenn eine Interessengemeinschaft als GbR aus einem klar definierten Anlass gegründet wird und für den Beitritt weiterer davon betroffener Gesellschafter offen ist, wird daraus noch kein geschäftsmäßiges Handeln, solange die beabsichtigte Rechtsverfolgung sich auf die aus diesem Schadensereignis resultierenden Forderungen beschränkt“; auf gleicher Linie Burkhard Hess/Chrisoula Michailidou, Die kollektive Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Kapitalmarktrecht, WM 2003, 2318 ff. (2323 f.). 293

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auch nicht etwa im geschäftlichen Rahmen einer Inkassodienstleistung ein.295 Mit anderen Worten: die Sammelklage einer BGB-Gesellschaft ist nicht von vornherein wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz als unzulässig zu erachten. Aber abgesehen von diesen zugegebenermaßen problematischen Rechtsfragen begegnet die Sammelklage in Gestalt der BGB-Gesellschafterklage noch anderen Schwierigkeiten von ganz grundsätzlicher Art: Vor allem ist sie darauf angewiesen, dass sich die einzelnen Betroffenen der Gesellschaft anschließen und ihre individuellen Ansprüche einbringen.296 Damit ist es jedenfalls im Beispielsfall praktisch ausgeschlossen, dass eine Interessengesellschaft die Gesamtheit aller individuell in ihren Persönlichkeitsrechten verletzten Computernutzer darstellen und den eingetretenen Kollektivschaden gegenüber dem Rechtsverletzer geltend machen könnte. Insoweit scheint dieses Modell der kumulativen Rechtsverfolgung den Interessen des geschädigten Kollektivs keinen besseren oder direkteren Ausdruck verleihen zu können als das repräsentative Alternativ­ modell einer Verbandsklage. Die prinzipiell vorhandene Möglichkeit, dass auch Verbraucherverbände die Ansprüche der einzelnen Softwarenutzer als Verbraucherforderungen gemäß §  79 Abs.  2 Nr.  3 ZPO im eigenen Namen einziehen können, hilft an dieser Stelle allerdings ebenso wenig weiter. Denn auch hier bedarf es einer individuellen Mitwirkung der Betroffenen, sei es auch nur in Form einer Vollmachtserteilung.297 Es würde allerdings auch kaum weiterführen, das Problem dieses Falles alleine im sogenannten „Opt‑in“-Mechanismus auszumachen, der jedem Einzelnen eine individuelle Beitrittshandlung abverlangt, um an der kumulativen Rechtsverfolgung teilnehmen zu können.298 Blickt man etwa auf das in Europa ohnehin kaum noch in Betracht gezogene „Opt‑out“-Modell der US-amerikanischen „Class Action“,299 so wird schnell deutlich, dass auch diese den Besonderheiten des Falles nicht gerecht werden kann. Selbst wenn man die Ansprüche also von vornherein bündelt und den individuell Beteiligten lediglich eine Austrittsmöglichkeit innerhalb einer bestimmten Frist gewährt, verfehlt eine solche „Opt‑out“-Gruppenklage auch weiterhin den entscheidenden Punkt, dass der Schaden gar nicht erst individuell, sondern einzig und allein auf kollektiver Ebene bestimmbar ist.

 Ebenso Hess/Michailidou, a.a.O.; Koch, a.a.O.   Zu diesem Problem, das schließlich auch zum Misserfolg dieser „ungewöhnlichen prozessualen Form der Bündelung“ von Ansprüchen beitragen dürfte, siehe auch Koch, a.a.O. 297  Vgl. Guido Toussaint, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 4.  Auflage 2013, §  79, Rn.  6 ff.; Max Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30.  Auflage, Köln 2014, §  79, Rn.  4 und 8. 298   Zum Vergleich von „Opt‑in“- und „Opt‑out“-Gruppenklagen siehe Saam, Kollektive Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im europäischen Wettbewerbs- und Verbraucherrecht, 2011, 59 ff. 299   Siehe dazu ebenfalls Saam, a.a.O. (62 ff.). 295

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Dass sich der eingetretene Kollektivschaden nicht aus der Summe individueller Einzelschäden zusammensetzt, bedeutet streng genommen, dass eine gegebenenfalls erfolgreich eingeklagte Kollektivforderung andererseits auch nicht unter den einzelnen Beteiligten aufgeteilt werden dürfte. Vielmehr müsste sie den eigentlich geschädigten bioinformationsrechtlichen Institutionen, insbesondere der Wiederherstellung und Erhaltung der informationstechnischen Nutzungsverhältnisse, nicht zuletzt der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme zugute kommen. In dieser Hinsicht kommt der im Lauterkeitsrecht bereits verankerte Gewinn­ abschöpfungsanspruch der Verbände bei vorsätzlichen Wettbewerbsverstößen einer Lösung am nächsten: 300 Die Gewinnabschöpfung nach §  10 UWG stellt neben der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung gemäß §  34a GWB eine neuartige, im internationalen Vergleich auch einzigartige301 Regelung dar, der zunächst eine marktregulierende Steuerungsfunktion zukommt.302 Sie soll Marktverhaltensnormen zur Durchsetzung verhelfen, indem sie die aus etwaigen Verstößen „zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern“ resultierenden Gewinne dem Bundeshaushalt zuführt. Die Formulierung ist bewusst so gewählt und soll insbesondere klarstellen, dass „zu Lasten“ von Abnehmern lediglich eine wirtschaftliche Schlechterstellung eingetreten sein muss. Eine Ermittlung individueller Kosten ist nicht erforderlich.303 Statt der üblichen schadensrechtlichen Funktion der Kompensation erlittener Nachteile steht daher auf den ersten Blick die präventive Verhaltenssteuerung und abschreckende Wirkung des Gewinnabschöpfungsanspruchs im Vordergrund.304 Präventionsgedanken sind dem zivilen Haftungsrecht zwar nicht fremd, aber sie verlangen doch gerade wegen ihrer Nähe zu Strafzwecken und ‑begründungen eine entschiedene Abgrenzung der Abschöpfungsansprüche von sogenannten „Punitive Damages“. Denn solche Formen des Strafscha­ densersatzes sind im deutschen Privatrecht ursprünglich nicht vorgesehen 305 –

300   Einen vergleichbaren Ansatz formuliert Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 2006, 310 ff. 301  Vgl. Helmut Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage, München 2014, §  10 UWG, Rn.  1. 302   Vgl. hierzu Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, 494 ff., m.w.N. 303  Siehe Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  10 UWG, Rn.  1 und 9 ff., mit dem Hinweis, dass im Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 21.8.2003 (BT-Drucksache 15/1487, 7) ursprünglich in §  10 Abs.  1 noch von einem Gewinn „auf Kosten einer Vielzahl von Abnehmern“ die Rede gewesen ist. 304  Siehe Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, 494 f.; Köhler, in Köhler/ Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  10 UWG, Rn.  2 f. 305   Handelt es sich überdies um „pauschal zuerkannten Strafschadensersatz von nicht unerheblicher Höhe“, so ist dieser sogar „mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar“: siehe hierzu BGHZ 118, 312 (343).

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wenngleich gerade die Rechtsprechungspraxis bei Persönlichkeitsverletzungen durchaus „punitive Elemente“ offenbart.306 Der wesentliche Unterschied zwischen Gewinnabschöpfung und Strafschadensersatz scheint indes nur noch in der Art der Berechnung des Anspruchsumfangs erkennbar zu sein: Anders als beim Strafschadensersatz sollen ausschließlich unrechtmäßig erzielte Gewinne abgeschöpft, nicht aber darüber hinausgehende Vermögensstrafen verhängt werden.307 Gewiss bereitet gerade die Berechnung des tatsächlichen, durch den Wettbewerbsverstoß kausal herbeigeführten Gewinns besondere Schwierigkeiten. Die deshalb in der Regel erforderlich werdende Schadensschätzung nach §  287 ZPO308 verleiht dem erkennenden Gericht – ähnlich wie es sich auch bei Entschädigungsansprüchen wegen schwerwiegender Persönlichkeitsverletzungen 309 oder im Zusammenhang mit der dreifachen Schadensberechnung310 beobachten lässt – letztlich doch eine Sanktionsmacht, die mitunter strafende Züge annehmen kann. Der „Strafcharakter“ der Gewinnabschöpfung nach §  10 UWG und deren Ähnlichkeiten mit einer bloßen Vermögensstrafe werden schließlich auch nicht dadurch geringer, dass die Gewinne an den öffentlichen Haushalt abzuführen sind.311 Um dem Verdacht entgegenzutreten, dass es sich hierbei sogar um eine „Privatisierung strafrechtlicher Ansprüche“312 handeln könnte, sollten daher die 306  Vgl. Volker Behr, Strafschadensersatz im deutschen Recht – Wiederauferstehung eines verdrängten Phänomens, Zeitschrift für das Juristische Studium (ZJS) 3/2010, 292 ff. (295 f.), unter anderem mit Hinweis auf Peter Müller, Punitive Damages und deutsches Schadensersatzrecht, Berlin 2000; sowie Ina Ebert, Pönale Elemente im Privatrecht. Von der Renaissance der Privatstrafe im deutschen Recht, Tübingen 2004. 307  Vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  10 UWG, Rn.  3 („keine verkappte Strafvorschrift“); a. A. jedoch etwa Rolf Sack, Der Gewinnabschöpfungsanspruch von Verbänden in der geplanten UWG-Novelle, WRP 2003, 549 ff.; Stefan Engels/Thomas H. Salomon, Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz: UWG-Reform 2003, WRP 2004, 32 ff.; Susanne Wimmer-Leonhardt, UWG-Reform und Gewinnabschöpfungsanspruch oder „Die Wiederkehr der Drachen“, GRUR 2004, 12 ff. 308  Siehe Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  10, Rn.  7. 309   Vgl. hierzu Behr, ZJS 3/2010, 292 ff. (296): „Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen war und ist der Gedanke der Genugtuung der Transmissionsriemen, mit dessen Hilfe punitive Elemente in das Zivilrecht transformiert werden.“ 310   Vgl. hierzu Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  9, Rn.  1.44 ff., insbesondere 1.49: „Unbeachtlich ist auch, dass der Verletzergewinn die angemessene Lizenzgebühr beträchtlich übersteigt […]. Denn es ist gerade auch das Ziel dieser Schadensberechnung, durch Abschöpfung des Verletzergewinns das schädigende Verhalten zu sanktionieren“. Diese Auffassung kann sich auf zahlreiche Rechtsentscheidungen berufen, vor allem auf BGH GRUR 2001, 329, 331 („Gemeinkostenanteil“): „Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient dabei auch der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens“; vgl. ferner OLG Düsseldorf GRUR 2004, 53; OLG Hamburg GRUR-RR 2009, 136; sowie LG München I, Urteil vom 12.10.2012 – 21 O 21699/11, BeckRS 2013, 02716. 311  Ausführlich zum „Strafcharakter“ des Gewinnabschöpfungsanspruchs bereits Sack, WRP 2003, 549 ff. (552 ff.); zustimmend Wimmer-Leonhardt, GRUR 2004, 12 (15 ff.). 312   So lautet die Zuspitzung bei Engels/Salomon, WRP 2004, 32 ff. (42).

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weitergehenden konzeptionellen Potentiale in den Blick genommen werden, die der Gewinnabschöpfungsanspruch bietet: „Privatisierung kollektiver Ansprüche“ könnte die direkte Antwort lauten, wobei klarstellend anzufügen ist, dass diese sich ausnahmslos auf zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen stützen, allerdings – und das ist der entscheidende Punkt – die besondere kollektive Schadensdimension auf der Ebene sozialer Institutionen betreffen. Eine derartige Neuausrichtung des Gewinnabschöpfungsanspruchs setzt jedoch voraus, dass seine Funktion nicht mehr wie bisher nur im begrenzten Bereich individueller Schadensausgleichsmechanismen und Verhaltenssteuerungen gesucht wird. Die zentrale Funktion von Abschöpfungsansprüchen liegt aus dieser Sicht nicht mehr in einer bloß individualistischen, auf zweiseitige Beziehungen reduzierten Kompensation der Schäden Einzelner. Sie besteht aber auch nicht nur in einer irgendwie gearteten, gleich ob mit Sanktions- oder auch mit Strafcharakter bewehrten Präventionswirkung. Vielmehr bewahrt sie ihren spezifisch zivilistischen Gehalt in einer den Technisierungsbedingungen angepassten Form des kollektiven Ausgleichs institutioneller Schäden. Die Schadenskompensation der Gewinnabschöpfung richtet sich insoweit entgegen allen üblichen Deutungsversuchen sehr wohl auf einen Interessenausgleich, doch bezieht sich dieser auf den besonderen Konflikt zwischen institutionellen Interessen, die in gewissem Sinn „überindividuell“ durch unterschiedliche Handlungslogiken und kollidierende Eigenrationalitäten sozialer Systeme definiert sind.313 Damit stellt sich jedoch aufs Neue die Frage, wie der im Beispielsfall angenommene Kollektivschaden, den eine Gruppe von Computernutzern in ihren informationstechnischen Nutzungsverhältnissen erlitten hat, überhaupt zum Ausgleich gebracht werden könnte. Wenn die sozioartifizielle Assoziation der individuell verletzten und kollektiv geschädigten Nutzer schon nicht selbst, auch nicht im Rahmen einer GbR-Sammelklage, vor Gericht auftreten kann, dann fragt sich, ob und inwieweit ihre Interessen im Wege einer auf Gewinnabschöpfung gerichteten Verbandsklage vertreten werden könnten. Bedenken dürften vor allem in zweierlei Hinsicht bestehen: Zum einen ist fraglich, ob die gemäß §  10 Abs.  1 i.V.m. §  8 Abs.  3 Nr.  2 bis 4 UWG zur Geltendmachung berechtigten Verbände und Kammern die betroffene Assoziation adäquat repräsentieren. Zum anderen liegen Zweifel nahe, ob mit der gewählten Rechtsfolge, 313   Vgl. dazu etwa Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  10 UWG, Rn.  1: „Im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch dient der Gewinnabschöpfungsanspruch nicht dem individuellen Schadensausgleich. Der Abnehmer, der durch das wettbewerbswidrige Verhalten Nachteile erlitten hat, erhält den Anspruch gerade nicht. Vielmehr sollen die Fälle erfasst werden, in denen die Geschädigten den Anspruch nicht geltend machen. Der Anspruch dient demnach weniger dem Interessenausgleich, sondern vielmehr einer wirksamen Abschreckung.“ Dieser Deutung ist weitgehend beizupflichten, doch wäre der letzte Satz unter Berücksichtigung institutioneller Interessen neu zu überdenken.

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der Gewinnabführung an den Bundeshaushalt, tatsächlich ein Interessenausgleich zugunsten der geschädigten Institutionen erreichbar ist. Demgegenüber ist zunächst festzuhalten, dass das genannte Repräsentativproblem im Grunde bei allen Formen des kollektiven Rechtsschutzes besteht, ganz gleich, ob es dabei um kumulative oder repräsentative Arten der Rechtsverfolgung geht. Kein Kollektiv kann seine Interessen im Zivilverfahren selbst und unmittelbar geltend machen. Selbst wenn es in Gestalt einer rechtsfähigen Gesellschaft als Partei zum Prozess zugelassen ist, und sogar auch dann, wenn kollektive Rechtsbehelfe nach dem „Opt‑out“-Modell der „Class Action“ zur Verfügung stehen – es wird niemals es selbst sein, das vor Gericht auftritt. Stattdessen handelt es sich bei der auftretenden Partei stets um ein Anderes: 314 eine juristische Rekonstruktion des dahinterstehenden Sozialphänomens. Ebenso wie die Person ist auch sie ein semantisches Artefakt; sie besteht gleichfalls als Zwei-Seiten-Form,315 diesmal jedoch nicht nur im und als Unterschied von Person und individuellem Menschen, sondern darüber hinaus in der Differenz von Prozesspartei und sozioartifizieller Assoziation, bestehend aus Menschen und informationstechnischen Systemen. Es kann folglich nur darum gehen, nach einer dem sozialen Substrat des Kollektivs möglichst angemessenen, „fürsprechenden“ Rekonstruktion im Zivilverfahren zu suchen. Diese kann gewiss auch die Gestalt eines Verbandes annehmen, der das Kollektiv selbst darstellt, indem er dessen Forderungen aus eigenem Recht und nicht bloß im Wege einer zur gebündelten Durchsetzung von Einzelansprüchen konstruierten Sammelklage geltend macht.316 Insoweit kann die auf Gewinnabschöpfung gerichtete Verbandsklage, trotz aller schwierigen Fragen nach einer privatrechtlichen Einordnung317 und der vermeintlich fehlenden Repräsentativität im Hinblick auf die zu vertretenden Interessen 318 , sehr wohl ein wirksames Instrument zur Durchsetzung kollektiver Forderungen abgeben. Problematisch bleibt dabei freilich die weitere Frage, ob die damit zur Geltung zu bringenden institutionellen Ansprüche durch eine Gewinnabführung an die öffentliche Hand zufriedenstellend berücksichtigt sind. Sicher fehlen den anspruchsberechtigten Verbänden damit die wirtschaft314   In diesem Anderen oder „Dritten“ wird somit auch im Zivilprozess die ubiquitäre triadische Struktur des Sozialen wieder sichtbar: siehe oben, Fn.  271, in diesem Abschnitt. 315   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  294. 316   Die Besonderheit, dass es bei der Gewinnabschöpfungsklage um „einen dem Verband originär zukommenden Abschöpfungsanspruch“ geht, betonen bereits mit Blick auf die Entwurfsfassung Astrid Stadler/Hans-W. Micklitz, Der Reformvorschlag der UWG-Novelle für eine Verbandsklage auf Gewinnabschöpfung, WRP 2003, 559 ff. (562). 317  Siehe Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, 496 f.; vgl. ebenfalls Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  10 UWG, Rn.  5. 318   In diese Richtung deutet Poelzig, a.a.O. (497 f.), mit der Feststellung, „dass es sich bei den Verbänden letztlich um eigens geschaffene ‚künstliche‘ Berechtigte handelt, die Vollzugsdefizite schließen sollen.“

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lichen Anreize, die teilweise doch erheblichen Prozessrisiken ohne jede Aussicht auf einen entsprechenden geldwerten Nutzen einzugehen.319 Daher spielt der Anspruch gemäß §  10 Abs.  1 UWG in der gerichtlichen Praxis bislang auch nur eine sehr geringe Rolle.320 Das Problem besteht aber nicht allein in der fehlenden wirtschaftlichen Anreizwirkung. Eine einfache Lösung kann also nicht schon in einer gesetzgeberischen Variante zu finden sein, die die abgeschöpften Gewinne ohne Weiteres bei den anspruchsberechtigten Verbänden belässt.321 Zu groß wäre dann wiederum die bereits vom Gesetzgeber erkannte und bewusst vermiedene Gefahr322 eines überschießenden, „sachfremden“ Anreizes der Verbände, die Gewinnabschöpfungsmöglichkeiten alleine zur eigenen Einnahmeerzielung im Rahmen eines reinen Abmahngeschäfts auszunutzen. Die Ursachen der mangelnden Anreizstruktur des Gewinnabschöpfungsanspruchs liegen jedoch tiefer und sind keineswegs bloß ökonomischer Natur: Sie ergeben sich im Kern aus der schlichten Tatsache, dass es nicht die in ihren Rechten Verletzten selbst sind, die für den auf kollektiver Ebene eingetretenen Schaden Ersatz verlangen. Daraus kann nun wohlgemerkt nicht etwa folgen, dass die verletzten Verbraucher ihrerseits eine Einnahmequelle erschließen, ohne selbst einen individuellen Schaden erlitten zu haben. Vielmehr geht es weiterhin darum, die besten Interessenvertreter der geschädigten Institution zu finden – und diese „Fürsprecher“ ihrerseits in der Weise rechtlich zu institutionalisieren, dass ihre Stimme auch vor Gericht vernehmbar wird. 319   Dieser Mangel gab schon im Entwurfsstadium Anlass zu Kritik. Siehe statt vieler Stadler/Micklitz, WRP 2003, 559 (562); des Weiteren Hans-W. Micklitz/Astrid Stadler, Das Verbandsklagerecht in der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, Band 1, Münster 2005, 26 ff. 320  Vgl. Christian Alexander, Nutzen und Zukunft der Gewinnabschöpfung in der Diskussion, WRP 2012, 1190 ff., insbesondere mit Hinweis auf die aktuellen Studien von KarlHeinz Fezer, Zweckgebundene Verwendung von Unrechtserlösen und Kartellbußen zur Finanzierung der Verbraucherarbeit, 2012, abrufbar unter: ; sowie Anne van Raay, Gewinnabschöpfung als Präventionsinstrument im Lauterkeitsrecht. Möglichkeiten und Grenzen effektiver Verhaltenssteuerung durch den Verbandsanspruch nach §  10 UWG, Dissertation Freiburg/ Karlsruhe 2011, abrufbar unter: ; siehe ferner Poelzig, a.a.O. (498 ff.). 321  So jedoch im Ergebnis etwa Alexander, a.a.O. (1195 f.); ähnlich, wenngleich mit der vorsichtigen Einschränkung, den Anspruchsberechtigten als „Agenten des Marktschutzes“ eventuell auch nur einen Teil des abgeschöpften Betrages zukommen zu lassen, Poelzig, a.a.O. (499 f.), m.w.N. 322   Siehe hierzu die Begründung des Regierungsentwurfes zu §  10 Abs.  4 UWG (BT-Drucksache 15/1487, 25): „Die Vorschrift bestimmt, dass der abgeschöpfte Gewinn letztlich dem Bundeshaushalt zukommt. Würde der Gewinn bei den Anspruchsberechtigten verbleiben, bestünde die Gefahr, dass der Anspruch aus dem letztlich sachfremden Motiv der Einnahmeerzielung heraus geltend gemacht würde. Für die Frage einer etwaigen Anspruchsverfolgung sollte aber entscheidend sein, ob durch die unlautere Wettbewerbshandlung die Interessen der Abnehmer erheblich beeinträchtigt werden.“

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Für eine solche actio pro institutione323 dürften indes vor allem diejenigen am besten geeignet erscheinen, welche selbst in ihren Rechten verletzt sind und deshalb der jeweils geschädigten Institution am nächsten stehen: Das sind in der Regel die Verbraucher beziehungsweise Abnehmer im Sinne von §  10 Abs.  1 UWG – oder spezieller, im Falle massenhafter Persönlichkeitsverletzungen durch einen Softwarehersteller, die verletzten Computernutzer. Diese konkret betroffenen Gruppen dürften weitaus stärkere Anreize als ein allgemein auf Verbraucherschutz ausgerichteter Verband haben, ihre Rechtsverletzungen geltend zu machen. Gegebenenfalls werden sie sogar eher dazu bereit sein, einen Rechtsstreit im Interesse der geschädigten Institution zu führen, sei es, um auf diese Weise selbst eine Genugtuung zu erlangen,324 oder sei es auch aus dem advokatorischen Motiv einer infolge der Rechtsverletzung empfundenen Fürsprache- und Sorgezuständigkeit.325 Der Fall „Battlefield“ kann auch hierfür als beispielhaft gelten, und zwar gleich in doppelter Hinsicht: zum einen, weil die Verbraucherzentrale von Beginn an auch die Community der betroffenen Computernutzer in ihre Aktivitäten und rechtlichen Schritte gegenüber dem Spielehersteller Electronic Arts eingebunden hat,326 und zum anderen insofern, als sich auf der Gegenseite auch Electronic Arts dazu bereit zeigte, mit der Spielercommunity zu verhandeln,327 ohne dazu rechtlich verpflichtet gewesen zu sein. Beide im Rechtssinne beteiligten Parteien, die Verbraucherzentrale ebenso wie der Spielehersteller, hatten offensichtlich klar gesehen, dass derartige Konflikte um informationstechnische Systeme und darauf bezogene Nutzungsverhältnisse nur im Zusammenwirken mit denjenigen lösbar sind, welche selbst in diese sozioartifiziellen Assoziationen involviert sind. Und in der Tat ist es letztendlich gar nicht erst zum Rechtsstreit gekommen. Electronic Arts hat auf die Abmahnung hin eine Unterlassungserklärung abgegeben und war auch sonst bemüht, den in Kritik und Protesten vernehmbaren Forderungen der Spielercommunity gerecht zu werden.328 323   Zu dieser an die gesellschaftsrechtliche actio pro socio angelehnten Begriffsschöpfung siehe Wolfgang Fikentscher, Wirtschaftsrecht, Band II: Deutsches Wirtschaftsrecht, München 1983, §  27 V (527 ff.). 324   Die Genugtuungsfunktion ist neben der reinen Ausgleichsfunktion längst Bestandteil des Schadensersatzrechts, wie die Rechtsprechung zum Ersatz von Nichtvermögensschäden im Sinne von §  253 BGB zeigt: siehe bereits BGHZ 18, 149. Auch für Vermögensschäden kann sie danach nicht mehr als völlig bedeutungslos gelten. 325   Diese advokatorische Motivation zur Fürsprache verdankt sich letztlich auch der dem Sozialen eingeschriebenen „Dreierszene“ der Empathie; dazu vor allem Breithaupt, Kulturen der Empathie, 2009, 9 ff. und 114 ff.; Gruber, Normen der Empathie – zur Einfühlung, in: ders./Stefan Häußler (Hg.), Normen der Empathie, 2012, 9 ff. (13 ff.); vgl. im Übrigen oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, III. (S.  77 ff.). 326   Siehe oben, Fn.  159, in diesem Abschnitt. 327   Siehe oben, Fn.  142, in diesem Abschnitt. 328   Siehe oben, Fn.  157, in diesem Abschnitt.

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Das Unternehmen reagierte damit geradezu zukunftsweisend, indem es die Nutzer als die eigentlichen Sachwalter der institutionellen Interessen anerkannte und anhörte. Dies tat es gewiss nicht allein aus rein altruistischen Motiven. Entscheidend dürfte vielmehr die Erkenntnis gewesen sein, dass die Institution der informationstechnischen Nutzerverhältnisse zu den wesentlichen, existentiellen Bedingungen nicht nur der privaten Computernutzung, sondern auch des eigenen unternehmerischen Handelns und Wirtschaftens gehören. Und entsprechend ihrer besonderen Rolle, die diese bioinformationsrechtliche Institution für die soziale Autonomie informationstechnisch mediatisierter Welten spielt, beginnen diese bereits jetzt eigene, selbstregulative Normen und Verfahren herauszubilden – vor allem dort, wo das Recht noch keine zufriedenstellenden Konfliktlösungsmechanismen anzubieten hat. An dieser Stelle setzt allerdings die besondere Aufgabe des Rechts an, diese Selbstregulierungsentwicklungen nachholend auf eigene Begriffe zu bringen. Die Berücksichtigung der Computernutzer als Beteiligte eines – zunächst noch informellen – Prozesses der Aushandlung streitiger Positionen sowie der Konfliktlösung sollte daher als Vorbild für die zukünftige Ausgestaltung eines – schließlich in Rechtsform verfassten – Kollektivrechtsschutzes dienen.

IX.  Präsentation im fluiden Zivilverfahren Wenn es nach alledem aber weder genügt, eine actio pro institutione in Form von Individualansprüchen zu konstruieren,329 noch die bisher bekannten kollektiven Rechtsbehelfe der Sammelklage einer BGB-Gesellschaft und der auf Gewinnabschöpfung zielenden Verbandsklage den benötigten Rechtsschutz in vollem Umfang zu leisten vermögen, dann sollten die genannten Ansätze einer Selbstregulierung des bio- und informationstechnologischen Regimes jedenfalls de lege ferenda in ein entsprechend modifiziertes Konzept des Kollektivrechtsschutzes umgesetzt werden. In dieser Hinsicht bietet es sich nun an, einzelne Elemente von Sammel- und Verbandsklagen miteinander zu verbinden und dabei dem realen Vorbild der Konfliktlösung im Fall „Battlefield“ zu folgen. Die Verbandsklage zu Gewinnabschöpfungszwecken könnte demnach in der Weise modifiziert werden, dass die in ihren Rechten verletzten Gruppen als Sachwalter der jeweils geschädigten Institutionen in anerkannten Verbänden zu 329   Auf diese Individualperspektive bleibt im Grunde auch die „actio pro institutione“ im Sinne Fikentschers (oben, Fn.  323, in diesem Abschnitt) beschränkt, soweit sie nur die besondere treuhänderische Klagebefugnis Privater im Interesse der Institutionen in den Blick nimmt, ohne dabei jedoch die entscheidende Frage nach der repräsentativen Institutionalisierung dieser „Privaten“ in kollektiven Akteuren, wie zum Beispiel in Gesellschaften oder Verbraucherverbänden, zu problematisieren.

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„institutionalisieren“ sind, und zwar dergestalt, dass die Klagebefugnis dieser Verbände in bestimmten Fällen von der Beteiligung dieser Repräsentanten abhängig ist. So wäre beispielsweise der Verbraucherverband im Fall „Battlefield“ nur insoweit zur Klage gegen den Softwarehersteller berechtigt gewesen, als er nachweislich die in ihren Rechten verletzten Computernutzer oder zumindest deren im Netz organisierte Vertreter in seine Aktivitäten eingebunden hat. Die Verbände müssten diesem Vorschlag zufolge bereits in ihren Satzungen festlegen, dass betroffene Verbrauchergruppen an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen über rechtliche Schritte zu beteiligen sind. Zugleich wären selbstverständlich auch die Regeln und Verfahren zu bestimmen, nach denen diese Beteiligung zu erfolgen hat. Diese müssten bereits von vornherein in nachvollziehbarer, transparenter Weise vorzeichnen, wie über die Legitimation und Repräsentativität von Nutzergruppen zu entscheiden ist, die sich im Netz zumeist nur in spontanen Protesten über Blogs und Foren formieren. Es sind dieselben Protestformen, welche sich in äußersten Fällen allerdings auch zu mächtigen, zumindest außerhalb des Rechts deutlich spürbaren „Shitstorms“330 auswachsen können. Sollte es gelingen, diese Protestgruppen in ihrem und im institutionellen Interesse schon frühzeitig an rechtsförmigen Verfahren zu beteiligen, könnten damit nicht nur die genannten extremen Proteststürme beruhigt, sondern möglicherweise auch erste Schritte in Richtung einer direkteren, fluiden Form der demokratischen Beteiligung neuer, digitaler Bürgerschaften im Rechtssystem gegangen werden. Deren Besonderheit liegt vor allem in der Einsicht, dass das Verfahrensrecht den spontanen Kommunikationsströmen der sozialen Informationstechnologien nicht mehr gerecht werden kann, soweit es nur an den bekannten Begriffen und Modellen festhält, die auf bilaterale Beziehungen innerhalb eines vorab bestimmten, exklusiven Kreises von Individualakteuren fixiert sind. Anstatt gewissermaßen weiterhin mit der starren, kristallinen Intelligenz des bereits Bekannten, Gewussten, idealerweise Positivierten zu operieren und den Rechtssubjekt- und Parteistatus ebenso wenig für verhandelbar zu halten wie die möglichen Verfahrens- und Klagearten, wäre das Augenmerk dann eher auf eine durch Mittel der lernenden Anpassung und Problemlösungskapazität geprägte fluide Intelligenz zu legen.331 Darin ist durchaus eine besondere, speziell auf das Zivilverfahrensrecht bezogene Variante einer „Liquid Democracy“ zu 330   Auch deutsche Anglizismen bedürfen der Übersetzung. Im Duden findet sich die folgende Definition: „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“, abrufbar unter: . 331   Die Differenz von fluider und kristalliner Intelligenz entstammt der psychologischen Forschung, die damit die entsprechende menschliche Problemlösungs- und Lernfähigkeit von erlerntem Erfahrungswissen unterscheidet: vgl. Raymond B. Cattell, Intelligence: Its Structure, Growth, and Action, Amsterdam 1987, 87 ff.

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sehen: Als „responsive Demokratie“332 verlangt sie aus verfahrensrechtlicher Sicht, Nutzerproteste und Verbraucherbewegungen zivilprozessual zu institutionalisieren, so dass ein den spezifischen informationstechnologischen Bedrohungen „adäquater Rechtsschutz 2.0“333 möglich wird. Es muss ihr insbesondere darum gehen, in den Protestbewegungen 334 neue betroffene Nutzerkollektive zu erkennen – und diese gegebenenfalls als Sachwalter geschädigter oder gefährdeter Institutionen anzuerkennen. Ihre Aufgabe besteht folglich darin, die genannten sozioartifiziellen Assoziationen von Menschen und informationstechnischen Systemen in ihren wechselseitigen Beziehungen nachzuzeichnen und in einem dafür offenen, fluiden Zivilverfahren wieder zu versammeln. Darin findet sich die Forderung der politischen Ökologie nach einer Neuversammlung der sozialen Verbindungen der „Noch-nicht-Versammelten“ wieder,335 diesmal indes in verfahrensrechtlichem Gewand, namentlich als Forderung nach einer Berechtigung der Noch-nicht-Berechtigten im institutionellen Rahmen der bereits als klagebefugte Rechtssubjekte stabilisierten Verbände. Diese müssten insoweit allerdings dafür Sorge tragen, dass nicht nur die bereits versammelten, sondern vor allem auch die künftig noch zu versammelnden Akteure, zu denen insbesondere die beschriebenen, erst in der konkreten Verletzungssituation und im Protest entstehenden Nutzerkollektive zählen, organisatorisch eingebunden werden und an rechtlichen Schritten und Verfahren teilnehmen. Die darauf bezogenen Entscheidungen der Verbände sind dann nicht mehr für, sondern gemeinsam mit den gegenwärtig Betroffenen zu finden. Derartige partizipatorische Erfordernisse stellen für die Arbeit der Verbände sicherlich eine zusätzliche Belastung dar. Doch auf diese Weise wäre zumindest sichergestellt, dass es nicht zu „sachfremden“ Entwicklungen von Geschäfts332   Siehe hierzu Dirk Heckmann, Demokratie 2.0: resolut, rational, responsiv, in: AUF (Magazin für Zwischenfragen der Zeppelin Universität) vom 8. Oktober 2012, abrufbar unter: . 333   Siehe ebenso Dirk Heckmann, Öffentliche Privatheit – Der Schutz der Schwächeren im Internet, KuR 2010, 770 ff. (775 ff.). 334   Zur näheren Bestimmung von Protestbewegungen siehe vor allem Niklas Luhmann, Soziologie des Risikos, Berlin/New York 1991, 135 f.: „Proteste sind Kommunikationen, die an andere adressiert sind und deren Verantwortung anmahnen. Sie kritisieren Praktiken oder Zustände, machen sich aber nicht selber anheischig, an die Stelle dessen zu treten, der für Ordnung sorgen sollte. Es geht nicht um einen Austausch von Plätzen, nicht um politische Opposition, die selber die Regierung übernehmen möchte und dadurch – sie muß es dann auch tun und können! – vorweg diszipliniert ist. Es geht vielmehr um Ausdruck von Unzufriedenheit, um Darstellung von Verletzungen und Benachteiligungen, nicht selten auch um wildes Wünschen. Es mag gute bis sehr gute Gründe geben und ebenso deutliche Mängel auf der anderen Seite. Aber die Form des Protestes ist eben eine Form, die eine andere Seite voraussetzt, die auf den Protest zu reagieren hat. […] Von Protestbewegungen wollen wir nur sprechen, wenn der Protest als Katalysator einer eigenen Systembildung dient. Der Protest rekrutiert dann gleichsam eigene Anhänger.“ (Hervorhebungen im Original). 335  Vgl. Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 9 ff., 17 ff., 35 f. und 275 ff.; siehe im Übrigen oben, 1. Abschnitt, Fn.  334 und 349.

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modellen kommt, mit denen reine Abmahnvereine eine eigene Einnahmequelle erschließen könnten. Ist diese Missbrauchsgefahr erst einmal gebannt, so kann im Gegenzug für die beschriebenen organisatorischen und prozeduralen Zumutungen immerhin aufs Neue erwogen werden, den nach §  10 UWG vorgehenden Verbänden doch die gegebenenfalls abzuschöpfenden Gewinne zukommen zu lassen. Die Stimmen, die dies befürworten, sind ohnehin niemals völlig verstummt. Sie haben bisher vor allem in der praktischen Wirkungslosigkeit der Abschöpfungsansprüche ein gewichtiges Argument gegen die aus zivilrechtlicher Sicht atypische Gewinnabführung an den Bundeshaushalt gefunden.336 Wenn nun mit den entsprechenden satzungsmäßigen Anforderungen auch die entscheidenden Bedenken wegen möglicher Missbräuche oder Zweckentfremdungen ausgeräumt werden können, spricht im Grunde nichts mehr gegen eine Abführung der Gewinne an die eigentlich Anspruchsberechtigten. Und wenn außerdem die Anreizstruktur der Verbände auch in nicht-ökonomischer, motivationaler Hinsicht dadurch verbessert werden kann, dass die aktuell Betroffenen selbst beteiligt werden, dürften aus der Sicht der Verbände die wesentlichen praktischen Hindernisse der Gewinnabschöpfungsklage beseitigt sein. Damit würde sich freilich auch die Funktion des Gewinnabschöpfungsanspruchs wieder in einem zivilistischen Sinne normalisieren, und zwar dergestalt, dass es nicht mehr so sehr auf eine Kompensation von lauterkeitsrechtlichen Vollzugsdefiziten oder auch auf eine marktbezogene Verhaltenssteuerung ankäme,337 sondern vielmehr auf die Institutionalisierung eines kollektiven Rechtsbehelfs, der in erster Linie dem für das Privatrecht typischen Schadensausgleich bei deliktischem Handeln dient: 338 Die anspruchsberechtigten Verbände bilden dabei den organisatorischen und prozeduralen Rahmen eines im beschriebenen Sinne nach demokratischen Grundsätzen legitimierten Repräsentanten der geschädigten Institution. Sie stellen insofern das betroffene Kollektiv selbst dar. Die durch die Verbände abzuschöpfenden Gewinne kämen daher der geschädigten Institution in bestmöglicher Weise zugute. Eine solche Normalisierung des Gewinnabschöpfungsanspruchs würde es im Übrigen auch erlauben, die derzeit noch allzu restriktiven Tatbestandsmerkmale des §  10 UWG, insbesondere dessen Beschränkung auf vorsätzlich begangene Wettbewerbsverstöße,339 in der Weise zu erweitern, dass der Anspruch zu einem praktisch wirksamen Instrument des privaten Kollektivrechtsschutzes   Siehe bereits oben, Fn.  320, in diesem Abschnitt.   Vgl. etwa Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, 497 f. 338  Ähnlich Alexander, WRP 2012, 1190 ff. (1196): „Mit einem konsequenten Verzicht auf die Drittbegünstigung ließe sich die Abschöpfung bruchlos in das privatrechtliche Sanktionssystem des Lauterkeitsrechts einordnen.“ 339   Dass das Vorsatzerfordernis keineswegs unumstößlich ist, lässt sich bereits der Entstehungsgeschichte des UWG 2004 entnehmen, insbesondere dem Referentenentwurf vom 23.1.2003 (abgedruckt in GRUR 2003, 298 ff.), der in §  9 Abs.  1 auch grob fahrlässige Wettbewerbsverstöße für den Anspruch auf Gewinnabschöpfung genügen lassen wollte. 336 337

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werden könnte. Der Verschuldensmaßstab sollte insoweit jedenfalls auch fahrlässiges Verhalten umfassen.340 Ferner wäre sogar daran zu denken, auf das Erfordernis des Marktbezugs zu verzichten und somit außerhalb des UWG noch weitere Abschöpfungsansprüche für anderweitige, gesetzlich genau zu bestimmende Rechtsverletzungen im Informationstechnologiebereich zu konzipieren. Für die im Zusammenhang mit dem Beispiel „Battlefield“ in Betracht gezogene Fallkonstellation besteht dazu allerdings noch keine Notwendigkeit. Denn eine Gewinnabschöpfungsklage der Verbraucherverbände hätte hier im Grunde schon auf der Basis der gegenwärtigen Rechtslage eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben können – vorausgesetzt allerdings, dass die erforderliche wirtschaftliche Schlechterstellung der Abnehmer341 entgegen bisherigen juristischen Auslegungsgewohnheiten konsequent von der Individualperspektive gelöst und stattdessen im Kollektivschaden der Computernutzer erkannt worden wäre. Insoweit scheitert der Abschöpfungsanspruch jedoch zumindest nicht am erforderlichen Marktbezug der Rechtsverletzung. Die Verwendung rechtswidriger AGB dürfte in der Regel den lauterkeitsrechtlichen Rechtsbruchtatbestand im Sinne von §  4 Nr.  11 i.V.m. §  3 Abs.  1 UWG sowie auch den zur Umsetzung von Art.  5 Abs.  2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGPRL) 342 dienenden Tatbestand des §  3 Abs.  2 S.  1 UWG343 erfüllen.344 Auch die in einer etwaigen Datenerhebung zu Marketingzwecken liegende Persönlichkeitsund Datenschutzverletzung wird wegen ihres kommerziellen Charakters regelmäßig einen Marktbezug aufweisen und daher einen entsprechenden Wettbewerbsverstoß darstellen.345 Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf ein derartiges Wettbewerbsverhalten eines US-amerikanischen Softwareherstellers

340   Vgl. die entsprechenden Überlegungen von Alexander, WRP 2012, 1190 ff. (1194 f.), zu einer Öffnung des Tatbestands für grob fahrlässige Rechtsverletzungen; im Ergebnis vergleichbar van Raay, Gewinnabschöpfung als Präventionsinstrument im Lauterkeitsrecht, 2011, 529 ff.; noch weiter geht allerdings Karl-Heinz Fezer mit seiner Forderung nach einem völligen Verzicht auf ein Verschuldensmerkmal: siehe ders., Zweckgebundene Verwendung von Unrechtserlösen und Kartellbußen zur Finanzierung der Verbraucherarbeit, 2012, 42 ff. und 56. 341   Vgl. oben, Fn.  303, in diesem Abschnitt. 342   Richtlinie 2005/29/EG vom 11.5.2005 (ABl. L 149, 22, berichtigt am 25.9.2009 in ABl. L 253, 18). 343  Vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  3, Rn.  4 ff., insbesondere 8. 344  Nach Köhler, a.a.O., §  3, Rn.  8e, ist §  3 Abs.  1 UWG bei AGB-Verstößen richtlinienkonform am Maßstab des Art.  5 Abs.  2 lit. b i.V.m. Art.  2 lit. e UGP-RL auszulegen. Hinsichtlich dessen Relevanzklausel komme es folglich darauf an, „ob die Pflichtverletzung geeignet ist, die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.“ Daneben sei dann §  3 Abs.  2 S.  1 heranzuziehen. 345   Vgl. hierzu Köhler, in: a.a.O., §  4, Rn.  11.42, m.w.N.

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ergibt sich aus Art.  6 Abs.  1 Rom II‑VO346 , soweit die kollektiven Interessen deutscher Computernutzer betroffen sind. Zu keinem anderen Ergebnis würde man im Übrigen auch gelangen, wenn man die Ansprüche der Nutzer unabhängig von wettbewerbsrechtlichen Marktbezügen, also unmittelbar auf den Gesichtspunkt der Persönlichkeitsrechtsverletzung stützen wollte. Dann ergäbe sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts 40 EGBGB. Die seit dem aus dem allgemeinen Deliktsstatut gemäß Art.   11.1.2009 an sich vorrangig geltende Rom II-Verordnung verzichtet in Art.  1 Abs.  2 lit. g) ausdrücklich auf eine Kollisionsnorm für Persönlichkeitsrechtsverletzungen, so dass Art.  40 EGBGB hierfür maßgeblich bleibt.347 Die betroffenen Nutzer könnten dann nach Art.  40 Abs.  1 S.  2 EGBGB verlangen, das Recht des Erfolgsorts der Rechtsverletzung anzuwenden. Auch wenn demnach die im Beispiel „Battlefield“ angenommenen Rechtsverletzungen über außereuropäische Server oder „Cloud“-Dienste geschehen sollten, wäre dennoch für diejenigen Nutzer deutsches Recht anwendbar, deren informationstechnische Zugänge und Nutzungsverhältnisse jedenfalls funktional einem „Interessenmittelpunkt“ oder „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Inland zuzuordnen sind.348 Aus gesetzgeberischer Sicht wäre es daher ohne Weiteres möglich, den Verbraucherverbänden verbesserte rechtliche Chancen einzuräumen, um in Fällen wie „Battlefield“ einen Gewinnabschöpfungsanspruch gemäß §  10 UWG oder auch einen vergleichbaren, etwa speziell für Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu formulierenden Abschöpfungsanspruch geltend machen zu können. Zu den Maßnahmen eines verbesserten Kollektivrechtsschutzes gehören zunächst die beschriebene Umstellung der Abschöpfungsansprüche von der bisherigen Be346   Verordnung 2007/847/EG vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), ABl. 2007, L 199, 40. 347  Vgl. Katrin Herresthal, in: Götting/Schertz/Seitz (Hg.), Handbuch des Persönlichkeitsrechts, §  58 (965 ff.); des Weiteren Jotzo, MMR 2009, 232 ff. (233), mit überzeugenden Argumenten für die Auffassung, dass bezüglich der zivilrechtlichen Folgen des unerlaubten Umgangs mit personenbezogenen Daten auch nicht die spezielle datenschutzrechtliche Kollisionsnorm des §  1 Abs.  5 BDSG zu berücksichtigen sei, da das BDSG für Persönlichkeitsrechtsverletzungen kein umfassendes Sanktionssystem bereitstelle. 348  Wegen der prinzipiellen Ubiquität von Persönlichkeitsverletzungen im weltweiten Netz sind räumliche Bestimmungen des Erfolgsortes regelmäßig auf funktionale Zuordnungen angewiesen. Daher richtet sich etwa auch der Deliktsgerichtsstand im Sinne von Art.  5 Nr.  3 EuGVVO im Falle persönlichkeitsverletzender Internet-Veröffentlichungen nach dem Interessenmittelpunkt, in der Regel also nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verletzten (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 25.10.2011, JZ 2012, 199 ff. – „eDate Advertising“; erläuternd Burkhard Hess, Der Schutz der Privatsphäre im Europäischen Zivilverfahrensrecht, JZ 2012, 189 ff.). Dem entspricht es, solche funktionalen Zuordnungen auch bei informationstechnologischen Vertraulichkeits-, Integritäts- oder Datenschutzverletzungen vorzunehmen und auf den gewöhnlichen Ort der Nutzungsverhältnisse von Menschen und informationstechnischen Systemen zu beziehen. Für eine vergleichbare „normative“ Betrachtung hinsichtlich der Anwendbarkeit des BDSG und des TMG auf die Erhebung personenbezogener Daten im Inland (§  1 Abs.  5 S.  2 BDSG) siehe Jotzo, a.a.O. (235 ff.).

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günstigung des Bundeshaushalts auf eine Direktbegünstigung der Verbände, aber auch die genannten satzungsmäßigen Anforderungen an eine Beteiligung der betroffenen Nutzer, die für die Klageberechtigung des jeweiligen Verbandes konstitutiv sein sollten. Die Verbandssatzungen müssten dann gewiss auch konkrete Bestimmungen zur weiteren zweckgebundenen Verwendung der gegebenenfalls abgeschöpften Gewinne enthalten.349 Damit würde im Übrigen die denkbare Alternativlösung entbehrlich, die Gewinne zur Sicherung derselben Zwecke einem Sondervermögen der öffentlichen Hand zuzuführen.350 Diese dürfte ohnehin keine solidere Zweckbindung gewährleisten, solange die damit angestrebte „Stärkung des Verbraucherschutzes“ nicht auch projektbezogen gefördert werden soll.351 Erst eine gezielte, konkrete Projektförderung352 könnte insofern eine vergleichbare Wirkung erzielen wie eine bereits in den Verbandssatzungen verankerte Zweckbindung, die mit der demokratischen Teilhabe betroffener Gruppen eng verbunden ist. In Bezug auf den Fall der in ihren Persönlichkeitsrechten verletzten Computernutzer hieße das insbesondere, die abgeschöpften Gewinne ausschließlich im Interesse der geschädigten bioinformationsrechtlichen Institutionen, vor allem zur Stabilisierung der informationstechnischen Nutzungsverhältnisse wie auch der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme einzusetzen. Neben der bekannten, gewissermaßen repressiven juristischen Vertretung von Nutzer- und Verbraucherinteressen bei bereits begangenen Rechtsverletzungen gehören dazu auch präventive Aktivitäten und Maßnahmen zur Herstellung, unter Umständen auch zur Wiederherstellung von Vertrauen in mediatisierten Welten: 353 Beratung und Begleitung der Entwicklungs- und Herstellungsprozesse technologischer Innovationen, gegebenenfalls auch Beteiligung 349  Vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 32.  Auflage 2014, §  10 UWG, Rn.  2, mit besonderem Hinweis auf Alexander, WRP 2012, 1190 ff. (1195) – jedoch offenlassend, worin die zweckgebundene Mittelverwendung genau bestehen sollte. In eine ähnliche Richtung wies bereits der frühere UWG-Reformentwurf von Helmut Köhler/Joachim Bornkamm/Frauke Henning-Bodewig, Vorschlag für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform, WRP 2002, 1317 ff. (1322), welcher in §  9 Abs.  2 eine Direktbegünstigung der Verbände, jedoch nur für bestimmte Täuschungshandlungen gegenüber Verbrauchern vorgesehen hatte. 350   Zu diesem Vorschlag siehe Fezer, Zweckgebundene Verwendung von Unrechtserlösen und Kartellbußen zur Finanzierung der Verbraucherarbeit, 2012, 51 f., der jedoch immerhin auch privatwirtschaftliche Organisationsformen erwägt. Vgl. ferner Micklitz/Stadler, Das Verbandsklagerecht in der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, Band 1, 2005, 1270 ff. Gegen eine kostspielige Einrichtung und Unterhaltung eines Sondervermögens argumentiert vor allem Alexander, WRP 2012, 1190 ff. (1196). 351  Vgl. Fezer, a.a.O. (52). 352  Vgl. Fezer, a.a.O. (53). 353   Vgl. entsprechend Dirk Heckmann, Vertrauen in virtuellen Räumen?, KuR 2010, 1 ff., unter anderem auf die diesbezügliche Aufgabe des Rechts schließend: „Das Recht hat den Auftrag, normativ unsere Zuversicht in das Funktionieren von IT-Abläufen, Leistungsver-

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an der Produktion rechtskonformer, vertrauenswürdiger Informationstechniksysteme nach Art einer „IT-Verfahrensakkreditierung“354 , nicht zuletzt Aufklärungs- sowie Informationsangebote zur Verbesserung der „IT-Kompetenz“355 privater Nutzer könnten in diesem Sinne zu den „sachverwandten“ Zwecken gehören, die mit den abgeschöpften Gewinnen im informationstechnisch-institutionellen Interesse realisierbar wären. Auch in dieser Hinsicht geht es nicht alleine darum, dass sich die Verbände als anerkannte, klagebefugte Repräsentanten der geschädigten Institution legitimieren, sondern vielmehr um eine Kompensation der tatsächlich eingetretenen institutionellen Schäden. Ein derartiger Schadensausgleich gehört zu den wesentlichen Bestandteilen eines künftigen adäquaten Rechtsschutzes, der nicht zuletzt „im Internet und nicht gegen das Internet“356 zu wirken hat. Damit sind vor allem rechtliche Wirkungen gemeint, die im Ergebnis eine rechtsadäquate Gestaltung der Technik herstellen sollen. Beispiele für eine solche rechtskonforme Technikgestaltung sind etwa Maßnahmen zur Begrenzung der digitalen Infrastruktur auf die datenschutzrechtlichen Grundsätze der Datensparsamkeit, Zweckbindung, Erforderlichkeit, Transparenz, oder auch des verbesserten digitalen Identitätsschutzes von Computernutzern mit Hilfe von Identitätsmanagementsystemen: Digitaler Identitätsschutz bedeutet vor allem, die Nutzerdaten und ‑zugänge in der Weise voneinander zu trennen, dass Autorisierungsprozesse in unterschiedlichen Nutzungskontexten nicht mehr auf die direkte Eingabe personenbezogener Daten, sondern stattdessen auf die Authentifizierung durch eine Art von „digitalem Ausweis“ angewiesen sind.357 Damit können Nutzer in unterschiedlichen Bereichen der Internetkommunikation auf unterschiedliche Art und Weise handeln, ohne ihr vollständiges Persönlichkeitsbild preisgeben zu müssen. Weitere Gegenmittel gegen die Erfassung von Nutzerdaten und Persönlichkeitsprofilen sind Anonymisierungs- und Verschlüsselungstechniken der Internetkommunikation, insbesondere die verstärkte Nutzung des so genannten „Darknet“: Gerade angesichts der unter den Namen „PRISM“ und „Tempora“ bekannt gewordenen staatlichen Übergriffe ist daher vor allem das anonyme Netzwerk „Tor“358 zum prominenten und seinerseits wieder angegriffenen Mittel des zivilen Selbstschutzes aufgestiegen. sprechen und Zuständen zu stabilisieren. Hierfür muss das IT-Recht einfacher werden.“ (a.a.O., 6). 354  Vgl. Heckmann, a.a.O. (5 f.). 355  Vgl. Heckmann, a.a.O. (7). 356  Siehe Heckmann, KuR 2010, 770 ff. (775 ff.). 357  Dazu am Beispiel der „Smart Card“ etwa Jan Vossaert/Pieter Verhaeghe/Bart De Decker/Vincent Naessens, A Smart Card Based Solution for User-Centric Identity Management, in: Simone Fischer-Hübner/Penny Duquenoy/Marit Hansen/Ronald Leenes/Ge Zhang (Hg.), Privacy and Identity Management for Life, IFIP Advances in Information and Communication Technology 2011, Vol.  352, 164 ff. 358   Siehe unter . Dazu und auch zu weiteren Beispielen vor allem Heckmann, KuR 2010, 770 ff. (776 f.).

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Abgesehen davon, dass es diesbezüglich offenbar keineswegs mehr als gesichert gelten kann, dass eine derartige Weiterentwicklung der informationstechnischen Infrastruktur in Gestalt von „Privacy Enhancing Technologies“ und „Privacy by Design“ überhaupt noch zu den Handlungsprogrammen im hoheitlichen Bereich zählt, kann staatliches Recht alle diese technischen Veränderungen jedenfalls nicht direkt bewirken. Es kann die normativen Ordnungen des Internets nicht bestimmen, steuern oder regulieren. Das Internet reguliert sich selbst. Jedoch stoßen die informationstechnologischen Selbstregulierungen ihrerseits an Grenzen: In denjenigen Grenzfällen nämlich, in welchen es aus deren Binnenperspektive zu scheinbar unlösbaren Konfliktsituationen zwischen Anbietern und Nutzern kommt, so dass das notwendige Vertrauen auf die Funktionsfähigkeit informationstechnischer Nutzungsverhältnisse, äußerstenfalls sogar die bioinformationsrechtliche Institution als solche bedroht scheint, bedarf es der spezifischen Konfliktlösungskompetenz des Rechts.359 Dessen Foren bieten dann gleichzeitig mit den dadurch geschaffenen konkreten Entscheidungsmöglichkeiten die weitere Chance, neue Begriffe und Verfahren zu entfalten, in denen die vielfältigen, mitunter noch nicht wahrgenommenen Betroffenheiten zu Wort kommen.360 Ein solches Verfahren ist in der erwähnten Vorstellung eines fluiden Zivilprozesses wiederzuerkennen, der die jeweils aktuell betroffenen Assoziationen sichtbar und hörbar macht, und zwar vermittelst demokratisch legitimierter Verbände, die die jeweils geschädigte Institution repräsentieren, indem sie Betroffene als institutionelle Sachwalter präsentieren. Es kann dabei wohlgemerkt nicht um das auf ursprüngliche Unmöglichkeit gerichtete Vorhaben gehen, ein homogenes Kollektiv von Nutzern oder Verbrauchern zu konstituieren, womöglich gar mit den Mitteln des kommunikativen Handelns und der Diskursrationalität zu vergemeinschaften. Stattdessen ist der verstreuten Vielheit der gegenwärtig in ihren Rechten Verletzten, die sich aufgrund ihrer Proteste vorübergehend, indes unmittelbar präsent zu Zufallsgruppen versammeln und den „Spontanbereich“361 informationstechnisch mediatisierter Welten bilden, mit Hilfe klagender Verbände rechtliches Gehör zu verschaffen.362 359   Zur Bedeutung des Rechts als einer spezifischen Konfliktlösungsinstanz siehe oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II. (S.  72 ff.). 360   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  244. 361   Zur entsprechenden „interne[n] Differenzierung gesellschaftlicher Teilsysteme in einen organisiert-professionellen Bereich und einen Spontanbereich“ siehe Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 140 ff. 362   Damit kommt das fluide Zivilverfahren in konzeptioneller Sicht einem „digitalen Materialismus“ nahe, wie ihn Byung-Chul Han vor allem in Abgrenzung zur Diskurstheorie entwickelt: „Habermas betrachtet das Web ausschließlich aus der Perspektive der Unmöglichkeit des Diskurses. Es trägt nicht die kommunikative Rationalität. Macht aber das Web nicht eine neue Rationalität denkbar, nämlich eine prä-kommunikative, prädiskursive Rationalität, die womöglich mehr Gerechtigkeit, ja mehr Demokratie generieren würde als die kommunikative Rationalität? Im Web lassen sich aufgrund seiner zentrifugalen Kraft wohl

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Auf der anderen Seite kann das aus rechtlicher Sicht aber auch nicht in „Echtzeit“ oder unmittelbarer Gegenwart im Sinne einer „Kopräsentation“ der Betroffenen gelingen.363 Einem derartigen Vorhaben stünde ebenfalls seine anfängliche Unmöglichkeit im Weg – in Form seiner eigenen notwendigen Bindung an Zeit. Zwar ist davon auszugehen, „daß alles, was geschieht, gleichzeitig geschieht“,364 aber sobald von Zeit gesprochen, in „Echtzeit“ kommuniziert oder auch nur gegenwärtig beobachtet, wahrgenommen, entschieden werden soll,365 kommt man nicht mehr ohne Formen der Bindung von Zeit aus – vor allem nicht ohne die besondere Zeitbindungsform des Rechts.366 Es reicht also keine Äquivalente für die diskursiven Öffentlichkeiten installieren. Daher müssen nicht Äquivalente, sondern Alternativformen zur diskursiven Öffentlichkeit gesucht werden, die aus jenen dezentralisierten Botschaften politisch relevante Informationen zu extrahieren in der Lage sind. Notwendig wäre aber hierfür ein politischer Paradigmenwechsel, der überlieferte Kategorien wie Diskurs, Dialog, Argument, Öffentlichkeit etc. verabschiedet, ein Paradigmenwechsel vom diskursiven Idealismus zum digitalen Materialismus. Wäre die Vernunft eine kommunikativ herzustellende Größe, so liefe er auf das Ende der Vernunft hinaus.“ (Han, Digitale Rationalität und das Ende des kommunikativen Handelns, Berlin 2013, 19, mit Bezug auf Jürgen Habermas, Hat die Demokratie noch eine epistemische Dimension? Empirische Forschung und normative Demokratie, in: Ach, Europa: Kleine politische Schriften XI, Frankfurt a.M. 2008, 138 ff., 162). 363   Im zuletzt genannten Sinne allerdings Han, a.a.O. (34 und 41). 364   Zu dieser Gleichsetzung von Gleichzeitigkeit als „eine aller Zeitlichkeit vorgebenene Elementartatsache“ siehe Niklas Luhmann, Gleichzeitigkeit und Synchronisation, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, Opladen 1990, 95 ff. (98); sowie ders., Soziologie des Risikos, 1991, 42. 365   Freilich ist es genau das, worauf Han anscheinend radikal verzichten will: „Die Zeitlichkeit des digitalen Mediums ist die unmittelbare Gegenwart.“ (Han, a.a.O., 35) Was dann noch von der Eigenrationalität der Informationstechnologie bliebe, wäre actus purus: „Die Wirkung erfolgt sofort. Diese Entscheidung stößt auf keinen Widerstand seitens der Wirklichkeit.“ (ders., a.a.O., 38) Niklas Luhmann hat diese Rückkehr zu einer allzeitigen Gleichzeitigkeit, vergleichbar mit der alteuropäischen Deutung der Schöpfung „als unmittelbare Realisation des Willens Gottes in jedem Moment“, schon seit längerem für die informationstechnisch mediatisierten Welten des Computerzeitalters vorhergesehen: „Man überlegt sich bereits, was es für die Strukturen des Weltwirtschaftssystems bedeutet, wenn heute die wichtigsten Finanzzentren dieses Systems durch elektronische Datenverarbeitung und elektronische Kommunikation verknüpft sind, also quasi gleichzeitig operieren, aber doch aufeinander zu reagieren versuchen. Es würde nicht erstaunen, wenn dies wieder auf Divination hinausliefe.“ (Luhmann, Gleichzeitigkeit und Synchronisation, in: Soziologische Aufklärung 5. Kon­ struktivistische Perspektiven, 1990, 95 ff. (117/Anm.  49). Einer solchen Rückwendung von Technik auf Divination wird sich das Recht mit seiner eigenen Konstruktion einer Zeitdimension widersetzen – oder verschwinden. 366   Anstatt diese Aussage weiter zu vertiefen, soll hier ein weiteres Zitat von Niklas Luhmann genügen: „Ein Ereignis kann als gegenwärtig-passierend nur begriffen werden, wenn man seine unmittelbare Vergangenheit und seine unmittelbare Zukunft ein Stück weit mitsieht. […] In allen sozialen Systemen entsteht eine solche Differenz zweier Gegenwarten, nämlich die Differenz zwischen erlebter Zeit, die immer weiterrinnt, weil immer etwas passiert, und der Wortankommzeit, die man abwarten muß, um zu sehen, ob und was der andere verstanden hat. Allein schon Kommunikation erzwingt eine Extension der Gegenwart, man muß die Reaktion anderer abwarten können – oder es hat überhaupt keinen Sinn zu kommunizieren.“ (ders., Temporalstrukturen des Handlungssystems. Zum Zusammenhang von

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nicht aus, nach einem „Digital Turn“ nur noch Vielheiten isolierter Individuen vorauszusetzen: 367 Bloße „Ansammlungen“ haben nichts mitzuteilen; sie fordern nichts und sie haben keine Ansprüche. Kurzum, ganz ohne Kommunikation geht es in der „digitalen Rationalität“ dann doch nicht. Und ohne Recht auch nicht: Erst ihre Beobachtung und Bindung ans Recht, ihre Rekonstruktion im Recht, ihre Neu- und Wiederversammlung, genauer, ihre institutionelle Einbindung in Verbänden ermöglicht es, die „dezentralisierten Botschaften“368 der vielfältig Betroffenen zu vernehmen, die im informationstechnischen Medium Rechtsverletzungen erleiden. Und nur mit Hilfe des Rechts ist es möglich, den dabei an der Institution der informationstechnischen Nutzungsverhältnisse entstehenden Schaden zu ersetzen, mithin die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme auch zivilrechtlich zu gewährleisten. Freilich darf die Reichweite des Zivilrechts einschließlich des Zivilverfahrensrechts in seiner fluiden, präsenzdemokratischen Fassung nicht überschätzt werden. Es bleibt nach wie vor auf Einzelentscheidungen von Rationalitätenkollisionen in informationstechnisch mediatisierten Welten beschränkt, die sich ansonsten nach eigenen Normen und Verfahrensweisen richten. Doch vermögen beständige Proteste von Nutzern, die sich zudem in rechtlichen Verfahren Gehör verschaffen und Klagen führen können, auf die informationstechnologischen Selbstregulierungsprozesse in der Weise einzuwirken, dass diese sich den normativen Erwartungen ihrer Umwelten – der Menschen, der sozialen Systeme, insbesondere: des Rechts – anpassen oder zumindest annähern, in diesem Sinn also selbst beschränken. Es sind diese mittelbar durch Rechtskonflikte und ‑entscheidungen herbeigeführten, mithin exogen veranlassten Selbstbegrenzungen, die das informationstechnologische Regime von einem bloß eigengesetzlichen in ein autokonstitutionelles Regime verwandeln.369 Dessen „technisierte Verfassung“ entfaltet sich gerade in dieser rechtlich induzierten Selbstbegrenzung, namentlich in der intersystemischen Kopplung der reflexiven Normierungsmechanismen von Informationstechnologie und Recht.370 Das Recht mit seiner Fähigkeit, Normierungsprozesse zu normieren, kommt allerdings erst in den genannten Grenzfällen zum Zug, nämlich genau dann, wenn die Informationstechnologien in ihrer reflexiven Selbstregulierung im Medium des eigenen Codes, kurz, in ihrer „medialen Reflexivität“371, auf unHandlungs- und Systemtheorie, in: Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation, Opladen 1981, 126 ff., 131 und 134); siehe ferner ders., Soziologie des Risikos, 1991, 41 ff. und 59 ff. 367  Vgl. Han, Digitale Rationalität und das Ende des kommunikativen Handelns, 2013, 16 ff. 368  Vgl. Han, a.a.O. (19; siehe oben, Fn.  362, in diesem Abschnitt), eine gleichlautende Vokabel von Habermas aufgreifend. 369   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  245. 370   Vgl. hierzu Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 160 f. 371  Dazu Teubner, a.a.O. (161/Anm.  93): „Reflexivität kann also weder auf Anwendung

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überwindliche Widersprüche stoßen. Dann wirkt Recht – nachdem es anlässlich der sich dabei äußernden Konflikte und Proteste neue Formen des Rechtsschutzes und der juristischen Auseinandersetzung entwickelt und diese in Rechtsstreitigkeiten und ‑verfahren überführt hat – über die sekundären Normierungen des informationstechnologischen Regimes auf dessen digitale Eigennormativität ein. Die reflexive Anwendung digitaler Operationen auf digitale Operationen wird insoweit im informationstechnischen Kommunikationsmedium rechtlich abgestützt – und in ihrer Autonomie vollendet.372 „Der Code ist Gesetz“373 – und zwar buchstäblich: Es ist der materielle Code des Kommunikationsmediums, dessen reflexive Operationen sich mit den reflexiven Operationen des Rechts verschränken und zu einer bioinformationsrechtlichen Verfassung verbinden. Die Struktur dieser „technisierten Verfassung“ wird dann in Gestalt eines eigenständigen Verfassungscodes im Sinne einer „hybriden Meta-Codierung“ beobachtbar.374 Ihr Code ist digital und rechtlich zugleich, aber auch – und das macht eine Besonderheit der Informationstechnologie als eines soziomateriellen Interferenzgebiets375 aus – gleichermaßen sinnhaft-kommunikativ und technisch-materiell.376 Aus dieser Sicht zeichnet sich der Verfassungscode des Bioinformationsrechts folglich nicht nur durch die doppelte Reflexivität seiner Codes aus, sondern darüber hinaus durch die doppelte Hybridität seiner Meta-Codierung. Ihre kommunikativen Operationen sind rechtlich und digital, ihre technischen Operationen sind sinnhaft und materiell. Diese sinnhafte Materialität der Informationstechnologie wird geradezu handgreiflich, sobald deren rechtlich abgestützte, digitale Codes beginnen, sich als materielle Codes in die technische Ausgestaltung des Mediums einzuschreiben. Konkret zeigt sie sich in der erwähnten rechtskonformen Technikgestaltung, die darüber hinaus gesellschaftsadäquat und vor allen Dingen menschengerecht weiterzuentwickeln, in diesem Sinn also zu humanisieren ist.377 Um ein weiteres Beispiel für eine derartige Weiterentwicklung zu nennen: Mit einer Vielzahl bereits entwickelter „Button“-Lösungen ist es möglich, den Verbrauchern und Nutzern schon im Internet rechtliche Schutzmechanismen von Operationen auf Operationen noch auf den Erkenntnisprozess von sozialer Identität reduziert werden, sondern ist umfassender zu verstehen als eine mediale Reflexivität, also der Selbstanwendung eines Kommunikationsmediums, die sowohl von kognitiver als auch von normativer Reflexivität begleitet ist.“ 372   Siehe hierzu nochmals Teubner, a.a.O. (165): „Das Recht kommt in den Selbstkonstitutionsprozessen von Sozialsystemen dann hinein, wenn sich die Autonomisierung nicht mit den Eigenmitteln des Sozialsystems vollenden lässt.“ 373  Vgl. Lawrence Lessig, Code und andere Gesetze des Cyberspace, Berlin 2001, 19 ff. 374   Vgl. hierzu Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 169 ff. 375   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  246. 376   Siehe auch in diesem Abschnitt oben, 1. Titel, IV. (S.  124 ff.). 377   Vgl. oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II., III. und IV. (S.  72 ff.).

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zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören etwa „Einwilligungs“-Buttons, wenn es um die Einwilligung in die Vernetzung von Daten und Bildern in sozialen Netzwerken geht, oder „Hinweis“-Buttons, die als rechtsgeschäftliche Wirksamkeitsvoraussetzungen vor Kostenfallen schützen könnten, oder auch „Notice“-Buttons sowie „Counter-Notice“-Buttons, mit denen beispielsweise Rechtsverletzungen in Foren oder Blogs gemeldet und Gegenvorstellungen ermöglicht werden können.378 Mit derartigen technischen Vorkehrungen kann also bereits auf der Ebene informationstechnologischer Selbstregulierungen ein „allgegenwärtiger Rechtsschutz“ im Sinne einer „Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen durch intelligente, präventive Technikgestaltung“ hergestellt werden.379 Sicher müsste dazu in nächster Zukunft auch ein so genanntes „Smart Privacy Management“ gehören, das es den Nutzern „smarter“, allgegenwärtiger Kommunikationstechnologien unter anderem möglich machen sollte, ihre zwangsläufig hinterlassenen Datenspuren minimieren und kontrollieren, zumindest jedoch zurückverfolgen zu können.380 Nicht zu vergessen ist dabei auch, dass das informationstechnologische Regime bereits längst zu avancierten Formen einer eigenständigen rechtsförmigen Streitbehandlung gefunden hat, wie vor allem das bekannte Beispiel der „Online Dispute Resolution“ über die von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) akkreditierten ODR-Provider zeigt.381 Doch scheinen die Internet-Panels der ICANN in ihrer Bedeutung als eigenständige Regime-Jurisdiktionen bislang nur ein singuläres Phänomen darzustellen, dessen Geltungsbereich zudem nur ein begrenztes Feld innerhalb des Gesamtmediums erfasst.382   Näher dazu Heckmann, KuR 2010, 770 ff. (776); vgl. auch Han, Digitale Rationalität und das Ende des kommunikativen Handelns, 2013, 41, der allerdings nur die – gewiss ferner liegende – Möglichkeit eines „Gefällt-mir“-Buttons für politische Abstimmungen sieht, der zur Ablösung des Stimmzettels führen könnte. 379  Siehe Heckmann, a.a.O. (776): „ubiquitous remedy“. 380   Vgl. hierzu Heckmann, a.a.O. (776); sowie ders., Smart Life – Smart Privacy Management. Privatsphäre im total digitalisierten Alltag, KuR 2011, 1 ff. 381  Siehe hierzu mit Blick auf die dadurch herausgebildeten regimespezifischen Grundrechtsstandards Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 195 ff.; ausführlich dazu auch Moritz Renner, Zwingendes Transnationales Recht. Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, Baden-Baden 2011, 169 ff.; Joachim Zekoll, Jurisdiction in Cyberspace, in: Günther Handl/Joachim Zekoll/Peer Zumbansen (Hg.), Beyond Territoriality. Transnational Legal Authority in an Age of Globalization, Leiden/Boston 2012, 341 ff. (357 ff.). Zu weiteren, frühen Versuchsanordnungen von „Online-Schiedsgerichten“ bereits Gralf-Peter Calliess, Rechtsverbraucherschutz im Internet. Zur Konstitutionalisierung des Wettbewerbs transnationaler Zivilregimes, in: Karl-Heinz Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet. Neues Recht für Kommunikationsnetzwerke, Baden-Baden 2003, 205 ff.; ders., Grenz­ überschreitende Verbraucherverträge. Rechtssicherheit und Gerechtigkeit auf dem elektronischen Weltmarktplatz, Tübingen 2006, 262 ff.; Holger Müller/Guido Broscheit, Das Internationale Online-Schiedsgericht JustFair – Ein Bericht. Eine Ankündigung. Oder ein Nachruf?, SchiedsVZ 2006, 197 ff. 382   Vgl. hierzu Zekoll, a.a.O. (368 f.). 378

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Staatliches Recht, ob national oder transnational, wird durch alle diese Formen der informationstechnischen Selbstregulierung keineswegs entbehrlich. Es muss insoweit lediglich die seiner Funktion als Stützungsinstrument der doppelt reflexiven Selbstnormierungen des Internets entsprechende Aufgabe finden. Diese Aufgabe erfüllt es, sobald die medialen Konflikte und Rationalitätenkollisionen nicht mehr innerhalb des Mediums beigelegt werden können und daher vor die staatlichen Gerichte gelangen. Dann ist der Punkt erreicht, an dem vor allem Zivilklagen das Recht dazu in die Lage versetzen, auf die Selbstregulierungen des Internets von außen einzuwirken, um diese schließlich zur Selbstbegrenzung innerhalb ihres eigenen, digitalen Codes zu bewegen. Technische Vorkehrungen und Infrastrukturänderungen können das Recht insofern niemals vollständig ersetzen, obgleich sie als rechtskonforme Mechanismen zum digitalen Code gehören, mithin materielle Bestandteile des Rechts der Informationstechnologie sind. Digitale Ausweise, „Buttons“ oder auch Online-Schiedsgerichte werden dabei letztlich immer an ihrer Rechtsadäquanz zu beurteilen sein. Denn als soziale Selbstbegrenzungsmechanismen des informationstechnischen Mediums, die in der Regel rechtlich abgesichert werden müssen, sind sie, wenigstens indirekt, immer eine Folge der Rechtsanwendung. Zivilklagen ermöglichen also eine fortlaufende Mobilisierung des informationstechnologischen Regimes zur Selbstbegrenzung – und schließlich, im Rahmen der darin zum Ausdruck kommenden limitativen Funktion,383 eine Mobilisierung einer weiterreichenden Netzverfassung384 , die nicht zuletzt auch die zivilrechtliche Dimension des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme einbezieht. Die wiederholten Proteste von Computernutzern, die auf der dargestellten Basis eines fluiden Zivilverfahrens in entsprechend häufige Klagen Privater gegen andere Private kanalisiert werden könnten, böten genügend Anlass zur weiteren Selbstbegrenzung des Mediums. Dort erscheint das Ziel einer ökologischen Informationstechnologie, die ihre Umweltadäquanz nicht nur aus ihrer bloßen Rechtskonformität schöpft, sondern daneben auch anderen gesellschaftlichen Autonomiebereichen und nicht zuletzt den Menschen gerecht zu werden vermag. Konkret könnte das möglicherweise das Ende der gegenwärtig zu beobachtenden Datensammelwut der technisierten Gesellschaft bedeuten. Zunächst wären es die mit Nutzerprotesten und ‑klagen besonders konfrontierten privaten Unternehmen, die ihre bisherigen Aktivitäten – wiederum unter dem externen Druck ihrer gesellschaftlichen Umwelt – selbst beschränken und die weitere Technikentwicklung schließlich rechts-, gesellschafts- und menschengerecht mitgestalten. Immerhin ließe sich ihre derzeit noch gesteigerte Sucht nach Da  Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  248.  Vgl. Karavas, Digitale Grundrechte, 2007, 136 ff.; Teubner, Verfassungsfragmente, 2012, 209 f. 383

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ten, die ihren Ursprung in deren wirtschaftlicher Verwertbarkeit hat, durch die beschriebenen Möglichkeiten von Verbandsklagen auf Gewinnabschöpfung therapieren. In der Folge könnte sich dann allmählich auch die Einsicht durchsetzen, dass der Persönlichkeits- und Datenschutz nicht etwa nur eine Frage eines unternehmerischen Altruismus ist, sondern im Sinne einer wörtlich verstandenen „Corporate Social Responsibility“ zum eigenen, existentiellen Interesse wirtschaftlicher Akteure gehört. In seiner besonderen Ausprägung als informationstechnischer Systemschutz sichert dieser die Funktionsfähigkeit der informationstechnischen Nutzungsverhältnisse, und indem er damit die bioinformationsrechtliche Institution des Kommunikationsmediums Internet stabilisiert, stellt er dort ein überlebensnotwendiges Fundament für alle Arten von wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit dar. Die zivilrechtliche und vor allem auch zivilprozessrechtliche Ausarbeitung des neuen Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme könnte somit einen wichtigen Schlüssel zur Bewältigung bisheriger grundrechtswidriger Praktiken liefern, die letztlich jedoch nur über die beschriebene Selbstbeschränkung des informationstechnologischen Regimes laufen kann. Gewiss wird es trotz aller damit möglichen Fortschritte immer einen Bereich geben, den das Recht zurzeit nicht erreichen kann. Rechtliche Rationalität verliert vor allem dort ihre Wirkkraft, wo sicherheitsideologisch verbrämte Datensammel- und Spionagezwänge zum legitimen politischen Mittel gemacht werden – oder wo Sicherheit gar zum „Supergrundrecht“ erklärt wird. Gegen solche Pathologien gibt es keine unmittelbar wirksamen Rechtsmittel. Das Recht kann hier allenfalls dadurch, dass es mit immer neuen Verfahren rechtsstaatlich-freiheitliche Gegenkulturen zu mobilisieren sucht, auf Dauer angelegte Heilungsprozesse freisetzen. Es geht hier eben auch nicht um rechtliche Balancen zwischen den Scheinalternativen Freiheit und Sicherheit. Mit „Sicherheit“ ist keine Verständigung – jedenfalls nicht über Freiheit – zu erreichen,385 am allerwenigsten dort, wo sie lediglich Rechtsverletzungen und schädliches Verhalten rechtfertigen soll. Mit solcherart Sicherheit – soviel ist sicher – ist nichts gewonnen, nur Freiheit verloren. Die ersten Klagen gegen Datenspionage- und Überwachungsprogramme wie „PRISM“ und „Tempora“ sind bereits anhängig gewesen.386 Ihre rechtlichen Er385   Siehe nur Niklas Luhmann, Verständigung über Risiken und Gefahren, in: Die Moral der Gesellschaft, 2008, 348 ff. (358): „Wer glaubt, Sicherheit versprechen zu können, macht sich der Absicht der Täuschung verdächtig; und jedenfalls verstößt er gegen verständigungsgünstige Kommunikationsregeln.“ – zur Unmöglichkeit von Sicherheit „in bezug auf das Nichteintreten künftiger Nachteile“ auch ders., Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, Opladen 1990, 131 ff. (134); zur Funktion von Sicherheit als sozialer Fiktion ebenfalls ders., Soziologie des Risikos, 1991, 28 ff. 386   Mit den vornehmlich von Bürgerrechtsaktivisten und NGO’s eingereichten Klagen und Strafanzeigen sind neben den Zentren geheimdienstlicher IT-Überwachung, namentlich den

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folgschancen standen freilich von vornherein schlecht.387 Und dort, wo die Erfolgsaussichten aufgrund der an sich klaren Rechtslage möglicherweise doch günstig erscheinen mochten, waren die Hauptakteure auch schon wieder bemüht, die Streitigkeiten in die Hinterzimmer von Geheimgerichten wie dem „United States Foreign Intelligence Surveillance Court“ (FISC) oder dem britischen „Investigatory Powers Tribunal“ (IPT) zu verlagern. Gewiss lässt sich jede Art von Kabinettsjustiz immer wieder aufs Neue mit superhegemonialen Sicherheitsvorstellungen begründen. Aber auch dagegen ließe sich, mit umso stärkeren Argumenten zumal, protestieren und erneut klagen. Was auch immer geschehen sollte, das die genannten Konflikte der Öffentlichkeit entzieht, am Ende werden es immer rechtsstaatliche, „ordentliche“ Gerichte sein, die als „Foren des Protestes“388 zur beschriebenen Mobilisierung medialer Selbstbegrenzungsprozesse kraft Rechts beitragen können. Zumindest sind sie dazu imstande, das informationstechnologische Regime, insbesondere die Datensammelsucht einiger, teilweise kollusiv zusammenwirkender staatlicher und privater Akteure, zu zügeln – und das sogar unabhängig davon, ob die in ihren Rechten verletzten Kläger tatsächlich vor Gericht obsiegen. Denn das Ziel dieser Klagen, wie auch des dafür konzipierten Entwurfs eines fluiden Zivilverfahrens, besteht nicht nur in der antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten, sondern auch in der öffentlichen „Mobilisierung einer sozialen Vereinigten Staaten (siehe unter ; ; ; ) und Groß-Britannien (; ), auch die Gerichte und Strafverfolgungsbehörden weiterer involvierter Staaten, darunter Deutschland (), befasst gewesen; siehe auch unter . Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang freilich die auf Entschädigung gerichteten Zivilklagen der in ihren Rechten verletzten Privatpersonen; siehe dazu unter ; . 387  Das hilflos-gleichgültige Schulterzucken der Politik dürfte sich insoweit auf juristischem Feld wiederholen, und es steht zu befürchten, dass das – trotz eines vermeintlich hohen Datenschutzniveaus – ganz besonders in Deutschland der Fall sein wird. Vgl. hierzu etwa Stefanie Schmahl, Effektiver Rechtsschutz gegen Überwachungsmaßnahmen ausländischer Geheimdienste?, JZ 2014, 220 ff.; für grundlegende konzeptionelle Neuerungen einer freiheitlichen Internetverfassung daher etwa Wolfgang Hoffmann-Riem, Freiheitsschutz in den globalen Kommunikationsinfrastrukturen, JZ 2014, 53 ff. (62 f.); sowie vor allem Andreas Fischer-Lescano, Der Kampf um die Internetverfassung, JZ 2014, 965 ff. (970 ff.). 388  Siehe Jules Lobel, Courts as Forums for Protest, UCLA Law Review 2004, Vol.  52, 477 ff.

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Bewegung“, die als „success without victory“389 mindestens ebenso bedeutsam sein kann wie ein Prozessgewinn im Gerichtssaal.390

X.  Fazit: Persönlichkeitsentfaltung kraft Daten-, Systemund Institutionenschutzes Die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Beispiel „Battlefield“ und den im Anschluss daran nahezu unbegrenzt denkbaren Problemkonstellationen hat gewiss zunächst die begrenzte Reichweite des geltenden Rechts im Umgang mit Persönlichkeitsrechtsverletzungen in informationstechnisch mediatisierten Welten offenbart. Auch die neue Ausprägung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme markiert insoweit nur einen ersten, wenngleich bedeutsamen Schritt zu einer rechtlich wirksamen, „echten“ Gewährleistung nicht nur von grundrechtstypischen Abwehrrechten, sondern vielmehr auch von Zugangsrechten. Die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit ist insoweit keine bloße Frage der Eingriffsabwehr oder auch der Exklusion anderer aus einer abgegrenzten, dem Einzelnen ausschließlich zugewiesenen Privatsphäre. Vor allem sind es die Rechte auf Zugang zum Kommunikationsmedium, auf politische Partizipation, nicht zuletzt auf technikadäquaten Rechtsschutz, welche die eigentliche Voraussetzung der Persönlichkeitsentfaltung bilden. Diese setzt allerdings auch eine Entfaltung in methodischer Hinsicht voraus: Statt bloßer Subsumtionen von hergebrachten Begrifflichkeiten und statt Abwägungen von mehr oder minder privaten und öffentlichen Interessen verlangt sie den Technisierungsbedingungen entsprechende Experimente mit neuen Unterscheidungen. Eine erste dieser Neuunterscheidungen findet sich in der Differenz von individual- und technikbezogenem Persönlichkeitsschutz. Während das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vornehmlich auf die personale Absicherung von individueller Freiheit ausgerichtet ist und insofern einen individual-personenbezogenen Datenschutz verlangt, weitet das neue Gewährleistungsgrundrecht den persönlichkeitsrechtlichen Schutz auf informationstechnische Nutzungsverhältnisse als solche aus. Als Assoziationen von mensch­ 389  Siehe Jules Lobel, Success Without Victory. Lost Legal Battles and the Long Road to Justice in America, New York/London 2003. 390   Vgl. hierzu Sonja Buckel, Zwischen Schutz und Maskerade – Kritik(en) des Rechts, in: Alex Demirovic (Hg.), Kritik und Materialität, Münster 2008, 110 ff. (128), mit weiterem Hinweis auf Jules Lobel, Courts as Forums for Protest (March 24, 2004), bepress Legal Series. Working Paper 213, abrufbar unter: (siehe oben, Fn.  388, in diesem Abschnitt). Beispiele für solche politischen Erfolge ohne obsiegende Gerichtsurteile finden sich vielerorts, etwa auch im Bereich juristisch aussichtsloser Umwelt-, Natur- und Tierschutzklagen; vgl. Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 205 ff.; siehe im Übrigen oben, Fn.  261 und 262, in diesem Abschnitt.

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lichen und nichtmenschlichen Wesen, genauer: als technisch-artifizielle, kommunikative und auch körperliche sowie geistige Verbindungen von Menschen und informationstechnischen Systemen sind sie in ihrer Besonderheit als „Biosoziofakte“ eigenständig zu schützen.391 Die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme bildet damit zugleich einen wichtigen Ausgangspunkt für weitere persönlichkeitsrechtliche Gewährleistungen, auch auf anderen Feldern des Bioinformationsrechts. Diese haben sich allesamt an dem Ziel zu orientieren, den jeweiligen Technisierungen der Person mit ihren veränderten Vorstellungen von Körperteilen, ‑daten und ‑bildern gerecht zu werden. Zusammengefasst lautet das Ergebnis dieser neuen Ausdifferenzierung in Form einer neuen persönlichkeitsrechtlichen Ausprägung: Vertraulichkeits- und Integritätsschutz bezeichnet über den bloß individualbezogenen Selbstbestimmungs- und Datenschutz hinaus einen besonderen Systemschutz, der vor allem auf die Stabilisierung informationstechnischer Kommunikationsbeziehungen, in letzter Instanz schließlich auf den Schutz der physischen und psychischen Integrität technisierter Personen verpflichtet ist. Dass damit konkrete rechtliche, auch rechtsdogmatische Konsequenzen verbunden sind, wurde anhand des Beispiels „Battlefield“ reichlich erkennbar. Diese beginnen mit der Besonderheit, dass „eigengenutzte“ informationstechnische Systeme unabhängig von einer tatsächlichen Datenerhebung und ‑verarbeitung bereits dann in ihrer Integrität verletzt sind, wenn darauf in einer Weise zugegriffen wird, die dem Nutzer die Kontrolle entzieht 392 . Um es nochmals zu betonen: Das Grundrecht auf Vertraulichkeits- und Integritätsgewährleistung schützt nicht wie das informationelle Selbstbestimmungsrecht bloß gegen die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, sondern garantiert einen konsequent technologiebezogenen Systemschutz. Informationstechnische Systeme werden nicht mehr nur in ihrer Funktion als Datenträger oder auch als gegenständlich verkörpertes Eigentum geschützt, sondern vielmehr als psychische und physische Erweiterungen ihrer menschlichen Nutzer, denen sie als „Basis der Persönlichkeit“ dienen.393 Auf dieser Basis ist es möglich, die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme als ein körperanaloges Persönlichkeitsgut zu konzipieren und auf der Ebene der in §  823 Abs.  1 BGB aufgezählten Lebensgüter zu lokalisieren. Als ein mit dem „Körper“ vergleichbares Persönlichkeitsgut kann daher ein informationstechnisches System – ähnlich wie andere ausgelagerte Körperteile auch – im Rahmen des „sonstigen Rechts“ geschützt werden. Dadurch lassen sich nicht zuletzt die Voraussetzungen des immateriellen Entschä  Dazu bereits in diesem Abschnitt oben, 1. Titel, VI. (S.  131 ff.).   Siehe oben, vorstehend unter III. (S.  152 ff.). 393   Siehe oben, vorstehend unter IV. (S.  158 ff.). 391

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Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz

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digungsanspruchs im Sinne von §  253 Abs.  2 BGB präziser fassen, nämlich indem besondere, dem menschlichen Körper funktional zugehörige informationstechnische Systeme als Teile eines erweiterten „Körpers“ erkannt werden. In grober Verkürzung heißt das, dass sich die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme in bestimmten Fällen zu einem körpergleichen Recht verdichten kann, dessen Verletzung einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz begründet. In diesem Sinn ist der menschliche, technisierte, biosozioartifiziell erweiterte Körper gleichsam als Kondensat des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu begreifen, das ebenso wie andere Lebensgüter auch zu schützen ist, selbst hinsichtlich seiner externalisierten, informationstechnischen Ausprägungen. Dies erleichtert zumindest die ansonsten überaus schwierige Abwägung „schwerwiegender“ Persönlichkeitsverletzungen, die gegebenenfalls einen immateriellen Entschädigungsanspruch generieren könnten. Erst eine theoretisch fundierte Begriffs- und Differenzierungsarbeit zeigt sich demnach dazu imstande, gerade auch den neuen Herausforderungen der informationstechnisch mediatisierten Welten angemessen zu begegnen. Neue Tatsachen und Kontexte können nämlich nur mittels solcher juristischer Rekonstruktionen erfasst werden, die deren spezifische soziale Problemlage auch verständlich machen. Angesichts der Verhältnisse von menschlichen Nutzern und nichtmenschlichen Informationstechniksystemen kommt es dann vor allem darauf an, was diese Nutzungsverhältnisse aus dem menschlichen Körper machen. Entschädigungsansprüche hängen daher nicht nur von der Intensität des persönlichkeitsverletzenden Eingriffs ab, sondern auch und ganz besonders davon, ob zwischen der menschlichen und der nichtmenschlichen Komponente der informationstechnischen Assoziation eine enge, körpergleiche Nähebeziehung bestanden hat. Körperfunktionen, Lebensgeschichten und phänomenales Erleben sind die wesentlichen Gesichtspunkte, aus denen sich eine solche Nähebeziehung ergeben kann. Anders ausgedrückt: Ein informationstechnisches System kann aufgrund besonderer Nutzungsbeziehungen, die etwa durch Vertraulichkeit, Privatheit, Erreichbarkeit, Anwesenheit, vor allem durch Zugehörigkeit und Nähe gekennzeichnet sind, als Körper- und Persönlichkeitsteil des menschlichen Nutzers aufzufassen sein.394 Zugespitzt formuliert bedeutet das allerdings: Welche Persönlichkeitsverletzungen „schwerwiegend“ sind, ist nicht zu subsumieren, ebenso wenig nur abzuwägen, sondern zu entfalten – namentlich in neuen Unterscheidungen und Begriffen von „Körper“, „Psyche“ oder anderen verwandten Lebensgütern. Entlang dieser Begriffe findet das allgemeine Persönlichkeitsrecht schließlich seine Konturen, nach denen es fortwährend zu suchen hat.395 Als ein transitori  Siehe oben, vorstehend unter V. (S.  168 ff.).   Dazu vor allem oben, vorstehend unter IV. (S.  158 ff.).

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Zweiter Abschnitt. Sachen

sches Recht „im Übergang“ ist es stets im Begriff, sich zu einem seiner jeweils als Seins- und Bestimmungsfeld oder als Basis der Persönlichkeit aufzufassenden Lebensgüter zu verdichten. Dies sind die Fixpunkte, anhand derer die persönlichkeitsrechtlichen Grenzen nachzuzeichnen sind. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist dabei einerseits vor seinen allgemein beobachtbaren ausufernden Tendenzen zu bewahren, andererseits jedoch auch davor, neuen Herausforderungen mit einer begrifflichen Enge zu begegnen, die zukünftige Möglichkeits- und Entfaltungschancen – und letztlich auch Gerechtigkeit zunichte macht. Insgesamt ist somit ein genereller Vorrang dieser begrifflichen Fixpunkte anzunehmen, wenn es um die nähere Bestimmung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht. Vor allem neue persönlichkeitsrechtliche Ausprägungen sind demnach zuerst an den Begrifflichkeiten der Persönlichkeitsgüter zu orientieren, bevor Verletzungstatbestände und Rechtswidrigkeitsfeststellungen nur noch als – allzu vage – Abwägungsfragen erscheinen. Am Beispiel des Grundrechts auf Vertraulichkeits- und Integritätsgewährleistung wird dieser Vorrang der begrifflichen Fixierung besonders anschaulich, soweit dieses kein schlichtes Herrschaftsrecht an Daten, Datenbeständen oder auch an virtuellem Eigentum begründet und vielmehr ein körperanaloges Persönlichkeitsgut herausbildet. Anhand dieser Körperlichkeit ist schließlich auch der Schaden im Verletzungsfall zu bemessen. Die persönlichkeitsrechtliche Verletzung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ist dabei durchaus vergleichbar mit der biotechnologischen Verletzungsvariante, in der Einzelne ihre Rechte an ihrer „eigenen“, ihnen „zugehörigen“ genetischen Information geltend machen.396 In beiden Fällen hängt der Schadensumfang davon ab, welchen Wert die durch etwaige Zugriffe auf informationstechnische Systeme oder Körper erhobenen Daten haben – und dieser bestimmt sich in beiden Fällen nach der Zugehörigkeit und Nähe zur genannten körpergleichen Sphäre, die sich speziell aus der Perspektive des „Computer-Grundrechts“ als eine Assoziation von Mensch und informationstechnischem System darstellt. Gewiss werden solche mit Körperschäden vergleichbaren Persönlichkeitsverletzungen im informationstechnologischen Bereich eine Ausnahme bilden. Computerdaten können schließlich allenfalls dann einen individuell bestimmbaren Wert der Nutzerpersönlichkeit verkörpern, wenn und soweit sie als Teil ihrer körperanalogen Sphäre zu fassen sind und zu ihrer funktionalen, lebensgeschichtlich-narrativen, phänomenal erlebten Basis gehören. In der Regel wird allerdings selbst bei personenbezogenen Daten nur ein wirtschaftlicher Wert feststellbar sein, der gerade nicht auf das individuelle Datum, sondern auf eine kollektive Datensammlung und ‑auswertung zurückzuführen ist. Das bedeu-

  Siehe oben, vorstehend unter V. und VI. (S.  168 ff.).

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Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz

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tet, dass ein etwaiger, durch Datenmissbräuche herbeigeführter Schaden auch nur auf kollektiver Ebene eintreten könnte. Einfache Subsumtionen würden daher zu dem scheinbar klaren Ergebnis gelangen, dass den auf solche Weise in ihren Rechten Verletzten überhaupt kein ersatzfähiger Schaden entstanden sei. Das Abwägungsdenken käme immerhin einen Schritt weiter, indem es die Problematik des nur auf kollektiver Ebene eintretenden Schadens wenigstens in den Blick nähme – doch würde es sich schließlich in der üblichen Gegenüberstellung von individuellen und kollektiven Interessen verfangen. Der Ersatz eines Kollektivschadens wäre dann auch aus dieser Sicht keine Angelegenheit des Privatrechts und könnte jedenfalls nicht mit individuellen, sondern nur mit „öffentlichen“ Allgemeininteressen begründet werden. Gerade das macht es aber erforderlich, neue Formen eines Persönlichkeitsund Datenschutzes zu entfalten, die über die privatrechtliche Beschränkung auf individuelle Schadenskompensationen hinausreichen und derartige Konfliktlagen justitiabel machen.397 Die neuen rechtlichen und prozessualen Mittel müssen sich dabei insbesondere auf einen möglichen Ersatz von Streuschäden richten. Soweit sich solche Schäden über eine Vielzahl von Computernutzern erstrecken und oft noch nicht einmal als individuelle Vermögensnachteile bestimmbar sind, bedarf es solcher Rechtsschutzinstrumente, die dem tatsächlich entstandenen Schaden in seiner kollektiven Dimension entsprechen. Geeignete Instrumente sind daher vor allem kollektive Rechtsbehelfe, die insbesondere das Modell der Verbandsklage zur Geltendmachung von Abschöpfungsansprüchen weiterentwickeln. Allerdings müssten diese die Klagebefugnis der Verbände an eine neue, präsenzdemokratische Form der Beteiligung in einem fluiden Zivilverfahren knüpfen: Die in ihren Rechten verletzten und Protestbewegungen formierenden Nutzergruppen sind als Sachwalter der jeweils geschädigten Institution informationstechnischer Nutzungsverhältnisse in die Willensbildungs- und Rechtsverfolgungsprozesse der Verbände einzubeziehen. Auf diese Weise sind die jeweils aktuell betroffenen Assoziationen sichtbar und hörbar zu machen, und zwar nunmehr auch im Interesse eines – neben individualbezogenem Datenschutz und technologiebezogenem Systemschutz ebenfalls zur Geltung zu bringenden – Institutionenschutzes.398 Die entsprechend von Protestbewegungen veranlassten, im institutionellen Interesse der informationstechnischen Nutzungsverhältnisse zu führenden Zivilprozesse dienen nicht zuletzt einer fortwährenden Mobilisierung des informationstechnologischen Regimes zur eigenen Selbstbegrenzung. Besonders auf der Ebene der technischen Ausgestaltung des Internets kann dieses dann eine

  Siehe oben, vorstehend unter VII. (S.  177 ff.).   Siehe oben, vorstehend unter VIII. und IX. (S.  185 ff.).

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398

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Zweiter Abschnitt. Sachen

rechtsadäquate, dem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gemäße Netzverfassung herausbilden.399 Dabei sind es im Besonderen die hybriden Digitalcodes von rechtlicher und zugleich informationstechnisch mediatisierter Qualität, die sich zu einer solchen technisierten Verfassung des Bioinformationsrechts verbinden. Im Rahmen der rechtlich abgestützten reflexiven Anwendung digitaler Operationen auf digitale Operationen vermag sich somit eine umweltadäquat verfasste, ökologische Informationstechnologie herauszubilden, die nicht nur rechtlichen Anforderungen genügt, sondern darüber hinaus auch ihren übrigen gesellschaftlichen und humanen Umwelten gerecht zu werden imstande ist. Soweit die angestrebten Ziele der informationstechnologischen Selbstbegrenzung und Umweltgerechtigkeit demnach auf ein fluides Zivilverfahren angewiesen sind, das die Proteste von Computernutzern in Privatklagen überführt, wird deutlich, dass die wesentliche Bedeutung des „Computer-Grundrechts“ in der Gewährleistung von informationstechnischen Nutzungsverhältnissen und ‑zugängen liegen muss. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfüllt vor diesem Hintergrund weniger die sonst zumeist betonte Abwehrfunktion eines Rechts auf Privatsphäre, als vielmehr eine Gewährleistungsfunktion zur Persönlichkeitsentfaltung kraft Zugangsrechten. Subjektive Rechte, die ausschließlich an individuelle „Privatinteressen“ anknüpfen, können diesen Ansprüchen eines auf institutionelle Zugangsrechte zielenden Persönlichkeitsrechtsschutzes kaum genügen. Stattdessen bedarf es der beschriebenen Organisations- und Verfahrensweisen, vor allem aber einer rechtsadäquaten Technikgestaltung. Die insoweit kraft Daten-, System- und Institutionenschutzes zu gewährleistende Persönlichkeitsentfaltung dient in letzter Konsequenz allerdings der Humanisierung durch Recht.400 Gewährleistet wird damit die physische und psychische Integrität des Menschen in technisierter Verfassung. Demzufolge vermag das Zivilrecht, soweit es die dargestellten eigenen Entfaltungsmöglichkeiten nutzt, mehr als nur eine Flankierung des Datenschutzrechts zu leisten. Über die bisherige datenschutzrechtliche Perspektive hinaus wird es nämlich vor allem darauf ankommen, den Einzelnen in seinen personalen, insbesondere kommunikativen, geistigen und körperlichen Assoziationen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten und mit seiner assoziierten oder inkorporierten Informationstechnik in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Gewiss wird insofern auch das Datenschutzrecht seine personenbezogene, auf die informationelle Selbstbestimmung fokussierende Perspektive um den technikbezogenen Blickwinkel des „Computer-Grundrechts“ erweitern müs-

  Siehe oben, vorstehend unter IX. (S.  195 ff.).   Vgl. dazu oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II. (S.  72 ff.).

399

400

Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz

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sen.401 Ohnehin verändern sich mit den gewandelten Erwartungen und Vorstellungen von Vertrauen, Gemeinschaft, Privatheit und Nähe gleichzeitig auch die Konzeptionen von Personalität in mediatisierten Welten. Vor deren Gefährdung und Verletzung infolge elektronischer Datenerhebung sowie ‑verarbeitung schützt dann in ebendiesem „Personenbezug“ auch das Datenschutzrecht,402 welches sowohl für den öffentlichen als auch für den nicht-öffentlichen Bereich gilt.403 Dabei lässt sich gerade auch anhand des „Computer-Grundrechts“ zeigen, wie neue persönlichkeitsrechtliche Deutungen zu entsprechend veränderten Auslegungen einfachgesetzlicher Regelungen führen.404 So werden insbesondere bei Abwägungsfragen, wie sie etwa in §  28 Abs.  1 Nr.  2 und §  9 BDSG normiert sind, die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht mehr nur am Kriterium der informationellen Selbstbestimmung in Gestalt personenbezogener Daten zu bemessen sein, sondern nunmehr auch mit Rücksicht auf die Integrität der eigengenutzten informationstechnischen Systeme als solche.405 Aus dieser Perspektive werden auch die außerhalb des individuell verwendeten Rechners „als eigene“ genutzten virtuellen Speicher, Online-Festplatten und Dienste des sogenannten „Cloud Computing“ unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten stärker zu gewichten sein.406   Siehe oben, vorstehend unter IV (insbesondere Fn.  183, in diesem Abschnitt). Besondere Hoffnungen liegen – nicht zuletzt in Anbetracht der erwähnten Überwachungsskandale auf einer wenigstens europaweit geltenden Datenschutzgrundverordnung. Siehe etwa F.A.Z. v. 19.07.2013, „Merkel will strengeren europäischen Datenschutz“, abrufbar unter: . Demgegenüber muss man sicherlich befürchten, dass das hohe Datenschutzniveau einzelner Mitgliedstaaten durch eine europäische Vollharmonisierung abgesenkt werden könnte; vgl. hierzu Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Der Vorschlag zu einer EU-Datenschutzgrundverordnung im Lichte des Grundrechtsschutzes, Humboldt Forum Recht (HFR) 2012, 167 ff. 402   Dieser Privatheitsschutz wird zusätzlich noch verstärkt durch zahlreiche Auskunftsund Informationsfreiheitsgesetze auf Bundes- und Länderebene, sowie insbesondere durch die aufgrund der Novellen zum BDSG neu gefassten Regelungen der §§  6a, 28a, 28b, 29, 32 und 42a BDSG. 403   Siehe oben, Fn.  4 4, in diesem Abschnitt; zu rechtspolitischen Bestrebungen, das Datenschutzrecht deutlicher im Zivilrecht zu verankern, etwa Ralf B. Abel, Mehr Datenschutz durch Zivilrecht?, RDV 2009, 51 ff. 404   Für eine klare dogmatische Abgrenzung des Datenschutzrechts gegenüber dem neuen „Computer-Grundrecht“ allerdings weiterhin Härting, CR 2008, 743 ff. Doch scheint eine solche Abgrenzung vorauszusetzen, dass das Datenschutzrecht ausschließlich der informationellen Selbstbestimmung menschlicher Individuen diene und dabei von Technik- und Kommunikationsbezügen abstrahieren könnte – als ob es noch so etwas wie einen reinen, technikfreien Menschen gäbe, der einem rein individualbezogenen Datenschutz zugänglich wäre (vgl. oben, Fn.  230, in diesem Abschnitt). 405  Ebenso Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. (3538); vgl. oben, Fn.  120, in diesem Abschnitt. 406   Dazu etwa Fabian Niemann/Jörg-Alexander Paul, Bewölkt oder wolkenlos – rechtliche Herausforderungen des Cloud Computings, KuR 2009, 444 ff. (448 ff.). 401

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Zweiter Abschnitt. Sachen

Problematischer gestaltet sich der Umgang in denjenigen Bereichen, in welchen Nutzer etwa auf Plattformen sozialer Netzwerke bereitwillig ihre persönlichen Daten einem – jedenfalls aus ihrer Sicht – unüberschaubaren Personenkreis zugänglich machen. Wenngleich es auf den ersten Blick scheinen mag, dass der Persönlichkeitsschutz in derartigen Fällen aufgrund der scheinbaren Freiwilligkeit der Informationspreisgabe an Grenzen stoße,407 so kann doch das neue, über den Bereich der informationellen Selbstbestimmung hinausgreifende Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme auch hier einen Lösungsweg weisen: Die besonderen Umgebungen sozialer Informationstechnologien mit ihren jeweiligen Eigengesetzlichkeiten, spezifischen Verhaltenserwartungen, Gemeinschaftsgefühlen, Privatheitsempfindungen und Näheverhältnissen, aber auch die neuere Rechtsprechung zur persönlichkeitsrechtlichen Ausdehnung auf die – mitunter den öffentlichen Raum überlagernde – Sphäre zwischenmenschlicher „Wechselbeziehungen“,408 eröffnen die Perspektive auf einen besonders geschützten Nahbereich kommunikativer Zwischenräume. Erst auf diese Weise kann der weiter anzunehmenden Intention des verfassungsgerichtlichen Urteils zur „Online-Durchsuchung“ Rechnung getragen werden, über einen „einsam“ geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsschutzes hinaus auch zwischenmenschliches Handeln und Personvertrauen als unabdingbare Voraussetzungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu gewährleisten.409 Solche „elementaren Lebensräume“, wie sie in informationstechnologischen Umgebungen aufgrund deren Nutzung als soziale Medien und als externalisierte Bestandteile menschlicher Geistestätigkeit entstehen, erweisen sich mithin als eigenrationale, gegenüber lebensweltlichen Vorstellungen von Privatheit und Öffentlichkeit anders geartete Welten. Diese Eigennormativität mediatisierter Welten ergibt sich zum einen aus dem tatsächlichen Verhalten menschlicher Nutzer, die sowohl in psychischer als auch in sozialer Hinsicht zunehmend an informationstechnische Systeme kognitiv und emotional gebunden sind. Zum anderen verdankt sie sich allerdings auch den besonderen Materialitäten informationstechnischer Kommunikationssysteme, mit denen sich   In diesem Sinn Tinnefeld, RDV 2009, 47 ff. (49); vgl. oben, Fn.  23, in diesem Abschnitt. Ausdrückliche Zweifel an der „Freiwilligkeit“ äußert Christine Hohmann-Dennhardt, Informationeller Selbstschutz als Bestandteil des Persönlichkeitsrechts, RDV 2008, 1 ff. Umstritten ist darüber hinaus die Frage, welche Daten im Einzelnen als „personenbezogen“ gelten, inwieweit diese personal zu schützen sind oder aber als handelbare „Güter der Internetökonomie“ dienen dürfen; siehe hierzu Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, 2003, 155 ff. (165 ff.). 408   Vgl. EGMR NJW 2004, 2647 (2648) – „Caroline“. 409   Zu entsprechenden Forderungen nachdrücklich Walter Leisner, Das neue „Kommunikationsgrundrecht“ – Nicht Alibi für mehr, sondern Mahnung zu weniger staatlicher Überwachung, NJW 2008, 2902 ff. (2904). 407

Zweiter Titel. Persönlichkeitsschutz

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menschliche Personen zu neuen funktionalen Einheiten aus Körper, Geist und artifiziellem Medium verknüpfen.410

  Vgl. oben, 2. Abschnitt, 1. Titel. (S.  115 ff.).

410

Dritter Abschnitt

Rechtsverhältnisse Bioartifizielle Assoziationen

Erster Titel

Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte Nach dem informationstechnologisch induzierten Verlust der bisherigen Grenzbestimmungen des Menschen in technisierter Verfassung wird zusehends deutlicher, dass Personen keine isolierte Existenz führen. Ebenso wenig isoliert erscheinen allerdings auch die als Expansionstechnologien der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung und des entsprechenden rechtlichen Persönlichkeitsschutzes fungierenden Sachen. Vielmehr sind Personen und Sachen auf eine solche Weise miteinander verwoben, dass sich wiederum eine Verbindung zu einem zivilrechtlichen Grundbegriff, namentlich eine gedankliche Assoziation zur historischen Bestimmung des Rechtsverhältnisses, geradezu aufdrängt: „Das Rechtsverhältniß aber hat eine organische Natur, und diese offenbart sich theils in dem Zusammenhang seiner sich gegenseitig tragenden und bedingenden Bestandtheile, theils in der fortschreitenden Entwicklung, die wir in demselben wahrnehmen, in der Art seines Entstehens und Vergehens.“1

Savigny beim Wort genommen und in den Kontext des bioinformationstechnologischen Zeitalters versetzt, könnte das bedeuten: Mit der Ausweitung des menschlichen Körpers auf eine Vielzahl bioartifizieller Bestandteile, die aus einem produktiven Zusammenwirken von biologischen, sozialen und technischen Prozessen als „Biosoziofakte“ hervorgehen, 2 findet das Recht seine tiefere Grundlage in der organischen Natur einer zunehmenden Vernetzung von technischen mit lebendigen, insbesondere körperlichen und geistigen Prozessen. Solche bioartifiziellen Rechtsverhältnisse beschränken sich allerdings auch nicht mehr, wie bei Savigny, auf die „Beziehung einer Person zu einer andern Person“.3 Stattdessen sind es gerade auch die bioartifiziellen Komponenten dieser Verhältnisse, die den genannten drei Bereichen ihrerseits eine eigene Wirkungsmacht entfalten. So haben insbesondere die in den vorangegangenen Abschnitten erörterten informationstechnischen Nutzungsverhältnisse gezeigt, dass die Beziehungen von menschlichen Nutzern und informationstechnischen Systemen keine rei Siehe v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, 1840, §  4 (7 f.).   Vgl. nochmals oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, III. und IV. (S.  47 ff.). 3  Vgl. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band II, 1840, §  60 (1). 1 2

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

nen Person-Sache-Dichotomien abbilden, etwa nach Art der gewohnten Trennung von selbstbestimmt handelnden Individualsubjekten einerseits und objektiv verfügbarem Computermaterial andererseits. In dem Moment nämlich, in dem sich Menschen ihre eigengenutzten informationstechnischen Systeme als Medien ihrer Persönlichkeitsentfaltung einverleiben, verfügen informationstechnische Systeme selbst über soziale Wirkungsmacht – als soziale Informationstechnologien und als Expansionstechnologien der Menschen. In dieser besonderen sozialen Dimension bleiben sie nicht mehr nur auf den Status bloßer Sachen im Sinne von rein technischen Artefakten beschränkt, sondern können vielmehr als lebendige, sozial konstruierte, semantische Artefakte – eben als „Biosoziofakte“ – einem menschlichen Körper, Geist und schließlich auch einer entsprechend erweiterten Persönlichkeitssphäre zugehören. Auf diese Expansionstechnologien reagiert das Recht seinerseits mit einer eigenen begrifflichen Erweiterungstechnik. Dies zeigen vor allem die zuvor erörterten Beispiele des Persönlichkeitsschutzes von lebendigen Körpern – und von informationstechnischen Systemen als artifiziellen, externalisierten Teilen derselben. Einfacher ausgedrückt, basieren die bioinformationsrechtlichen Verhältnisse auf einer allgemeinen technologischen Externalisierung des Menschen, die zu entsprechenden Ausweitungen des rechtlichen Personenkonzeptes führen. Das zieht zum einen den bereits ausführlich erörterten Persönlichkeitsschutz in seiner Ausprägung als Gewährleistung eines informationstechnischen System- und Institutionenschutzes nach sich. Zum anderen kommt es dadurch auch auf anderen Feldern des Bioinformationsrechts zu Veränderungen der Rechtsperson, die vor allem in neuen Begriffen von Rechtssubjektivität und Rechtsfähigkeit zum Ausdruck kommen. Zunächst bedeutet dies eine weitere Ausdehnung von Handlungs-, Verantwortungs- und somit auch von Haftungszurechnungen, insbesondere im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs.4 Die einschlägigen Zuschreibungsmuster von Person- und Risikoverantwortlichkeit entfernen sich dort erkennbar von den bisherigen, an individuellem menschlichem Handeln ausgerichteten Vorstellungen von Kausalität und Verschulden. Ebenso wie in anderen Gebieten technologisch-industrieller Innovationen auch, muss sich rechtliche Verantwortlichkeit dabei offensichtlich von den bekannten individualistischen Zurechnungsmodellen lösen und neue, kollektive Zuschreibungsstrategien entwickeln. Mit anderen Worten: Der in den Bio- und Informationstechnologien beobachtbare Verlust von individueller Kontrolle über technische Risiken ver4   Für eine eingehende Betrachtung der Identitäts- und Handlungszurechnungen im elek­ tronischen Geschäftsverkehr siehe die bereits früher veröffentlichte Erstfassung des nachfolgenden Textteils: Malte-Christian Gruber, Rechtssubjekte und Teilrechtssubjekte des elek­ tronischen Geschäftsverkehrs, in: Susanne Beck (Hg.), Jenseits von Mensch und Maschine. Ethische und rechtliche Fragen zum Umgang mit Robotern, Künstlicher Intelligenz und Cyborgs, Baden-Baden 2012, 133 ff.

Erster Titel. Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte

225

schiebt die rechtlichen Verantwortungszuweisungen verstärkt in die kollektiven Sphären von Mensch-Ding-Assoziationen, verstanden als Geflechte von wirkungsmächtigen und damit auch handlungswirksamen „Mittlern“5 im Sinne der Latour’schen Akteur-Netzwerk-Theorie. Aus deren Perspektive wird sichtbar, dass es nicht alleine die als „unteilbar“ vorausgesetzten menschlichen Individuen sind, die handeln, sondern auch „Agenturen verändernder Wirksamkeit“6 , die dazu in der Lage sind, andere zum Handeln zu bringen.7 Gewiss muss juristische Haftungsverantwortung auch unter diesen Bedingungen weiterhin an bestimmten Handlungspotentialen und Vermögensmassen festmachen, die letztlich nur in Form von rechtsfähigen Personen adressierbar sind. Doch bedeutet die aktive Beteiligung wirkungsmächtiger Artefakte an komplexen technischen Handlungszusammenhängen immerhin auch, dass diese für die rechtlichen Rekonstruktionen von rechtsfähigen Personen und verantwortlichen Handlungssubjekten, und nicht zuletzt auch für Entscheidungen über Haftungsverteilungen in Haftungsgemeinschaften und „Risiko-Pools“8 , eine maßgebliche Bedeutung tragen. Die Entindividualisierung von Personverantwortung kann dabei sogar so weit gehen, dass es auf ein individuelles Handeln eines haftenden Rechtssubjekts gar nicht mehr ankommt, sondern dass Handlungsbereiche und Risikosphären zu Haftungs- und Risikogemeinschaften assoziiert, unter bestimmten Bedingungen sogar als neue Rechtssubjekte „personifiziert“ werden. Auch diese Bedingungen richten sich weniger nach bloßen Maßgaben von individueller Handlungsverantwortlichkeit als vielmehr nach den institutionellen Gewährleistungs- und Schutzbedürfnissen von lebendigen und technischen Systemen, sowie des Weiteren nach den sozialen Autonomieerfordernissen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die entsprechenden Verantwortungszuschreibungen und ‑verteilungen dienen dann zunächst der Schaffung von Vertrauen als Ermöglichungsbedingung für technische Innovationen – und darüber hinaus der Gewährleistung von Möglichkeits- und Entfaltungsräumen des bio- und informationstechnologischen Produktionsregimes.9 Der Bedarf nach   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  335.   Zu dieser Übersetzung des Latour’schen Begriffs von agency als „Agentur verändernder Wirksamkeit“ vor allem Ingo Schulz-Schaeffer, Technik als sozialer Akteur und als soziale Institution. Sozialität von Technik statt Postsozialität, in: Rehberg (Hg.), Die Natur der Gesellschaft, 2006, Teilband II, 2008, 705 ff. (706); ders., Technik in heterogener Assoziation. Vier Konzepte der gesellschaftlichen Wirklichkeit von Technik im Werk Latours, in: Georg Kneer/Markus Schroer/Erhard Schüttpelz (Hg.), Bruno Latours Kollektive. Kontroversen zur Entgrenzung des Sozialen, Frankfurt a.M. 2008, 108 ff. (109 und 141 ff.). 7   Siehe etwa Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 76 ff. und 186. 8  Vgl. Teubner, Die unsichtbare „Cupola“: Kausalitätskrise und kollektive Zurechnung, in: Lübbe (Hg.), Kausalität und Zurechnung, 1994, 91 ff. (98). 9   Damit befasst sich – mit besonderem Augenmerk auf die Verantwortungs- und Risikohaftungszumutungen im Bereich der Robotik – in diesem Abschnitt vor allem der 2. Titel. Ausführlich dazu bereits Malte-Christian Gruber, Zumutung und Zumutbarkeit von Verant5 6

226

Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

einer Sicherung solcher zukünftiger Möglichkeiten kann von personalistischen Verantwortungszuschreibungen schließlich sogar völlig abgekoppelt werden. Die entsprechenden Möglichkeits- und Entfaltungsräume sind dann ausschließlich über neue advokatorische Konstruktionen von institutionalisierter Sachwalterschaft und mit Hilfe neuer Arten von „Zukunftssubjekten“ – etwa von zukünftigen Schicksalsgemeinschaften als rechtlichen Formen einer Versammlung der „Noch-nicht-Versammelten“10 – offenzuhalten.11 Die Expansionstechnik des Rechts betrifft in dieser Hinsicht also keineswegs alleine die Rekonstruktion von personalen Identitäts- und Handlungszurechnungen in Gestalt rechtsfähiger Subjekte, und auch nicht nur deren weitere kollektivierende Ausdehnung zu Haftungs- und Risikoassoziationen, sondern auch die zeitliche Dimension zukünftiger, gegenwärtig noch ungewisser Assoziationen von menschlichen und nichtmenschlichen Wesen. Konkreter lassen sich diese Assoziationen etwa sub specie zukünftiger Generationen personifizieren und subjektivieren – genauso wie Risikoassoziationen in Haftungssubjekte und auch andere informationstechnische Identitäts- und Handlungsformen in Rechtssubjekte oder auch in Teilrechtssubjekte des elektronischen Geschäftsverkehrs übersetzbar sind. Alle diese neuen personalen Identitäten und Rechtssubjekte haben miteinander gemein, dass sie sich zumindest teilweise aus artifiziellen Komponenten zusammensetzen, die mit ihren natürlichen, lebendigen Anteilen eine bioinformationstechnologische Assemblage bilden. Diese untrennbaren Vermischungen von Lebendigem und Künstlichem, von ehemals „natürlicher“ Person und Sache, allgemeiner von Subjektivem und Objektivem, schließlich auch von Biound Informationstechnologien, sind daher in ihren Konsequenzen als bioartifiziell assoziierte Rechtsverhältnisse darzustellen. Eine solche Charakterisierung als Gemenge und Gemische von technisierten Körpern, verkörperter Technik und anderen Quasi-Objekten trifft gewiss auch auf die im vorangegangenen Abschnitt behandelten Expansionstechnologien zu. Aber im Unterschied zu den gewissermaßen auf einer passiven Seite angelegten Ausweitungen der menschlichen Persönlichkeit und ihres rechtlichen wortung in Mensch-Maschine-Assoziationen. Ein Beitrag zur zivilrechtlichen Entwicklung der Roboterhaftung, in: Eric Hilgendorf/Jan-Philipp Günther (Hg.), Robotik und Gesetzgebung, Baden-Baden 2013, 123 ff. 10   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  334 und 349, sowie 2. Abschnitt, Fn.  335. 11   Dieses Thema einer zukünftigen, intergenerationellen Gerechtigkeit behandelt der 3. Titel dieses Abschnitts, insbesondere unter dem Aspekt des Biodiversitätsschutzes. Siehe dazu die frühere Fassung: Malte-Christian Gruber, What Is It Like to Be Unborn? Our Common Fate with Future Generations, in: Klaus Mathis (Hg.), Efficiency, Sustainability, and Justice to Future Generations, LAPS: Law and Philosophy Library 98, New York 2011, 113 ff.; dt.: Biodiversitätsschutz als Forderung intergenerationeller Gerechtigkeit. Zugang zu genetischen Ressourcen, Vorteilsausgleich und Verantwortung für zukünftige Generationen, NuR 2011, 468 ff.

Erster Titel. Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte

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Schutzes geht es im Folgenden zunächst um weitere Ausdifferenzierungen eines Aktivbereichs von personalen Handlungs- und Verantwortungssphären, die in diesem Sinne nicht mehr ausschließlich aus der Sachperspektive der Expansionstechnologien zu erfassen sind. Bioartifizielle Assoziationen bezeichnen nicht nur erweiterte Schutzbezirke der Persönlichkeitsentfaltung. Sie betreffen die darüber hinausgehende Frage, wer oder was Träger oder Subjekt eines bioinformationstechnologischen Rechtsverhältnisses sein kann – wer also Rechte haben, gegebenenfalls ausüben, mithin rechtsfähig sein kann.12 Dies ist die zentrale Frage, mit der die in diesem Abschnitt versammelten Gegenstandsbereiche des Bioinformationsrechts gleichermaßen, wenngleich auf jeweils andere Weise zu tun haben. Unabhängig davon jedoch, ob die Rechtsfähigkeit von informationstechnischen Subjekten, von Risikohaftungssubjekten oder auch von Zukunftssubjekten in Rede steht, geht es dabei letztlich immer um das eine, gemeinsame Ziel der Humanisierung, mithin der Persönlichkeits- und Lebensentfaltung des Menschen.

I.  Elektronischer Geschäftsverkehr: Rechtsfähigkeiten und Teilrechtsfähigkeiten Dass die Frage nach der Rechtsfähigkeit kaum mit eindeutigen Antworten zu erledigen sein wird, stellt allerdings kein spezifisches Problem des Bioinformationsrechts mit seinen besonderen Rechtsverhältnissen und ‑gemengelagen dar: „Man könnte die Rechtsfähigkeit im Sinne der modernen Rechtswissenschaft bestimmen als die Fähigkeit, in die durch das geltende Recht gewährleisteten Verhältnisse zu treten und die dadurch gewährte Möglichkeit, rechtlich geschützten Vorteil zu genießen. Das ist dann allerdings eine recht verschwommene, nichtssagende Begriffsbestimmung. Sie teilt jedoch dieses Schicksal mit allen Bestimmungen juristischer Grundbegriffe, etwa des Eigentums, der Familie, der Freiheit oder des Bürgerrechts. Denn hier überall handelt es sich, ebenso wie bei der Rechtsfähigkeit, um gesellschaftliche Einrichtungen, die nicht auf einmal geschaffen worden sind, sondern eine tausendjährige Geschichte hinter sich haben, und heute noch etwas von jeder Zwischenstufe ihrer ganzen Entwicklung mit sich tragen. Das Werk, an dem so ungezählte Geschlechter gehämmert und gemeißelt haben, mit kurzen Worten zu bezeichnen, ist freilich eine Aufgabe, die nicht anders als höchst mangelhaft gelöst werden kann.“13 12   Vgl. nochmals die entsprechende, freilich weiterhin ausschließlich auf interpersonale, im Ergebnis auf zwischenmenschliche Beziehungen fixierte Bestimmung des Rechtsverhältnisses bei v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band II, 1840, §  60 (1): „Jedes Rechtsverhältniß besteht in der Beziehung einer Person zu einer andern Person. Der erste Bestand­ theil desselben, der einer genaueren Betrachtung bedarf, ist die Natur der Personen, deren gegenseitige Beziehung jenes Verhältniß zu bilden fähig ist. Hier ist also die Frage zu beantworten: Wer kann Träger oder Subjekt eines Rechtsverhältnisses seyn? Diese Frage betrifft das mögliche Haben der Rechte, oder die Rechtsfähigkeit […]“ (Hervorhebung im Original). 13   Eugen Ehrlich, Die Rechtsfähigkeit, Berlin 1909 (Neudruck Aalen 1973), 1.

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Mit diesen Worten befreit Eugen Ehrlich die Rechtswissenschaft von allzu hohen Erwartungen an die Möglichkeiten ihrer begrifflich-systematischen Arbeit. Dass man juristische Grundbegriffe wie die Rechtsfähigkeit eindeutig bestimmen und klar abgrenzen könnte, mag eine notwendige Unterstellung der rechtsdogmatischen Praxis sein. In der Konfrontation mit dem lebenden Recht der gesellschaftlichen Verhältnisse erweist sie sich jedoch als Illusion. Zwar könnte man den Fortschrittsglauben unseres technischen, insbesondere informationstechnischen Zeitalters auf die Rechtswissenschaft übertragen und hoffen, dass sie inzwischen eine präzisere Fassung gefunden habe. Aber eher das Gegenteil dürfte der Fall sein. Auch in den letzten gut einhundert Jahren seit Ehrlichs Arbeit „Die Rechtsfähigkeit“ ist die Jurisprudenz – entgegen einer berühmten Formel Rudolf von Jherings – keineswegs derart gereift, um sich nicht doch immer wieder aufs Neue in Verlegenheit bringen zu lassen.14 Was die juristische Verlegenheit bei der Bestimmung der Rechtsfähigkeit heute hervorruft, ist allerdings weniger die von Jhering in den Blick genommene Geschichte15 – vielmehr sind es die neuen technischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen auch eine Jahrtausende währende juristische Arbeit nicht zuvorkommen kann. Die dadurch hervorgerufenen Auseinandersetzungen um den rechtlichen Status des menschlichen Lebens in den Randbereichen seiner Existenz,16 die Frage nach den Rechten nichtmenschlicher Lebewesen17 und anderer Entitäten,18 aber auch die deutlich wahrnehmbaren Veränderungen im Recht der Personengesellschaften19 führen jeweils auf andere Weise dazu, dass der Begriff der Rechtsfähigkeit in der Gegenwart eher noch verschwommener, fragmentierter als zu Ehrlichs Zeiten erscheint. Insoweit scheint auch die jüngere Entwicklung der gesellschaftlichen Einrichtungen, insbesondere der Konzeptionen von Rechtsfähigkeit und damit 14   Eine gereifte Jurisprudenz mag sich zwar, wie Rudolf v. Jhering (ders., Unsere Aufgabe, Jherings Jahrbücher 1, 1857, 1 ff., 16) schreibt, „nicht mehr durch die Geschichte in Verlegenheit setzen [lassen]“, aber ihre Konstruktionen sind dennoch umso mehr den Bedingungen ihrer gesellschaftlichen (und auch: nicht-gesellschaftlichen) Umwelten verpflichtet. Siehe Rudolf Wiethölter, Zur Regelbildung in der Dogmatik des Zivilrechts, in: Maximilian Herberger/Ulfrid Neumann/Helmut Rüßmann (Hg.), Generalisierung und Individualisierung im Rechtsdenken, Stuttgart 1992, 222 ff. (226). 15  Siehe v. Jhering, Jherings Jahrbücher 1, 1857, 1 ff. (16). 16  Vgl. Gruber, Vom Kontinuum der Herkunft ins Kontinuum der Zukunft, in: Karafyllis (Hg.), Biofakte, 2003, 131 ff. (135 ff.), m.w.N. 17   Vgl. hierzu Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006. 18   Siehe etwa Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. 19   Siehe etwa Dieter Reuter, Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit. Rechtstheoretische und rechtspraktische Anmerkungen zu einem großen Thema, AcP 207 (2007), 673 ff.; Volker Beuthien, Zur Funktion und Verantwortung juristischer Personen im Privatrecht, JZ 2011, 124 ff.

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auch von Rechtssubjektivität oder auch von Rechtspersönlichkeit,20 die von Ehrlich konstatierte graduelle Entwicklung in Zwischenstufen fortzusetzen. Als Zeichen dieser Zwischenstufen sind die Begriffe der Teilrechtsfähigkeit und entsprechend der Teilrechtssubjektivität, die nachfolgend anhand neuer Formen der Handlungs- und Identitätszurechnung im elektronischen Geschäftsverkehr näher beleuchtet werden sollen, zugleich Teil der aktuell beobachtbaren „Grenzen des Rechts“. Diese zeigen sich in den bereits vielfach diagnostizierten Auflösungserscheinungen tradierter begrifflicher Dichotomien, in der Überforderung des binär codierten Rechts in der Begegnung mit den vielfältigen neuen Herausforderungen seiner gesellschaftlichen Umwelt, und schließlich auch in der Ausbildung neuer Rechtsbegriffe und ‑konstruktionen, um diesen Herausforderungen künftig besser gerecht zu werden. Nimmt man Eugen Ehrlichs Eingangszitat noch einmal etwas genauer in den Blick, so lassen sich in der von ihm als „verschwommen“ und „nichtssagend“ bezeichneten Begriffsbestimmung immerhin schon zwei wichtige Elemente der Rechtsfähigkeit erkennen: Erstens die Fähigkeit, in Rechtsverhältnisse zu treten, und zweitens die Möglichkeit, rechtlich geschützten Vorteil, oder anders ausgedrückt: Rechtsschutz zu genießen. Die erstgenannte Beteiligung an Rechtsverhältnissen verweist auf die bekannte, von Savigny formulierte Prämisse, dass jedes Rechtsverhältnis in der Beziehung einer Person zu einer anderen Person bestehe.21 Diese basiert wiederum auf der Kantischen Bestimmung, dass „Person [...] dasjenige Subjekt [ist], dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind.“22 Auch wenn hier mit „Person“ und „Subjekt“ selbstverständlich nur Menschen gemeint sind, die verantwortungsfähig, d.h. unter Gesetzen der Verbindlichkeit des kategorischen Imperativs handeln können, so findet sich darin bereits eine funktionale Umorientierung des Personenbegriffs: Das Subjekt ist nicht mehr ohne Weiteres Träger seiner Handlungen, alleine weil es bestimmte Eigenschaften wie Vernunftfähigkeit oder auch bloße körperliche Beweglichkeit aufweist. Vielmehr wird es als Urheber seiner Handlungen und deren Wirkungen erst betrachtet; 23 Handlungen werden ihm zugerechnet. Dieser Wechsel der Blickrichtung auf die Zuschreibungsperspektive macht die rechtlichen Konzeptionen von Personalität, 20  Zur Differenzierung von Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit Reuter, AcP 207 (2007), 673 ff. (674 und 687 ff.). 21  Siehe v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band II, 1840, §  60 (1); vgl. oben, Fn.  3, in diesem Abschnitt. 22   Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1968/1993, AB 22 (329); vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  7. 23  Siehe Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1968/1993, AB 22 (329): „Tat heißt eine Handlung, sofern sie unter Gesetzen der Verbindlichkeit steht, folglich auch, sofern das Subjekt in derselben nach der Freiheit seiner Willkür betrachtet wird. Der Handelnde wird durch einen solchen Akt als Urheber der Wirkung betrachtet, und diese, zusamt der Handlung selbst, können ihm zugerechnet werden, wenn man vorher das Gesetz kennt, kraft welches auf ihnen eine Verbindlichkeit ruhet.“

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Verantwortung, mithin von Handlungs- und Rechtsfähigkeit einer funktionalen Betrachtungsweise zugänglich, für die es heute längst nicht mehr zwingend ist, dass nur menschliche Individuen als Träger von Rechten und Pflichten gelten dürften.24 Etwas umstrittener wird demgegenüber die Frage sein, ob auch Ehrlichs zweites, abstrakt formuliertes Element der Rechtsfähigkeit – die Gewährung rechtlich geschützten Vorteils – alleine durch Zuschreibungen von Beobachtern erzeugt wird. Es ist schon etwas anderes und bedeutet einen zusätzlichen qualitativen Schritt, wenn man – anstatt sich auf die bloße Beteiligung an Rechtsverhältnissen zu konzentrieren – darüber hinaus von der Möglichkeit spricht, rechtliche Vorteile auch zu genießen. Hier geht es offenbar nicht mehr nur um die Frage nach Rechtsträgerschaft, sondern vielmehr um einen tatsächlich zu verwirklichenden Anspruch auf Rechtsschutz. Und das berührt einen besonderen Aspekt der Rechtsfähigkeit, in dem es nicht mehr einfach um Rechte, sondern vielmehr um „Rechte auf Rechte“25 geht, und das bedeutet: Schutz der Würde und gegebenenfalls rechtliche Anerkennung von Persönlichkeit.26 Derart spezifische Bestimmungen von Rechtsfähigkeit möchte man auf Menschen, auf lebendige Wesen zumindest, beschränkt wissen. Ihnen allein soll Würde zukommen, und das uneingeschränkt, absolut – und daher widerspricht es zunächst der Intuition, auch diesen Aspekt der Rechtssubjektivität vom Standpunkt eines zuschreibenden Beobachters abhängig zu machen. Wohlgemerkt handelt sich hierbei aber nur um einen spezifischen, moralischen Aspekt der Rechtssubjektivität, der einen besonderen Bezug zum Menschen als ein soziales Wesen und als ein außergesellschaftliches, lebendiges Individuum zugleich aufweist. Keinesfalls wird dadurch die Vorstellung widerlegt, dass die Rechtsfähigkeit in vielen verschiedenen Zwischenstufen auftritt und auch nichtmenschlichen Subjekten in entsprechender Weise zukommen kann. Sowohl die Fähigkeit zur Beteiligung an Rechtsverhältnissen als auch der Anspruch auf Rechtsschutz kommen nach ihrem Inhalt und Umfang in graduell unterschiedlichen Abstufungen vor.27 24   Vgl. hierzu Thomas Raiser, Der Begriff der juristischen Person. Eine Neubesinnung, AcP 199 (1999), 104 ff. (118 f.), m.w.N.; Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff.; sowie insbesondere ders., Unternehmenskorporatismus, KritV 70 (1987), 61 ff.; ferner Gruber, Lebenswerk, in: Calliess/Fischer-Lescano/ Wielsch/Zumbansen (Hg.), Soziologische Jurisprudenz, 2009, 299 ff. 25   Zu einem solchen „Recht, Rechte zu haben“ vor allem Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 1955, 476; siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  303. 26   Näher hierzu Gruber, „Menschenwürde“ – Menschlichkeit als Bedingung der Würde?, in: Baranzke/Duttge (Hg.), Autonomie und Würde, 2013, 417 ff. (428 ff.); ferner ders., Was spricht gegen Maschinenrechte?, in: Malte-Christian Gruber/Jochen Bung/Sascha Ziemann (Hg.), Autonome Automaten. Künstliche Körper und artifizielle Agenten in der technisierten Gesellschaft, Berlin 2014, 191 ff.; vgl. oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, IV. (S.  9 0 ff.). 27  Vgl. Gruber, „Menschenwürde“ – Menschlichkeit als Bedingung der Würde?, in: Ba-

Erster Titel. Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte

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Eugen Ehrlich verweist diesbezüglich vor allem auf die einzelnen Bestandteile der menschlichen Rechtsfähigkeit, insbesondere auf die variablen, historisch kontingenten Beschränkungen von politischen Rechten, Familienrechten, Vermögensrechten oder Persönlichkeitsrechten.28 Ganz neue Zwischenstufen treten mit der Theorie der juristischen Person hinzu,29 und in jüngerer Zeit mit der Rechtsprechung zur beschränkten Rechtsfähigkeit30 und Teilrechtsfähigkeit 31 von Personengesellschaften und ‑gemeinschaften. Gerade die Ausweitung der Rechtsfähigkeit im Bereich des Gesellschaftsrechts zeigt, wie die gesellschaftliche Praxis des Umgangs mit Personengesellschaften als „lebendes Recht“ gewirkt und zunächst die Gesetzgebung und daran anschließend die Rechtsprechung32 zu einer Neubewertung der Rechtsfähigkeit veranlasst hat: BGB-Gesellschaften und andere Personenmehrheiten fungierten schon längst als gesellschaftliche Kollektivakteure mit eigener sozialer Adresse und Identität, bevor es etwa zur Einführung des neuen §  14 Abs.  2 BGB mit seiner Definition der rechtsfähigen Personengesellschaft 33 und der darauf bezogenen Rechtsprechung zur „Teilrechtsfähigkeit“ kommen konnte. Der Begriff der „Teilrechtsfähigkeit“ findet allerdings nicht erst bei Personenmehrheiten Verwendung: Bereits in den Grenzbereichen der personalen Existenz des einzelnen Menschen finden sich entsprechende Übergangsstadien: So ist der erzeugte, indes noch ungeborene Mensch insofern teilrechtsfähig, als er beispielsweise schon in dieser Situation als erbfähig gilt (§  1923 Abs.  2 BGB) und deliktsrechtlichen Schutz gegen vorgeburtliche Gesundheitsschädigungen genießt (§  823 Abs.  1 BGB).34 Und mehr noch: Mit den zunehmenden medizintechnischen Möglichkeiten scheinen zugleich die Schwierigkeiten zu wachsen, einen klaren Anfangs- und Endpunkt der personalen Existenz des Menschen, und damit seiner Rechtssubjektivität zu bestimmen. Schon der Zeitpunkt der Geburt wird im Recht uneinheitlich gehandhabt; im Übrigen führen neue Erkenntnisse über den pränatalen Status von Menschen, aber auch Zweifel am ranzke/Duttge (Hg.), Autonomie und Würde, 2013, 417 ff. (421 ff.); sowie ders., Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 160 ff. 28   Ehrlich, Die Rechtsfähigkeit, 1909/1973, 1 f. 29   Siehe etwa Beuthien, JZ 2011, 124 ff.; für einen umfassenden Überblick T. Raiser, AcP 199 (1999), 104 ff. 30   Vgl. BGHZ 146, 341 (344) – „‚beschränkte Rechtssubjektivität‘ der Außen-GbR“; zu weiteren Ausdehnungen der Rechtssubjektivität danach BGHZ 148, 291; 154, 88; 154, 370 sowie BGH NJW 2006, 3716; 2007, 995; 2008, 1378; 2009, 594; 2011, 615; 2011, 1958; 2011, 2048; ferner BGH NJW 2007, 2490; 2011, 1595. 31   BGHZ 163, 154 – „Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft als einer auf Gesetz beruhenden Personengemeinschaft“. 32   Siehe dazu Reuter, AcP 2007, 674 ff. 33   §  14 Abs.  2 BGB, eingeführt am 30.6.2000 (BGBl. I 897): „Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.“ 34  Eingehend Gruber, Vom Kontinuum der Herkunft ins Kontinuum der Zukunft, in: Karafyllis (Hg.), Biofakte, 2003, 131 ff. (135 ff.).

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Hirntodkriterium sowie Unsicherheiten im Umgang mit Menschen im persistierenden vegetativen Zustand zu einer weiteren Vervielfachung graduell abweichender Personalitätszuschreibungen.35 Auch in diesem Kontext zeigt sich deutlich: Es gibt nicht nur eine Rechtsfähigkeit, sondern es gibt viele Rechtsfähigkeiten, die mehr oder weniger beschränkt sein können. Dementsprechend viele Arten von Rechtssubjekten und Teilrechtssubjekten gibt es, und ständig können sich neue Arten herausbilden, spätestens sobald das Recht mit neuen gesellschaftlichen und technologischen Herausforderungen konfrontiert wird. Solche Herausforderungen scheinen sich heute insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien anzukündigen. Im Informationsrecht scheint der Begriff der Teilrechtsfähigkeit allerdings bislang noch keine nennenswerte Rolle zu spielen. Die Auflösung begrifflicher Dichotomien dürfte hier eher auf der anderen Seite des Subjekt-Objekt-Dualismus ihren Ausgang nehmen: Gleichsam als spiegelbildliches Gegenüber der Teilrechtssubjektivität wird etwa die „Teilverdinglichung“ von Internetdomains thematisiert,36 oder auch der rechtliche Status von virtuellen Gegenständen „in der Grauzone zwischen realen Sachen und reinen Rechten“.37 Immerhin wird daran schon deutlich erkennbar, dass das Informationsrecht gezwungen zu sein scheint, mit neuen „Dingbegriffen“, etwa von „Grenzobjekten“ oder „Quasi-Objekten“,38 zu experimentieren. Wieder lassen sich die begrifflichen und konstruktiven Innovationen als Antworten auf neue gesellschaftliche Herausforderungen deuten, denen sich das Recht diesmal in den technisierten Welten neuer informationstechnischer Kommunikationsmedien ausgesetzt sieht. Diese Herausforderungen resultieren in besonderer Weise aus dem Umstand, dass sich sinnhafte und technische Kommunikation in den informationstechnischen Medien zusehends miteinander 35   Siehe etwa Klaus Ulsenheimer, Hirntod und Intensivmedizin. Juristische Probleme, Der Anaesthesist 58 (2007), 722 ff.; Sabine Müller, Revival der Hirntod-Debatte: Funktionelle Bildgebung für die Hirntod-Diagnostik, Ethik in der Medizin 22 (2010), 5 ff.; vgl. ferner Jon B. Eisenberg, Schiavo on the Cutting Edge: Functional Brain Imaging and its Impact on Surrogate End-of-Life Decision-Making, Neuroethics 2008, Vol.  1, 75 ff.; Martha J. Farah, Neuroethics and the Problem of Other Minds: Implications of Neuroscience for the Moral Status of Brain-Damaged Patients and Nonhuman Animals, Neuroethics 2008, Vol.  1, 9 ff.; Jukka Varelius, Minimally Conscious State and Human Dignity, Neuroethics 2009, Vol.  2, 35 ff. 36   Vgl. hierzu Peter Krebs/Maximilian Becker, Die Teilverdinglichung und ihre Anwendung auf Internetdomains, JZ 2009, 932 ff. (934): „Die Teilverdinglichung ist in gewisser Weise das Gegenstück zur Teilrechtsfähigkeit bei Rechtssubjekten, die heute allgemein anerkannt ist.“ 37  Siehe Gerald Spindler, Der Schutz virtueller Gegenstände, ZGE/IPJ 2011, 129 ff.; eingehend hierzu bereits Berberich, Virtuelles Eigentum, 2010, 82 ff. 38   Vgl. entsprechend Latour, Wir sind nie modern gewesen, 2008, 67 ff.; dazu Gustav Roßler, Kleine Galerie neuer Dingbegriffe: Hybriden, Quasi-Objekte, Grenzobjekte, epistemische Dinge, in: Georg Kneer/Markus Schroer/Erhard Schüttpelz (Hg.), Bruno Latours Kollektive. Kontroversen zur Entgrenzung des Sozialen, Frankfurt a.M. 2008, 76 ff.

Erster Titel. Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte

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vermischen.39 Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass sich Softwarecodes von geistigen Inhalten kaum noch unterscheiden lassen,40 oder dass Immaterialgüter ebenso wie informationstechnische Systeme gleichzeitig als Teil der gesellschaftlichen Kommunikation sowie der Persönlichkeitsentfaltung menschlicher Nutzer erscheinen,41 kurzum: dass die klare Trennung zwischen der „inneren“ Welt des personalen Rechtssubjekts und der „äußeren“ Welt der verfügbaren Rechtsobjekte und Vermögensgegenstände misslingt. Informationstechnologien sind insoweit nicht mehr nur als „äußere“, rein technische Umwelten der Kommunikation zu qualifizieren, sondern bilden darüber hinaus einen neuartigen Bereich des gesellschaftlichen Lebens. Dessen Besonderheiten ergeben sich einerseits schon aus dem tatsächlichen Verhalten menschlicher Nutzer, die auf einer psychosozialen Ebene – sowohl kognitiv als auch emotional – zunehmend an informationstechnische Systeme gebunden sind. Auf der anderen Seite sind es gerade auch die besonderen materiellen Bedingungen informationstechnischer Kommunikationssysteme, die dazu führen, dass menschliche Personen unter ihrem Einfluss als neue funktionale Einheiten aus Körper, Geist und artifiziellem Medium in Erscheinung treten. Es ist das vernetzte Kommunikationsmedium „Computer“, das die Bedingungen der sozialen Kommunikation aufgrund seiner technischen Vorgaben in Form von digitalen Codes, Programmiersprachen, Benutzeroberflächen oder Textformaten maßgeblich mitgestaltet.42 Diese spezifischen Kommunikationsbedingungen sozialer Informationstechnologien, die sich aus der technischen Vernetzung der sozialen Kommunikation ergeben, wirken sich in besonderem Maß auf die rechtlichen Identitätsund Handlungszurechnungen und damit vor allem auf Haftungsfragen im elektronischen Geschäftsverkehr aus. Gerade hier wird es immer schwieriger, konkret handelnde Menschen auszumachen und etwa als Urheber von Willenserklärungen oder auch als individuell verantwortliche Verursacher von Rechtsverletzungen zu identifizieren. Die kommunikativen Vorgänge in diesem Bereich stellen sich vielmehr als neuartige Wirkungsketten dar, deren Akteure eher als soziotechnische Ensembles von Menschen und Dingen erscheinen – wobei die artifiziellen Teile dieser hybriden Mensch-Ding-Verknüpfungen mitunter sogar als treibende Kräfte und eigenständige Handlungsträger dargestellt werden können. 39   Siehe hierzu Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, 2003, 155 ff. (179); vgl. oben, 2. Abschnitt, 1. Titel, IV. (S.  124 ff.). 40  Hierzu etwa Winfried Bullinger/Christian Czychowski, Digitale Inhalte: Werk und/ oder Software? Ein Gedankenspiel am Beispiel von Computerspielen, GRUR 2011, 19 ff. 41   Siehe nur BVerfGE 120, 274 – „Online-Durchsuchung“. 42   Näher hierzu Vesting, Das Internet und die Notwendigkeit der Transformation des Datenschutzes, in: Ladeur (Hg.), Innovationsoffene Regulierung des Internet, 2003, 155 ff. (179 ff.).

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

II.  Identifikationsfunktionen und Zurechnungsfiktionen: Informationstechnische Haftungserweiterungen Solche hybriden Verknüpfungen von Menschen und nichtmenschlichen Systemen finden sich dabei nicht nur in den Visionen besonders zukunftsorientierter Informationstechnologien, wie etwa in den neuesten Entwicklungen des „Internet der Dinge und Services“, im Bereich von „Ambient Intelligence“, „Ambient Assisted Living“ oder auch von „Cyber-Physical Systems“.43 Schon im alltäglichen elektronischen Geschäftsverkehr gibt es zahlreiche Fälle, die allesamt auf eine prinzipiell vergleichbare Art und Weise die Frage nach der individuellen Haftung für technische, meist automatisierte Prozesse aufwerfen – also für kommunikative Vorgänge, die aus menschlicher Sicht kaum noch kontrollierbar sein dürften. Diese Fälle betreffen etwa den Missbrauch von Benutzerkonten, WLAN-Verbindungen, Auktionsplattformen oder auch Foren durch Dritte, deren Identität in der Regel nicht mehr ermittelt werden kann. Das hat zur Folge, dass Haftungsansprüche wegen Rechtsverletzungen nur noch gegen die jeweiligen Betreiber geltend gemacht werden können. Inwieweit diese im Einzelfall auf Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden können, hängt regelmäßig davon ab, ob ihnen als Mittätern oder Teilnehmern bezüglich der Rechtsverletzung ein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Für die zahlreichen Fälle, in denen dieser Nachweis jedoch misslingt, hat die Rechtsprechung darüber hinaus die Konstruktion der mittelbaren Störerhaftung im immaterialgüterrechtlichen Bereich weiterentwickelt: Demnach können auch diejenigen Betreiber als Störer auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden, die ohne eigenes Verschulden, jedoch adäquat kausal an der Rechtsverletzung mitwirken, indem sie eine Prüfungspflicht verletzen. In welchem Umfang solche Prüfungsund Handlungspflichten dem Betreiber zuzumuten und als verhältnismäßig zu erachten sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.44 Angesichts der Vielzahl derartiger, inzwischen entschiedener Einzelfälle ist es hier kaum noch möglich, aus der Judikatur verlässliche Maßstäbe abzuleiten. In jedem Fall bedarf es eines gewissen Verständnisses der technischen Zusammenhänge. Nur auf einer „sachverständigen“ Grundlage lassen sich schließlich Aussagen über die Zumutbarkeit von Prüfungspflichten treffen. Diese können 43   Siehe hierzu Otthein Herzog et al., Intelligente Objekte – klein, vernetzt, sensitiv, Stellungnahme acatech (Deutsche Akademie der Technikwissenschaften): acatech bezieht Position – Nr.  5, München/Berlin 2009, 11. 44   Vgl. vor allem BGHZ 158, 236 – „Internet-Versteigerung I“; BGHZ 148, 13 – „ambiente. de“; sowie in jüngerer Zeit BGH GRUR 2011, 152 (154 ff.) – „Kinderhochstühle im Internet“; zu den aktuellen Entwicklungen der Störerhaftung im Internet siehe des Weiteren Gerald Spindler, Präzisierungen der Störerhaftung im Internet. Besprechung des BGH-Urteils „Kinderhochstühle im Internet“, GRUR 2011, 101 ff.

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nämlich einzig und alleine im Rahmen der vorhandenen technischen Möglichkeiten, die zur Verhinderung einer Störung geeignet sind, beurteilt werden. Die Gerichte stützen sich bei ihren Beurteilungen der konkret zu erwartenden Handlungspflichten, insbesondere bei ihren Wahrscheinlichkeitsprognosen über Missbrauchs- und Verhinderungsmöglichkeiten, allerdings häufig auf eigene Sachkunde und daraus abgeleitete Regeln des Anscheinsbeweises.45 Diese Verlagerung des Haftungsrechts auf die richterliche Beweiswürdigung und Einzelfallentscheidung hat zur Folge, dass die entsprechenden Handlungs- und Verantwortungszuschreibungen für das Verhalten Dritter innerhalb eines weiten Spielraums „adäquater Kausalität“ erfolgen können. Aber auch jenseits dieser ausgedehnten Haftungsmaßstäbe finden die Gerichte noch immer neue konstruktive Wege der Zurechnung. Bei Wettbewerbsverstößen46 und nun auch bei Verletzungen von Immaterialgütern47 ist die Rechtsprechung sogar dazu übergegangen, die verantwortlichen Betreiber als unmittelbare Verletzer und somit als Täter der durch Dritte begangenen Wettbewerbs- und Schutzrechtsverletzungen zu behandeln: Nach der so genannten „Halzband-Entscheidung“48 des BGH aus dem Jahr 2009 reichen die Verkehrs­ pflichten von Mitgliedskonteninhabern bei eBay besonders weit. In dem entschiedenen Fall hatte die aus Lettland stammende Ehefrau des Beklagten über dessen eBay-Konto ein Halsband zu einem Mindestgebot von 30 Euro angeboten, unter anderem mit den Worten: „SSSuper ... Tolle ... Halzband (Cartier Art)“ und „... Halzband, Art Cartier ... Mit kl. Pantere, tupische simwol fon Cartier Haus ...[sic!]“. Das Gericht kam zu der Auffassung, dass der Beklagte mangels ausreichender Geheimhaltung49 seiner Zugangsdaten eine Pflichtverletzung begangen habe, die gegenüber den Grundsätzen der Störerhaftung im immaterialgüterrechtlichen Bereich sowie den Verkehrspflichten im Wettbewerbsrecht einen selbständigen Zurechnungsgrund darstelle: „Benutzt ein Dritter ein fremdes Mitgliedskonto bei eBay, nachdem er an die Zugangsdaten dieses Mitgliedskontos gelangt ist, weil der Inhaber diese nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter gesichert hat, muss der Inhaber des Mitgliedskontos sich so behandeln lassen, wie wenn er selbst gehandelt hätte. [...] Der Grund für die Haftung desjenigen, der seine Kontaktdaten nicht unter Verschluss gehalten hat, besteht [...] in der von ihm geschaffenen Gefahr, dass für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden Mitgliedskonto bei eBay gehandelt hat, und dadurch die Möglichkeiten, den Handelnden zu identifizieren und gegebenenfalls (rechts-

  Kritisch hierzu vor allem Hoeren, NJW 2008, 2615 ff. (2618), m.w.N.   Vgl. BGHZ 173, 188 – „Jugendgefährdende Medien bei eBay“. 47   Vgl. BGHZ 180, 134 – „Halzband“. 48   BGHZ 180, 134. 49  Der Beklagte hatte die Zugangsdaten in seinem auch für die Ehefrau zugänglichen Schreibtisch verwahrt. 45

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

geschäftlich oder deliktisch) in Anspruch zu nehmen, erheblich beeinträchtigt werden.“50

Nimmt man den BGH beim Wort, dann führt die unzureichend geschützte Aufbewahrung der Benutzerkonten-Zugangsdaten ohne Weiteres zu einer Fiktion von Täterschaft: Der Inhaber des Mitgliedskontos sei demnach im Falle eines Missbrauchs seines Zugangs durch Dritte so zu behandeln, als ob er über diesen Zugang selbst gehandelt hätte. Aufgrund ihrer sehr allgemeinen Formulierung scheint diese Handlungsfiktion für ungesicherte eBay-Konten nicht nur auf den hier entschiedenen Fall von Wettbewerbs- und Schutzrechtsverletzungen anwendbar zu sein, sondern auch auf zahlreiche weitere schuldrechtliche Problemfälle des elektronischen Geschäftsverkehrs, in denen Dritte über ein fremdes Benutzerkonto Willenserklärungen abgeben und Verträge schließen. Die Urteilsbegründung legt dies jedenfalls auf den ersten Blick nahe, soweit sie sich nicht etwa auf ein erhöhtes Risiko von Rechtsverletzungen, sondern vielmehr auf das Interesse des Rechtsverkehrs an einer klaren Identifizierbarkeit der unter dem Benutzerkonto jeweils Handelnden stützt.51 Dass ein besonderes Interesse des Rechtsverkehrs daran besteht, mögliche Geschäfts- und Vertragspartner jederzeit eindeutig identifizieren zu können, leuchtet ein. Die Identität der Vertragsparteien gehört grundsätzlich zu den wesentlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Einigung. Handelt ein Dritter unter fremdem Namen oder entsprechend unter fremdem Benutzerkonto, so kommt eine Haftung des Kontoinhabers nach Rechtsscheingrundsätzen in Betracht.52 Die Haftung scheidet jedoch – wie der BGH in den Entscheidungsgründen selbst erwähnt53 – insbesondere dann aus, wenn der Kontoinhaber das Handeln des Unberechtigten nicht zumindest hätte erkennen müssen – oder auch dann, wenn der Vertragspartner nicht schutzwürdig ist, etwa weil er den Missbrauch erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat. Diesen Vorbehalt einer Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Vertragsparteien möchte der BGH dann aber nicht mehr für den Fall der deliktischen Haftung für Schutzrechtsverletzungen gelten lassen: Derjenige, welcher die Zugangsdaten seines eBay-Kontos pflichtwidrig nicht unter Verschluss halte, könne sich nämlich von vornherein nicht auf ein gegenüber dem Schutz der in Rede stehenden Rechtsgüter vorrangiges Interesse berufen.54 Diese Gewichtung der beiderseitigen Interessen mag auf den ersten Blick über jeden Zweifel erhaben sein: Pflichtwidrigkeit auf der einen Seite, Verlet  BGHZ 180, 134 (139/Rn.  16).   BGHZ 180, 134 (140/Rn.  18). 52   So bereits Jürgen Oechsler, Die Bedeutung des §  172 Abs.  1 BGB beim Handeln unter fremdem Namen im Internet, AcP 208 (2008), 565 ff.; siehe allerdings BGH VersR 2011, 932 = NJW 2011, 2421. 53   BGHZ 180, 134 (140 f./Rn.  19), m.w.N. 54   BGHZ 180, 134 (141/Rn.  19). 50 51

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zung von Immaterialgüterrechten sowie wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzrechten auf der anderen Seite. Fraglich ist aber, ob es hier überhaupt auf die Verkehrsinteressen, insbesondere auf die Interessen der Parteien eines deliktischen Haftungsfalls, ankommen durfte. Denn die Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Rechtsverkehrs, die sich auf die Identifizierbarkeit der Handelnden beziehen, beruht vor allem auf rechtsgeschäftlichen und nicht auf deliktischen Gründen: Es geht eben um die Kenntnis der Identität der Vertragspartner, da ohne sie keine Verträge zustande kommen. Demgegenüber gehört die Identifizierbarkeit von künftig in Anspruch zu nehmenden deliktischen Haftungsgegnern eher zu den allgemeinen Bedürfnissen präventiver Rechtsverfolgung.55 Es darf daher bezweifelt werden, ob eine Haftungskonzeption für den Missbrauch von Benutzerkonten durch Dritte, welche mit den Grundsätzen der (rechtsgeschäftlichen) Rechtsscheinhaftung vergleichbar ist,56 auf den deliktischen Bereich angewendet und dort sogar – mangels einer Interessenabwägung – noch wesentlich weiter ausgedehnt werden darf. Gegenüber derartigen Bedenken bringt der BGH schließlich auch die Interessen der Allgemeinheit in Stellung: „Das vorstehend dargestellte Haftungsmodell belastet den Beklagten nicht in unverhältnismäßiger Weise. Damit wird lediglich unter Berücksichtigung der neuen technischen Entwicklungen der Grundsatz fortgeschrieben, dass derjenige, dem ein rechtlich geschützter Bereich zur Nutzung und gegebenenfalls auch zur Gewinnerzielung zugewiesen ist, im Rahmen seiner Verantwortlichkeit für diesen Bereich für Rechtsverletzungen haftet, wenn er pflichtwidrig Sicherungen unterlässt, die im Interesse Dritter oder der Allgemeinheit bestehen.“57

Die Antwort des BGH auf die neuen technischen Entwicklungen besteht demnach in der Begründung von Verantwortlichkeits- und Haftungssphären, die in ihrem Umfang den Handlungsbereichen des Nutzers entsprechen sollen. Einen solchen Handlungsbereich erkennt das Gericht im Zugang des eBay-Benutzerkontos, das aufgrund von Kontrolldaten und Passwortschutz als „ein besonderes Identifikationsmittel“ diene, dessen „Identifikationsfunktion [...] weit über die Verwendung etwa eines Briefpapiers, eines Namens oder einer Adresse hinaus [geht], bei denen der Verkehr weiß, dass diese gegebenenfalls von jedermann nachgemacht oder unberechtigterweise verwendet werden können.“58 Es mag zwar mit guten Gründen bezweifelt werden, ob der BGH das Wissen des Rechtsverkehrs über die möglichen Identitätstäuschungen durch eBay-Kon Vgl. Matthias Leistner, Störerhaftung und mittelbare Schutzrechtsverletzung, GRURBeil. 2010, 1 ff. (6 f.). 56   Den Vergleich leistet der BGH selbst: BGHZ 180, 134 (140 f./Rn.  19); vgl. entsprechend die Urteilsanmerkung von Markus Rössel, CR 2009, 453 ff. („deliktische Rechtsscheinhaftung“); dazu wiederum einschränkend Leistner, GRUR-Beil. 2010, 7. 57   BGHZ 180, 134 (143 f./Rn.  23). 58   BGHZ 180, 134 (139 f./Rn.  18). 55

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ten, die jederzeit leicht unter falschen Namen und Adressen eingerichtet werden können, zutreffend einschätzt.59 Weitaus mehr Beachtung verdient jedoch der konstruktive Schritt, den das Gericht an dieser Stelle macht, indem es eine neue Sphäre technischer Verantwortlichkeit begründet: Der Inhaber des eBay-Kontos haftet als Täter einer Wettbewerbs- und Schutzrechtsverletzung nicht etwa deshalb, weil er etwas getan hat, sondern weil es in einem seiner Identität zugewiesenen technischen Bereich zu einer Tat gekommen ist.

III.  „Mittelbare“ Täter fremder Taten: Informationstechnisch assoziierte Rechtssubjekte und mediatisierte Rechtsverletzungen Die beschriebenen haftungserweiternden Tendenzen der Rechtsprechung, die in der „Halzband“-Entscheidung ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht haben, legen die Vermutung nahe, dass sich die Zuschreibung von Verantwortlichkeiten gegenüber dem individuellen Menschen immer schwieriger gestaltet und früher oder später in einer Aporie enden muss: Der Täter erscheint danach nicht mehr nur als der individuell verantwortliche Urheber seiner eigenen Handlungen im traditionellen Sinn, sondern wird zugleich für die Taten verantwortlich gemacht, die nicht er selbst, sondern ein Dritter (eigenverantwortlich) begangen hat – kurz gefasst: er wird zum Täter fremder Taten. Man könnte in der sich ankündigenden Paradoxie zunächst nur eine zugespitzte Fortschreibung der bekannten, im Strafrecht diskutierten Problematik des Einheitstäterbegriffs bei Fahrlässigkeitsdelikten erblicken, der im Hinblick auf die graduell unterschiedlichen Beiträge zu Tatbestandsverwirklichungen und Formen von Sorgfaltspflichten keine entsprechenden Differenzierungen zulässt. 60 Parallel dazu scheint auch die deliktische Zurechnung im Zivilrecht 61 ihre Schwierigkeiten im Umgang mit den vielfältigen Verflechtungen von Handelnden und Beteiligten zu haben, die ihm insbesondere in den sozialen Informationstechnologien als „mittelbare Rechtsverletzungen“62 begegnen. So ist der genaue Rechtsgrund der täterschaftlichen Haftungserweiterung im „Halzband“-Fall bis heute unklar geblieben: 63 Auf eine Verletzung erweiterter

59   Siehe dazu etwa die Kritik von Matthias Hartmann, in: Artur-Axel Wandtke (Hg.), Medienrecht. Praxishandbuch, Bd.  5, 2.  Auflage, Berlin 2011, 92 (Rn.  288). 60   Vgl. hierzu Joachim Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, Tübingen 1997, 154 ff. 61   Die zivilrechtliche Haftung des als Täter oder Teilnehmer an einer deliktischen Handlung eines Dritten Beteiligten (§  830 BGB) richtet sich nach den im Strafrecht entwickelten Regeln; vgl. BGHZ 63, 124 (126); 89, 383 (389). 62   Eingehend hierzu Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1 ff. 63  Siehe bereits Hartmann, in: Wandtke (Hg.), Medienrecht. Praxishandbuch, Bd.   5, 2.  Auflage 2011, 92 (Rn.  288).

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Verkehrspflichten64 kann er sich streng genommen nicht stützen, da zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung, also der unzureichenden Sicherung der Zugangsdaten, noch überhaupt keine konkrete Gefahr einer Schutzrechtsverletzung bestanden hat. Der BGH mochte die Pflicht zur Sicherung der Zugangsdaten ohnehin nicht mit einer erhöhten Gefahr von Rechtsverletzungen begründen, sondern vielmehr mit einer Gefahr für den Verkehr, soweit Unklarheiten über die Identität des Handelnden entstehen könnten. 65 Aber auch eine darauf Bezug nehmende Einordnung als „deliktische Rechtsscheinhaftung“66 erscheint wenig überzeugend, zumal die Haftung unabhängig davon bejaht werden soll, ob die Identität des Handelnden für den Verkehr tatsächlich unklar geblieben ist oder nicht. 67 Ebenso wie die Begründung einer erweiterten Verkehrssicherungshaftung vermag auch ein erweitertes Rechtsscheinkonzept keinen adäquaten Zusammenhang herzustellen zwischen der Pflicht zur Verwahrung von Zugangsdaten und der – wenn überhaupt – erst später eintretenden Gefahr einer Verletzung von Rechtsgütern, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung noch gar nicht als gefährdet gelten können. 68 Plausibler erscheint dann schon ein Rekurs auf den Rechtsgedanken der spezialgesetzlichen Zurechnungsnormen zur Haftung des Unternehmens- oder Betriebsinhabers für seine Mitarbeiter oder Beauftragten (§  99 UrhG, §  14 Abs.  7 MarkenG, §  8 Abs.  2 UWG). 69 Dieser soll die arbeitsteilige Organisation seines Unternehmens oder Betriebs zwar zur Gewinnerzielung nutzen, nicht aber dazu, die Handlungsverantwortung auf abhängige Dritte abzuwälzen oder gar auf das gesamte Kollektiv zu verteilen. Um eine ganz ähnliche Verhinderung von Verantwortungsdelegation oder ‑verwirrung scheint es dem BGH in der „Halzband“-Entscheidung zu gehen: Auch hier soll sich der Inhaber des eBay-Kontos nicht mit der – in den Fällen „mittelbarer“ Rechtsverletzungen sicherlich häufig vorgebrachten – Behauptung entlasten können, dass nicht er selbst, sondern ein Dritter über den Zugang gehandelt habe.70 Verkürzt ausgedrückt: Als Techniknutzer trägt er auch die Technikhaftung. Doch der vom BGH neu konstruierte „eigene“ Zurechnungsgrund des eBay-Kontoinhabers, der seine Zugangsdaten nicht ausreichend sichert, geht  Vgl. die entsprechenden Interpretationen von Karl-Nikolaus Peifer, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 11.3.2009 – I ZR 114/06, jurisPR-WettbR 5/2009, Anm.  1; Florian Hecht, Verantwortlichkeit für Benutzerkonten im Internet, KuR 2009, 462 ff.; Leistner, GRUR-Beil. 2010, 7. 65   Vgl. BGHZ 180, 134 (140/Rn.  18). 66  Siehe Rössel, CR 2009, 453 ff. 67  Siehe Leistner, GRUR-Beil. 2010, 6 f. 68   Vgl. hierzu Joachim von Ungern-Sternberg, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Urheberrecht und zu den verwandten Schutzrechten in den Jahren 2008 und 2009 (Teil II), GRUR 2010, 386 ff. (392). 69   In diesem Sinn v. Ungern-Sternberg, GRUR 2010, 386 ff. (392). 70  Vgl. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2010, 386 ff. (392). 64

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deutlich über die Haftungsverantwortung des Unternehmensinhabers hinaus, da letztere nur auf unternehmens- oder betriebsbezogene Handlungen beschränkt ist.71 Demgegenüber soll die Haftung des eBay-Kontoinhabers unabhängig von den konkreten Handlungen und Verwendungsweisen bestehen, alleine aufgrund der hohen „Identifikationsfunktion“72 des Kontos. Als ein „rechtlich geschützter Bereich“ scheint dieses dem Kontoinhaber nicht nur, wie der BGH ausführt, „zur Nutzung und gegebenenfalls auch zur Gewinnerzielung zugewiesen“ zu sein, sondern geradezu auch eine informationstechnische Erweiterung der ganzen Identität des Kontoinhabers darzustellen. Hinter den immer weiter gefassten Verantwortungszuschreibungen und ‑zumutungen für „mittelbare“ Rechtsverletzungen, die auf den ersten Blick nur mit immer weiter gehenden Verkehrs- oder Verhaltenspflichten oder mit einem seltsam auf den allgemeinen Verkehr bezogenen Rechtsschein oder auch mit einer Analogie zu anderen, indes spezialgesetzlich normierten Formen einer Verantwortlichkeit für Handlungen in kollektiven Zusammenhängen begründet werden können, dürfte sich nach alledem eine weitaus tiefergehende Veränderung eines wenig hinterfragten zivilrechtlichen Grundkonzepts verbergen: Danach ist es nicht mehr der individuelle Mensch alleine, dem als isoliertem Subjekt Handlungen, Vorsätze, Willenserklärungen, Verantwortlichkeiten und schließlich Rechte und Pflichten zugeschrieben werden. Vielmehr dürfte seine um informationstechnische Artefakte erweiterte Identität zugleich in eine neue, erweiterte Fassung von Rechtsfähigkeit und Rechtssubjektivität münden. Die Probleme und Defizienzen der deliktischen Handlungszuschreibung und ihrer systematischen Einordnung machen deutlich, dass die traditionell am menschlichen, als „selbstbestimmt“ bestimmten Individuum ansetzende Zurechnungsperspektive in demselben Maß ihre Überzeugungskraft verliert, in welchem sie – statt auf objektive Verursachungszusammenhänge und subjektive Vorsätze rekurrieren zu können – vermehrt einzelfallbezogene Pflichtverletzungen und Verhinderungsmöglichkeiten konstruieren muss, um Täter überhaupt noch ausfindig zu machen. Allem Anschein nach findet die individualistische Perspektive gerade in den zunehmenden informationstechnischen Verflechtungen keine autochthonen Handlungssubjekte mehr, sondern muss ihre Subjekte erst zum Handeln bringen. Mag es sich bei der „mittelbaren“ Haftung als Täter für Taten, die nicht seine eigenen sind, auch bloß um eine Fiktion handeln, so sind in derartigen Fiktionen, den „Krücken des Denkens“73 im Sinne Josef Essers, jedenfalls immer zugleich die Vorboten künftiger rechtlicher Wirklichkeiten zu sehen. Die Zukunft  Dazu Leistner, GRUR-Beil. 2010, 6.   BGHZ 180, 134 (139/Rn.  18). 73   Josef Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen. Kritisches zur Technik der Gesetzgebung und zur bisherigen Dogmatik des Privatrechts, 2.  Auflage, Frankfurt a.M. 1969, 200. 71

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neuer Handlungs- und Verantwortungskonstruktionen lässt sich allerdings in der traditionellen Terminologie kaum noch adäquat erfassen; gefordert sind daher neue Begriffe, die einer neuen Rechtswirklichkeit der Verflechtungen sozialer Informationstechnologien besser gerecht werden. Rechtssubjekt ist aus einer solchen Sicht nicht mehr nur das menschliche, nach seinen selbstbestimmten Handlungen und Willensäußerungen bestimmbare Individuum. Vielmehr wird die Person im informationstechnischen Medium nunmehr auch mit artifiziellen Entitäten, im vorliegenden „Halzband“-Fall mit einem passwortgeschützten eBay-Konto identifiziert. Von dieser erweiternden Identitäts- und Handlungszuschreibung kann sie sich kaum noch befreien. Beispielsweise kann sie sich nicht mehr von der Verantwortlichkeitszurechnung des eBay-Kontos entlasten, indem sie – wie etwa bei der Störerhaftung – weitere zumutbare Prüfungspflichten erfüllt, die sich auf eine mögliche Verhinderung des Missbrauchs richten.74 Kaum von Bedeutung ist hier auch, ob der Kontoinhaber selbst es war oder aber eine dritte Person, die den Zugang für Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße missbraucht hat.75 Erneut sind es die Zuschreibungen der gesellschaftlichen Beobachter, hier des elektronischen Geschäftsverkehrs mit seinen spezifischen Erwartungen an Bestimmbar- und Adressierbarkeiten von Personen, die das Rechtssubjekt konstituieren. Sie bestimmen, in welchem Umfang und innerhalb welcher Grenzen die menschliche Person als Haftungs- und Zurechnungssubjekt von Handlungen erweitert wird. Und gerade in den Verflechtungen der Kommunikations- und Informationstechnologien erreichen diese Erweiterungen ein solches Maß, dass sich die menschliche Person über die Grenzen ihres biologischen Körpers und ihres vermeintlich selbstbestimmten Willens hinaus zunehmend als eine feste Verbindung von Menschen und Dingen darstellt, oder in den Worten von Bruno Latour: als eine „Assoziation von Menschen und nicht-menschlichen Wesen“.76 Freilich werden diese Erweiterungen in den juristischen Begründungen nicht als solche benannt; dies wäre auch höchst verwunderlich. Die Rechtsdogmatik ist weiterhin fest verwurzelt in einer begrifflichen Tradition, die noch von natürlichen Personen, Selbstbestimmung und Willenserklärungen spricht – und das, obwohl doch längst klar sein müsste, dass Personen kommunikative Kon­ strukte sind,77 dass Selbstbestimmungen auf Fremdzuschreibungen beruhen78   BGHZ 180, 134 (141/Rn.  19 f.).   Relevant ist das Dazwischentreten eines eigenverantwortlich handelnden Dritten freilich weiterhin bei der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs, insbesondere für die Frage des Vorsatzes; siehe dazu BGHZ 180, 134 (142/Rn.  20). 76   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  196. 77   Hierzu vor allem Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 122 ff., 153 ff. und 426 ff.; siehe im Übrigen oben, Prolog, Fn.  29, sowie 1. Abschnitt, Fn.  199 und 298. 78  Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 346 ff. 74

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und dass Willenserklärungen ohne Geschäfts- und Erklärungswillen79 kaum noch ihren Namen verdienen. Um den Anschein der Aufrechterhaltung individueller Zuordnung von Rechten und Pflichten zu wahren, begründet man die Haftungserweiterungen daher mit erweiterten Kontroll- und Sicherungspflichten und stellt in diesem Zusammenhang verschiedentlich Zumutbarkeits- und Wahrscheinlichkeitsprognosen an. Diese Form der Verantwortungszuschreibung ist jedoch kaum berechenund vorhersehbar, zumal sie in dem bereits beschriebenen Maß von der richterlichen Würdigung im Einzelfall abhängig bleibt. 80 Ein Ausweg aus der damit verbundenen Rechtsunsicherheit dürfte auf der Basis der alten individualistischen Konzepte kaum noch zu finden sein; erforderlich sind daher zunächst eine der informationstechnischen Wirklichkeit angemessene Beschreibung der sozialen Akteure und ihrer Handlungen und – darauf aufbauend – neue rechtliche Konstruktionen, die den Herausforderungen dieser Wirklichkeit gerecht werden können. Nur wenn sich das juristische Augenmerk deutlicher auf das „lebende Recht“, das heißt an dieser Stelle: auf die Eigenrationalitäten der sozialen Kommunikations- und Informationstechnologien einstellt, können die einschlägigen zivil- und immaterialgüterrechtlichen Probleme einer systematischen Lösung näher gebracht werden.

IV.  „Schlichte“ Einwilligung ohne Willen: Informationstechnisch mediatisierte Persönlichkeits- und Verantwortlichkeitsentfaltung Wie eine solche Lösung aussehen kann, hat der Bundesgerichtshof auch aus einer anderen Perspektive, nämlich im Zusammenhang mit der Frage nach der urheberrechtlichen Zulässigkeit von Vorschaubildern in Suchmaschinen, beispielhaft vorgeführt. 81 Deren Bildersuchfunktionen erfassen die im Netz zugängliche große Masse von Fotos, Abbildungen und anderen, an sich urheberrechtlich geschützten Werken und stellen diese bei entsprechenden Suchanfragen auf ihren Trefferlisten in einer verkleinerten Form als „Thumbnails“ dar. Darin ist durchaus eine Werknutzung durch öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von §  19a UrhG zu sehen. Doch handelt es sich dabei, wie der BGH feststellt, um keinen rechtswidrigen Eingriff in die ausschließlichen Verwertungsrechte der Urheber. 79   Zum Wegfall der Voraussetzung des Erklärungsbewusstseins siehe insbesondere BGH NJW 1995, 953; hierzu Mathias Habersack, Fehlendes Erklärungsbewußtsein mit Wirkung zu Lasten des Erklärungsempfängers?, JuS 1996, 585 ff.; vgl. ferner Ulrich Eisenhardt, Zum subjektiven Tatbestand der Willenserklärung, JZ 1986, 875 ff. (878 ff.). 80   Unter den entsprechend kritischen Kommentaren zur Ausweitung der Verkehrssicherungspflichten durch die „Halzband-Entscheidung“ siehe etwa Peifer, jurisPR-WettbR 5/2009, Anm.  1; sowie die allgemeine Kritik von Hoeren, NJW 2008, 2615 ff. 81   BGHZ 185, 291 – „Vorschaubilder I“.

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Die Rechtswidrigkeit entfällt zwar nicht schon aufgrund einer urheberrechtlichen Schrankenregelung82 , und auch nicht deshalb, weil die Berechtigten der Werknutzung nach §  31 Abs.  1 UrhG ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hätten. Denn auch für eine konkludente Nutzungsrechtseinräumung fehlt es in aller Regel am erforderlichen, objektiv erkennbaren Erklärungs- und Rechtsbindungswillen der Urheber. 83 Nach Auffassung des Gerichts führt aber schon die „schlichte“ Einwilligung ohne besonderen Rechtsfolgewillen84 dazu, dass die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen ist: „Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen.“85 Dazu zählen aus dieser Sicht auch die Vorschaubilder kommerzieller Bildersuchmaschinen. Die Berechtigten müssen dabei nicht einmal konkret wissen, um welche Nutzungshandlungen es bei der üblichen Bildersuchfunktion geht. Das bedeutet letztlich nichts anderes als eine funktionale, vom aktuellen Willen und der individuellen Selbstbestimmung als Willensbestimmung abstrahierende Abmarkung einer weiteren Sphäre technischer Verantwortlichkeit, diesmal allerdings in der besonderen Gestalt urheberrechtlicher Verantwortung: Wenn Urheber oder auch Dritte 86 urheberrechtlich geschützte Bilder oder vergleichbare Werke im Internet frei zugänglich machen, müssen sie sich den dort üblichen Gepflogenheiten oder, mit anderen Worten, der Eigennormativität des informationstechnischen Kommunikationsmediums fügen. Nur konsequent ist es daher auch, einem etwaigen entgegenstehenden Willen oder auch einer möglicherweise anderslautenden Erklärung der Berechtigten nicht ohne Weiteres schon die Kraft eines Widerrufs der „schlichten“ Einwilligung beizulegen. In entsprechender Art und Weise, wie der BGH im ungeschützten Einstellen der Bilder ins Internet ein Einverständnis mit den üblichen Nutzungshandlungen erkennt, verlangt er schließlich auch für einen wirksamen Widerruf ein gegenläufiges Verhalten, das im selben Medium wie schon die Einwilligung – sozusagen gleichermaßen „schlicht“ – zum Ausdruck kommt: Ebenso wie diese müsste sich, so der BGH, auch eine Widerrufserklärung an die Allgemeinheit richten. Nicht ausreichend wäre es jedenfalls, den Widerruf nur   Vgl. BGHZ 185, 291 (298 ff./Rn.  21 ff.).   Vgl. BGHZ 185, 291 (302 ff./Rn.  30 ff., insbesondere 31): „Im bloßen Einstellen von Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke ins Internet kommt […] lediglich der Wille zum Ausdruck, dass diese Abbildungen von anderen Internetnutzern angesehen werden können. […] Dass bestimmte Texte oder Wörter von der Suchmaschine gefunden werden sollen, bringt nicht unzweideutig den Willen zum Ausdruck, dass dem Suchmaschinenbetreiber das Recht übertragen werden soll, auch Abbildungen, die im Zusammenhang mit diesen Wörtern von der Suchmaschine auf der Internetseite aufgefunden werden, im Wege von Vorschaubildern verkleinert anzuzeigen.“ 84   Vgl. BGHZ 185, 291 (305 f./Rn.  35). 85   So BGHZ 185, 291 (306 f./Rn.  36), ausdrücklich Bezug nehmend auf BGHZ 174, 359 – „Drucker und Plotter I“. 86   Siehe dazu BGH GRUR 2012, 602 („Vorschaubilder II“). 82 83

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den Betreibern der Suchmaschinen oder einzelnen Nutzern gegenüber zu erklären. Erforderlich seien vielmehr entsprechende, allgemein erkennbare Umstände, insbesondere in Form von technischen Sicherungsmaßnahmen gegen das Auffinden der Bilder. 87 Der BGH begründet diesen Standpunkt vermittelst der altbekannten Logik des „objektiven Empfängerhorizontes“, immer nach einem „schlüssigen“ Verhalten suchend, welchem ein „Wille“ oder eine „objektive Erklärung“ entnommen werden könnte – als ob es hier überhaupt noch auf einen vernehmbar erklärten Willen ankäme. Damit setzt er sich trotz seines überzeugenden Ergebnisses einer häufig wiederholten Kritik aus, die sich vor allem gegen die scheinbare Abwertung privatautonomer Willenserklärungen gegenüber derart „schlichtem“ Einwilligungs- und Widerrufsverhalten richtet. 88 In der Tat ist das Modell der „schlichten“ Einwilligung zumindest insoweit unglücklich gewählt, als es sich schwerlich mit einer weiterhin an tatsächlichen, konkreten Willensäußerungen haftenden Einwilligungsdogmatik vereinbaren lassen wird. Aber genau das ist der Punkt, der in Fällen wie diesem eine vom aktuellen Willen befreite Anerkennung menschlich-technischer Verantwortungssphären erforderlich macht: Da wird in aller Regel nichts „gewollt“, da wird auch nichts „erklärt“, alles was da vorzufinden ist, sind die „schlichten“ kommunikativen Operationen biosoziotechnischer Ensembles, bestehend aus Menschen und nichtmenschlichen, informationstechnischen Systemen. Es geht folglich darum, neben der individuellen menschlichen Willensbestimmung auch andere, bioinformationstechnologische Formen der Selbstbestimmung rechtlich zu berücksichtigen. Hier ist es vor allem das informationstechnische Verhältnis von menschlichen Urhebern und ihren Online-Auftritten, dessen Autonomie zu gewährleisten ist. Deren Eigenrationalität bestimmt sich dabei nicht in erster Linie nach den Maßgaben von individueller Willensherrschaft oder Erklärungsmacht, ebenso wenig nach den Interessen einer irgendwie noch zu bestimmenden Allgemeinheit. Es geht demnach auch nicht   Vgl. BGHZ 185, 291 (307 f./Rn.  37).  Unter diesen Kritiken, die überwiegend mit Forderungen nach einer gesetzlichen Schrankenregelung für kommerzielle Suchmaschinen verbunden sind, siehe etwa Gerald Spindler, Bildersuchmaschinen, Schranken und konkludente Einwilligung im Urheberrecht. Besprechung der BGH-Entscheidung „Vorschaubilder“, GRUR 2010, 785 ff. (789 ff.); Andreas Wiebe, Vertrauensschutz und geistiges Eigentum am Beispiel der Suchmaschinen, GRUR 2011, 888 ff. (889 ff.); Ansgar Ohly, Zwölf Thesen zur Einwilligung im Internet. Zugleich Besprechung zu BGH, Urt. v. 19.10.2011 − I ZR 140/10 − Vorschaubilder II, GRUR 2012, 983 ff.; Nadine Klass, Die Annahme schlichter Einwilligungen im Internet: Implikationen der Vorschaubilder-Entscheidungen des BGH auf das (Schranken‑)System des Urheberrechts, in: Stefan Leible (Hg.), Der Schutz des geistigen Eigentums im Internet, Tübingen 2012, 165 ff. (181 ff.); dies., Neue Internettechnologien und das Urheberrecht: Die schlichte Einwilligung als Rettungsanker?, ZUM 2013, 1 ff. (4 ff.); der Einwilligungskonstruktion zustimmend allerdings etwa Winfried Bullinger/Katharina Garbers‑von Boehm, Google-Bildersuche: Schlichte Einwilligung des Urhebers als Lösung?, GRUR-Prax 2010, 257 ff. (259 f.). 87

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darum, die Individualinteressen von Urhebern gegen die Allgemeininteressen einer Allianz von Suchmaschinenbetreibern und Internetnutzern abzuwägen. 89 Anstatt die Rationalitätenkonflikte des Internets weiterhin nur mit der längst nicht mehr passenden Differenz von Individual- und Allgemeininteressen zu beobachten, ist die Lösung auch hier wieder mit Hilfe einer neuen Unterscheidung zu entfalten. Entscheidend sind dann vielmehr die selbstbestimmenden soziotechnischen Verhältnisse des Kommunikationsmediums selbst, für die es ganz üblich ist, dass sie auf technische Sicherungen gegen Nutzungen verzichten und sich im Gegenteil auf öffentliche Zugänglichmachung und Verbreitung richten. Zugespitzt formuliert: Webpräsenzen sind geradezu naturgemäß auf Zugänge und nicht auf einen irgendwie gearteten Besitz von Informationen gerichtet; ohnehin ist Information entgegen sorgsam gepflegter juristischer Vorurteile nichts, was man einfach besitzen könnte.90 Auch die Persönlichkeitsentfaltung der kreativen Nutzer und Urheber ist daher längst nicht mehr primär mit Hilfskonstruktionen von individuell verfügbaren Eigentumspositionen, Schutzgegenständen oder anderen Ausschließlichkeitsrechten zu gewährleisten. Entfaltungsräume gewinnt man nicht durch Aus-, sondern durch Ein- und Anschlüsse, genauer: durch Zugangsrechte.91 Darin liegt schließlich auch der eigentliche Grund, weshalb die vom BGH angenommene „schlichte“ Einwilligung der im Internet präsenten Urheber nicht durch eine anderweitige, ausdrückliche Willenserklärung frei widerrufen werden kann.92 Eine solche Art willensunabhängiger Einwilligung bemisst sich

  Vgl. jedoch etwa Ohly, a.a.O. (983 ff.); ferner Wiebe, a.a.O. (894 f.); Klass, ZUM 2013, 1 ff. (2 ff.). 90   Unter den jüngeren avancierten Arbeiten zu diesem Thema siehe etwa Christine Godt, Eigentum an Information. Patentschutz und allgemeine Eigentumstheorie am Beispiel genetischer Information, Tübingen 2007; Herbert Zech, Information als Schutzgegenstand, Tübingen 2012; zur kritischen Reflexion einer an den Rechtsobjekten ausgerichteten Dogmatik vgl. bereits Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, 2008, 37 ff. Dass Information nicht bloß in einer „objektivierten“, „verdinglichten“ Form, schon gar nicht nach dem Sender-Empfänger-Übertragungsschema zu rekonstruieren, sondern am besten als ein systeminternes, selektiv wirkendes Ereignis, „as a difference which makes a difference“ (Gregory Bateson), zu begreifen ist, hat wiederum Niklas Luhmann besonders klar herausgearbeitet. An dieser Stelle soll daher nur ein Hinweis genügen: Information ist nicht einfach schon da, sie muss als solche auch verstanden werden – und ist daher auch immer in ihrer kommunikativen Funktion zu betrachten, namentlich als ein „Ereignis, […] das Systemzustände auswählt“ – siehe Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 68 ff., 102 ff. und 191 ff.; ders., Einführung in die Systemtheorie, 2.  Auflage 2004, 66 ff., 118 ff. und 288 ff.; sowie ferner Gregory Bateson, Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven, Frankfurt a.M. 1981. 91   Dan Wielsch, Die Zugangsregeln der Intermediäre: Prozeduralisierung von Schutzrechten, GRUR 2011, 665 ff. (671 f.); ferner allgemein zum Wechsel der Blickrichtung auf Zugangsrechte ders., Zugangsregeln, 2008, 60 ff. 92   Siehe dagegen aber insbesondere Ohly, GRUR 2012, 983 ff. (990 f.). 89

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nämlich nicht nach den Regeln der Rechtsgeschäftslehre, sondern nach den funktionalen Bedingungen des Mediums.93 Dessen Eigennormativität ist aber auch nicht bloß als eine sinnhaft-kommunikative Eigengesetzlichkeit zu verstehen, die etwa in Gestalt allgemeiner sozialer Erwartungen innerhalb des Mediums „Internet“ zu beobachten wäre. Darüber hinaus gilt es, die weitaus spezifischeren Eigenrationalitäten informationstechnischer Nutzungs- und Präsenzverhältnisse zu erfassen, und zwar auch und ganz besonders in ihrer lebendigen und technischen, bioartifiziellen Materialiät.94 Bei aller Betonung der kommunikativen Funktionen geistigen Schaffens verdankt sich dieses noch immer menschlichen Geistesaktivitäten, an denen Gehirne, Körper, Dinge und andere technisch-mediale Artefakte produktiv beteiligt sind. Geistige Schöpfungsprozesse sind daher letztlich nichts anderes als Persönlichkeitsentfaltungen, die ihre erste materiale Grundlage bereits im körperlichen Tätigsein von Autoren und Akteuren finden. Doch ist es nicht deren individuelle Schöpferkraft alleine, die Geisteswerke hervorbringt – denn diese vermag ja nicht einmal die Persönlichkeit des Urhebers selbst zu erschaffen. Ebenso wie sich schon die menschliche Persönlichkeit aus einer Vielzahl zirkulierender „Personalisierer“ oder „Mittler“ netzwerkförmig zusammensetzt und fortlaufend aktualisiert,95 sind auch die Produktionsbedingungen des geistigen Schaffens in Anlehnung an Bruno Latour als ein Zusammenspiel zahlreicher menschlicher und nichtmenschlicher Wesen nachzuzeichnen.96 Diese bestimmen sich nicht mehr nach dem einseitigen Schöpferdiktat eines menschlichen Autors, sondern nach der erwähnten Vielzahl zirkulierender Entitäten, welche die „lokalen Stätten“ im Sinne Latours97 als „Produktionsstätten lokaler Interaktionen“, hier insbesondere als Werk-Stätten der Immaterialgüterproduktion vorformatieren. Zu diesen Werk-Stätten gehören die beschriebenen informationstechnischen Verhältnisse, in denen sich die materiellen Bedingungen der Erzeugung des Sozialen wie auch des geistigen Schaffens realisieren. Ebendiese Realisierungen der an geistigen Schöpfungsprozessen aktiv beteiligten Materialitäten sind daher auch in ihrer besonderen, personalen Produktionssituation zu berücksichtigen – namentlich als Bestandteile der kreativen Persönlichkeitsentfaltung: Die Persönlichkeit entwickelt sich insoweit in einem 93   Vgl. hierzu Wielsch, GRUR 2011, 665 ff. (672): „Letztlich erfolgt die Anwendung der Figur nicht mehr gemäß der Rechtsgeschäftslehre, sondern stellt objektiv auf die Funktionsfähigkeit des Mediums ab.“ 94   Zur Vermischung von sinnhafter und technischer Kommunikation im Bereich der sozialen Informationstechnologien siehe nochmals oben, 2. Abschnitt, 1. Titel, IV. (S.  124 ff.). 95   Vgl. oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, V. (S.  94 ff.). 96   Ausführlicher dazu Gruber, Anfechtungen des Plagiats: Herausforderung des Rechts am „Geistigen Eigentum“, in: Bung/Gruber/Kühn (Hg.), Plagiate. Fälschungen, Imitate und andere Strategien aus zweiter Hand, 2011, 87 ff. (98 ff.). 97  Vgl. Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 329 ff.

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vielfältigen Beziehungsgeflecht von individuellen Initiativen und geistigen, kulturellen sowie sozialen Kollektivleistungen. Konkreter bedeutet das, dass sich die Persönlichkeit niemals als vereinzeltes Individuum, sondern immer nur im gesellschaftlichen Zusammenleben, vor allem in der interaktiven Kommunikation, entfaltet – und, wie im Anschluss an Gabriel Tarde anzunehmen ist, nicht zuletzt auch in der gegenseitigen Nachahmung und Rekombination von Ideen und anderen immateriellen Ressourcen, aus denen sich Persönlichkeitsmerk­ male speisen.98 Kurzum: Gerade die rechtliche Anerkennung einer menschlich-technischen Sphäre informationstechnischer Verhältnisse, die als bioarti­ fizielle Assoziationen von vornherein auf Kommunikationszugänge und Nutzungen angelegt sind, bedeutet Entfaltung der Persönlichkeit und Freiheit – freilich unter Auflagen. Persönlichkeitsentfaltung heißt dann nämlich auch: Entfaltung von Verantwortlichkeit für den auf informationstechnische Verhältnisse ausgedehnten Persönlichkeitsbereich. Die Webpräsenz gehorcht dabei einzig und alleine den eigenen Normen des Kommunikationsmediums, und dieses ist auf Zugangsmöglichkeiten, sozusagen auf „accessibility by default“, angelegt. Die Verantwortung für diese Möglichkeiten liegt dann weiterhin bei demjenigen Akteur, der seinen Auftritt in einen solchen medialen Zusammenhang bettet. Wünscht er keine „üblichen Nutzungshandlungen“, ist es innerhalb seiner technischen Verantwortungssphäre grundsätzlich auch seine Aufgabe, den Zugang mit technischen, den medialen Bedingungen adäquaten Sicherungsmaßnahmen zu beschränken.99

V.  Rechtssubjektsteile als Agenturen: Informationstechnische Identitäts- und Handlungszurechnungen Die Konstruktion solcher menschlich-technischer Verantwortungssphären muss indes nicht nur eine gleichsam „nach innen“ gerichtete Verantwortlichkeit für deren eigene Sicherung und Integrität bedeuten. Wie der zuvor dargestellte, das juristische Spiel der Handlungs- und Verantwortungszuschreibung sicherlich recht weit treibende „Halzband“-Fall gezeigt hat, kann sie darüber hinaus 98   Siehe hierzu Tarde, Die Gesetze der Nachahmung, 2009, 19: „Das Gegenteil der persönlichen Betonung ist die vollständige Nachahmung eines einzelnen Menschen. Wenn man jedoch, anstatt sich nach einem oder mehreren zu richten, von hundert, tausend oder zehntausend Menschen einen bestimmten Aspekt, Teile einer Idee oder Handlung übernimmt und diese dann kombiniert, sind die Natur selbst und die Wahl dieser Nachbildungen genauso wie ihre Zusammensetzung Ausdruck unserer ursprünglichen Persönlichkeit und betonen diese.“ 99   Insoweit sollte es den Urhebern im Rahmen eines „bipolaren“ Modells eines digitalen Werkschutzes weiterhin freistehen, ihre Werke etwa in Datenbanken mit Zugangs- und Zugriffskontrollen einzustellen. Ausführlich zu diesem Ansatz Alexander Peukert, A Bipolar Copyright System for the Digital Network Environment, Hastings Communications and Entertainment Law Journal 2005, Vol.  28, No.  1, 1 ff.

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

auch eine Erweiterung von Identitäts- und Handlungszurechnungen „nach außen“ begründen. Informationstechnische Systeme können sich aus dieser Per­ spektive als neue, artifizielle Bestandteile von Rechtssubjekten darstellen, denen entsprechend erweiterte Verantwortlichkeiten zugemutet werden. Sie erscheinen insoweit aber nur als unselbständige Teile von Subjekten, nicht jedoch als Teilrechtssubjekte im eingangs beschriebenen Sinn. Sie sind mit menschlichen Individuen kraft gesellschaftlicher Zuweisung kommunikativ verkoppelt, so dass sie mit diesen eine „Assoziation“, „Assemblage“, oder anders ausgedrückt: eine neue biosoziotechnische Einheit bilden. Die Zurechnung von eBay-Konten, aber auch von Webpräsenzen und anderen informationstechnisch erzeugten Artefakten kann dabei offenbar in der Weise erfolgen, dass diese bereits zur Sphäre des Rechtssubjekts gerechnet werden, ohne dass es allerdings noch weiterer „subjektiver“ Selbstbestimmungen oder Willensäußerungen eines individuellen Menschen bedarf. Selbst wenn, wie im „Halzband“-Fall geschehen, eigenständig oder auch eigenverantwortlich Handelnde – Ehefrauen, Kinder und andere Familienangehörige – hinzukommen und diese artifiziellen Erweiterungen für Rechtsverletzungen missbrauchen, scheint das die Einheit des soziotechnischen Zurechnungssubjekts kaum zu berühren. Das ursprünglich durch seine psychophysische Integrität und Fähigkeit zur Selbstbestimmung begründete, aber auch begrenzte Rechtssubjekt „Mensch“ wird demzufolge um einen nichtmenschlichen Teil, hier etwa um den informationstechnischen Zugang via eBay, erweitert. Als Teil des erweiterten Rechtssubjekts bewirkt dieses Artefakt sogleich die beschriebenen Ausdehnungen von Handlungs- und Verantwortlichkeitszuschreibungen und wird in diesem Sinne zu einer „Agentur verändernder Wirksamkeit“100 , die sich in den geschilderten Fällen insbesondere als Agentur von Veränderungen der Rechtswirklichkeit zeigt. Gleichzeitig führt die Assoziation menschlicher und nichtmenschlicher Teile freilich auch dazu, dass Menschen ihre artifiziellen Subjektsteile modifizieren, etwa indem sie in Reaktion auf gewachsene Verantwortungszumutungen neue technische Kontrollmöglichkeiten und Zugangsrestriktionen einrichten. Diese Reaktion wird beispielsweise auch von Urhebern erwartet, die keine Vorschaubilder ihrer Webauftritte wünschen. Doch alleine die wechselseitige Beeinflussung der assoziierten Teile würde es noch nicht rechtfertigen, von einer neuen soziotechnischen Zurechnungseinheit mit eigener Identität und Handlungsver100  Vgl. hierzu Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 76 ff.; Schulz-Schaeffer, Technik als sozialer Akteur und als soziale Institution. Sozialität von Technik statt Postsozialität, in: Rehberg (Hg.), Die Natur der Gesellschaft, 2006, Teilband II, 2008, 705 ff. (706); ders., Technik in heterogener Assoziation. Vier Konzepte der gesellschaftlichen Wirklichkeit von Technik im Werk Latours, in: Kneer/Schroer/Schüttpelz (Hg.), Bruno Latours Kollektive, 2008, 108 ff.

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antwortlichkeit zu sprechen. Vielmehr ist es der weitere, vor allem in der „Halzband“-Entscheidung zum Vorschein kommende Aspekt der gemeinsamen Konstituierung eines neuen, eigenständigen Handlungsträgers, eines „hybriden Akteurs“,101 der die Mensch-Ding-Assoziation von Nutzer und technischem Zugang zu einem erweiterten Rechtssubjekt macht. Bei dieser Einheitsbildung aus heterogenen Assoziationen müssen allerdings zugleich deren Grenzen bedacht werden. Nicht jede menschlich-technische Wechselwirkung führt zwangsläufig zur Entstehung neuer Akteure. Im Gegenteil: In den meisten Fällen dürfte es lediglich bei veränderten Rollenfestlegungen unter dem wechselseitigen Einfluss von Mensch und Technik bleiben. Nur in solchen Fällen, die keine individualisierbaren Handlungsverantwortlichkeiten mehr plausibel erscheinen lassen, sondern von untrennbar menschlich-technischen Verantwortungssphären handeln, kann von erweiterten Rechtssubjekten überhaupt die Rede sein. Wenngleich im „Halzband“-Fall durchaus Zweifel angebracht sind, ob die Assoziation von Benutzer und Benutzerkonto auch hier tatsächlich als untrennbar anzusehen ist oder ob nicht vielmehr die zahlreichen Möglichkeiten von Identitätstäuschungen und Interventionen Dritter das Gegenteil nahelegen, hat jedenfalls der BGH eine solche Untrennbarkeit vorausgesetzt.102 Im Ergebnis hat er damit ein um einen informationstechnischen Zugang erweitertes Rechtssubjekt konstruiert, das sowohl für die Folgen des selbstbestimmten, eigenständigen Handelns eines menschlichen Individuums als auch für die Wirkungen seiner assoziierten technischen Artefakte verantwortlich gemacht werden kann. Insoweit besteht durchaus eine konzeptionelle Nähe zu dem bereits erwähnten Rechtsgedanken der Haftung des Unternehmensinhabers (§  99 UrhG, §  14 Abs.  7 MarkenG, §  8 Abs.  2 UWG), welcher sich ganz entsprechend nicht hinter den in einer arbeitsteiligen Organisation mit ihm assoziierten abhängigen Dritten, d.h. Mitarbeitern oder Beauftragten, „verstecken“ können soll.103 Allerdings beruht die Assoziation im „Halzband“-Fall nicht nur auf den kommunikativen Verflechtungen einer sozialen Organisation, sondern darüber hinaus auf einer stabilen informationstechnischen Verbindung zwischen dem mensch101  Vgl. Schulz-Schaeffer, Technik in heterogener Assoziation. Vier Konzepte der gesellschaftlichen Wirklichkeit von Technik im Werk Latours, in: Kneer/Schroer/Schüttpelz (Hg.), Bruno Latours Kollektive, 2008, 108 ff. (120 ff.). 102   Die Untrennbarkeit stützt sich hier insbesondere auf die Funktion des eBay-Kontos als ein „besonderes Identifikationsmittel“: BGHZ 180, 134 (139/Rn.  18). 103   Siehe oben, Fn.  69, in diesem Abschnitt. An diesem Punkt stellt sich gewiss die weitere Frage, ob nicht gerade die Einrichtung und Nutzung informationstechnischer Zugänge zu den wesentlichen Elementen der sozialen Kommunikation gehört, folglich der Nutzer hier als abhängiger Dritter gelten muss. In ähnlicher Richtung, allerdings mit Blick auf die entsprechende Ausweitung der Verkehrssicherungspflichten, Peifer, jurisPR-WettbR 5/2009, Anm.  1: „Die Ausweitung dieser Pflichtenkategorie auf die Eröffnung und Unterhaltung eines elek­ tronischen Kontos erzeugt die Gefahr, dass zum Sozialleben notwendig gehörende und hierfür unvermeidbare Tätigkeiten als potentiell gefährlich eingestuft werden.“

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lichen Nutzer und seiner über eBay erzeugten digitalen Identität. Diese wird daher – anders als die ausschließlich unternehmensbezogene Haftung des Inhabers – nicht durch die konkrete Handlungs- oder Nutzungsart begrenzt. In dieser Hinsicht ist noch eine weitere Parallele zur Organhaftung juristischer Personen nach §  31 BGB denkbar: Da auch juristische Personen erst durch menschliche Akteure als „Organwalter“ zum Handeln gebracht werden, sollen sie jedenfalls nach der ursprünglichen Organtheorie für deren Handeln in der gleichen Weise verantwortlich sein wie natürliche Personen für ihr eigenes Handeln.104 Aber auch das Modell der Organhaftung ist nicht völlig deckungsgleich mit der nach dem Vorbild der „Halzband“-Entscheidung zu entwickelnden Verantwortlichkeit informationstechnisch assoziierter Rechtssubjekte. Denn letztere beschränkt sich nicht nur auf die Handlungen menschlicher „Organwalter“, sondern erstreckt sich auch auf das durch ihr artifizielles, informationstechnisches „Organmaterial“ veranlasste Handeln. Menschen können daran zwar weiterhin beteiligt sein, aber ihre Mitwirkung ist für die Verantwortungsund Haftungszurechnung nicht mehr notwendig, eben weil sie nur einen Teil einer als solche zurechnungsfähigen biosoziotechnischen Assoziation ausmachen.

VI.  Rechtssubjektsteile als autonome Agenten: Informationstechnisch verselbständigte Teilrechtssubjekte Damit ist auch schon eine denkbare und inzwischen sogar gängige Lösungsmöglichkeit im Umgang mit den neueren Phänomenen der sich zunehmend verselbständigenden Informationstechnologien vorgezeichnet: Wie in den Fällen der Haftungszurechnung für „mittelbare“, mediatisierte Rechtsverletzungen oder der Willenszurechnung für mediatisierte „schlichte“ Erklärungen könnte beispielsweise auch beim Einsatz von Softwareagenten und autonomen Programmen im elektronischen Geschäftsverkehr die konkrete Willensäußerung oder Selbstbestimmung des individuellen Menschen in den Hintergrund treten.105 Das würde den Weg ebnen für vielfältige Möglichkeiten, elektronische Willenserklärungen in erster Linie nicht mehr subjektiv, sondern objektiv zuzurechnen, sei es nach Rechtsscheingesichtspunkten106 oder sei es auch nach

  Vgl. hierzu Reuter, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6.  Auflage 2012, §  31, Rn.  2. 105   Vgl. etwa Rotraud Gitter, Softwareagenten im elektronischen Geschäftsverkehr. Rechtliche Vorgaben und Gestaltungsvorschläge, Baden-Baden 2007, 29 ff. und 159 ff., m.w.N. 106   In Betracht kommt etwa eine Analogie zur Ermächtigung zum Ausfüllen einer Blanketterklärung; vgl. hierzu Gitter, Softwareagenten im elektronischen Geschäftsverkehr, 2007, 180; ferner Oechsler, AcP 208 (2008), 568 ff. 104

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abstrakteren Risikoerwägungen und ‑prognosen, die sich auf die Beherrschbarkeit der technischen Vorgänge beziehen.107 Für diese Art der Zurechnung, wie sie vor allem in der zitierten „Halzband“-Entscheidung ganz besonders weit gefasst erscheint, stehen die Prognosen jedoch schlecht: Eine derartige Ausdehnung der Handlungs- und Willenszurechnung über immer weitere Verkehrs-, Prüfungs- und Sicherungspflichten, die sich als eine stetige Erweiterung des menschlichen Verantwortungssubjekts darstellt, wird über kurz oder lang zu einer Überforderung des Menschen als ein vermeintlich selbstbestimmtes Individualwesen führen. Zugespitzt ausgedrückt: Die immer neuen Risikobeherrschbarkeits- und Gefahrenverhinderungsmöglichkeits-Verantwortungszumutungen des Informationstechnologierechts werden zunehmend unzumutbar, wenn das Verantwortungssubjekt vermittelst informationstechnischer Medien mehr und mehr für Dritte haften soll. Gewiss hat die Rechtsprechung die Auswirkungen der „Halzband“-Haftung schon wieder eingedämmt, etwa indem sie deren Maßstäbe nicht auf den Fall von Urheberrechtsverletzungen via WLAN108 und erst recht nicht auf die Fälle rechtsgeschäftlichen Handelns übertragen hat.109 Aber die in immer neuen Einzelfallabwägungen zwischen „objektivem“ Rechtsschein und „subjektivem“ Tatbestand immer wieder anders zu gewichtenden Interessen dürften – wie bereits erwähnt – kaum zu einer erhöhten Erwartungs- und Rechtssicherheit beitragen. Anstatt in beinahe jeder neuen Fallkonstellation die Verantwortung von Menschen für ihre assoziierten informationstechnischen Artefakte über den Umweg einzelfallabhängiger Verkehrs-, Prüfungs- und Sicherungspflichten aus eigener richterlicher Anschauung zu bestimmen, müsste eine systematische Lösung darauf bedacht sein, menschlich-technische Verantwortungssphären innerhalb klarer Grenzen festzulegen, die als solche mit Bezug auf die im elektronischen Geschäftsverkehr beobachtbaren normativen Maßstäbe generell anerkennungsfähig sind. 107  Vgl. Andreas Wiebe, Die elektronische Willenserklärung. Kommunikationstheoretische und rechtsdogmatische Grundlagen des elektronischen Geschäftsverkehrs, Tübingen 2002, 156 ff. und 216 ff. 108   Vgl. hierzu BGHZ 185, 330, (333 ff./Rn.  12 ff.) – „Sommer unseres Lebens“: Der IPAdresse eines WLAN-Anschlusses komme keine mit einem eBay-Konto vergleichbare Identifikationsfunktion zu. Demzufolge spreche lediglich eine widerlegbare Vermutung für die Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers. 109  Bereits in der „Halzband“-Entscheidung (BGHZ 180, 134,140 f./Rn.  19) betont der BGH, dass in den Fällen vertraglicher Haftung weiterhin Raum für eine Abwägung der In­ teressen beider Vertragspartner bleibt. In diesem Sinn nunmehr BGH VersR 2011, 932 = NJW 2011, 2421: keine vertragliche Haftung bei unbefugter Nutzung eines eBay-Mitgliedskontos. Zu einem dennoch erkennbaren „gewissen Wertungswiderspruch“ gegenüber der „Halzband“-Entscheidung siehe Thomas Stadler, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 11.5.2011 – VIII ZR 289/09, jurisPR-ITR 14/2011, Anm.  2.

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Es ist dann durchaus denkbar – wenn auch in deutlich engeren Grenzen, als sie die „Halzband“-Rechtsprechung zieht –, dass beispielsweise die über einen informationstechnischen Zugang begangenen Rechtshandlungen oder ‑verletzungen einem insoweit erweiterten Rechtssubjekt objektiv zugerechnet werden. Diese Zurechnung wäre dann aber genereller Natur und nicht von den im Einzelfall immer wieder aufs Neue zu prüfenden Pflichtverletzungen und subjektiven Verfehlungen des menschlichen Nutzers abhängig. Wer auf dieser Basis von Anfang an weiß, dass er generell für einen bestimmten Teil seines informationstechnischen Systems haftet, kann selbst entscheiden, ob er diesbezüglich erhöhte Kontroll- und Sicherheitsvorkehrungen trifft oder aber für mögliche Schäden einen Haftungsbetrag bereithält oder auch nach anderweitigen Versicherungslösungen sucht. Die Grenzen dieser Zurechenbarkeit eines informationstechnischen Artefakts zu einem erweiterten menschlich-artifiziellen Subjekt sind jedoch bereits dann überschritten, wenn es sich dabei um Softwareagenten oder eigenständige Programme zur Erstellung und Übermittlung von Willenserklärungen handelt. Softwareagenten und andere „autonome“ Programme erweisen sich nämlich zunehmend als eigendynamisch operierende Akteure, die nach Risikogesichtspunkten als immer weniger beherrschbar gelten dürften.110 Mit ihren „Agentenherren“ können sie daher allenfalls eine lose „Mensch-Ding-Assoziation“ bilden – eine instabile Verbindung, die durch ihr eigen- und widerständiges Verhalten zudem fortlaufend gestört wird. Insoweit liegt ein Vergleich mit interpersonalen Beziehungen womöglich viel näher: Der Softwareagent könnte daher möglicherweise noch mehr sein als ein Rechtssubjektsteil – und unter Umständen, je nach Art und Umfang seiner Selbständigkeit, den Status eines Teilrechtssubjekts erreichen. Werden etwa Softwareagenten und autonome Programme für Vertragsschlüsse im elektronischen Geschäftsverkehr eingesetzt, so kann ihr rechtsgeschäftliches Verhalten häufig kaum noch auf einen Erklärungs- oder Handlungswillen eines konkreten Menschen zurückgeführt werden. Mehr noch als auf der haftungsrechtlichen Ebene besteht die informationsrechtliche Herausforderung gerade auch darin, die neuen Phänomene elektronischer, agentenvermittelter Rechtsgeschäfte begrifflich angemessen zu erfassen und den damit einhergehenden Rechtsproblemen mit entsprechenden Konstruktionen gerecht zu werden. Die zentrale Frage lautet dabei: Inwieweit sind derartige autonome  Ähnlich Gitter, Softwareagenten im elektronischen Geschäftsverkehr, 2007, 174 f., die in den „autonom“ und immer weniger vorhersehbar handelnden Agenten zunächst eine „neue Qualität von Anwendungen“ sieht. Allerdings möchte sie deren Verhalten dann trotzdem der Person des menschlichen Agentenherrn zurechnen. Dabei stellt sich aber schon die Frage, ob dem individuellen Menschen überhaupt noch eine Risikohaftung für derart unbeherrschbare Anwendungen zugemutet werden darf; insoweit näher an der Problematik Wiebe, Die elek­ tronische Willenserklärung, 2002, 216 ff. 110

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Agenten noch menschlichen Individuen als deren quasi-personale Bestandteile zuzurechnen – und unter welchen Bedingungen müssen sie anderen Risikosphären zugeordnet, womöglich sogar als teilrechtsfähige Subjekte angesehen werden?111 Zugegeben: Es mag schon ungewöhnlich genug erscheinen, Menschen und informationstechnische Systeme als assoziierte Teile eines erweiterten menschlich-artifiziellen Rechtssubjekts anzusehen. Umso fremder dürfte dann der Gedanke anmuten, dass die artifiziellen Teile unter bestimmten Bedingungen eine eigene Rechtssubjektivität erlangen könnten. Dabei sollte aber weiterhin im Auge behalten werden, dass Rechtsfähigkeit in zahlreichen Zwischenstufen auftritt und keineswegs unmittelbar von irgendwelchen intrinsischen Eigenschaften einer Entität abhängt, sondern vielmehr funktional zugeschrieben wird. Wenn Softwareagenten nicht mehr bloß nach vorhersehbaren Programmen, sondern zunehmend flexibel und eigendynamisch operieren,112 wenn sie also nicht mehr nur „automatisch“, sondern in einem spezifischen Sinne auch „autonom“ agieren, kurzum: wenn sie als „autonome Automaten“113 auftreten, wa­ rum sollte ihre rechtliche Einordnung dann nicht wieder verstärkt auf Konzepte zurückgreifen, die bereits auf die Interventionen dritter, selbständig handelnder Akteure eingestellt sind? In Betracht zu ziehen ist damit vor allem das im deutschen Zivilrecht in §§  164 ff. BGB normierte Recht der Stellvertretung, das entsprechend auch Softwareagenten als Vertreter des menschlichen Nutzers oder „Agentenherren“ behandeln könnte.114 Die Anwendung der Regeln der Stellvertretung wird für gewöhnlich schon mit der Begründung verworfen, dass Softwareagenten wie andere Programme auch keine eigenverantwortlich handelnden Rechtssubjekte, also nicht rechtsfähig, geschweige denn beschränkt geschäftsfähig seien und damit die Voraussetzungen der Stellvertretung von vornherein verfehlen.115 Doch an dieser Stelle 111  Vgl. hierzu Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/ Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. (17). 112   Von dieser Voraussetzung konnten frühe Arbeiten zur „automatisierten Willenserklärung“ noch nicht ausgehen. Dennoch richtungweisend bereits Helmut Köhler, Die Problematik automatisierter Rechtsvorgänge, insbesondere von Willenserklärungen, AcP 182 (1982), 126 ff. (132 ff.). 113  Dazu Gruber/Bung/Ziemann (Hg.), Autonome Automaten, 2014. 114  Vgl. Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/Graber/ Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. (10 ff. und 23 ff.). 115  Vgl. etwa Kai Cornelius, Vertragsabschluss durch autonome elektronische Agenten, MMR 2002, 353 ff. (354 f.); siehe auch Gitter, Softwareagenten im elektronischen Geschäftsverkehr, 2007, 178.; demgegenüber zur prinzipiellen Möglichkeit der Zuerkennung von Rechtssubjektivität bereits Lawrence B. Solum, Legal Personhood for Artificial Intelligences, North Carolina Law Review 1992, Vol.  70, 1231 ff.; Tom Allen/Robin Widdison, Can Computers Make Contracts?, Harvard Journal of Law & Technology 1996, Vol.  9, 25 ff. (35 ff.); Emily M. Weitzenboeck, Electronic Agents and the Formation of Contracts, International Journal of

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

lohnt es sich, noch einmal auf Eugen Ehrlichs Ausführungen zur Rechtsfähigkeit zu verweisen: Es gibt sie eben nicht, „die“ (eine) Rechtsfähigkeit. Als gesellschaftliche Institution erscheint sie auch heute – vielleicht mehr denn je – im Plural: Ehrlich hat bereits eindringlich gezeigt, wie vielfältig konstruierbar die semantischen Artefakte sind, die uns in der gesellschaftlichen und rechtlichen Kommunikation begegnen, ob als mehr oder weniger in ihrer Rechtsfähigkeit beschränkte oder erweiterte Rechtssubjekte, als Rechtssubjektsteile oder Teilrechtssubjekte, als Personen oder auch als partielle Personen. Deshalb ist es keineswegs abwegig, Softwareagenten und autonomen Programmen eine Teilrechtsfähigkeit zuzuerkennen – eine Rechtsfähigkeit, die freilich zunächst beschränkt ist auf die Fähigkeit, rechtswirksame Willenserklärungen als (Quasi‑)Stellvertreter abzugeben.116 Darüber hinaus ist es aber durchaus noch denkbar, ihnen bei Bedarf noch weitere Aspekte der Rechtsfähigkeit zuzuweisen, etwa eine gewisse Vermögensfähigkeit, um bereits vor einem „risikogeneigten“ Einsatz im elektronischen Rechtsverkehr eine ausreichende Haftungsmasse zur Verfügung zu halten.117 Natürlich kommen in dieser Hinsicht auch weitere Konzepte, zum Beispiel Pflichtversicherungslösungen nach dem Vorbild anderer technischer Risikobereiche in Betracht.118 Auch ist zu Law and Information Technology 2001, Vol.  9, 204 ff. (209 ff.); Steffen Wettig/Eberhard Zehendner, A legal analysis of human and electronic agents, Artificial Intelligence and Law 2004, Vol.  12, 111 ff. (122 ff.); Francisco Andrade/Paulo Novais/José Machado/José Neves, Contracting agents: legal personality and representation, Artificial Intelligence and Law 2007, Vol.  15, 357 ff. (361 ff.); Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. (8 ff.); Giovanni Sartor, Cognitive automata and the law: electronic contracting and the intentionality of software agents, Artificial Intelligence and Law 2009, Vol.  17, 253 ff. (282 ff.). 116  Vgl. hierzu Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/ Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. (23): „Die neue Differenz des elektronischen Vertragsrechts heisst: Vertretungsfähigkeit – ja, Geschäfts- oder Rechtsfähigkeit – nein.“ Streng genommen ist aber bereits in der Vertretungsfähigkeit eine der „Zwischenstufen“ der Rechtsfähigkeit zu erkennen. Es geht also weniger um eine Vertretungsfähigkeit ohne Rechts- oder Geschäftsfähigkeit – vielmehr handelt es sich dabei um eine Teilrechtsfähigkeit als Vertretungsfähigkeit. 117   Vgl. hierzu vor allem das Konzept der „elektronischen Person“ von Wettig/Zehendner, Artificial Intelligence and Law 2004, Vol.  12, 111 ff. (127 ff.); dazu näher Steffen Wettig, Vertragsschluss mittels elektronischer Agenten. Eine interdisziplinäre Untersuchung mit juristischem Schwerpunkt unter Einbeziehung internationaler, technischer und philosophischer Aspekte, Berlin 2010, 369 ff. Eine eigenständige Haftung für Rechtsverletzungen ist dann ebenfalls denkbar, sofern die „ePerson“ schließlich auch für deliktsfähig gehalten wird. Grundlegend zur Frage der „maschinellen Haftung“ bereits Leon E. Wein, The Responsibility of Intelligent Artifacts: Toward an Automation Jurisprudence, Harvard Journal of Law & Technology 1992, Vol.  6 , 103 ff. (111 ff.). 118   Vgl. bereits Curtis E. A. Karnow, Liability for Distributed Artificial Intelligences, Berkeley Technology Law Journal 1996, Vol.  11, 147 ff. (193 ff.). Der Gedanke an mögliche Äquivalente zur Kraftfahrzeugversicherung wird schon durch die neueren Entwicklungen softwaregesteuerter „Roboterautos“ nahegelegt; siehe unter .

Erster Titel. Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte

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vermuten, dass sich ein Stellvertretungsrecht der Softwareagenten als ein neues „Sonderrecht“119 in eine etwas andere Richtung entwickeln wird als das tradierte „humane“ Stellvertretungsrecht.

VII.  Grenzen der Rechtsfähigkeit: Soziale Ontogenese und moralisch-rechtliche Geburt als Bedingungen der personalen Anerkennung Soweit informationstechnische Systeme einerseits neue, externalisierte Bereiche der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung, andererseits neue soziale Akteure herausbilden, mag es nach alledem sogar als prinzipiell denkbar erscheinen, unter gewissen Voraussetzungen auch nicht-körperlichen, nicht-lebendigen, informationstechnischen Artefakten Personalität zuzuschreiben. Einschränkungen ergeben sich hier jedoch daraus, dass informationstechnische Systeme trotz ihrer Komplexität und kommunikativen Kapazitäten in der Regel noch immer nicht für bewusste, denkende, wahrnehmende, sozialfähige, imitationsfähige, geschweige denn lebendige Wesen gehalten werden. Demnach ist jedenfalls davon auszugehen, dass artifizielle Akteure im Recht weiterhin auf eine andere, dem technischen Medium entsprechende Weise „personifiziert“ werden als lebendige Menschen. Ein eigenständiger Schutz von Persönlichkeit und Würde setzt dabei gewiss mehr voraus als bloße Rechtsfähigkeit in dem für Softwareagenten angedachten, eingeschränkten Sinn. Informationstechnische Systeme mögen bereits heute nicht mehr nur als rein technische Artefakte zu qualifizieren sein, sondern zugleich als soziale Medien, mitunter auch als eigenständige Akteure, die als komplexe, eigendynamisch operierende, womöglich sogar eigensinnige „Agenten“ mitkommunizieren. Sie mögen auch zu Willenserklärungen und Vertragsschlüssen in der Lage sein und in dieser Hinsicht als (partiell) rechts- und geschäftsfähig gelten. Zu rechtlich geschützten, etwa mit Grundrechten ausgestatteten Wesen werden sie dadurch aber noch lange nicht – und zwar auch dann nicht, wenn sie eines Tages ein ähnlich intelligentes Verhalten zeigen sollten wie Menschen. Erst wenn es artifiziellen Wesen im Laufe ihrer zukünftigen Entwicklung gelingen sollte, als soziale Mitglieder in die menschliche Gesellschaft eingebunden zu werden, kommt auch eine Anerkennung ihres quasi-personalen Eigenwertes in Betracht. Das setzt aber zuallererst eine gewisse soziale Nähe zu Menschen voraus. Um zu erreichen, dass Menschen gegenüber nichtmenschlichen 119  Vgl. Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/Graber/ Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. (23).

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Artefakten eine personale Haltung120 einnehmen, müssten diese nicht nur intelligent handeln, sondern darüber hinaus als menschenähnlich wahrnehmbar sein. Sie müssten daher eine gewisse geistige und auch körperliche Identität aufweisen und ähnlich wie lebendige Wesen nach Anerkennung oder wenigstens Zuwendung streben, ferner müssten sie zumindest teilweise sozial- und verständigungsfähig sein.121 Nur wenn sie diese Bedingungen erfüllen, haben sie eine Aussicht darauf, in die Menschengesellschaft aufgenommen zu werden als Wesen, denen Sympathie und Mitleid, Fürsorge und Schutz, insbesondere auch rechtlicher Schutz ihrer eigenen, dann insoweit personal begründeten Würde zu gewähren sind. Die personale Anerkennung in Menschengesellschaft stellt sich folglich als ein „Zur-sozialen-Welt-Kommen“ dar, das sich auch als eine moralisch-rechtliche Geburt beschreiben lässt, die zunächst einen sozialen Entwicklungsprozess voraussetzt, in dessen Verlauf ein Wesen erst allmählich zu einem Mitglied der Menschengesellschaft heranwächst und dann schließlich den moralischen und rechtlichen Status eines Menschen, gewissermaßen eine Rechtssubjektivität im moralischen Sinn, mithin Rechtspersonalität erlangt. Die „Vollendung der Geburt“ als Bedingung der „Rechtsfähigkeit des Menschen“ (§  1 BGB) ist dabei keineswegs, wie es scheinen mag, rein empirisch bestimmbar, sondern bedarf zuallererst einer normativen Festlegung, wer zur Gattung „des“ Menschen gehören und ab welchem Zeitpunkt seine soziale Mitgliedschaft in Menschengesellschaft beginnen soll.122 Hinreichend menschenähnliche Wesen haben daher durchaus Aussicht darauf, eines Tages wie Menschen behandelt zu werden oder auch als Menschen zu gelten. Doch Menschenähnlichkeit setzt neben kognitiven Fähigkeiten eben auch gewisse körperliche Eigenschaften voraus. Diese lassen sich ohnehin nicht mehr isoliert voneinander betrachten: Denken lässt sich nämlich nicht etwa im Sinne älterer funktionaler, insbesondere computationaler Vorstellungen über den menschlichen Geist123 auf Software und Programme reduzieren, die innerhalb 120   Zu den Voraussetzungen der personalen Haltung im zwischenmenschlichen Bereich siehe Strawson, Freiheit und Übelnehmen, in: Pothast (Hg.), Seminar: Freies Handeln und Determinismus. 2.  Auflage 1988, 201 ff. (208 ff.). 121  Vgl. entsprechend Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 119 ff.; ders., „Menschenwürde“ – Menschlichkeit als Bedingung der Würde?, in: Baranzke/Duttge (Hg.), Autonomie und Würde, 2013, 417 ff. (432 ff.); sowie ders., Was spricht gegen Maschinenrechte?, in: Gruber/Bung/ Ziemann (Hg.), Autonome Automaten, 2014, 191 ff. (199 ff.). 122   Näher hierzu Gruber, „Menschenwürde“ – Menschlichkeit als Bedingung der Würde?, in: Baranzke/ Duttge (Hg.), Autonomie und Würde, 2013, 417 ff. (421 ff.); ders., Was spricht gegen Maschinenrechte?, in: Gruber/Bung/Ziemann (Hg.), Autonome Automaten, 2014, 191 ff. (199 ff.). 123   Unter den funktionalen Computertheorien des Geistes siehe vor allem Hilary Putnam, Minds and Machines, in: Sidney Hook (Hg.), Dimensions of Mind. A Symposium, New York 1960, 148 ff.; Ned Block, The Mind as the Software of the Brain, in: Edward E. Smith/Daniel N. Osherson (Hg.), Thinking. An Invitation to Cognitive Science, Vol.  3, 2. Ed., Cambridge

Erster Titel. Informationstechnische Handlungs- und Verantwortungssubjekte

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einer prinzipiell beliebig konstruierbaren Hardware ablaufen könnten. Vielmehr ist es nur auf der Basis der „Wetware“124 eines lebendigen Körpers überhaupt denkbar. Denn der Denkende unterscheidet sich vom bloß Programmierten gerade dadurch, dass seine Gedanken durch eine eigene, selbst erlebte und leiblich erfahrene, insofern authentische Entwicklungs- und Lebensgeschichte ihren Sinn gewonnen haben und nicht erst von fremder Hand „einprogrammiert“ worden sind. Dass gerade auch komplexe kognitive Fähigkeiten heute nur noch als verkörperte Prozesse begriffen werden können, zeigen nicht zuletzt auch die jüngeren neurowissenschaftlichen Erkenntnisse über die Beteiligung des motorischen Nervensystems an den neuronalen Transformationsleistungen, aufgrund derer Menschen die in ihrer Umgebung beobachtbaren Gegenstände räumlich bestimmen und darauf bezogene Bewegungen als Akte ausführen,125 aber auch die Handlungen anderer Menschen wahrnehmen und diese als Interaktionspartner erkennen können.126 Es bedarf also menschlicher oder lebendiger Körper zumindest, die dazu imstande sind, die Handlungen ihres jeweiligen Gegenübers aufgrund ihrer eigenen visuo- und sensomotorisch zusammengesetzten Lebensgeschichte wie eigene Akte nachzuempfinden und schließlich phänomenal – in der wechselseitigen Beobachtung – einen gemeinsamen Handlungsraum herauszubilden.127 Aber damit ist noch immer nicht ausgeschlossen, dass es nicht doch in fernerer Zukunft einem informationstechnischen System in der körperlichen Gestalt eines mehr oder weniger humanoiden Roboters gelingen könnte, trotz seines artifiziellen Ursprungs als lebendig, ja sogar als menschenähnlich zu gelten, weil Menschen seine Akte wie eigene Handlungen nachvollziehen können und weil sie es mitfühlend als Wesen mit ähnlichen Erfahrungen, Empfindungen und Verletzbarkeiten wahrnehmen, kurz: weil Menschen sich ihm verbunden, verwandt, nahe fühlen. Das jedoch wäre der Anfang einer neuen Form von Rechtssubjektivität.

(MA) 1995, 377 ff.; ders., Consciousness, Function, and Representation. Collected Papers Vol.  I, Cambridge (MA) 2007, 27 ff. und 141 ff. 124   Freilich ist die Versuchung groß, auch lebendige Körper wieder ausschließlich computational zu beschreiben; vgl. etwa Dennis Bray, Wetware: The Computer in Every Living Cell, New Haven 2009. 125   Gallese, Phenomenology and the Cognitive Sciences 2005, Vol.  4, 23 ff. 126   Dazu, insbesondere zur Rolle der Spiegelneurone, Rizzolatti/Sinigaglia, Empathie und Spiegelneurone, 2008, 91 ff. 127   Eingehend hierzu Gruber, Normen der Empathie – zur Einfühlung, in: Gruber/Häußler (Hg.): Normen der Empathie, 2012, 9 ff.; zur räumlich-zeitlichen Verankerung des Leibes und der darauf basierenden Möglichkeit der Wahrnehmung eines Anderen siehe vor allem Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966 (Nachdruck 1974), 169 ff. und 397 ff.; vgl. im Übrigen oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, III. (S.  77 ff.).

Zweiter Titel

Technische Verkörperungen als Mensch-Maschine-Assoziationen Für die Frage nach dem rechtlichen Umgang mit der gegenwärtigen Robotik128 sind etwaige Überlegungen zu einem quasi-menschlichen Rechtsschutz von körperlichen, womöglich sogar biotischen „Androiden“ oder „Gynoiden“ allerdings noch kaum relevant.129 Denn abgesehen von einigen Versuchen, Puppen und Spielzeuge mit besonderen technischen Funktionen auszustatten,130 wird es auf absehbare Zeit keine humanoiden Roboter, nicht einmal tierähnliche Maschinen geben, deren Fähigkeiten und Verhaltensweisen auch nur annähernd mit denen ihrer lebendigen Vorbilder vergleichbar wären. Als mögliche Verantwortungs- und Rechtssubjekte im moralischen Sinn kommen Roboter daher gar nicht erst in Betracht, und es wäre auch ganz und gar abwegig, sie etwa ähnlich wie Tiere einem ethisch begründeten Rechtsschutz zu unterstellen.131 Derartige Vorstellungen scheitern nicht erst an den Grenzen moralischer und rechtlicher Statuszuschreibungen, sondern schon an den technischen Möglichkeiten und Tatsachen.

128   Vgl. hierzu die Erstfassung des nachfolgenden Textteils: Malte-Christian Gruber, Zumutung und Zumutbarkeit von Verantwortung in Mensch-Maschine-Assoziationen. Ein Beitrag zur zivilrechtlichen Entwicklung der Roboterhaftung, in: Eric Hilgendorf/Jan-Philipp Günther (Hg.), Robotik und Gesetzgebung, Baden-Baden 2013, 123 ff. 129   Das bedeutet freilich nicht, dass es hierzu noch keine eigene Wissenschaftsdisziplin geben könnte – vgl. nur Karl F. MacDorman, Introduction to the special issue on android science, Connection Science 2006, Vol.  18, No.  4, 313 ff.; sowie insbesondere Hiroshi Ishiguro, Android science: conscious and subconscious recognition, Connection Science 2006, Vol.  18, No.  4, 319 ff. 130   Dass es bei der gegenwärtigen Fortentwicklung von Menschen- oder Tierpuppen keineswegs ausschließlich um die Herstellung von Unterhaltungsartikeln geht, beweist etwa der therapeutische Einsatz der Roboter-Robbe „Paro“ bei Demenzkranken; siehe unter: . In eine ganz andere Richtung weist die Puppenproduktion, wenn es um die Erschließung von Märkten für Sexspielzeuge geht. Siehe dazu insbesondere Eric Hilgendorf, Roboterprostitution. Gedankenspiele zwischen Recht und Moral, in: Malte-Christian Gruber/Jochen Bung/Sascha Ziemann (Hg.), Autonome Automaten. Künstliche Körper und artifizielle Agenten in der technisierten Gesellschaft, Berlin 2014, 221 ff. 131   Zu den Voraussetzungen eines solchen ethischen Rechtsschutzes siehe Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 128 ff. und 160 ff.; zu den weiteren Bedingungen einer auf der Anerkennung eines personalen Eigenwertes beruhenden Rechtssubjektivität im moralischen Sinn vgl. oben, Fn.  121, in diesem Abschnitt.

Zweiter Titel. Technische Verkörperungen

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Die Entwicklung und Herstellung so genannter, jedoch allenfalls in einem ganz basalen Sinne „autonomer“ Systeme konzentriert sich gerade nicht darauf, etwa artifizielle Individuen nach dem Vorbild von Menschen oder Tieren zu erschaffen, die sich ähnlich unvorhersehbar wie natürliche Einzellebewesen verhalten könnten. Abgesehen davon, dass es durchaus fraglich ist, ob die Herstellung solcher Systeme überhaupt möglich wäre, ist sie zumindest nicht wünschenswert: Roboter als isolierte Einzelwesen zu konstruieren, mag vielleicht bei Science-Fiction- und Tech-Nostalgikern noch ein gewisses Unterhaltungsinteresse wecken; dem Rechts- und Geschäftsverkehr würden solcherart kon­ struierte Spielzeuge indessen weitgehend fremd bleiben.

I.  Robotikforschung: Verantwortungszumutungen im Risikohaftungsrecht Die Robotikforschung zielt stattdessen vornehmlich in eine ganz andere, von ihrer engen Verbindung mit der Informations- und Kommunikationstechnologie bestimmten Richtung: Sie konzentriert sich auf die Entwicklung verkörperter und damit in der körperlichen „Dingwelt“ operierender informationstechnischer Systeme, deren Einsatzbereiche dabei jedoch auf spezifische Anwendungskontexte, etwa in medizinischen Operationssälen132 , im Straßenverkehr133 oder auch in Privathaushalten134 , beschränkt bleiben. Diese Systeme können nicht als anthropomorphe Individuen konstruiert werden, sondern müssen wie andere informationstechnische Systeme auch vernetzt sein, um ihre Aufgaben erfüllen zu können: Operationsroboter funktionieren nur in Verbindung mit anderen informationstechnischen Systemen und vor allem in Abhängigkeit von Menschen; Roboterautos sind auf übergreifende Verkehrsleitsysteme angewie132   Auf dem Gebiet der Robotic Surgery dürften zurzeit die so genannten Operationsroboter der „da Vinci“-Serie den gegenwärtigen Stand der Technik repräsentieren. Dabei handelt es sich allerdings noch immer um keine autonomen, sondern um ferngesteuerte Assistenzsysteme für menschliche Operateure. Weitere Information hierzu etwa unter: ; ; . 133   „Autonome Fahrzeuge“ nehmen bereits heute – wenngleich noch unter der Aufsicht menschlicher Fahrer und Beifahrer – als Prototypen am öffentlichen Straßenverkehr teil: ; ; ; ; ; . 134   Eine Entwicklungsperspektive über die bereits auf dem Markt erhältlichen Roboterstaubsauger hinaus zeichnet sich etwa angesichts des mobilen Roboterassistenten „Care-Obot“ des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung ab: .

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

sen, und auch Haushalts- und Serviceroboter werden nicht ohne eine kommunikative Anbindung an haushaltssteuernde Einheiten auskommen. Die Herstellung derartiger, in Assoziationen von Menschen und Maschinen eingebundener und insoweit wohl nicht ganz so „autonomer“ Konstruktionen ist allerdings auch schon schwierig genug: Sie müssen dazu in die Lage versetzt werden, mit anderen Maschinen und auch mit Menschen zu interagieren, zugleich jedoch imstande sein, unabhängig von konkreten Einzelanweisungen – und in diesem Sinn: „autonom“ – in komplexen Umwelten zu operieren, um komplexe Aufgaben zu erfüllen. Die Leistungsvorteile einer größeren Selbständigkeit und Flexibilität autonomer Roboter haben indes eine negative Kehrseite: erhöhte Unsicherheit und Schadensrisiko. Aus Herstellersicht jedenfalls ist es kaum möglich, das zukünftige Verhalten eines autonomen Systems – unter unvorhersehbaren Umweltbedingungen zumal – vollständig vorherzusagen und mögliche Schädigungen in seinem Anwendungsfeld auszuschließen. Die Produktsicherheit kann in solchen Fällen bestenfalls noch mit den Mitteln von Statistik und Probabilistik dokumentiert werden, wobei auch deren Aussagekraft in demselben Maße schwindet, wie neue, unvorhergesehene Umweltfaktoren in der Nutzungspraxis hinzutreten. Als Ausweg aus der scheinbar unüberwindlichen Produktunsicherheit bleibt dann nur noch die formale Verifikation von möglichst systematischen Entwicklungsprozessen und – wie vor allem in der Softwareentwicklung – die Feststellung der Konformität des Produktes. Ob der Produzent dadurch jedoch das notwendige Vertrauen zu seinem Produkt gewinnt, um es am Markt erfolgreich zu platzieren, hängt von weiteren Faktoren ab, die sich insbesondere aus der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Akzeptanz der produktspezifischen Risiken ergeben. Je nachvollziehbarer, verständlicher und auch beherrschbarer ein Risiko erscheint, desto eher dürfte es auch als annehmbar gelten. Ein autonomer Roboter, der dem Nutzer auch nur das Gefühl gibt, jederzeit Herr der Lage zu sein und die Operationen dieses Systems zu verstehen, hat daher grundsätzlich mehr Aussicht darauf, Vertrauen zu gewinnen, als ein völlig autonom arbeitendes System.135 Doch auch Kontrollierbarkeitsillusionen werden nicht ausreichen, um ein dauerhaftes, nachhaltiges Vertrauen auf autonome Systeme zu wecken. Diese Aufgabe dürfte vielmehr dem Recht zukommen, das entsprechende Vorkehrungen für diejenigen Fälle treffen kann, in welchen sich die erwähnten Risiken verwirklichen. Auf den Punkt gebracht geht es um die richtigen, Vertrauen  Auf dieser Erkenntnis beruhen die Entwicklungskonzepte der so genannten Shared Autonomy, wie sie bereits heute in Assistenzsystemen zur Anwendung kommen, welche zumindest einen Teil der automatisierten Abläufe an die Entscheidungen eines menschlichen Nutzers rückkoppeln. Vgl. etwa Cristian Barrué/Ulises Cortés/Roberta Annicchiarico, Shared Autonomy in Assistive Technologies, in: Francisco Sandoval/Alberto Prieto/Joan Cabestany/Manuel Graña (Hg.), Computational and Ambient Intelligence, Lecture Notes in Computer Science 2007, Vol.  4507, 1067 ff. 135

Zweiter Titel. Technische Verkörperungen

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schaffenden Verantwortungszuschreibungen und ‑verteilungen in solchen Unglücks- und Schadensfällen, an denen autonome Systeme beteiligt sind, insbesondere also um die Frage: Wer soll haften, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, das allgemein als akzeptabel erschien? Soll der Schaden denjenigen belasten, bei dem er mehr oder weniger zufällig eingetreten ist („no liability“)? Oder soll ein anderer haften, etwa der Hersteller des schadensverursachenden Roboters, oder vielleicht auch der Betreiber oder der Nutzer („strict liability“, „negligence“)? Oder soll womöglich gar der Roboter selbst als juristische Person rekonstruiert werden, die dann mit einem eigenen Vermögen haften könnte („electronic person“)? Lösungsmöglichkeiten gibt es insoweit viele; umso wichtiger ist es, nicht vorschnell auf allzu einseitige Lösungsmodelle zu setzen, die sich von vornherein etwa auf eine „primäre“ Haftung des Nutzers oder auch des Betreibers konzentrieren. Die zahlreichen konstruktiven Optionen, die das Recht bietet, dürfen nicht ohne weiteres zu schlichten nutzer-, betreiber- oder auch produzentenzentrierten Lösungsrezepten verengt werden. Vielmehr ist zwischen den Optionen sorgfältig zu wählen, und das heißt: Die Wahl der richtigen Option bedarf zunächst einer theoretischen Reflexion, die den Eigenheiten von Robotern und autonomen Systemen als riskanten Innovationen, vor allem auch deren unterschiedlichen Anwendungskontexten mit jeweils eigenen Haftungsverteilungsoptionen und ‑chancen Rechnung trägt. Dabei ist auch weiterhin die Aufgabe des Rechts im Auge zu behalten, den Eigennormativitäten der involvierten Technik- und Anwendungsbereiche gerecht zu werden, indem deren Standards und Normen berücksichtigt werden – dies allerdings wiederum nur unter dem Vorbehalt, einseitige Totalisierungstendenzen durch betreiber-, nutzer- oder produzentennahe Normierungsbestrebungen zu vermeiden und gerade auf diese Weise – mittels entsprechender Verantwortungszuschreibungen und ‑verteilungen – das erforderliche Vertrauen auf die Nützlichkeit und Zuverlässigkeit der technischen Innovationen zu stärken. Haftungskonstruktionen bietet das Recht also in ausreichender Zahl; es geht im Grunde nur noch – aber immerhin – um die Wahl der richtigen Konstruktion für den jeweiligen Fall – einen Fall allerdings, der im Einzelnen nicht präzise vorauszusagen ist. Es kann also auch aus diesem Grund nicht um einfache Lösungsrezepte gehen, vor allem nicht darum, von vornherein das einzig richtige Haftungsmodell für Roboter vorherzubestimmen, sondern lediglich – aber immerhin – darum, Kriterien für die richtige Konstruktionswahl zu erarbeiten und zu benennen. Gewiss bleibt auch deren Richtigkeit von den unsicheren Prognosen über zukünftige Entwicklungen abhängig. Aber Ungewissheit alleine darf nicht daran hindern, nach den passenden rechtlichen Maßstäben für erwartbare Haftungsfälle der Robotik zu suchen und diese gegebenenfalls mit Rücksicht auf deren Besonderheiten fortzuentwickeln. Der Suchende kann sich dabei an mehreren Fixpunkten orientieren: zunächst an der Geschichte des

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Haftungsrechts, und zwar diesseits und jenseits der nationalen Grenzen, des Weiteren an den Selbstnormierungs- und Standardisierungsbestrebungen innerhalb der Robotik, und schließlich, aber nicht zuletzt an denjenigen rechtsund sozialtheoretischen Perspektiven, welche ihr besonderes Augenmerk auf die neuen Phänomene der Informationstechnologie richten und auf diese Weise die besten Aussichten bieten, den spezifischen Problemen der Robotik gerecht zu werden. An diese Orientierungspunkte anknüpfend soll im Folgenden zunächst ein Blick auf den früheren rechtlichen Umgang mit technischen Innovationen weitere Perspektiven auf ein zukünftiges Roboterhaftungsrecht eröffnen: Die Haftungskonzepte, mit denen das Recht seit der Industrialisierung Verantwortung umverteilt und generell bestimmten, mehr oder weniger beteiligten Personen zuteilt, könnten danach grundsätzlich auch auf die besonderen Innovationen der Robotik anwendbar sein. Besondere Entsprechungen finden sich indes angesichts gegenwärtiger Praktiken der Verantwortungszuschreibung in der elektronischen Kommunikation: Diese bestimmen die Verantwortlichkeit Einzelner für Rechtsverletzungen, die sie nicht eigenhändig begangen haben, buchstäblich entlang der Grenzen der Zumutbarkeit.136 Die in diesem Zusammenhang erkennbaren Probleme und Lösungsansätze stellen geeignete Ausgangspunkte dar, um die zugrunde liegenden Haftungs- und Verantwortungsmodelle beim Einsatz informationstechnischer Systeme zu reflektieren und darauf basierend ein Konzept technischer Verantwortlichkeit für den besonderen Bereich der Robotik zu entwerfen.

II.  Jenseits von Ursache und Schuld: Funktionalisierung der Haftung für technologisch-industrielle Risiken Technische Innovationen sind aus der Sicht eines modernen Haftungsrechts im Grunde nichts Neues: Wenngleich „autonome“ Roboter im heutigen gesellschaftlichen Alltag noch als völlig ungewöhnlich erscheinen mögen, so dürften sie hinsichtlich ihrer Neuheit doch kaum anders einzuschätzen sein als etwa die alte, ursprünglich von vielen für abwegig gehaltene Idee, eine Kutsche mit Hilfe einer kleinen Dampfmaschine selbständig, „autonom“137 zu bewegen. Vor dem Hintergrund vieler schwerer Unfälle, die sich schon etwa seit dem 18. Jahrhundert beim industriellen Betrieb stationärer Dampfmaschinen ereignet hatten,138   Siehe dazu den vorhergehenden 1. Titel in diesem Abschnitt. (S.  223 ff.).   Sicherlich wird der Autonomiebegriff an dieser Stelle überstrapaziert – ähnlich allerdings wie in zahlreichen anderen Fällen, in denen derzeit von „autonomen Robotern“ oder „autonomen Automaten“ die Rede ist. 138  Vgl. Richard L. Hills, Power from Steam: A History of the Stationary Steam Engine, Cambridge (MA) 1989; für eine zeitgenössische Beschreibung der besonderen Betriebsgefah136 137

Zweiter Titel. Technische Verkörperungen

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musste der Einsatz einer derart riskanten Technologie im mobilen Bereich des Personen- und Gütertransports, namentlich in Gestalt dampfbetriebener Lokomotiven, früher als geradezu wahnwitzig gelten. Und dennoch überwog das gesellschaftliche Interesse an der verkehrstechnischen Innovation offensichtlich alle Bedenken hinsichtlich ihrer durchaus beachtlichen Gefahren. Die Fortentwicklung der Dampflokomotiven war dabei zwangsläufig mit weiteren Unglücksfällen verbunden, die gewiss nicht alleine auf die Gefährlichkeit der Eisenbahnen selbst zurückzuführen waren, sondern etwa auch auf das unangepasste Verhalten von Betreibern und Nutzern, die mit derartigen maschinellen Kräften im Transportwesen einfachhin noch nicht vertraut waren.139 Die spezifischen Risiken des Eisenbahnbetriebs hatten ihre Ursachen allerdings weniger im Verhalten der Menschen als vielmehr in den Produktions- und Betriebsprozessen als solchen: Zunehmend schwierig gestaltete sich insoweit die Suche nach menschlichen Verursachern oder gar Schuldigen in den allermeisten Schadensfällen, die konsequent richtig als Eisenbahnunfälle zu behandeln waren. Vor allem das in der Ökonomischen Analyse des Rechts berühmt gewordene Fallbeispiel brennender Wälder oder Getreidefelder, die durch den Funkenflug einer Dampflokomotive in Brand geraten,140 verdeutlicht diese beren von Dampfmaschinen etwa Nicolaus N. W. Meissner, Geschichte und erklärende Beschreibung der Dampfmaschinen, Dampfschiffe, und Eisenbahnen, Leipzig 1839, 81 ff., welcher die Hauptursachen aber – ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend – vor allem in einer unverantwortlichen „Sorglosigkeit“ der Maschinenmeister und Heizer und nicht in der „[b]ei gehörigem Zustande und guter Wartung … beinahe als völlig gefahrlos“ erachteten Maschine gesehen hat. 139   Einer der ersten Personenunfälle mit „Stephenson’s Rocket“, einer der berühmtesten frühen Dampflokomotiven, bei dem ein britischer Parlamentsabgeordneter am 15. September 1830 durch eigene Unachtsamkeit ums Leben gekommen ist, dürfte auf diese mangelnde Vertrautheit des Publikums zurückzuführen sein. Der Name der Lokomotive macht allerdings auch deutlich, dass sie keineswegs als harmlos gegolten haben kann. Zur Geschichte von „Stephenson’s Rocket“ siehe etwa Nick Smith, Classic Projects, in: Engineering & Technology 2011, Vol.  6 , Issue 6, 112 f.; Richard Gibbon, Stephenson’s Rocket and the Rainhill Trials, Oxford 2010; Anthony Burton, The Rainhill Story, London 1980. Gewiss bleibt es weiterhin eine Frage der Zurechnung, ob unangepasstes Verhalten im Umgang mit neuen Technologien einen Fall von eigen- oder gar unverantwortlicher Selbstgefährdung darstellt oder letztlich nicht doch zu den besonderen Risiken der Technik selbst gezählt werden muss. Heutige Sicherheitsstandards müssen jedenfalls in zunehmendem Maße auch der Möglichkeit menschlichen Fehlverhaltens Rechnung tragen, soweit dieses vorhersehbar ist. Vgl. hierzu §  4 des erst unlängst außer Kraft getretenen GPSG sowie den nunmehr geltenden §  3 ProdSG, nach dem ein Produkt grundsätzlich nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden darf, „wenn es bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet“. 140   Das auf tatsächlichen Rechtsstreitigkeiten basierende Beispiel stammt ursprünglich von Arthur C. Pigou, der diesbezüglich die Erhebung einer entsprechenden Steuer zur Internalisierung negativer externer Effekte – hier: der Vernichtung von Wäldern – für notwendig erachtete. Siehe Pigou, The Economics of Welfare, 4.  Auflage, London 1932, 134. Anhand dieses Beispiels und vor allem mit Blick auf die Fallvariation brennender Getreidefelder präsentierte Ronald H. Coase, The Problem of Social Cost, Journal of Law and Economics 1960, Vol.  3,

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

sondere Art der Verwirklichung spezifischer Eisenbahnrisiken: Weder der Lokführer noch das Eisenbahnunternehmen und noch weniger der Eisenbahnhersteller können ohne weiteres für die daraus entstehenden Schäden verantwortlich gemacht werden, wenn sie zuvor alle technisch möglichen und zumutbaren Vorkehrungen getroffen haben, um einen – letztlich nicht vollständig vermeidbaren – Funkenflug zu verhindern. Es ist das besondere Verdienst der Ökonomischen Analyse, anhand derartiger Fälle gezeigt zu haben, dass die alten Prinzipien zivilrechtlicher Haftung, namentlich das Verursacher- und das Verschuldensprinzip, für moderne, technologisch-industrielle Schadensereignisse keine eindeutigen Kriterien der Verantwortungszurechnung mehr liefern können. Mit ihren Mitteln lässt sich nämlich weder plausibel machen, dass ein individuelles Fehlverhalten eines einzelnen Beteiligten zu einem Schaden im Sinne einer Verwirklichung des technischen Risikos geführt hat, noch lässt sich überhaupt immer nur eine bestimmte Partei als Verursacher ausmachen. Zwar mag auf den ersten, juristisch-traditionell orientierten Blick die Bahn als Verursacher des Funkenflugs und mithin des durch die Vernichtung der Wälder und Getreidefelder hervorgerufenen Schadens gelten. Doch zumindest aus einer ökonomisch ausgerichteten Perspektive können durchaus auch die Eigentümer der vernichteten Felder als Verursacher zur Verantwortung gezogen werden, da ohne ihr Zutun der genannte Schaden gar nicht erst entstanden wäre: Die landwirtschaftliche, ja vielleicht sogar auch die forstwirtschaftliche Nutzung könnte insoweit ihrerseits als ein eigenständiger Verursachungsbeitrag zum gegebenenfalls entstandenen Schaden gelten, wenn sich die genutzten Flächen in gefährlicher Nähe von Bahnanlagen befinden. Das bürgerliche Recht bietet für diese Fälle immerhin die Möglichkeit, die Verursachungs- und Verschuldensanteile mehrerer Beteiligter nach Adäquanz-, Normzweck- oder Risikosetzungsgesichtspunkten141, sowie nicht zuletzt nach dem Maßstab des Mitverschuldens im Sinne von §  254 BGB zu verteilen. Es lässt aber freilich offen, nach welchen Kriterien sich die Zurechnung des Mitverursachens und Mitverschuldens im Einzelnen richten soll: Soll es einzig und allein darum gehen, wer zuerst vor Ort wirtschaftlich tätig gewesen ist – oder auch darum, wer ein Risiko zuerst gesetzt hat? Wie lässt sich beurteilen, wer im Hinblick auf Mitverursachung und Mitverschulden einen größeren Anteil am Risiko hat? Soll die Bahn auch dann noch haften, wenn es den Landwirten ohne 1 ff. (28 ff.), die anders lautenden normativen Schlüsse der Ökonomischen Analyse. Weitere loci classici: Guido Calabresi, Some Thoughts on Risk Distribution and the Law of Torts, The Yale Law Journal 1961, Vol.  70, 499 ff.; Guido Calabresi/A. Douglas Melamed, Property Rules, Liability Rules, and Inalienability: One View of the Cathedral, Harvard Law Review 1972, Vol.  85, 1089 ff. 141   Vgl. hierzu etwa BGHZ 115, 84: „Der Halter eines Kraftfahrzeuges haftet nicht für Schäden, die durch Panikreaktionen bei Tieren infolge von Unfallgeräuschen ausgelöst werden, wenn sich in dem Schadensfall in erster Linie ein von dem Geschädigten selbst gesetztes Risiko verwirklicht.“

Zweiter Titel. Technische Verkörperungen

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weiteres möglich wäre, ihr Getreide an anderer Stelle anzubauen? Oder sind ihr alternative, ungefährlichere Streckenführungen, womöglich auf kostenträchtigen Umwegen zuzumuten? Während das Recht auf derartige Herausforderungen, in denen Haftungsverantwortung für Produktions- und Betriebsunfälle zuzurechnen und zu verteilen ist, mit seinen Kriterien der Verursachung und des Verschuldens nur recht vage eingehen kann, gibt die Ökonomische Analyse hierzu bereits konkrete Antworten. Statt nach immer weiteren materiellen Maßstäben von Verursachung und Schuld zu suchen und die Verantwortung danach etwa einer vermeintlich risikosetzenden142 Partei zuzumuten, setzt sie von Anfang an auf eine funktionale Betrachtung, und das heißt aus ökonomischer Sicht: Da im Falle der Vernichtung der Felder sowohl die Bahn als auch die Getreidebauern als Verursacher gelten können und weil die Schuldfrage niemals zu einem klaren, für alle nachvollziehbaren Ergebnis führen kann, soll die Haftungsfrage nach Maßgabe der Vermeidung von Transaktionskosten und der optimalen Ressourcenallokation, kurzum: im Sinne der Effizienz beantwortet werden.143 Nach Möglichkeit soll es daher den Konfliktparteien überlassen bleiben, im Wege der Verhandlung zur effizienten, gesellschaftlich gewinnbringenden Lösung im Umgang mit Risiken und Risikoverwirklichungen zu gelangen. Idealerweise, bei vollständiger Vermeidung von Transaktions- oder Verhandlungskosten, wäre es dann sogar gleichermaßen effizient und mithin aus ökonomisch-analytischer Sicht gleichgültig, wer für den Schaden rechtlich aufkommen soll, weil sich dann eben aufgrund von Verhandlungen oder auch Wettbewerb die effiziente Regelung der Schadenstragung finden werde.144   Die Frage, wer ein (im Schadensfall verwirklichtes) Risiko „gesetzt“ hat, bleibt ihrerseits dem Kausalitätsdenken, d.h. der handlungstheoretischen Vorstellung von einfachen, prinzipiell erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen verhaftet und insoweit an den Grenzen des traditionellen juristischen Handlungsbegriffs stehen. Dass Risiken nicht einseitig durch individuelle Akteure gesetzt werden, sondern eine Frage der (akzeptierten oder nicht-akzeptierten) Unsicherheit kontingenter Erwartungen in komplexen Gesellschaftssystemen sind, in denen – wie Niklas Luhmann schreibt – Risiko „ein normales Begleitphänomen alltäglichen Handelns“ geworden ist, gehört zu den wichtigen systemtheoretischen Einsichten in die moderne Differenz von Risiken und Gefahren: „Durch eine immer größere Entscheidungsabhängigkeit unserer Zukunft – oder anders gesagt: durch eine entsprechende Änderung unserer Zurechnungsgewohnheiten – verschiebt sich das Dunkelfeld der Zukunft aus dem Gefahrbereich in den Risikobereich.“ (Luhmann, Verständigung über Risiken und Gefahren, in: Die Moral der Gesellschaft, 2008, 348 ff. [351]; vgl. ferner ders., Die Moral des Risikos und das Risiko der Moral, in: Die Moral der Gesellschaft, 2008, 362 ff.; ders., Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. [148 ff. und 160 ff.]; sowie ders., Soziologie des Risikos, 1991, 30 ff. und 111 ff.). 143   Vgl. hierzu insbesondere Coase, Journal of Law and Economics 1960, Vol.  3, 1 ff. (28 ff.). 144   Damit ist die zentrale Prämisse der Ökonomischen Analyse des Rechts, das so genannte Coase-Theorem, mit dessen kontrafaktischer Annahme angesprochen, dass eine eindeutige Zuordnung von Verfügungsrechten und eine vollständige Vermeidung von Transaktionskosten einen Tausch von Verfügungsrechten in Gang setze, der dazu führe, dass die wirtschaftlichen Ressourcen unabhängig von ihrer ursprünglichen Verteilung den Ort ihrer effizienten 142

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Doch gewiss sind Transaktionskosten in Wirklichkeit unvermeidbar; unter diesen Umständen soll aus der Sicht der Ökonomischen Analyse die effiziente Ressourcenverteilung über (freilich ihrerseits kostenverursachende) soziale Arrangements, etwa durch Fusionen der Beteiligten zu gemeinsamen Unternehmungen oder durch staatliche Regulierungen (oder auch durch Deregulierungen), hergestellt werden.145 Und schließlich soll an dieser Stelle auch die ökonomische Aufgabe des Rechts ansetzen, die Verfügungsrechte von Anfang an so zuzuordnen, dass die danach notwendig werdenden Transaktionskosten so gering wie möglich ausfallen.146 Dem Recht soll demzufolge die Funktion zukommen, unter Effizienzgesichtspunkten darüber zu entscheiden, welchem Akteur die insoweit als „Schädigungsrechte“ verstandenen Verfügungsrechte („property rights“) ursprünglich zustehen sollen und wem in der Folge die Schadenslast im Wege der Haftung für die Verletzung dieser Rechte aufzuerlegen ist. Das legt zunächst einen nach Effizienzkriterien zu bemessenden Vergleich unterschiedlicher Haftungskonstellationen nahe. Dabei stellt sich aus ökonomischer Sicht ein scheinbar klares Ergebnis heraus: Wer für einen eingetretenen Schaden grundsätzlich in vollem Umfang haften soll, ob als Verursacher im Sinne einer „strict liability“ oder aber mangels einer anderweitigen Haftungszuteilung („no liability“) als Betroffener selbst, von dem kann erwartet werden, dass er als „rational actor“ Maßnahmen zur Unfallvermeidung in einem solchen Umfang trifft, dass sich die Grenzkosten für Vorsichtsmaßnahmen und der vorausberechnete Grenzschaden einander angleichen. Wenn daher nur eine Partei überhaupt dazu in der Lage sein sollte, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, so lautet die einfache, allerdings triviale Lösung der Ökonomischen Analyse, dass diese Partei für etwaige Schäden voll einstehen sollte. Dann werde sie nämlich die sozialen Kosten von Unfällen selbständig minimieren, indem sie das unter Kostengesichtspunkten vertretbare, effiziente Maß an Vorsichtsmaßnahmen treffe147 – dies gilt natürlich nur, wenn es sich bei der haftenden Partei um einen

Verwendung finden. Freilich geht dieses Theorem auch deswegen an der Wirklichkeit vorbei, weil es noch nicht einmal klarmacht, ob Verhandlungen oder aber Wettbewerb (oder auch nur bloße Fiktionen von Wettbewerb) letztlich zur optimalen Ressourcenallokation führen sollen. Näher zu diesen offensichtlichen Theoriemängeln Klaus Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit? Auf der Suche nach den philosophischen Grundlagen der Ökonomischen Analyse des Rechts, 3.  Auflage, Berlin 2009, 71 ff., der resümierend die uneingestandene Paradoxie der Ökonomischen Analyse des Rechts aufdeckt: „Coase vermischt offensichtlich das Verhandlungsmodell mit dem Wettbewerbsmarktmodell, was auch die Gültigkeit der Effizienzthese als zweifelhaft erscheinen lässt. Das Coase-Theorem – die zentrale Argumentationsfigur der Ökonomischen Analyse des Rechts – scheint somit einer ökonomischen Analyse selbst nicht standzuhalten.“ (80; Hervorhebung im Original) 145  Vgl. Coase, Journal of Law and Economics 1960, Vol.  3, 1 ff. (15 ff.). 146  Vgl. Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 3.  Auflage 2009, 82. 147  Vgl. Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 3.  Auflage 2009, 95.

Zweiter Titel. Technische Verkörperungen

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(ökonomisch‑)rational agierenden, nutzenmaximierenden Homo oeconomicus148 handeln sollte. Weniger eindeutig gelingt die Formulierung effizienter Haftungsregeln indes, wenn es um die normalerweise vorauszusetzenden Fälle geht, in welchen mehrere Parteien, zu denen mindestens Schädiger und Geschädigter gehören, Maßnahmen zur Schadensvermeidung oder ‑minderung treffen können. Einseitige Haftungszuteilungen können dann jedenfalls keine Anreize mehr zu effizienten Maßnahmen auf derjenigen Seite setzen, welche von der Haftung frei sein soll. Für dieses Dilemma sucht die Ökonomische Analyse einen Ausweg in der Festlegung gesetzlicher Sorgfaltsmaßstäbe, deren Verletzung gegebenenfalls eine Fahrlässigkeitshaftung („negligence liability“) nach sich zieht. Das Maß der geforderten Sorgfalt soll dann von vornherein auf einem effizienten Niveau festgeschrieben werden.149 Was jedoch für eine Vielzahl von zukünftigen Fällen als effizient gelten kann, dürfte ex ante kaum zuverlässig bestimmbar sein. Die Ökonomische Analyse sieht sich an dieser Stelle gezwungen, auf fiktive Bestimmungen, etwa auf die bekannte, wohl auch buchstäblich „marginale“ „Hand Rule“ oder andere, nur in der Fiktion mit Aussagewert zu füllende Faust­regeln auszuweichen.150 Ob solche Regeln auch tatsächlich Effizienz verbürgen, gerät dann zur bloßen Glaubenssache. Denn es ist, wenn nicht unmöglich, so doch mindestens höchst unwahrscheinlich, dass sich – wie etwa im Sinne der „Hand Rule“ – Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie Kosten möglicher Schäden und der dementsprechende optimale Vermeidungsaufwand für jeden möglichen Fall der Zukunft eindeutig vorausberechnen lassen. Sowohl Rechtsprechung als auch Gesetzgebung stoßen hier nicht erst aus dem Grund an ihre Grenzen, dass ein für eine ungewisse Zukunft vorausbestimmter effizienter Sorgfaltsmaßstab an sich unendliche Information über zukünftige Fälle und mögliche Gegenmaßnahmen erfordert, sondern bereits deshalb, weil die Bestimmung der Grenzkosten und Grenzwahrscheinlichkeiten von Unfällen davon abhängt, welche Kosten überhaupt für relevant gehalten und welche Risiken erkannt werden. Nicht alle externen Kosten sind internalisierbar, und nicht jeder Geschädigte wird überhaupt gesehen.151 148   Dass es längst begründete Zweifel an der tatsächliche Existenz, aber auch an der Haltbarkeit einer entsprechenden Modellannahme eines Homo oeconomicus gibt, sei hier nur am Rande bemerkt; für weitere Nachweise siehe Gruber, Normen der Empathie – zur Einfühlung, in: Gruber/Häußler (Hg.), Normen der Empathie, 2012, 9 ff. (17 f.). 149   Näher dazu Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 3.  Auflage 2009, 96 f. 150  Siehe Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 3.  Auflage 2009, 97 ff. 151   Das lässt sich bereits anhand der typischen Beispielsfälle zeigen, in denen die Ökonomische Analyse ohne weiteres davon ausgeht, dass private Arrangements auch zu einem effektiven Schutz von Kollektivgütern führen könnten, etwa wenn es um Luft- oder Gewässerverschmutzungen geht (vgl. Coase, The Problem of Social Cost, Journal of Law and Economics 1960, Vol.  3, 1 ff., 2): Die unmittelbar geschädigten Privateigentümer werden sich in solchen

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Die Ökonomische Analyse findet ihre immanenten Grenzen in ihrem eigenen Reduktionismus, insbesondere in ihrem methodologischen Individualismus, der prinzipiell nur einzelne Menschen als soziale Akteure zu erkennen vermag, mithin gesellschaftliche Phänomene auf bloße Aggregationen individueller Einzelhandlungen zurückführen möchte152 – und nicht zuletzt in ihrer Vorstellung, dass sämtliche Güter und Werte zum Zwecke einer einfachen Kosten-Nutzen-Kalkulation vollständig in eine einzige monetäre Währung transformierbar wären. Für die Inkommensurabilitäten unterschiedlicher Wertsysteme, für Kultur- und Naturgüter, vor allem auch für Würdeansprüche von Menschen und lebendigen Wesen hat sie keinen Begriff, und sie sieht auch lediglich die aktuellen Eigeninteressen gegenwärtiger Akteure, die nur allzu oft in einem fundamentalen Gegensatz zu Nachhaltigkeitsforderungen und Belangen zukünftiger Generationen stehen.153

III.  Jenseits von Individualismus und Effizienz: Sozialisierung der Risikohaftung Die Ökonomische Analyse kann auf Fragen der Legitimität normativer Forderungen und der Gerechtigkeit demnach nur sehr begrenzt, nämlich im Rahmen bereits vorausgesetzter und von ihr nicht weiter gerechtfertigter Zwecke, antworten. Und sie kann bestenfalls in vorläufigen, höchst falliblen Annäherungen Fällen häufig mit Kompensationszahlungen zufrieden geben, welche weit unterhalb der sozialen Kosten des Umweltschadens liegen und die sie ohnehin kaum zur Reparatur des eingetretenen Schadens am betroffenen Naturobjekt einsetzen (zu diesen Schwächen einer ausschließlich individualistisch ausgerichteten Rechtsschutzkonzeption bereits Christopher D. Stone, Should Trees Have Standing? – Toward Legal Rights for Natural Objects, Southern California Law Review 1972, Vol.  45, 450 ff. [459 ff.]; dt.: Umwelt vor Gericht. Die Eigenrechte der Natur, 2.  Auflage, Darmstadt 1992, 25 ff., 33 ff.). Der Fehler der Ökonomischen Analyse liegt offenbar darin begründet, dass ausschließlich menschliche Individuen in ihrer rechtlichen Funktion als private Eigentümer für mögliche Interessenträger – also auch für Träger kollektiver Interessen – gehalten werden und dass in der Folge die externen Kosten wirtschaftlicher Aktivitäten kaum vollständig internalisiert werden können. Die notwendigen Korrekturen werden auch hier wieder in vereinfachenden Fiktionen wie handelbaren Emissionszertifikaten, Emissionsobergrenzen oder anderen „pragmatischen“ hoheitlichen Maßnahmen der Umweltpolitik gesucht. 152  Der Schlüssel zur Auflösung dieser ökonomistischen Selbstbeschränkung dürfte im systemtheoretischen Wechsel der Blickrichtung von gesellschaftlichem Handeln auf Kommunikation liegen, die eine anthropomorphe Fixierung auf menschliche Individuen als (geradezu „körperteilartig“ imaginierte) Glieder der Gesellschaft vermeidet. Dann wird ersichtlich, dass individuelles und kollektives Handeln zwei verschiedene Formen sozialer Handlungs­ attribution darstellen, die nicht aufeinander reduzibel sind. Vgl. hierzu Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 269 ff. und 346 ff.; sowie insbesondere mit Blick auf juristische Zurechnungsprobleme Teubner, Die unsichtbare „Cupola“: Kausalitätskrise und kollektive Zurechnung, in: Lübbe (Hg.), Kausalität und Zurechnung, 1994, 91 ff. 153   Siehe dazu den nachfolgenden 3. Titel in diesem Abschnitt. (S.  294 ff.).

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ihrem eigenen Anspruch gerecht werden, anders als das Recht prospektiv zu wirken und zukünftiges Verhalten steuernd am Maßstab der Effizienz auszurichten. Wenn es jedoch gelingen sollte, die ökonomistischen Fehl- und Kurzschlüsse des Individualismus, der uneingeschränkten Anwendung des Kosten-Nutzen-Kalküls auf Rechts- und Güterkollisionen, wie auch der verfehlten Identifizierung von Effizienz mit Gerechtigkeit zu vermeiden und die eigenen normativen Prämissen zu reflektieren und offenzulegen, verspricht sie – trotz aller theoretisch begründeten Schwächen – für die weitere Entwicklung des Haftungsrechts einen Erkenntnisgewinn. Haftung und Verantwortung, genauer: Verantwortungszumutungen für technologisch-industrielle Risiken sind dann nicht länger an monokausalen Verursachungszusammenhängen menschlicher Individualakteure festzumachen, und zwar auch nicht dergestalt, dass eine Beherrschbarkeit komplexer technischer Vorgänge durch einzelne Menschen fingiert wird. Stattdessen bedarf es angesichts der Vielzahl tatsächlicher Verursacher und Ursachen besonderer Zurechnungskriterien, die über das herkömmliche juristische Adäquanz- und Normzweckschema hinausreichen. Das Lösungsangebot der Ökonomischen Analyse lautet hierzu: Funktionale Orientierung des Haftungsrechts an einer effizienten Verfolgung von zuvor normativ gesetzten Zielbestimmungen, die allerdings nicht nur – wie von der Ökonomischen Analyse noch stillschweigend vorausgesetzt – in einer Steigerung des wirtschaftlichen Nutzens zu suchen sind, sondern auch der Funktionsfähigkeit weiterer gesellschaftlicher Teilsysteme Rechnung tragen müssen. Insbesondere die Innovationsfähigkeit von Wissenschaft und neuen Technologien hängt davon ab, dass die Art und Weise der Verantwortungszurechnung zugleich einen Zugewinn an Vertrauen zu deren Erfindungen und Erzeugnissen bewirkt. Soweit Verantwortlichkeiten für riskante Innovationen möglichst klar und nachvollziehbar einem abgrenzbaren Adressatenkreis in einem festbestimmtem Umfang zugeordnet werden können, dürften auch das Vertrauen und schließlich die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber den neuen Technikprodukten wachsen. Wie dieses technologische Vertrauen speziell mit den Mitteln des Rechts gesteigert werden könnte, mag ein weiterer Fall aus der Geschichte der Eisenbahn zeigen, der zwar lange zurückliegt, aber dennoch für heutige Schwierigkeiten im Umgang mit technologisch-industriellen Innovationen als geradezu paradigmatisch gelten darf: In einer Entscheidung des Reichsgerichts vom 17. März 1879154 ging es um die Frage, ob ein beklagtes Eisenbahnunternehmen nach dem damals geltenden Reichshaftpflichtgesetz (RHPflG) 155 auch für solche Unfälle haften müsste, die   RGZ 1, 247.   Gesetz, betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die beim Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken etc. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen vom 7. Juni 1871, RGBl. 1871, Nr.  25, 207. 154 155

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

sich nicht erst beim Betrieb im Güter- und Personenverkehr, sondern bereits beim Eisenbahnbau ereigneten. Ein mit Erdaushub beladener Zug war an einer Stelle, an welcher der Eisenbahndamm noch nicht fertiggestellt war, auf einem offenbar überlasteten Holzgerüst entgleist. Dabei hatte sich der mitfahrende Kläger verletzt. Die vorinstanzliche Appellationsentscheidung hatte Schadensersatzansprüche noch mit der Begründung abgelehnt, dass die Haftung gemäß §  1 RHPflG156 nach dem Willen des Gesetzgebers nur für Unfälle auf fertigen, als öffentliche Transportunternehmen dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen gelten sollte. Bei den als Hilfsmitteln zum Eisenbahnbau eingesetzten Anlagen handelte es sich nach Ansicht des Appellationsgerichts dahingegen nicht um Eisenbahnen im Sinne des Reichshaftpflichtgesetzes, und deren Betreiber sei auch nicht Betriebsunternehmer einer Eisenbahn, sondern Unternehmer eines Eisenbahnbaues. Das Reichsgericht sah sich demgegenüber zu einem wesentlich allgemeiner gefassten Definitionsversuch des „Eisenbahnunternehmens“ veranlasst,157 der bis in die Gegenwart häufig polemisch als ein typisches Beispiel für „begriffsjuristisches“ Denken zitiert wird. Bei allem Spott158 über den umständlichen Sprachstil des Reichsgerichts lag darin die besondere, innovative Erkenntnis, dass der Begriff der Eisenbahn nicht zu eng verstanden werden durfte, sondern offen sein musste für neue, in der (damaligen) Gegenwart noch nicht vollständig absehbare technische Entwicklungen und Verwendungsweisen – im vorliegenden Fall etwa für die Verwendung von Eisenbahnen außerhalb des üblichen Personen- und Güterverkehrs, namentlich im Eisenbahnbau. Das Urteil steht also 156   §  1 RHPflG lautete wörtlich: „Wenn bei dem Betriebe einer Eisenbahn ein Mensch getödtet oder körperlich verletzt wird, so haftet der Betriebs-Unternehmer für den dadurch entstandenen Schaden, sofern er nicht beweist, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Verletzten verursacht ist.“ 157   Vgl. RGZ 1, 247 (252): „Ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtmassen, beziehungsweise die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf, Elektricität, thierischer oder menschlicher Muskelthätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere der Transportgefäße und deren Ladung, u. s. w.) bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige (je nach den Umständen nur in bezweckter Weise nützliche, oder auch Menschenleben vernichtende und die menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist.“ Heutige Begriffsbestimmungen sind allerdings im Grunde nicht weniger umständlich formuliert; vgl. beispielsweise §  2 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) mit seinen zahlreichen weiteren Begriffsverweisungen. 158   Einen vergleichbaren Spott müssen im Übrigen auch diejenigen befürchten, die aktuell nach allgemein gültigen Definitionen etwa von „Robotern“ und „autonomen Agenten“ suchen.

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gerade nicht exemplarisch für ein so genanntes „begriffsjuristisches“ Denken, sondern vielmehr für den beginnenden Übergang von einer alten, im BGB noch als ausschließliche Funktion des Deliktsrechts vorausgesetzten „personalistischen“ Verschuldenshaftung zu einer verschuldensunabhängigen Kausalhaftung für bestimmte, aus technologisch-industriellen Risiken erwachsende Schäden, welche heutigen Juristen als „Gefährdungshaftung“ geläufig ist.159 In den Worten des Reichsgerichts bezweckte das Reichshaftpflichtgesetz nämlich, „[…] dem Menschenleben und der menschlichen Gesundheit einen weit stärkeren Schutz, als den durchschnittlich nach den verschiedenen […] Grundsätzen über die Verpflichtung zum Schadensersatze gegen diejenigen besonderen Gefahren zu verleihen, welche dadurch entstehen, daß (infolge der Ausbildung der Industrie und Technik der Neuzeit) den menschlichen Sonderzwecken (soweit sie zu bändigen sind, höchst nützliche, bei Entfesselung ihrer, an sich rücksichtslosen, Gewalt in hohem Grade verletzend wirkende) Naturkräfte dienstbar gemacht werden. Derjenige, welcher zur Förderung seiner Zwecke ein Unternehmen betreibt, in welchem er solche Kräfte sich dienstbar macht, soll (unter den sonstigen im Gesetze bestimmten Voraussetzungen) für die bei dem Betriebe dieses Unternehmens erfolgte Tötung oder Verletzung eines Menschen in der im Gesetze bestimmten Weise Schadensersatz leisten, und zwar nach der Bestimmung des ersten Paragraphen des Gesetzes schon dann, wenn die Tötung oder Verletzung nur überhaupt bei jenem Betriebe stattgefunden hat, sofern der Unternehmer nicht nachweist, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder eigenes Verschulden des Getöteten oder Verletzten verursacht worden sei.“160

Es war die „eigenartige Nützlichkeit und gleichzeitig Gefährlichkeit des metallischen Transportgrundes“161, die eine neue, zeitgemäße Form der Risikohaftung jenseits der überkommenen Kriterien der personalistischen Verschuldenszurechnung erforderlich machte. Deren Paradoxien traten nunmehr offen zutage. Im Kern beruhte die Haftung für persönliche Verursachung und Schuld nämlich noch auf der traditionellen, immer weniger zeitgemäßen Vorstellung von individuell handelnden, „freien“ Marktbürgern mit ausschließlichem Eigentum an ihren Produktionsmitteln, die sie selbst beherrschen und über die sie verfügen konnten. Deshalb kam dem Deliktsrecht zunächst auch nur eine Korrektur- und Ausgleichsfunktion gegenüber individuellem Freiheitsmissbrauch zu, die es in Gestalt einer

159   Näher zu diesen Übergängen – ausgehend von den personalistischen Ursprüngen des BGB-Deliktsrechts sowie seinen anfänglichen Beschränkungen auf einen quasi-strafrechtlichen Integritätsschutz von Leben, Körper, Freiheit, Eigentum und fortschreitend zum außerhalb des BGB entwickelten „Haftungsrecht der Industriegesellschaft“ – insbesondere Gert Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, Baden-Baden 1999, 7 ff. und 78 ff.; ferner ders., Haftungsrecht: Struktur, Prinzipien, Schutzbereich. Ein Beitrag zur Europäisierung des Privatrechts, Berlin 2006. 160   RGZ 1, 247 (251). 161   RGZ 1, 247 (251).

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verschuldensabhängigen, quasi-strafrechtlichen Haftung für personale oder sachliche Integritätsverletzungen erfüllen konnte.162 Während danach nicht alleine die Verursachung eines Schadens, sondern vor allem das individuelle Verschulden einen deliktischen Anspruch auf Schadensersatz begründen sollte,163 schien es unter diesen Prämissen bei modernen Verkehrs- und auch Arbeitsunfällen häufig keine Verantwortlichen zu geben. Für die spezifischen, nicht voll beherrschbaren Risiken164 der Dienstbarmachung gefährlicher und zugleich nützlicher Naturkräfte, zu denen insbesondere die Dampfkraft zählte, konnte nach dem Verschuldensprinzip niemand haftbar gemacht werden. Mangels anderweitiger Haftungszuweisungen waren es also zunächst die zufälligen Unfallopfer, in der Regel Passagiere, Industriearbeiter und nicht etwa die Betreiber als hauptsächliche Nutznießer dieser neuen, riskanten Technologien, welche für deren negative Folgen einstehen mussten. Dieser Rechtszustand konnte kaum als gerecht empfunden werden, und das führte bereits frühzeitig zu dezidierten Forderungen nach neuen, technologieund gesellschaftsadäquaten Unterscheidungen – und schließlich zur Entfaltung einer spezifischen, verschuldensunabhängigen Kausalhaftung für bestimmte technologisch-industrielle Risikofelder. Der Eisenbahnverkehr gehörte dabei zu den ersten Gegenständen besonderer Gefährdungshaftungstatbestände.165 Diese unterschieden sich als moderne Formen der Gefährdungshaftung klar von der personalistischen, verschuldensorientierten Haftungszurechnung des BGB-Deliktsrechts, insbesondere auch von der ebenfalls im BGB normierten Gefährdungshaftung des Tierhalters (§  833 S.  1 BGB) und des Jagdberechtigten (§  835 BGB a.F.). Bei der Tierhalter- und Jagdhaftung handelte es sich nämlich im Grunde lediglich um „vormoderne“ Formen der Gefährdungshaftung, welche dem Gedanken einer reinen Kausalhaftung oder absoluten Haftung der jeweiligen Halter- oder Jagdperson verpflichtet waren und sich insoweit noch

162  Siehe Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 8 f. 163   Vgl. hierzu Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 9, unter anderem mit Verweis auf Rudolf v. Jhering, Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, Gießen 1867. 164   Gewiss sind Risiken entgegen einer verbreiteten Vorstellung niemals vollständig beherrschbar oder auch nur messbar oder sonstwie „abzusichern“ – sonst würde es sich eben nicht mehr um Risiken handeln. Siehe hierzu Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff.; ferner ders., Soziologie des Risikos, 1991. Trotzdem ist es unschädlich, vielleicht sogar zweckmäßig, an dieser Stelle noch dem allgemeinen Jargon des Risikodiskurses mit seiner Unterscheidung von Risiko und Sicherheit zu folgen, um das Risiko des Missverstandenwerdens zu begrenzen. 165  Siehe vor allem §  25 Preußisches Eisenbahngesetz (1838) und später §  1 Reichshaftpflichtgesetz (1871); zu den weiteren Entwicklungen des Unfall- und Personenschadensrechts Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 9 ff.

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ganz im Sinne des alten BGB als personalistische Zumutungen von Haftungsverantwortlichkeit erwiesen.166 Demgegenüber stellten die neuen, außerhalb des BGB normierten Gefährdungshaftungstatbestände auf spezifische technologische Risiken ab, die nicht vollständig beherrschbar waren, aber dennoch gesellschaftlich akzeptiert wurden – allerdings um den Preis einer Art „Garantiehaftung“ des jeweiligen Nutznießers, in der Regel also des Halters, Betreibers oder Unternehmers. Dessen Haftungsrisiken wurden im Gegenzug wieder dadurch begrenzt, dass nur bestimmte Integritätsverletzungen und keine reinen Vermögenseinbußen ersatzpflichtig sein sollten. Außerdem wurden neben gewissen relativen Haftungsbegrenzungen, etwa bei höherer Gewalt, unabwendbaren Ereignissen oder eigenverantwortlichen Mitgefährdungen, von vornherein auch absolute Haftungshöchstbeträge gesetzlich fixiert. Das erleichterte wiederum – unter anderem im Interesse der gesellschaftlichen Akzeptanz und des genannten technologischen Vertrauens – die Einführung von Pflichtversicherungen zum Zwecke der Deckungsvorsorge.

IV.  Entindividualisierte Gefährdungshaftung Auf die ersten Regelungen in den Eisenbahngesetzen folgten seither zahlreiche weitere, den technischen Entwicklungen entsprechende Kodifikationen, die allesamt als nachholende Antworten des Gesetzgebers auf technologisch-indus­ trielle Innovationen erscheinen.167 Sie alle haben im Wesentlichen eines miteinander gemein: Der verantwortliche Halter, Betreiber oder Unternehmer haftet für bestimmte, personale oder sachliche Integritätsschäden aufgrund eines spezifischen, gesellschaftlich akzeptierten Risikos, das durch den technischen Betrieb gesetzt wird. Die Haftung wird folglich im Grunde nicht mehr personalistisch zugemutet, sondern betriebs- oder gegenstandsbezogen. Der Betriebsbezug der Haftung ist dabei zuallererst in der Umstellung von einer ursprünglich verschuldensabhängig konzipierten Deliktshaftung auf eine (mehr oder weniger „reine“) Kausalhaftung des Betreibers zu sehen. Aber nicht alleine hinsichtlich des Verschuldensprinzips, sondern auch in Bezug auf das Verursachungsprinzip nimmt die Gefährdungshaftung vom Konzept einer personalistischen Haftungszurechnung Abstand: Neben der Schuldzuweisung 166   Vgl. hierzu Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 82. 167   Zum Beispiel: Kraftfahrzeuggesetz (1909, später: Straßenverkehrsgesetz, 1953), Luftverkehrsgesetz (1922), Sachschädenhaftpflichtgesetz (1940), Wasserhaushaltsgesetz (1957), Atomgesetz (1959), Arzneimittelgesetz (1976), Bundesberggesetz (1980), Produkthaftungsgesetz (1989), Umwelthaftungsgesetz (1990), Gentechnikgesetz (1990); ausführlicher dazu Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 80 ff.

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wird genau genommen auch die Kausalitätszuordnung „entpersonalisiert“ auf den Gegenstand gerichtet. Der riskante Betrieb – und nicht die vermeintlich „risikosetzende“ Betreiberperson – bildet demnach den eigentlichen Anknüpfungspunkt als Schadensursache eines gegebenenfalls verwirklichten Risikos. Etwas präziser gefasst wird die Haftung in konzeptioneller Hinsicht nicht nur „entpersonalisiert“, sondern vor allem „entindividualisiert“: Denn Verantwortlichkeit im Sinne der Gefährdungshaftung kann sich nicht mehr bloß am Handeln eines einzelnen Menschen oder einer aus menschlichen Einzelwesen aggregierten Gruppe orientieren, sobald offensichtlich wird, dass technologische Risiken für Menschen unbeherrschbar und deren Handlungsfolgen mithin unkalkulierbar werden. Anstatt immer wieder auf die – wenngleich verbreitete und für bare Realität gehaltene – Fiktion des vermeintlich frei und völlig selbstbestimmt handelnden Individualakteurs zurückzugreifen, gilt es dann zuallererst zu beobachten, wer in derartigen Risikozusammenhängen überhaupt handelt oder wer zum Handeln gebracht wird. Dabei sind es insbesondere die in Betrieb gesetzten technischen Artefakte und Prozesse, die sich gegenüber menschlichen Akteuren widerständig zeigen und insofern eine eigene Wirkungsmacht entfalten. Unter diesen Bedingungen muss technische Risikoverantwortlichkeit in einem ganz bestimmten Sinne objektiv – nämlich einem Betrieb, einem Unternehmen oder einer vergleichbaren Verbindung von Menschen und Dingen – zugerechnet werden. Und je weniger beherrschbar die Risiken aus der Sicht einzelner Menschen werden, desto deutlicher muss die Haftung an derartigen Mensch-Ding-Assoziationen festmachen, die sich insgesamt als ein kollektives Geflecht von handlungswirksamen Mittlern im Sinne der – auf diesem Feld gegenüber den traditionellen, individualistischen Handlungstheorien überlegenen – Akteur-Netzwerk-Theorie darstellen lassen.168 Danach sind es nicht mehr alleine Menschen als individuelle, mithin für „unteilbar“ erklärte Wesen,169 die handeln, sondern Agenturen, die dergestalt assoziiert sind, dass sie andere dazu bringen, etwas zu tun,170 so dass von ihnen eine verändernde Wirksamkeit171 ausgeht. Dies wird besonders auch in den Anwen168   Vgl. hierzu vor allem Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 66 ff., insbesondere 77: „Handeln ist ein Knoten, eine Schlinge, ein Konglomerat aus vielen überraschenden Handlungsquellen, die man eine nach der anderen zu entwirren lernen muß.“ Vgl. im Übrigen oben, 1. Abschnitt, Fn.  335. 169   Siehe ergänzend Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 347: „Gegen jede Art von individualistischem Reduktionismus wird immer eingewandt, daß er als Reduktionismus den ‚emergenten‘ Eigenschaften sozialer Systeme nicht gerecht werden könne. Wir wenden zusätzlich ein, daß es sich nicht einmal um Reduktionismus handele, sondern nur um eine (extrem verkürzte) Relationierung auf psychische statt auf soziale Systeme. Dieser Sachverhalt wird verstellt, wenn man psychische Systeme kurzerhand als Individuen bezeichnet, also sie als ausreichend charakterisiert ansieht, wenn man sie für ‚unteilbar‘ erklärt.“ 170   Vgl. oben, Fn.  7, in diesem Abschnitt. 171   Zur Übersetzung von agency im Sinne Latours als „Agentur verändernder Wirksamkeit“ siehe bereits oben, Fn.  6 , in diesem Abschnitt.

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dungsbereichen der Gefährdungshaftung, namentlich auf den Risikofeldern technologisch-industrieller Innovationen sichtbar, deren zukünftige Wirkungen für menschliche Akteure von vornherein unbeherrschbar, unvorhersehbar, unkalkulierbar, unmessbar, unsicher, eben notwendig riskant bleiben. Gewiss muss die Haftungsverantwortung auch in solchen Fällen letztlich wieder rechtsfähigen Personen zugeordnet werden, hinter denen sich häufig, keineswegs immer, Menschen verbergen. Die Art und Weise der Verantwortungs- und auch Handlungsattribution an das semantische Artefakt einer Person172 ändert aber nichts an der tatsächlichen Einwirkung, mehr noch: am aktiven Beteiligtsein nichtmenschlicher Wesen, seien es Eisenbahnen oder seien es andere, womöglich komplexere Maschinen. Sobald es menschliche Akteure nicht mehr in der Hand haben, geschweige denn willentlich beherrschen, welche Folgen ihre Aktivitäten im „Tanz der Agenzien“173 letzten Endes entfalten, können allenfalls noch auf das menschliche Individuum fixierte, reduktionistische Sichtbegrenzungen am menschlichen Handeln als „Letztelement“ alles Sozialen festhalten. Diese sehen sich dann allerdings genötigt, menschliche Willens- und Handlungsträgerschaft sowie ‑fähigkeit um erweiternde Fiktionen anzureichern, um nicht die Warte zu verlieren, von der aus sie die mögliche, gar naheliegende Beobachtungsperspektive auf die handlungsleitenden Mechanismen der Mensch-Maschine-Assoziationen ignorieren können. Hat man deren Wirkungszusammenhänge einmal erkannt, kann man demnach zwar auch weiterhin versuchen, alle sozialen Ereignisse ausschließlich als Handeln menschlichen (Individual‑)Bewusstseins zu beschreiben. Doch zumindest im Bereich der „Risikosetzung“ oder des sonst wie „risikogeneigten“ 172  Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 153 ff., 269 ff., 348 ff.; ders., Die Form „Person“, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 142 ff. (146 ff.); darauf aufbauend vor allem Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/ Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. (7 ff.). 173   Dieses treffende Bild eines dance of agency gebraucht Andrew Pickering, ein weiterer namhafter Vertreter des soziologischen Denkens in Assoziationen (vgl. ders., The Mangle of Practice. Time, Agency, and Science, Chicago 1995, 21 ff.). Die gewöhnliche Übersetzung als „Tanz der Wirkungsmacht“ (vgl. ders., Kybernetik und Neue Ontologien, Berlin 2007, 63 ff.; dazu insbesondere auch das Nachwort des Übersetzers Gustav Roßler, 177 ff.) verdunkelt dabei die Vielheit der beteiligten Elemente und deren Verbindungen; sie erweckt möglicherweise den falschen Eindruck, dass menschliche Akteure einer anonymen Macht unterworfen würden. Es geht hier aber nicht etwa um ein bloßes Subjekt der Macht. Die alte Entgegensetzung von Herrschaft und Beherrschtsein, von Freiheit und Zwang oder auch von Emanzipation und Entfremdung sollte an dieser Stelle vielmehr durch Bruno Latours Fragestellung ersetzt werden, „ob wir gut oder schlecht gebunden sind“; vgl. Bruno Latour, Faktur/Fraktur. Vom Netzwerk zur Bindung, in: Martin G. Weiß (Hg.), Bios und Zoë. Die menschliche Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a.M. 2009, 359 ff. (363). Mit Blick auf das Phänomen der agency bevorzugt Latour (a.a.O., 369 f.) schließlich auch das Bild des Marionettenspiels; hierzu auch ders., Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 102 ff. und 368 ff.

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Handelns, kurzum: des notwendig riskanten Entscheidens174 , in dem Menschen die Folgen ihres Handelns nicht mehr willentlich kontrollieren können, sondern nur noch erleben, also allenfalls noch eingeschränkt den Anforderungen des „bewussten“, freien, selbstbestimmten Handelns genügen könnten, ließe eine solche anthropozentrisch-individualistische Beobachtungsweise so viel aus, dass sie kaum noch als adäquate Beobachtung des Sozialen gelten könnte.175 Dieses Soziale besteht eben nicht bloß aus sozialen Handlungen, die alleine auf individuelles Verhalten zurückgeführt werden könnten176 – es ist ganz anders: die soziale Welt konstituiert sich aus lebendigen, kommunikativen Prozessen, die Handlungen als zeitbindende Ereignisse fassen177 und die Unterscheidung von Erleben und Handeln im Wege der Zurechnung von Selektionsleistungen erst ermöglichen.178 Mit anderen Worten: Kommunikative Operationen – nicht: Handlungen – umspannen den Raum sozialer Phänomene, in denen „Akteure als Netzwerke von Vermittlungen zu entfalten“179 sind. In der sozialen Kommunikation entscheidet sich dann, wer zurechenbar, verantwortlich handelt, wem Verantwortung zuzumuten ist, oder wer soziale Ereignisse, soziales Handeln insbesondere, nur erlebt.

V.  Technische Verantwortung als Produkt- und Produzentenhaftung Sobald man die besondere, materielle Widerständigkeit der Dinge erkennt und diese als nichtmenschliche Komponenten hybrider, eigenständiger, in diesem Sinne wiederum „autonomer“ Mensch-Maschine-Assoziationen begreift,180 lässt sich besser nachzeichnen, was in den Regelungsfeldern der modernen Gefährdungshaftung eigentlich vor sich geht: Paradox formuliert haften zwar auch hier Menschen – aber nicht als (verantwortlich, schuldhaft handelnde) Menschen, sondern als Betreiber oder Unternehmer. Sie haften aber auch nicht etwa in ihrer sozialen Rolle als Betriebsunternehmer, sondern aufgrund ihrer riskanten Aktivität als Maschinen betreibende Unternehmer. Gegenstand der Gefähr174  Vgl. Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (134 ff.). 175   Vgl. hierzu etwa Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 27 f., 81 ff., 106 f., 223 ff., 348 f., 352 ff., 368 ff. 176   Gegen diese Annahme des individualistischen Reduktionismus bereits Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 346 ff. 177   Vgl. hierzu Niklas Luhmann, Handlungstheorie und Systemtheorie, in: Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation, Opladen 1981, 50 ff. (60); sowie ders., Soziale Systeme, 1984, 387 ff. 178   Ausführlich dazu Niklas Luhmann, Erleben und Handeln, in: Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation, Opladen 1981, 67 ff. 179   Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 236 (Hervorhebungen im Original). 180   Siehe insbesondere Latour, Das Parlament der Dinge, 2001, 82 ff. und 110 ff.

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dungshaftung ist also der konkrete Anwendungskontext des maschinellen Betriebs, das menschlich-nichtmenschlich assoziierte Tätigsein im Bereich technologischer Risiken, namentlich auf solchen Feldern, die als riskant erkannt werden. Dies galt schon für die geschilderten Fälle der Gefährdungshaftung des Betreibers eines Eisenbahnunternehmens, die sich als betriebsbezogene Haftungszurechnungen für Mensch-Maschine-Assoziationen angemessen beschreiben lassen, und gilt heute umso mehr für die naheliegenden Fragen des haftungsrechtlichen Umgangs mit neuen Robotern.181 Hierfür wird vor allem die bereits heute gesetzlich normierte Produkthaftung, namentlich das unter den Kodifikationen der Gefährdungshaftung prominente Produkthaftungsgesetz (ProdHG), relevant werden: Versagt etwa ein Roboter im privaten Haushaltseinsatz oder bei einer medizinischen Operation, weil er schlecht konstruiert oder programmiert, mithin fehlerhaft hergestellt ist, und verursacht er dadurch einen der in §  1 Abs.  1 ProdHG genannten Integritätsschäden, so hat der Hersteller dafür – unabhängig vom Nachweis eines etwaigen Verschuldens – Schadensersatz zu leisten.182 Der Produzent wird aber nach dem gegenwärtigen Stand von Recht und Technik häufig von der Haftung befreit sein, weil er sich auf einen der Ausschlussgründe des §  1 Abs.  2 ProdHG berufen können wird. Er kann insbesondere auf das so genannte Entwicklungsrisiko gemäß Ziffer 5 der Norm verweisen, wenn „der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.“ Aber auch ganz unabhängig davon dürfte es angesichts zunehmend komplexer, autonom operierender und untereinander vernetzter Systeme im Bereich der Robotik immer schwieriger werden, überhaupt eine Fehlerhaftigkeit des Produkts festzustellen. Wo sollte der Fehler eines informationstechnischen Systems zu finden sein, das flexibel und relativ unabhängig von menschlichen Nutzern agieren soll? Worin könnte überhaupt der Fehler bestehen, wenn ein sol181   Was Eisenbahnen mit Robotern gemein haben, wird nicht erst aus der noch immer verbreiteten Parallelvorstellung von metallischen Körpern ersichtlich, sondern schon angesichts konkreter Anwendungen von Eisenbahnen als (führerlosen, allerdings ferngesteuerten und daher kaum als „autonom“ einzustufenden) „Rangier-Robots“: . 182   §  1 Abs.  1 ProdHG bestimmt wörtlich: „Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist.“. Der Umfang des Schadensersatzes ist dabei gegebenenfalls innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen (§  10 ProdHG) und abzüglich einer gesetzlichen Selbstbeteiligung des Geschädigten (§  11 ProdHG) zu bemessen.

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ches System in komplexen Umwelten entsprechend komplexe Aufgaben bewältigen soll und dabei – wenig überraschend – in Schadensfälle verwickelt wird? Ist er in einer mangelhaften Konstruktion zu suchen? Oder handelt es sich um einen Programmfehler, oder aber um einen Material- oder Hardwarefehler? Und weiter: Kann der gegebenenfalls festgestellte Fehler danach als isolierte Schadensursache gelten? Und war der Roboter insoweit auch schon zum Zeitpunkt seines „Inverkehrbringens“ fehlerhaft (§  1 Abs.  2 Nr.  1 ProdHG)? Derartige Fragen werden nicht einmal von hochspezialisierten Sachverständigen eindeutig zu beantworten sein. Unter Umständen wird noch nicht einmal mehr unbedingt ein individuelles, abgrenzbares Einzelgerät bestimmbar sein, das innerhalb des informationstechnischen Netzwerkes als alleinige Fehlerquelle gelten könnte. Selbst wenn man dann noch unterstellt, es gäbe irgendwo einen eindeutigen Produktfehler – er würde sich im Geflecht der menschlich-maschinellen Beziehungen von Herstellern, Programmierern, Betreibern sowie Nutzern einerseits und informationstechnisch vernetzten Robotern andererseits jeglicher Beweismöglichkeit entziehen. Auch die aus §  823 Abs.  1 BGB herausgebildete Produzentenhaftung, die sich nicht wie die Produkthaftung in erster Linie auf Produktfehler, sondern auf Produzentenfehlverhalten bezieht, dürfte an dieser Stelle nur sehr begrenzt weiterhelfen: Der Hersteller muss zu seiner Entlastung lediglich beweisen, dass er „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ beachtet hat (§  276 Abs.  2 BGB), insbesondere, dass er bei der Konstruktion, Fabrikation, Instruktion und Beobachtung des Produktes seinen Verkehrs- und Organisationspflichten nachgekommen ist. Zur Konkretisierung dieser Pflichten mag man auf die bereits gültigen gesetzlichen Standards zurückgreifen, wie sie insbesondere im neuen Produktsicherheitsgesetz mit seinen einschlägigen Verordnungen, etwa zur Umsetzung der Maschinenrichtlinie183 oder der Niederspannungsrichtlinie184 , verankert sind. Allerdings beziehen sich diese allgemeinen Regelungen nicht alleine auf den spezifischen Produktionsbereich der Robotik. Hinsichtlich der Herstellung von Robotern gibt es insoweit noch keine hinreichend konkreten Standards; umso bedeutsamer erscheinen daher die gegenwärtigen Bemühungen in Industrie und Forschung um eine eigenständige Normierung und Konkretisierung von robotikspezifischen Sicherheitsstandards.

183   Richtlinie 2006/42/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung) (ABl. L 157, 24). 184   Richtlinie 2006/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen (ABl. L 374, 10).

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VI.  Technische Verantwortung als Betreiberhaftung Trotzdem wird es bei konkreten Schadensfällen mit Roboterbeteiligung auch in nächster Zukunft naheliegen, die Verantwortung zuallererst dem Kreis der Anwender und Nutzer zuzuweisen: Sobald ein Roboter in einen solchen Fall verwickelt ist, wird sich vor allem dessen Betreiber fragen lassen müssen, ob er alle traditionell-juridischen Erwartungen an Aufsicht, Überwachung und Kontrolle eines technischen Geräts erfüllt habe. Dass solche Erwartungen im Hinblick auf autonom und flexibel agierende und schon aus diesem Grund unbeherrschbare Robotiksysteme unerfüllbar sein dürften, werden traditionalistisch denkende Juristen sicher zunächst übersehen. Stattdessen steht zu erwarten, dass mit jedem neuen Fall neue Verhaltensanforderungen an Betreiber und Nutzer adressiert werden, deren Nicht-Erfüllung sie schließlich zu Verantwortlichen macht. Das erschiene allemal gerechter, als den in der Regel zufällig Geschädigten seinen Schaden selbst tragen zu lassen. Und es läge ganz auf der bisherigen Entwicklungslinie des BGB-Deliktsrechts, das sich im Laufe der Zeit von seiner ursprünglichen Orientierung an unmittelbaren, von Einzelpersonen eigenhändig begangenen Rechtsgutsverletzungen gelöst hat und insbesondere auf der Ebene der Fahrlässigkeitsdogmatik mit den daraus entstandenen umfangreichen Verkehrspflichten-Canones zu einer Art „heimlicher Ersatz-Kausalhaftungsordnung“ herangewachsen ist.185 Auch im Bereich der eigentlich als eingeschränkte186 Kausalhaftung bezeichneten Gefährdungshaftung mag sich eine stetige Erweiterung der Haftungsverantwortlichkeiten beobachten lassen, die in jüngerer Vergangenheit gerade auch die Herstellerseite in den Blick genommen hat.187 Ein spezifischer Gefährdungstatbestand einer Roboterhaftung ist bislang allerdings nicht in Sicht. Dies wäre gerade in diesem Rechtsbereich auch kaum zu erwarten, da neue Technologien in der Regel ein für ihre spezifischen Risiken je neu zu spezifizierendes Haftungsgesetz erfordern. Jedenfalls hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit daran festgehalten, Gefährdungshaftungstatbestände als nachholende Antworten auf bereits vollzogene technische Entwicklungen zu sehen, und es daher   Vgl. hierzu Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 84 und 89 ff.; zur Entwicklung der Verkehrs­ pflichtendogmatik bereits Christian v. Bar, Verkehrspflichten, 1980, 43 ff. 186   Einschränkungen sieht Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 79, beispielsweise in den Ausschlussgründen der force majeure. Weitere Grenzen zieht das allgemeine Erfordernis des Risikozusammenhangs. 187  Siehe hierzu Erwin Deutsch, Das neue System der Gefährdungshaftungen: Gefährdungshaftung, erweiterte Gefährdungshaftung und Kausal-Vermutungshaftung, NJW 1992, 73 ff. (75 f.), welcher darauf hinweist, dass die Gefahren der industriellen Warenfertigung und Lieferung zwar das Motiv der Produkthaftungsgesetzgebung gewesen seien, nicht aber deren Zurechnungszusammenhang gegenüber nicht-industriellen Produkten einschränken. 185

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abgelehnt, diese etwa auf neue Risiken analog anzuwenden.188 Das legt den Gedanken an eine gefährdungshaftungsrechtliche Generalklausel nahe, und es könnten gute Gründe für eine solche Norm sprechen.189 Diese reichen von einer verbesserten Anpassungsfähigkeit an die technologische Entwicklung über eine Entlastung des BGB-Deliktsrechts als „heimlicher Ersatz-Kausalhaftungsordnung“ bis hin zur Homogenisierung der Haftungsbegrenzungen.190 Dies darf allerdings nicht dazu verleiten, übermäßige Erwartungen daran zu knüpfen, dass mit einer gefährdungshaftungsrechtlichen Generalklausel – etwa nach dem Vorbild der französischen Sachhalterhaftung (Art.  1384 al. 1 Code civil) – eine einfache, universell gültige Roboterhaftungsnorm alle Rechtsprobleme der Robotik auf einen Schlag erledigen könnte. Abgesehen davon, dass Gefährdungshaftungstatbestände – gewissermaßen zum Ausgleich ihrer „strengen“ Verschuldensunabhängigkeit – von vornherein auf bestimmte Anwendungskontexte beschränkt werden sollten,191 in denen nur für spezifische Risiken und in begrenztem Umfang gehaftet werden muss, würde ein derartiges, der französischen Sachhalterhaftung entsprechendes Legal Transplant das deutsche Deliktsrechtssystem lediglich irritieren192 und bestenfalls dazu dienen, die Lösung nicht-ausgetragener Konflikte einer ungewissen Menge zukünftiger richterlicher Einzelfallentscheidungen zu überlassen. Damit würde es aber das Ziel verfehlen, für vorhersehbare Rechtsentscheidungen zu sorgen, Erwartungen zu sichern, Vertrauen zu schaffen, kurz: Ermöglichungsbedingungen für technische Innovationen zu setzen. Ebenso wie im Bereich der Fahrlässigkeitshaftung stellt sich somit auch hier noch weiterhin die – idealerweise vom Gesetzgeber und nicht erst vom Richter zu entscheidende – Frage, wem die Verantwortung für welche Risiken in der Robotik zugemutet werden darf. Ganz gleich, ob Roboterbetreiber oder ‑nutzer nun über immer ausgedehntere Kontroll-, Sicherungs- und Prüfungspflich188  Vgl. Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 84. In dieser Hinsicht darf die Entscheidung RGZ 1, 247 (vgl. oben, Fn.  157, in diesem Abschnitt) trotz ihrer aus heutiger Sicht umständlichen, dafür aber recht weiten und innovationsgerechten Definition des Eisenbahnunternehmens immerhin als vergleichsweise fortschrittlich gelten. 189   Zu einer solchen Forderung nach einem allgemeinen Gefährdungshaftungstatbestand für das gesamte, allerdings kaum noch abgrenzbare Feld „neuartiger Technologien“ siehe auch Herbert Zech, Gefährdungshaftung und neue Technologien, JZ 2013, 21 ff. 190   Näher hierzu Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 84. 191   Bezeichnenderweise kommt auch das französische Haftungsrecht trotz der Generalklausel des Art.  1384 C. civ. nicht ohne weitere Ergänzungen um kontextbezogene Sondergesetze aus, zum Beispiel im Bereich der Kraftfahrzeughaftung: vgl. hierzu Brüggemeier, Haftungsrecht: Struktur, Prinzipien, Schutzbereich. Ein Beitrag zur Europäisierung des Privatrechts, 2006, 115. 192  Vgl. Gunther Teubner, Rechtsirritationen: Zur Koevolution von Rechtsnormen und Produktionsregimes, in: Günter Dux/Frank Welz (Hg.), Moral und Recht im Diskurs der Moderne, Opladen 2001, 351 ff.

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ten zur Verantwortung gezogen werden sollen oder ob ein neu zu konstruierender Gefährdungstatbestand deren Haftung begründen soll – fraglich wird in jedem Fall bleiben, ob es überhaupt noch richtig sein kann, wenn ein Roboterhaftungsrecht seine Verantwortungszuschreibungen in vergleichbarer Weise wie das klassische (Verkehrs‑)Haftpflichtrecht vorrangig an Betreiber und Nutzer heftet. Die Frage lautet zusammengefasst: Darf man, wie bei früheren technischen Innovationen auch, in erster Linie dem Betreiber das Risiko eines Roboterunfalls aufbürden, obwohl doch möglicherweise auch der Hersteller schon ein – bei „autonomen“ Systemen sicher kaum nachweisbares, doch geradezu produktinhärentes – Fehlerpotential gleichsam eingebaut hat? Neben der richterlichen Weiterentwicklung immer neuer Verkehrspflichten von Betreibern und Nutzern bietet sich als gesetzgeberischer Ansatz daher an, in entsprechender Weise auch höhere Anforderungen an die Produzenten zu stellen, die inhaltlich zunächst an die derzeitigen Normierungsbemühungen um robotik-spezifische Technikstandards anknüpfen könnten. Für alle Beteiligten gilt dabei insoweit der Grundsatz: Wer in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, hat diejenigen ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, welche zur Abwendung der daraus drohenden Gefahren notwendig sind. Vorausgesetzt ist dabei zum einen, dass der Verantwortliche die Möglichkeit hat, seine Verkehrspflicht zu erfüllen; die Gefährdungen müssen in seinem Verantwortungs- und Machtbereich liegen. Zum anderen muss der Schaden, um dessen Ersatz es gegebenenfalls geht, zum Schutzbereich der Verkehrspflicht gehören.193 Damit wird erneut die Frage aufgeworfen, in welchem Maß jemandem die Verantwortung für Rechtsverletzungen zugemutet werden darf, wenn er diese nicht unmittelbar, eigenhändig herbeigeführt hat, sondern allenfalls mittelbar, etwa durch den Einfluss einer weiteren handelnden Person oder aber auch einer – sich in diesem Sinn als widerständig erweisenden – Sache.

VII.  Zumutbarkeit von Verantwortung im Umgang mit Informationstechnologien Die Zumutbarkeitsfrage wird dabei auch außerhalb des BGB-Deliktsrechts, namentlich im Bereich des Immaterialgüterrechts und des Lauterkeitsrechts, auf besonders markante Weise beantwortet, vor allem wenn es um die bereits geschilderten mittelbaren Rechtsverletzungen im elektronischen Geschäftsverkehr geht: 194 Hier können vor allem die Betreiber von Benutzerkonten, Internetverbindungen oder auch ‑plattformen für Rechtsverletzungen verantwort193  Vgl. Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts. Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1999, 90 f. und 104 ff. 194   Ausführlich hierzu Gruber, Rechtssubjekte und Teilrechtssubjekte des elektronischen

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lich gemacht werden, die Dritte über ihre informationstechnischen Zugänge begangen haben. Sie haften als Störer195 , mitunter sogar als Täter196 , sofern sie zumutbare Verkehrs- oder Prüfungspflichten verletzt haben und auf diese Weise den Missbrauch ermöglicht haben. Was in diesem Sinne „zumutbar“ ist, soll hier abermals der richterlichen Entscheidung im Einzelfall überlassen bleiben. Das hat im Ergebnis zu einer umfangreichen individuellen Haftung für technische, automatisierte Prozesse und damit zugleich für kommunikative Vorgänge geführt, die aus der Sicht einzelner menschlicher Betreiber kaum noch beherrschbar sein dürften. Die Handlungs- und Verantwortlichkeitszuschreibungen für das Verhalten Dritter haben dabei ein solch ausgedehntes Maß „adäquater Kausalität“ erreicht, dass auch an dieser Stelle wieder von einer heimlichen, mit traditionellen Begriffen von individueller Verursachung und Schuld verschleierten „Ersatz-Kausalhaftungsordnung“ die Rede sein kann, oder wenn man so will, von einer neuen Art „Krypto-Gefährdungshaftung“ – einer Kausalhaftung für technische Zugänge, die nur noch rhetorisch, vermittelst immer neuer Pflichtenkonstruktionen, als Vorsatz- und Fahrlässigkeitshaftung gehandhabt wird. Wie bereits dargestellt,197 reichen diese Verkehrspflichten offenbar besonders weit, wenn es um die Haftungsverantwortung von eBay-Konteninhabern geht: Wer seine Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff einer dritten Person sichert, läuft Gefahr, für die von dieser Person über eBay begangenen Rechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen zu werden, „wie wenn er selbst gehandelt hätte“198 – und zwar auch dann, wenn unstreitig ist, dass er an der Rechtsverletzungshandlung in keiner Weise beteiligt war, nicht einmal Kenntnis von ihr hatte. Was die Rechtsprechung an dieser Stelle tut, ist auf den ersten Blick nichts anderes als eine erneute Ausweitung menschlicher Handlungsverantwortlichkeit mit den alten argumentativen Mitteln der Verkehrspflichtendogmatik. Doch diesmal gelangt sie sogar dazu, fremdes Handeln wie eigenes zu behandeln, und das bedeutet: zu fingieren. Sie begründet diese Fiktion von Täterschaft in erster Linie mit der Funktion eines eBay-Kontos als „ein besonderes Identifikationsmittel“.199 Damit rekonstruiert sie die beschriebene neue Sphäre technischer Verantwortlichkeit, die sie in der „Identifikationsfunktion“ eines informationstechnischen Zugangs sieht, welche eine enge Verbindung von menschlichem Nutzer und nichtmenschlichem Artefakt, eben eine Assoziation von Mensch und MaGeschäftsverkehrs, in: Beck (Hg.), Jenseits von Mensch und Maschine, 2012, 133 ff. (140 ff.); vgl. auch in diesem Abschnitt oben, 1. Titel. (S.  223 ff.). 195   Siehe zum Beispiel BGHZ 158, 236; 185, 330. 196   Siehe etwa BGHZ 173, 188; 180, 134. 197   Siehe nochmals in diesem Abschnitt oben, 1. Titel, II. und III. (S.  234 ff.). 198   So ausdrücklich BGHZ 180, 134 (139). 199   Vgl. BGHZ 180, 134 (139 f.).

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schine erzeugt. Aus dieser Perspektive kommt es nicht mehr darauf an, ob der menschliche Kontoinhaber als ein Individuum eigenverantwortlich oder gar selbstbestimmt gehandelt hat, sondern ob es in einem seiner personalen Identität zugewiesenen technischen Bereich zu einer Handlung gekommen ist. Und genau das entspricht der Erkenntnis, dass die heutigen Probleme technischer Verantwortlichkeit nicht mehr mit den Mitteln individualistischer Handlungstheorien zu erfassen sind, sondern auf Theorieangebote zurückgreifen müssen, die imstande sind, neue soziotechnische Ensembles von Menschen und Dingen als zentrale Phänomene des Gesellschaftlichen zu begreifen.200 Dann wird deutlich, dass Menschen nicht alleine, gleichsam „aus sich selbst heraus“ handeln, sondern im Geflecht handlungswirksamer Mittler zum Handeln gebracht werden – und dass es daher ohne weiteres möglich ist, Personen für die Wirkungen ihrer assoziierten technischen Artefakte in gleichem Maße verantwortlich zu machen wie für die Aktivitäten eines menschlichen Individuums. Allerdings erspart das nicht die weitere juristische Arbeit, diese soziotechnischen Phänomene auch mit den passenden rechtlichen Konstruktionen nachzuzeichnen. Es ist sicherlich weniger überzeugend und wird der informationstechnischen Wirklichkeit nicht gerecht, an dieser Stelle weiterhin mit Fiktionen von individueller Täterschaft zu operieren, die über immer weitere, generalisierte Handlungs- und Herrschaftssphären sowie über sachlich und zeitlich immer ausgedehntere Verkehrspflichten hergeleitet werden. Stattdessen sollte klar ausgedrückt werden, was juristisch-konstruktiv passiert, wenn jemand in der geschilderten Weise mit seinem eBay-Konto oder einem anderen informationstechnischen Zugang oder System identifiziert wird: Das Rechtssubjekt wird um ein informationstechnisches Artefakt erweitert; die Rechtsfähigkeit mag zwar nach wie vor mit der Vollendung der Geburt beginnen – sie bleibt aber danach nicht mehr auf den Menschen als psychophysische Einheit begrenzt. Ein solcherart erweiterter Begriff von Rechtssubjektivität setzt gewiss einen hohen Identifikationsgrad von Mensch und Artefakt voraus, wie er lediglich in besonderen Konstellationen von hochpersonalisierten, etwa passwortgeschützten Informationszugängen vorkommen kann. Eine weniger voraussetzungsreiche, losere Assoziation von Mensch und Maschine bilden die zuvor ausführlicher dargestellten Anwendungsfelder der Gefährdungshaftung ab, welche mit dem Konzept erweiterter Rechtssubjektivität allerdings den besonderen Vorzug teilt, Haftungsverantwortung im Wesentlichen objektiv zuzuweisen. Sie kann daher auf den üblichen, aber immer weniger überzeugenden Umweg verzichten, über die subjektive Zumutung von immer neuen Verkehrs-, Prüfungs- und Sicherungspflichten weiterhin eine individuelle Haftungsverantwortlichkeit für 200  Näher dazu Gruber, Rechtssubjekte und Teilrechtssubjekte des elektronischen Geschäftsverkehrs, in: Beck (Hg.), Jenseits von Mensch und Maschine, 2012, 133 ff. (145 ff.); sowie in diesem Abschnitt oben, 1. Titel, III. (S.  238 ff.).

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informationstechnische Vorgänge zu begründen, die sich in Wirklichkeit der individuellen Beherrschbarkeit und Kontrolle entziehen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es soll damit keineswegs behauptet werden, dass Haftungskonzepte im Bereich der Informationstechnologie und schließlich auch der Robotik ohne Verkehrspflichtenkonzepte, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Fahrlässigkeitshaftung, auskommen könnten. Die subjektivierte, verschuldensabhängige Haftung wird ihre zentrale Funktion gewiss auch auf informationstechnischen Innovationsgebieten wie der Robotik behalten. Auf keinen Fall kann sie durch eine objektivierte Kausal-Haftungsordnung ersetzt werden; es geht vielmehr um notwendige Ergänzungen der Vorsatz- und Fahrlässigkeitshaftung in denjenigen Risikobereichen, für welche die Gefährdungshaftung konzeptionell prädestiniert ist: Ganz besonders wenn es künftig um – zwar allgemein als nützlich anerkannte, aber von niemandem völlig beherrschbare – Risiken der Herstellung und des Betriebs von „autonomen“ Robotern gehen sollte, werden die altbekannten Strategien, neue technische Sicherheitsstandards bereits auf der Forschungs- und Produktionsebene zu entwickeln und schließlich auf der Rechtsprechungsebene immer neue, einzelfallabhängige, dann zumeist betreiber- oder nutzerzentrierte Pflichtenkon­ struktionen zu entwerfen, schnell an ihre Grenzen stoßen.

VIII.  Verantwortungs- und Risikozumutungen als Möglichkeitsbedingungen sozialen Vertrauens Im Umgang mit Risiken ist Sicherheit ohnehin nicht zu haben.201 Sicherheit ist als „Leerbegriff“ bloß eine weitere soziale Fiktion, die als rechtliche Fiktion die Illusion aufrechtzuerhalten hilft, mit rationalistischen Mitteln, womöglich gar mit Kosten-Nutzen-Kalkülen oder Wahrscheinlichkeitsaussagen, für „Sicherheit“ sorgen zu können.202 Es kann also nicht darum gehen, Risiken um jeden Preis zu vermeiden – denn Risiken werden ja gerade um ihrer Vorteile willen in Kauf genommen. Anstatt ihnen „Sicherheit“ als anzustrebendes Ziel gegenüberzustellen und in diesem Sinne immer neue Sicherheitsstandards, Verkehrssicherungs- und sonstige Pflichten zur Risikovermeidung zu erfinden, kommt

  Vgl. dazu in anderem Zusammenhang bereits oben, 2. Abschnitt, 2. Titel, IX (Fn.  385).   Dahinter verbirgt sich der blinde Fleck der rationalistischen Tradition, der mit der Art und Weise verbunden ist, in der sie Risikoprobleme formuliert, nämlich als Probleme der Suche nach Sicherheit im Umgang mit (an sich jedoch strukturell notwendiger) Unsicherheit – oder auch als Probleme der Vermeidung von möglichen Schäden, die eigentlich leicht vermieden werden könnten (aber eben nur um den Preis anderweitiger Risiken). Vgl. hierzu Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (132 ff., 145 ff. und 164 f.); ders., Soziologie des Risikos, 1991, 28 ff.; zur strukturellen Notwendigkeit von Unsicherheit ders., Soziale Systeme, 1984, 390 ff. und 417 ff. 201

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es vielmehr darauf an, Risiken von Gefahren zu unterscheiden.203 Dann kann untersucht werden, wer unter welchen Gesichtspunkten bestimmte Risiken als Folgen seiner eigenen Entscheidungen zu verantworten hat – und wem diese Risiken als Gefahren begegnen, die nicht auf seine Entscheidungen oder Handlungen zurückgeführt werden. Ob die Möglichkeit eines Schadens demnach als Risiko oder Gefahr gilt, ist eine Zurechnungsfrage und kann von verschiedenen Beobachtern ganz unterschiedlich beurteilt werden. Risiken sind das Ergebnis von Selbstzurechnungen, Gefahren ergeben sich aus Fremdzurechnungen, 204 und das zieht in der Regel ganz unterschiedliche Einschätzungen von Schadenswahrscheinlichkeiten und „Risikosteuerung“ nach sich: „Ein Risiko kann noch so rational kalkuliert sein, für diejenigen, die an der Entscheidung nicht beteiligt sind, entsteht daraus eine Gefahr.“205 Im Kern ist damit der spezifische Gegenstand gefährdungshaftungsrechtlicher Konzeptionen angesprochen: Trotz oder gerade bei Erfüllung aller zumutbaren, erfüllbaren Standards, Normen, Verkehrspflichten werden technische Innovationen immer riskant bleiben. Auch die neuen Produkte der Robotik werden trotz Beachtung aller Produzenten- und Betreibersorgfalt die Möglichkeit eines Schadens bergen. Dann helfen keine neuen, bald überspannten Sorgfaltspflichten mehr weiter, um die Verantwortungs- und Haftungsordnung zu restabilisieren – was im Ergebnis ohnehin nichts anderes hieße als eine bloße Fortschreibung der bereits im elektronischen Geschäftsverkehr beobachteten Krypto-Gefährdungshaftung. Man wird den heutigen Problemen technischer Risiken besser gerecht, indem man sich von der „bisherige[n] Sicherheitstechnik des Rechts“206 , insbesondere vom traditionellen Rechtsdenken in Kategorien von Verursachung und Schuld, freimacht und die Haftungsverantwortlichkeit gesellschaftsfunktional betrachtet. Dabei genügt es noch nicht, wie von der Ökonomische Analyse vorgeschlagen, Haftungskonzeptionen alleine an den Maßstäben des wirtschaftlichen Nutzens und der Effizienz auszurichten. Über diese monofunktionale Beschränkung des ökonomistischen Ansatzes hinaus ist eine Konzeption anzustreben, die Verantwortlichkeiten aus den Perspektiven aller beteiligten Gesellschaftssysteme (Recht, Wirtschaft, Politik, Wissen203   Siehe etwa Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (135 ff.). 204  Vgl. Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (136 f. und 148 ff.). 205  Siehe Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (152), der hierzu prägnante Beispiele benennt: „Diejenigen, die ein Kernkraftwerk einrichten, werden heute sorgfältig kalkulieren. Sie werden die Gesundheitsrisiken der Anwohner für minimal und eine Katastrophe für extrem unwahrscheinlich halten. Diese Einschätzung mag durchaus zutreffen und von allen geteilt werden. Aber für die möglicherweise Betroffenen ist dies kein Risiko, sondern eine Gefahr. Und darin liegt ein Unterschied.“ (Hervorhebung im Original) 206  Vgl. Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (146).

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schaft, vor allem aber Technologie207), insoweit also polyfunktional an die Steigerung von Erwartungssicherheit und Vertrauen knüpft. Vertrauen auf technische Innovationen setzt zunächst klare, vorhersehbare, nachvollziehbare Verantwortungszuweisungen gegenüber einem bestimmbaren Adressatenkreis voraus. Dieser sollte vor allem dort gesucht werden, wo neue Technologien als Risiko und nicht als Gefahr behandelt werden: Sowohl Betreiber und Nutzer als auch Hersteller werden neue, riskante Produkte in der Regel schon im eigenen Interesse nur unter Beachtung der ihnen bekannten Verkehrspflichten und erst nach sorgfältiger Risikofolgenabschätzung in den Verkehr bringen und einsetzen. Daraus, dass die entscheidenden Akteure sorgfältig handeln und die Risiken rational kalkulieren, folgt aber keineswegs, dass alle anderen die trotzdem bestehende Möglichkeit eines Schadens, die für sie Gefahr bedeutet, ohne weiteres hinnehmen müssten. Was die Wahrnehmung von Schadensmöglichkeiten und ‑wahrscheinlichkeiten angeht, gibt es keine einzelne Beobachterperspektive, die verallgemeinerungsfähig wäre oder gar universelle Gültigkeit beanspruchen könnte. Zwar kann der eine wissen, dass eine Gefahr für den anderen ein vertretbares Risiko darstellt, und umgekehrt der andere erkennen, dass das von ihm eingegangene Risiko als Gefahr wahrgenommen wird. Ein solcher „re-entry“ der Unterscheidung in das durch sie Unterschiedene vermag aber nur zu erklären, warum die Gefahr auf den einen besonders irritierend wirkt, nämlich weil sie für den anderen nur ein Risiko ist – und umgekehrt.208 Unter diesen Bedingungen, die als Bedingungen der doppelten Kontingenz zugleich zu den Bedingungen der Möglichkeit von Handlungen überhaupt gehören, kommt es auf deren Artikulation an,209 ganz besonders, wenn es um prinzipiell unkontrollierbare Risiken geht.210 Im Umgang mit riskanten Technologien, gerade auch der Robotik, wird dem Recht die besondere Aufgabe zukommen, soziales Vertrauen zu ermöglichen. Und das gelingt nur, wenn es die naheliegende Möglichkeit des Misstrauens sieht und – was nicht immer leicht sein wird – mit guten Argumenten auszuräumen hilft. Zumindest anfänglich kann Vertrauen daher nur unter Auflagen gewährt werden.211 Dies fällt dann   Dass Technologie nicht als ein autopoietisches, insbesondere operativ geschlossenes Sozialsystem, sondern als ein heterogenes, soziomaterielles Interferenzgebiet von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft gelten muss (vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  246), unterstreicht die Notwendigkeit eines über einseitige Funktionalitäten hinausgehenden Haftungsrechts zusätzlich. 208   In diesem Sinne Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Kon­ struktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (154 ff.). 209  Vgl. Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (155). 210  Vgl. Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (155); ferner ders., Soziale Systeme, 1984, 148 ff., 179 ff. 211   Siehe entsprechend Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 181: „Man fängt mit kleinen Risi207

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umso leichter, wenn zum Ausgleich für die generelle Zulassung riskanter Innovationen entsprechende Risikozumutungen in Form von Haftungsgarantien rechtlich verankert werden. Weitere Pflichtenkonstruktionen und Fahrlässigkeitstatbestände verbürgen in dieser Hinsicht keine systematischen, geschweige denn rechtssicheren Lösungsmöglichkeiten. Um technische Verantwortungssphären innerhalb klarer Grenzen zu bestimmen, hält die Konzeption der Gefährdungshaftung weitaus bessere Instrumente bereit: Innerhalb zuvor bestimmter Anwendungskontexte und in den Grenzen eines vorweg begrenzten Haftungsrahmens haften dann diejenigen, denen das Risiko und mithin die Verantwortung für etwaige Risikoverwirklichungen zugemutet werden darf. Entgegen allen Vorurteilen der individualistischen Tradition ist eine derart klar begrenzte Kausalhaftung für technologisch-industrielle Innovationen auch nicht etwa „strikter“, „strenger“, „schärfer“, womöglich gar „ungerechter“ als die scheinbar in beinahe allen Fällen mittelbarer Rechtsverletzungen geradezu beliebig verwendbare Fahrlässigkeitshaftung. Schon die gängige Unterscheidung von „mittelbarem“ und „unmittelbarem“ Handeln müsste aus dem hier entwickelten Blickwinkel kritisch hinterfragt werden. Noch zweifelhafter erscheinen allerdings die von Einzelfällen abhängigen Entscheidungen über Verkehrs-, Prüfungs- und Sicherungspflichten, die gegebenenfalls zu einer viel schärferen, nämlich unbegrenzten Haftung des vermeintlichen Pflichtverletzers führen können. Gerade deshalb kann die Neufassung einer robotikspezifischen, indes nicht zwingend betreiberzentrierten Gefährdungshaftung durchaus als gerechter gelten, eben weil sie den neuen Entwicklungen der Informationstechnologie und Robotik nach alledem angemessener ist. Anders als die traditionellen, an individueller Verursachung und Schuld anknüpfenden Haftungskonzeptionen erfasst sie die spezifische Problematik technologisch-industrieller Innovationen, die nunmehr vor allem auch im Bereich der Robotik als riskante Entwicklungen menschlich-maschineller Assoziationen wahrnehmbar werden.

IX.  Vertrauensbildung durch Recht: Risikoassoziierung und Personifizierung In direkter Parallele zu den klassischen Fällen der Eisenbahn- und Verkehrshaftung ist aus rechtlicher Sicht zunächst an eine betreiberzentrierte Fassung der Robotergefährdungshaftung zu denken. Das setzt allerdings voraus, dass Betreiber und Nutzer ihre Roboter technisch kontrollieren können, in vergleichbarer Weise etwa, wie Halter und Fahrer ein Verkehrsmittel betreiben und steuken an und baut auf Bewährungen auf“; zum Ganzen auch ders., Vertrauen: ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 4.  Auflage, Stuttgart 2000.

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ern. Dies wird bei komplexeren, „autonomen“ Ausführungen immer weniger der Fall sein. Man wird dann zu Konstruktionen einer erweiterten Gefährdungshaftung übergehen, wie sie bereits die heute geltende Produkthaftung vorsieht, indem sie die Haftung nicht mehr mit einem konkreten Betriebsrisiko, sondern mit einem abstrakteren Risiko von Warenfertigung und ‑verkehr verknüpft.212 Doch wo kein individuell Verantwortlicher mehr auszumachen ist, weil er im Zusammenspiel wirkmächtiger Artefakte und Prozesse nicht mehr alleine über die technischen Risiken herrscht, wo also keinem Einzelnen mehr ein Risiko und die Verantwortung dafür zugemutet werden kann, werden neue Haftungskonstruktionen erforderlich. Aus diesem Grund werden künftig zunehmend auch kollektive, dem assoziierten Geflecht aus risikowirksamen Akteuren und Aktanten entsprechende Gefährdungshaftungskonzeptionen in Betracht kommen. Zu denken wäre dabei an eine verschuldensunabhängige Haftung der entsprechenden Risikoassoziationen, die sich insbesondere aus Produzenten und Betreibern als gemeinsam, im Verhältnis zueinander nach festgelegten Anteilen Haftenden zusammensetzen. Konkret würde das bedeuten, die ohnehin nicht mehr voneinander abgegrenzten Risikosphären von Produzenten und Betreibern im Rahmen eines gemeinsamen Robotergefährdungshaftungstatbestands zusammenzufassen. Dieser könnte dann, nach der Art einer gemischten Hersteller- und Halterhaftung formuliert, etwa lauten: „Wird beim Betrieb des Roboters jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so sind Hersteller und Betreiber des Roboters als Gesamtschuldner verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“

Das hätte freilich zur Folge, dass Roboterproduzenten unter Umständen auch für solche Unfälle haften müssten, die nicht auf einen Produktfehler zurückgeführt werden können. Diese strikte Verantwortlichkeitszuweisung müsste dann im Innenverhältnis der Haftungsassoziation von Hersteller und Halter wieder entschärft werden, und zwar auf der Ebene der zuvor nach Maßgabe des jeweiligen Anwendungskontextes vorausberechneten, gegebenenfalls von §  426 Abs.  1 BGB abweichenden Risikoverteilungsquoten. Soweit der Roboterhersteller beweisen kann, dass der Roboter keinen „Fehler“ im Sinne des Produkthaftungsgesetzes aufweist und auch sonst dem Stand der Wissenschaft und Technik entspricht, könnte er einen entsprechend höheren, gesetzlich zu bestimmenden Ausgleich von Seiten des Betreibers verlangen. Doch selbst dann bliebe ihm noch ein Mindestanteil am Entwicklungsrisiko als Haftungsverantwortlichkeit zugewiesen; er könnte dieses insoweit nicht mehr, wie im Produkt Vgl. Deutsch, NJW 1992, 73 ff. (76).

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haftungsrecht allgemein vorgesehen, vollständig auf andere Beteiligte abwälzen. Allerdings müssten die jeweiligen Haftungsanteile und deren Grenzen von vornherein bestimmt sein. Zu diesem Zweck müssten die Roboterhaftungsnormen auf spezifische Anwendungskontexte, insbesondere auf bestimmte Einsatzgebiete des jeweiligen Roboters – sei es beispielsweise im Haushalt, im Straßenverkehr oder sei es auch im medizinischen Bereich – zugeschnitten werden. Statt eines allgemeinen, generalklauselartig verfassten Roboterhaftungsgesetzes bedürfte es daher bereichsspezifischer Regelungen, die in entsprechend differenzierten Roboterhaftungstatbeständen, zum Beispiel für Haushalts-, Verkehrs-, Pflege- oder Operationsroboter, normiert sind. Jedes dieser Haftungsgesetze könnte dann die für den jeweiligen Einsatzbereich maßgeblichen Risikoassoziationen und ‑verteilungen gesondert bestimmen, insbesondere die Risiken den unmittelbaren Nutznießern dieser neuen Technologien als jeweils Verantwortlichen zuweisen. Eine innerhalb solcher Gefährdungshaftungsassoziationen von vornherein fixierte Haftungsverteilung dürfte gerade in denjenigen Bereichen für mehr Rechtssicherheit, Vertrauen, nicht zuletzt auch für Möglichkeiten der Risikostreuung durch Versicherungen sorgen, in welchen etwaige Verursachungs-, Verschuldens- oder Risikosetzungsbeiträge höchstens noch fiktiv einzelnen Beteiligten zugeordnet werden könnten. Die Begründung immer neuer, unsicherer, letztlich unzumutbarer Sorgfaltspflichten, wie sie sich traditionelle Betrachtungen des Rechts und der Rechtsökonomie vorstellen, wäre dann obsolet. Möglicherweise würde der Produzent innerhalb eines derartigen Haftungsmodells seinen eigenen Haftungsanteil einpreisen und damit im Ergebnis doch wieder dem Betreiber aufbürden; andererseits würde sich eine Erhöhung des Produktpreises aber wiederum auf den Absatz auswirken, so dass letztlich doch alle Beteiligten – auch die Produzenten – zur Entscheidung darüber veranlasst würden, ob sie das ihnen gemeinsam zugemutete Risiko auch hinsichtlich ihrer Haftungsverantwortung vertreten wollen. Wer in dieser Weise beteiligt ist und für Risiken selbst die Verantwortung übernimmt, wird – ob als Betreiber, Nutzer, Hersteller oder anderweitig Beteiligter – das vor allem auf den innovativen Sektoren der Informationstechnologie und Robotik notwendige Vertrauen gewinnen. Auf dieser Entwicklungslinie, die ihre Ursprünge in der Zusammenschau der beschriebenen Konzeptionen von Gefährdungs-, Produkt- und Informationstechnikhaftung findet, würde schließlich auch die zurzeit vielleicht noch etwas kühn anmutende Idee einer weiteren Kollektivierung und Risikostreuung im Wege der Personifizierung weiterer semantischer Artefakte liegen – sei es in Gestalt einer qua Identifikationsfunktion erweiterten Rechtssubjektivität nach dem Vorbild der Haftung für informationstechnische Zugänge, sei es auch in

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einer neuen Form juristischer Personalität von elektronischen Agenten.213 Die Zurechnung von Risiken und Haftungsverantwortlichkeiten gegenüber einem um technische Artefakte erweiterten Rechtssubjekt oder auch gegenüber einem als Rechtsperson anerkannten, teilrechtsfähigen, insoweit etwa vermögensfähigen, nicht jedoch grundrechtsfähigen Roboter würde einen wesentlichen Vorzug mit der zuvor erwähnten assoziierten Gefährdungshaftung teilen: Beide Konzeptionen objektivieren menschlich-technische Verantwortungssphären innerhalb klar abgrenzbarer Anwendungskontexte, auf deren Eigennormativitäten sie sich im Kern stützen können. Sie sind genereller Natur und befreien von einzelfallabhängig ermittelbaren Pflichtbestimmungen eines bald über das zumutbare Maß hinaus verpflichteten Subjekts. Damit eröffnen sie beide neue Handlungs- und Entscheidungsspielräume, um mit Risiken umgehen und soziales Vertrauen gewinnen zu können: Wer von Anfang an weiß, dass und inwieweit er in einem bestimmten Anwendungskontext innerhalb eines begrenzten Haftungsrahmens für die Risiken eines informationstechnischen Systems oder Roboters haftet, oder auch, dass der Roboter als elektronische Person selbst haftet, wird über die notwendigen Sicherungsmaßnahmen und die für etwaige Schäden bereitzustellenden Haftungsbeträge oder Versicherungen am besten entscheiden können. Gewiss machen gerade die zuletzt genannten Haftungskonzeptionen deutlich, wie prekär Verantwortungszurechnungen auf individuelle Akteure in technischen Zusammenhängen geworden sind – und dass es in allen Fällen technischer Risikoverantwortlichkeit letztlich nur um Risiko- und Verantwortungszumutungen gehen kann. Wenn es demnach immer schwieriger wird, individuelle Menschen oder auch einzelne institutionelle Akteure für Schadensfälle oder sonstige enttäuschte Erwartungen verantwortlich zu machen, dann kann es im Grunde nur noch darum gehen, die allgemeinen Bedingungen der Möglichkeit des Handelns und Entscheidens zu gewährleisten. Es geht dann um die Herstellung von Vertrauen, allerdings auch nicht mehr in erster Linie von moralisch-individuellem Vertrauen zu Personen, sondern um Systemvertrauen auf die entpersonalisierte Funktionsfähigkeit und den regulären Ablauf technischer Prozesse.214 Doch auch eine solche, vor allem an das Roboterhaftungsrecht gerichtete Aufgabenstellung wäre möglicherweise zu einseitig: Personvertrauen wird auch in technischen Umgebungen nicht einfach von Systemvertrauen abgelöst. Indi Vgl. Gruber, Rechtssubjekte und Teilrechtssubjekte des elektronischen Geschäftsverkehrs, in: Beck (Hg.), Jenseits von Mensch und Maschine, 2012, 133 ff. (150 ff.); Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen, in: Becchi/Graber/Luminati (Hg.), Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Bd.  25, 2008, 1 ff. (15 ff.); siehe ferner in diesem Abschnitt oben, 1. Titel, V. und VI. (S.  247 ff.). 214  Vgl. Luhmann, Vertrauen: ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 4.  Auflage 2000, 47 ff. 213

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viduelle Akteure sind an den neuen, sozialen Informationstechnologien auch weiterhin aktiv beteiligt und mitunter doch persönlich identifizierbar. Auch – und gerade – unter den erschwerten Verantwortungszuschreibungsbedingungen informationstechnischer Umgebungen kommt dem persönlichen Vertrauen, notfalls auch seiner kontrafaktischen Wiederherstellung, Erhaltung und Stabilisierung mittels verlässlicher Verantwortungszuschreibungen, eine eigenständige Bedeutung zu. Diesem Ziel dürften die zuletzt beschriebenen Konzeptionen einer assoziierten Gefährdungshaftung oder auch einer erweiterten Rechtssubjektivität, die bis zu einer eigenständigen Haftungsverantwortlichkeit von Robotern als personifizierten Artefakten reichen mag, jedenfalls näher kommen als die längst überforderten individualistischen, auf Verkehrspflichten rekurrierenden Haftungsmodelle. Inwieweit dadurch allerdings eine Wiedereinsetzung des Personvertrauens in seinen vorigen Stand erreichbar wird, ist und bleibt weiterhin eine Frage der Zumutbarkeit von Verantwortung.

X.  Zukünftige Herausforderungen der Robotik im Überblick Um den zukünftigen Herausforderungen der Robotik gerecht zu werden, haben Recht und Gesetzgebung die folgenden, in einer gegenwärtigen Betrachtung allerdings nur vorläufig zusammenzufassenden Bedingungen zu beachten: Anthropomorphismen sind von Beginn an zu vermeiden, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist nicht davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit menschen- oder auch tierähnliche Roboter geben wird, deren moralischer und darauf basierender rechtlicher Status mit der Würde von Menschen oder auch von Tieren vergleichbar wäre. Zum anderen stößt der überkommene anthropozentrische Individualismus hier wie in anderen Rechtsbereichen der Informationstechnologie auch an seine Grenzen, wenn es um die Bestimmung von verantwortlich Handelnden geht: Die informationstechnischen Akteure sind keine isolierten Einzelwesen, sondern Assoziationen von Menschen und Nichtmenschen.215 Zu überwinden ist daher auch die Vorstellung, dass das notwendige, technische Innovationen ermöglichende Vertrauen auf die Entwicklungen der Robotik ausschließlich durch möglichst detaillierte, immer weiter ausdifferenzierte professionelle Standardisierungen hergestellt werden könnte. Standards und Eigennormierungen der beteiligten Disziplinen sind zwar für die Stabilisierung von Erwartungen an Roboter und ihre Hersteller, Betreiber sowie Nutzer von überragender Bedeutung. Sie können jedoch nicht ausschließen, dass es trotz

  Vgl. oben, vorstehend insbesondere unter I., II. und IV. (S.  259 ff., 262 ff. und 273 ff.).

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genauester Bestimmung und sorgfältigster Einhaltung aller Regeln zu Schadensfällen mit Robotern kommt.216 An dieser Stelle – im Umgang mit allgemein akzeptierten, aber niemals vollständig kontrollierbaren Technikrisiken – setzt das Haftungsrecht mit seiner besonderen Aufgabe an, Vertrauen im Wege zumutbarer Verantwortungszumutungen und ‑zuteilungen zu schaffen.217 Vertrauen auf technische, vor allem informationstechnische Entwicklungen kann sich jedoch kaum auf der Basis einer immer weiter ausgreifenden Fahrlässigkeitshaftung bilden, die mit immer neuen Verkehrs-, Kontroll- oder Prüfungspflichten begründet wird und vor allem Nutzer belastet, die informationstechnische Systeme wie auch Roboter kaum noch beherrschen können – und daher zur Erfüllung derartiger Pflichten unter Umständen gar nicht in der Lage sind.218 Anstatt Verantwortung in immer neu zu entscheidenden Einzelfällen und immer häufiger über das zumutbare Maß hinaus zuzumuten und auf diese Weise eine – dann allerdings unbegrenzte – heimliche Gefährdungshaftung der vermeintlichen Fahrlässigkeitstäter zu behaupten, ist eine konsequente Fortschreibung des Gefährdungshaftungsrechts unbedingt vorzuziehen. Damit das Gefährdungshaftungsrecht die ihm gerade auch auf dem technischen Innovationsfeld der Robotik zukommende vertrauensbildende Funktion erfüllen kann, darf es aber seinerseits nicht etwa dadurch verunsichern, dass es in Gestalt einer deliktsrechtlichen Generalklausel völlig offen formuliert wird. Bei allen Vorzügen, die eine einheitliche zivilrechtliche Fassung des Rechts der unerlaubten Handlungen auf europäischer Ebene versprechen mag, ist auch weiterhin darauf zu achten, dass sich Neuregelungen in das System des nationalen Zivilrechts einfügen und nicht als Legal Transplants lediglich dazu dienen, die Lösung nicht-ausgetragener Konflikte vom Gesetzgeber auf den von Fall zu Fall entscheidenden Richter zu übertragen.219 Vorzugswürdig sind demgegenüber gesetzgeberische Lösungen, die spezialgesetzlich verankerte Gefährdungshaftungstatbestände für klar umgrenzte Anwendungskontexte im Bereich der Robotik vorsehen. Über die klassischen betreiber- und nutzerzentrierten Haftungsmodelle hinaus können gerade hier – in einem Roboterhaftungsgesetz – neue Gefährdungshaftungskonzeptionen zur Anwendung kommen, die geeignet sind, die in diesen Zusammenhängen beobachtbaren menschlich-technischen Assoziationen nachzuzeichnen.220 Entsprechend assoziierte Gefährdungshaftungstatbestände könnten Betreiber, Nutzer, Hersteller und auch sonstige Beteiligte nach zuvor bestimmten Haftungsantei-

  Vgl. oben, vorstehend unter V. (S.  276 ff.).   Vgl. oben, vorstehend unter III. und VIII. (S.  268 ff. und 284 ff.). 218   Vgl. oben, vorstehend unter VII. (S.  281 ff.). 219   Vgl. oben, vorstehend unter VI. (S.  279 ff.). 220   Vgl. oben, vorstehend unter VIII. (S.  284 ff.). 216

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len auch dort in die Verantwortung nehmen, wo ansonsten niemandem eine individuelle Verantwortlichkeit zugeordnet werden könnte. In einem weiteren Schritt könnten schließlich die in Informationstechnologie und Robotik beobachtbaren Mensch-Maschine-Assoziationen auch als Sphären technischer Verantwortlichkeit rekonstruiert werden: Indem Menschen und technische Artefakte als erweiterte Rechtssubjekte miteinander identifiziert werden, könnten ihnen alle von dieser Sphäre ausgehenden menschlichen oder technischen Aktivitäten unmittelbar als eigene Handlungen eines insoweit modifizierten, über die psychophysischen Begrenzungen des Menschen hinausreichenden Rechtssubjekts zugerechnet werden.221 Schließlich ist es durchaus denkbar, dass mit Blick auf die besonderen Risiken verselbständigter technischer Artefakte neue Formen einer partiellen Rechtssubjektivität zu konzipieren sind, die diese – vergleichbar mit juristischen Personen – als „autonome“ technische Risikosphären zu eigenständigen Verantwortungssubjekten machen. Mit den Mitteln des Rechts ist es dabei ohne wei­ teres möglich, elektronische Agenten und Roboter als teilrechtsfähige, insbesondere vermögensfähige Subjekte zu personifizieren, ohne dass ihnen deswegen zugleich ein anthropomorpher moralischer Status oder gar Menschenrechte eingeräumt werden müssten.222

  Vgl. oben, vorstehend unter IX. (S.  287 ff.).   Siehe dazu in diesem Abschnitt auch den vorhergehenden 1. Titel, unter VI. und VII. (S.  250 ff.). 221

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Intergenerationelle Rechtsverhältnisse als Assoziationen biotechnologischer Zukunftssubjekte Mindestens ebenso bedeutsam wie die Frage nach möglichen zukünftigen Rechtssubjekten ist die Suche nach gegenwärtigen Subjekten der Zukunft. Solche Zukunftssubjekte können sich auf verschiedene Weisen konstituieren, zum Beispiel als biosoziale Schicksalsgemeinschaften, als zukünftige Generationen, als Sachwalter einer biologischen und kulturellen Vielfalt.223 Diese dienen allesamt dem Ziel, die Zukunft offen zu gestalten und die für das erträgliche Zusammenleben in Menschengesellschaft notwendigen Möglichkeits- und Entfaltungsräume zu garantieren.224 Das jedoch kann letztlich nur gelingen, wenn dafür die richtigen rechtlichen Konstruktionen entwickelt werden, um auch die gegenwärtig noch ungewissen Assoziationen der „Noch-nicht-Versammelten“ im Rahmen einer Neuversammlung zu Wort kommen zu lassen. Einen besonderen Problembereich bilden in diesem Zusammenhang die Belange der Biodiversität, die nur dem ersten Anschein nach rein naturalistisch als biologische „Lebensgrundlagen“ zu betrachten sind. Die Biodiversität betrifft aber, ähnlich wie im Übrigen auch die kulturelle Diversität, bioartifizielle Rechtsverhältnisse – Assoziationen, an denen Menschen ebenso wie Nichtmenschen beteiligt sind und in denen sich biologische mit sozialen und technischen Prozessen vermischen. Im Mittelpunkt steht dabei der schon seit längerem beklagte Rückgang der biologischen und kulturellen Vielfalt, den auch die gewöhnlich wiederholten Rufe nach mehr „Nachhaltigkeit“ bislang nicht aufhalten konnten. Deren Vergeblichkeit gibt genügend Anlass, die anthropozentrische Ausrichtung des Umweltschutzes aufs Neue zu hinterfragen.225 223   Vgl. hierzu bereits Gruber, What Is It Like to Be Unborn? Our Common Fate with Future Generations, in: Mathis (Hg.), Efficiency, Sustainability, and Justice to Future Generations, 2011, 113 ff.; dt.: Biodiversitätsschutz als Forderung intergenerationeller Gerechtigkeit. Zugang zu genetischen Ressourcen, Vorteilsausgleich und Verantwortung für zukünftige Generationen, NuR 2011, 468 ff. 224   Vgl. entsprechend oben, 1. Abschnitt, Fn.  334 und 349, sowie 2. Abschnitt, Fn.  335. 225   Die Debatte darüber, ob der Umweltschutz anthropozentrisch oder ökozentrisch auszurichten sei, ist zwar nicht neu, inzwischen aber zweifellos erlahmt; vgl. Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 18 ff., 155 ff., 169 ff., 188 ff., m. w. N. Wie andere ungelöste Grundlagenprobleme auch erklärte sie die Rechtswissenschaft irgendwann für müßig und praktisch irrelevant, um die dadurch offengelegten Paradoxien wieder zu verschlei-

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Dabei stellt sich heraus, dass „moderne“ ökonomische und rechtliche Sichtweisen ihre Ziele eines nachhaltigen Umweltschutzes verfehlen, solange sie unterstellen, dass Kultur und Natur sowie insbesondere Biodiversität alleine um der gegenwärtigen Menschen willen zu schützen seien. Nachhaltigkeit verlangt demgegenüber jedoch nach einer zukunftsgerichteten Perspektive des Rechts. Indem es die Fiktion der zukünftigen Generationen als Schicksalsgemeinschaften in die juristische Kommunikation einbezieht und in diesem Sinne vor dem eigenen Forum versammelt, vermag das Recht über die Grenzen seiner eigenen, limitierten Begrifflichkeiten hinauszugreifen: 226 Biodiversität steht keinesfalls alleine im Dienst von ökonomischer Verwertung und sozialer Kommunikation, sondern trägt zudem eine ganz handfeste ökozentrische Bedeutung für das physische Überleben in der Zukunft.

I.  Biodiversitätsschutz: Moderne und nichtmoderne Zukunftsträger in biotechnologischen Konfliktlagen Als die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2010 zum Jahr der biologischen Vielfalt erklärt und damit zum weltweiten Schutz lebenswichtiger Ökosysteme und bedrohter Tiere und Pflanzen aufgerufen hat, stand die Erkenntnis im Vordergrund, dass Biodiversität eine existentielle Voraussetzung des menschlichen Lebens und Wohlergehens darstellt, und zwar in materieller, sozialer wie auch kultureller Hinsicht.227 Mit der klar am menschlichen Nutzen orientierten, anthropozentrischen Zielrichtung des Biodiversitätsschutzes verbindet sich zugleich das Bewusstsein einer auch mit technischen Mitteln nicht zu überwindenden Abhängigkeit von der Natur. Deren genetische Vielfalt ist schließlich auch für den technischen Fortschritt der Menschheit unentbehrlich. Daraus resultiert nicht zuletzt auch der wirtschaftliche Wert, der genetischen Ressourcen der Tier- und Pflanzenwelt, aber auch der Menschheit, in der Gegenwart zukommt. Die besondere Wertschätzung der Biodiversität markiert den Ausgangspunkt eines komplexen, weltweiten Konfliktes um wirtschaftliches Wachstum und nachhaltige Entwicklung, um Schutz und Nutzung der biologischen Vielfalt, aber auch um Immaterialgüterrechte an traditionellem Wissen. Die darin involvierten Beteiligten und ihre Interessen sind zahlreich. Das dadurch erern, sich somit weitere Reflexionsarbeit zu ersparen – und nicht zuletzt, um so weiterzumachen wie bisher. 226   Zu den Möglichkeitsbedingungen einer Selbsttranszendierung des Rechts siehe bereits oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, III. (S.  77 ff.). 227  Siehe hierzu United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO), International Year of Biodiversity 2010: Biodiversity is life – Biodiversity is our life, abrufbar unter: .

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zeugte Spannungsfeld lässt sich längst nicht mehr auf einen einfachen Konflikt zweier Parteien mit gegensätzlichen Ansprüchen reduzieren. Angemessener erscheint es dann schon, den Konflikt als einen „Trialog“ der beteiligten bioinformationsrechtlichen Gegenstandsbereiche der Biodiversität, der Biotechnologie und des traditionellen Wissens zu rekonstruieren.228 Anders ausgedrückt geht es um einen umfassenden Blick auf das bioartifizielle Verhältnis von wirtschaftlicher Entwicklung, technischem Fortschritt und biologischer sowie kultureller Vielfalt. Man mag versucht sein, die zuletzt genannten Diversitätsbelange als „lokale“ Interessen zu beschreiben, die sich der „globalen“ Übermacht von Wirtschaft und Biotechnologie zu erwehren hätten. Doch die Sache ist komplizierter, denn ebenso wie sich „Globales“ zunehmend auf lokale Verhältnisse auswirkt, können globale Probleme nur auf lokaler Ebene bewältigt werden. Das „Globale“ wird insoweit „lokal“ und das „Lokale“ zunehmend „global“, ganz so, wie es vor allem Bruno Latour auf den Punkt bringt: „Kein Ort ist beherrschend genug, um global zu sein, und kein Ort ist selbstgenügsam genug, um lokal zu sein.“229 Auf der einen Seite ist es die bereits erwähnte technologische und mithin wirtschaftliche Abhängigkeit von den genetischen Ressourcen, die ein weltweites Interesse an der Erhaltung der Biodiversität begründet. Andererseits eröffnen sich gerade in den Biotechnologien neue Perspektiven, die lebendige Vielfalt in den Regionen der Welt mit technischen Mitteln zu erhalten. So hat beispielsweise Costa Rica bereits um 1970 damit begonnen, seine Landwirtschaft allmählich auf eine ökologisch nachhaltige Nutzung seiner noch immer reichlich erhaltenen natürlichen Ressourcen umzustellen.230 Heute geht es jedoch nicht mehr alleine darum, den monokulturellen Anbau von Bananen und Kaffee einzudämmen, Wälder wiederaufzuforsten und die Wirtschaft auf einen schonenden Ökotourismus umzustellen. Vielmehr sucht man auch nach technologischen Lösungen, um die Biodiversität des Landes zu erhalten, zu erfassen und nachhaltig zu nutzen.231 Die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt liegt nunmehr auch in den Händen des Instituto Nacional de Biodiversidad (INBio), einer im Jahr 1989 gegründeten Forschungseinrichtung,  Vgl. Steven R. King, Commentary on Biodiversity, Biotechnology and Traditional Knowledge Protection: A Private-sector Perspective, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 428 ff. 229   Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2007, 352. 230  Vgl. Rodrigo Gámez, The Link Between Biodiversity and Sustainable Development: Lessons From INBio’s Bioprospecting Programme in Costa Rica, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 77 ff. (78 f.). 231   Gámez, The Link Between Biodiversity and Sustainable Development: Lessons From INBio’s Bioprospecting Programme in Costa Rica, in: McManis (Hg.), Biodiversity and the Law, 2007, 77 ff. (79). 228

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die sich die wissenschaftliche Erforschung und Bewertung der Biodiversität zur Aufgabe gemacht hat. Zu diesem Zweck arbeitet das auf einer nichtstaatlichen Organisation fußende Institut sowohl mit öffentlichen als auch mit privaten Einrichtungen zusammen. Dabei geht es unter anderem strategische Allianzen mit multinationalen Wirtschaftsunternehmen aus dem Biotechnologie- und Pharmasektor ein. Auf der Basis eigener Research Collaborative Agreements (RCAs) unternehmen die Kooperationspartner dann gemeinsame Anstrengungen, um Erkenntnisse über die nachhaltige Nutzung, aber auch über die kommerzielle Verwendung natürlicher Ressourcen zu gewinnen.232 Diese als „Bioprospecting“ bezeichnete Suche nach neuen, nützlichen Produkten der Natur führt in erster Linie zu einer ökonomischen Bewertung der Biodiversität. Das ist sicherlich wichtig, um den biologischen Ressourcen gegenüber anderen Gütern der weltweiten Wirtschaft einen – wirtschaftlich relevanten – „Gegenwert“ entgegenzusetzen. Doch birgt eine solche ökonomische Bewertung die Gefahr einer ausschließlichen Kommerzialisierung der Natur. Um diese zu bannen, versucht man die RCAs nach den Prinzipien des Access and Benefit Sharing (ABS) so auszugestalten, dass der Zugriff auf die natürlichen Ressourcen in räumlicher wie auch zeitlicher Hinsicht beschränkt bleibt. Darüber hinaus sollen die technologischen Entwicklungen einschließlich der Gewinne zu einem bestimmten Anteil den Menschen wie auch dem Naturschutz vor Ort zugutekommen.233 Die wohlklingenden Worte der Vereinbarungen vermögen jedoch nicht zu verdecken, dass zumindest aus der Sicht der finanzierenden Unternehmen auch weiterhin nur diejenigen natürlichen Ressourcen interessant sind, die in absehbarer Zeit in handelbare Produkte wie Arzneimittel oder auch landwirtschaftliche Schädlingsbekämpfungsmittel sowie Nutz- oder Zierpflanzensorten umgesetzt werden können. Die ökonomische Grundorientierung an der konkreten Nützlichkeit 234 ist daher allen anderslautenden Absichtsbekundungen zum Trotz nur teilweise mit dem Schutz der biologischen Vielfalt in Einklang zu 232   Gámez, The Link Between Biodiversity and Sustainable Development: Lessons From INBio’s Bioprospecting Programme in Costa Rica, in: McManis (Hg.), Biodiversity and the Law, 2007, 77 ff. (81 ff.); Jorge Cabrera Medaglia, The Role of the National Biodiversity Institute in the Use of Biodiversity for Sustainable Development – Forming Bioprospecting Partnerships, in: Evanson C. Kamau/Gerd Winter (Hg.), Genetic Resources, Traditional Knowledge and the Law, London and Sterling (VA) 2009, 243 ff. 233  Vgl. Fernando Quezada, Status and potential of commercial bioprospecting activities in Latin America and the Caribbean, in: CEPAL – Serie medio ambiente y desarrollo No.  132, Santiago de Chile 2007, 37 ff., abrufbar unter: ; Peter-Tobias Stoll, Access to GRs and Benefit Sharing – Underlying Concepts and the Idea of Justice, in: Evanson C. Kamau/Gerd Winter (Hg.), Genetic Resources, Traditional Knowledge and the Law, London and Sterling (VA) 2009, 3 ff.; vgl. ferner Godt, Eigentum an Information, 2007, 289 f. 234  Hierzu Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 3.  Auflage 2009, 21 ff.

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bringen: Dieser richtet sich nämlich im Grunde nur auf diejenige Naturvielfalt, die wirtschaftlich verwertbar ist – und das in nicht allzu ferner Zukunft. Und gewiss muss der aus den natürlichen „Rohstoffen“ generierte Gewinn zu den getätigten Investitionen in einem rentablen Verhältnis stehen. Das mag auf den ersten Blick, angesichts der noch immer bestehenden reichen Auswahl an unentdeckten Reserven des „Grünen Goldes“235 , unproblematisch der Fall sein; doch nicht jede natürliche Ressource vermag auf dem Markt der patentierbaren Naturgüter einen guten Preis zu erzielen. Und deshalb verwundert es letztlich kaum, dass das INBio-Projekt längst nicht mehr profitabel arbeitet und inzwischen nur noch mit staatlicher Hilfe fortbestehen kann.236 Bei näherem Hinsehen lässt sich bereits jetzt erkennen, dass hinsichtlich der Schutzmaßnahmen zugunsten biologischer Ressourcen deutlich differenziert wird. Im Rahmen des Bioprospecting werden nämlich vor allem solche biologischen Materialien bevorzugt gesammelt und hinsichtlich ihrer genetischen Information erforscht, die sich bereits als nützlich erwiesen haben und daher als profitabel erscheinen. Um die Forschungs- und Entwicklungskosten für Pharma- und Agrarprodukte möglichst gering zu halten, lohnt es sich besonders, auf das schon vorhandene, traditionelle Wissen um die Verwendungsmöglichkeiten natürlicher Ressourcen zurückzugreifen. Deshalb konzentrieren sich die Forschungsaktivitäten insbesondere auf diejenigen Naturstoffe, welche bei den vor Ort lebenden Menschen bereits seit langem genutzt werden, etwa um Heil- oder Lebensmittel herzustellen. Die Situation scheint paradox: Die weltweit forschenden Unternehmen greifen auf das traditionelle Wissen kleiner, vom Weltmarkt abgekoppelter Bevölkerungsteile zurück, um ökonomisch verwertbare Substanzen entdecken zu können. Ihre Innovationskraft stützt sich insoweit auf alte Wissensbestände, die selbst überhaupt nur deshalb entstehen und tradiert werden konnten, weil sie bislang von Weltmarkt und modernem „Weltwissen“ isoliert waren.237 235   Joscha Wullweber, Das grüne Gold der Gene. Globale Konflikte und Biopiraterie, Münster 2004, 3 ff. 236   Siehe hierzu etwa Elizabeth Pennisi, „Costa Rica‘s INBio Facing Government Bailout“, Science (AAAS), 22.4.2013, abrufbar unter: ; Alejandra Vargas M., „INBio inició campaña por donaciones“, La Nación (San José), 9.3.2013, ; Monserrath Vargas L., „Falta de dinero obliga a INBio a ceder su parque y colecciones“, La Nación (San José), 9.3.2013, ; Melania Ortiz Volio, „Lo que retorna el INBio“, La Nación (San José), 17.4.2013, . 237  Näher dazu Ulrich Brand, Paradoxien der Biopolitik, in: Karin Gabbert/Wolfgang Gabbert/Ulrich Goedeking/Annette Nana Heidhues/Anne Huffschmid/Michael Krämer/ Christiane Schulte/Ruth Stanley (Hg.), Rohstoffboom mit Risiken, Jahrbuch Lateinamerika 31, Münster 2002, 127 ff. (129 f.); Ulrich Brand/Christoph Görg, „Nachhaltige Globalisierung“? Sustainable Development als Kitt des neoliberalen Scherbenhaufens, in: Christoph

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Aber nicht nur die kulturelle Diversität des Wissens verdankt sich der Abkoppelung von weltweiten Modernisierungsentwicklungen, sondern auch die biologische Diversität selbst 238 – darauf verweisen schließlich auch diejenigen, die im Bioprospecting im Grunde nichts anderes sehen als eine besondere Form der Biopiraterie, namentlich der Ausbeutung natürlicher Ressourcen mit den Mitteln des modernen Rechts des „geistigen Eigentums“: „Die Biodiversität ist immer durch eine florierende Kulturvielfalt geschützt gewesen. Indem sich Kulturen auf indigene Wissenssysteme stützten, haben sie dezentralisierte Ökonomien und Produktionssysteme herausgebildet, die die biologische Vielfalt nutzen und reproduzieren. Monokulturen hingegen, die durch zentralisierte Bewirtschaftung produziert und reproduziert werden, zehren die Biodiversität auf.“239

Wenn der Schutz der Biodiversität demnach auf der Vielfalt traditioneller Wissensgemeinschaften beruht, dann folgt daraus im Umkehrschluss, dass sie alleine mit den Mitteln einer auf weltweite kommerzielle Verwertung ausgerichteten „modernen“ Wirtschaft nicht zu retten sein wird.240 Ein nachhaltiger Umgang mit der Natur kann jedenfalls nicht dadurch erreicht werden, dass sie als Ressource für den einen, „monoglobalen“ Weltmarkt nutzbar gemacht wird, indem man ihre genetische Information und das traditionelle Wissen in „geistiges Eigentum“ verwandelt. Dies gilt auch dann, wenn man die gute Absicht hat, nach den Maßstäben des ABS zu handeln. Selbst wenn man also die aus den entsprechenden Patent- und Sortenschutzrechten erzielten wirtschaftlichen Vorteile den ursprünglichen Trägern des traditionellen Wissens oder sogar dem Naturschutz zukommen lassen möchte, entgeht man dem Vorwurf der Biopiraterie nur zum Teil. Denn es mag zwar möglich sein, Mensch und Natur in Geld zu entschädigen. Eine „Naturalrestitution“ im buchstäblichen Sinn des Wortes kann jedoch niemand leisten. Es gibt keinen Ersatz dafür, dass natürliche wie auch kulturelle Ressourcen durch die wissenschaftliche Exploration aus ihrem ursprünglichen Entwicklungszusammenhang entfernt und in für moderne, „monokulturelle“ Ökonomien verwertbare Informationen transformiert werden. Sie drohen damit ihre besondere Bedeutung für diejenigen „nichtmodernen“ Lebenswelten zu verlieren, welchen sie ihre Existenz verdanken. Und mehr noch: Werden etwa kultuGörg/Ulrich Brand (Hg.), Mythen globalen Umweltmanagements: „Rio + 10“ und die Sackgassen ‚nachhaltiger Entwicklung‘, Münster 2002, 12 ff. (31 f.). 238  Vgl. Brand, Paradoxien der Biopolitik, in: Gabbert et al. (Hg,), Rohstoffboom mit Risiken, 2002, 127 ff. (133). 239  Vgl. Vandana Shiva, Biopiracy: The Plunder of Nature and Knowledge, Cambridge (MA) 1997, 72: „Biodiversity has been protected through the flourishing of cultural diversity. Utilizing indigenous knowledge systems, cultures have built decentralized economies and production systems that use and reproduce biodiversity. Monocultures, by contrast, which are produced and reproduced through centralized control, consume biodiversity.“ (Übersetzung von mir, M. G.). 240   Vgl. hierzu Shiva, Biopiracy: The Plunder of Nature and Knowledge, 1997, 72 ff.

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rell-religiös begründete Regeln des Zugangs zu traditionellem Wissen durch die moderne Verwertungslogik verdrängt, dann nimmt schließlich sogar die kulturelle Entwicklung traditionaler Wissensgemeinschaften insgesamt Schaden.241 Sind deren Quellen einmal ausgebeutet, so steht zu befürchten, dass es kein „neues“ traditionelles Wissen mehr geben kann. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Natur: Man mag einen Teil ihrer Vielfalt an genetischer Information sammeln, sichern und in Laboratorien („ex situ“) weiterverwenden, doch verbessert das noch nicht den Zustand der Lebewesen in freier Wildbahn („in situ“).242 Ebenso wenig können Geldleistungen die Umweltschäden wirklich ersetzen, die mitunter bei den Forschungsaktivitäten selbst eintreten. Abgesehen davon, dass solche Geldleistungen ohnehin meistens an anderer Stelle eingesetzt werden, gibt es keine allgemeingültigen Kriterien dafür, welche Schutzmaßnahmen einen bereits eingetretenen Umweltschaden vollständig kompensieren könnten.

II.  Zukünftige Gerechtigkeit: Natürliche und kulturelle Eigenwerte Gewiss bemüht man sich eben deshalb umso mehr, den ökonomischen Wert von Naturgütern noch differenzierter zu bestimmen.243 Doch stoßen auch diese Versuche an die Grenzen Ihrer eigenen Prämisse, dass die Natur für Menschen – und nur für Menschen (und vor allem für gegenwärtig lebende Menschen) – einen Nutzen haben müsste. Dass diese anthropozentrische Sichtweise letztlich einseitig auf die von ihr vorausgesetzten, ökonomisch berechenbaren Werte beschränkt bleibt, ist schon seit der Frühphase der Entwicklung eines eigenständigen Umweltrechts bekannt: „Die einzigen Werte, die konsequent berücksichtigt werden, sind demnach jene, die mit Nachdruck von solchen Menschen vertreten werden, die daran interessiert und dazu in der Lage sind, einen Planungstheoretiker zu Rate zu ziehen – ein Umstand, der mit großer Wahrscheinlichkeit für den Ausschluß solcher Werte sorgt, die zu weit über den Raum verstreut sind oder nur über zu lange Zeiträume spürbar werden, als daß ein einzelner Auftraggeber eines Planungstheoretikers sich nachhaltig für sie einsetzen könnte;  Ebenso Shiva, Biopiracy: The Plunder of Nature and Knowledge, 1997, 74; auf gleicher Linie auch Gunther Teubner/Andreas Fischer-Lescano, Cannibalizing Epistemes: Will Modern Law Protect Traditional Cultural Expressions?, in: Christoph Beat Graber/Mira Burri-Nenova (Hg.), Intellectual Property and Traditional Cultural Expressions in a Digital Environment, Cheltenham 2008, 17 ff. 242  Vgl. Jim Chen, Across the Apocalypse on Horseback: Biodiversity Loss and the Law, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 42 ff. (52). 243   Siehe hierzu Leslie Richardson/John Loomis, Total Economic Valuation of Endangered Species: A Summary and Comparison of United States and Rest of the World Estimates, in: K. N. Ninan (Hg.), Conserving and Valuing Ecosystem Services and Biodiversity: Economic, Institutional, and social challenges, London and Sterling (VA) 2008, 25 ff. 241

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das sind Werte, die primär mit Menschen, die noch nicht existieren, zu tun haben (künftige Generationen), und Werte, die gar nichts mit Menschen zu tun haben (beispielsweise die „Rechte“ von Pflanzen oder Tieren).“244

Das Zitat entstammt einem Aufsatz des amerikanischen Rechtswissenschaftlers Laurence Tribe aus dem Jahr 1974. Sein markanter Titel lautete im Original: „Ways Not To Think About Plastic Trees“ – am Beispiel von „Plastikbäumen“, die als kostensparender Ersatz für die natürliche Bepflanzung einer Hauptverkehrsstraße in Los Angeles eingesetzt worden waren, entfaltete er eine grundsätzliche Kritik an der anthropozentrischen Bedürfnisorientierung.245 Er erkannte das Problem in einer tief verankerten „ideologische(n) Befangenheit des Systems“246 , dessen Wertbestimmungen sich ausschließlich nach individuellen menschlichen Interessen richten, die zudem noch als untereinander austauschbar behandelt werden.247 Unter einem derartigen reduktionistischen Blickwinkel gäbe es prinzipiell nichts mehr dagegen einzuwenden, die natürliche Vegetation durch Plastikbäume zu ersetzen, ja sogar die gesamte Natur zu synthetisieren, sofern dies für die Menschen nur nützlich wäre.248 Unter den gleichen Voraussetzungen stehen schließlich auch die heutigen Bemühungen, die Biodiversität im Interesse der Menschheit zu erhalten. Die umweltpolitische Praxis besteht darin, Natur, Leben und traditionelles Wissen instrumentell, als natürliche und kulturelle Ressourcen aufzufassen und in austauschbare Werte zu verwandeln. Gewiss gibt es dafür gute Gründe: Der Wert von Naturgütern kann schließlich nur anhand von Vergleichswerten messbar gemacht werden. Und der einheitliche Maßstab des menschlichen Nutzens – vor   Laurence H. Tribe, Ways Not To Think About Plastic Trees: New Foundations for Environmental Law, The Yale Law Journal 1974, Vol.  83, 1315 ff. (1319); dt.: Was spricht gegen Plastikbäume?, in: Dieter Birnbacher (Hg.), Ökologie und Ethik, Stuttgart 1980, 20 ff. (24 f.). 245  Vgl. Tribe, The Yale Law Journal 1974, Vol.  83, 1315 ff. (1315 ff. und 1329 ff.); dt.: Was spricht gegen Plastikbäume?, in: Birnbacher (Hg.), Ökologie und Ethik, 1980, 20 ff. (20 ff. und 38 ff.); hierzu auch Gruber, Die Rechte des Lebendigen: Wege zum Rechtsschutz nichtmenschlichen Lebens und natürlicher Lebensgesamtheiten, AJP/PJA 2007, 1546 ff. 246   Tribe, The Yale Law Journal 1974, Vol.  83, 1315 ff. (1332); dt.: Was spricht gegen Plastikbäume?, in: Birnbacher (Hg.), Ökologie und Ethik, 1980, 20 ff. (43). 247  So Tribe, The Yale Law Journal 1974, Vol.  83, 1315 ff. (1330 ff.); dt.: Was spricht gegen Plastikbäume?, in: Birnbacher (Hg.), Ökologie und Ethik, Stuttgart 1980, 20 ff. (38 ff.). 248  Vgl. dazu näher Tribe, The Yale Law Journal 1974, Vol.  83, 1315 ff. (1326); dt.: Was spricht gegen Plastikbäume?, in: Birnbacher (Hg.), Ökologie und Ethik, Stuttgart 1980, 20 ff. (34): „Wenn man in der Umweltpolitik das individuelle menschliche Bedürfnis als die letztlich entscheidende Bezugsgröße behandelt, und wenn man davon ausgeht, daß menschliche Ziele als (physiologisch und/oder kulturell) ‚vorgegebene‘ Faktoren und nicht als Erzeugnisse der Vernunft aufzufassen sind, fällt man damit ein Werturteil, das äußerst vielschichtig und von weittragender Bedeutung ist. Ist dieses Urteil erst einmal getroffen, muß jeder Anspruch auf die Erhaltung bedrohter Wildnis oder gefährdeter Arten darauf beruhen, daß dafür menschliche Bedürfnisse angegeben werden, die durch eine umstrittene Entwicklung aufs Spiel gesetzt würden. Und in dem Maße, in dem wir solche Bedürfnisse auch künstlich befriedigen können, wird dieser Anspruch mehr und mehr fadenscheinig.“ 244

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

allem der Appell an die eigenen Überlebensinteressen – kann Menschen dazu motivieren, sich verstärkt für ökologische Belange einzusetzen. So sehr es dem Schutz der biologischen und kulturellen Vielfalt dienen kann, Natur und Kultur als ökonomische Ressourcen zu rekonstruieren, so dürfen jedoch auch die möglichen Nachteile nicht übersehen werden. Die Gefahr besteht darin, wirtschaftliche Wertbestimmungen, utilitaristische Nützlichkeitserwägungen wie auch anthropozentrische Fixierungen auf den menschlichen Eigennutzen absolut zu setzen und damit den Eigenwert von Natur und Kultur jenseits einer rein instrumentellen Rationalität zu verkennen. Das jedoch ist die Versuchung des ökonomistischen Reduktionismus: den aktuellen, häufig kurzfristigen Eigeninteressen den Vorrang vor nachhaltiger Entwicklung einzuräumen, den faktischen Einfluss gegenwärtiger Akteure an die Stelle von legitimer Rechtfertigung zu setzen, Werte ausschließlich nach Quantität anstelle von Qualität zu bemessen – kurzum: nur noch Gegenwart statt Zukunft, Faktizität statt Geltung und „Effizienz statt Gerechtigkeit“249 zu sehen. Von einer solchen Warte aus ist es nur noch schwer vorstellbar, Entscheidungen an langfristigen Perspektiven auszurichten, deren Folgen heute ohnehin kaum noch kalkulierbar sind. Folgenabschätzungen sind zum Scheitern verurteilt, weil die gegenwärtige Zukunft von den zukünftigen Gegenwarten 250 immer deutlicher abweicht. Entscheidungen erscheinen daher zunehmend als riskant und gehen nicht mehr alleine diejenigen etwas an, die sie treffen. Die daraus resultierenden Gefahren lassen sich indes weder hinsichtlich ihres Ausmaßes noch im Hinblick auf den Kreis der Betroffenen vorhersehen.251 Der verengte Blick ist dabei nicht einfach auf eine „Ökonomisierung“ von Natur und Kultur zurückzuführen. Die ökonomische Bewertung als solche behält ihre eigene Berechtigung, soweit sie die wirtschaftlichen Äquivalente natürlicher und kultureller Ressourcen herausarbeitet und in Kosten-NutzenAnalysen berücksichtigt. Die wirtschaftliche Rationalität steht deshalb keineswegs zwingend im Widerspruch zu einem nachhaltigen Schutz der Umwelt. Probleme entstehen erst aufgrund ihrer zumeist unhinterfragten Verknüpfung mit der anthropozentrischen Grundannahme, dass einzig und alleine die Interessen der gegenwärtigen Menschen zu berücksichtigen seien. Diese Prämisse verleitet ihrerseits zu der weiteren Annahme, dass sich die Interessen gegenwärtiger Menschen vollständig im wirtschaftlichen Medium, also „geldwert“ beschreiben ließen. Darin liegt schließlich auch die tiefere Ursache für die Kurzsichtigkeit einiger ökonomischer Perspektiven: in deren mangelnder Reflexion  Vgl. Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 3.  Auflage 2009, 213 ff.   Siehe hierzu Luhmann, Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, 1990, 131 ff. (158 ff.); ders., Soziologie des Risikos, 1991, 9 ff. und 41 ff. 251  Vgl. Luhmann, Verständigung über Risiken und Gefahren, in: Die Moral der Gesellschaft, 2008, 348 ff. (352 f.); zum Verhältnis von Risiko und Gefahr bereits oben, 3. Abschnitt, 2. Titel, VIII. (S.  284 ff.). 249

250

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über die Beschaffenheit der Interessen und den Kreis ihrer möglichen Träger – und nicht im ökonomischen Denken an sich, das die wichtige Funktion einer gesellschaftlichen Teilrationalität252 erfüllt. Solange ökonomische Sichtweisen jedoch ohne Weiteres unterstellen, dass Kultur und Natur sowie insbesondere Biodiversität alleine um der Menschen willen zu schützen seien, vermögen sie die beschriebene „Kurzfristperspektive“ nicht zu überwinden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie sich für die Interessen der von wirtschaftlichen Mächten bedrängten traditionellen Wissensgemeinschaften einsetzen. So nützt es der indigenen Bevölkerung nur kurzfristig, nicht jedoch nachhaltig, wenn sie etwa an den aus ihren Wissensbeständen entwickelten Patenten rechtlich oder auch finanziell beteiligt werden sollen. Die Beteiligung am modernen Marktgeschehen mag zwar für das Wohlergehen gegenwärtiger indigener Gruppen und auch für die Sicherung ihrer bereits vorhandenen Wissensbestände nützlich sein. Doch werden damit zugleich die Prozesse der Erzeugung neuen traditionellen Wissens und mithin die zukünftigen Existenzgrundlagen der indigenen Kulturen in Frage gestellt.253 Gerade mit Blick auf diese Unzulänglichkeit ist es wichtig, traditionellem Wissen einen Eigenwert – nicht als Wissensbestand, sondern als produktivem Wissenskontext – beizumessen, der über die bloß instrumentelle Dimension der Wissensnutzung hinausreicht. Nachhaltigkeit bedeutet aus dieser Sicht, die Fragen nach den beteiligten Interessenträgern und ihren möglichen Herrschaftsrechten neu zu stellen: Wem also gehört die Natur und das Wissen über sie? Üblicherweise wird diese Frage bloß im Sinne der Alternative aufgefasst, ob Natur- und Immaterialgüter entweder als Eigentum einzelnen Individuen zustehen oder aber als gemeinschaftlich verfügbares Gut der Public Domain zugehören sollen. Dabei wird jedoch ohne Weiteres schon vorausgesetzt, dass Natur und traditionelles Wissen prinzipiell verfügbar, quantifizierbar, austauschbar, käuflich, kurz: „kommerzialisierbar“ seien. Gerade darin liegt aber die „epistemische Falle“ des eigentumsorientierten, insbesondere patentrechtlichen Denkens254 : Von vornherein wird die weitere Möglichkeit übersehen, dass natürliche und kulturelle Güter aufgrund ihres Eigenwertes gar nicht – jedenfalls nicht vollständig – verwertet werden dürfen, ganz gleich ob durch wirtschaftliche Vermarktung oder auch im Wege „freier“ öffentlicher Verbreitung. Etwas genauer müsste die Frage also lauten: Wem kann die Natur und das Wissen über sie inwieweit gehören? Das macht die Sache natürlich komplizierter, aber auch   Vgl. hierzu Niklas Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1988,

252

43 ff.

253  Ebenso Teubner/Fischer-Lescano, Cannibalizing Epistemes: Will Modern Law Protect Traditional Cultural Expressions?, in: Graber/Burri-Nenova (Hg.), Intellectual Property and Traditional Cultural Expressions in a Digital Environment, 2008, 17 ff. (21). 254  Vgl. hierzu Teubner/Fischer-Lescano, Cannibalizing Epistemes: Will Modern Law Protect Traditional Cultural Expressions?, in: Graber/Burri-Nenova (Hg.), Intellectual Property and Traditional Cultural Expressions in a Digital Environment, 2008, 17 ff. (34 f.).

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

deutlich, dass es nicht nur darum geht, wem Eigentumsrechte unter dem Gesichtspunkt einer „optimalen“ (gemeint ist damit fast immer nur: „effizienten“) Ressourcenallokation zustehen sollen. Das Kernproblem besteht vielmehr da­ rin, überhaupt erst einmal herauszufinden, welche Akteure als mögliche Rechtsträger in Frage kommen und in welchem Maß natürliche und kulturelle Güter als unverfügbar gelten. Die erwähnten Bemühungen des Bioprospecting, die biologische Vielfalt zu erkunden, sollten sich dementsprechend nicht bloß darauf richten, neue verwertbare Ressourcen zu erschließen, sondern zuallererst auf die Ermittlung der Akteure und ihrer Interessen, die es zu berücksichtigen gilt. Die Frage nach den möglichen weiteren Interessenträgern, insbesondere nach dem Eigenwert und der Unverfügbarkeit von Natur und Wissen lässt sich als Teil eines übergreifenden Problems begreifen, das im biotechnologischen Zeitalter allgegenwärtig geworden ist: Die zunehmend schwierigere Abgrenzung, ob lebendige Wesen als „Körper“, „Körperteile“, „Körperfunktionen“ oder auch „Körperinformationen“ jemandem (als Eigentum) „gehören“ oder aber schon jemand (als Teil einer Person) „sind“.255

III.  Biosoziale Schicksalsgemeinschaften: Sachwalter der biologischen und kulturellen Vielfalt In Costa Rica mag es in dieser Hinsicht wenig bedenklich erscheinen, wenn natürliche Ressourcen, die bislang niemandem bekannt gewesen sind, erstmals erforscht und nutzbar gemacht werden. Wegen des geringen Anteils indigener Bevölkerung besteht dort kaum ein Verdacht, dass die vorgefundenen Naturgüter bereits jemandem gehören könnten, sei es in ihrer Substanz, sei es auch in Gestalt des traditionellen Wissens über sie.256 Zieht man allerdings den Kreis der betroffenen lokalen Gruppen etwas weiter, muss man zugestehen, dass immerhin die heimische Landbevölkerung traditionelle Nutzungsformen der nun erforschten Naturressourcen kennt und sich daher ebenfalls mit guten Gründen auf ihre entsprechenden Rechte „aus Tradition“ berufen könnte.257

255   Diese Abgrenzungsproblematik wurde schon oben im 1. Abschnitt, 2. Titel (S.  24 ff.) thematisiert. 256   In diesem Sinne Gámez, The Link Between Biodiversity and Sustainable Development: Lessons From INBio’s Bioprospecting Programme in Costa Rica, in: McManis (Hg.), Biodiversity and the Law, 2007, 77 ff. (83). 257   Näher dazu Michael J. Miller, Biodiversity Policy Making in Costa Rica: Pursuing Indigenous and Peasant Rights, in: The Journal of Environment and Development 2006, Vol.  15, 359 ff.; Jack Kloppenburg/Silvia Rodríguez Cervantes, Conservationist or Corsairs?, in: Seedling 1992, Vol.  9, 12 ff., abrufbar unter: ; Silvia Rodríguez Cervantes, Biodiversitäts-Politik und lokale Gegenmacht – Das Beispiel Costa

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Insgesamt jedenfalls sind weitaus häufiger solche schwierigen Fälle auszumachen, in denen lokale Populationen betroffen sind. Bei indigenen Gruppen kommt erschwerend hinzu, dass sie zumeist keine mit dem modernen „Eigentum“ vergleichbaren Rechte an natürlichen und kulturellen Ressourcen kennen. Sie müssen dann in die Lage versetzt werden, ihre natürlichen und kulturellen Güter gemeinschaftlich zu erhalten, ohne dass es zwingend einer eigentumsmäßigen Zuordnung bedürfte.258 Insoweit kommt es darauf an, sie rechtlich wie auch technisch zu ermächtigen, als eigenständige Sachwalter die Produktionsbedingungen ihres traditionellen Wissens sowohl privater als auch öffentlicher Verfügung entziehen zu können. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung bedeutet es, wenn sie mit den notwendigen technischen Hilfsmitteln ausgestattet und betreut werden, um die ihnen traditionsgemäß gehörenden kommunalen Gebiete und Ressourcen selbständig zu kartographieren und zu kennzeichnen. In Venezuela können sich derartige Initiativen beispielsweise auf verfassungsmäßige „Rechte der indigenen Bevölkerung“259 stützen.260 Weitere Aktivitäten der technischen Unterstützung und Kooperation gibt es auch in anderen Ländern Lateinamerikas261, Asiens262 und Afrikas263 , wo man besondere Hoffnungen in die landwirtschaftliche Nutzung der Biotechnologie im Rahmen von Public-Private-Partnerships setzt. Auch hier wird Technik in jeweils unterschiedlichem Umfang für die Belange der einheimischen Bevölkerung nutzbar gemacht. Gleichzeitig soll damit die wissenschaftliche sowie wirtRica, in: Christoph Görg/Ulrich Brand (Hg.), Mythen globalen Umweltmanagements: „Rio + 10“ und die Sackgassen ‚nachhaltiger Entwicklung‘, Münster 2002, 137 ff. (140 ff.). 258  Vgl. Teubner/Fischer-Lescano, Cannibalizing Epistemes: Will Modern Law Protect Traditional Cultural Expressions?, in: Graber/Burri-Nenova (Hg.), Intellectual Property and Traditional Cultural Expressions in a Digital Environment, 2008, 17 ff. (31 ff.). 259   Siehe Art.  119 ff. der Constitución de la República Bolivariana de Venezuela (1999), abrufbar unter: . 260  Erläuternd Stanford Zent/Egleé L. Zent, On Biocultural Diversity from a Venezuelan Perspective: Tracing the Interrelationships among Biodiversity, Culture Change and Legal Reforms, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 91 ff. (103 ff.). 261  Vgl. Joshua Rosenthal, Politics, Culture and Governance in the Development of Prior Informed Consent and Negotiated Agreements with Indigenous Communities, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 373 ff. 262  Vgl. Glenn D. Stone, The Birth and Death of Traditional Knowledge: Paradoxical Effects of Biotechnology in India, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 207 ff. 263  Vgl. Florence Wambugu, Biotechnology for Sustainable Agricultural Development in Africa: Opportunities and Challenges, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 174 ff.; siehe im selben Band auch Gurdev S. Khush, Biotechnology: Public-Private Partnerships and Intellectual Property Rights in the Context of Developing Countries, 179 ff.

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schaftliche Entwicklung des Biotechnologiesektors gefördert, nach Möglichkeit aber auch die biologische Vielfalt erhalten werden. Zweifelhaft ist in dieser Hinsicht jedoch, zu welchen Bedingungen die Vielfalt erhalten werden soll und unter welchen Umständen die Biotechnologie hilft, dieses Ziel zu erreichen. An Kritik gegenüber den neuen, zum Teil irreversiblen Abhängigkeiten von Technologietransfers mangelt es daher nicht.264 Ähnlich wie indigene Gruppen als traditionelle Wissensgemeinschaften unter dem Einfluss der Biotechnologie zu Sachwaltern ihres gemeinsamen kulturellen Erbes werden, führt auch der biotechnologische Wandel in der Landwirtschaft zur Herausbildung neuer Interessengemeinschaften. Gemeint sind damit zunächst die vielen ländlichen Gemeinschaften, deren traditionelle Agrarkultur für eine selbständige Nahrungsmittelproduktion in den sich entwickelnden Ländern unverzichtbar ist. Sie gelten als Garanten der landwirtschaftlichen Biodiversität.265 Farmers’ Rights266 sollen als Kollektivrechte dazu beitragen, dass sie von der industriellen Landwirtschaft und ihren neuen Technologien unabhängig und frei bleiben. Zu diesen neuen Technologien gehören längst nicht mehr nur die etwa durch eine „äußerliche“ Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln ermöglichten Monokulturen, sondern auch die „von innen“, nämlich gentechnisch manipulierten Nutzpflanzen.267 Ist die genveränderte Saat einmal ausgebracht, so lässt sich nicht mehr vollständig kontrollieren, wie sich die transgenen Pflanzen weiterverbreiten und mit anderen Nutz- und Wildpflanzen kreuzen. Die Eingriffe der „Grünen Gentechnik“ sind im Vergleich zur natürlichen Evolution drastisch, aber ebenso irreversibel. Der Einsatz von Biotechnologien kann demnach zwar nützlich, mitunter sogar unentbehrlich sein, um die biologische wie auch die kulturelle Diversität für die Zukunft zu bewahren. Aber die gleichzeitig drohenden Nachteile können sich als endgültige und zudem nachteilige Verfügungen über die Zukunft herausstellen. Umso wichtiger ist es daher, alle Betroffenen, also gerade auch die genannten lokalen Gruppen an den Zukunftsentscheidungen zu beteiligen.

264   Siehe etwa Lawrence Busch, Commentary on Agricultural Biotechnology, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 202 ff.; Tewolde Berhan Gebre Egziabher, Bedrohte Ernährungssouveränität, internationales Recht und Farmers’ Rights in Afrika, in: Christoph Görg/Ulrich Brand (Hg.), Mythen globalen Umweltmanagements: „Rio + 10“ und die Sackgassen ‚nachhaltiger Entwicklung‘, Münster 2002, 154 ff. (158 ff.). 265   Siehe hierzu Decision V/5 of the Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (CBD), abrufbar unter: . 266   Siehe Art.  9 International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture (FAO International Treaty), abrufbar unter: . 267  Vgl. Egziabher, Bedrohte Ernährungssouveränität, internationales Recht und Farmers’ Rights in Afrika, in: Görg/Brand (Hg.), Mythen globalen Umweltmanagements: „Rio + 10“ und die Sackgassen ‚nachhaltiger Entwicklung‘, Münster 2002, 154 ff. (170 ff.).

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Deren Betroffenheit ist noch umso größer, wenn die biotechnologischen Eingriffe nicht auf die genannten natürlichen oder kulturellen Ressourcen beschränkt bleiben, sondern sich ganz direkt auf ihre eigene genetische Konstitution bezieht. Tatsächlich gibt es bereits umfangreiche Bestrebungen, unter anderem auch in Costa Rica,268 die genetische Information der Menschen selbst zu sammeln, auszuwerten und für die medizinische Forschung zu nutzen. Auch hier sind vor allem die Gene derjenigen Menschenpopulationen besonders begehrt, die bislang abgeschieden von den übrigen Populationen gelebt haben, also vor allem die Erbinformation indigener Völker. Anhand ihrer genetischen Besonderheiten versprach das ebenso bekannte wie umstrittene Human Genetic Diversity Project ein besseres Verständnis etwa von erblichen Erkrankungen zu gewinnen, aber auch von vorgeschichtlichen Migrationsbewegungen, natürlichen Selektionen und sozialen sowie kulturellen Entwicklungen.269 An dieser Stelle zeigt sich besonders, dass der biotechnologische Fortschritt fortwährend neue kollektive Identitäten und Immaterialgüter hervorbringt, deren rechtliche Verhältnisse zunächst unklar sind. Hier sind es vor allem die Gene, die nicht nur als Identitätsmerkmale einzelner Menschen gelten, sondern auch neue genetische Verwandtschaften begründen.270 Es sind also „biologische“ Merkmale, die Menschen zu neuen „sozialen“ Gruppen mit gemeinsamen Interessen verbinden. Einer entsprechenden Beobachtung Paul Rabinows zufolge konstituiert das Genom somit besondere, „biosoziale“ Schicksalsgemeinschaften 271 – und wird dabei zum spätmodernen Substitut der „Seele“.272 Dementsprechend beziehen sich die Kontroversen um die Rechte an genetischer Information ganz direkt auf die Frage der Menschenrechte.273

268  Hierzu Juan Roman Rojas, Plant Pirates in Costa Rica, in: The New UNESCO Courier (November 2005), 36, abrufbar unter: . 269  Siehe Luigi L. Cavalli-Sforza/Allan C. Wilson/Charles R. Cantor/Robert M. CookDeegan/Mary-C. King, Call for a Worldwide Survey of Human Genetic Diversity: A Vanishing Opportunity for the Human Genome Project, Genomics 1991, Vol.  11, 490 f. 270   Vgl. am Beispiel von Patientengruppen mit gemeinsamen Krankheitsdispositionen Rabinow, Artifizialität und Aufklärung. Von der Soziobiologie zur Biosozialität, in: Anthropologie der Vernunft, 2004, 129 ff. (143 f.): „Solche Gruppen werden über medizinische Spezialisten, Labors, Geschichten und Traditionen ebenso verfügen wie über eine ganze Anzahl pastoraler Betreuer, die ihnen behilflich sein werden, ihr Schicksal zu erfassen, zu teilen, zu beeinflussen und zu „verstehen“. Schicksal wird es sein. Einen tieferen Sinn wird es allerdings nicht zu entdecken geben.“ 271  Vgl. Rabinow, Artifizialität und Aufklärung. Von der Soziobiologie zur Biosozialität, in: Anthropologie der Vernunft, 2004, 129 ff.; ders., Fragmentierung und Würde in der Spätmoderne, in: Anthropologie der Vernunft, Frankfurt a.M. 2004, 153 ff. (171 ff.); vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  237. 272  So Mauron, Is the Genome the Secular Equivalent of the Soul?, Science 2001, Vol.  291, 831 f.; vgl. bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  129. 273   Vgl. hierzu im Übrigen oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II., III. und IV. (S.  72 ff.).

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Dies wird gerade am Beispiel des Human Genetic Diversity Project274 erkennbar, aber auch anhand vergleichbarer Vorhaben in anderen Teilen der Welt, unter denen insbesondere das isländische Humangenom-Projekt mit der Gründung des Gentechnologie-Unternehmens deCODE genetics, Inc. großes Aufsehen erregte.275 Ähnlich wie in dem zu Beginn dargestellten Fall des Patienten John Moore 276 erschien die Entnahme von Blut- und Gewebeproben gerade unter dem Eindruck der damit verbundenen Kommerzialisierung und Sozialisierung menschlicher Körper als problematisch. Die öffentlich vernehmbaren Vorwürfe einer „ökologischen Kolonisation“277, ja sogar eines „Rassismus“278 und „Vampirismus“279 deuten darauf hin, dass derartige Projekte offenbar trotz bester Absichten, für das allgemeine Wohl der Menschheit zu arbeiten, von vielen als Existenzbedrohung wahrgenommen werden. Sie konfrontieren die Menschen mit der vor allem den religiösen, ganzheitlichen Weltkonzeptionen indigener Völker widersprechenden Idee, dass ihre Körper in isolierte immaterielle Ressourcen zu verwandeln seien, die dann wiederum als Gemeinschaftsgüter öffentlich zugänglich sein sollen. Damit verletzen sie insbesondere traditionelle, religiöse, kulturelle und lebensweltliche Vorstellungen von körperlichen wie auch geistigen Unverfügbarkeiten. Diese Beispiele zeigen noch deutlicher, dass genetische Ressourcen offenbar nicht nur für instrumentelle Zwecke wertvoll sind. Es scheint keineswegs ausschließlich um das materielle, soziale und kulturelle Wohl im Sinne eines konkreten Nutzens oder einer Steigerung von Effizienz zu gehen. Neben dem wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interesse an genetischer Information steht ein gerade auch in westlichen Gesellschaften nach wie vor weitverbreitetes „genomisch-metaphysisches“ Denken, welches das Genom für den Kernbestandteil der individuellen Identität einzelner Menschen, aber auch der kollektiven Identität der Menschheit als Gattung hält.280 Die identitätsstiftende Kraft der Gene liegt in deren evolutionstheoretischer Deutung als „gemeinsames Erbe“ begrün Vgl. Cavalli-Sforza et al., Genomics 1991, Vol.  11, 490 f.; Howard M. Cann, Human genome diversity – Diversité génomique humaine, in: Comptes Rendus de l’Académie des Sciences - Series III - Sciences de la vie/Life Sciences, Vol.  321 (1998), 443 ff. 275   Ausführlich hierzu Michael Fortun, Promising Genomics: Iceland and deCODE Genetics in a World of Speculation, Berkeley/Los Angeles/London 2008, 240 ff.; Gísli Pálsson/ Paul Rabinow, Island: Ein nationales Humangenom-Projekt, in: Rabinow, Anthropologie der Vernunft. Studien zu Wissenschaft und Lebensführung, hg.  v. Carlo Caduff/Tobias Rees, Frankfurt a.M. 2004, 179 ff. 276   Siehe oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, II. (S.  33 ff.). 277  So Hilary Cunningham, Colonial Encounters in Postcolonial Contexts: Patenting Indigenous DNA and the Human Genome Diversity Project, in: Critique of Anthropology 1998, Vol.  18, 205 ff. (214). 278   Joseph S. Alper/Jon Beckwith, Racism: A Central Problem for the Human Genome Diversity Project, Politics and the Life Sciences 1999, Vol.  18, 285 ff. 279   Central Australian Aboriginal Congress, The Vampire Project: An Aboriginal Perspective on Genome Diversity Research, in: Search 1994, Vol.  25, 88 ff. 280   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  129 und 140. 274

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det. In der Konsequenz müssen die genetischen Ressourcen als solche erhalten werden, um die Evolutionsgeschichte in Zukunft weitererzählen zu können. Doch gerade diese Zukunft ist evolutionstheoretisch nicht vorhersagbar, und sie ist angesichts der zunehmenden biotechnologischen Möglichkeiten sogar noch unsicherer geworden: Niemand weiß, wie sich die genetische Konstitution der Menschen und ihrer lebendigen Umwelt weiterentwickeln wird, welche Bedürfnisse die Menschen konkret haben werden und welche genetischen Ressourcen sich als nützlich erweisen werden. Sicher scheint lediglich, dass sich auch in Zukunft neue, häufig unerwartete Verwandtschaftsbeziehungen und Schicksalsgemeinschaften zusammenfinden werden.

IV.  Versammlung der „Noch-nicht-Versammelten“: Vertreter der offenen Zukunft Folglich muss die Bestimmung dessen, wer oder was im Sinne der Biodiversität für die Zukunft geschützt werden soll, notwendig offengehalten werden. Als einzige Konstante verbleibt das ursprünglich biologische Merkmal einer allgemeinen genetischen Verwandtschaft, die alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Menschen miteinander „biosozial“ verbindet. An diese offene Bestimmung nachfolgender Schicksalsgemeinschaften knüpft unter anderem Art.  20a GG an: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Die als Staatszielbestimmung formulierte Norm gewährt weder Menschen, noch zukünftigen Generationen, geschweige denn Tieren unmittelbar subjektive Rechte. Doch bindet sie die staatlichen Gewalten und spielt insbesondere bei hoheitlichen Abwägungsentscheidungen eine nicht zu vernachlässigende Rolle.281 An dieser Stelle wird das Problem ihrer Unbestimmtheit indes virulent, etwa wenn die Frage zu beantworten ist, welche natürlichen Lebensgrundlagen es vorrangig zu schützen gilt oder wie die Interessen zukünftiger Generationen im Einzelnen zu wahren sind. Mag es nach der aktuellen Rechtslage bei Entscheidungen über den Schutz natürlicher Ressourcen noch um den Schutz der menschlichen Lebensgrundlagen gehen, so wird der zu schützende Adressatenkreis angesichts des offenen Schutzziels zukünftiger Generationen völlig unge-

281  Vgl. Daniela v. Bubnoff, Der Schutz der künftigen Generationen im deutschen Umweltrecht. Leitbilder, Grundsätze und Instrumente eines dauerhaften Umweltschutzes, Berlin 2001, 52 ff.

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wiss: „Whose Future? Which Generation?“ – Wer werden die zukünftigen Generationen sein und was werden sie wollen? Der juristische Diskurs weicht diesen Fragen aus, indem er stillschweigend voraussetzt, dass es sich bei den zukünftigen Generationen in jedem Fall um Menschen handeln müsste, die im Wesentlichen die gleichen Interessen und Bedürfnisse wie alle gegenwärtigen Menschen haben werden.282 Außerdem wird angenommen, dass der anthropozentrische Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen heutiger Menschen gleichzeitig auch allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen, menschlichen und auch nichtmenschlichen Lebewesen zugutekomme. Ein weiterer juristischer Kurzschluss besteht darin, die notwendig von Menschen zu begründenden Rechte eben deshalb, weil sie insoweit im epis­ temischen Sinn anthropozentrisch begründet sind, auch nach ihrem inhaltlichen Schutzzweck auf die gegenwärtigen Menschen auszurichten.283 Keine dieser Annahmen ist jedoch zwingend. Denn es würde keinen Widerspruch bedeuten und wäre für Menschen als soziale, empathische Wesen 284 gar nicht ungewöhnlich, aus einer anthropozentrischen, oder genauer: menschlich-altruistischen Perspektive auch nichtmenschliches Leben aufgrund seines eigenen Wertes – also ökozentrisch – zu schützen.285 Gewiss hätte ein solcher Schritt eine nicht nur Juristen irritierende Konsequenz: Neben den Ansprüchen gegenwärtig anerkannter Rechtssubjekte, Menschen und juristischer Personen, wären nunmehr auch die möglichen, zum Teil noch gar nicht aktualisierten Interessen weiterer, im Einzelnen noch nicht bestimmbarer Akteure in den Blick zu nehmen.286 Zu diesen Akteuren zählen nichtmenschliche Wesen ebenso wie die – streng genommen: „noch-nicht-menschlichen“ – zukünftigen Generationen. Deren Interessen dürften sich in ganz ähnlicher Weise vor allem auf einen nachhaltigen, insbesondere irreversible Schäden vermeidenden Umgang der gegenwärtigen Menschen mit den natürlichen Lebensgrundlagen richten.287 Daran ist zwar auch vielen der gegenwärtig lebenden Menschen gelegen, und in einem gewissen, holistischen Sinne bilden wir „Heutigen“ mit den nichtmenschlichen und noch-nicht-menschlichen Wesen zukünftiger Generationen 282  Näher hierzu Ulrich K. Preuß, Die Zukunft: Müllhalde der Gegenwart?, in: Bernd Guggenberger/Claus Offe (Hg.), An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie. Politik und Soziologie der Mehrheitsregel, Opladen 1984, 224 ff. 283   Diese Denkweise mag dabei durchaus als „herrschende Meinung“ gelten. Vgl. statt vieler v. Bubnoff, Der Schutz der künftigen Generationen im deutschen Umweltrecht, 2001, 63 f. 284   Vgl. etwa Gallese, Journal of Consciousness Studies 2001, Vol.  8 , 33 ff.; siehe im Übrigen oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, III. (S.  77 ff.). 285   Näher hierzu Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 179 f.; Angelika Krebs, Ethics of Nature: A Map, Berlin 1999, 19 ff. 286  Richtungweisend Latour, Das Parlament der Dinge, 2001, 82 ff.; ders., Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 275 ff. 287   Siehe entsprechend Preuß, Die Zukunft: Müllhalde der Gegenwart?, in: Guggenberger/ Offe (Hg.), An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, 1984, 224 ff. (228).

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eine Schicksalsgemeinschaft aller lebendigen Wesen.288 Die Gemeinsamkeiten reichen aber keineswegs so weit, dass wir aus unserem eigenen, wohlverstandenen Interesse zugleich wirksam für die Interessengemeinschaft der nichtmenschlichen und noch-nicht-menschlichen Wesen eintreten würden. Unser Altruismus endet zumeist dort, wo unsere aktuellen, zumeist jedoch auch kurzfristigen Interessen hinter langfristigen, erst später wirksamen Belangen zurücktreten müssten. Das Phänomen der übermäßigen Höherbewertung von kurzfristigen gegenüber langfristigen Interessen betrifft nicht nur ökonomische Einzelentscheidungen 289, sondern auch die „Diskontierung“ der Interessen zukünftiger Generationen 290 . Verhaltensökonomen sehen darin einerseits die mangelnde Selbstdisziplin der vor allem auf unmittelbare Vorteile bedachten Menschen, andererseits auch die Abhängigkeit ihrer intergenerationellen Präferenzordnungen vom „Framing“ der Sachverhaltsdarstellung. Diese Erkenntnis überrascht jedoch kaum: Natürlich werden zukünftige Menschenleben in der Regel geringer bewertet als gegenwärtige, wenn in ökonomischen Studien nach einer Präferenzordnung zur Bewertung von Menschenleben gefragt wird. Deren Abhängigkeit von der Problemdarstellung deutet indes vor allem auf eines hin: Menschenleben lassen sich nicht gegeneinander aufrechnen. Versucht man es dennoch, so wird das Ergebnis keine Aussicht darauf haben, allgemein akzeptiert zu werden. Denn Leben fügt sich nicht dem ökonomischen Schema der quantifizierbaren und zudem höchst selektiven Nutzenbewertungen, die kaum ohne die Externalisierung von Kosten auskommen – sei es zu Lasten von nicht marktmäßig bewertbaren Lebensgrundlagen, sei es auch auf Kosten der zukünftigen Generationen. Nicht marktmäßig bewertbar sind daher schließlich auch die erwähnten irreversiblen Schäden an zukünftigen Lebensgrundlagen. Und gerade an diesem Punkt zeigt sich, dass es nicht genügt, alleine auf Risiko-Abwägungen nach dem herkömmlichen Kosten-Nutzen-Schema abzustellen, insbesondere wenn es um den Umgang mit neuen, teilweise noch experimentell eingesetzten Technologien geht.291 Drohen irreparable Schäden, sind diese prinzipiell nicht adäquat in versicherbare Kostenrisiken umzurechnen. Treten solche Schäden ein, 288   Zu dieser Vorstellung insbesondere Holmes Rolston, Value in Nature and the Nature of Value, in: Robin Attfield/Andrew Belsey (Hg.), Philosophy and the Natural Environment, Cambridge (UK) 1994, 13 ff.; Klaus Michael Meyer-Abich, Praktische Naturphilosophie: Erinnerung an einen vergessenen Traum, München 1997, 25 ff. 289   Siehe hierzu unter zahlreichen verhaltensökonomischen Studien vor allem Colin Camerer, Behavioral economics: Reunifying psychology and economics, Proceedings of the National Academy of Sciences 1999, Vol.  96, 10575 ff. (10576): „hyperbolic discounting“. 290  Hierzu Richard L. Revesz, Environmental Regulation, Cost-Benefit Analysis, and the Discounting of Human Lives, Columbia Law Review 1999, Vol.  99, 941 ff. (987 ff.); Daniel A. Farber, From Here to Eternity: Environmental Law and Future Generations, University of Illinois Law Review 2003, 289 ff. 291  Vgl. Busch, Commentary on Agricultural Biotechnology, in: McManis (Hg.), Biodiversity and the Law, 202 ff. (204 f.).

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können diese nicht einfach durch geldwerte Entschädigungen der unmittelbar betroffenen und klagenden Menschen und Unternehmen behoben werden. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum auch die jüngsten Umweltkatastrophen im Golf von Mexico oder in Fukushima mit keiner noch so hohen Geldsumme „repariert“ werden können: 292 Die Entschädigungswährung „Geld“ ist von vornherein die falsche – und die Ersatzleistung kann niemals alle Geschädigten erreichen. Zu diesen gehören nämlich keineswegs nur die aktuell betroffenen Menschen und ihre eingerichteten Gewerbebetriebe, sondern auch nichtmenschliches Leben und Lebensgesamtheiten: Tiere, Pflanzen sowie ihre Lebensräume und ‑grundlagen.293 Um diesen im Rahmen utilitaristischer Begrifflichkeiten gerecht zu werden, muss die Frage nach den betroffenen Interessenträgern als Rechtssubjekten neu gestellt werden. Neben den aktuell betroffenen Interessengemeinschaften gilt es dann auch diejenigen zu berücksichtigen, deren Schädigung noch nicht feststeht, womöglich auch niemals mit Gewissheit feststellbar sein wird. Mit Bezug auf die biotechnologischen Risiken bedeutet das, nicht nur die kollektiven Rechte tra­ ditioneller und ländlicher Gemeinschaften an ihrem Wissen und ihrer gegenwärtigen Kultur zu schützen. Vielmehr geht es auch darum, die Möglichkeitsspielräume der Produktion neuen Wissens und zukünftiger Kultur offen zu halten. Dazu gehört auch ein eigenständiger, von gegenwärtigen Bedürfnissen abstrahierender Schutz der Natur. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt kann insoweit nicht nur mit kurzfristigen Interessen der wirtschaftlichen Nutzung von Naturgütern in Konflikt geraten, sondern auch mit den gegenwärtigen Interessen lokaler Gruppen. Das heißt indes zugleich, dass der Schutz von nichtmenschlichen und nochnicht-menschlichen, zukünftigen Generationen zum Verlust an „Effizienz“ führen kann. Was jedoch aus einer gewöhnlichen ökonomischen Perspektive als 292   Die Stellungnahme des BP-Aufsichtsratsvorsitzenden Carl-Henric Svanberg vom 16. Juni 2010 steht exemplarisch für einen solchen ökonomistischen Irrtum über die Wiederherstellbarkeit zerstörter Natur: „We will look after the people affected, and we will repair the damage to this region, the environmental damage to this region and to the economy.“ Abrufbar unter: . Immerhin besteht eine gewisse Aussicht, dass das auf die Ölkatastrophe im Fall „Deepwater Horizon“ anwendbare US-amerikanische Umwelthaftungsrecht aufgrund des 1990 in Kraft getretenen Oil Pollution Act auch Ersatz für solche „natural resource damages“ gewähren könnte, die keinen wirtschaftlich quantifizierbaren Nutzen haben. Siehe dazu Moritz S. Rudzio, Die rechtliche Aufarbeitung der Deepwater Horizon-Ölpest im Golf von Mexiko, NuR 2011, 265 ff. (268). Zu den zwischenzeitlich von BP akzeptierten Strafzahlungen siehe Marcus Theurer, „BP zahlt 4,5 Milliarden Dollar Bußgeld“, F.A.Z. vom 15.11.2012, abrufbar unter: . Die übrigen zivilrechtlichen Forderungen werden voraussichtlich im Vergleichsweg erledigt: siehe Roland Lindner, „Der Prozess zwischen BP und Amerika über die Ölkatastrophe beginnt“, F.A.Z. vom 25.2.2013, abrufbar unter: . 293  Vgl. Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 128 ff.; ders., Die Rechte des Lebendigen: Wege zum Rechtsschutz nichtmenschlichen Lebens und natürlicher Lebensgesamtheiten, AJP/PJA 2007, 1546 ff.

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kostspielig und für niemanden nützlich erscheinen mag, ist in Wirklichkeit ein erster Schritt zur Überwindung des ökonomistischen Reduktionismus. Dessen Wahrnehmung von „Effizienz“ ist nämlich höchst selektiv, soweit sie sich nur an gegenwärtigen Interessen orientiert und die Externalisierung der Kosten, insbesondere zu Lasten zukünftiger Generationen ausblendet.294 Stellt man sich demgegenüber dem beschriebenen Umstand, dass wir „Gegenwärtigen“ selbst mit ungewissen „Zukünftigen“ schicksalhaft verbunden sind, so müssen auch deren Kosten – wie auch ihr Nutzen – in die Effizienzberechnungen eingehen. Doch handelt es sich dabei um unbekannte Variablen, die möglicherweise noch nicht einmal mit Wahrscheinlichkeitsaussagen annähernd bestimmbar sind. Wenn noch niemand weiß (und auch nicht wissen kann), wer die zukünftigen Generationen sein werden, welche Schicksalsgemeinschaften sich bilden, welche Konfliktparteien auftreten und welche Interessen sie haben werden, muss man mit dem Unkalkulierbaren rechnen: Die kalkulierte Effizienz ist dann nur noch unter dem Vorbehalt gültig, dass sie auch für mögliche, nicht vorausgesehene und womöglich gar nicht voraussehbare Zukünfte genügend Handlungsmöglichkeiten bietet, um zukünftigen Generationen neue, eigene Entscheidungen zu ermöglichen. Hier kann es jedoch nicht darum gehen, die Freiheit der gegenwärtig lebenden Menschen im Namen der Zukünftigen über Gebühr einzuschränken. Keinesfalls darf der Schutz der zukünftigen Generationen zu der unmöglichen Forderung verleiten, jegliches Risiko eines irreversiblen Schadens auszuschließen und damit nahezu jede neue Technologie zu verhindern. Vielmehr soll die gegenwärtige Freiheit lediglich unter den Bedingungen der zukünftigen Freiheit ermöglicht werden.295 Eine solcherart bedingte Freiheit verlangt nicht mehr, aber auch nicht weniger als Verantwortung im wohlbekannten Kantischen Sinn: „[H]andle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“296 Mit Blick auf die zukünftigen Generationen bedeutet das eben nicht, auf jegliches Handeln zu verzichten, das sich als Verfügung über die Zukunft darstellt. Stattdessen kommt es darauf an, dass Entscheidungen mit Bindungswirkung für die Zukunft von denjenigen autonom mitbestimmt werden, die davon betroffen sind. Sind die Betroffenen abwesend, wie es bei den zukünftigen Generationen der Fall ist, müssen andere ihre Interessen als Stellvertreter wahrnehmen. Aber auch eine solche advokatorische Interessenvertretung setzt voraus, dass „jemand“ vertreten wird. Zukünftige Generationen haben diesen Status eines 294  Vgl. Preuß, Die Zukunft: Müllhalde der Gegenwart?, in: Guggenberger/Offe (Hg.), An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, 1984, 224 ff. (228 ff.). 295   Siehe hierzu Preuß, Die Zukunft: Müllhalde der Gegenwart?, in: Guggenberger/Offe (Hg.), An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, 1984, 224 ff. (227). 296   Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1968/1993, BA 52 (51).

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„Subjekts“ zweifellos noch nicht erreicht – doch zumindest dem Recht scheint der Gedanke nicht fremd zu sein, neue subjektive Rechte als Ansprüche von „Rechtssubjekten“ mit eigenen Interessen zu konstruieren. Das Recht benutzt solche Konstruktionen, um mit seinen vorhandenen begrifflichen Mitteln auf neuartige Probleme zu antworten, für die es im Grunde noch keine Begriffe kennt. Gibt es keinen rechtlichen Begriff für die zukünftigen, nichtmenschlichen und noch-nicht-menschlichen Schicksalsgemeinschaften, so helfen nur Fiktionen 297, um eine Ausnahme von der Regel zu begründen, dass die Rechtsfähigkeit erst mit der Geburt beginnt – ohne dabei jedoch diese Regel zu sabotieren. In einem gewissen Sinn ist das Recht damit in der Lage, das (noch) Undenkbare zu denken 298 , und zwar noch bevor es den angesichts neuer Problemlagen notwendig werdenden konzeptionellen Umbau vollziehen kann. Auch wenn zukünftige Generationen demnach (noch) keine Subjekte sind, können sie im Recht – genauer: in der „Rechtsfiktion“299 – prinzipiell als Rechtssubjekte „gelten“. Indessen kann auch die rechtliche Fiktion solcher Rechtssubjekte nicht der Frage ausweichen, was deren Identität ausmacht. Zukünftige Generationen können allenfalls dann als rechtsfähig gelten, wenn sie sich durch besondere Eigenschaften auszeichnen, die sie als eigenständige Träger von In­ teressen erscheinen lassen.

V.  Versammlungen zukünftiger Generationen als Schicksalsgemeinschaften Der Versuch einer näheren Bestimmung kann allerdings an vier wichtige Gesichtspunkte anknüpfen, die sich darauf beziehen, was es heißen kann, eine „zukünftige Generation“ zu sein, und wie sich zukünftige Generationen als berücksichtigungsfähige Schicksalsgemeinschaften konstituieren: (1.) Zunächst erscheinen zukünftige Generationen als eine parallele, kollektive Form des ungeborenen Lebens, das den Gegenstand bioethischer Diskussionen im Bereich der Reproduktionsmedizin bildet. In beiden Fällen geht es um mögliche Menschen und deren mögliche Zukünfte, deren „moralische Geburt“ in der Diskussion mitunter insoweit vorverlagert wird, als diese gleichsam wie eigenständige Träger von Rechten behandelt werden. In dem Bewusstsein, dass Menschen aus dem Kontinuum der Evolution des gesamten Lebens entstanden und noch immer ein Teil desselben sind, erschei297  Vgl. insbesondere Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 2.  Auflage 1969, 199 ff.; vgl. auch oben, Fn.  73, in diesem Abschnitt. 298   Ein berühmtes Beispiel, das „Undenkbare“ rechtlich zu denken, liefert Christopher D. Stone, Southern California Law Review 1972, Vol.  45, 450 ff.; dt.: Umwelt vor Gericht, 2.  Auflage 1992, 25 ff. 299  Vgl. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 2.  Auflage 1969, 199 ff.

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nen sie mit noch-nicht-menschlichen und sogar mit nichtmenschlichen Wesen in einem gewissen Sinne verwandt.300 Es ist dann zumindest naheliegend, diejenigen mit eigenen Rechten auszustatten, die sich potentiell zu personalen Wesen weiterentwickeln könnten.301 Da aber nur äußerst selten mit Sicherheit feststellbar ist, ob ein Ungeborener oder ein nichtmenschliches Wesen tatsächlich über dieses Potential verfügt, muss dies auch für Zweifelsfälle gelten. Auch sie werden grundsätzlich so zu behandeln sein, dass Ungeborene vorzeitig als Rechtspersonen gelten dürften: in dubio pro persona.302 Die Anerkennungsvoraussetzungen sind in jedem Fall so weit zu fassen, dass die Gefahr einer Ausgrenzung personaler Wesen aus dem Kreis der rechtlich geschützten Personen ausgeschlossen ist. Denn anderenfalls stünde zu befürchten, dass mit der Missachtung derjenigen, die uns ähnlich und mit uns verwandt sind, gleichzeitig auch unser eigener Personenstatus nicht mehr dauerhaft gesichert wäre, sondern ständig neu begründet werden müsste.303 Deshalb gilt: Wer uns nahesteht, ist mit eigenen Rechten zu versehen. „Nähe“ setzt allerdings nicht alleine eine gemeinsame Abstammung aus dem Evolutionskontinuum voraus, ebenso wenig nur eine Ähnlichkeit bezüglich gewisser biologischer Eigenschaften. Vielmehr muss ein weiteres, normatives Merkmal hinzutreten: Es ist letztlich die kommunikative Einbindung in soziale Beziehungen, die Näheverhältnisse begründet und damit zur „moralischen Geburt“ von Trägern eigener Rechte führt.304 Erst in der sozialen Kommunikation werden Menschen als Personen rekonstruiert,305 und auch Ungeborene und zukünftige Generationen haben (wie im Übrigen auch Nichtmenschen) nur in dieser kommunikativen Form – der „Form Person“306 – eine Aussicht darauf, als „Rechtssubjekte“ anerkannt zu werden. Ihre Anerkennung setzt mithin voraus, dass ihnen die Eigenschaft zugeschrieben wird, anderen Personen nahezustehen. Durch kommunikative Zuschreibung werden Menschen zu unseren „Nächsten“, ebenso wie Ungeborene und Zukünftige zu unseren „Nächsten in der Zeit“307 werden.

  Vgl. hierzu Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 25 ff.   Vgl. hierzu Gruber, Vom Kontinnum der Herkunft ins Kontinuum der Zukunft, in: Karafyllis (Hg.), Biofakte, 2003, 131 ff. 302  Vgl. Christian Hillgruber, Das Vor- und Nachleben von Rechtssubjekten. Über den Anfang und das Ende der Rechtsfähigkeit im öffentlichen Recht, JZ 1997, 975 ff. (975 f.). 303   Siehe hierzu Gruber, Vom Kontinnum der Herkunft ins Kontinuum der Zukunft, in: Karafyllis (Hg.), Biofakte, 2003, 131 ff. (138 f.); ders., Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 115 ff. 304  Siehe Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 133. 305  Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 286 ff. 306   Luhmann, Die Form „Person“, in: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, 1995, 142 ff. 307   Preuß, Die Zukunft: Müllhalde der Gegenwart?, in: Guggenberger/Offe (Hg.), An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, 1984, 224 ff. (225). 300 301

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(2.) Kommunikation kann demnach nicht nur unter Anwesenden, sondern auch unter Abwesenden, Ungeborenen sowie zukünftigen Generationen, soziale „Nähe“ herstellen und daraus Gemeinschaften mit einem gemeinsamen Schicksal formen. Die normative Konsequenz einer derartigen Anerkennung von Abwesenden müsste lauten, dass auch ihnen als potentiellen Interessenträgern jederzeit die Möglichkeit verbleiben muss, ihre Entwicklungspotentiale in der Zukunft zu verwirklichen. Soll diese Möglichkeit nun auch rechtlich abgesichert werden, so wird eine zweite Besonderheit zukünftiger Generationen deutlich: Diese treten innerhalb der Rechtskommunikation als kollektive Akteure in Erscheinung, die zwar noch unbestimmt sind, aber offenbar prinzipiell als Rechtspersonen angesehen werden können. Doch während die Personifizierung kollektiver Akteure dem gegenwärtigen Recht etwa als kommunikative Zuschreibung gegenüber Organisationen durchaus geläufig ist, begegnet die mögliche Rekonstruktion zukünftiger Generationen als juristische Person besonderen Schwierigkeiten. Allgemein ausgedrückt besteht das Problem darin, dass zukünftige Generationen nicht nur hinsichtlich ihrer individuellen Angehörigen unbestimmt sind, sondern auch bezüglich ihrer kollektiven Identität als solcher, und zwar in räumlicher wie auch zeitlicher Hinsicht. Es ist schlicht nicht vorhersagbar, welche konkreten Interessen zukünftige Generationen haben werden und welche davon eine solche Bedeutung haben, dass sie schon im gegenwärtigen Recht durchsetzbar sein müssen. Das heißt andererseits jedoch nicht, dass es diese Interessen nicht gäbe oder dass man sie einfach vernachlässigen dürfte. Genau diesen Fehlschluss zieht der ökonomistische Reduktionismus, indem er alle relevanten Kosten- und Nutzenfaktoren auf die Interessen gegenwärtiger Akteure zu beziehen versucht und sämtliche Entscheidungen der anthropozentrischen Prämisse unterwirft, dass die natürlichen Lebensgrundlagen mit den Lebensgrundlagen der heute lebenden Menschen identisch seien. Die Möglichkeit, dass die zukünftigen Interessen andere sein könnten, wird kaum gesehen. Dabei kann niemand wissen, wie es ist, ein Ungeborener zu sein. Die Ignoranz dessen, was reduktionistische Betrachtungen auf einfachere Erklärungszusammenhänge reduzieren möchten, scheint allerdings ein immer wiederkehrendes Problem zu sein.308 Etwas nicht zu kennen, darf jedoch keineswegs gleichbedeutend damit sein, es zu ignorieren. Im Hinblick auf die noch unbekannten Interessen zukünftiger Generationen folgt daraus, dass sie bereits in der Gestalt potentieller Interessen rechtlich konstruiert werden könnten, ohne dass es zwingend einer Konkretisierung durch einen aktuell klagenden „Interessenträger“ bedürfte. 308   Deutlich hierzu Thomas Nagel, What Is It Like to Be a Bat?, The Philosophical Review 1974, Vol.  83, No.  4, 435 ff. (437): „Any reductionist program has to be based on an analysis of what is to be reduced. If the analysis leaves something out, the problem will be falsely posed.“

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(3.) Damit ist der dritte Aspekt der Konstitution zukünftiger Generationen berührt: Gerade die Unbestimmtheit in der Zeit bietet die Chance, dass sich das Recht gegenüber den möglichen Schicksalsgemeinschaften der Zukunft öffnet. Aus dieser Sicht erscheinen zukünftige Generationen als Variable für die gegenwärtig noch ungewissen „Assoziationen“, denen Menschen und auch nichtmenschliche Wesen angehören werden.309 Eine solche Variable bietet Spielraum für eine erweiterte, nicht-anthropozentrische Deutung des Diversitätsbegriffs. Dieser muss den genannten Einsichten Rechnung tragen, dass den zukünftigen Generationen nicht mehr die Menschen der Gegenwart angehören werden, sondern neue, unerwartete genetische Verwandtschaften und biotechnologisch oder „biosozial“ begründete Schicksalsgemeinschaften, und mit ihnen auch Nicht-Menschen. Daraus dürfte die Forderung resultieren, dass ein wirklich nachhaltiger Schutz der Biodiversität die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen aller Lebewesen verlangt. Es genügt deshalb nicht, den Wert der Biodiversität alleine auf deren Nutzen für die Menschheit zu stützen. Denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass deren Vorstellungen von Nützlichkeit und eigenem Wohlergehen über die Zeit hinweg stabil bleiben, geschweige denn mit den Interessen zukünftiger Generationen in Einklang stehen. Der Schutz der biologischen Vielfalt steht ebenso wenig wie die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen alleine im Dienst gegenwärtig vorgebrachter Interessen, sondern unterliegt vielmehr den kommunikativ hergestellten Normierungen des Sozialen: Es sind nämlich die evolutionär entstandenen und über die Zeit bewährten Erwartungen 310 der Gesellschaft, deren Stabilisierung für die Fortexistenz der gesellschaftlichen Funktionssysteme, aber auch für das individuelle Überleben unverzichtbar ist – und die daher nicht zuletzt auch im allgemeinen menschlichen Interesse liegen müssen. Nur nach ihrer Maßgabe können individuelle „Interessen“ überhaupt erst formuliert und in Gestalt von Rechtsansprüchen geltend gemacht werden. Kurzum: Individualinteressen und Ansprüche existieren nicht schon qua „Natur“, sondern werden erst in den kommunikativen Sinnzusammenhängen funktionierender Gesellschaften erzeugt. Hier geht es niemals bloß um den Schutz des „Eigenen“ und um Selbsterhaltung, sondern darüber hinaus um den Schutz des „Nächsten“ und Erhaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Und dieses ist darauf angewiesen, dass eine Vielfalt an Handlungs- und Entscheidungsspielräumen auch für die Zukunft offen gehalten wird, indem der biologischen, aber auch der kulturellen Diversität ein auch von allen Nutzenerwägungen unabhängiger, ökozentrisch begründeter Eigenwert zuerkannt wird.

  Vgl. hierzu Latour, Das Parlament der Dinge, 2001, 86 ff.  Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 396 ff. und 411 ff.

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Insoweit ist insbesondere einseitigen, reduktionistischen Sichtweisen einzelner gesellschaftlicher Teilrationalitäten entgegenzutreten, die Wertbestimmungen nur nach ihren eigenen Maßstäben erlauben. Mit ihrem Anspruch, damit für sämtliche Bereiche des Sozialen gültige normative Aussagen machen zu können, erweisen sich derartige Vorstellungen gegenüber der Gesellschaft letztlich als destruktiv. Sie verringern die für die Zukunft notwendigen Möglichkeitsräume, indem sie ihre eigene Rationalität für gesellschaftsweit gültig erklären und mit ihren Homogenisierungsbestrebungen jeglichen Diversitätsforderungen entgegenwirken. (4.) Daraus ergibt sich der vierte Aspekt der Bestimmung zukünftiger Generationen, deren Schutz sich demzufolge auch aus ökonomischer Sicht als eine nützliche Fiktion erweist: Sie versetzt das Ökonomiesystem in die Lage, die Defizite einseitig ökonomischer Betrachtungsweisen eigenständig zu überwinden, sich für fremde gesellschaftliche Rationalitäten zu öffnen und diese in ökonomische Kommunikationen – etwa in Gestalt von „nachhaltiger Entwicklung“ und „Vorsorgeprinzip“ – zu transformieren. Während das Vorsorgeprinzip insbesondere im Umwelt- und Technikrecht dazu dienen soll, den zunehmenden Risiken einer ungewissen Zukunft zu begegnen,311 kommt im Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ eine positive Forderung zum Ausdruck, die mit der Definition des Brundtland-Reports nur grob vorgezeichnet ist: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der Gegenwart gerecht wird, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“312

Diese Bestimmung ist gewiss noch immer reichlich unbestimmt – sie muss es allerdings auch sein. „Unsere gemeinsame Zukunft“ ist nämlich gleichfalls ungewiss. Es muss folglich darum gehen, auch aus der eingeengten Sicht eines gesellschaftlichen Teilbereichs wie der Wirtschaft die beschriebenen Möglichkeitsräume für die noch unbekannten zukünftigen Schicksalsgemeinschaften, ihre Entwicklungspotentiale, potentiellen Interessen und Entscheidungen offenzuhalten. Mit dem Unbekannten umzugehen, mit Unsicherheit fertigzuwerden, mit dem Unberechenbaren zu rechnen – all dies verlangt eine unmögliche Leistung: Insbesondere Wirtschaft und Recht müssen sich insoweit einen Begriff von etwas „Anderem“ machen, das sie im Grunde gar nicht begreifen. „Unser gemein Hierzu Luhmann, Soziologie des Risikos, 1991, 38 ff.   World Commission on Environment and Development (WCED), Report of the World Commission on Environment and Development: Our Common Future (Oslo, 1987), Chapter 2: Towards Sustainable Development, Sentence 1, abrufbar unter: : „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ (Übersetzung von mir, M. G.). 311

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sames Schicksal mit zukünftigen Generationen“ erscheint ihnen dann als unbestimmt, symbolisch, systemfremd. Deshalb nimmt es nicht wunder, dass der zukunftsorientierte Schutz der biologischen und kulturellen Diversität aus rechtsinterner Perspektive weniger als eine juristische oder wirtschaftliche Angelegenheit gesehen und vielmehr an andere Zuständigkeiten, insbesondere der Politik oder gar der Moral, verwiesen wird.313 Aber vielleicht ist es doch eine Sache des Rechts, die eigenen Begrifflichkeiten mit den Anforderungen seiner Umwelt zu vermitteln, gegenwärtige und zukünftige Interessen angemessen zu berücksichtigen, kurz: der Zukunft gerecht zu werden.

VI.  Zukünftige Rechte der Biodiversität und der zukünftigen Gerechtigkeit Tatsächlich sind Zweifel angebracht, ob insbesondere das auf weltweite Expansion angelegte globale Recht des „Intellectual Property“ (IP-Recht) dazu imstande ist, wenigstens gegen die Auswüchse der Biopiraterie vorzugehen. Denn schließlich hat es mit seinem Anspruch, „geistigem Eigentum“ zu weltweiter Anerkennung und Durchsetzung zu verhelfen, gleichzeitig auch die Voraussetzungen für die weltweite Ausbeutung natürlicher und kultureller Ressourcen geschaffen. Das Spannungsverhältnis zwischen globalem „geistigem Eigentum“ und Biodiversität scheint daher auch zu erklären, warum internationale Bemühungen um die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Diversität sowie um angemessene Beteiligung an der Verwertung genetischer Ressourcen bislang nur relativ geringe praktische Wirkung entfalten konnten. Mit einer solchen Zielsetzung vermag sich etwa die als Teil der sogenannten Rio-Dokumente im Jahr 1992 verfasste Convention on Biological Diversity (CBD) 314 kaum gegenüber dem Recht der WTO zu behaupten. Insbesondere das in Art.  15 und 16 CBD formulierte und im Nagoya-Protokoll315 teilweise konkretisierte Ziel des Access and Benefit Sharing ist nur soweit realisierbar, wie es die Regelungen des jüngeren Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) zulassen: Vor allem Art.  27 Abs.  1 TRIPS bindet die dem Abkommen unterworfenen Staaten generell daran, Patentschutz auf sämtlichen Gebieten der Technik für alle Erfindungen zu gewähren, sofern sie 313   So etwa Tade Matthias Spranger, Indigene Völker, „Biopiraterie“ und internationales Patentrecht, GRUR 2001, 89 ff. (92). 314  Vgl. Art.   1 CBD, abrufbar unter: . 315   Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of Benefits Arising from their Utilization to the Convention on Biological Diversity vom 29.10.2010, abrufbar unter: .

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neu sind, auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.316 Selbst wenn also genetische Ressourcen beispielsweise entgegen Art.  15 Abs.  5 CBD ohne vorherige informierte Einwilligung des Herkunftsstaates genutzt werden, müssen sie dennoch gemäß den Vorgaben des TRIPS als patentfähige Erfindungen gelten. Allein der Verstoß gegen die CBD rechtfertigt keine andere, gegen den möglichen Wortsinn der TRIPS-Vereinbarungen verstoßende Auslegung.317 Wenig überzeugend sind daher Versuche, an der „Neuheit“ einer auf der Aneignung genetischer Ressourcen beruhenden Erfindung zu zweifeln oder sogar die ursprünglichen Ressourcenträger als Erfinder anzusehen. Dies ändert sich auch dann nicht, wenn etwa traditionelle Wissensbestände in Datenbanken gespeichert werden, damit sie jedenfalls danach nicht mehr Gegenstand eines „neuen“ Patents werden können.318 Die Kontexte der Erzeugung traditionellen Wissens lassen sich nämlich nicht alleine dadurch erhalten, dass man ihre Produkte als isolierte Wissensbestände in Datenbanken verwaltet – ebenso wenig wie sich Lebensräume alleine dadurch retten lassen, dass man genetische Ressourcen in Laboratorien erforscht. Was hinzu kommen muss, ist eine zukunftsgerichtete Perspektive: Indem sich das Recht auf die Fiktion der zukünftigen Generationen als Schicksalsgemeinschaften einlässt, vermag es die Grenzen seiner eigenen Begrifflichkeiten zu überschreiten und Antworten auf die für politisch oder moralisch gehaltenen Fragen zu entwickeln. Im Namen der zukünftigen Generationen müssen sich Recht und Wirtschaft ihre eigenen Grenzen insbesondere dadurch ziehen, dass sie den lokalen „Produktionsstätten“319 des traditionellen Wissens wie auch der biologischen Vielfalt einen Eigenwert beimessen, der sie zumindest teilweise der Verfügbarkeit entzieht. Dieser auch in der Präambel der CBD erwähnte „intrinsic value of biological diversity“320 hat allerdings nur dann eine Chance beachtet zu werden, wenn er in entsprechende rechtliche Regelungen übersetzt und von den richtigen Sachwaltern geltend gemacht wird. Die von der CBD für diese Aufgabe vorgesehenen Herkunftsstaaten der genetischen Ressourcen erfüllen ihre Funktion nur  Vgl. Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS), abrufbar unter: . 317  Siehe hierzu Kunczik, Geistiges Eigentum an genetischen Informationen, 2007, 101. Auch das Nagoya-Protokoll (Fn.  315, in diesem Abschnitt) dürfte schon alleine wegen seiner in Art.  4 festgeschriebenen Subsidiarität an dieser Rechtslage nichts ändern. 318  Ebenso Teubner/Fischer-Lescano, Cannibalizing Epistemes: Will Modern Law Protect Traditional Cultural Expressions?, in: Graber/Burri-Nenova (Hg.), Intellectual Property and Traditional Cultural Expressions in a Digital Environment, 2008, 17 ff. (19 und 40 ff.). 319   Zum näheren Verständnis der „lokalen Stätten“ siehe Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 329 ff.; siehe in anderem Zusammenhang oben, Fn.  97, in diesem Abschnitt. 320   Siehe . 316

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unvollständig, da ihre Interessen mitunter deutlich von denen der lokalen Lebensgemeinschaften abweichen. Ihre gesetzgeberischen Möglichkeiten, die Ausbeutung der genetischen Ressourcen durch nationale Zugangsregelungen zu verhindern,321 lassen sie oft ungenutzt.322 Folglich muss es darum gehen, diejenigen als Interessenvertreter zu beteiligen, die mit der zukünftigen Entwicklung der betreffenden Ressourcen enger verbunden sind. Im Fall des traditionellen Wissens sind es vor allem die lokalen Gemeinschaften, die ein besonderes Interesse am Fortbestand der produktiven Wissenskontexte haben. Ihrer Stimme sollte daher bei Entscheidungen über den Zugang zu natürlichen und kulturellen Ressourcen besonderes Gewicht beigemessen werden.323 Ermöglichen könnten dies etwa „prozeduralisierte“, „kommunal-kollektive“ Rechte, wie sie Gunther Teubner und Andreas Fischer-Lescano den lokalen Gemeinschaften als „epistemischen Gruppen“ mit dem Ziel zuweisen möchten, die Produktionsbedingungen des traditionellen Wissens als Diskursrechte durchsetzbar zu machen.324 Das bedeutet keineswegs, die betreffenden Gruppen etwa anstelle von „Erfindern“ zu den neuen Inhabern geistiger Eigentumsrechte zu erklären. Anstatt die Logik des „geistigen Eigentums“ unverändert fortzuschreiben, sind die betreffenden Gruppen lediglich zu Sachwaltern „indigener Kulturrechte“ zu berufen, um ihre traditionellen Wissenskontexte, ihre weitere kulturelle Entwicklung und mithin die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen gegen eine weitere Ausdehnung des IP-Rechts advokatorisch zu vertreten. Aus der Sicht des IP-Rechts zielt die verfahrensmäßige Beteiligung dieser Stellvertreter darauf, seinen eigenen Geltungsanspruch unter dem Vorbehalt des ordre public gegenüber den fremden Normen indigener Kulturen so weit zurückzuziehen, wie es zu deren Erhaltung erforderlich ist.325 Der Auftrag der zukünftigen Generationen an das Recht lautet kurz gefasst: Herausbildung neuer Begriffe und Normen, die eine Selbstbeschränkung globaler Geltungsansprüche in Recht und Wirtschaft gegenüber anderen gesellschaftlichen Rationalitäten erlauben. Deren Stellvertreter sind als altera pars zu hören. 321  Vgl. Art.  15 Abs.  1 CBD, abrufbar unter: . 322  Hierzu Kunczik, Geistiges Eigentum an genetischen Informationen, 2007, 100; Spranger, GRUR 2001, 89 ff. (92). 323   Dieser Gesichtspunkt findet nunmehr in den allgemeinen Zielbestimmungen der Art.  7, 11 und 12 des Nagoya-Protokolls (Fn.  315, in diesem Abschnitt) eine deutlichere Berücksichtigung. Deren Umsetzung bleibt freilich weiterhin Sache der nationalen Gesetzgeber. 324  Vgl. hierzu Teubner/Fischer-Lescano, Cannibalizing Epistemes: Will Modern Law Protect Traditional Cultural Expressions?, in: Graber/Burri-Nenova (Hg.), Intellectual Property and Traditional Cultural Expressions in a Digital Environment, 2008, 17 ff. (41 f.). 325  Vgl. Teubner/Fischer-Lescano, Cannibalizing Epistemes: Will Modern Law Protect Traditional Cultural Expressions?, in: Graber/Burri-Nenova (Hg.), Intellectual Property and Traditional Cultural Expressions in a Digital Environment, 2008, 17 ff. (40 f.).

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Während es im Fall des traditionellen Wissens allerdings noch verhältnismäßig naheliegt, lokale Gemeinschaften als die „richtigen“ Interessenvertreter zu bestimmen, gestaltet sich der advokatorische Rechtsschutz von Naturgütern deutlich schwieriger: Nicht immer deckt sich die Erhaltung natürlicher Lebensgemeinschaften mit den gegenwärtigen Interessen lokaler Gruppen, die insoweit zwar noch immer für die kulturelle, nicht aber für die biologische Diversität einstehen mögen. Biodiversität steht keinesfalls alleine im Dienst von ökonomischer Verwertung und sozialer Kommunikation, sondern trägt zudem eine ganz handfeste Bedeutung für das physische Überleben in der Zukunft. Um der eigenständigen Bedeutung der Biodiversität für die noch ungewissen Schicksalsgemeinschaften der zukünftigen Generationen gerecht zu werden, müssen dann andere geeignete Interessenvertreter gesucht werden. Vielversprechend erscheinen in dieser Hinsicht neue advokatorische Modelle institutionalisierter Sachwalterschaft, wie zum Beispiel die Konzeption von „Nachhaltigkeitsräten“, die auch auf internationaler Ebene eingerichtet werden könnten. 326 Einen von gegenwärtigen Bedürfnissen abstrahierenden Naturschutz geltend zu machen, verlangt gegenwärtigen Akteuren indes eine nahezu unerreichbare Leistung ab: Altruismus, Verzicht, Selbstbescheidung im Interesse einer „intergenerationellen Gerechtigkeit“327. Insoweit hat die Aufgabe der Interessenvertretung zukünftiger Generationen überhaupt nur dann Aussicht darauf, erfüllt zu werden, wenn sie als diskursives Gemeinschaftsprojekt von lokalen Gemeinschaften und globalen, staatlichen wie auch nicht-staatlichen Organisationen angegangen wird. Deren Auseinandersetzungen um den Eigenwert natürlicher Ressourcen, um den ökozentrischen Schutz des nichtmenschlichen und noch-nicht-menschlichen Lebens, die freilich nicht selten in einen Kampf um die eigenen Lebensgrundlagen 328 und in durchaus begründete Forderungen nach Klagerechten für die Umwelt 329 münden, bieten wenigstens eine Chance, dem noch immer fortschreitenden Rückgang der Biodiversität330 entgegenzu326   Vgl. hierzu Thomas Schomerus, Nachhaltigkeit braucht Institutionen – zur Institutionalisierung von Nachhaltigkeitsräten, NuR 2011, 1 ff. 327  Vgl. Klaus Mathis, Future Generations in John Rawls’ Theory of Justice, ARSP 95 (2009), 49 ff. (51 ff.). 328  Exemplarisch: Complaint for Damages, Native Village of Kivalina v. Exxon Mobil Corp (ND Cal, filed February 26, 2008); siehe dazu oben, 2. Abschnitt, Fn.  261. 329   Hierzu vor allem Christopher D. Stone, Southern California Law Review 1972, Vol.  45, 450 ff. (457 ff.); dt.: Umwelt vor Gericht, 2.  Auflage 1992, 25 ff. (30 ff.); Gruber, Rechtsschutz für nichtmenschliches Leben, 2006, 160 ff.; ders., Die Rechte des Lebendigen: Wege zum Rechtsschutz nichtmenschlichen Lebens und natürlicher Lebensgesamtheiten, AJP/PJA 2007, 1546 ff. (1553 ff.). 330  Siehe Peter Raven, The Epic of Evolution and the Problem of Biodiversity Loss, in: Charles McManis (Hg.), Biodiversity and the Law: Intellectual Property, Biotechnology and Traditional Knowledge, London and Sterling (VA) 2007, 27 ff. (29 ff.); Chen, Across the Apocalypse on Horseback: Biodiversity Loss and the Law, in: McManis (Hg.), Biodiversity and the Law, 2007, 42 ff. (50 ff.).

Dritter Titel. Intergenerationelle Rechtsverhältnisse

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wirken. In der konkreten Erfahrung existentieller Bedrohungen mögen die Forderungen nach Gerechtigkeit für die Zukunft ihren Ausgang nehmen und die gegenwärtigen zu den künftigen Bedürfnissen ins rechte Verhältnis setzen – oder in den Worten Jacques Derridas: „Die Gerechtigkeit bleibt im Kommen, sie muß noch kommen, sie hat, sie ist Zu-kunft, sie ist die Dimension ausstehender Ereignisse, deren Kommen irreduktibel ist. Diese Zukunft wird immer die ihre (gewesen) sein. In dem Maße, in dem sie nicht einfach ein juridischer oder ein politischer Begriff ist, schafft darum vielleicht die Gerechtigkeit zu-künftig Offenheit für eine Verwandlung, eine Umgestaltung oder Neu(be)gründung des Rechts und der Politik – öffnet sie vielleicht diese Verwandlung, Umgestaltung oder Neu(be)gründung der Zu-kunft.“331

  Derrida, Gesetzeskraft. Der „mystische Grund der Autorität“, 1991, 56.

331

Vierter Titel

Zusammenfassungen: Wiederversammlungen Die kommende, zukünftige Gerechtigkeit mag selbst „vielleicht“ unbestimmt sein,332 doch trifft sie eine deutliche rechtliche Bestimmung: Nach Derrida hat das Recht die unendliche Aufgabe, sich seiner Grenzen zu erinnern. Es muss die Grenzen seiner Begriffe, Werte, Normen und Vorschriften ins Gedächtnis zurückzurufen.333 Nur so kann Recht auch Gerechtigkeit ermöglichen, im Sinne eines Ereignisses, das die Berechnungen, Regeln, Programme, Vorwegnahmen übersteigt.334 Immer muss es mit Neuem rechnen, etwa mit der zuletzt beschriebenen engen, jedoch selten wahrgenommenen Verbindung des Schutzes zukünftiger Generationen und der Biodiversität, die neben gegenwärtigen Menschen auch potentielle Personen und andere Nichtmenschen als Subjekte der Zukunft einbezieht. Neu erscheinen dem Recht nunmehr auch die im Bereich der Robotik und der Informationstechnologien erkennbaren Assoziationen von Menschen und Maschinen. Auf diesen Feldern wird zunehmend deutlicher, dass sich Personen aus Substanzen, Informationen, Daten und Bildern zusammensetzen und dass umgekehrt Sachen eine eigene Wirkungsmacht entfalten, die sie in personale Akteure verwandeln kann. Sie alle fügen sich nicht länger der traditionellen Dichotomie von menschlicher Person und nichtmenschlicher Sache, sondern können nur als bioartifizielle Verbindungen von Menschlichem und Nichtmenschlichem, Körperlichem und Technischem, Lebendigem und Künstlichem, kurz: als Biosoziofakte nachgezeichnet werden. Dadurch erklärt sich schließlich auch die Verbindung des bio- und informationstechnologischen Regimes zu einem gemeinsamen, technologieübergreifenden Rechtsgebiet: Als Bioinformationsrecht hat es die neuesten technologischen, sozialen, aber auch biologischen Entwicklungen des Menschen in technisierter Verfassung zum Gegenstand. Doch für dieses Recht ist es nicht zufriedenstellend, in postmoderner Manier eine vielleicht in Zukunft kommende Gerechtigkeit zu verheißen, ohne dabei auf konkrete, entscheidungsrelevante Konsequenzen im Hier und Jetzt zu ver332   Dazu weiter Derrida, a.a.O. (56 f.): „‚Vielleicht‘ – wenn es um (die) Gerechtigkeit geht, muß man immer ‚vielleicht‘ sagen.“ 333   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  269. 334   In diesem Sinne fügt Derrida, a.a.O. (57), schließlich an: „Die Gerechtigkeit ist der Zukunft geweiht, es gibt Gerechtigkeit nur dann, wenn sich etwas ereignen kann, was als Ereignis die Berechnungen, die Regeln, die Programme, die Vorwegnahmen usw. übersteigt.“

Vierter Titel. Zusammenfassungen: Wiederversammlungen

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weisen. Gewiss wird die Zeit kommen, in der die Dekonstruktion sich nicht mehr einfach nur mit der Gerechtigkeit identifizieren,335 im Übrigen aber bloß ohnmächtig, bestenfalls ironisch auf den weiteren Lauf der Dinge in der von ihr zu recht konstatierten Krise der Moderne blicken kann.336 Von hier aus ist der Sinn für die Realität der Objekte zurückzugewinnen und schließlich mit der Existenz von Quasi-Objekten und auch Quasi-Subjekten zu rechnen, mit biosoziotechnischen Ensembles also, in denen sich technisierte Körper und verkörperte Technik biosozial vereinen.

I.  Persönlichkeits- und Körperverfassungen Im rechtlichen Umgang mit diesen neuen Gemengen und Gemischen liegen die geschilderten Herausforderungen des bioinformationstechnologischen Zeitalters.337 Um ihnen gerecht zu werden, muss das Bioinformationsrecht mit neuen Unterscheidungen, Begriffen und Konstruktionen experimentieren und daraus konkrete, natürlich immer nur unter Vorbehalt und ohne jede Ewigkeitsgewähr gültige Lösungsmöglichkeiten entwickeln. Die zurückliegenden Beispiele aus den Bereichen des elektronischen Geschäftsverkehrs338 , der Robotik 339 und des Biodiversitätschutzes340 sollten zeigen, wie solche Lösungen aussehen können. Die gesuchte Entscheidungsrelevanz erlangen diese Lösungsansätze aber erst dadurch, dass sie die neuen bioartifiziellen Verbindungen, die Assoziationen von Menschen und Nichtmenschen, in die tradierte Sprache des Rechts übersetzen. Insbesondere deren Einordnung in die dualistischen Unterscheidungen von Personen und Sachen oder von Rechtssubjekten und Rechtsobjekten entscheidet darüber, ob es dem Bioinformationsrecht gelingt, die Netzwerke der Lebenswissenschaften und ihrer Technologien tatsächlich als „Lebensnetzwerke“ zu fassen. Zuerst geht es dabei um die soziale und individuelle Lebensentfaltung der Menschen, um ihre Schicksale und Erfahrungen in der Begegnung mit den technisierten Welten der Bio- und Informationstechnologien. Und diese Lebensentfaltung ist aus rechtlicher Sicht vor allem eine Frage der Persönlichkeitsentfaltung. Das Bioinformationsrecht handelt insofern von der Verfassung des Persönlichkeitsrechts, zu deren wesentlichen Funktionen die Humanisierung technisierter Welten gehört: 341 Sie hat Menschen als lebendige Wesen vor den bioinformationstechnologischen Gefahren zu bewahren, die in technischen  Vgl. Derrida, a.a.O. (30).   Vgl. hierzu Latour, Wir sind nie modern gewesen, 2008, 178 f. 337   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  382. 338   Siehe in diesem Abschnitt oben, 1. Titel. (S.  223 ff.). 339   Siehe in diesem Abschnitt oben, 2. Titel. (S.  258 ff.). 340   Siehe in diesem Abschnitt oben, 3. Titel. (S.  294 ff.). 341   Siehe dazu vor allem oben, 1. Abschnitt, 3. Titel. (S.  68 ff.). 335

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Funktionalisierungen, Molekularisierungen, Neuronalisierungen und Informationalisierungen zum Vorschein kommen können. Diese transformieren „natürliche“ in „technisierte“ Personen und Persönlichkeiten, indem sie personale Sphären auf technisch-lebendige Assoziationen von menschlichen Körpern und artifiziellen Körperteilen ausweiten.342 Wenn insoweit Dinge zu Teilen des menschlichen Körpers gehören und Sachen zu personalen Bestandteilen werden können, so bleiben diese neuen Körper- und Persönlichkeitsbestimmungen nicht auf die spezifischen Felder einzelner Bio- und Informationstechnologien beschränkt. Vielmehr wirken sie auf die Körperbilder anderer Technologien und schließlich auch der Lebenswelt zurück. Darin ist nicht zwangsläufig eine Fehlentwicklung, etwa im Sinne einer Kolonialisierung der Lebenswelt durch die instrumentellen Systemrationalitäten von Wissenschaft und Technologie,343 zu sehen. Schon gar nicht muss darin gleich eine Persönlichkeits- oder Würdeverletzung der Menschen liegen. Menschenrechte können aber sehr wohl betroffen sein, soweit in umgekehrter Richtung menschliche Körper zu bloßen Substanz-, Daten- oder Informationsträgern verdinglicht werden. In dieser Hinsicht versteht es sich, dass die bio- und informationstechnologische Externalisierung des Menschen mit entsprechenden Erweiterungen des rechtlichen Personenkonzeptes korreliert. Vergleichbar mit Körperteilen können auf diese Weise auch isolierbare Substanzen, Gene, Neuroscans oder informationstechnische Entitäten als Biosoziofakte zu den personalen Bestandteilen von derart erweiterten Rechtssubjekten gehören. Sie können dann gewissermaßen in ihrer lebendig-natürlichen, sozial konstruierten und zugleich technisch-artifiziellen Körperfunktion als Teile desselben und nicht zuletzt als Basis der menschlichen Persönlichkeit gelten. Solche funktionalen Zuordnungen verdanken sich einem informationstheoretischen Lebensbegriff, der für technisierte Welten, in denen Lebendiges als sozial kommunizierbar und technisch verfügbar erscheint, geradezu prägend ist.344 Sie bilden den gemeinsamen Ausgangspunkt des Bioinformationsrechts, das sich technologieübergreifend nunmehr mit solcherart ausgelagerten Körper- und Geistesteilen zu befassen hat. Mit Rücksicht auf seine Humanisierungsaufgabe darf es sich dabei allerdings nicht darauf beschränken, den funktionalistischen Begrifflichkeiten und Zuordnungen der Bioinformationstechnologien einfach nur zu folgen. Daneben hat es auch körperliche, narrative und phänomenologische Lebensbeschreibungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Gerade dadurch vermag es auch alter  Vgl. oben, 1. Abschnitt, 2 Titel. (S.  24 ff.).  Zu dieser Betrachtungsweise siehe Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Band 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, Frankfurt a.M. 1981, 521 f.; ferner ders., Technik und Wissenschaft als „Ideologie“, Frankfurt a.M. 1981, 48 ff. 344  Zu den Ursprüngen dieses informationstheoretischen Lebensbegriffs siehe oben, 1. Abschnitt, 1. Titel, II. (S.  18 ff.). 342 343

Vierter Titel. Zusammenfassungen: Wiederversammlungen

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nativen, nicht-szientistischen Entwürfen, Zuordnungen und Zugehörigkeiten von lebendigen menschlichen Körpern, Seelen und nichtmenschlichen Wesen gerecht zu werden.345 Diesem Gerechtigkeitsanspruch im Sinne einer Biomoralität und Empathie des Rechts kommt wiederum Bruno Latours zentrale Forderung nahe, die soziotechnischen Netze gleichzeitig „real, sozial und narrativ“ zu entfalten.346 Sowohl die Natur der Dinge, zu denen wohlgemerkt auch die lebendigen Körper gehören, als auch der soziale Kontext und nicht zuletzt die phänomenale Selbsterfahrung geben gleichermaßen bedeutsame, nicht aufeinander reduzierbare Maßstäbe für Körper-Seelen-Zugehörigkeiten oder, anders ausgedrückt, für personale Entfaltungen ab, in denen verkörpertes Wissen und Körperwissen zusammentreten. Im lebendigen Menschenkörper vereinen sich dessen eigenes implizites Wissen, die Verkörperungen des sinnförmigen Wissens, aber auch das gesellschaftliche Wissen über diesen Körper. Solche Einheit bildet schließlich die Basis der Persönlichkeitsentfaltung des Menschen in technisierter Verfassung.347 Diese Basis ist unter dem Einfluss der Bio- und Informationstechnologien freilich ebenso beweglich geworden wie der Begriff des menschlichen Körpers selbst, von der so genannten „Natur des Menschen“ ganz zu schweigen. An die Stelle einer ursprünglichen organischen Einheit tritt nunmehr eine fragmentierte, körperlich-technische Assemblage, die sich aus einer Vielheit lebendiger und künstlicher Körperteile zusammensetzt. Doch gerade daraus erwächst die besondere rechtliche Herausforderung, die Vielfalt der an den Bio- und Informationstechnologien beteiligten Rationalitäten als ein biosoziomaterielles Netzwerk aus sozialen und psychophysischen Systemen, mithin aus Menschen und Dingen nachzuzeichnen. Der Körper bleibt dabei weiterhin als wesentliche Grundlage der menschlichen Lebens- und Freiheitsentfaltung erhalten. Die Persönlichkeit basiert folglich noch immer auf der körperlichen Selbstbestimmung des Menschen. Aber sie kann selbst nur noch in einer dem technisierten Körper entsprechenden Weise polyvalent bestimmt werden: 348 Als etwas, das sich sinnförmigen Beobachtungen mitunter zu entziehen vermag, dabei jedoch kraft seiner materiellen Anwesenheit gegenüber Kommunikation und Bewusstsein widerständig zeigt, fügt sich dieser Körper nicht mehr ohne Weiteres den traditionellen Deutungen von Persönlichkeit und Autonomie. Als deren Basis ermöglicht er Selbstbestimmung nur noch mit der Maßgabe, dass die gewöhnlichen Vorstellungen von Autonomie als subjektiver Willensbestimmung um weitere, den Technisierungsbedingungen entsprechende Formen der „Selbst-Bestimmung“ ergänzt werden.   Näher dazu oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, insbesondere unter III. (S.  77 ff.).  Vgl. Latour, Wir sind nie modern gewesen, 2008, 14. 347   Vgl. oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, VII. (S.  106 ff.). 348   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  372 f. 345

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

II.  Autonomie als biosoziomaterielle Selbstbestimmung Die neuen, anderweitigen Bestimmungen des personalen Selbst bestimmen sich insofern nicht mehr nur nach dem subjektiven oder gar empirischen Willen, sondern formieren sich, indem sie auf das vom autonomen Bewusstsein Unterschiedene, namentlich auf körperliche, technische oder auch kommunikative Identifizierungsprozesse referieren. Die neuen, andersgearteten Formen der Persönlichkeitsentfaltung bestimmen sich dann aufgrund einer ganzen Vielfalt von Autonomien, die der Bedeutung von Selbstbestimmung als Selbstreproduktion am nächsten kommt: In diesem Sinne bezeichnet sie autopoietische Prozesse aller Arten, die den besonderen bioartifiziellen Verbindungen der technisierten Welten entsprechend als kommunikative, soziale, technische oder auch geistige und körperlich-lebendige Reproduktionen des Selbst aufzufassen sind.349 Deren jeweils materiell vorgezeichnete Eigennormativitäten erweitern vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu einem polykontexturalen Entfaltungsrecht der bioartifiziellen Assoziationen. Über seine Funktion als Auffangoder Rahmenrecht350 hinaus muss dieses seinen unterschiedlichen Wirkungsfeldern in einer ihren jeweiligen Eigenrationalitäten entsprechenden Weise gerecht werden. Je nachdem, um welche Arten von Biosoziofakten es im Einzelnen gehen mag, inwieweit also etwa Körper, Gene, Neuroscans oder auch informationstechnische Systeme als „Basis der Persönlichkeit“ in Rede stehen, sind neben mentalen Selbstbestimmungsprozessen immer auch die spezifischen Eigengesetzlichkeiten von lebendigen Körpervorgängen oder anderen bio- und informationstechnischen Selbstreproduktionsprozessen zu berücksichtigen. Autonomie gilt in diesem Sinne als „biosoziofaktische Autopoiese“: Deren Schutz umfasst selbstverständlich auch weiterhin die individuelle Autonomie als Verhaltens- und Willensbestimmung. Doch entsagt er dem hergebrachten Primat der Willensherrschaft. Die Persönlichkeit entfaltet sich insoweit nicht allein im Willen, sondern verlangt darüber hinaus nach zusätzlichen Gewährleistungen bezüglich ihrer materiellen, insbesondere sozialen, technischen und auch natürlichen „Lebensentfaltungsgrundlagen“. Aus diesem Blickwinkel betrachtet hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor allem die bioethische351 und biomaterielle352 Selbstbestimmung zum Gegenstand. Doch handelt sie strenggenommen nicht von Rechten „auf “, sondern von Rechten der bioethischen, biomateriellen Selbstbestimmung. Denn auch an die  Vgl. oben, 2. Abschnitt, Fn.  91.   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  101. 351  Vgl. Martin Koppernock, Das Grundrecht auf bioethische Selbstbestimmung. Zur Rekonstruktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Baden-Baden 1997, 85 ff. 352  Vgl. Christian Halàsz, Das Recht auf bio-materielle Selbstbestimmung. Grenzen und Möglichkeiten der Weiterverwendung von Körpersubstanzen, Berlin/Heidelberg 2004, 77 ff. 349 350

Vierter Titel. Zusammenfassungen: Wiederversammlungen

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ser Stelle ist wieder zu beachten, dass es dabei nicht mehr in erster Linie um Willensentfaltungen oder ‑bestimmungen über die materiellen Lebens- und Freiheitsgrundlagen geht, sondern um die Selbstreproduktionsprozesse dieser Entfaltungsgrundlagen selbst – eben um die Selbstbestimmung der biosoziomateriellen Konstitution des Menschen als solcher. Verkürzt ausgedrückt heißt das, nicht nur die Funktionsfähigkeit individueller Willensentscheidungen aufrecht zu erhalten, indem ihnen rechtliche Wirkungen zugeordnet werden, sondern auch körperliche, mentale, technische und kommunikative Funktionen in ihrer eigenen Integrität, gegebenenfalls auch hinsichtlich ihrer Vertraulichkeit zu gewährleisten. Wie sich diese persönlichkeitsrechtlichen Gewährleistungen der bioinformationstechnischen Selbstreproduktions- und Selbstbestimmungsprozesse konkret bemerkbar machen, zeigt sich vor allem am Beispiel der augenscheinlich notwendig gewordenen Ausprägung eines Grundrechts auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme.353 Dieses ergänzt den Persönlichkeitsschutz nämlich genau in denjenigen (bio‑)informationstechnischen Entfaltungsbereichen, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unberücksichtigt lässt, weil letzteres im Grunde wiederum nur als ein Recht der individuellen Willensbestimmung über personenbezogene Daten konzipiert ist. Ein eigenständiger Schutz der informationstechnischen Assoziationen kann deshalb nur Sache eines davon unterschiedenen Gewährleistungsgrundrechts sein, das sich auf den technologiebezogenen Systemschutz informationstechnischer Nutzungsverhältnisse ebenso richtet, wie es im Übrigen auch die kommunikativen Funktionen sozialer Informationstechnologien als „Institutionenschutz“ gewährleistet.354 Indem es die technisch-artifiziellen, kommunikativen und auch körperlichen und geistigen Verbindungen von Menschen und informationstechnischen Systemen in spezifischer Weise als Biosoziofakte schützt, bietet das Gewährleistungsgrundrecht zugleich eine mögliche Grundlage für noch weitere persönlichkeitsrechtliche Gewährleistungen. Dies legt schon der wiederholte Vergleich informationstechnischer Systeme mit ausgelagerten Teilen des menschlichen, indes technisierten Körpers nahe.355 Zusätzliche materielle Entfaltungsgewährleistungen richten sich demzufolge auch auf solche bioartifiziellen Assoziationen, die in einem engeren Sinn als Körperteile, aber auch als Körperdaten und ‑bilder erscheinen. Deren gewandelte und weiterhin im Wandel begriffene Bedeutungen geben Orientierungspunkte dafür, wie die beschriebenen personalen Entfaltungsräume in Gestalt eines eigenständigen Technik-, System- und Insti353   Vgl. oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, IV. (S.  58 ff.) – sowie daran anknüpfend der 2. Abschnitt dieser Arbeit. (S.  113 ff.). 354   Siehe dazu insbesondere das Fazit oben im 2. Abschnitt, 2. Titel, unter X. (S.  211 ff.), das eine wiederholende Zusammenfassung an dieser Stelle weitgehend entbehrlich macht. 355   Vgl. etwa oben, 1. Abschnitt, Fn.  185.

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

tutionenschutzes, vor allen Dingen aber auch eines besonderen Schutzes der physischen und psychischen Integrität der Menschen zu gewährleisten sind. Mit Blick auf diese zuletzt genannte, dem Persönlichkeitsrecht letztlich zugrunde liegende Schutzwirkung kann das Recht als Bioinformationsrecht einerseits seiner besonderen Aufgabe nachkommen, die Humanisierung der Biound Informationstechnologien im Auge zu behalten und den Menschen in technisierter Verfassung biomoralisch, mit den Mitteln einer empathischen Normierungspraxis, gerecht zu werden.356 Andererseits vermag es nur so den Anforderungen zu genügen, die an ein umfassend verstandenes, intersystemisches Kollisionsrecht einer Regimeverfassung der Bio- und Informationstechnologien zu stellen sind. Deren Ziele lauten kurzgefasst: Gewährleistungen sowohl von gesellschaftlicher Autonomie als auch von individueller Entfaltung – und das unter besonderer Berücksichtigung der an den Bio- und Informa­ tionstechnologien beteiligten Rationalitäten, die als ein biosoziomaterielles Netzwerk aus sozialen und psychophysischen Systemen, Menschen und Dingen nachzuzeichnen sind.357 Bei allen diesen Rationalitäten handelt es sich gewissermaßen um „Selbstbestimmungsrationalitäten“. Sie können als individueller Wille in Erscheinung treten. Sie können sich aber auch als anderweitige Prozesse der körperlichen Selbstreproduktion zeigen, deren „Körperlichkeit“ sich jenseits eines engen Bereiches gewisser „Körperevidenzen“ auf unterschiedlichen Pfaden bestimmt, insbesondere aufgrund von Körperfunktionen, lebensgeschichtlichen Narrativen oder auch phänomenalen Selbstempfindungen. Diese unterschiedlichen Wege der Selbstbestimmung, ganz gleich, welcher Art Selbstproduktion oder „Autogenealogie“, „Autofunktionalität“, „Autonarrative“, „Autophänomenologie“ sie entsprechen mögen, bedeuten richtig verstanden nichts anderes als Autonomie. Denn Autonomie heißt im Grunde Selbstlimitierung, und zwar gerade auch aus der Sicht selbstbestimmter, selbstreproduktiver, „autokonstitutioneller“ Systeme.358 Daraus ergeben sich die polykontexturalen, namentlich psychophysischen, biologisch-funktionalen, sozialen, phänomenologischen Maßstäbe, um den unter Technisierungsbedingungen ansonsten geradezu uferlos ausgreifenden Anwendungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einzugrenzen.359 Gewiss vermögen derartige, multiple Selbstbegrenzungen keine einheitlich wahrnehmbare, klare und distinkte Persönlichkeitssphäre sichtbar zu machen. Dies würde schließlich auch dem spezifischen, transitorischen Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts widersprechen, das als ein im Übergang befindliches Recht stets nur im Begriff ist, sich zu einem der als Seins- und Be  Näher dazu oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II. und III. (S.  72 ff.).   Vgl. insbesondere oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, VI. (S.  101 ff.). 358  Vgl. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 63. 359   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  101. 356 357

Vierter Titel. Zusammenfassungen: Wiederversammlungen

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stimmungsfeld oder Basis der Persönlichkeit dienenden Lebensgüter zu verdichten. Soweit demnach den genannten Selbstbestimmungsprozessen als Identifizierungsprozessen der Persönlichkeit selbst Grenzen gesetzt sind, bleiben diese Lebensgüter allerdings nicht darauf beschränkt, die Übergangssemantik des allgemeinen Persönlichkeitsrechts genauer zu fassen. Vielmehr vermögen sie den Persönlichkeitsschutz um korrespondierende Felder eines eigenständigen Schutzes zu flankieren: Vor allem der menschliche, technisierte, biosozioartifiziell erweiterte Körper ist dann nicht nur entlang seiner „Haut-Grenzen“ zu schützen, sondern auch hinsichtlich seiner externalisierten Ausprägungen. Diese können sogar informationstechnische Systeme umfassen, die dann mit ausgelagerten Körperteilen vergleichbar und in diesem Sinn als körperanaloge Persönlichkeitsgüter aufzufassen sind.360 Erst in Verbindung mit diesen korrespondierenden Erweiterungen von Körpern, Psychen und anderen Lebensgütern bieten die genannten vielfältigen Selbstbestimmungsprozesse schließlich auch die besondere Chance, als limitierendes Korrektiv gegenüber solchen expansiven Technisierungstendenzen zu wirken, die neben sozialen Funktionssystemen vor allem auch lebendige Wesen bedrohen oder verletzen können.

III.  Externalisierungen: Informationstechnische Systeme und ausgelagertes Körpermaterial Praktische Konsequenzen derartiger Externalisierungen des Körpers und auch des Geistes werden insbesondere dort sichtbar, wo es um die rechtlichen Konsequenzen ihrer Verletzung geht: Informationstechnische Systeme zählen dann wie Körperteile zu den Lebensgütern des deliktischen Schadensersatzanspruchs nach §  823 Abs.  1 BGB. Als körperfunktionale Bestandteile des Menschen können sie auch als „Körper“ im Sinne von §  253 Abs.  2 BGB gelten, dessen Verletzung einen immateriellen Entschädigungsanspruch zur Folge hat.361 Entscheidend ist dabei nicht mehr die im Zusammenhang mit Persönlichkeitsrechtsverletzungen übliche Abwägungsfrage, ob die Verletzung schwerwiegend sei, sondern die Bestimmung der informationstechnischen Assoziation von Mensch und Maschine. Genauer geht es um die Frage, ob es sich aus körperlich-funktionaler, lebensgeschichtlich-narrativer oder phänomenologischer Sicht um eine enge, körpergleiche Nähebeziehung handelt. Liegt eine solche Nutzungsbeziehung vor, die sich insbesondere durch Vertraulichkeit, Privatheit, Erreichbarkeit, Anwesenheit, Zugehörigkeit, mithin Nähe auszeichnet, kann ein informa-

  Vgl. oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, IV. (S.  58 ff.).   Vgl. oben, 2. Abschnitt, 2. Titel, IV. (S.  158 ff.).

360 361

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

tionstechnisches System demnach als ein Körper- und Persönlichkeitsteil des menschlichen Nutzers aufzufassen sein. Wenn es folglich schon denkbar ist, dass sich die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme unter bestimmten Voraussetzungen zu einem körpergleichen Recht verdichtet, dessen Verletzung sogar einen immateriellen Schadensersatzanspruch begründen kann, dann gilt dies umso mehr für Fälle mit weitaus deutlicherem Körper- oder Lebensbezug. Bezogen auf den Körperstatus von extrakorporal gelagerten Körpersubstanzen, wie er schon in der zu Beginn geschilderten „Sperma-Entscheidung“362 des Bundesgerichtshofs zu problematisieren war, bedeutet das zuallererst, dass weder der „natürliche Sprachgebrauch“ noch die Tatsache einer endgültigen Auslagerung von vornherein gegen die Auffassung des Gerichts sprechen, dass Sperma aufgrund seiner „körpertypischen Funktion“ weiterhin als Teil des menschlichen Körpers gelten könnte.363 Problematisch ist vielmehr die in den Entscheidungsgründen erkennbare Tendenz, die Bestimmung der Körperfunktion der individuellen Willensbestimmung des Berechtigten zu unterstellen und in diesem Sinne zu „versubjektivieren“.364 Aufs Neue zeigt sich an dieser Stelle, dass der immer wiederholte Rekurs auf eine zur bloßen Willensbestimmung herabgestufte, vereinseitigte Selbstbestimmung kaum noch überzeugende Lösungen für die besonderen, bioinformationsrechtlichen Problemstellungen der technisierten Welt bereithält. Gewiss ist es auch weiterhin möglich, die juristische Begründungsarbeit mit den alten begrifflichen Mitteln der „individuellen Selbstbestimmung“ fortzusetzen und die Antwort auf die Frage nach immateriellen Entschädigungsansprüchen für die Vernichtung kryokonservierten Spermas aus den Besonderheiten des Verwahrungsvertrags zwischen Patienten und verwahrender Klinik abzulesen. Insoweit wäre es vorstellbar, die Konservierung und Einlagerung von Sperma als eine Verwahrung „persönlicher Substanzen“ zu deuten, für deren vertragliche Grundlage die grundsätzliche, nicht jedoch zwingende Beschränkung des §  253 BGB auf den Ersatz von Vermögensschäden „als abbedungen anzusehen ist“.365 Demzufolge könnte man „mittels einfacher oder ergänzender Auslegung“ des Verwahrungsvertrags zu dem Ergebnis kommen, dass dieser auch die immateriellen Interessen des Patienten berücksichtige und deshalb Entschädigungsansprüche für immaterielle Schäden gewähre.

  Siehe oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, I. (S.  25 ff.).   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  72. 364   Zur Kritik daran vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  85–88. 365   Vgl. hierzu nochmals Taupitz, NJW 1995, 745 ff. (747 f.); für eine entsprechende, nach der Schuldrechtsmodernisierung ansetzende Erörterung der allgemeinen Möglichkeiten eines von §  253 Abs.  2 BGB abweichenden vertraglichen Schutzes immaterieller Interessen siehe Wagner, JZ 2004, 319 ff. (330). 362

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Vierter Titel. Zusammenfassungen: Wiederversammlungen

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Die Argumente für eine solche Auslegung wären im Grunde die gleichen wie diejenigen, mit denen der Bundesgerichtshof „angesichts der heutigen medizinischen Möglichkeiten“ das Selbstbestimmungsrecht für das Schutzgut „Körper“ um eine zusätzliche Bedeutung angereichert hat.366 Aber damit wäre die Frage nach der Körperfunktionalität und ‑zugehörigkeit von Sperma letztlich nur umgangen. Das Problem würde sich lediglich innerhalb des dogmatischen Rahmens von der deliktischen auf die vertragliche Anspruchsebene verschieben. Doch auch der Wille der Vertragsparteien ist keineswegs empirisch, sondern nur mittels Auslegung feststellbar. Aus dieser Perspektive ist es dann mindestens genauso schwierig zu beurteilen, was Sperma überhaupt zu einer „persönlichen“ Substanz mache, wie die ursprüngliche, eigentlich immernoch dahinterliegende Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen Sperma als ein ausgelagerter Teil des menschlichen Körpers gelten kann. Die vertragsrechtliche Selbstbestimmungsrhetorik mit ihrer vermeintlichen ausschließlichen Orientierung am Parteiwillen vermag der Problematik demnach kaum näher zu kommen, da auch sie letztlich auf dessen Auslegung nach Maßgabe eines gewissen sozialen Kontextes angewiesen ist. Dieser soziale Kontext ist allerdings ebenso maßgebend für die Bestimmung des Körpers selbst. Es ist diese Wahrheit der Sozialität, der verlorenen Evidenz des „natürlichen“ Körpers, welche die tiefere Ursache für die verbreitete Kritik an dessen „Versubjektivierung“ bildet. Dieser Evidenzverlust führt auf die Polyvalenz des Körpers, mithin auf dessen Polykontexturalität zurück. Für das konkrete Beispiel folgt daraus, dass Sperma durchaus ein Teil des Körpers sein kann, indes nur unter bestimmten Bedingungen funktionaler, sozialer oder phänomenologischer Art – anderenfalls verliert es seine Körperzugehörigkeit wie gewöhnlich im Moment der räumlichen Trennung. Soweit es jedoch auch danach noch als körperfunktionaler Bestandteil gelten kann, im Rahmen eines bestimmten gesellschaftlichen Kontextes der menschlichen Persönlichkeit zuzuordnen ist und aus der phänomenalen, insoweit auch subjektiven Binnensicht eines Menschen als Teil des Körpers und der personalen Identität empfunden, folglich als Basis der Persönlichkeit erfahren wird, kann es weiterhin zu dem – vom Bundesgerichtshof in entsprechender Weise angereicherten – Schutzgut „Körper“ gehören. Eine derartige Anreicherung des Körperbegriffs ist allemal überzeugender als der Versuch, „persönliche“ Substanzen nach einem aus den vertragstypischen Umständen und letztlich auch dem sozialen Kontext zu erschließenden Parteiwillen zu bestimmen. Es ist freilich derselbe soziale Kontext, genauer: der spezifische, polykontexturale Zusammenhang im Sonderfall des zur Erhaltung der Fortpflanzungsfähigkeit konservierten Spermas, der in gleicher Weise wie bei der Vertragsauslegung über die konkrete Bedeutung des polyvalenten Kör Vgl. Taupitz, a.a.O.; sowie oben, 1. Abschnitt, Fn.  68.

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

pers mitentscheidet. Dessen begriffliche Fassung ist daher in Fällen wie dem der Spermakryokonservierung sicherlich immer nur vorläufiger, versuchsweiser Art. Sie kann sich allerdings auf die Vorzüge einer experimentellen Entfaltungsmethodik stützen, die auf die unüberwindlichen Rationalitätenkollisionen und Paradoxien des Rechts nicht mit den üblichen Verschleierungstechniken reagiert, sondern über Subsumtions- und Abwägungsschritte hinaus mit neuen Unterscheidungen und Begriffen nach technikadäquaten, vor allem aber humanen Lösungswegen sucht.367 Es geht bei den so genannten „persönlichen“ Substanzen eben nicht in erster Linie um deren Unterordnung unter eine etwa von vornherein feststehende Persönlichkeit, genauso wenig um die Abwägungsfrage, wann eine Verletzung als derart schwerwiegend zu gelten habe, dass ein Schmerzensgeldanspruch begründet sei.368 Vielmehr geht es auch hier um eine hybride Assoziation von Menschen und Dingen, wie sie für das Bioinformationsrecht typisch ist: um menschliche Schicksale, Körper und Körperfunktionen, Lebensgeschichten und ‑empfindungen, um Reproduktionstechniken und Familienpolitiken – um einen sozialen Kontext also, der nicht zu restriktiv verstanden werden darf,369 sondern das gesamte Spektrum des Sozialen umfasst. Dazu zählt auch die Natur der Dinge und Körper, mitsamt ihrer lebendigen Körper- oder Biofunktiona­ lität unter Technisierungsbedingungen, ebenso das phänomenale Erleben menschlicher Wesen, aber auch ein sozialer Kontext in dem enger verstandenen Sinne lebensgeschichtlicher Narrative.

IV.  Vermittlungen: Genetische Information und neuronale Bildgebung Zu welchen Problemen es führen kann, wenn insbesondere die zuletzt genannten Aspekte aus dem Blick geraten, zeigt sich vornehmlich in denjenigen Fällen, welche den Wert und die Rechte an genetischer Information zum Gegenstand haben. In der Entfernung des Gencodes aus dem ursprünglichen Lebenszusammenhang, der Umformulierung von Leben in einen „Text ohne Geschichte“,   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  360.   Zur entsprechenden Problematik des immateriellen Schadensersatzes für informationstechnische Eingriffe vgl. oben, 2. Abschnitt, 2. Titel, IV. und X. (S.  158 ff. und 211 ff.). 369   Eine zu enge Vorstellung dessen, was „sozialer Kontext“ und „Gesellschaft“ ist, würde sich Bruno Latours grundsätzlicher Kritik an einer einseitigen „Sozialisierung“ ausgesetzt sehen, die im Grunde alles, was sich ereignet, in einer eigenständigen, scheinbar alles erklärenden sozialen Dimension lokalisiert. Ein alternativer Ansatz besteht darin zu behaupten, „daß ‚Gesellschaft‘, weit davon entfernt, den Kontext oder Rahmen zu bilden, ‚in dem‘ sich alles abspielt, eher als eines der vielen verknüpfenden Elemente betrachtet werden sollte, die innerhalb sehr dünner Leitungen zirkulieren.“ (Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, 2007, 15 f.) 367

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dürfte in aller Regel der entscheidende Auslöser von Konflikten zu sehen sein, wie sie im Beispielsfall „Moore“370 oder auch in Sachen „Biodiversität“371 als geradezu unlösbare Kollisionslagen zur Verhandlung kommen. In dieser Hinsicht ist es dann die besondere Aufgabe einer theoretisch fundierten Begriffsund Differenzierungsarbeit, den diesen Konflikten zugrunde liegenden sozialen Kontext mit Hilfe entsprechender juristischer Rekonstruktionsleistungen zu entfalten und somit die spezifische soziale Problemlage sichtbar zu machen. Im Kern geht es dabei um eine Auseinandersetzung mit der Frage, was konkret mit dem lebendigen Körper eines Menschen gemacht wird – und was überhaupt aus ihm gemacht werden darf. Diese Frage kann gerade dann, wenn es um biosoziofaktische Erweiterungen nach Art des genetischen Codes geht, nicht alleine mit den soziofunktionalen, „molekularen“372 Beobachtungsmitteln des biotechnologischen Diskurses be­ arbeitet werden. Vielmehr bedarf es eines Korrektivs in Gestalt der genannten Lebensgeschichten und ‑empfindungen. Mit dessen Hilfe mag es gelingen, die körperliche Zugehörigkeit und Nähe, mithin das Maß zu bestimmen, in welchem Genmaterial und ‑information dem Persönlichkeitsschutz unterliegen kann. Die Bandbreite der denkbaren rechtlichen Zuordnungen reicht dabei von einer nahezu freien Verfügbarkeit und Verwertbarkeit, etwa im Sinne eines allenfalls mit persönlichkeitsrechtlicher Ausstrahlung versehenen, materiellen oder immateriellen Eigentums,373 bis zu einer absoluten Unverfügbarkeit eines nachgerade zum seelenäquivalenten Bestandteil der personalen Identität erklärten Genoms. In dieser zuletzt genannten, strengsten Form des Persönlichkeitsschutzes findet sich wiederum das andere Extrem eines der ungebremsten Technisierung, Sozialisierung und Kommerzialisierung genetischer Information entgegengesetzten „genomisch-metaphysischen“374 Denkens. Dieses bedarf seinerseits der Korrektur gemäß einer posthumanen Gegenwart des Menschen in technisierter Verfassung,375 die sich allgemein durch eine deutlichere Funktionalisierung von Körper und Geist auszeichnet. Bio- und soziofunktionale Perspektiven auf Leben und Natur haben insoweit ihre eigene Berechtigung; sie dürfen aber nicht andere soziale, lebensgeschichtlich-narrative oder phänomenologische Sichtweisen verdrängen. Weder dürfen sie dazu führen, dass Menschen und Sozialsysteme aufgrund einer ungebremsten, zur technoszientistischen Expansion entfesselten Technisierungsentwicklung in Gefahr geraten, noch dürfen sie um  Siehe oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, II. (S.  33 ff.).   Vgl. dazu in diesem Abschnitt den vorherigen 3. Titel. (S.  294 ff.). 372   Vgl. hierzu bereits oben, 1. Abschnitt, Fn.  130. 373  Zur entsprechenden Beurteilung von abgetrennten Körperteilen vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.   82. 374   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  129 und 140. 375   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  311. 370 371

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gekehrt dazu dienen, die rechtlich geschützte Sphäre der Persönlichkeitsentfaltung des Menschen über alle Maßen auszudehnen. Demgegenüber ist weiterhin an einem besonders geschützten persönlichkeitsrechtlichen Kern festzuhalten, einer innersten körperlichen und geistigen Sphäre der menschlichen Selbstachtung, die aus einer mentalen Binnenperspektive als phänomenales Selbstempfinden und ‑erleben zugänglich ist, rechtlich indes nur als unantastbare Würde zur Verhandlung kommen kann. Als Schnittpunkt von physischer und psychischer Integrität bildet sie zugleich den Ausgangspunkt aller weiteren persönlichkeitsrechtlichen Ausprägungen, die den Menschen in je unterschiedlichen sozialen Kontexten zusätzliche Entfaltungsräume gewähren.376 Diese sind in den verschiedenen, als Basis der Persönlichkeit fungierenden Biosoziofakten vielfältig realisiert. Dabei kann niemals von vornherein feststehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie der persönlichen Verfügung des Einzelnen oder dem kollektiven Nutzen der Allgemeinheit unterliegen. Auch der rechtliche Status des Genoms lässt sich folglich nicht einfach bestimmen, indem man ihn der Dichotomie von Person und Sache bloß unterordnet. Jeder Versuch einer eindeutigen, universellen Zuordnung zu Persönlichkeit, individuellem Eigentum oder gemeinschaflichen Gütern stieße auf die gleichen unüberwindlichen Schwierigkeiten wie die Gerichte im Fall „Moore“,377 die einer inhaltlichen Festlegung am Ende ausweichen und ihre Lösung in der fehlenden informierten Einwilligung des Patienten suchen mussten.378 Das Problem liegt nicht etwa in der mangelnden individuellen Fähigkeit der Richter begründet, Unterscheidungen zu treffen und Entscheidungen zu finden, ebenso wenig in der fehlenden analytischen Schärfe ihrer Urteile. Vielmehr und viel allgemeiner besteht es in einem generellen Mangel des modernen Denkens, dessen ständige Suche nach strikten Abgrenzungen und reinen Dichotomien von Person und Sache, von menschlichen Subjekten und nichtmenschlichen Objekten zumal, letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Das Genom ist niemals nur ein reines Verfügungsobjekt; es ist gleichzeitig auch ein subjektiver Teil der Persönlichkeit.379 Selbst als „Humangenom“ ist es   Dazu bereits oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, IV., sowie 3. Titel, IV. (S.  58 ff. und 90 ff.).   Vgl. dazu oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, II. (S.  33 ff.); zur entsprechenden „epistemischen Falle“ einer patentrechtlichen Entgegensetzung von Individualeigentum und Gemeinschaftsgütern siehe oben, Fn.  254, in diesem Abschnitt. 378   Zur Problematik des inhaltlich verdünnten Prinzips der informierten Einwilligung siehe oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, I. (insbesondere Fn.  222–224). 379   Dies ist nicht zuletzt eine Konsequenz der von Gilles Deleuze im Anschluss an Gottfried Wilhelm Leibniz herausgearbeiteten menschlichen Einheit in der Vielheit, in der sich die vielfältigen wechselseitigen Beziehungen von Körper- und Seelenteilen als Verhältnisse der „doppelten Zugehörigkeit“ durch unmittelbare Anwesenheit darstellen. Das Humangenom ist in diesem Sinne beiden Seiten anwesend, d.h. sowohl materieller als auch geistiger Natur. Vgl. oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, V. (Fn.  312 ff.). 376

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menschlich und nichtmenschlich zugleich, insofern es seine Existenz nicht alleine einem menschlichen Körper verdankt, sondern einem komplexen Zusammenspiel von Patienten, Wissenschaftlern und Forschungsunternehmen, von lebendigen Körpern, künstlichen Apparaturen und Laboratorien, von biologischen und technischen Prozessen, aber auch von sozialen, erfinderischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten. Deren Verknüpfungen sind nicht aufzutrennen. Die Gemenge und Gemische technisierter Welten fügen sich keinen „reinen“ Begriffen und Definitionen, so verbreitet diese im juristischen Diskurs auch sein mögen. Bruno Latour hat die Problematik derartiger, immer wieder scheiternder Abgrenzungsversuche als ein Symptom der Paradoxie der Moderne entlarvt. Diesen Paradoxien kann keine noch so reine, verfeinerte Grenzziehung entgehen. Die Modernen, die Latour zufolge eigentlich niemals modern gewesen sind, streben vergebens danach, reine „ontologische Zonen“, etwa von „rein“ Menschlichem und Nichtmenschlichem oder von „reiner“ Natur und Kultur, zu schaffen und zu erhalten.380 Mehr noch: Ihre beständigen Bemühungen um „reine“ Begriffe und Unterscheidungen, ihre permanente „Reinigungsarbeit“, ihr fortdauernder Glaube an eine individuelle menschliche Vernunft, an wissenschaftliche Wahrheit, ökonomische Effizienz und technischen Fortschritt, führen paradoxerweise gerade dazu, dass sich die hybriden Gemenge von menschlichen und nichtmenschlichen Wesen noch weiter ausbreiten. Die Zahl der Quasi-Objekte und Mischwesen zwischen Natur und Kultur, der (bio‑)soziotechnischen Netzwerke, nimmt in dem Maße zu, in welchem sie durch modernes, wissenschaftliches, insbesondere juristisches Begriffsdenken verdrängt werden. Paradoxien sind nicht mit „reinen“ Unterscheidungen zu beseitigen, sondern nur mit neuen, anderen Unterscheidungen zu entfalten. Diese Unterscheidungen bergen dann gewiss neue Paradoxien in sich. Auf die Erkenntnis der Paradoxie der Moderne folgt sogleich die desillusionierende Wahrheit Niklas Luhmanns: Niemals wird sich der moderne Traum von einer „paradoxiefrei gesicherten Weltkonstruktion“381 verwirklichen. Stets werden blinde Flecke bleiben, wenngleich an anderer Stelle. Doch damit öffnen sich immerhin weitere Möglichkeitsspielräume einer nichtmodernen Verfassung der technisierten Welt, in der die Gemenge und Gemische, die Mischwesen, die biosoziotechnischen Netze und Gewebe aus natürlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Kräften nicht länger ausgeblendet bleiben, sondern wieder wahrgenommen, kommunikativ vermittelt, insbesondere in die Sprache des Rechts übersetzt werden.382   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  141.   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  351. 382  Da der Vermittlungsarbeit insoweit Wahrnehmungsleistungen vorausgehen müssen, könnte die Kombination von Vermittlungs- und Reinigungsarbeit bei näherem Hinsehen zu einer Triade ausgearbeitet werden: (1.) „Aísthesis“: Wahrnehmung von Lebenswelten und Erfahrungsräumen als „Rezeption“ des Sozialen, (2.) „Poíesis“: kommunikativ vermitteltes 380 381

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Diese Übersetzungs- oder Vermittlungsarbeit 383 vermag im Unterschied zur bloßen Reinigungsarbeit konkret dazu beizutragen, dass bei der rechtlichen Statusbestimmung von Biosoziofakten alle Aspekte ihres sozialen Kontextes sichtbar werden. Sie versetzt das Recht somit in die Lage, neben biologischen auch nicht-biologische, soziale, lebensgeschichtlich-narrative und phänomenologische Perspektiven zu berücksichtigen, die dann gleichfalls mitbestimmen, inwieweit beispielsweise genetische Information als Teil des menschlichen Körpers und der Persönlichkeit, oder aber als „geistiges Eigentum“ zu behandeln ist. Erst die Vermittlung des gesamten sozialen Kontextes macht es also möglich, einen wenigstens vorläufig plausiblen Umgang mit neuen technischen Herausforderungen zu finden – und zu prärogativen Entscheidungen in Konflikt- und Kollisionslagen, für die allenfalls Übergangsordnungen möglich erscheinen, wie sie im transitorischen Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts experimentell zu entfalten sind.384 Die menschliche Persönlichkeit ist nämlich ebenso wie der menschliche Körper biologisch, sozial und technisch zugleich, eben biosozioartifiziell, mithin polyvalent. Dessen Genom ist daher ebenfalls nur aus dem genannten sozialen Kontext, namentlich aus den polykontexturalen Zusammenhängen seiner Entstehung sowie Verwendung, in seiner rechtlichen Bedeutung zu erschließen. Der soziale Kontext bietet demnach die entscheidenden Maßstäbe, nach denen genetische Information entweder als „persönlich“ oder eher als „dinglich“ zu bewerten sein kann – und die das Humangenom gegebenenfalls als ein individuelles oder aber als ein kollektives Gut erscheinen lassen. Zu diesem sozialen Kontext gehört nicht zuletzt auch das historisch und kulturell veränderliche Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft, das sich im jeweils vorherrschenden Bild vom genetischen Erbe der einzelnen Menschen und der Menschheit als Spezies zeigt. Dabei lässt sich gerade der im alltagsweltlichen, normativen, vor allem auch juristischen Denken vorherrschenden Idee einer einheitlichen Menschheitsgattung ein stärker naturwissenschaftlich geprägter Populationsbegriff gegenüberstellen: Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er einen Vergleich zwischen Individuen ermöglicht, ohne jedoch deren individuelle Unterschiede, etwa durch Vorstellungen einer gattungsmäßigen Ein-

Nachzeichnen als „Produktion“ von Ermöglichungsbedingungen und als „Übersetzung“ des Sozialen, (3.) „Kátharsis“: Hervorbringung von Verständigungszusammenhängen durch begriffliche Reinigung, insbesondere im Rahmen neuer Unterscheidungen, als „Kommuni­ kation“ des Sozialen. Die Vorstellung eines solchen methodischen Dreiklangs verdankt sich Rudolf Wiethölters unveröffentlichten, in Frankfurter Seminaren zur Privatrechtstheorie ge­ äußerten Ideen. 383   Siehe nochmals oben, 1. Abschnitt, Fn.  141. 384   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  360.

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heit aller Menschen aufgrund gemeinsamer, historisch und kulturell invarianter „Wesensmerkmale“, zu verdrängen.385 Sein Sinn für die Besonderheiten jedes menschlichen Individuums hindert den wissenschaftlichen Blick auf Einzelmenschen und deren Referenzpopulationen zwar nicht daran, gewisse menschliche Gemeinsamkeiten und stabile Korrelationen zu ermitteln. Aber er befreit ihn von der Versuchung, daraus zugleich kontrafaktische Annahmen über eine konstante „Natur des Menschen“ abzuleiten, wie sie im moralischen oder juristischen Diskurs zumeist in Form eines einheitlichen Subjekts vorausgesetzt wird. Aus dieser Sicht erscheint das Humangenom nicht länger als ein „rein“ individuelles „Seelenäquivalent“, ebenso wenig kann es noch als ein „rein“ kollektives „Erbe der Menschheit“ gelten. Vielmehr lässt es seine kontextabhängige Identifizierungsfunktion erkennen, die in den spezifischen Selbstbestimmungsprozessen der technisierten, molekularisierten Welt der Biotechnologie wirksam wird: Die in der gegenseitigen Referenz von Individuen und Populationen gefundenen Gemeinsamkeiten können dann beispielsweise dazu führen, dass sich neue kollektive Identitäten und sogar neue Arten von genetischen Verwandtschaften bilden, die vergleichbare Krankheitssymptome aufgrund vergleichbarer genetischer Besonderheiten, und in der Folge auch vergleichbare Interessen an Therapiefortschritten haben.386 Vergleichbar sind ihre Interessen aber noch in einer weiteren Hinsicht: dem Schutz der Privatheit ihrer genetischen und sonstigen medizinischen sowie genealogischen Daten.387 Damit verbinden sich nicht zuletzt auch Ansprüche auf eine genetisch legitimierte Autorschaft, welche es zumindest in Einzelfällen nahezulegen scheint, die an wissenschaftlichen Studien maßgeblich beteiligten Patienten, insbesondere auch die als Initiatoren und Vertreter individueller wie auch gemeinschaftlicher Interessen auftretenden „Patientenaktivisten“, als Mitautoren zu benennen.388 Der weitere Gedanke, dieselben an den nachfolgenden Patenten und wirtschaftlichen Gewinnen zu beteiligen, kann daran anknüpfen. Darin liegt schließlich ein Ansatz, um in Fällen wie dem des Patienten John Moore für die Zukunft Lösungen zu entwickeln: Wie der damit befasste Oberste Gerichtshof bereits angedeutet hat, könnten entnommene Körperzellen in der Tat als Gegenstände sui generis zu erachten sein,389 mit anderen Worten: als Quasi-Objekte, die weder ausschließliches Individualeigentum noch allgemein verfügbares Kollektivgut bilden. Richtig ist daher auch die damit ebenfalls an  Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  139.   Vgl. oben, Fn.  270, in diesem Abschnitt. Auf dem gleichen Verhältnis von Individuen und Referenzpopulationen beruht schließlich auch die Herstellung von wissenschaftlich und wirtschaftlich verwertbaren Daten: siehe dazu oben, 2. Abschnitt, 2. Titel, VI. (S.  172 ff.). 387  Vgl. Nowotny/Testa, Die gläsernen Gene, 2009, 46 ff. 388  Siehe Nowotny/Testa, a.a.O. (49), m.w.N. 389   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  119. 385

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gedeutete Forderung nach spezialgesetzlichen Regelungen, die innerhalb des jeweiligen sozialen Kontextes mit seinen vielfältigen Sichtweisen eine klare, wenn auch nur vorläufige Statusbestimmung von Körpermaterial und Körperdaten vorsehen. Deren Ziel muss es sein, das Recht in seiner spezifischen Funktion 390 als Konfliktlösungsinstanz gerade in derartigen, unlösbar erscheinenden Konfliktfällen bei der notwendigen Vermittlungsarbeit zu unterstützen, um die jeweiligen biosoziotechnischen Kollisionslagen in rechtliche Entscheidungen zu überführen. Nicht zuletzt wird es auch hier darum gehen, den darin verwickelten Menschen, Dingen, Prozessen, Rationalitäten gerecht zu werden. Rechtlich zu vermitteln und zu kompatibilisieren sind insbesondere die unterschiedlichen, miteinander kollidierenden Rationalitäten des sozialen Kontextes, namentlich die beschriebenen polykontexturalen Perspektiven des vor allem biowissenschaftlich geprägten Funktionalismus, der lebensgeschichtlichen Narrative sowie der Phänomenologie. Nötig ist insoweit ein rechtlicher Rahmen, der es im Einzelfall erlaubt, beispielsweise einer einseitigen Funktionalisierung von Körpermaterialien und ‑daten als Verfügungsobjekten von Wissenschaft und Wirtschaft entgegenzuwirken und alternative gesellschaftliche Sichtweisen, aber auch Perspektiven der leiblichen Selbsterfahrung gegenüberzustellen. Doch selbst diese dürfen keineswegs immer als vorrangig gelten. Auch der moderne Traum einer universell gültigen Vernunft, die sich einzig an eine bestimmte Rationalität halten könnte, sei es wissenschaftliche Wahrheit, ökonomische Nutzenmaximierung, richtiges Recht, oder seien es eben auch individuelle, „versubjektivierende“ Binnen­ ansichten, ist längst ausgeträumt.391 Umso wichtiger wird es daher sein, die Perspektiven aller Beteiligten in Rechtsform zu bringen. Das verlangt eine Gegenüberstellung der – vor allem lebensgeschichtlich-narrativ und phänomenologisch geprägten – Sicht der Patienten und Spender von Körpermaterialien einerseits und der deutlicher funktionalistisch ausgerichteten Standpunkte der behandelnden und forschenden Ärzte andererseits, einschließlich der Institutionen, denen sie angehören. Für den Beispielsfall „Moore“ wäre dann an erster Stelle festzulegen, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang Patienten und Wissenschaftler an der Nutzung von Körpermaterial und genetischer Information wirtschaftlich zu beteiligen sind. Kaum noch haltbar wäre unter diesen Voraussetzungen die bislang noch dominante Auffassung, die den Patienten im Allgemeinen überhaupt keine Beteiligungsrechte zugestehen möchte.

  Vgl. oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II. (S.  72 ff.).   An der Wahrheit dieser Erkenntnis – der „Politik der Wahrheit“ – sollte spätestens nach der Lektüre dieser Arbeit kein Zweifel mehr bestehen: siehe bereits oben, Prolog, Fn.  13. 390 391

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Unter Umständen kann das gewiss auch bedeuten, bestimmte Behandlungsund Nutzungsformen gänzlich zu untersagen. Die Rücksicht auf den innersten Phänomenalbezirk der leiblichen Selbsterfahrung und der – letztlich nur als Würde kommunikablen – Selbstachtung kann es in besonderen Fällen gebieten, die Nutzung und Verwertung von lebendigen Körpern oder Körperteilen für unzulässig zu erachten und diese insoweit für unverfügbar zu erklären. Wann diese Grenze der absoluten Unverfügbarkeit im Sinne eines persönlichkeitsrechtlich besonders geschützten Kernbereichs erreicht ist, zeigt sich vor allem in der Konfrontation moderner wissenschaftlicher Erkenntnisinteressen mit den Schutzbedürfnissen nichtmoderner Lebensgemeinschaften, wie sie sich auf den Feldern des Biodiversitätsschutzes und der traditionellen Wissensproduktion beobachten lassen.392 Auch wenn darauf gerichtete Forschungsvorhaben noch nicht einmal in erster Linie ökonomische Ziele verfolgen, sondern etwa nach neuem Wissen oder sogar nach Möglichkeiten des Schutzes der genetischen Diversität suchen mögen, ändert dies nichts daran, dass derartige Projekte der modernen Wissenschaft die Diversität regionaler Kulturen und Lebenswelten bedrohen können.393 Die Bedrohung resultiert im Grunde aus der einseitigen Funktionalisierung von Körper und Geist, von lebendiger Natur und traditionellem Wissen im Besonderen, die der moderne, „molekulare“ Blick aus ihren jeweiligen sozialen Kontexten entfernt und in seinem eigenen Sinn als informationale Ressourcen verwertet. Schon die Prämissen der modernen Wissenschaft, die es ihr überhaupt erst ermöglichen, körperliche und geistige Entitäten zu dekontextualisieren und in ihrer funktionalen Perspektive zu nutzen,394 werden von den Betroffenen insofern kaum geteilt, als deren Vorstellungswelten zumeist noch an Überlieferungen metaphysischer oder göttlicher Seinsordnungen anknüpfen können. Selbst die begriffliche Unterscheidung von Körper und Geist darf keineswegs als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Das „Ich“ ist für viele Menschen ein „verkörpertes Ich“. Menschen, die sich insoweit ganzheitlich als Körper-GeistEinheiten verstehen, können keinen „Körper haben“, sondern einzig und alleine „Leib sein“.395 Prinzipiell entfällt damit zugleich die Vorstellung von verfügbaren Körpern und deren Teilen – aber auch von möglichen Rechten daran.

  Vgl. hierzu in diesem Abschnitt den vorhergehenden 3. Titel. (S.  294 ff.).   Siehe dazu insbesondere das oben (Fn.  269, in diesem Abschnitt) erwähnte Beispiel des Human Genetic Diversity Project. 394   Zur technologischen Funktionalisierung und den damit verbundenen Fortschritten der modernen Natur- und Technikwissenschaften siehe nochmals oben, 1. Abschnitt, Fn.  4 4. 395   Siehe hierzu mit Bezug auf das Beispiel balinesischer Vorstellungen von personaler Dividualität Brigitta Hauser-Schäublin, „Was die Europäer uns gebracht haben, ist der Körper.“ Von der Undenkbarkeit des Körpers als Objekt, in: Jochen Taupitz (Hg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, Berlin/Heidelberg 2007, 21 ff. (26 ff.). Zur Plessner’schen Unterscheidung von Körperhaben und Leibsein vgl. im Übrigen oben, 1. Abschnitt, Fn.  122. 392 393

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Auf solche phänomenalen Binnenperspektiven, die den engsten Kern der Persönlichkeit und der psychophysischen Integrität ausmachen, ist unbedingt Rücksicht zu nehmen. Das heißt zwar nicht, jedem vor- oder amodernen Körperempfinden einen absoluten, „versubjektivierenden“ Vorrang gegenüber modernen Körper-Geist-Verhältnissen einzuräumen. Es verlangt aber, zumindest die kulturellen und natürlichen Lebensgrundlagen in ihren Eigenrechten ernstzunehmen. Jedenfalls liegt es auch im wohlverstandenen, sogar existentiellen Interesse moderner Gesellschaften, die Reproduktionsbedingungen der kulturellen und biologischen Diversität dadurch zu erhalten, dass sie regionale und indigene Lebenswelten ebenso wie natürliche Lebensgemeinschaften mittels advokatorischer Konstruktionen und Prozeduren schützen.396 Und diese Lebenswelten sind mit den genannten amodernen Selbstempfindungen vielfältig verknüpft. Die Phänomenologie von Körper, Geist und Natur liefert insoweit triftige Gründe, die gegen eine vollständige Sozialisierung genetischer Ressourcen sprechen. Deren Erforschung, Patentierung und wirtschaftliche Verwertung sollte demzufolge weder der wissenschaftlichen Public Domain noch dem globalen Markt zur völlig „freien“ Verfügung stehen. Vielmehr könnten traditionelle Wissens- und natürliche Lebensgrundlagen nach Maßgabe prozeduraler Rechtsschutzmechanismen als eigenständige Rechtsträger beteiligt werden. Sie könnten gegebenenfalls für öffentlich unverfügbar erklärt werden, ohne deshalb zwingend einem individuellen „Berechtigten“ zu gehören. Damit wird den involvierten sozialen Teilsystemen der Wirtschaft, der Wissenschaft, aber auch des Rechts und der Politik zugemutet, die von ihren funktional spezifizierten Eigenrationalitäten herrührenden expansionistischen Tendenzen im Interesse eines erträglichen Zusammenlebens in Menschengesellschaft selbst zu beschränken.397 Die mit phänomenologischen Mitteln erreichbare Humanisierung der technisierten Gesellschaft beschränkt sich aber nicht nur auf deren Verhältnis zu nichtmodernen Lebensformen. Vielmehr bezieht sie sich im Besonderen auch auf die Rationalitätenkollisionen der modernen Gesellschaft selbst. Die moderne, indes polykontexturale Verhältnisbestimmung von Körper und Geist begegnet hier immer wieder auf eine vergleichbare Weise der spezifischen, für die gesamte moderne Wissenschaft typischen Problematik einer Entfernung von Körperteilen, ‑daten und ‑bildern aus deren ursprünglichen Lebenszusammenhängen. Die phänomenale Binnenperspektive der Betroffenen muss vor allem dann als Korrektiv zur Wirkung kommen, wenn personale Selbstbestimmungs- und Selbstreproduktionsprozesse in ihrem innersten Kernbereich missachtet wer  Vgl. dazu in diesem Abschnitt, 3. Titel, VI. (S.  318 ff.).   Vgl. oben, Fn.  324, in diesem Abschnitt.

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den. Das zeigt sich insbesondere in den Fällen, in denen die Basis dieser Binnenperspektive, die menschliche Psyche, etwa durch den „neuronalen“ Blick des Hirnscanners nur noch als eine physische Erscheinung wahrgenommen wird. Im zu Beginn geschilderten Fall „Fini“398 mag der zusätzliche Einsatz bildgebender Verfahren durchaus zweckmäßig gewesen sein, um die behaupteten psychischen Störungen als körperliche Verletzungen sichtbar zu machen. Aber gerade aus der noch immer dominanten rechtlichen Auffassung, die psychische Schädigungen grundsätzlich nur dann als Gesundheitsstörungen anerkennt, wenn diese sich in irgendeiner Form als Störungen der physiologischen Abläufe darstellen lassen,399 mag sich unter Technisierungsbedingungen eine besondere Gefährdung der psychischen Autonomie des Menschen ergeben. Die Anforderungen an die Beweisführung setzen dann einerseits immer höhere technische Standards voraus, andererseits drohen sie den gerade auf diesem Gebiet relevanten Aspekt eines an psychischen Phänomenen orientierten Beweisrechts in den Hintergrund zu drängen. Dadurch wird eine generelle Notwendigkeit erkennbar, die „innere“ mentale Perspektive von einem „äußeren“ Bereich des abbildbaren Körperlichen deutlicher abzugrenzen. Nicht zuletzt geht es dabei um einen verbesserten Schutz dieser inneren Sphäre vor äußeren Eingriffen, wie ihn ein besonderes Grundrecht auf mentale Selbstbestimmung400 , insbesondere auf Gewährleistung der Privatheit und Vertraulichkeit von Gedanken, ermöglichen könnte. Es geht auch hier wohlgemerkt nicht um eine weitere Variante eines lediglich auf individuelle Willensherrschaft fixierten Selbstbestimmungsrechts. Vielmehr geht es um die mentale Selbstbestimmung selbst – als einer den persönlichkeitsrechtlichen Kern des Menschen bildenden „Lebensentfaltungsgrundlage“. Diese bildet aber nur eine, wenngleich besonders bedeutsame „Basis der Persönlichkeit“. Zur Persönlichkeitsentfaltung des Menschen in technisierter Verfassung dient daneben auch die gesamte Vielfalt biosoziomaterieller Entfaltungsräume. Schon der geforderte Schutz einer inneren Sphäre muss jedenfalls in dem Maße räumlich ausgedehnt werden, in welchem der technologisch externalisierte Mensch seine „Haut-Grenzen“ überschreitet. Obschon sich dessen Körper und Geist zunehmend auf externe, außerhalb des ursprünglichen, „natürlichen“ Körpers aus Fleisch und Blut liegende Ressourcen verteilen, bedürfen diese doch weiterhin eines besonderen Schutzes im „Innern“. Dieses „Innere“, das sich insoweit auf „äußere“ Entitäten, vor allen Dingen auf ausgelagerte Körperteile bezieht, ist dann freilich weniger in einem physisch-räumlichen Sinne als vielmehr phänomenologisch, nach Maßgaben von Selbsterfahrungen und ‑empfindungen zu bestimmen.   Siehe oben, 1. Abschnitt, 2. Titel, III. (S.  47 ff.).   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  164. 400   Siehe oben, 1. Abschnitt, Fn.  169. 398

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Vor diesem Hintergrund erscheint das gesamte Spektrum der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung als ein vielfältiges Zusammenwirken lebendiger, psychischer, sozialer und technischer Selbstbestimmungsprozesse, welches über den Schutzbereich von individueller Autonomie hinaus auf soziale Autonomien angewiesen ist und daher noch weitere institutionelle und technologiebezogene Gewährleistungen erfordert. Geschützt werden damit zugleich die biosozio­ materiellen Bedingungen der Persönlichkeitsentfaltung, namentlich die als biosozioartifizielle Teile der Persönlichkeit inkorporierten technischen Artefakte.

V.  Aussichten einer Re-Humanisierung Dass diese Artefakte in ihrem rechtlichen Status tatsächlich mit Körperteilen vergleichbar sind, macht sich auf besonders markante Weise in sozialen Informationstechnologien bemerkbar, die menschlichen Nutzern als Expansionstechnologien dienen, indem sie mit ihnen als Medium ihrer persönlichen Entfaltung assoziiert sind. Innerhalb dieser Expansionstechnologien entfalten sich ebenso auch artifizielle Entitäten – als widerständige Akteure in mediatisierten Welten, in denen sinnhafte mit technischer Kommunikation vermischt erscheinen und lebensweltliche mit medialen Erfahrungswelten konvergieren.401 Daraus wird schließlich ersichtlich, warum sich auf den Innovationsfeldern der Informationstechnologie die Fälle mehren, in denen Schäden und Rechtsverletzungen nicht mehr ohne weiteres individuell zugerechnet werden können. Wenn Internetnutzer etwa alleine aufgrund der besonderen Identifikationsfunktion ihrer informationstechnischen Zugänge für Immaterialgüterrechtsund Wettbewerbsverletzungen verantwortlich sein sollen,402 darüber hinaus womöglich bald sogar für diejenigen Schäden, die artifizielle Agenten, Roboter oder auch Algorithmen verursachen,403 dann scheint sich eine zunehmende Ent­ individualisierung der juristischen Haftungszurechnung anzukündigen. Entindividualisierte Zurechnungsformen sind dem Recht dabei keineswegs fremd. Schon die im Zuge der Industrialisierung entfalteten Kausalhaftungskonstruktionen der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung abstrahieren streng genommen von individualistischen Zuordnungen und knüpfen ihre Verantwortungszuschreibungen in erster Linie an technische Artefakte und Prozesse.404 Eine den spezifischen Bedingungen der Informationstechnologien angepasste Konzeption einer Gefährdungshaftung könnte daher einen Weg weisen, wie haftungsrechtliche Verantwortungszuschreibungen angesichts der neuen Risiken aussehen sollten: Wenn es menschliche Individuen schon lan  Vgl. oben, 2. Abschnitt, 1. Titel, insbesondere II., III. und IV. (S.  119 ff.).   Siehe dazu in diesem Abschnitt oben, 1. Titel. (S.  223 ff.). 403   Vgl. dazu weiter in diesem Abschnitt, 2. Titel. (S.  258 ff.). 404   Vgl. in diesem Abschnitt insbesondere oben, 2. Titel, II., III. und IV. (S.  262 ff.). 401

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ge nicht mehr in der Hand haben, zu welchen Konsequenzen ihre Aktivitäten im „Tanz der Agenzien“405 führen, dann ist es auch nicht mehr länger vertretbar, menschliches Handeln, ob schuldhaft oder nicht, als Letztelement alles Sozialen zu postulieren. Das Haftungsrecht muss seine Verantwortungszuschreibungen demnach kollektivieren und verstärkt auf Mensch-Ding-Assoziationen ausrichten. Aber auch außerhalb haftungsrechtlicher Verantwortungszuschreibungen zeigen sich informationstechnische Nutzungsverhältnisse als spezifische, technisch-artifizielle und kommunikative, nicht zuletzt als körperliche und geistige Verbindungen von Menschen und Maschinen. Der darauf gerichtete, aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herausgebildete, technologiebezogene Systemschutz dient nach alledem nicht nur einer auf subjektive Erwartungen und Willensäußerungen beschränkten individuellen Freiheit oder Selbstbestimmung. Vielmehr zielt er unmittelbar auf eine personal erweiterte Gewährleistung von informationstechnischen Nutzungsverhältnissen als Assoziationen von menschlichen und nichtmenschlichen Wesen. Damit weitet sich der Blick auf die übrigen Bereiche des Bioinformationsrechts, insbesondere auf deren parallele Konfliktlagen und Gefährdungspotentiale, die allesamt nicht mehr alleine mit den traditionellen begrifflichen Mitteln einer individuellen Selbstbestimmung zu bewältigen sind. Auch auf den Feldern der Biotechnologien bedarf es besonderer, eben biotechnologiebezogener Ausprägungen des Persönlichkeitsschutzes. Gleichviel ob es sich dabei im Einzelnen um Neuro-, Gen- oder Reproduktionstechnologien handelt: Sie alle haben sich an den kontextspezifischen Vorstellungen von Körperteilen, ‑daten und ‑bildern zu orientieren und verlangen gleichfalls nach einem eigenen Recht auf Gewährleistung der Integrität der durch sie erzeugten Biosoziofakte. Integritätsschutz als Systemschutz erfordert Institutionenschutz – und richtet sich letztlich auf das eine Ziel: Schutz der physischen und psychischen Integrität technisierter Personen. Bioinformationsrecht handelt von der engen, untrennbaren Verbindung informationstechnisch-artifizieller und körperlich-lebendiger, gewissermaßen „künstlicher“ und „natürlicher“ Prozesse, von Expansionstechnologien und bioartifiziellen Rechtsverhältnissen, in denen sich die Persönlichkeit des Menschen in technisierter Verfassung entfaltet. Die Basis dieser Persönlichkeitsentfaltung ist jedoch nicht mehr rein menschlicher Natur. In ihrer Vielfalt überschreitet sie auch das Individuelle. Sie besteht aus Kollektiven, wie Bruno Latour sie beschreibt: aus Assoziationen von Menschen und Dingen und deren biosoziotechnischen Verbindungen, die es nachzuzeichnen und wieder zu versammeln gilt. Bei dieser Wiederversammlung geht es demnach nicht mehr nur

  Vgl. oben, Fn.  173, in diesem Abschnitt.

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um die Form, sondern auch um den „Stoff, aus dem unsere Gesellschaften sind“406 . Darin liegt die Besonderheit des bioinformationsrechtlichen Vermittlungsauftrags: Die Assoziationen sind zunächst in ihrem gesamten sozialen (Poly‑) Kontext als die beschriebenen hybriden Verknüpfungen von Menschen, Dingen, Prozessen, Kräften – kurz: in ihrer vollen „Biosoziomaterialität“ als Lebens- und Erfahrungsräume wahrzunehmen. Das ist aber nur ein erster Schritt, um den erwähnten Sinn für die Realität der Objekte zurückzugewinnen. Daran schließt die schwierige Aufgabe an, das Soziale nachzuzeichnen und mit neuen Unterscheidungen zu rekonstruieren. In aller Regel stehen dafür aber nur vorläufige Begriffe zur Verfügung, die kaum durchsichtiger sein können als die unvermeidlichen Verwendungsweisen von „Quasi-Objekten“ und „Quasi-Subjekten“. Doch nur mit ihnen öffnen sich die notwendigen, den technisierten Welten angemessenen Möglichkeits- und Entfaltungsräume. Allerdings sind auch sie auf Dauer daran zu bemessen, ob sie kommunikative Verständigungszusammenhänge herzustellen imstande sind. Daher bedarf es neben der genannten Vermittlungsarbeit weiterhin einer Praxis der Reinigung, die sich nicht erst in der Sprache des Rechts, sondern bereits in der Schaffung und erneuten Eingrenzung gemeinsamer Verständigungs- und Handlungsräume zum Ausdruck bringt. Um diesen Ansprüchen zu genügen, wird für die Zukunft alles darauf ankommen, inwieweit es gelingt, nach der Krise der Moderne nunmehr auch die postmoderne Resignation, die völlige „Preisgabe des modernen Projekts“, die Leugnung jeglicher Verbindungen „zwischen Wissenschaft und menschlicher Gemeinschaft“ oder „zwischen der materiellen und technischen Welt einerseits und den Sprachspielen sprechender Subjekte andererseits“, zu überwinden.407 Vor allem wird es darum gehen, den Realitätssinn wiederzufinden, jedoch ohne dabei die Wahrnehmung sozialer Verhältnisse und das empathische Sensorium für das menschliche Zusammenleben insgesamt zu verlieren. Man müsste dann neben der Vormoderne und der Moderne auch die Nachmoderne hinter sich lassen und mit Bruno Latour den Versuch unternehmen, eine nichtmoderne Verfassung aufzusetzen. Als Verfassung der technisierten Welt der Zukunft hätte sie dann nicht nur die Assoziationen des Sozialen wahr406  Siehe Latour, Wir sind nie modern gewesen, 2008, 10; vgl. ergänzend a.a.O. (11): „Wenn es um die exakten Wissenschaften geht, kann keine unserer Studien gebrauchen, was Soziologen, Psychologen oder Ökonomen uns vom sozialen Kontext oder vom Subjekt erzählen. Daher werde ich das Wort ‚Kollektiv‘ verwenden, um die Assoziierung von Menschen und nichtmenschlichen Wesen zu beschreiben; und ‚Gesellschaft‘, um nur jenen Teil unserer Kollektive zu bezeichnen, der durch die von den Sozialwissenschaftlern gezogene Trennungslinie erfunden worden ist. Was Kontext und was technischer Inhalt ist, definiert sich immer wieder neu.“ 407   Vgl. hierzu, insbesondere mit Blick auf Jean-François Lyotard, die entsprechende antipostmoderne Polemik von Latour, Wir sind nie modern gewesen, 2008, 82 f.

Vierter Titel. Zusammenfassungen: Wiederversammlungen

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zunehmen, nachzuzeichnen und wieder zu versammeln. Sie müsste darüber hinaus versuchen, die sozialen Verbindungen frei von jeder resignativen Haltung zu denken.408 Anstatt nur noch die nichtmenschlichen Komponenten des Sozialen zu sehen, womöglich gar die vermeintliche Unmenschlichkeit der soziotechnischen Umwelten des Menschen zu beklagen, müsste sie aufs Neue dessen Freiheit und personale Entfaltung in den Mittelpunkt rücken. Sie hätte sich dann fortwährend an konkreten Problemstellungen der posthumanen409 Gegenwart zu bewähren, die schließlich ebenso konkreter Lösungsangebote bedarf.410 Die experimentelle Entfaltung neuer Unterscheidungen und Begriffe hat dabei insbesondere auf die andere Seite der Menschen zu blicken. Eingedenk der Aufgabe des Rechts, die Bio- und Informationstechnologien zu humanisieren,411 müsste sie jedem Antihumanismus entsagen – auch jenem, der sich damit begnügt, die Menschen außerhalb der Sozialsysteme zu sehen, dann jedoch immer nur letztere beobachten möchte.412 Vor allen Dingen sind es aber die Menschen, die aus den Umwelten der sozialen Systeme und des Rechts wieder in die diesseitigen Mensch-Ding-Verhältnisse des Sozialen einzubeziehen sind. Mit anderen Worten: Der nachmoderne Verfassungsauftrag richtet sich zuallererst auf ein erträgliches Zusammenleben in Menschengesellschaft. Mit seinem Sinn für die Realität der Dinge, aber auch für die sozialen Kontexte der technisierten Welten, vermag er die postmodernen Zweifel ebenso zu überwinden, wie er mit einem gewissen empathischen Humanisierungssinn über eine auf die Beobachtung sozialer Systeme konzentrierte Gesellschaftsstheorie hinausweist. Deren Sozialautonomien sind allein um der Menschen willen zu gewährleisten. Um der Menschen willen sind auch die Assoziationen menschlicher und nichtmenschlicher Wesen wieder zu versammeln, allerdings nicht in einem einigen „Parlament der Dinge“, sondern in der 408  Mit dem Pathos Frankfurter Schule ließe sich das auch wie folgt ausdrücken: „Das Glück, das im Auge des Denkenden aufgeht, ist das Glück der Menschheit. Die universale Unterdrückungstendenz geht gegen den Gedanken als solchen. Glück ist er, noch wo er das Unglück bestimmt: indem er es ausspricht. Damit allein reicht Glück ins universale Unglück hinein. Wer es sich nicht verkümmern läßt, der hat nicht resigniert.“ – Theodor W. Adorno, Resignation, in: Gesammelte Schriften, Band 10: Kulturkritik und Gesellschaft, 2. Teilband, Frankfurt a.M. 2003, 794 ff. (799). 409   Vgl. oben, 1. Abschnitt, Fn.  311. 410   Die berechtigten Forderungen nach konkreten Fällen und deren Lösungen dürfen indes nicht zu der Annahme verleiten, es gehe im Grunde auch ohne Theorie. Vgl. hierzu ebenfalls Adorno, a.a.O. (797): „Der Sprung in die Praxis kuriert den Gedanken nicht von der Resignation, solange er bezahlt wird mit dem geheimen Wissen, daß es so doch nicht gehe.“ – daher auch der in dieser Arbeit betriebene Theorieaufwand. 411   Vgl. oben, Prolog, Fn.  10; sowie oben, 1. Abschnitt, 3. Titel, II. (S.  72 ff.). 412   Trotz gegenläufiger Intentionen eines „radikalen Individualismus“ übernimmt die Systemtheorie Niklas Luhmanns in ihrer Selbstbeschreibung zum Teil das Vokabular ihrer Gegner und bezeichnet sich unglücklicherweise selbst als „radikal antihumanistisch“: siehe ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, Band 1, 1997, 34 f.; vgl. ferner oben, Prolog, Fn.  2, und 1. Abschnitt, Fn.  199.

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Dritter Abschnitt. Rechtsverhältnisse

Vielfalt der Entfaltungsräume, auf sämtlichen Feldern der Bio- und Informationstechnologien sowie der dazugehörenden gesellschaftlichen Kommunikation, insbesondere auch auf dem Gebiet des Rechts. Dort sind die Menschen darauf angewiesen, dass das Bioinformationsrecht die zu ihrer Persönlichkeitsentfaltung notwendigen, biosoziomateriellen Autonomieräume gewährleistet. Einem neuen Humanismus im posthumanen Zeitalter entsprechend bilden sie das Forum der „Ausweitung unseres Körpers“ – einen Ort, an dem die in vielfältige, lebendige und künstliche Körper- und Geistesteile fragmentierten Menschen wieder zu versammeln sind und erneut das „Netz menschlichen Wissens weben“.413 Sie sind die Versammlungsräume des Menschen in technisierter Verfassung, für die der Body of Knowledge ein Sinnbild sein könnte.

  Siehe aufs Neue oben, Prolog, Fn.  1.

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Bildnachweis Abbildung (Seite XI): Jaume Plensa, Body of Knowledge (2010), Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, abrufbar unter: (30.12.2014).

Personenregister Arendt, Hannah  6 (Fn.  24), 92, 230 (Fn.  25) Aristoteles  14 Cassirer, Ernst  2, 104 (Fn.  363, 366) Deleuze, Gilles  81 (Fn.  261), 95 ff., 336 (Fn.  379) Derrida, Jacques  83, 89 (Fn.  287), 323 ff. Dilthey, Wilhelm  6, 20 (Fn.  46) Donellus, Hugo  129 Ehrlich, Eugen  227 ff., 253 f. Esser, Josef  240, 314 (Fn.  297, 299) Fischer-Lescano, Andreas  73 ff. (Fn.  235, 240, 243 ff.), 81 (Fn.  260), 210 (Fn.  387), 321 Foucault, Michel  4 f., 70 (Fn.  220), 73 (Fn.  237) Gierke, Otto von  16 f., 129 Hirschman, Albert O.  135 Hobbes, Thomas  1, 13 (Fn.  3) Hubmann, Heinrich  17 f., 162 (Fn.  191)

Luhmann, Niklas  1 (Fn.  2), 5 f. (Fn.  15, 21, 22), 13 f. (Fn.  2, 6), 22, 44 (Fn.  139), 61 (Fn.  199), 73 ff., 89 ff. (Fn.  286 ff.), 94 (Fn.  311), 99 f. (Fn.  336, 338, 340, 343), 102 ff., 197 (Fn.  334), 204 f. (Fn.  364 ff.), 209 (Fn.  385), 245 (Fn.  90), 265 (Fn.  142), 268 (Fn.  152), 274 ff. (Fn.  169 ff.), 284 ff. (Fn.  202 ff.), 337, 347 (Fn.  412) Maturana, Humberto R.  22, 80 (Fn.  258) Menke, Christoph  80 ff. (Fn.  259, 263), 91 f. Merleau-Ponty, Maurice  7 (Fn.  25), 84 ff., 95 f. (Fn.  318), 98 (Fn.  331), 104 (Fn.  366), 107 (Fn.  381), 257 (Fn.  127) Nowotny, Helga  31 ff. (Fn.  95, 103), 42 ff., 70 ff. (Fn.  222 ff.) Plensa, Jaume  XI, 1 Rabinow, Paul  39 (Fn.  121), 69 f. (Fn.  219, 221), 73 (Fn.  233, 237), 307 f. Rheinberger, Hans-Jörg  42 f.

Kant, Immanuel  14 ff., 67, 85 f. (Fn.  275 f.), 115, 229, 313

Savigny, Friedrich Carl von  15 f. (Fn.  12, 24), 115, 223, 227 (Fn.  12), 229 Schiller, Friedrich von  13 Serres, Michel  5, 95 (Fn.  315), 101 (Fn.  344)

Latour, Bruno  13 (Fn.  2), 46, 60, 98 ff., 128 (Fn.  51), 197 (Fn.  335), 224 f., 232 (Fn.  38), 241, 246, 274 ff. (Fn.  168, 173, 179), 296, 317 (Fn.  309), 320 (Fn.  319), 327, 334 (Fn.  369), 337, 345 f. Leibniz, Gottfried Wilhelm  5 (Fn.  17), 81 (Fn.  260), 95 ff.

Tarde, Gabriel  81 (Fn.  260), 97 ff., 247 Testa, Giuseppe  31 ff. (Fn.  95, 103), 42 ff., 70 ff. (Fn.  222 ff.) Teubner, Gunther  6 (Fn.  21), 9 (Fn.  33), 69 (Fn.  217 f.), 73 ff. (Fn.  235, 239 ff.), 82 ff., 90 ff. (Fn.  290 f., 307), 101 ff. (Fn.  347, 355, 360), 117 (Fn.  11), 126 ff.

Jhering, Rudolf von  228

380

Personenregister

(Fn.  43, 46, 48 f., 60 f.), 141 f. (Fn.  118 ff.), 179 ff. (Fn.  255 ff.), 203 ff. (Fn.  361, 370 ff.), 225 (Fn.  8), 253 ff. (Fn.  111, 114 ff.), 268 (Fn.  152), 275 (Fn.  172), 321 Tribe, Laurence H.  301

Vesting, Thomas  125 f., 170 f. (Fn.  221 ff.), 232 f. (Fn.  39, 42) Wiethölter, Rudolf  13 ff., 24, 75 f. (Fn.  244), 88 f. (Fn.  285 ff.), 160 f. (Fn.  184), 337 f. (Fn.  382)

Sachregister Abstammung, genetische  44, 84 (Fn.  270), 315 Abwägung 37, 44 f., 71, 74, 77, 93, 103, 109, 143, 159, 163 ff., 211 ff., 236 f., 251, 309 ff., 331, 334 Access and Benefit Sharing (ABS)  297 ff. Achtung, personale  siehe Anerkennung Affekt, affektiv  71 f., 79 f., 84, 96 Affektlogik, fraktale  79 (Fn.  255), 96 Agent −− Agenten, die keine Subjekte sind (Menke)  82 (Fn.  263) −− autonomer, elektronischer (Softwareagent)  126, 250 ff., 290, 293, 344 Agentur, agency −− Agentur verändernder Wirksamkeit (Latour)  225, 247 f., 274 −− Tanz der Agenzien (Pickering) 275, 344 f. Akteur −− artifizieller  92, 111, 126 ff., 139, 252 ff., 324, 344, siehe auch Agent −− als Netzwerk von Vermittlungen, Aktant (Latour)  99 (Fn.  336), 276, 288, 310 −− hybrider  233, 249, 291, 324, siehe auch Assoziation −− individueller  84, 180, 184, 196, 246 f., 250, 265 ff., 274 ff., 288, 290 f., siehe auch Individualismus −− informationstechnologisch externalisierter  137 ff. −− kollektiver  61, 180, 184, 195 ff., 231, 316, siehe auch Kollektiv −− privater, nicht-staatlicher  130, 140 ff., 210 −− rationaler  siehe Homo oeconomicus −− sozialer, gesellschaftlicher  93, 121, 126, 141, 231, 242, 255, 266 ff.

−− staatlicher  130, 210 −− wirtschaftlicher  209, 266 ff., 286, 302 ff., 316, 322 Akteur-Netzwerk-Theorie  225, 274 Allgemeingut 59 Allgemeininteressen  siehe Drittinteressen, Gemeinwohl Amoderne, amodern  siehe Nichtmo­ derne Andere(s)  5, 79, 83 f., 86 ff., 90 ff., 106, 180 f., 192, 257 (Fn.  127), 318 ff. Anerkennung, personale  16 f., 78, 93, 104, 179, 230, 244, 247, 255 ff., 290, 310, 315 f. Animal sociale  14 (Fn.  6) Animal symbolicum (Cassirer)  2, siehe auch Symbol Animierung 7 Anonymität, anonym  99 (Fn.  336), 117 f., 142 (Fn.  121), 202, 275 (Fn.  173) Ansammlung 205 Ansehen, soziales  siehe Ehre Anthropologie, anthropologisch  18 ff., 45, 108, siehe auch Mensch, Menschenbild Anthropozentrik, anthropozentrisch 5 ff., 275 f., 291, 294 f., 300 ff., 309 ff., 316 f. Anwesenheit, anwesend  96 ff., 100, 106, 123, 167, 171 f., 203 ff., 213, 246, 316, 327, 331, 336 (Fn.  379), siehe auch Zugehörigkeit Artefakt −− körperliches, menschliches  1 f., 108 f., 143 f., 167, 326 −− lebendiges  siehe Biofakt −− sozial konstruiertes, semantisches  42 f., 50 f., 60, 92, 105, 119, 127 f.,

382

Sachregister

192, 224 f., 254, 275, 289, siehe auch Soziofakt −− technisches  3, 8, 22 f., 43, 50 f., 56, 62 ff., 70, 110 f., 116, 126 ff., 132, 139, 167 f., 172, 224 ff., 240 f., 246 ff., 250 ff., 255 ff., 274, 282 f., 288 ff., 344 Assemblage  siehe Assoziation Assoziation, Assoziierung −− bioartifizielle, sozioartifizielle, biosoziotechnische  4, 87 (Fn.  281), 105, 108 f., 172, 184, 186, 191 ff., 221 ff., 233, 244, 247 ff., 283, 294 ff., 325 ff., 328 ff., 334 ff., 345 ff. −− des Sozialen, Noch-nicht-Sozialen (Wiederversammeln)  98, 102, 294, 345 ff. −− Haftungs- und Risikoassoziationen 225 f., 238 ff., 287 ff., 292 f. −− Mensch-Maschine  57, 120, 136, 258 ff., 324, 331, 345, siehe auch Nutzung −− personale  99, 160, 216, 344 −− von Menschen und nichtmenschlichen Wesen (Dingen)  60 f., 110, 116, 120, 131, 139, 211 ff., 225 f., 233 f., 241, 244, 246 ff., 250 ff., 274, 291 f., 294, 317, 325 ff., 328 ff., 334 ff., 345 ff. Auffangtatbestand, Auffangrecht  32, 64, 67, 159 (Fn.  180), 328 Aufforderungscharakter  84, 88, 116, 124 Ausdifferenzierung  21, 75, 78, 89 (Fn.  286), 123, 212, 226 f., 291 Auslagerung, ausgelagert  4, 58 ff., 109 f., 132, 136, 139, 165, 172 f., 212, 326, 329, 331 ff., 343, siehe auch Erweiterung Ausschließlichkeitsrecht  162 ff., 169 f., 173, 175 f., 242, 245, 271, 339 Ausspähung  59, 148, 156 f., 161 Ausweitung  siehe Erweiterung Autonomie  −− autonome Automaten, MenschMaschine-Assoziationen, Programme, Systeme  69 (Fn.  218), 75 ff., 206, 250 ff., 258 ff., 276 ff., 279 ff., 284, 287 f., 293, siehe auch Agent −− autonome Entfaltungsräume, Autonomieräume  85, 90, 127, siehe auch Raum −− biosoziofaktische Autopoiese (Selbstreproduktion)  328 ff.

−− gesellschaftliche  siehe Sozialauto­ nomie −− individuelle, private  siehe Selbstbestimmung, Privatautonomie, Vernunft −− lebendige  siehe Biofakt −− sittliche  siehe Sittlichkeit Autopoiesis, autopoietisch  22, 73 (Fn.  237), 77 ff., 100 (Fn.  340), 136 (Fn.  91), 286 (Fn.  207), 328, siehe auch Selbstproduktion Battlefield  145 ff. Befruchtung, künstliche  siehe In-vitroFertilisation (IVF) Behandlung, medizinische  25, 35 ff., 341 Benutzerkonto  235 ff., 238 ff., 249, 251 (Fn.  108 f.), 281 ff., siehe auch eBay Berechtigung  38, 78, 93, 139, 197, 201, siehe auch Ermächtigung Besitz −− intelligibler (Kant) 67 −− Haben  97 ff. −− von allen durch jeden Einzelnen (Tarde)  97, siehe auch Zugehörigkeit −− von Informationen  24, 245 Betreiber  234 f., 243 ff., 261, 263, 270 ff., 273 ff., 276 ff., 279 ff., 281 ff., 284 ff., 287 ff., 291 ff. Bewegung −− Bewegungsräume 85 −− der Existenz (Merleau-Ponty) 84 (Fn.  271) −− körperliche  88 (Fn.  284), 257 −− Migrationsbewegungen 307 −− soziale  197, 210 f., 215, siehe auch Protest Beweis  4, 47 ff., 143 (Fn.  128), 235, 270 (Fn.  156), 278, 288, 343 Bewusstsein  6 f., 21, 48, 53, 78 ff., 99 (Fn.  338), 105 f., 111, 116, 123, 126 ff., 131, 136, 151, 242 (Fn.  79), 255, 275 f., 295, 314 f., 327 f. Bildgebung, bildgebendes Verfahren siehe neuroimaging Binnenperspektive −− mentale, phänomenale 41, 65, 79 f., 83, 88, 136, 333, 336, 340, 342 f., siehe auch Empfindung, Erleben, Selbsterfahrung

Sachregister

−− rechtliche, normative  74, 203 Biodiversität, biologische Vielfalt  294 ff., 324 f., 335, 341 f. Bioethik  37, 68 ff., 76 f., 88, 108, 314, 328 Biofakt  3, 22, 43 ff., 70 Biofunktionalität, biofunktional  46, 63 f., 334 f. Bioinformationsrecht  9, 64, 68, 76 ff., 108 f., 116, 129, 140, 184, 189, 195, 201, 203, 206, 209, 212, 216, 224, 227, 296, 324 ff. Bioinformationstechnologie  2 ff., 77, 94 f., 108 f., 223, 226 f., 244, 325 f. Biomacht 70 Biomoral, Biomoralität  72 ff., 77 ff., 90, 105, 108 ff., 327, 330 Bioökonomie  69 f. (Fn.  219) Biopiraterie  299, 319 Biopolitik  70 ff. Bioprospecting  297 ff., 304 Biosensorik 81 Biosozialität, biosozial  73, 80, 294, 304 ff., 317, 325, Biosoziofakt  50, 64, 115 ff., 173, 211 f., 223 f., 324, 326, 328 f., 335 f., 338, 345 Biotechnologie  3 f., 7 f., 18, 20, 22 f., 25 ff., 45, 63 f., 68 ff., 73 ff., 88, 90, 105 ff., 139 f., 143 f., 172 ff., 183, 195, 214, 224 f., 294 ff., 324 ff. Biowissenschaften  siehe Lebenswissenschaften Blut  2, 34, 38, 48 (Fn.  145), 308, siehe auch Eigenblutspende, Mensch Body of Knowledge  XI, 1 f., 107, 348 Brain-Computer Interface (BCI)  siehe Human-Machine Interface (HMI) Brainom 47 Brainscan  siehe neuroimaging Bundesgerichtshof −− (BGHZ 13, 334)  16 (Fn.  19), 129, 161 f. −− (BGHZ 26, 349)  25 f. (Fn.  64), 129 −− (BGHZ 35, 363)  25 f. (Fn.  64) −− (BGHZ 50, 133)  129 −− (BGHZ 124, 52)  25 ff., 41 (Fn.  127), 44 ff., 57, 64, 120 (Fn.  19), 129 (Fn.  52), 144 (Fn.  135), 166, 331 ff. −− (BGHZ 128, 1)  26 (Fn.  65) −− (BGHZ 143, 214)  26, 143 (Fn.  129)

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−− (BGHZ 180, 134)  235 ff., 282 f. −− (BGHZ 185, 291; BGH GRUR 2012, 602)  242 ff. Bundesverfassungsgericht −− (BVerfGE 30, 173)  129 −− (BVerfGE 34, 269)  26 (Fn.  65), 133 (Fn.  75) −− (BVerfGE 120, 274)  8 (Fn.  31), 58 ff., 90 f. (Fn.  293), 122 (Fn.  24), 124, 129, 131 ff., 156 f., 218, 233 (Fn.  41) Caroline von Monaco −− (BGHZ 128, 1)  26 (Fn.  65) −− (EGMR NJW 2004, 2647)  120 (Fn.  20), 137 (Fn.  94), 218 (Fn.  408) Class action  188, 192 Cloud computing  147, 200, 217 Code −− Code is law 206 −− digitaler  125, 205 f., 208, 216, 233 −− genetischer  33, 36, 42 ff., 334 f. −− hybride Meta-Codierung (Teubner) 206 −− materieller  42, 206 −− Rechtscode, Verfassungscode  83 f., 206, 229 −− Software 233 −− verkörperter  33, 43 Cognitive enhancement  siehe neuroenhancement Collective redress  186 Computer −− Gehirn  siehe Human-Machine Interface (HMI) −− Geist, Körper  59, 62 f., 256 f. −− Grundrecht  siehe Gewährleistung −− Transmedialität  125 f. −− Vernetzung  116 f., 125, 136, siehe auch Netz Computerdaten  146, 172, 214, siehe auch Daten Computernutzer  siehe Nutzer Convention on Biological Diversity (CBD)  319 ff. Corporate Social Responsibility (CSR) 209 Costa Rica  296 ff., 304, 307 Court of appeals

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Sachregister

−− California (July 21, 1988), Moore v. Regents of University of California et al. 35 −− Michigan (April 8, 2003), Fini v. General Motors Corp. and Hill  47 ff. −− United States (May 29, 2002), In re Air Crash at Little Rock Arkansas  49 f. Dampfmaschinen  262 ff. Darknet 202 Daten −− Computerdaten, Nutzerdaten  60, 107, 120, 126 f., 131 ff., 145 ff. −− Datensammelwut, Sucht  141, 208 ff. −− Körper  siehe Körperdaten −− neuronale, neurowissenschaftliche  4, 47 ff., 64, 107 −− personenbezogene  siehe Datenschutz −− Wertbestimmung  siehe Wert Datenbestand  60, 132, 138, 155 f., 165, 167, 214 Datenerhebung, Datensammlung  61, 132 ff., 146, 151 ff., 176 f., 184 f., 199, 212, 214, 217 Datenschutz  −− Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)  16 (Fn.  18), 127 (Fn.  44), 130, 151, 158 ff., 175 (Fn.  238), 200 (Fn.  347 f.), 217 −− Gehirn  siehe neuroprivacy −− im nicht-öffentlichen Bereich  111, 140 f., 145 ff. −− Personenbezug  16 (Fn.  18), 24, 120, 126 f., 129, 131 ff., 145 ff., 324, 329 DBS (Tiefenhirnstimulation) 55 deCODE genetics  siehe Humangenom-Projekt Demokratie −− demokratisches Gemeinwesen  134 f. −− präsenzdemokratische Beteiligung im Zivilverfahren  195 ff., 211 ff. −− responsive  197, siehe auch liquid democracy Design −− privacy by design  203, siehe auch Privatheit −− soziales, synthetisches  73 Determinismus  42 ff., 50 f., 100

Dezentralisierung, dezentral  75, 182 f., 205, 299 Dichotomie −− Auflösung  23, 46, 116, 229, 232, 324 −− bíos-zoé 6 −− Körper-Geist  19, 23, 54, 101 ff., 109, 213, 341 ff., siehe auch Leib-Seele-Verhältnis −− Körper-Technik 108 −− Mensch-Natur  18 ff., 23, 101 ff., 108, 337 −− Natur-Gesellschaft  46 f., 101 ff. −− Natur-Kultur  73 (Fn.  237), 101 ff., 108, 337 −− Person-Sache  19 f., 109 f., 115, 128, 223 ff., 324 f., 336 −− Subjekt-Objekt  19, 109, 232, 325, 336 Differenz, Differenzierung  3 (Fn.  9), 5 (Fn.  15), 20, 39 ff., 45, 50 ff., 61 (Fn.  199), 65 ff., 80 f. (Fn.  259), 83, 86 (Fn.  276), 92 (Fn.  302), 94 ff., 101 ff., 106 ff., 122 f., 125, 127, 131, 137, 162 ff., 167, 170 f., 178, 180 f., 183, 186 (Fn.  289), 192, 196 (Fn.  331), 203 ff. (Fn.  361, 366), 211 ff., 229 (Fn.  20), 232 f., 238, 245, 254 (Fn.  116), 257, 265 (Fn.  142), 272, 276, 284 ff., 289, 298, 300, 325, 334 ff., 346 f., siehe auch Ausdifferenzierung, Dichotomie Digital turn  204 f. Ding  17 (Fn.  27), 19 ff., 33, 42 f., 81 (Fn.  261), 84, 86 ff., 99 (Fn.  336), 105, 109 f., 115 f., 181 (Fn.  268), 232 ff., 246, 259, 276, 325 ff., 330, 334, 338 ff., 345 ff., siehe auch Assoziation, Realität, Sache, Verdinglichung Diskurs −− bioethischer, biotechnologischer  69 ff., 335 −− gesellschaftlicher (Gendiskurs)  42 f., 47 −− Rationalität  203 f. −− rechtlicher  67 f., 310, 337, 339 −− Risiko und Sicherheit  272 (Fn.  164) Diskursrechte  321 f. Diversität −− biologische, natürliche  siehe Biodiversität

Sachregister

−− kulturelle  294, 296, 299, 302, 304 ff., 317, 319, 322, 342 Dogmatik  siehe Rechtsdogmatik Dualismus  siehe Dichotomie, Differenz Dritte(s)  85 f., 142 (Fn.  125), 169, 181 f., 192 (Fn.  314), 235 ff., 238 ff., 243, 249, 251, 282 Drittinteressen  75 f. (Fn.  244), 177 ff., 215, 237, 244 f. DRM (Digital Rights Management)  142, 146, 151 (Fn.  156), 161 eBay  235 ff., 248 ff., 282 f. E‑Commerce  siehe Geschäftsverkehr Effizienz, effizient  71, 147, 265 ff., 285, 302 ff., 308, 312 f., 337 Ehre  17, 65 f., 133 (Fn.  75) Eigenblutspende, Eigentransplantation 26 f., 30 Eigennormativität, Eigengesetzlichkeit, Eigenrationalität, Eigenwert  17, 61, 67, 75 f., 93 (Fn.  309), 116 f., 120 f., 134, 137, 172, 183, 191, 204 (Fn.  365), 205 f., 218, 242 f., 244, 246 f., 255, 257 (Fn.  131), 261, 290, 300 ff., 310, 317 ff., 322, 328 ff., 342 Eigennutzung  60 ff., 132, 156, 167, 212, 217, 224 Eigenrechte, latente  78 f., 82, 92 f., 105, 342 Eigentum, Eigentumsrecht −− am eigenen Körper, an abgetrennten Körperteilen  4, 28, 33 ff., 64 f., 70 f., 98, 107, 162 f., 167 ff., 212 ff., 304, 335 ff., siehe auch Recht −− geistiges (intellectual property)  siehe Immaterialgüter −− intelligibler Besitz (Kant) 67 −− Verfügungsrecht  38, 41, 98, 115, 119, 265 f., 271, 303 ff., 335 f. −− Verhältnis zum Persönlichkeitsrecht  39 ff., 66 f., 107, 116, 132 f., 159 ff., 167 ff., 212 ff., 335 ff., siehe auch Eigennutzung −− Verletzung / Schutz  34 ff., 146, 159 ff., 212 ff., 227, 245, 263 ff. −− virtuelles  165, 214, siehe auch Gegenstand Einblick

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−− in die Seele  55 −− in wesentliche Teile der Lebensgestaltung  59, 132, 143 Eingriff −− bio- / neurotechnologischer  55 ff., 306 f., 343 −− heimlicher / nicht-heimlicher  62, 132 −− in Grundrecht  58 ff., 131 ff., siehe auch Persönlichkeitsrecht, Vertraulichkeit −− in informationstechnisches System  4, 59 ff., 131 ff., 150, 152 ff., 159  ff., 177, 183 −− in Verwertungsrecht  242 −− medizinischer  34, 38 Einheit −− biosoziotechnische  siehe Assoziation −− der Sinne, der Welt, des Raumes, der Dinge  19, 84 ff. (Fn.  271, 276, 279), 100 −− der Vielfalt, Differenz  80 f. (Fn.  259), 92 (Fn.  302), 94 ff., 101 f., 104 ff., 181, 336 (Fn.  379) −− Einheitstäter 238 −− funktionale Einheit  29 f., 120, 218 f., 233, siehe auch Funktion (körperliche) −− Körper und Geist  28, 42, 50 f., 63 ff., 94 ff., 101 f., 106 (Fn.  375), 108, 218 f., 233, 283, 327, 341, siehe auch LeibSeele-Verhältnis −− Menschheit  15, 18 ff., 338 f., siehe auch Spezies −− personale  siehe Identität Einwilligung −− Datenerhebung, -nutzung  146, 148 ff., siehe auch EULA −− „Einwilligungs“-Button  206 ff. −− informierte siehe informed consent −− schlichte  242 ff. Eisenbahn  siehe Dampfmaschinen Eizellen 27 Electronic Arts (EA)  145 ff. Emotion, emotional  34 (Fn.  109), 54 (Fn.  164), 57, 72, 79 f., 84 f., 96 (Fn.  323), 218, 233, siehe auch Affekt Empirie, empirisch  3, 8, 18 ff., 42, 57, 61, 86 f. (Fn.  276, 279), 99 (Fn.  336), 256, 328, 333 Empathie, empathisch

386

Sachregister

−− des Rechts  77 ff., 110, 327, siehe auch Gerechtigkeit −− empfundene Fürsprache- und Sorgezuständigkeit 194 −− Humanisierungssinn  346 f., siehe auch Humanisierung −− narrative Empathie  87, 256 f. −− Normierungspraxis  88, 91, 105, 330 −− Vermögen (empathisches Wesen)  79 ff., 96, 310 Empfindung −− eigenleibliche (Selbstempfindung)  39, 41, 52 ff., 65, 101 (Fn.  344), 118, 136, 173, 257, 330, 333, 336, 340 ff., siehe auch Erleben, Selbsterfahrung −− menschliche  72, 79, 334 f. −− Nachempfinden  79, 85 ff., 257, siehe auch Empathie −− Privatheit  62, 116 ff., 143, 217 f. −− räumliche 86 −− Schmerz, Leiden  53, 79, siehe auch pain detection Endbenutzer-Lizenzvertrag  siehe EULA Energie −− biosoziale  80 f. −− prozessierbare (Natur)  20 −− utopische  82 f. Entfaltung −− Entfaltungsräume  siehe Autonomie, Raum −− Entfaltungsrechte (Ermöglichungsrechte)  90, 104, 214, 328 ff. −− experimentelle  siehe Methode −− Kraftentfaltung  siehe Kraft −− Leben  108, 115 ff., 227, 325 ff., 328 ff., 343 −− neuer Unterscheidungen  siehe Differenz −− Paradoxie  101 ff., 180, 337 −− personale  siehe Persönlichkeitsentfaltung −− personaler Vielfalt  101 ff. −− Selbst 17 Entindividualisierung, Entmenschlichung, Entpersonalisierung  60 f., 94 (Fn.  311), 117, 224 f., 240 ff., 273 ff., 290, 344, siehe auch Individualismus

Entschädigung  25 f., 143 f., 166 ff., 190, 209 f. (Fn.  386), 213, 299, 312, 331 f., siehe auch Schmerzensgeld Entscheidung −− Abwägungsentscheidung  309, siehe auch Abwägung −− Entscheidungsabhängigkeit der Zukunft, riskantes Entscheiden  265 (Fn.  142), 275 f., 285, 289 f., 302, 309 ff., 316 ff. −− Entscheidungsorientierung des Rechts  74 ff., 88 f., 103, 203 ff., 280, 324 ff., 338, 340 −− gerichtliche 24 ff., 129, 131 ff., 157, 162, 166, 235 ff., 269 ff., 331 ff. −− gesellschaftliche (Bioethik)  68 ff., 76 f. −− Haftungsverteilung, Verantwortlichkeit  225, 235, 266, 282, 287, 289, 292 −− Lebensentscheidung 173 −− selbstbestimmte  60 (Fn.  193), 134, 199 (Fn.  344), 260 (Fn.  135), 329, siehe auch informed consent, Selbstbestimmung −− unter Bedingungen doppelter Kontingenz 128 −− Unterscheidung  4, 40, 47, 336, siehe auch Differenz −− Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse  196 f., 306, 313, 321, siehe auch Demokratie Epistemodizee 5 Erfahrung −− Alltagserfahrung 104 −− eigenleibliche  siehe Empfindung, Selbsterfahrung −− inkarnierter Subjekte (Merleau-Ponty) 86 −− konkrete, individuelle  73 f., 108, 176, 323, 325 −− transzendente, präreflexive  82 ff. Erfahrungsraum  siehe Raum Erfahrungswelt  63, 87 f., 119, 139, 344 Erfahrungswissen  siehe Empirie, Wissen Erkenntnis  4 ff., 19 ff., 41 ff., 72 f., 195, 205 f. (Fn.  371), 231 f., 257, 269 f., 283, 295, 297, 311, 337, 340 f. Erklären (Verstehen) 20, 334 (Fn.  369) Erleben

Sachregister

−− Miterleben  79, 87 f., siehe auch Empathie, Empfindung −− phänomenales, physisches, psychisches, subjektives  6, 52 ff., 65, 72, 79 ff., 92 f., 95 f. (Fn.  318), 136, 168, 171, 173, 175 f., 213 f., 257, 334 ff. −− und Handeln  276 Ermächtigung −− Dritt- und Allgemeininteressen  177 ff. −− Ermächtigungsgrundlage 59 −− soziale  91 f. −− rechtliche, technische  305, siehe auch Berechtigung Ermöglichung  90, 182 f., 185 ff., 225, 280, 286, 291, 294, 313, 324, 337 f., siehe auch Entfaltung Erwartung −− Erwartungskollagen (Luhmann) 92 −− mediatisierte, technologische  50, 61 ff., 116 ff., 143, 205, 217 f., 241, 246, 279 f., 285 f., 291 f., 317, 345 −− normative / kognitive  3 ff., 73 −− Vertraulichkeitserwartung siehe Vertraulichkeit Erweiterung −− genetische  33 ff., 57, 64, 173 −− Haftung, Verantwortung  234 ff., 238 ff., 247 ff., 250 ff., 275, 279, 282, 288 −− human enhancement  31 (Fn.  95), siehe auch neuroenhancement −− informationstechnische 58 ff., 123, 126 ff., 131 ff., 160, 240, 248, 331 ff. −− körperliche, physische  1 ff., 25 ff., 57, 62, 64, 136, 160, 166 ff., 212 f., 223, 326, 331 ff., 348, siehe auch Auslagerung −− kognitive, geistige  1 ff., 47 ff., 64 ff., 120, 136, 160, 212, 331 ff., siehe auch Auslagerung −− kollektiver Rechte  siehe Rechtsschutz −− personale, Persönlichkeitsschutz  8, 18, 27, 30, 58, 63 ff., 109 f., 116, 119, 121, 126 ff., 136 ff., 159 ff., 223 ff., 326 ff., 335 f., 345 −− Rechtssubjekt  231, 240, 247 ff., 250 ff., 283, 289 ff., 293, 326 −− technologische (Expansion)  24, 58, 63 ff., 109 f., 113 ff., 223 ff., 344 Ethik  siehe Bioethik

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Ethisierung  68 ff. EULA (End User License Agreement) 145 ff. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR NJW 2004, 2647)  120 (Fn.  20), 137 (Fn.  94), 218 (Fn.  408) Evolution, evolutionär  21, 84 (Fn.  270), 126, 306 ff., 314 f., 317 Existenz −− Bewegung der Existenz, Koexistenz, Zur-Welt-Sein (Merleau-Ponty)  84 ff., 98 (Fn.  331) −− bioartifizielle, sozioartifizielle  28, 44 ff., 50 f., 325, 336 f. −− menschliche, personale (biologisch-körperliche, geistig-kulturelle, soziale)  2, 14 (Fn.  6), 20 f., 70 (Fn.  220), 92 ff., 100, 135, 223, 228, 231, 300 ff. Expansion −− autonomer Teilsysteme der Gesellschaft  75, 342 −− des Menschen  siehe Erweiterung −− des Rechts  319, siehe auch Recht −− technoszientistische  77 f., 331, 335 Expansionstechnologien  siehe Erweiterung Externalisierung, externalisiert −− des Menschen  58 ff., 109 ff., 120, 123, 126, 129, 137, 213, 218, 224, 255, 326, 331 ff., siehe auch Erweiterung −− Kosten  311, 313 Externalismus, externalistisch  57 f., 123 Facebook 140 f. Falte, Faltung (Leibniz, Deleuze)  95 ff. Farmers’ Rights  306 Fehlschluss −− naturalistischer  20 f. −− ökonomistischer  siehe Reduktionismus Fiktion, fiktional, fingiert  19, 21, 87, 89, 183, 209 (Fn.  385), 234 ff., 240, 265 ff., 274 f., 282 ff., 295, 314, 318, 320 Fini v. General Motors Corp. and Hill 47 ff., 65, 343 fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie) 48 (Fn.  145)

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Sachregister

Fortpflanzung, Fortpflanzungsfähigkeit  27, 31, 46, 333, siehe auch Reproduktionsmedizin Fragmentierung, fragmentiert −− Mensch, Körper, Leben, Natur  19 f., 42, 45, 50, 63 ff., 106 ff., 123, 327, 348 −− Persönlichkeit, Persönlichkeitsrecht 18 ff., 45, 62, 120 ff., 131 f., 156, 176, 228 −− Recht, Wertepluralismus  72 ff. Freiheit  14 f., 18 ff., 25 ff., 59 f., 106, 115 (Fn.  2), 120, 122, 131 ff., 139, 162 ff., 169 f. (Fn.  220), 209 ff., 227, 229 (Fn.  23), 247, 271 f., 275 (Fn.  173), 313, 327 ff., 345, 347 Frye-Standard 49 Fürsprache, Fürsprecher  85 f. (Fn.  275), 192 ff., siehe auch Sachwalter Funktion −− der Bioethik  71 f. −− des Lebens (Erkenntnis)  6 −− des Rechts  7, 75 ff., 109, 182, 203, 208 f., 266, 270 f., 325 f., 340, siehe auch Humanisierung, Recht −− gesellschaftliche, kommunikative  18, 134 f., 181 ff., 245 f., 329 −− körperliche, körpertypische  3 (Fn.  9), 9, 26 ff., 45 f., 56 f., 64, 97, 136, 168, 173, 213, 304, 326, 330 ff., siehe auch Biofunktionalität −− mentale 329 −− proto-kommunikative  79 ff. −− technische  258, 282, 290, 329 Funktionalisierung −− der Haftung  185 ff., 198, 262 ff., 269, 284 ff., 292 −− des Körpers, Geistes  25 ff., 40 f., 45, 57 f., 65, 335, 340 f., siehe auch Erweiterung −− der Natur  18 ff., 45, 116, 341 −− der Person, Persönlichkeit  14 ff., 18, 229 f., 325 f. −− informationstechnischer Systeme  60 ff., 121, 127 ff., 203, 209, 212 −− technologische  20, 24 ff., 109, 325 f., 340 f., siehe auch Technisierung Funktionssystem  siehe System (soziales)

Geburt −− moralisch-rechtliche 255 ff., 314 f. −− Vollendung  13 f., 15, 256, 283, 313 −− Zeitpunkt 231 Gedächtnis −− externalisiertes 59 −− Fähigkeit  122 f. −− Verantwortung gegenüber dem Gedächtnis (Derrida)  83, 324 Gedankenlesen  siehe mind reading Gefahr, Gefährdung, Bedrohung  30, 59, 77 f., 82, 95, 109, 120, 122 (Fn.  24), 130, 133 ff., 163, 169 (Fn.  220), 171, 179, 193, 197, 198, 203, 217, 235, 239, 249 (Fn.  103), 251, 263, 265 (Fn.  142), 271 ff., 279 ff., 284 ff., 297, 301 f., 308, 315, 323, 325 f., 335, 341, 343 ff., siehe auch Haftung, Risiko Gefühl  17, 260, siehe auch Empathie, Gemeinschaftsgefühl Gegenstand −− der Erkenntnis, Erfahrung , Wahrnehmung  5 (Fn.  15), 19 ff., 35, 73, 84 (Fn.  271), 86 f. (Fn.  279 f.), 257, siehe auch Realität, Sinn −− Eigentums- / Vermögensgegenstand  70 f., 172 ff., 212, 233, 320, siehe auch Schutzgegenstand −− gegenstandsbezogene Haftung  273 ff., siehe auch Haftung −− körperlicher  70 f., 115, 159 f., 212 −− sui generis, sonstiger Gegenstand, Sache  8, 38 ff., 51, 54, 107 ff., 115 ff., 128, 153 ff., 159 f., 164 f., 171, 336 f., 339 f., siehe auch Quasi-Objekt −− virtueller  232, siehe auch Eigentum Gegenwart, gegenwärtig  −− gegenwärtige Zukunft / zukünftige Gegenwart  69, 107, 268, 294 ff., 302 −− Koexistenz, Simultaneität (MerleauPonty)  86 f. (Fn.  279, 281) −− unmittelbare  203 ff., siehe auch Anwesenheit, Leib-Seele-Verhältnis Gehirn −− als Wiederholungsorgan (Tarde) 97 −− ausgelagerter Teil des Gehirns  58 ff., 109, 132, 136 −− Datenschutz  siehe neuroprivacy

Sachregister

−− Hirntod  siehe Tod −− Plastizität, Adaptivität  57 −− Schädigung, Enzephalopathie  48 ff. −− technisiertes  3, 143 f., 246, siehe auch Technisierung Gehirnbild  siehe neuroimaging Geist −− ausgelagerter / funktionaler Teil des Geistes, extended mind  58 ff., 109 f., 116, 119, 123, 129, 136, 139, 218, 224, 326, 331, 343, siehe auch Erweiterung, Externalisierung, Externalismus −− Computertheorie des Geistes  siehe Computer −− Körperlichkeit, Körper als Sitz des Geistes  1 ff., 52 ff., siehe auch Einheit, Körper, Leib-Seele-Verhältnis, Verkörperung −− geistiges Eigentum  siehe Immaterialgüter −− geistige Schöpfung  siehe Werk −− Sphäre des Selbsterfahrung, phänomenale Binnenperspektive  53 f., 88, 92, 104, 343, siehe auch Erleben −− technisierter  siehe Funktionalisierung, Technisierung Gemeingebrauch  65, siehe auch public domain, Gemeinschaftsgüter Gemeinschaft  44 (Fn.  139), 49 (Fn.  147), 92, 177 f., 183, 306, 312, 316, 321 f., 338, 346, siehe auch Kollektiv, Schicksals­ gemeinschaft Gemeinschaftsgefühl  62, 116 f., 143, 217 f. Gemeinschaftsgüter  44 f., 47, 178 f., 267 f. (Fn.  151), 303 ff., 308, 338 f. Gemeinwohl, Wohl der Allgemeinheit  37 ff., 75 f. (Fn.  244),  182 ff., 301 f., 308, 336 Gemenge, Gemische  siehe Vermischung Gen −− epistemisches Ding (Rheinberger)  42 f. −− genetische Verwandtschaft  307 ff., 317, 339, siehe auch Genom −− genetisch legitimierte Autorschaft  339 −− Geninformation  siehe Information −− Material 38 ff., 335, siehe auch Körperteil −− Text  siehe Code

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Generationen, zukünftige  226, 294, 309 ff., 314 ff. Genom −− gemeinsames Erbe, Gemeinschaftsgut  45 ff., 173, 308 f., 335 ff., siehe auch Gen −− genomisch-metaphysisches Denken 41 ff., 64 f., 307 ff., 335, siehe auch Metaphysik Gentechnologie, Genforschung  9, 22, 33, 47, 51, 67, 109, 116, 140, 177, 306 ff., 345, siehe auch Biotechnologie Gerechtigkeit −− des Rechts, empathische  5 ff., 73 f., 77 ff., 90 f., 174, 327, 340, 346 f., siehe auch Empathie, Humanisierung −− der Wissenschaft  5 f. −− Individualgerechtigkeit 182 f. −− intergenerationelle  294 ff., 322 −− ökologische (Umweltgerechtigkeit) 79 ff., 174, 216 −− ökonomische  268 ff., siehe auch Effizienz −− selbstsubversive (Teubner)  82 f. −− Transzendenz  79, 90 −− unendliche (Derrida)  82 f., 323 ff. −− universelle 88 −− zukünftige  214, 300 ff., 318 ff., 322 ff. Geschäftsverkehr, elektronischer  111, 117 f., 149 f., 223 ff., 259, 281 ff., 325 Gesundheit  25 ff., 34, 54, 70 (Fn.  220), 162 ff., 231, 263 (Fn.  139), 270 f., 277 (Fn.  182), 285 (Fn.  205), 288, 343 Gewährleistung −− der bioinformationstechnischen Selbstreproduktions- und Selbstbestimmungsprozesse  139 f., 211 f., 328 ff., 344 ff. −− der Privatheit und Vertraulichkeit von Gedanken  55 ff., 343, siehe auch Selbstbestimmung −− der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme 58 ff., 90 f., 110, 129 f., 131 ff., 145 ff., 329 −− einer inneren Sphäre  58, siehe auch Empfindung, Selbsterfahrung −− Sachmangel (Software)  152 ff.

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Sachregister

−− von gesellschaftlichen Autonomiebereichen und individuellen Entfaltungsräumen 90 f., 105, 224 f., 294, 329 f., 336, 344 ff. Gewebe −− Gewebeentnahme  35, 38, 308 −− Geflechte  337, siehe auch Netz, Netzwerk Gewinnabschöpfung (§ 10 UWG)  189 ff., 195 ff. Ginseng (BGHZ 35, 363)  25 f. (Fn.  64) Google 140 Governance  68 ff., 71, 203 ff. Grenze −− begriffliche  13 ff., 18 ff., 115, 127, 214, 223, 228 ff., 241, 248 ff., 258, 287 ff., 295, 304, 320, 324, 330 f., 337, siehe auch Dichotomie, Differenz −− der Vernunft  18 f. −− Entgrenzung (Grenzüberschreitung, Grenzverlust)  1 ff., 21 ff., 46, 51, 79 ff., 125, 223, 229, 241, 295, 320 −− Grenzobjekte  siehe Quasi-Objekte −− körperliche  siehe Körpergrenzen, Leib-Seele-Verhältnis Grundrechte −− Abwehrrechte 211 −− Computer-Grundrecht  siehe Gewährleistung −− Drittwirkung  130, 140 ff., 145 ff. −− Grundrechtsfähigkeit  255, 290, siehe auch Rechtsfähigkeit −− humane  siehe Menschenrechte −− institutionelle, ökologische  90 −− personale  16, 90, siehe auch Persönlichkeitsrecht, Selbstbestimmung Gruppenklage 186 ff., siehe auch class action Haftpflicht  268 ff., siehe auch Haftung Haftung −− Betreiberhaftung  siehe Betreiber −− deliktische  25 ff., 34 ff., 48 ff., 142 ff., 145 ff., 158 ff., 179, 198 ff., 212 ff., 231, 234 ff., 238 ff., 254 (Fn.  117), 264, 270 ff., 292 f., 331 ff.

−− des Unternehmens- oder Betriebsinhabers (§  99 UrhG, §  14 Abs.  7 MarkenG, §  8 Abs.  2 UWG)  239 f., 249 f. −− Erweiterung  234 ff. −− Fahrlässigkeit  267, 279 f., 284, 287, 292 −− für informationstechnische Eingriffe 145 ff. −− Halterhaftung, Sachhalterhaftung  264 (Fn.  141), 272 ff., 279 ff., 287 ff. −− kollektive  287 ff., 345 −− Nutzerhaftung  261, 279 ff. −− Organhaftung (§  31 BGB)  250 −− personalistische (Verschuldenshaftung)  270 ff., 284, siehe auch Verschulden −− Produkthaftung, Produzentenhaftung 261, 276 ff. −− Störerhaftung, mittelbare  siehe Störer −− Verkehrssicherungshaftung  239, siehe auch Verkehrspflichten −− verschuldensunabhängige (Gefährdungshaftung, Risikohaftung, Kausalhaftung)  37, 259 ff., 270 ff., 273 ff., 276 ff., 279 ff., 282 ff., 287 ff., 292 f., 344 −− Verteilung  225, 239, 261 ff., 288 f., 292 f. −− vertragliche  145 ff., 153 ff. Halzband (BGHZ 180, 134)  235 ff., 282 f. Handlung −− Zurechnung, Zuschreibung, Verantwortlichkeit  14 f., 21, 111, 115 (Fn.  2), 120 f., 129, 179 ff., 224 ff., 229 f., 233 ff., 239 ff., 247 ff., 250 ff., 263 ff., 268 (Fn.  152), 274 ff., 282 ff., 293, 344 f., siehe auch Zurechnung, Verantwortung −− unerlaubte (§§  823 ff. BGB)  25 ff., 142 ff., 158 ff., 179, 212 ff., 231, 270 ff., 331 ff., siehe auch Haftung (deliktische) Handlungsfähigkeit  7, 60, 127 f., 134 f., 230 Handlungsformen, Handlungslogiken, Handlungsorientierungen, Handlungsprogramme  75, 119, 122, 137, 191, 203, 225 f. Handlungsmöglichkeiten, Handlungshypothesen  84, 313

Sachregister

Handlungspflichten, zumutbare  234 f., siehe auch Prüfungspflichten, Ver­ kehrs­pflichten Handlungsraum, Handlungsspielraum siehe Raum Handlungssubjekt  siehe Subjekt Handlungsverständnis, implizites  84, 257 Handlungswirksamkeit  100, 224 f., 274, 283 Handlungswissen  siehe Wissen Handlungswille  siehe Wille Hardware  146, 167, 256 f., 278 Herrenreiter (BGHZ 26, 349)  25 f. (Fn.  64), 129 Hirnscan  siehe neuroimaging Homo noumenon  15 Homo oeconomicus  266 f., 286 Human Genetic Diversity Project (HGDP) 307 ff. Humangenom  siehe Genom Humangenom-Projekt (Island)  308 Humanisierung, Humanisierungstechnik (neuer Humanismus)  3 ff., 72 ff., 104, 108 ff., 206 ff., 216, 227, 325 ff., 330, 342, 344 ff. Human-Machine Interface (HMI)  56 f. Hybrid  siehe Assoziation, Vermischung Identität −− digitale  117 ff., 202, 249 f. −− fragmentierte (multiple)  120 ff., siehe auch Fragmentierung −− individuelle  33, 39 ff., 78, 93, 99, 122 ff., 308 −− kollektive  33, 41, 44, 94 (Fn.  311), 180 ff., 231, 240, 307 ff., 314, 316, 339 −− personale  8, 16, 18 ff., 33, 39 ff., 66, 92, 97 ff., 101 ff., 106 ff., 117 ff., 136, 169, 218 f., 226, 233, 255 f., 283, 327 f., 333, 335 −− Verlust 120 −− Zuschreibung  siehe Handlung, Zurechnung Identifizierung  8, 328 ff., 339 Identifikationsfunktion  234 ff., 282 f., 289 f., 344

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Immaterialgüter  18, 24, 33, 46, 66, 107, 159 f. (Fn.  182), 165 (Fn.  204), 169 f. (Fn.  220), 172 ff., 233 ff., 242, 246, 281 ff., 295 ff., 303, 307, 319 ff., 335, 338, 344, siehe auch Ressourcen Immunsystem  34, 36, 74 Implantat, neuronales  55 ff. In dubio pro persona  315 Individualismus, individualistisch  −− bürgerlich-rechtlicher, methodologischer Individualismus  13, 75, 115 (Fn.  4), 139 f., 178, 181 f., 191, 195 f., 199, 211 ff., 223 ff., 240 ff., 268 ff., 273 ff., 283, 287, 290 f., 300 ff., 316, 344 ff., siehe auch Reduktionismus −− radikaler  61 (Fn.  199), 92 f., 104 (Fn.  364), 347 (Fn.  412) Individualisierer  99, 104 Individuum  1, 36, 47, 60 f., 88, 91 ff., 97 ff., 104, 116, 120, 141, 171, 173, 183, 204 f., 217 (Fn.  404), 225, 229 f., 240 f., 247 ff., 252 f., 259, 267 f. (Fn.  151), 274 f., 283, 303, 338 f., 344 f., siehe auch Individualismus, Mensch Infiltration, heimliche  59, 157, siehe auch Ausspähung Informed consent  34 ff., 70 f., 166 (Fn.  208), 171 f. (Fn.  232), 174, 320, 336 Information −− digitale  169, siehe auch Daten −− genetische  4, 24, 33 ff., 40 ff., 56 ff., 64 ff., 70, 107, 116, 119, 168 f., 172 ff., 214, 245, 298 ff., 307 ff., 334 ff., siehe auch Erweiterung −− neuronale  57, 66, 107, siehe auch Daten −− personenbezogene  siehe Datenschutz −− Zugänge  120, 123, 142 f., 156 f., 169 f., 200, 211, 216, 245 ff., 247 ff., 281 ff., 289 f., 299 f., 321, 344 Informationalisierung  58 ff., 109, 136, 170, 325 f. Informationsethik, informationsethisch  68, siehe auch Bioethik Informationsrecht  111, 129, 148, 177, 232, 251 f. Informationstechnologie  4, 7 ff., 18 ff., 45, 61 ff., 68 ff., 77, 88, 90 f., 99, 105, 107 ff., 116 ff., 120 ff., 124 ff., 129 ff., 135,

392

Sachregister

160 ff., 169 ff., 174, 183 f., 195 ff., 211 ff., 223 ff., 258 ff., 324 ff. Informationswissenschaften, Informationstheorie, informationstheoretisch  4 (Fn.  11), 20 ff., 43 f., 47, 56 f., 64, 107 f., 110, 116, 326 Inkorporation, inkorporiert  siehe Verkörperung Innovation  68, 71 f., 124, 174, 201 f., 224 f., 232, 261 ff., 269, 273 ff., 280 f., 284 ff., 291 f., 298, 344 Institution −− actio pro institutione  193 ff. −− bioinformationsrechtliche (informationstechnische Nutzungsverhältnisse) 184, 189, 195, 201 ff., 211 ff., 246 f., 329 Institutionenschutz  141, 145 ff., 183 ff., 189 ff., 195 ff., 224 ff., 322, 329, 344 f. Instituto Nacional de Biodiversidad (INBio)  296 ff. Integrität −− informationstechnischer Systeme  siehe Gewährleistung, Vertraulichkeit −− körperliche, physische  17, 29 ff., 39, 58, 65 ff., 78, 90 ff., 98, 120, 140, 170 ff., 174, 212 ff., 247 f., 271 (Fn.  159), 329 f., 336, 342, 345 −− geistige, psychische  58, 65 ff., 78, 90 ff., 98, 140, 170 ff., 212 ff., 247 f., 329 f., 336, 342, 345 −− personale  17, 31 f., 58, 62 f., 90 ff., 120, 127, 140, 170 ff., 212 ff., 247 f., 271 ff., 329 f., 336, 342, 345 Intellectual property (IP)  siehe Immaterialgüter Intelligenz −− fluide / kristalline  196 −− künstliche  22, 108, 234, 255 ff. −− symbolische (Cassirer) 2 Intentionalität  21, 84 ff., 128 Interaktion, Interaktionspartner  56, 84, 122, 246 f., 257, 260 Interesse −− advokatorische Vertretung  313 f., 320 ff. −− aktuelles, gegenwärtiges  268, 302, 310 ff., 316 ff., 322,

−− allgemeines  siehe Gemeinwohl, Drittinteressen −− Ausgleich  37, 191 f., siehe auch Abwägung −− des Rechtsverkehrs  236 f. −− gesellschaftliches, öffentliches  37 f., 45, 56, 145, 183 f., 211, 215, 263, 273, 296, 321 f., 342, siehe auch Gemeinwohl −− individuelles, privates  29, 37, 75 f. (Fn.  244), 132, 171, 184 f., 211, 215 f., 244 f., 267 f. (Fn.  151), 300 ff., 308, 317, 332 −− Integritätsinteresse 168 −− Interessenmittelpunkt 200 −− Interessenrecht  siehe Recht −− kollektives, institutionelles  184 ff., 195 ff., 215, 267 f. (Fn.  151),  303 f., 306 f., 311 ff., 316, 321 f., 339 −− Konflikt  182, 191, 295 f. −− Nutzerinteressen, Verbraucherinteressen  145 ff. −− schutzwürdiges  179, 207, 217, 236 −− wirtschaftliches  35 ff., 171, 175, 209, 286, 308, 311 ff., 316 −− wissenschaftliches Erkenntnisinteresse  37, 308, 341 −− zukünftiges, potentielles  268, 309 ff., 314 ff., 322 Interferenzgebiet, soziomaterielles  77, 206, 286 (Fn.  207) Internet −− der Dinge und Services  234 −− Domain 232 −− Internetverbindung  146, 149, 152, 155, 157, 234, 281 −− soziale Informationstechnologie  115 ff., 169 ff., 202 f., 206 ff., 215 ff., 243 ff., 344, siehe auch Informationstechnologie Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN)  207 Introspektion  siehe Selbsterfahrung Invaginationen des Außen (Deleuze) 96 Investigatory Powers Tribunal (IPT)  210 In-Vitro-Fertilisation (IVF)  3 (Fn.  9), 25 ff. Irritation  79 ff., 91, 93, 100 (Fn.  340), 280, 286

Sachregister

Kausalität −− adäquate  29, 234 ff., 263 ff., 268 ff., 273 ff., 282, 285, 287, 289 −− multikausale Handlungs- / Verantwortungszusammenhänge  111, 179 ff., 224, 233, 240, 269, 273 f., 282, 285, 287, 289, 344 −− naturgesetzliche, physische  20, 105 Knowledge of body  107 Körper −− als Basis der Persönlichkeit  9, 24 ff., 62 ff., 91 ff., 105 ff., 119 f., 128 f., 136, 143 f., 166 f., 171, 212 ff., 224, 229 f., 327 ff., 333, 336, 343 −− als Sitz des Geistes  1 ff., 246, siehe auch Leib-Seele-Verhältnis, Verkörperung −− bioartifizieller, sozioartifizieller  45 f., 50, 136, 143 f., 170, 224, 326 ff., 334 ff., 348, siehe auch Biosoziofakt −− körpergleiche Sphäre, körpergleiches Recht, Körperanalogie  62 f., 66, 109, 136, 143 f., 165 ff., 172, 174 f., 212 ff., 331 ff., siehe auch Körperzugehörigkeit, Nähe −− Körperhaben und Leibsein  24, 39 ff., 70 f., 94 ff., 341 −− lebendiger, natürlicher  33, 42 ff., 51, 57, 63 f., 67, 79, 83 ff., 106 ff., 127 ff., 136, 168, 170, 224, 241, 257, 304, 308, 327, 333 ff., 343, 348 −− polyvalenter  30 ff., 106, 327, 333 f., 338, siehe auch Fragmentierung −− Schutzgut  siehe Lebensgüter, Rechtsgüter −− technisierter  8, 33, 45, 51, 94, 108, 143 f., 165, 171, 213 ff., 226, 233, 308, 325 ff., 328 ff., siehe auch Funktiona­ lisierung, Technisierung −− transparenter  2, 47 ff. −− virtualisierter  119, 170 Körperbegriff, Körperkonzept  8, 27, 30 ff., 35 f., 39 ff., 51, 61 ff., 106 ff., 111, 116, 119, 128 f., 140, 143 f., 167, 212, 308, 326 f., 333, 341, 345 Körperbilder −− als Vorstellungen  siehe Körperbegriff −− neuronale  siehe neuroimaging

393

Körperdaten, Körperinformation  24, 33 ff., 57, 63, 65 f., 70, 107, 109, 116, 119, 129, 140, 173 f., 212, 304, 329, 339 ff., 345, siehe auch Information Körperempfinden  siehe Empfindung Körperfunktion  siehe Funktion (körperliche) Körpergrenzen, „Haut-Grenzen“  2, 24 ff., 40, 45 ff., 62 ff., 79, 123, 241, 293, 331, 343 Körperlichkeit  33, 46, 61 f., 65, 67, 116, 118 f., 214, 330, siehe auch Körperbegriff Körperteil, Körpermaterial, Körpersubstanz, Körperzellen  3 f., 9, 13, 25 ff., 33 ff., 47 ff., 58 ff., 70, 95, 97, 107 ff., 116, 119, 132, 136, 139 f., 166 (Fn.  208), 171 ff., 212 f., 223, 304, 326 ff., 331 ff., 338 ff., 344 ff. Körperverfassung  9, 62 f., 94, 106 ff., 171, 216, 307 ff., 325 ff., 328 ff., 348, siehe auch Verfassung Körperverletzung  26 ff., 39, 50 ff., 67, 164 ff., 174, 269 ff., 277 (Fn.  182), 288, 331 ff., 343 Körperwissen  106 ff., 327, siehe auch Wissen Körperzugehörigkeit  45 f., 65 ff., 96 ff., 110, 136, 159 f. (Fn.  182), 167 f., 171 ff., 212 ff., 224, 326 f., 331 ff., 334 ff., siehe auch Zugehörigkeit Kollektiv −− als Versammlung von Assoziationen, biosoziotechnischen Verbindungen (Latour)  127 ff., 345 ff., siehe auch Assoziation, Identität, Versammlung −− Datenkollektiv, Nutzerkollektiv  177, 184 ff., 196 ff. −− indigene Völker, lokale Gruppen (traditionelle Wissensgemeinschaften, ländliche Gemeinschaften)  303 ff., 320 ff., 341 f. −− Schreibkollektiv 122 −− Ungeborene  314 ff., siehe auch Generationen (zukünftige) Kollektivschäden  177 ff., 185 ff., 199, 214 f., 299 f., 310 ff., siehe auch Streuschäden

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Sachregister

Kollision −− intersystemisches Kollisionsrecht  75, 90, 105, 330 −− Kollisionsnorm  148, 158, 200 −− Rationalitätenkollision, Konflikt  23 ff., 67, 72 ff., 93, 105, 115 f., 141, 174, 181 ff., 191, 194 f., 203 ff., 215, 245, 269, 280, 292, 295 ff., 312 f., 334 ff., 345 Kommerzialisierung, Ökonomisierung 38 ff., 297, 302 f., 308, 335 Kommunikation −− gesellschaftliche, soziale, sinnhafte  5 (Fn.  15), 8, 22, 43, 63, 75, 78 ff., 90 ff., 105 f., 116, 119 ff., 124 ff., 134 f., 137 ff., 170 f., 173, 183, 196 f., 206, 232 f., 242, 246 ff., 254, 268 (Fn.  152), 276, 295, 315 ff., 322, 327, 337 f. (Fn.  382), 344 ff. −− kommunikatives Handeln  121, 203, 268 (Fn.  152), 276 −− rechtliche  8, 75, 92 f., 106, 127 f., 206, 254, 295, 316 −− technische, informationstechnische  56, 63, 68, 109, 119 ff., 124 ff., 137 ff., 146, 150, 157, 169 ff., 202 ff., 212, 218 f., 232 f., 262, 344, siehe auch Vermischung −− Umwelt der Kommunikation  61 (Fn.  199), 79, 83, 125, 127 f., 233 Kommunikationsmedien  siehe Medien Kommunikationstechnologie siehe Informationstechnologie Konflikt, Rationalitätenkonflikt  siehe Kollision Konstitutionalisierung  69, 77, siehe auch Verfassung Kontext  3, 42 ff., 50 ff., 61 f., 65 f., 109 f., 122, 136, 142 (Fn.  121), 167, 173, 202, 213, 223, 259 ff., 277, 280, 287 ff., 292, 303, 320 f., 327 ff., 333 ff., 345 ff. Konvergenz, konvergierend  4 (Fn.  11), 120 ff., 139, 344 Kopernikanische Wende (Kant)  18 ff. Kraft, Normierungskraft  3, 7 f., 76, 79 ff., 96 f., 182, 233, 308 f., 337, 346, siehe auch Natur Kultur, kulturell  2 f., 20 f., 24, 43 f. (Fn.  137), 63, 69 ff., 101 ff., 119 f., 209,

246 f., 268, 294 ff., 337 ff., siehe auch Diversität, Ressourcen Kybernetik, kybernetisch  22, 43 f. (Fn.  137), 107 f. (Fn.  381) Leben, lebendig −− bíos, zoé  6 −− gesellschaftliches  115 ff., 171, 233, siehe auch Zusammenleben −− künstliches, artifizielles  22 f., 56 f., 70, 108, 116, 136 f., 223 ff., 324 ff., siehe auch Assoziation, Biofakt −− manipuliertes, normiertes  42 ff., 50 ff., 64, 73, 106 ff., 116, 301, 304, 325 ff., siehe auch Fragmentierung, Funktionalisierung, Nutzung, Verfügbarkeit −− Medium des Lebendigen, authentisches Leben  80 ff., siehe auch Erleben −− menschliches  6 f., 9, 20 ff., 27 f., 39 ff., 56, 63 ff., 70, 77 ff., 90 ff., 94 ff., 101 ff., 106 ff., 170 ff., 223 ff., 268, 271, 310 ff., 324 ff. −− nichtmenschliches  6 f., 9, 21 ff., 40, 258, 268, 310 ff., 322 −− ungeborenes  231, 314 ff., siehe auch Generationen (zukünftige) −− zirkuläre Selbstreproduktion (Autopoiese)  22, 80 ff., 136, siehe auch Autopoiesis Lebensentfaltung, Lebensgestaltung  59, 108, 115 ff., 227, 325 ff., 328 f., 343 Lebensgemeinschaften, Lebensgesamtheiten  179 f., 312, 320 ff., 341 f. Lebensgeschichte, lebensgeschichtlich  siehe Narrativität Lebensgrundlagen  5 f., 115, 294 ff., 309 ff., 316 f., 322 f., 328 f., 342 f. Lebensgüter  14, 27 ff., 59, 106, 162 ff., 212 ff., 330 f. Lebensraum  siehe Lebensgrundlagen, Raum Lebenswelt  24, 63, 88, 100 (Fn.  343), 109, 118 ff., 122 f., 139, 218, 299, 308, 326, 337 f., 341 f., 344 Lebenswissenschaften  4 ff., 42, 71 ff., 104, 107 ff., 325, 340

Sachregister

Lebewesen  3 (Fn.  9), 22 f., 43 f., 70 (Fn.  220), 77 f., 84, 99 (Fn.  338), 228, 259, 300, 310, 317 Legal transplant  280, 292 Leib, Leiblichkeit  59, 84 (Fn.  271), 87 (Fn.  280, 282), siehe auch Empfindung, Körper, Leib-Seele-Verhältnis Leib-Seele-Verhältnis  24, 94 ff., 101 ff., 327, 341 ff., siehe auch Dichotomie Leiden  siehe Schmerzen Leserbrief (BGHZ 13, 334)  16 (Fn.  19), 129, 161 f. Lie detection  siehe Lügendetektor Life sciences  siehe Lebenswissenschaften Liquid democracy  196 ff. Locked-in-Patienten 56 Lügendetektor  53 f. (Fn.  163, 166) Manipulation, Manipulierbarkeit, manipulierbar, manipuliert  3, 34, 42 f., 51, 55 ff., 70, 107 f., 138, 156 f., 306 Mannigfaltigkeit, mannigfaltig  86, siehe auch Vielfalt Marlene Dietrich (BGHZ 143, 214)  26, 143 (Fn.  129) Maschine  22, 97 (Fn.  326), 107 f., siehe auch Assoziation, Suchmaschine Material −− biologisches  38, 298 −− Computermaterial  116, 223 f., 250, 278 −− genetisches, körperliches  siehe Körperteil −− natürliches (Produktionsmaterial) 19 ff., 107, 295 ff., 300 ff. Materialisierung, materialisiert  2, 17 f., 26 ff., 40 ff., 82 (Fn.  263), 95 f. (Fn.  318), 164 Materialismus, digitaler  203 f. (Fn.  362) Materialität, Biosoziomaterialität  39, 95 f. (Fn.  318), 119, 125, 128 f., 206, 218 f., 246, 346 Materie, materiell  2, 7, 20 ff., 26, 33, 42 ff., 50, 67, 70, 72, 77, 82, 91 ff., 95 ff., 104 ff., 119, 125, 180, 206, 208, 233, 246, 276, 295, 308, 327 ff., 335 f., 343 f., 346 Mediatisierung, mediatisiert  59 ff., 109, 116 f., 119 ff., 123 ff., 128, 137, 143, 170 f.,

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195, 201 ff., 211 ff., 238 ff., 242 ff., 250, 344 Medien −− funktionale Bedingungen  245 f. −− medialer Lebensraum  135 −− natürliche  siehe Umweltmedien −− technisches Medium, Kommunika­ tionsmedium  59, 62 f., 84 (Fn.  270), 110 f., 116 ff., 119 ff., 121 ff., 124 ff., 127 ff., 131 ff., 146, 157, 171, 196, 204 ff., 218, 224, 232 f., 241, 243, 245 ff., 251, 255, 344, siehe auch Informationstechnologie, Netz −− Sinnmedium  siehe Sinn Medizinethik, medizinethisch  68 ff., siehe auch Bioethik Mensch −− einzelner, individueller Mensch  2 ff., 72 ff., 77 ff., 83 ff., 90 ff., 98 f., 104 ff., 170 ff., 177 ff., 192, 205 ff., 225, 229 ff., 238 ff., 247 ff., 250 ff., 268 f., 274 ff., 283, 290, 325 f., 338 f., 344 f., siehe auch Humanisierung −− in technisierter Verfassung  2 f., 9, 64, 94 ff., 106 ff., 216, 223 ff., 324 ff., siehe auch Technisierung −− Menschenbild (Natur des Menschen)  1 ff., 13 ff., 18 ff., 27 ff., 35 ff., 53 ff., 63 ff., 68, 90 ff., 94 ff., 101 ff., 106 ff., 127 ff., 223 ff., 327, 339 ff., siehe auch Person, Subjekt −− menschliche Sonderstellung  6, 41, 84 (Fn.  270), siehe auch Anthropozentrik −− Mensch-Maschine-Assoziation siehe Assoziation Menschenähnliche  84, 255 ff., 291 Menschheit  15, 39, 41, 44 f., 84 (Fn.  270), 295, 301, 308, 317, 338 f., 347 (Fn.  408) Menschenrechte, Menschenrechtsschutz  14, 69 f., 90 ff., 171 (Fn.  228), 293, 307, 326, siehe auch Grundrechte Menschenwürde  8, 15, 17, 36 f., 42, 65 f., 92 f., 98, 129 f., 230, 255 f., 268, 291, 326, 336, 341 Mephisto (BGHZ 50, 133; BVerfGE 30, 173) 129 Metaphysik, metaphysisch  20, 41, 308, 335, 341

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Sachregister

Methode, juristische −− experimentelle Entfaltungsmethodik  103 ff., 108, 167, 211, 325, 334, 338, 347 −− Wahrnehmung, Übersetzung, Vermittlung  46, 71 f., 74, 337 ff., 346 f. Mind doping  55 f., siehe auch neuroenhancement Mind reading  52 f., siehe auch Lügendetektor Miterleben (Mitfühlen) siehe Erleben Mitgliedskonto  siehe Benutzerkonto Mittler  99, 225, 246, 274, 283 Moderne, modern  1 (Fn.  2), 5 f. (Fn.  17, 24), 13 f., 18, 39, (Fn.  121), 46, 70 (Fn.  220), 72 ff., 78, 94 (Fn.  311), 103, 106, 129, 227, 262 ff., 272, 276, 295 ff., 303, 305, 307, 325, 336 f., 340 ff., 346 Molekularbiologie  33, 41 Molekularisierung  33 ff., 109, 173, 325 f., 335, 339, 341 Moore v. Regents of University of California et al.  33 ff., 57, 64, 169 (Fn.  217), 308, 334 ff. Moral, moralisch  19, 39, 41, 71, 78, 124, 230, 255 f., 258, 290 ff., 314 f., 319 f., 339, siehe auch Biomoralität MRS (Magnetresonanzspektroskopie)  48 (Fn.  145), 50 MRT (Magnetresonanztomographie)  52 Nachempfinden  siehe Empathie, Empfindung Nachhaltigkeit  268, 294 ff. Nachzeichnen  101 f., 197, 213 f., 246, 276, 283, 292, 327, 330, 337 f. (Fn.  382), 345 ff., siehe auch Vermittlung Nähe −− körpergleiche Nähebeziehung  siehe Körperzugehörigkeit −− soziales Näheverhältnis  62, 87, 116 ff., 143, 217 f., 255 ff., 315 f. Nagoya-Protokoll  319 ff. Nahbereiche  siehe Zusammenleben Narrativität, narrativ  44 f., 50 ff., 65 ff., 87, 92 f., 110, 136, 168, 172 f., 175, 213 f., 257, 326 f., 330 f., 334 ff. Nase  13, 16

Natur, natürlich −− Entwicklung  siehe Evolution −− fraktale Geometrie  96 −− materielle Natur  siehe Material −− Natur der Dinge  327, 334, siehe auch Realität −− Natur des Menschen  7, 13 ff., 30 f., 41 f., 63, 80 f. (Fn.  259), 91, 94, 327, 339, 345, siehe auch Körper, Mensch, Person −− organische Natur (Savigny) 223 −− Tatbestandselemente, Sprachgebrauch 27 ff., 163 (Fn.  192), 179, 332 f. −− technisierte Natur  siehe Funktiona­ lisierung , Kommerzialisierung, Technisierung −− Umwelt  siehe Lebensgemeinschaften, Lebensgrundlagen, Raum, Umwelt, Umweltmedien −− unfreie Natur (Savigny)  115 f., siehe auch Dichotomie, Differenz Naturalisierung, Re-Naturalisierung 46 f. Naturalismus, naturalistisch −− Fehlschluss  20 f. −− Lebensbegriff, Gene als „Bausteine des Lebens“ (Nowotny/Testa)  42 f., 294 Naturgüter  siehe Ressourcen Naturkräfte  270 ff., 337 Naturrecht, naturrechtlich  13, siehe auch Vernunftrecht Naturschutz  90, 294 ff. Naturwissenschaften  18 ff., 24, 73, 338 Netz, Netzwerk  1 f., 22, 59, 68, 73 (Fn.  237), 75 f. (Fn.  244), 99, 105, 107 ff., 117 f., 121 ff., 125, 135, 145, 156, 170, 196, 200 (Fn.  348), 202, 207, 218, 242, 246 f., 276 ff., 325 ff., 330, 337, 348, siehe auch Akteur-Netzwerk-Theorie Netzverfassung  208 ff., 215 f. Neuroenhancement  31 (Fn.  95), 55 f., 58, 66 Neuroethik, neuroethisch  54 f., 68, siehe auch Bioethik Neuroimaging (Bildgebung)  4, 42, 46 ff., 63 ff., 109, 116, 140, 212, 324, 326, 328 f., 334 ff., 345 Neuronalisierung  47 ff., 109, 325 f. Neuroökonomie, Neuromarketing  124

Sachregister

Neuroprivacy  54 f. Neuroprothetik, Neuroprothesen  56 f. Neuroscan  siehe neuroimaging Neurotechnologie  20, 22 f., 53 (Fn.  163), 56 ff., 66, 116 Neurowissenschaften  9, 21, 47, 50, 53, 57 f., 64 f., 109, 122 f., 257 Nichtmenschen, nichtmenschlich  1, 7, 60, 77 f., 84 (Fn.  270), 100, 108 ff., 128, 139, 179 f., 211 ff., 226, 228, 230, 234, 244, 246, 248, 255 f., 275 ff., 282 f., 291, 294, 310 ff., 315, 317, 322, 324 ff., 336 f., 345 ff. Nichtmoderne, nichtmodern  102, 295 ff., 337, 341 f., 346 Nietzsche-Briefe (RGZ 69, 401)  129 (Fn.  58), 163 (Fn.  196) Noch-nicht-Versammelte  197, 226, 294, 309 ff. Norm, Normierung −− eigene  siehe Eigennormativität −− empathische Normierungspraxis  siehe Empathie −− gesellschaftliche / politische / rechtliche / technologische  3, 42, 68 ff., 72 ff., 130, 137, 183 f., 195, 278, 317, 321, 324 −− gesetzliche  25 f., 39, 54 (Fn.  166), 130, 158 ff., 175, 277, 280 ff., 309 −− normative Ordnungen des Internets 203 −− (reflexive) Normierungen der Normierungen  76, 183, 205 f., siehe auch Selbstregulierung Nützlichkeit, Nutzen  71, 88, 115, 177, 192 f., 261, 268 f., 270 ff., 284 f., 295 ff., 300 ff., 306 ff., 311 ff., 316 ff., 336, 340 Nutzer, Nutzerpersönlichkeit  60 f., 116, 121 f., 126, 131, 135 ff., 145 ff., 223 f., 233, 237, 243 ff., 249 f., 252 f., 260 f., 263, 277 ff., 282 f., 286 ff., 291 ff., 331 f., 344, siehe auch Identität Nutzerdaten  siehe Daten Nutzung −− des menschlichen Körpers  33 ff., 340 f. −− eines informationstechnischen Systems (als eigenes)  61 f., 120, 132 ff., 159 ff. (Fn.  182, 185), 167, 172, 184, 189, 191, 194, 200 ff., 211 ff., 218, 223, 237, 240,

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249 f., 260, 329, 331 f., 345, siehe auch Eigennutzung −− wirtschaftliche (kommerzielle Verwertung)  34, 38, 42 f., 67, 70, 107, 171 ff., 208 f., 242, 264, 294 ff., 322, 335, 340 ff. −− nachhaltige  siehe Nachhaltigkeit −− therapeutische, wissenschaftliche 36 ff., 303, 340 f. −− Werk  siehe Werknutzung Objekt  siehe Dichotomie, Gegenstand Ökologisierung, Ökologie, ökologisch  7, 79, 85 (Fn.  274), 90, 178 f., 197, 208, 216, 296, 301 f., 308 Ökonomische Analyse  263 ff., 285 f. Ökozentrik, ökozentrisch  294 f., 310, 317, 322 f. Online Dispute Resolution (ODR)  207 Online-Durchsuchung (BVerfGE 120, 274)  8 (Fn.  31), 58 ff., 90 f. (Fn.  293), 122 (Fn.  24), 124, 129, 131 ff., 156 f., 218, 233 (Fn.  41) Online-Plattform  122, 145 ff., 218, 234, 281 f., siehe auch cloud computing Online-Schiedsgericht  207 f. Ontogenese, soziale  255 ff. Ordre public  174, 321 Organ  siehe Haftung (Organhaftung), Körperteil Organismus  22 ff., 27 ff., 40, 43 Orientierungswissen  siehe Wissen Pain detection  53 (Fn.  160) Paradoxie 72 f., 80 f. (Fn.  259), 101 ff., 109, 180 ff., 238, 265 f. (Fn.  144), 271, 294 f. (Fn.  225), 298, 334, 337 Parteifähigkeit  180, 186 f., siehe auch Rechtsfähigkeit Patent, Patentierung, Patentrecht  33 ff., 174, 177, 298 f., 303, 319 f., 339, 342 Persönlichkeit, Personalität −− Abgrenzung zum Eigentum  66 f., siehe auch Eigentum −− Ausforschung 138 −− Ausweitung  siehe Erweiterung

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Sachregister

−− Basis der Persönlichkeit 26, 62 ff., 105 ff., 119, 128 f., 136, 144, 159 f., 171 f., 175, 212 ff., 326 ff., 333, 336, 343 −− biosozioartifizielle Teile  7 f., 46, 62 ff., 98 f., 139, 171 ff., 213, 326, 331 ff., 336 ff., 344, siehe auch Biosoziofakte −− Haben und Sein  24, 99, siehe auch Selbst-Sein und Selbst-Haben −− ideeller Teil  66, 107, 163 ff. −− individuelle, individualbezogener Schutz  13 f., 30, 44 f., 170 ff., 185 f., 211 ff. −− Kernbereich  8, 65, 98, 137, 218, 336, 341 ff. −− Seins- und Bestimmungsfeld  26, 41, 120, 164, 166, 213 f. −− technisierte  8, 21, 24 ff., 41, 54, 58 ff., 91, 94 ff., 101 ff., 107 ff., 116, 119 f., 127 ff., 140, 170, 212, 217 ff., 227 ff., 241, 255 ff., 289 f., 325 f., 345, siehe auch Person, Technisierung −− technologiebezogener Schutz  137 ff., 156, 159 f., 170 ff., 177, 209, 211 ff., 329, 344 f. −− Zugehörigkeit  46, 136, 159 f. (Fn.  182), 169, 173 f., 213 f., 224, 331 ff., 336, siehe auch Körperzugehörigkeit, Zugehörigkeit Persönlichkeitsbild, Persönlichkeitsprofil 59, 131 ff., 156, 176 f., 202 Persönlichkeitsentfaltung  8 f., 14, 17 f., 59 ff., 68 ff., 90 ff., 94 ff., 101 ff., 109 ff., 115 f., 120, 122 (Fn.  24), 127 ff., 131 ff., 162 f., 211 ff., 223 ff., 233, 242 ff., 255, 325 ff., 328, 335 ff., 343 ff. Persönlichkeitsgüter  siehe Lebensgüter Persönlichkeitsrecht  4, 7 ff., 13 ff., 25 ff., 36 f., 40 ff., 59 ff., 68 ff., 94, 110 f., 118 ff., 129 ff., 150, 153 ff., 158 ff., 171 f., 176 ff., 185 ff., 199 ff., 211 ff., 223 ff., 230 f., 255, 325 f., 328 ff., 335 ff., 345 Persönlichkeitssphäre  8, 17, 53 ff., 60 ff., 98, 109, 119, 132, 172, 175, 214, 218, 224 ff., 247, 326, 329 ff., 335 f., 343, siehe auch Privatsphäre Persönlichkeitsverfassung 8 f., 106 ff., 325 ff.

Persönlichkeitsverletzung, Persönlichkeitsgefährdung  4, 130, 133, 136 f., 140 f., 143, 153 ff., 158 ff., 176 ff., 185 ff., 199 ff., 211 ff., 326 Person −− Abgrenzung zu Sachen  siehe Dichotomie −− bio- / informationstechnologisch externalisierte 62 f., 120 f., 218 f., 233, 241, 283, 304, 324, 331 ff., siehe auch Erweiterung, Externalisierung −− elektronische  254 (Fn.  117), 261, 290, siehe auch Agent −− juristische  15 (Fn.  12), 185 f., 230 f., 250, 261, 289 f., 293, 310, 316 −− natürliche  13 ff., 64, 90 ff., 128, 226, 241 f., 250 −− partielle  254, siehe auch Teilrechtssubjekt −− Person als ganze  78, 91 f. −− potentielle  315, 324 −− Rechtsperson  siehe Rechtsfähigkeit, Rechtssubjekt −− semantisches Artefakt (persona, prósopon)  60 f., 91 f., 105, 127 f., 192, 224, 241 f., 254, 273 ff., 289 f., 315 −− technisierte  siehe Persönlichkeit, Technisierung −− Zwei-Seiten-Form  7, 80 f. (Fn.  259), 91, 180, 192, 315 Personalisierung, personalisiert  64 f., 99, 104, 109, 160 f., 246, 283 Personenbezug  siehe Datenschutz Personengesellschaft, Personenmehrheit 186 ff., 195, 228, 231 Personifizierung, personifizierend  8, 110 f., 185 f., 225 f., 255, 287 ff., 293, 316 Personvertrauen  siehe Vertrauen Perspektive, innere mentale  siehe Binnenperspektive Perturbation  siehe Irritation PET (Positronen-Emissions-Tomographie)  48 (Fn.  145), 50 Phänomenologie, phänomenologisch  7, 39, 41, 66 f., 84 ff., 98 (Fn.  331), 104 (Fn.  366), 110, 136, 168, 172 f., 326 f., 330 ff., 335 ff., Plug-ins (Latour) 99 f., 104

Sachregister

Politik, politisch  4, 9, 14, 42, 68 ff., 72 ff., 90 ff., 195 ff., 231, 285 f., 301, 319 f., 323, 334, 342 Positivismus, positivistisch  20 f., Posthumanismus, posthuman  6, 94, 104, 335, 347 f. Postmoderne, postmodern  324 f., 346 f. PRISM  141, 202, 209 f. Privacy  siehe Privatheit Privatautonomie, privatautonom  13, 182, 244 Private (law) enforcement  130, 180 ff. Privatheit −− Gedanken  55, 58, 343, siehe auch neuroprivacy −− Öffentlichkeit des Privaten  62, 117, 137, 183 f. −− privacy by design, privacy enhancing technologies 203 −− Schutz  36, 129, 171, 213, 217, 331 f., 339 −− smart privacy management  207 Privatheitsempfindung  siehe Empfindung Privatrecht, privatrechtlich −− Deliktsrecht  siehe Haftung (deliktische) −− Gesellschaft bürgerlichen Rechts  siehe Personengesellschaft −− Informationsrecht  111, 117, 129, siehe auch Grundrechte (Drittwirkung) −− Rechtsdurchsetzung  siehe Rechtsschutz −− Regelungs- und Steuerungswirkung  185, 189 ff. −− Sachenrecht  siehe Sache −− Schadensrecht  siehe Schaden, Schadensersatz −− soziales Privatrecht  siehe Sozialautonomie Privatsphäre  17, 54 f., 119 f., 127, 133 (Fn.  75), 137, 211, 216 Produktionsregime  69, 74 ff., 225, siehe auch Regime Property  siehe Eigentum, Immaterial­ güter Proprium −− der Person  64 −− des Rechts  74

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Protest, Protestbewegung  135, 145, 147, 152, 194 ff., 215 f. Prothese  31, siehe auch Neuroprothetik Proto-Rechte  siehe Eigenrechte Provider  143, 207 Prüfungspflichten  234 ff., 241, 251 ff., 280 ff., 287, 292, siehe auch Verkehrs­ pflichten Psyche  siehe Geist Public domain  303, 342, siehe auch Gemeinschaftsgüter Quasi-Objekt 108 f., 226, 232, 325, 337, 339, 346 Quasi-Subjekt  325, 346 Rahmenrecht  siehe Auffangtatbestand Rationalität, rational −− digitale 205 −− Eigenrationalität  siehe Eigennormativität −− gesellschaftlicher Teilsysteme  siehe Teilrationalität −− instrumentelle  302, 326, 340 −− kommunikative, diskursive  203 −− prä-kommunikative, prädiskursive  203 f. (Fn.  362) −− Rationalitätenkollision  siehe Kollision −− rechtliche  209, 340 −− wirtschaftliche, ökonomische  69, 302, 340, siehe auch Homo oeconomicus Rationalismus  13 (Fn.  2), 284 ff. Raum −− als „Milieu der Koexistenz“, empfundene Simultaneität (Merleau-Ponty) 86 f. −− empathischer Resonanzraum  85, 88 −− gemeinsamer Handlungsraum  84 f., 257, 276, 290, 346 −− kommunikative Zwischenräume  137, 218 −− Erfahrungsräume  337 f. (Fn.  382), 346 −− Lebensräume, Bewegungsräume  85, 135, 143, 179 f., 218, 312, 320, 337 f. (Fn.  382), 346 −− Autonomieräume, Entfaltungsräume, Freiheitsräume, Möglichkeitsräume, Spielräume  21, 70 (Fn.  220), 85, 88 ff.,

400

Sachregister

96 f., 105, 225 f., 245, 290, 294, 312, 317 f., 329 f., 336 f., 343, 346 ff., siehe auch Entfaltung, Gewährleistung Realisierung, realisiert  17, 29, 64, 89 (Fn.  286), 93 (Fn.  309), 97, 99 f., 110, 246 f., 336 Realität −− materiale  siehe Materialität −− Realitätsebenen 105 −− Realitätssinn  siehe Sinn −− rechtliche, soziale Konstruktion  74, 128, 274 −− Sachverhalt, Stand der Dinge  116 −− virtuelle  43 f. (Fn.  137), 89 (Fn.  286), 118 Recht −− absolutes  98, 131, 142, 162 f., siehe auch Ausschließlichkeitsrecht −− als Humanisierungstechnik  siehe Humanisierung −− als Konfliktlösungsinstanz, Immunsystem der Gesellschaft  74 f., 203, 340 −− am eigenen Körper  27, 35, 40, 119, 162, 172 −− an der eigenen Person  16 f., 119, 162 −− ausschließliches  siehe Ausschließlichkeitsrecht −− der indigenen Bevölkerung  305, 321 −− Eigentumsrecht  siehe Eigentum −− Expansionstechnik  224 ff. −− Herrschafts-, Interessenrecht  14 ff., 162 ff., 214, 303, siehe auch Eigentum, Verfügbarkeit −− körpergleiches  166 f., 213, 332 −− kollektives  306, 312, 321 −− latentes  siehe Eigenrechte −− lebendes (Ehrlich) 228, 231, 242 −− Noch-nicht-Berechtigte siehe Berechtigung, Noch-nicht-Versammelte −− politisches 231 −− sonstiges (§ 823 Abs. 1 BGB)  30 (Fn.  90), 142 f., 160 f. (Fn.  184), 162 ff., 179, 212 −− subjektives  16, 119, 121, 129 f., 162 ff., 169 f., 179 f., 184 f. (Fn.  283), 216, 309, 313 f. −− Vermögensrecht  siehe Vermögen

−− Zeitbindungsform 204 −− zukünftiges  90, 195 ff., 225 ff., 240 f., 294 ff., 319 ff., siehe auch Gerechtigkeit Rechtsbewusstsein  88 f. Rechtscode  siehe Code Rechtsdogmatik  15, 25 f., 62 (Fn.  205), 90, 111, 129, 131, 141 ff., 161 ff., 171 (Fn.  230), 175, 179 (Fn.  255), 186 (Fn.  288), 212, 217 (Fn.  404), 228, 241 ff., 279 ff., 333 Rechtsdurchsetzung  siehe Rechtsschutz Rechtsethik, rechtsethisch  68 f. Rechtsfähigkeit, rechtsfähig −− beschränkte, partielle  siehe Teilrechtsfähigkeit −− des Menschen (§  1 BGB)  14 ff., 231, 256 −− einer Personengesellschaft  192, 231 −− Erbfähigkeit (§ 1923 Abs. 2 BGB)  231 −− Grenzen  255 ff., siehe auch Geburt −− (Quasi-)Stellvertreter  254 −− Träger eines Rechtsverhältnisses, Anspruch auf Rechtsschutz  223 ff., 275, 283, 314 −− Vermögensfähigkeit  siehe Vermögen Rechtsgerechtigkeit  siehe Gerechtigkeit Rechtsgeschäft  207, 237, 245 f., 251 f., siehe auch Willenserklärung Rechtsgüter  25 f., 29 ff., 59, 153, 155, 161 ff., 236, 239, 271 (Fn.  159), 279, 333, siehe auch Lebensgüter Rechtsobjekt  40, 42 f., 180, 233, 245 (Fn.  90), 325, siehe auch Gegenstand Rechtspolitik, rechtspolitisch  68 Rechtsschein  236 f., 239 f., 250 f. Rechtsschutz −− advokatorischer  322, 342 −− für menschliches und nichtmensch­ liches Leben  7, 30, 70, 90, 119, 258, siehe auch Rechtsfähigkeit −− kollektiver  60 f., 152 ff., 177 ff., 185 ff., 195 ff., 215 f., siehe auch collective redress, Grundrechte, Verbandsklage −− technikadäquater  195 ff. Rechtssubjekt, Rechtsperson  7 ff., 13 ff., 54, 58, 60 f., 91 ff., 119, 121, 127, 137, 179 ff., 196 f., 224 ff., 227 ff., 238 ff., 248 ff., 252 ff., 256 ff., 275, 283, 289 ff.,

Sachregister

293 f., 310, 312, 314 ff., 325 f., 342, siehe auch Person, Subjekt Rechtssubjektsteil  247 ff., 250 ff. Rechtsverhältnisse −− bioartifizielle  siehe Assoziation −− intergenerationelle  294 ff. −− öffentliche  183 f. −− organische Natur (Savigny) 223 −− private, bilaterale, Zwei-Parteien-Per­ spektive  111, 140 f., 178 ff., 185 ff., 223, siehe auch Zivilverfahren Rechtsverletzung −− Grundrechtsverletzung, Persönlichkeitsverletzung  4, 130, 142 ff., 154 ff., 158 ff., 174 ff., 185 ff., 199 ff., 213 f., 331 −− massenhafte  siehe Kollektivschäden, Streuschäden −− mittelbare  233 ff., 238 ff., 248, 250 ff., 262, 281 f., 287, 344, siehe auch Störer Reduktionismus −− gesellschaftlicher Teilrationalitäten 318, siehe auch Teilrationalität −− individualistischer  siehe Individualismus −− informationstheoretischer  44, 57 −− ökonomistischer  268 f., 300 ff., 311 ff., 316 Re-entry, Rückkoppelung  22, 103 (Fn.  354), 286 Reflexion, reflexiv  74, 76, 84, 127, 180, 183, 205 f., 208, 216, 261, 294 f. (Fn.  225), 302 f. Regime  69, 74 ff., 183, 195, 205 ff., 215 f., 324, siehe auch Produktionsregime Regimeverfassung 75 ff., 77 ff., 105, 109, 183, 205 ff., 215 f., 324 ff. Re-Humanisierung  siehe Humanisierung Reichsgericht −− (RGZ 1, 247)  269 ff. −− (RGZ 69, 401)  129 (Fn.  58), 163 (Fn.  196) Reinheit  −− begriffliche  siehe Reinigung −− körperliche, natürliche  51 Reinigung  46, 51, 337 f., 346 Rekonstruktion  15 (Fn.  12), 22, 47, 50 f., 60 f., 74 ff., 79, 105, 116, 127 f., 159 f.

401

(Fn.  182), 181 ff., 185 f., 192, 205, 213, 225 f., 245 (Fn.  90), 261, 282, 293, 296, 302, 315 f., 335, 346 Repräsentation  2, 104, 116, 188, 191 f., 195 ff. Reproduktion  3, 22, 34, 82, 108, 299, 328, 342, siehe auch Selbstproduktion Reproduktionsmedizin, Reproduktionstechnologie, medizinische Biotechnologie  9, 25, 109 116, 140, 299, 314, 334, 345 Research Collaborative Agreements (RCAs) 297 Resignation  346 f. Resonanz  83 ff., 103 (Fn.  357) Responsivität, responsiv  79 Ressourcen −− Allokation  265 f., 303 f., siehe auch Effizienz −− externe  57 f., 66 f., 118, 343 −− genetische  295 ff., 308 f., 319 ff., 338, 341 f. −− geistige, immaterielle  2, 24, 42 f., 57 f., 247, 308 −− informationale 341 −− körperliche, Körperressourcen  42 −− kulturelle  268, 294 ff. −− natürliche, biologische  268, 294 ff., 300 ff., 304 ff., 309 ff., 319 ff., siehe auch Biodiversität −− ökonomische  297 ff., 302 ff. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL)  199 Risiko  68, 139, 192 f., 224 ff., 236, 250 ff., 259 ff., 262 ff., 268 ff., 273 ff., 276 f., 279 ff., 284 ff., 287 ff., 291 ff., 302, 311 ff., 318, 344 f. Roboter, Robotik  3 (Fn.  9), 56, 257 ff., 324 f., 344 Rom I-Verordnung  148 Rom II‑Verordnung 199 f. Sache, Sachenrecht  28 f., 35, 37 ff., 66 f., 107, 109 f., 113 ff., 223 f., 226 f., 232, 270 (Fn.  157), 273 (Fn.  167), 277 (Fn.  182), 281, 288, 324 ff., 336 Sachmangel  152 ff., 277 f.

402

Sachregister

Sachwalter  183 f., 195 ff., 215, 294, 304 ff., 320 ff. Sammelklage  siehe Gruppenklage Schaden −− Bemessung  168 ff., 172 ff., 185 ff., 214, 311 f. −− dreifache Schadensberechnung  175 ff., 185 ff. −− institutioneller  189 ff., 195 ff. −− körperlicher  25 ff., 48 ff., 67, 214, 231, 343  −− kollektiver  siehe Kollektivschäden, Streuschäden −− möglicher (Schadensrisiko)  252, 260 ff., 270 ff., 273 f., 277 ff., 284 ff., 287 ff., 291 f., 313, siehe auch Haftung, Risiko −− psychischer  4, 25 ff., 51 ff., 67, 343 −− Schätzung 190 Schadensersatz −− deliktischer  158 ff., 331, siehe auch Haftung −− immaterieller  siehe Schmerzensgeld, Entschädigung −− Funktionen (Ausgleich, Kompensation, Restitution)  169, 176 f., 180 f., 185 f., 189 ff., 198, 202, 215, 271 f., 286 f., 299 f., 311 f. −− materieller  38, 54, 135 (Fn.  86), 142 f., 148, 153 ff., 158 ff., 169, 234, 241 (Fn.  75), 268 ff., 277, 279 ff., 288, 300, 332 −− Strafschadensersatz (punitive damages) 189 ff. −− vertraglicher  153 ff., siehe auch Haftung Schädelhirntrauma  47 ff. Schicksal  72 ff., 88, 108 f., 173, 176, 325, 334 Schicksalsgemeinschaft  226, 294 f., 304 ff., 309 ff., 314 ff., 319 ff. Schmerzen, Schmerzempfindung  39, 48, 53 f., 79, siehe auch pain detection Schmerzensgeld  4, 25 ff., 54, 143 f. (Fn.  130 f., 135), 166 ff., 334, siehe auch Entschädigung Schuld  siehe Verschulden

Schuldrecht, Schuldrechtsreform  25, 152, 332 (Fn.  365) Schutz −− eigentumsrechtlicher  siehe Eigentum, Schutzgegenstand −− persönlichkeitsrechtlicher  7 f., 16 ff., 24 ff., 36 f., 55, 58 ff., 91 ff., 106, 121, 126 f., 129 ff., 145 ff., 223 ff., 230, 245, 255, 315, 328 ff., 333, 335 f., 339 ff., 345, siehe auch Persönlichkeitsrecht Schutzauftrag  siehe Schutzpflichtenlehre Schutzbereich  8, 17, 32, 61, 66, 90, 121, 132 f., 143, 281, 344 Schutzgegenstand 245 Schutzgesetz  130, 159 ff., 163 f. Schutzgüter  26 ff., 133, 159, 333, siehe auch Lebensgüter, Rechtsgüter Schutzlücke  161 ff. Schutzpflichtenlehre, Schutzauftrag  26, 140 ff., 163 Seele −− Seelenäquivalent, Seelenersatz  41 f., 44 f., 65, 307, 335, 339 −− Seelensupplemente (Latour)  99 f. −− und Leib  siehe Leib-Seele-Verhältnis Selbst, personales  siehe Identität Selbstachtung  8, 65 f., 92, 336, 341 Selbstbeobachtung  siehe Selbsterfahrung Selbstbestimmung −− biomaterielle, biosoziomaterielle / -technische („Selbst-Bestimmung“)  8, 37, 136, 244 f., 313, 327 ff., 339, 344, siehe auch Selbstproduktion −− individuelle  30 f., 59 ff., 65, 104, 116, 119, 127, 134 ff., 163 (Fn.  194),171, 183, 212, 223 f., 240 ff., 249 ff., 274, 276, 282 f., 332, 339, 342 ff., 345 −− informationelle  59 ff., 119, 131 ff., 145 (Fn.  136), 151, 153, 157, 159 f., 167 f., 170 ff., 211 f., 216 ff., 329 −− körperliche  25 ff., 37, 106, 119, 327 ff., 333 −− mentale, psychische  55, 67, 119, 328, 343 −− sexuelle 25 −− Willensbestimmung, Willensherrschaft  8, 37 f., 70 f. (Fn.  224), 136, 139,

Sachregister

241 ff., 248, 250, 327 ff., 332 ff., 343, 345, siehe auch Wille Selbstbild 119 Selbsterfahrung, Selbstbeschreibung, Selbstbeobachtung  30 f., 39, 41, 53 f., 58, 65 f., 68, 79, 83, 92 f., 102 f., 257, 327, 330, 334 ff., 340 ff., siehe auch Erleben Selbsterhaltung, selbsterhaltend  78 f., 93, 317 Selbstproduktion, Selbstreproduktion  22, 80 ff., 136, 328 ff., 342 f. Selbstregulierung, Selbstnormierung  76, 182 f., 195, 203 ff., 261 f., 291 f. Selbst-Sein und Selbst-Haben  98 ff. Selbsttranszendierung  79 ff., 90, 295 Sicherheit −− Datensicherheit 153  −− Fiktion  209 (Fn.  385), 284 f. −− Informations- und Kommunikationstechnologien 122 −− öffentliche  36, 209 f. −− Produktsicherheit  159 f. (Fn.  182), 260, 263 (Fn.  139), 278 −− Rechtssicherheit, Erwartungssicherheit 118, 128 (Fn.  50), 251, 285 f., 289, 291, 317, siehe auch Vertrauen Sichtbarkeit, Sichtbarmachung  2, 33, 42 f., 45 ff., 50 ff., 65, 70, 75, 95 f. (Fn.  318), 117, 164, 177, 203, 215, 330 f., 335, 338, 343, siehe auch Transparenz Sinn −− für die Realität der Objekte, Dinge 325, 346 f. −− Mannigfaltigkeit der Sinne  86 −− Sinnmedium  43, 80, 83 f., 116, 125, siehe auch Kommunikation −− sinnförmige Beobachtung, Wissen 106 f., 327 Sittlichkeit  14 ff. Software  117 f., 122, 125, 142, 145 ff., 233, 256 f., 260 Softwareagent  siehe Agent Softwarevertrag  145 ff. Soraya (BVerfGE 34, 269)  26 (Fn.  65), 133 (Fn.  75) Sozialautonomie  75 ff., 105, 108, 177 ff., 195, 206, 208, 225, 330, 344, 347

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Sozialisierung, Re-Sozialisierung  38 ff., 51, 64 ff., 98, 268 ff., 308, 334 f., 342 Sozialverfassung 9 Soziofakt  43 ff. Soziofunktionalität, soziofunktional 45 f., 63 f., 285 f., 334 f. SPECT (Einzelphotonen-EmissionsTomographie)  48 ff. Speichermedium  59, 123, 131, 157 Sperma, Spermakryokonservierung −− Entscheidung (BGHZ 124, 52)  25 ff., 41 (Fn.  127), 44 ff., 57, 64 f., 120 (Fn.  19), 129 (Fn.  52), 144 (Fn.  135), 166, 331 ff. −− Spermazellen 34 Spezies, Gattung  41, 44 f., 70 (Fn.  220), 256, 308 f., 338 Sprache  1 f., 43, 71, 84 f. (Fn.  270, 273), 116, 124 ff., 325, 337, 346 Spüren, eigenleibliches  siehe Empfindung Spyware  147, 155, 168 f. Standard, Standardisierung  3, 71 ff., 154 f., 207 (Fn.  381), 261 ff., 278, 281, 284 f., 291 f., 343, siehe auch Norm Stellvertreter  13 (Fn.  3), 187 (Fn.  293), 253 ff., 313, 320 ff., siehe auch Sachwalter Störer  234 ff., 281 f. Strafrecht, strafrechtlich  16 (Fn.  18), 53 (Fn.  161, 163), 142 (Fn.  124), 161, 190 f., 238, 271 f. Streuschäden, Streuwirkung  130, 148, 177 ff., 215 Subjekt −− als Differenz  101 ff., siehe auch Dichotomie −− der Macht (Foucault)  70, 275 (Fn.  173) −− der Zukunft (Zukunftsträger)  226, 294 ff., 313 ff., 324, siehe auch Noch-nicht-Versammelte, Zukunft −− epistemisches  5 (Fn.  15), 7, 18 ff., 86 f., 346 −− Handlung, Verantwortung, Haftung  14 f., 82 (Fn.  263), 115 (Fn.  2), 127 f., 223 ff., 293 −− kollektives  178, siehe auch Kollektiv

404

Sachregister

−− menschliches  86 (Fn.  276), 91, 105, 107, 230, 240, 252, 324, 336, 339 −− Rechte, Pflichten  siehe Person, Rechtssubjekt −− Teile  siehe Rechtssubjektsteil Subjektivierer (Latour)  99, 104 Subjektivierung  8, 70, 109, 179 f., 226 Subsumtion  103, 109, 167, 211 ff., 334 Suchmaschine −− Bildersuchmaschine  242 ff. −− Personensuchmaschine 122 Supreme Court of California (July 9, 1990), Moore v. Regents of University of California et al.  33 ff. Symbol, symbolisch −− symbolische Intelligenz, symbolisches Universum, Symbolwelt  2, 50, 104 −− symbolisches Kapital  69 −− symbolisch verkörperte Gründe  88, siehe auch Lebenswelt, Raum Synchronizität, Synchronisation  86 (Fn.  279), 99 (Fn.  338), 118, 122 f., 204 System −− als Differenz  102 f. −− autopoietisches  77 ff., 100 (Fn.  340), 286 (Fn.  207), 330, siehe auch Autopoiesis −− informationstechnisches  4, 8, 24, 56 ff., 90 f., 109 ff., 115 ff., 119 ff., 126 ff., 131 ff., 145 ff., 223 ff., 258 ff., 328 f., 331 f. −− lebendiges, psychophysisches  6 (Fn.  22), 9, 22, 56 ff., 77, 81 ff., 91 f., 104 f., 126, 136, 170 ff., 205, 225, 257, 274 (Fn.  169), 327, 330 f., 335 f. −− Mensch-Maschine  22, 56 f., 234, siehe auch Assoziation −− Ökosystem  295, siehe auch Natur −− Rechtssystem  196, 280, 292, siehe auch Recht −− Sinnsystem  79, 96, 106, 299, siehe auch Sinn, Wissen −− soziales  9, 22, 67, 69, 73 ff., 77 ff., 90 ff., 106 (Fn.  375), 121, 130, 170, 191, 203 ff., 265 (Fn.  142), 268 f., 274 (Fn.  169), 285 f., 301 ff., 317 f., 326 f., 330 f., 335 f., 342, 347 Systemschutz  63, 138 ff., 145 ff., 224, 329 f., 345

Systemtheorie  1 (Fn.  2), 22, 61 (Fn.  199), 79 ff., 91, 100 (Fn.  340, 343), 102, 104 (Fn.  364), 125 f., 131, 265 (Fn.  142), 268 (Fn.  152), 347 (Fn.  412) Systemvertrauen  siehe Vertrauen Täter, Täterschaft  234 ff., 238 ff., 282 f., 292 Technikgestaltung, rechtsadäquate 202 ff., 215 f. Technikwissenschaften  3, 20 ff. Technisierung, technisiert  2 f., 8 f., 24 ff., 69, 73 f., 76 ff., 94 ff., 101 ff., 106 ff., 116 f., 140, 143 f., 163 ff., 171, 177, 181, 183, 191, 205 f., 208, 211 ff., 223, 226, 232, 324 ff. Teilrationalität, gesellschaftliche  67, 69 ff., 74, 77, 83, 105, 174, 183, 191, 302 f., 318, 321, 327, 330, 340, siehe auch Kollision Teilrechtsfähigkeit, Teilrechtssubjekt 227 ff., 248, 250 ff., 255 ff., 290, 293, siehe auch Rechtsfähigkeit, Rechtssubjekt Tempora  141, 202, 209 Theodizee 5 Tiere  21, 23, 39 f., 70 (Fn.  220), 211 (Fn.  390), 258 f., 264 (Fn.  141), 272, 291, 295, 300 f., 309, 312 TMS (Transkranielle Magnetstimulation) 55 Tod −− Hirntod  53 (Fn.  162), 231 f. −− Körper  106 (Fn.  375), 269 ff. Tor (Netzwerk) 202 Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS)  174 (Fn.  236), 319 f. Transaktionskosten  265 f., siehe auch Effizienz Transduktor  81, 83 Transparenz, transparent  2, 47, 50 ff., 110, 117, 150 f., 156 f., 196, 202, siehe auch Sichtbarkeit Treuepflicht, Treu und Glauben  37 f., 151 Übersetzung  18, 21, 44, 46 (Fn.  141), 71 f., 84, 93, 141, 160, 226, 320, 325, 337 f.

Sachregister

Umwelt −− der Kommunikation  6, 22, 121, 125 ff., 233 −− des informationstechnischen Kommunikationsmediums  141, 205 −− des Rechts  6, 27, 174, 181, 228 f., 319, 347 −− Klagerechte  211 (Fn.  390), 322 f. −− komplexe  100, (Fn.  343), 260, 277 f. −− lebendige, natürliche, humane  6, 9, 22, 42 ff., 50, 61 (Fn.  199), 78 ff., 90 ff., 104, 128, 141, 180, 205, 216, 228 (Fn.  14), 309, 347 −− mediale, technische, soziotechnische 62 f., 119 ff., 122 f., 125 f., 233, 347 −− soziale  30, 42 ff., 50, 56, 134, 141, 174, 181, 205, 208, 216, 228 f., 347, siehe auch System Umweltadäquanz  208, 216, siehe auch Gerechtigkeit Umweltgerechtigkeit  siehe Gerechtigkeit Umweltmedien  80, 179 Umweltrecht, Umwelthaftungsrecht  178, 267 f. (Fn.  151), 273 (Fn.  167), 300, 311 f., 318 Umweltschutz  184, 294 ff., siehe auch Lebensgemeinschaften, Lebensgrundlagen United States Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC)  210 Unterscheidung  siehe Differenz Urheberpersönlichkeitsrecht  18, 246 Urheberrecht  16 (Fn.  18), 242 ff., 251 Verantwortung −− der Anderen  197 (Fn.  334), siehe auch Protest −− des Schöpfers / der Lebenswissenschaften  siehe Theodizee / Epistemodizee −− für die zukünftigen Generationen  309, 313 −− gegenüber dem Gedächtnis (Derrida) 83, 324 −− Fähigkeit  14, 53 −− technische  237 f., 243 f., 247 ff., 250 ff., 259 ff., 276 ff., 279 ff., 282 f., 285 ff., 289 ff., 291 ff., 344 f.

405

−− Zumutung, Zumutbarkeit  239 ff., 248, 251, 259 ff., 264 f., 269, 275 f., 279 ff., 281 ff., 284 ff., 287 ff., 291 ff., siehe auch Handlung, Subjekt Verbandsklage  148, 152, 186 ff., 194 ff., 215, siehe auch Rechtsschutz Verbraucherschutz  148 ff., 194, 201 Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)  148 ff. Verdinglichung, Teilverdinglichung  90, 232, 245 (Fn.  90), 326 Verfassung −− bioinformationsrechtliche siehe Regimeverfassung −− Internetverfassung, Digitalverfassung  siehe Netzverfassung −− Konstitution zukünftiger Generationen 317 −− materielle, technische Konstitution 119, siehe auch Mediatisierung −− nichtmoderne  101 f., 337, 346 f. −− (psycho-)physische  siehe Körperverfassung −− soziale  siehe Sozialverfassung −− technisierte  77, 94, 109, 171, 205 f., 216, 223, 324, 327, 330, 335, 343, 345 ff., siehe auch Persönlichkeitsverfassung, Technisierung Verfassungscode  siehe Code Verfassungsrecht  80 f. (Fn.  259), 130, 142 (Fn.  121), 309, siehe auch Grundrechte, Menschenrechte, Recht Verfügbarkeit / Unverfügbarkeit  22 f., 38 f., 42 f., 45, 50 f., 55 f., 64 ff., 70 f., 80 f. (Fn.  259), 93 (Fn.  308), 98, 107, 116, 119, 136, 223 f., 233, 245, 303 f., 308, 320, 326, 335, 339, 341 f., siehe auch Eigentum Verkehrspflichten  142 (Fn.  125), 235, 238 ff., 249 (Fn.  103), 251, 278 ff., 281 ff., 284 ff., 289, 291 f., siehe auch Handlungspflichten, Prüfungspflichten Verkörperung, verkörpert  1 f., 8, 20, 43, 57 f., 66, 88, 105 ff., 136, 159 f., 175, 212, 214, 216, 226, 257 ff., 325, 327, 341, 344 Vermischung  46, 63, 95 (Fn.  315), 101, 108, 110, 121, 124 ff., 139, 178 f., 226, 232 f., 294, 325, 337, 344

406

Sachregister

Vermittlung, Vermittlungsarbeit  46, 68, 72, 84, 276, 334 ff., 346, siehe auch Methode Vermögen −− Potential  80 ff., 96, 100, 101 f. (Fn.  344, 348), 122 f., siehe auch Energie −− Vermögensfähigkeit  254, 261, 290, 293 −− Vermögensinteressen, Vermögensnachteile, Vermögenswerte, Vermögensordnung  13, 35 f., 38, 107, 160 ff., 172 ff., 177 f., 201, 215, 225, 231, 233, 273, 332, siehe auch Gegenstand −− Vermögensstrafen 190 Vernetzung, Verflechtung  63, 75 f., 85, 110, 122 (Fn.  24), 125, 136, 207, 223 f., 233, 238 ff., 249 f., 259 f., 277 f., siehe auch Netz Vernunft, Vernunftfähigkeit, Vernunftwesen  5, 15, 18 f., 88 f., 93 f., 203 f. (Fn.  362), 229, 301 (Fn.  248), 337, 340 Vernunftrecht, vernunftrechtlich  13 ff., 88 f., 340 Versammlung, Neuversammlung, Wiederversammlung  1, 98 f., 101 f., 197, 203 ff., 226, 294 f., 309 ff., 314 ff., 324 ff., 345 ff. Verschränkung, verschränkt  63, 119 f., 206 Verschulden  37, 158, 176, 199, 224, 234, 262 ff., 270 ff., 273 f., 276 f., 280, 282, 284 f., 287 ff., 344 f. Versicherung  252, 254, 273, 289 f. Verstehen −− verstehender Weltzugang  siehe Erklären −− wechselseitiges  88, siehe auch Empathie Versubjektivierung  29 f., 332 f., 340 ff. Vertrauen  34 (Fn.  109), 36, 38, 60 ff., 117 f., 143, 154 (Fn.  164), 201 ff., 217 f., 225, 260 f., 269, 273, 280, 284 ff., 287 ff., 291 f. Vertraulichkeit −− Erwartung  61 f., 138 f. −− Gedanken  55, 58, 343, siehe auch Privatheit, neuroprivacy −− Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme  8,

131 ff., 201, 211 ff., 331 f., siehe auch Gewährleistung −− Vertraulichkeits- und Integritätsschutz (bioinformationsrechtlicher Systemschutz)  212 ff., 329 Verursachung  siehe Kausalität Verwandtschaft −− genetische  21, 307 ff., 339 −− Kontinuum der Evolution  21, 84 (Fn.  270), 314 ff. −− soziale  87, 257, siehe auch Nähe Vielfalt −− biologische, natürliche  siehe Biodiversität −− der Sinne  siehe Sinn −− kulturelle  71, siehe auch Diversität (kulturelle) −− personale  7, 94 ff., 101 ff., 106 ff., 120, 133, 171, 254, 325 ff., 328 ff., 336, 343 f., 345 ff. −− vielfältige Betroffenheiten  183, 203, 205 Virtualisierung  119, 170 Vitalisierung 7 Vormoderne, vormodern  272 f., 346, siehe auch Nichtmoderne Vorschaubilder (BGHZ 185, 291; BGH GRUR 2012, 602)  242 ff. Vorsorge  273, 318, siehe auch Nachhaltigkeit Wahrheit  4 f., 20, 33, 42, 69, 71, 86 (Fn.  276), 122, 333, 337, 340, siehe auch Wissenschaft Wahrnehmung, Wahrnehmen −− Aísthesis  337 f. (Fn.  382), 346 f. −− Fähigkeit  41, 56, 84 f., 111, 255, 257 −− Fremdwahrnehmung  39 ff. −− Interessenwahrnehmung siehe Interesse −− Phänomenologie der Wahrnehmung  85 ff., 95 f. (Fn.  318), 98 (Fn.  331), 104 (Fn.  363, 366), 173 −− räumliche  85 ff. −− Selbstwahrnehmung  39 ff. −− soziale (Wahrnehmbarkeit in der Kommunikation)  74, 79, 116 ff., 173, 180, 223, 260, 286 f., 313, 346 f.

Sachregister

Welt −− der Symbole  siehe Symbol −− „innere“ (subjektive) / „äußere“ (objektive)  19 f., 70 (Fn.  220), 99 (Fn.  336), 107, 233, siehe auch Erfahrungswelt, Lebenswelt, Umwelt −− einheitliche  siehe Einheit −− kommunikative Sinnwelt  21 (Fn.  50), 50, 122, 127, 130, 276, 346, siehe auch Sinn −− mediatisierte  59 ff., 117, 119 ff., 123 f., 127 f., 143, 195, 201 ff., 211 ff., 344, siehe auch Mediatisierung −− Netzwelt  109, 118, 122 f., 134 ff., 169 ff., siehe auch Netz −− reale (Dingwelt), natürliche  2, 19, 21 (Fn.  50), 50, 77 (Fn.  246), 99 (Fn.  336), 119, 259, 295, 346, siehe auch Realität −− technisierte  2, 8, 59, 101 f., 104, 117, 163 (Fn.  192), 169 ff., 183, 232, 325 f., 328, 332, 337, 339, 346 f., siehe auch Technisierung −− vereinte, real unterschiedene  100, 104 f. −− Zur-sozialen-Welt-Kommen  256, siehe auch Geburt −− Zur-Welt-Sein  7 (Fn.  25), 84 ff., 95 f. (Fn.  318), 107 f. (Fn.  381) Weltgesellschaft, Weltmarkt  73 ff., 295 ff. Weltkonstruktion, Weltmodell  102 f., 181, 276, 308, 337, 341 Weltzugang  siehe Zugang Weltzugehörigkeit  86 f. Werk, Werknutzung (§  31 Abs.  1 UrhG)  242 ff. Wert, Wertbestimmung  17, 34 ff., 71, 111, 120, 126 f., 169 f., 172 ff., 177 f., 214, 268, 295 ff., 300 ff., 311 f., 317 f., 334 ff., siehe auch Eigennormativität, Würde Wettbewerb, Wettbewerbsverstoß, Marktbezug der Rechtsverletzung 189 ff., 198 ff., 235 ff., 241, 265 f., 344 Wetware 257 Widerständigkeit, widerständig  50, 106, 128, 139, 252, 274, 276, 281, 327, 344 Wille  8, 29 f., 60, 62, 97, 136, 139, 171 f., 182 f., 196, 204 (Fn.  365), 215, 241 ff., 247 ff., 250 ff., 270, 275 f., 327 ff., 332 f., 343, 345

407

Willenserklärung  233, 236, 240, 241 ff., 250 ff. Wirklichkeit  8 f., 30, 32, 47, 64, 89 (Fn.  286), 104, 110, 117 f., 123, 128 (Fn.  49), 137, 181, 204 (Fn.  365), 240 ff., 248, 265 f. (Fn.  144), 283, siehe auch Welt Wirkungsmacht  50, 52, 116, 223 ff., 274 f., 288, 324 Wissen −− der Wissenschaften, Politik der Wahrheit (Foucault)  siehe Wissenschaft −− Erfahrungswissen, Handlungswissen, Orientierungswissen  20, 23, 44, 47, 75 f. (Fn.  244), 88 f., 196 (Fn.  331) −− implizites  107, 327 −− traditionelles, indigenes  295 ff., 301, 303 ff., 312, 320 ff., 341 f. −− verkörpertes  1 ff., 327, siehe auch Körperwissen Wissenschaft  3 ff., 33 ff., 47 ff., 68 ff., 72 ff., 94, 98 f., 104, 107 f. (Fn.  381), 174, 177, 269, 277, 285 f., 288, 296 ff., 305 ff., 325 ff., 336 ff., 346 ff., siehe auch Informationswissenschaften, Lebenswissenschaften, Naturwissenschaften, Neurowissenschaften, Technikwissenschaften Wissensgesellschaft 43 WLAN  234, 251, siehe auch Internet Würde −− als Recht, Rechte zu haben (Arendt)  92 f., 230 −− Biowürde, Tierwürde  268, 291 −− des Menschen  siehe Menschenwürde Zeit, Zeitlichkeit −− Echtzeit  56, 204, siehe auch Gegenwart −− Gleichzeitigkeit  siehe Synchronizität −− Zeitalter  2, 33, 94 f., 108, 122 ff., 204 (Fn.  365), 223, 228, 304, 325, 348 −− Zeitbindung 204 Zelllinie, unsterbliche  33 ff. Zivilprozess  siehe Zivilverfahren Zivilrecht, zivilrechtlich  siehe Privatrecht

408

Sachregister

Zivilverfahren  141, 152, 178 ff., 185 ff., 195 ff., 215 f. Zoon politikón  14 Zugänglichmachen, öffentliches (§  19a  UrhG)  242 Zugang −− informationstechnischer  119 ff., 135 (Fn.  86), 141 ff., 156 f., 170, 200, 202, 216, 235 ff., 238 ff., 247 ff., 281 ff., 289 f., 344, siehe auch Benutzerkonto, WLAN −− Weltzugang  3 f., 43 f., 65, 79 f., 83 ff., siehe auch Erklären −− Zugangsdaten  siehe Benutzerkonto −− Zugangsrechte, Zugangsregelungen 169 f. (Fn.  220), 211, 216, 245 ff., 299 f., 320 f. Zugehörigkeit −− doppelte  94 ff., 336 (Fn.  379), siehe auch Anwesenheit, Gegenwart, Leib-Seele-Verhältnis −− Eigentum  66, 169, 303 −− geistige 66 f., 100, 136, 172 −− körperliche  siehe Körperzugehörigkeit

−− personale  siehe Persönlichkeit −− Welt  siehe Weltzugehörigkeit Zukunft  1 ff., 68 f., 75 f. (Fn.  244), 86 ff., 94, 204 (Fn.  366), 240 f., 261 f., 265 (Fn.  142), 267, 294, 302, 306, 309 ff., 314 ff., 319 ff., 324, 346 ff., siehe auch Ermöglichung, Generationen, Subjekt (Zukunftsträger) Zurechnung, Zuschreibung  8, 111, 119 ff., 127 ff., 229 ff., 241, 248, 255, 258, 315 f., siehe auch Haftung, Handlung Zusammenleben −− in Menschengesellschaft  14, 18, 23, 43 f. (Fn.  137), 170, 218, 225, 247, 294, 317, 342, 346 f. −− Nahbereiche des menschlichen Zusammenlebens (zwischenmensch­ liche Wechselbeziehungen)  62, 137, 218 −− Soziologie als Wissenschaft vom Zusammenleben (Thévenot)  98 f. (Fn.  334) Zustimmung  siehe Einwilligung