Bildung anführen: Über Hochschulmanagement nach der Bologna-Reform [1. Aufl.] 9783839431955

What is good university management in the post-Bologna university? This book, dedicated to the long-time Vice Chancellor

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German Pages 362 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Grußwort
Grußwort und Dank
Beate Rennen-Allhoff zu Ehren
Wissenschaft, Politik und Hochschulmanagement
Das hochschulpolitische Ringen um Bildungsverständnis
Expertenkommissionen und Wissenschaftsorganisation
Die Rolle der Landesrektorenkonferenz
Studienangebote und ihre Finanzierung
Wechsel in der Wissenschaftsorganisation
Wissenschaftsnetzwerke in Ostwestfalen-Lippe
Wirtschaft, Wissenschaft und berufliche Bildung in Ostwestfalen
Die Stiftung Studienfonds OWL
Studium und Lehre
Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung
Das Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW
Das Verbundstudium der Fachhochschulen NRW
Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement auf der Ebene der Studiengänge
Gender Diversity
Das Kompetenzzentrum Technik–Diversity–Chancengleichheit
Auf dem Weg zur geschlechtergerechten Hochschule
Studienschwerpunkt Pflege und Gesundheit
Gesundheitsberufe zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung
Innovationen in Pflege und Gesundheit im Spiegel der Forschung
Die einphasige Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung
Schluss
Zum guten Schluss: ein Dank
Biografisches
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Bildung anführen: Über Hochschulmanagement nach der Bologna-Reform [1. Aufl.]
 9783839431955

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Andreas Beaugrand (Hg.) Bildung anführen

Andreas Beaugrand (Hg.)

Bildung anführen. Über Hochschul­ management nach der Bologna-Reform Festschrift für Beate Rennen-Allhoff

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publi­kation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Konzeption, Layout, Satz und Umschlaggestaltung:

Johannes Pistorius, Bielefeld Schriften: Bembo Book, Fakt Pro Papier: Alster Werkdruck 90 g, gelblich-weiß Porträt Beate Rennen-Allhoff: Ralph Pache, Berlin Lektorat: Hartmut Breckenkamp, Bielefeld

Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3195-1 PDF -ISBN 978-3-8394-3195-5 Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung

Grußwort Kurt A. Heller 10

Grußwort und Dank Ingeborg Schramm-Wölk 14

Beate Rennen-Allhoff zu Ehren Andreas Beaugrand 18

Wissenschaft, Politik und Hochschulmanagement

Das hochschul­politische Ringen um Bildungsverständnis Joachim Metzner 40

Expertenkommissionen und Wissenschaftsorganisation Friedrich Buttler 58

Die Rolle der Landesrektorenkonferenz Martin Sternberg 76

Studienangebote und ihre Finanzierung Friedrich Biegler-König 88

Wechsel in der Wissenschaftsorganisation

Studium und Lehre

Heinrich Ostholt 106

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Wissenschaftsnetzwerke in Ostwestfalen-Lippe

Wirtschaft, Wissenschaft und berufliche Bildung in Ostwestfalen Swen Binner 122

Die Stiftung Studienfonds OWL Tilmann Fischer 136

Dieter Timmermann 156

Das Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW Tobina Brinker 188

Das Verbundstudium der Fachhochschulen NRW Dieter Pawusch 216

Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement auf der Ebene der Studiengänge Sibylle Jakubowicz 232

Inhalt

Gender Diversity

Das Kompetenzzentrum Technik–Diversity– Chancengleichheit Barbara Schwarze 250

Auf dem Weg zur geschlechtergerechten Hochschule Hildegard Schumacher-Grub Ulrike Settnik 264

Studienschwerpunkt Pflege und Gesundheit

Gesundheitsberufe zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung Ursula Walkenhorst 278

Innovationen in Pflege und Gesundheit im Spiegel der Forschung Annette Nauerth 300

Die einphasige Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung Barbara Knigge-Demal 324

Schluss

Zum guten Schluss: ein Dank Andreas Beaugrand 344

Biografisches 348

Beate Rennen-Allhoff

8–9

geboren in Köln. Studium der Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Philosophie, Wirtschafts-, Berufs- und Sozialpädagogik sowie Sondererziehung und Rehabilitation an den Universitäten Köln und Bonn, 1975 Diplom in Psychologie an der Universität Bonn, 1980 Promotion zum Dr. phil. an der Universität zu Köln, 1991 Habilitation in Psychologie an der Universität Düsseldorf. Langjährige Tätigkeit an einer berufsbildenden Schule, als Psychologin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie als wissenschaftliche Angestellte, wissenschaftliche Mit­arbeiterin und Hochschuldozentin an den Universitäten Köln, Marburg und Freiburg. Seit 1995 Professorin für Berufspädagogik und Pädagogische Psychologie an der Fachhochschule Bielefeld. 1995–2001 Gründungsdekanin des Fachbereichs Pflege und Gesundheit an der Fachhochschule Bielefeld, 2001–2009 Rektorin, 2009–2015 Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld. 2004–2006 stellvertretende Sprecherin der Mitgliedergruppe Fachhochschulen in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), 2006–2008 Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK ), 2006–2008 stellvertretende Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen (LRK), 2008–2011 LRK-Vorsitzende, 2011/2012 Mitglied der Hochschulstrukturkommission des Landes Brandenburg, 2011–2013 wieder stellvertretende Vorsitzende der LRK, seit 2011 Mitglied des Hochschulrats der Hochschule Hannover, seit 2013 Vorsitzende, 2015 Wiederwahl. 1951

Grußwort Kurt A. Heller

10–11

Grußwort

Gern habe ich das Grußwort für diese imposante Festschrift übernommen, die mit ihren fünf Themenblöcken die Arbeitsschwerpunkte der hier geehrten Kollegin widerspiegelt. Die außergewöhnliche Hochschulkarriere, auf die Beate Rennen-Allhoff zurückblicken kann, muss jeden akademischen Lehrer, besonders auch mich, mit Stolz und Genugtuung erfüllen.

Kurt A. Heller

12–13

Nach Ablegung der Diplompsychologenprüfung an der Universität Bonn stieß Beate Rennen-Allhoff 1978 zu meinem Lehrstuhlteam an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln, womit eine überaus erfreuliche Zusammenarbeit begann. Neben ihrem Engagement in der Lehre durch Übernahme von Seminaren zur Pädagogischen Psychologie war sie sehr schnell in die am Lehrstuhl laufenden Forschungsaktivitäten eingebunden. Dabei lernte ich sie als junge, methodisch sehr kompetente Nachwuchswissenschaftlerin kennen. So fiel sie schon damals durch ihre außergewöhnlichen Fachkenntnisse, ein breit gefächertes Wissens- und Interessenspektrum sowie ihre zielstrebige Dynamik bei der Bearbeitung auch schwieriger Problemstellungen auf – wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche, innovative Bearbeitung komplexer wissenschaftlicher bzw. beruflicher Herausforderungen. Ihre scharfe Argumentationslogik, gepaart mit Nachhaltigkeit und ausgeprägten Copingstrategien, trug nicht selten zum Lösen ›Gordischer Knoten‹ in festgefahrenen Teamdiskussionen bei. So hat sie auch mit Microcounseling ein anspruchsvolles Dissertationsthema gewählt, dessen theoretischer und metho­ discher Ansatz in den USA damals sehr kontrovers diskutiert und in Deutschland schon als hoffnungsvolles Konzept der Beraterausbildung eingeschätzt worden war. In ihrer Doktorarbeit konnte Beate Rennen-Allhoff jedoch eindrucksvoll die mangelnde Effektivität dieses behavioristischen Beratungsansatzes nachweisen. Zugleich wäre damit der erste von Rennen-Allhoffs Haupttätigkeitsschwerpunkten benannt. Nach der Promotion 1980 und meinem Wechsel an die LudwigMaximilians-Universität (LMU ) München widmete sich Beate Rennen-Allhoff zunächst stärker testdiagnos­tischen und entwicklungspsychologischen Fragestellungen. Wichtige Erträge dieser Arbeitsphase mündeten unter anderem in die Herausgabe des Lehrbuchs Entwicklungstests für das Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulkind sowie eine Reihe viel beachteter Buch- und Zeitschriftenartikel zur »negativen Entwicklungsphase« (beim Übergang zum Jugendalter), zum ökopsychologischen Entwicklungs-

Grußwort

konzept u. Ä. In diese Schaffensperiode fällt auch die Vorbereitung ihrer Habilitationsschrift zur Stabilität interindividueller Unterschiede in den ersten Lebensjahren an der Universität Düsseldorf. Dazwischen lagen einige Jahre praktischer Berufserfahrung im Bereich der Berufsbildung und Gesundheitspsychologie. Nach ihrer Habilitation und Dozententätigkeit an den Universitäten zu Köln, Marburg und Freiburg im Breisgau folgte Beate Rennen-Allhoff 1995 dem Ruf an die Fachhochschule Bielefeld auf die Professur Berufspädagogik und Pädagogische Psychologie. Bald kristallisierte sich hier ein dritter Tätigkeitsschwerpunkt heraus: Hochschulpolitik und Hochschulmanagement. Diesen Herausforderungen widmete sich Beate Rennen-Allhoff mit der ihr eigenen Verve äußerst erfolgreich als Rektorin bzw. Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld (seit 2001), als Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (2006–2008) sowie als langjährige stellvertretende Vorsitzende bzw. Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der NRW-Fachhochschulen. Die Beitragsautorinnen und -autoren dokumentieren in dieser Festschrift sehr eindrucksvoll ein Netzwerk, das Beate Rennen-Allhoffs dritte Karrierestufe umspannt. So erfährt eine imponierende berufliche Lebensleistung auf dem akademischen Gipfel ihre angemessene Würdigung. Leider werde ich aus familiären Gründen nicht zur feierlichen Übergabe der Festschrift nach Bielefeld kommen können. Für die bevorstehende postakademische Lebensphase begleiten die Kollegin Beate Rennen-Allhoff und ihren Ehemann Peter Allhoff – in den 1970er-Jahren ebenfalls Kölner Lehrstuhlmitarbeiter – meine besten Wünsche, verbunden mit Ciceros Empfehlung: »Otium cum dignitate!«   ◼

Grußwort und Dank Ingeborg Schramm-Wölk

14–15

Grußwort und Dank

Ruhe und Klarheit! Große Fußstapfen! Dies sind die ersten Momentaufnahmen, die meinen Eindruck beherrschen, und im nächsten Schritt Wohlempfinden in einer angenehmen Arbeitsatmosphäre, Offenheit und wieder Klarheit, die frei atmen lassen.

Ingeborg Schramm-Wölk

Die Hochschule zieht um, die Kisten sind gepackt. Zwischen gepackten Kisten im Aufbruch begegne ich der amtierenden Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld und ich denke darüber nach, wie es sich anfühlen mag, nach mehr als einem Jahrzehnt Arbeitsleben – im wahrsten Sinne des Wortes: »leben« – hier mit mir zu sitzen und zu sprechen. Wieder ein klarer Blick, ein unmerkliches Lächeln, klare Worte, Umsicht und die Gewissheit, dass ich gute Unterstützung bei meinem Amtsantritt habe. In allen Begegnungen an der Fachhochschule Bielefeld, Gesprächen, geplant oder beiläufig, kurz oder länger andauernd, erfahre ich, welch großen Respekt Beate Rennen-Allhoff genießt, erlebe die Achtung im Innehalten, in ruhigen und nachdenklichen Blicken, dem Zurücklehnen, Atemholen, ohne Sentiment, bedächtig. Unwillkürlich ist das Denken um die vielen gemeinsamen Jahre und ich überlege, wie sich Klarheit über so viele Köpfe hinweg fortpflanzen kann. Fairness und die ungeheure Arbeitskraft werden formuliert und die Präsenz ist in Abwesenheit spürbar. Achtung in der Begegnung und Hochachtung im Nachlesen des recherchierten Werkes, des Lebenslaufs, bestimmen mich. Dass ich nach einem ersten offiziellen Besuch Leichtigkeit im Herzen habe, dafür danke ich Beate Rennen-Allhoff ! Es ist ein Glück, meine Tätigkeit an einer so bemerkenswerten Hochschule aufnehmen zu dürfen!   ◼

16–17

»Nihil tam difficile est, quin quaerendo 1 investigari possit.« Beate Rennen-Allhoff zu Ehren Andreas Beaugrand

18–19

Beate Rennen-Allhoff zu Ehren

»Man klagt über wissenschaftliche Akademien, dass sie nicht frisch genug ins Leben eingreifen; das liegt aber nicht an ihnen, sondern an der Art, die Wissenschaft zu behandeln, überhaupt.« 2 Johann Wolfgang von Goethe

Andreas Beaugrand

20–21

Das Festschriftenproblem »Festschriften scheinen heutzutage grundsätzlich keinen guten Leumund mehr zu genießen: Schon ein nur kursorischer Blick in zufällig herausgegriffene Rezensionen zeigt, dass nicht selten grimmige Abscheu und müde Skepsis vorherrschen, wenn es darum geht, ihnen gegenüber kritisch Stellung zu nehmen.« Das bemerkte der heute an der Universität Heidelberg lehrende Kunsthistoriker Henry Keazor bereits 2002 und er lästerte weiter, indem er Fritz von Klinggräff aus dessen Festschrift für den Berliner Soziologen Dietmar Kamper zitierte: »Festschriften sind obszöne Veranstaltungen. Da wird einer zur Festsau erklärt, um ihn anschließend am Spieß zu braten. So funktioniert der Wechsel akademischer Generationen: Den Ehrenplatz in den Festschriftregalen gibt es, damit man endlich Platz macht für seine Schüler.« 3 Tatsächlich sind Festschriften oftmals wegen der Zufälligkeit der darin versammelten Themen »eher bei den Jubilaren als beim Publikum beliebt«, wie der Hamburger Historiker Nikolaus Katzer spottete.4 Das galt es bei dieser Festschrift aus Anlass der Verabschiedung von Beate Rennen-Allhoff, Rektorin bzw. Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld von 2001 bis 2015, zu verhindern. Ziel war vielmehr seit Beginn der konzeptionellen Arbeit an diesem Buch, derartige Klippen zu umschiffen und von vornherein den Eindruck zu vermeiden, als stünden die Beiträge – um noch einmal Henry Keazor zu zitieren – »zufällig und beziehungslos in der Reihe der Gratulanten« in einer lieblos gesetzten ›Bleiwüste‹ eines Druckwerks, das eher die Tendenz zur Buch­regalablage befördert als zur anregenden Lektüre. Ziel war darüber hinaus, ein ebenso ansprechendes wie inte­ ressantes Buch vorzulegen, denn in der Tat ist Beate Rennen-­ Allhoff zu gratulieren: Am Ende ihrer Amtszeit steht die Fachhochschule Bielefeld bestens organisiert und in einem seit Sommer 2015 bezogenen Neubau auf dem Campus Bielefeld sehr gut da.5 Sämtliche hochschulinternen Projekte waren zum Ende ihrer

Beate Rennen-Allhoff zu Ehren

Amtszeit abgeschlossen, mit den hochschulweit verabschiedeten Planungsgrundsätzen für den Hochschulentwicklungsplan 2016–2017 6 wurde formuliert, was »einem anderen Präsidium vorbehalten bleibt«,7 und eine geordnete Amtsübergabe an die im April 2015 neu gewählte und im Juni vom Wissenschaftsministerium bestätigte Präsidentin Ingeborg Schramm-Wölk,8 die am 1. September 2015 ihr Amt angetreten hat, wurde vollzogen. Damit ist es Beate Rennen-Allhoff zusammen mit ihrem Team von Prorektoren bzw. Vizepräsidenten9 und der Kanzlerin bzw. Vizepräsidentin für Wirtschafts- und Personalverwaltung Gehsa Schnier in ihrer Amtszeit gelungen, die Bielefeld University of

1  »Nichts ist so schwierig, dass es nicht erforscht werden könnte.« Terenz (Publius Terentius Afer, 184–159 v. Chr.): Heautontimorumenos (Actus IV ), zitiert nach: http:// latinum.tantalosz.de/n.php (4.6.2015).  2  Johann Wolfgang von Goethe: Werke (Berliner Ausgabe, herausgegeben von Peter Seidel: Poetische Werke (Band 1–16), Kunsttheoretische Schriften und Übersetzungen (Band 17–22), hier Band 18: Maximen und Reflexionen. Aus den Heften zur Morphologie), Berlin 1960, S. 537.  3  Henry Keazors Rezension des Bandes von Hannah Baader, Ulrike Müller-Hofstede, Kristine Patz (Hg.): Ars et Scriptura. Festschrift für Rudolf Preimesberger zum 65. Geburtstag, Berlin 2001, in: http://www.sehepunkte.de/2002/10/3517.html (6.6.2015).  4  Ebd., zitiert nach Neue Zürcher Zeitung vom 2.6.2001, Feuilleton.  5  Vgl. http://www.campus-biele feld.de/fachhochschule-bielefeld/ (4.6.2015). Tatsächlich handelt es sich um einen Ersatzneubau für nicht mehr sanierbare Altbauten und Liegenschaften der Fachhochschule Bielefeld. Vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen (Hg.): Hochschulmodernisierungsprogramm (HMoP), Düsseldorf 2008, hier Kapitel 06 110, S. 225.  6  Dazu gehören die Weiterentwicklung des Studienprogramms, die flächendeckende Sicherung der hohen Qualität der Lehre, die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen, der Ausbau von Forschung und Entwicklung, die Etablierung von Internationalisierung als Querschnittsaufgabe und die Positionierung der Fachhochschule Bielefeld als attraktive Arbeitgeberin. Vgl. dazu http://www.fh-bielefeld.de/planungsgrundsaetze/ (30.6.2015).  7  Geflügeltes Wort von Beate Rennen-Allhoff seit Januar 2015.  8 Vgl. Neue Westfälische und Westfalen-Blatt vom 16.6.2015.  9  Prorektoren bzw. Vizepräsidenten (seit 2009) von Beate Rennen-Allhoff waren seit 2001: Prof. Dr. Uwe Rössler, Prorektor für Lehre, Studium und Studienreform (P I), 2001–2008; Prof. Dr. Andreas Beaugrand, komm. Prorektor für Lehre, Studium und Studienreform (P I, 2008–2009) bzw. Vizepräsident für Studium und Lehre (VP I, 2009–2015); Prof. Dr. Hans-Peter Barbey, Prorektor für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben (P II ), 2001–2005; Prof. Dr. Karl-­Ulrich Kettner, Prorektor für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben (P II ), 2005–2007; Prof. Dr. Joachim Bahndorf, Prorektor für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben bzw. Vizepräsident für Forschung, Entwicklung und Transfer (P II/ VP II), 2007–2013 (†); Prof. Dr. Christian Schröder, Vizepräsident für Forschung, Entwicklung und Transfer (VP II ), 2013–2015; Prof. Dr. Bruno Fuhrmann, Prorektor für Planung und Finanzen (P III), 2001–2005; Prof. Dr. Friedrich Biegler-König, Prorektor für Planung und Finanzen bzw. Vizepräsident für Planung und Infrastruktur (P III/VP III), 2005–2015.

Andreas Beaugrand

Applied Sciences um vielfältige hochschulpolitische Klippen und – um in der Metapher zu bleiben – in den neuen Hafen bzw. den Neubau der Fachhochschule Bielefeld zu steuern: durch die zweijährigen nicht von der Fachhochschule Bielefeld verursachten Bauverzögerungen, gewissermaßen fristgerecht – ein Umstand, der nicht selbstverständlich ist, weil es viele und durchaus scharfe Klippen gewesen sind.10

Das Bildungssystemproblem »Unser Bildungssystem steht […] in der Kritik: Eltern klagen. Lehrer klagen. Es klagt die Wirtschaft. Es klagen die Hochschulen. Und selbstverständlich haben sich längst auch die Medien des Themas bemächtigt, prangern Versäumnisse an, fordern Korrekturen und zukunftsweisende Lösungen. […] Das Spektrum an Kritikpunkten wie Lösungs- und Zielvorgaben ist durchaus nicht einheitlich. Es ist teilweise gegenläufig und widersprüchlich. Es reicht von punktuellen Reformvorschlägen bis zur Forderung nach der ganz großen Lösung, nach dem großen Wurf. […] Das Wichtigste, was unser Bildungssystem zu leisten hat, ist: die Fähigkeit und Bereitschaft zu selbstständigem lebenslangem Lernen auf der Basis einer soliden und breiten Allgemeinbildung zu vermitteln, und zwar in fachlicher wie sozialer Hinsicht.« Dieses Zitat liest sich wie ein aktueller Protokollausschnitt über eine Sitzung der nordrhein-westfälischen Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen (LRK ), über eine Tagung der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten bzw. Prorektorinnen und Prorektoren für Studium und Lehre der NRW-Fachhochschulen oder über eine Sitzung im Kontext der nordrhein-westfälischen Bildungsinitiative Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA) 11 in Bielefeld, Düsseldorf oder anderswo. Aber daraus stammt das Zitat nicht. Es stammt auch nicht von der aktuellen Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Svenja Schulze, sondern von Edmund Stoiber, von 1993 bis 2007 bayerischer Ministerpräsident, und es stammt

22–23

10 

Beate Rennen-Allhoff zu Ehren

aus dem Jahr 1998, als Stoiber redegewandt einen Bildungskongress des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst eröffnete.12 Wie es scheint, hat sich an der grundlegenden Problematik im Kontext von Bildungs- und Wissensvermittlung, von Forschen, Lehren und Verstehen bis heute wenig geändert – sie ist vielmehr größer geworden, weil der soziale, wirtschaftliche und globale Wandel unsere Gesellschaft seitdem erheblich verändert hat. Allein in Nordrhein-Westfalen haben im Verlauf der Amtszeit von Beate Rennen-Allhoff drei Gesetzesreformen aus den Jahren 2000,13 2007 14 und 201415 in Verbindung mit der 1999 beschlossenen Bologna-Reform16 und der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen die Hochschullandschaft gänzlich, in weiten Teilen durchaus widersprüchlich und zugleich ›betriebswirtschaftlich‹ umzuorganisieren versucht, um die Auswirkungen weltweiter Veränderungen zu einer international vernetzten Kommunikations-, Informations- und Hightechgesellschaft

Der Fachhochschulneubau am Campus Bielefeld steht gewissermaßen auf ›wackeligen Füßen‹: Die Folgen der heterogenen Schichtung des Baugrunds (Lößlehm, Geschiebemergel, pyrithaltige Liaston im Geschiebemergel) in Verbindung mit der vorhandenen Baulast hat der für den Bau verantwortliche Bau- und Liegenschafts­ betrieb des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB NRW ) mit seiner Niederlassung in Bielefeld während der Bauzeit nur schwer in den Griff bekommen, von organisatorischen, technischen und anderen Mängeln hier nicht zu reden.  11  Vgl. die Website http://www.keinabschlussohneanschluss.nrw.de/ (14.6.2015).  12 Bayerisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst (Hg.): Wissen und Werte für die Welt von morgen (Dokumentation zum Bildungskongress des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, 29./30. April 1998 in der Ludwig-Maximilians-Universität, München), München 1998, S. 15–22, hier S. 17 ff.  13  Es bleibt hier unberücksichtigt, dass Beate Rennen-Allhoff ihr Amt erst am 3. September 2001 angetreten hat, das Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG ) aber vom 14. März 2000 stammt. Vgl. dazu auch Hartmut Heuermann: Wissenschaftskritik. Konzepte Positionen Probleme, Tübingen, Basel 2000.  14  Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschul­gesetz – HG ) in der Fassung des Hochschulfreiheitsgesetzes vom 1. Januar 2007.  15  Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG ) in der Fassung des Hochschulzukunftsgesetzes vom 16. September 2014.  16  Vgl. dazu den Kommentar von Dietrich Spitta: Das Erziehungs- und Bildungsideal Wilhelm von Humboldts, in: Der Bologna-Prozess und Beiträge aus seinem Umfeld, Roßdorf 2009, S. 21–36, und Doris Pack, Annette Groh: Bologna – quo vadis? Die Umsetzung des Bologna-Prozesses. Versuch einer Standortbestimmung, ohne Ort und Jahr (2010).

Andreas Beaugrand

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in den Griff zu bekommen;17 bei aller seinerzeit gegenüber Prof. Dr. Andreas Pinkwart geäußerten Kritik an ›seinem Hochschulfreiheitsgesetz‹ wird man dieser Reform rückblickend wohl den größten Mut und bis heute den weitestgehenden Erfolg bescheinigen können: Ohne dieses Gesetz, das Eigenständigkeit und Flexi­ bilität der Hochschulen gefördert hat, wäre der seit 2008 massive Zuwachs von Studierenden in der Hochschullandschaft nicht zu bewältigen gewesen, wenn auch seitdem Zeitdruck, Stress und zunehmende psychosomatische Erkrankungen bei Studierenden, aber auch anderen Hochschulangehörigen stark zugenommen haben.18 »In den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelte sich allein die Zahl der Erstsemester; inzwischen studiert rund die Hälfte eines Altersjahrgangs. Gleichzeitig wird die Gruppe der Studierenden immer heterogener: Nicht nur der 19-jährige Abiturient geht heute zur Hochschule, sondern auch der Handwerksmeister, die alleinerziehende Mutter oder die Managerin. Die Vielfalt der Bildungsbiografien hat den ›klassischen‹ Studierendentypus abgelöst. Ein Studium wird zum Normalfall, aber der bis dahin ›typische‹ Studierende wird es nicht mehr sein« 19 – zumal es zunehmend (Haupt-)Schul- und Berufskollegsabsolventinnen und -absolventen sind, die sich für ein Studium entscheiden können – manchmal auch denkbare Grenzen von Durchlässigkeit und ›Diversity‹. 1993 waren in den deutschen Hochschulen noch 1 867 264 Studierende eingeschrieben, 2012 waren es bereits 2 499 409. Der Anteil ausgewählter Gruppen an der Gesamtzahl der Studierenden in Deutschland 2012 zeigt deren Vielfalt: So gibt es heute Studierende ohne Abitur (1,6 Prozent), in einem berufsbegleitenden Studiengang (3,0 Prozent), in einem dualen Studien­gang (3,4 Prozent), mit einem Kind oder mehreren Kindern (5,0 Prozent), in einem Fernstudiengang (5,7 Prozent), aus dem Ausland (9,2 Prozent), mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung (14,0 Prozent), mit abgeschlossener Berufsausbildung (22,0 Prozent) und mit Migrationshintergrund (23,0 Prozent).20

17 

Beate Rennen-Allhoff zu Ehren

Hatte man noch 1995 »weniger Staat für die staatlichen Hochschulen« gefordert, wie eines der Ergebnisse einer Expertenkommission lautete, die von der damaligen NRW-Wissenschafts­ ministerin Anke Brunn eingesetzt worden war,21 geht es mit dem aktuellen ›Hochschulzukunftsgesetz‹ wieder in die entgegengesetzte Richtung. Anke Brunn hatte in ihrer Regierungserklärung vom 15. Oktober 1992 noch formuliert, dass »wir die Hochschulen so reformieren (müssen), dass sie wirksamer arbeiten können. […] die Hochschulreform der 70er Jahre hat bei allen Erfolgen auch ein Übermaß an rechtlichen Regelungen und staatlichen Einzelvorgaben gebracht. Hier ist tatsächlich ›Deregulierung‹ nötig.« 22 Die Autoren und Verantwortlichen des seit dem 16. September 2014 gültigen ›Hochschulzukunftsgesetzes‹ beschränken die gerade erst gewonnene Hochschulfreiheit wieder tiefgreifend und sehen eine Vielzahl neuer Gremien, basisdemokratischer Gruppierungen und Prozesse vor, die durchaus als verfassungswidrig angesehen werden können, auch weil sie nicht dem Verwaltungsverfahrens­gesetz (VwVfG) der Bundesrepublik Deutschland entsprechen, nach dem etwa »verwaltungsrechtliche Verfahren einfach, zweckmäßig

Thomas Sattelberger, von 2007 bis 2012 im Vorstand der Deutschen Telekom, befürwortete die Studienstrukturreform, sah aber schon 2009 Mängel in deren Umsetzung, die sich bewahrheitet haben. Vgl. Kristina Enderle: Bildung ist der Schlüssel, in: DWS Journal. Das Magazin des Deutschen Studentenwerks, Heft 4, Berlin 2009, S. 10–15.  18  Durch das Hochschulmodernisierungsprogramm (HMoP) des Landes NRW sollen zunächst bis 2015 zahlreiche Bildungsbauten saniert und technisch aufgerüstet werden. Fünf Milliarden Euro investierte das Land NRW, um die Hochschulen in NRW zu modernisieren und unter anderem auch auf den doppelten Abiturjahrgang 2013 vorzubereiten, der durch die überstürzt eingeführte Verkürzung der gymnasialen Oberstufe (›G 8‹) verursacht worden ist. Vgl. dazu auch Susmita Arp, Jan Friedmann: Die Abi-Lotterie, in: Der Spiegel, Nr. 24 vom 6.6.2015, S. 52 f.  19 Jörg Dräger, Frank Ziegele, CHE Centrum für Hochschulentwicklung (Hg.): Hochschulbildung wird zum Normalfall. Ein gesellschaftlicher Wandel und seine Folgen, Gütersloh 2014, S. 3.  20  Ebd., S. 6. Vgl. dazu auch Elke Middendorff, Beate Apolinarski, Jonas Poskowsky, Maren Kandulla, Nicolai Netz: Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012–2020. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes, durchgeführt durch das HIS -Institut für Hochschulforschung, Gütersloh 2013; Sindy Duong, Vitus Püttmann: Studieren ohne Abitur: Stillstand oder Fortentwicklung? Eine Analyse der aktuellen Rahmenbedingungen und Daten, Gütersloh 2014; und Bundesinstitut für Berufsbildung: AusbildungPlus in Zahlen – Trends und Analysen 2013, Berlin 2014.  21 Heiner Kleffner: Weniger Staat für die staatlichen Hochschulen. Zur Funktionalreform, in: Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW (Hg.): Gaudeamus … Das Hochschulland wird 50, Düsseldorf 1996, S. 218.  22 Ebd.

Andreas Beaugrand

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und zügig durchzuführen sind«;23 von dem unbegründet tiefen Misstrauen der Landesregierung und des Wissenschaftsministeriums gegenüber allen Hochschulen und ihren Leistungen hier nicht zu reden.24 Für die Vielzahl der zusätz­lichen Aufgaben der Hochschulen stehen darüber hinaus langfristig nicht ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, sodass dem politisch im gleichen Atemzug eingeforderten Rahmen­kodex gute Arbeit, der im Sommer 2015 in seiner 19. Überarbeitungsversion zur Verabschiedung anstand, kaum entsprochen werden kann, zumal es den Hochschulen noch nicht einmal mehr möglich ist, Verträge mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen; 25 von umfassender Forschung und Lehre, der ministeriell eingeforderten Verminderung der Studienabbrecherquote und der Zunahme von Absolventinnen und Absolventen in der Regelstudienzeit ganz zu schweigen. Von der »Rückkehr zur Planwirtschaft« 26 ist die Rede gewesen, was jedoch die politisch Verantwortlichen bis heute nicht weiter beeindruckt. Der aus der Schweiz stammende Philosoph und Schriftsteller Peter Bieri, Professor für Philosophie unter anderem an den Universitäten Bielefeld, Marburg und (FU) Berlin, hat daraus Konsequenzen gezogen und sich bereits 2007 vorzeitig in den akademischen Ruhestand verabschiedet, weil er sich über derartige Entwicklungen innerhalb der Hochschullandschaft nicht weiterhin aufregen wollte: »Wenn ich mir ansehe, wer im Fernsehen oder in den Zeitungen die Helden sind, so sehe ich nur Fassaden ohne etwas dahinter. Das Gleiche lässt sich an den Hochschulen beobachten, die zur Zeit durch die Perspektive der Unternehmensberatung kaputtgemacht werden. Wir bekommen ständig Fragebögen: Wie viele Gastprofessuren haben Sie wahrgenommen? Wie viele Drittmittel haben Sie eingeworben? Eine Diktatur der Geschäftigkeit. All diese Dinge haben mit der authentischen Motivation eines Wissenschaftlers gar nichts zu tun.« 27 Bis 2015 hat sich die insgesamt schwierige hochschulpolitische Lage weiter verschärft, zu der auch das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) Stellung bezog und betonte, dass »Hochschulen

Beate Rennen-Allhoff zu Ehren

[…] auf eine ausreichende und mehrjährig planbare Grundförderung angewiesen (sind), um neue Herausforderungen wie die Hochschulbildung als Normalfall eigenverantwortlich annehmen und bewältigen zu können. Gerade vor dem Hintergrund der ›Schuldenbremse‹ liegt es daher in der Verantwortung von Bund und Ländern, der Hochschulbildung verlässlich entsprechende finanzielle Priorität einzuräumen. Dabei gilt es angesichts weiterer Kostenfaktoren, beispielsweise für eine bedarfsgerecht gestaltete Studieneingangsphase und für unterstützende Rahmenbedingungen, verschiedene Finanzierungsoptionen zu nutzen. Dazu gehören eine Verstetigung der Hochschulpakte zu einem systematischen Element der Hochschulfinanzierung nach dem Prinzip ›Geld folgt Studierenden‹ und sozial fair gestaltete Studienbeiträge.« 28

23  Vgl. die Kommentierungen und Rechtsprechungen zu § 10 VwVfG.  24  Vgl. die vielen Stellungnahmen aus HRK und LRK zum Referentenentwurf des neuen ›Hochschulzukunftsgesetzes‹ Ende 2013, Anfang 2014.  25  Vgl. http://www.wissenschaft. nrw.de/presse/pressemeldungen/details/arbeitsplatz-hochschule-wird-attraktiverministerin-stellt-rahmenkodex-fuer-gute-beschaeftigung-vor/ (4.6.2015) und Christian von Coelln: Zurück in die »Zukunft«. Das neue Hochschulgesetz in Nordrhein-Westfalen, in: http://www.forschung-und-lehre.de/wordpress/?p=17122 vom 10.10.2014 (4.6.2015).  26  Vgl. Marion Schmidt: Rückkehr zur Planwirtschaft, in: Die Zeit, Nr. 48 vom 3.12.2013. Humorvolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung begrüßen sich in Düsseldorf seit Inkrafttreten des neuen Hochschulgesetzes nicht mehr mit dem frohgemuten Ausruf »Freiheit«, sondern mit einem zackig-ironischen »Zukunft« und salutieren dazu nach wie vor vorschriftsmäßig – sozusagen hinter der vorgehaltenen Hand; mit Humor geht Vieles leichter.  27  David Salomon: Eingreifende Wissenschaft. Theorie. Wie sieht eine andere Hochschule aus? Auf dem Weg zu einer (un-)zeitgemäßen Universitätsidee über Wilhelm von Humboldt hinaus, in: Die Tageszeitung Junge Welt vom 2. Oktober 2009, S. 10. Vgl. auch das Interview mit Peter Bieri in: https://web.archive. org/web/20131203004657/http://cdn-storage.br.de/MUJIuUOVBwQIbtChb6 OHu7ODifWH_-b6/_AiS/_y4c5AFf/131120_1605_Eins-zu-Eins-Der-Talk_POD CAST-Eins-zu-Eins-der-Talk-mit-Peter-Bie.mp3 (12.6.2015).  Bieris Aussage über die Rolle von Unternehmensberatungen im Wissenschaftssystem ist auch 2015 noch gültig.­Vgl. Stifterverband, McKinsey & Company (Hg.): Hochschul-Bildungs-­Report 2020, Essen 2015, insbesondere S. 60 ff.  28  Jörg Dräger, Frank Ziegele, CHE Centrum für Hochschulentwicklung (Hg.): Hochschul­bildung wird zum Normalfall, S. 14. Vgl. aber auch Hauke Jansen: Von Riesen und Schnauzern. Gibt Deutschland weniger Geld für Bildung aus als andere OECD -Länder?, in: Der Spiegel, Nr. 26 vom 20.6.2015, S. 123: Nach einer OECD -Studie liegt Deutschland im Vergleich zu den 34 Mitgliedsstaaten auf einem »lachhaften Platz 27«, was der Autor aber als falsch beurteilt, weil die Bezugsgrößen nicht stimmen.

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Bildung und Wissen Trotz derartiger Hemmnisse ging und geht es bei akademischer Bildung an und für sich um die Förderung von Studierenden mit unterschiedlicher Begabung und Herkunft, um Stärkung der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen und der sprachlichen Kompetenz, um Geschlechtergerechtigkeit und um kulturelle und soziale Bildung.29 Der Bielefelder Historiker Reinhart Koselleck (1923–2006), wohl einer der bekanntesten deutschen Forscher in den Bereichen Historik, Begriffs- und Sprach­ geschichte, anthropologische Grundlagen der Geschichte sowie Sozial-, Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hat bereits 1990 darauf hingewiesen, dass Bildung ein spezifischer Begriff des deutschen Sprachgebrauchs ist, der sich in seiner Bedeutung immer wieder verändert hat und sich auch heute noch sozialen und politischen Veränderungen anpasst.30 Dies sei auch daran erkennbar, dass Bildung sowohl den Vorgang des Sich-Bildens als auch dessen Ergebnis bezeichne. Damit tritt Bildung der gesellschaft­ lichen Vereinnahmung des Individuums entgegen und bietet die Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaft – für Innovationen und Wissen, für Wandel, Kultur und Fortschritt. Sie erschöpfen sich damit jedoch bei Weitem nicht durch auswendig gelernte Taschenrechnertastenkombinationen, durch ›Googeln‹ im Internet und fahriges Wischen über Smartphones und Tablets.31 Hochschulen geben den Fragen nach den intellektuellen und sozialen Anlagen des Menschen und deren Entwicklung einen institutionellen Ort, indem sie einerseits den Erwerb von wissenschaftlichen Qualifikationen – Fach- und Methodenwissen – fördern und fordern, andererseits aber auch, um zur Persönlichkeitsbildung beizutragen. Der gesetzliche Bildungsauftrag an die Hochschulen sind und bleiben hierbei hoffentlich die Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten zur wissenschaftlichen Arbeit und die Anleitung zu verantwortlichem Handeln.32 Die staatliche und politische Verankerung der Hochschulen macht ein weiteres Mal deutlich, dass mit dem Bildungsauftrag der

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Anspruch einhergeht, gesamtgesellschaftlich-kulturell zukunftsfähige Perspektiven und Entwicklungen zu befördern.33 An diesen Problemstellungen, Diskussionen und damit verbundenen Initiativen war Beate Rennen-Allhoff viele Jahre ebenso intensiv wie zielführend beteiligt; sie hat vielfach gegen inflationäre Geistlosigkeit und vermeintlich angesagten Opportunismus Widerstand geleistet und als Frau in einer Führungs­position das Thema Gender Diversity initiiert und begleitet, lange bevor es so hieß: In ›ihrer‹ Zeit haben sich auch gesellschaftliche Konventionen geändert, die der Schriftsteller Helmut Böttiger ebenso spitzfindig wie treffend zusammengefasst hat: Heute ist »die Steigerung von Political Correctness […] Gender-Correct­ness. Die Strategien der Gesellschaftsfähigkeit wechseln ungefähr jedes Jahrzehnt, das geben die akademischen Moden vor: Zuerst kam Adornos nachgestelltes Reflexiv, dann folgten das Drängen des Buchstabens bei Jacques Lacan und die Computersimulationen

29  Vgl. dazu auch den Beitrag Was übrig bleibt. Das hochschulpolitische Ringen um Bildungsverständnis von Joachim Metzner in diesem Band.  30  Reinhart Koselleck: Einleitung. Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung, in: Reinhart Koselleck (Hg.): Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert (Band II ), Stuttgart 1990, S. 16. 31  Vgl. dazu die Festrede über Bildung an der Pädagogischen Hochschule Bern am 4. November 2005 von Peter Bieri: Wie wäre es, gebildet zu sein?, in: http://www. hwr-berlin.de/fileadmin/downloads_internet/publikationen/Birie_Gebildet_sein.pdf (4.6.2015).  32  Vgl. das Hochschulrahmengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 (BGBl. I S. 18), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. April 2007 (BGBl. I S. 506) geändert worden ist, hier 2. Abschnitt (Studium und Lehre), § 7 (Ziel des Studiums): »Lehre und Studium sollen den Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und ihm die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden dem jeweiligen Studiengang entsprechend so vermitteln, dass er zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt wird.« Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/hrg/BJNR001850976.html (4.6.2015). 33  Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ ): Hochschulbildung: Verantwortliche für morgen ausbilden, in: http://www.bmz.de/de/ was_wir_machen/themen/bildung/hochschulbildung/index.html (12.6.2015), und Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK ) (Hg.): Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2010/2011. Darstellung der Kompetenzen, Strukturen und bildungspolitischen Entwicklungen für den Informationsaustausch in Europa, Bonn 2013, S. 251–270. 

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Friedrich Kittlers, und jetzt gendert es an allen Ecken und Enden. Karriere geht gerade nur mit Gender.« 34 Wissens- und Erkenntnisgewinnung – Wissenschaft – und ihre Vermittlung in stringenten Organisationsabläufen waren Beate Rennen-Allhoff in ihrer Zeit als Rektorin bzw. Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld in allen Kontexten, in denen sie gewirkt hat, wesentliche Anliegen, die sie mit Herz und Verstand ebenso leidenschaftlich und ruhelos wie konsequent und erfolgreich verfolgt hat – bis in die letzten Tage ihrer Amtszeit, darunter die Integrations- und Bildungsinitiative für Flüchtlinge im Kreis Minden-Lübbecke (Mai 2015) oder die Diskussionen um die Konversion der britischen Kasernen in der Stadt Herford ( Juni 2015) und ihre denkbare Nutzung für ein ausgeweitetes Vorstudium OWL für internationale Studierende ab 2016.35 Die Vielfalt ihres Wissenschaftsengagements verdeutlichen nicht nur die unzähligen Arbeitsgruppen-, Rektorats- bzw. Präsidiums-, Senats-, Hochschulrats-, Leitungskonferenz- und sonstigen Sitzungen36 sowie die Projekte, die sie in der Fachhochschule initiiert und etabliert hat: →→  Evaluation und Qualitätsmanagement, lange bevor sich Qualitätssicherung an deutschen Hochschulen durchzusetzen begann,37 →→  Fachbereichsneustrukturierungen, →→  Etablierung einer gender- und familiengerechten Fachhochschule Bielefeld, →→  Systemakkreditierung,38 →→  Fachhochschulneubau am Campus Bielefeld, →→  die Fülle an regional wie überregional erschienenen Presseberichten.39 Hinzu kommen ihre zahlreichen Veröffentlichungen.40

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Beate Rennen-Allhoff zu Ehren 34  Spiegel-Interview Gleichberechtigung: Warum tun alle so, als wäre Frauenfußball toll, Herr Böttiger?, in: Der Spiegel, Nr. 25 vom 13.6.2015, S. 54. Den Wandel in den vergangenen knapp 20 Jahren verdeutlicht aufschlussreich ein Blick in eine ›historische‹ Schrift: Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zur Chancengleichheit von Frauen in Wissenschaft und Forschung, Köln 1998. Zu Lacan vgl. Jürgen Buchmann: Lacan à la lettre. Lacan beim Buchstaben genommen, in: RISS . Zeitschrift für Psychoanalyse, Heft 63 (2006: Alienation und Separation), S. 81–112, zu Kittler (»Kittler-Jugend«) vgl. Friedrich Adolf Kittler: Aufschreibesysteme 1800/1900, München 1985. Aus regionaler Sicht zum Thema Gleichstellung vgl. darüber hinaus die Schrift der Gleichstellungsstelle der Stadt Bielefeld (Hg.): Mehr Frauen in Führung – so geht’s!, Bielefeld 2015, sowie aus wissenschaftlicher Perspektive für ganz Deutschland weitaus weniger euphorisch die Studie Frauen im Management 2015 (FiM), herausgegeben vom Kompetenzzentrum Frauen im Management, Hochschule Osnabrück, in Trägerschaft der Science to Business GmbH (Barbara Schwarze, Andreas Frey, Heiko Tapken), Osnabrück 2015.  35  Vgl. http:// vorstudium-owl.de/ (14.6.2015).  36  Darunter allein gut 460 Rektorats- bzw. Präsidiums-, mehr als 130 Senats- und – seit 2007 – etwa 50 Hochschulratssitzungen. 37  Noch 2008 hieß es in einer HRK -Analyse, »dass den Ergebnissen von Evaluationsverfahren nur eine geringe Handlungsrelevanz zukommt. Sie fließen nicht in hohem Maße in Steuerungsprozesse der Hochschule ein.« Benedikt Kaufmann: Ergebnisse der HRK -Umfrage zum Stand der Qualitätssicherung an deutschen Hochschulen 2007, in: Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Wegweiser 2008. Qualitätssicherung an Hochschulen (Beiträge zur Hochschulpolitik 5/2008), Bonn 2008, S. 38.  38  Die landesweiten Diskussionen zum Thema Systemakkreditierung begannen weitgehend erst im Jahr 2007, nachdem die Hochschulen durch Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit dem Wissenschaftsministerium verpflichtet wurden, ein dauerhaftes Verfahren zur Erforschung des Verbleibs und Erfolgs der Absolventinnen und Absolventen am Arbeitsmarkt zu implementieren. Die Akkreditierungsagenturen forderten auf der Basis des ENQA -Reports Standards and Guidelines for Quality Assurance in European Higher Education Aera (Helsinki 2009) einen Nachweis über die Berufsfähigkeit und die Qualität des Studienangebotes. Vgl. dazu auch das Sonderheft der Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Aktuelle Themen der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung: Systemakkreditierung –Rankings – Learning Outcomes (Beiträge zur Hochschulpolitik 6/2008), Bonn 2008. An der Fachhochschule Bielefeld konnte das knapp dreijährige Systemakkreditierungsprojekt im September 2015 mit dem Erhalt der Akkreditierungsurkunde abgeschlossen werden. Sie gehört damit zu den ersten systemakkreditierten Hochschulen in Deutschland.  39  Siehe http://www.fh-bielefeld.de/presse (6.6.2015) und die Veröffentlichungen der Presse- und Informationsstelle der Fachhochschule Bielefeld. 40  Vgl. neben den fachbereichsspezifischen Veröffentlichungen von 1995 bis 2001 l– siehe dazu auch den Beitrag von Annette Nauerth in diesem Band – u. a. Beate Rennen-­Allhoff: Untersuchungen zu Microcounseling (Dissertation), Köln 1982; dies.: Ein Versuch mit Microcounseling in der Pädagogenausbildung, in: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 30 (1983) 1, S. 31–39; dies., Peter Allhoff: Anwendung von

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Die Festschrift für Beate Rennen-Allhoff Das Konzept dieser Festschrift für Beate Rennen-Allhoff entspricht der genannten Vielfalt ihres wissenschaftlichen und hochschulpolitischen Wirkens. Beides begründet zugleich den Haupttitel dieser Festschrift: Bildung anführen. Beate Rennen-Allhoff hat präsidiert und sie war im eigentlichen Wortsinne Vorsitzende und war, auch wenn sie die Leitung von Arbeitskreisen, Gremien, Vorständen, Lenkungs- oder Beiräten übernommen hat, grundsätzlich bestens informiert und äußerst gut vorbereitet. Sie hat tatsächlich immer sämtliche Texte gelesen und deren Wesensgehalt inklusive argumentativer oder faktischer Schwachstellen erfasst – ein Umstand, der selbstverständlich bei der Diskussion ans Tageslicht kam. Sie verfügt über ein beeindruckendes Gedächtnis, sie ist kenntnisreich und vielfach gebildet, ungeheuer fleißig, sie arbeitet zielführend und ist entscheidungsfreudig. Dadurch hat sie viel bewegt, selbst wenn es oftmals an die Grenzen des eigentlich Leistbaren ging. Der Quell für Kraft, Entspannung und Ausgleich für anstrengende Berufstätigkeit sind für Beate Rennen-Allhoff seit Jahren das Haus am Wald bei Bielefeld, die Familie, die Reisen mit ihrem Mann, die Pferde, die Pferdezucht, das Reiten, Military und das Lesen: vielfältige Kraftquellen für manchmal uferlose Arbeitsberge an überlangen Arbeitstagen, die ihr die erforder­ liche Gelassenheit gaben und sie befähigten, stets freundlich, aber bestimmt den Takt anzugeben – wenn auch manchmal genervt, wenn es nicht schnell genug in ihrem Sinne weiterging. Dabei war Beate Rennen-Allhoff immer bestrebt, die Beteiligten mitzunehmen – »Wie sehen Sie das?« –, um zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen – »Wie machen wir das praktisch?« –, selbst wenn nicht immer alles für alle akzeptabel gewesen sein mag, was jedoch in der Natur der Sache liegt. »Wer sich exponiert, wird einsam«, sagt der Volksmund und nicht ohne Grund regelt auch das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz ausführlich Rechte und Pflichten der Rektorin bzw. des Rektors – sinnentsprechend

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Clusteranalysen bei psychologisch-pädagogischen Fragestellungen, in: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 30 (1983) 4, S. 253–261; dies.: Microcounseling: Eine Literaturanalyse, in: Zeitschrift für empirische Pädagogik und pädagogische Psychologie, 8 (1984) 1, S. 1–21; Kurt A. Heller, dies.: Zweiter Evaluationsbericht über den DIFF -Fernstudienlehrgang »Beratungslehrer«, in: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 31 (1984) 2, S. 122–129; dies., Peter Allhoff: Entwicklungstests für das Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter, Berlin 1987; Hans Georg Reinhard, dies.: Temperament von Säuglingen, mütterliches Verhalten und spätere Entwicklung, in: Acta Paedopsychiatrica. Europäische Zeitschrift für Neuropsychiatrie, Psychologie und Psychotherapie des Kinder- und Jugendalters, 51, Düsseldorf 1988, S. 56–59; dies.: Stabilität interindividueller Unterschiede in den ersten Lebensjahren (Habilitationsschrift, vorgelegt bei der Philosophischen Fakultät der HeinrichHeine-­Universität Düsseldorf ), 1989; Dieter Karch, R. Michaelis, Hans G. Schlack, dies.: Normale und gestörte Entwicklung: kritische Aspekte zu Diagnostik und Therapie, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong 1989; dies.: Testgüte von Entwicklungstests. Ergebnisse der Marburger Säuglingsstudie (Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, 42), Köln 1990; dies.: Wie verlässlich sind Elternangaben?, in: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 40 (1991) 9, S. 333–338; dies.: Gibt es eine »negative Phase« beim Übergang zum Jugendalter?, in: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 39 (1992) 2, S. 87–95; Peter Allhoff, Ulrike Bowi, dies.: Elternbeteiligung bei Entwicklungsdiagnostik und Vorsorge. Verfahren zur Früherkennung von Krankheiten und Entwicklungsstörungen im Säuglingsund Kindesalter durch Eltern, Weinheim, München 1993; dies.: Elternbeteiligung bei Entwicklungsdia­gnostik und Vorsorge. Verfahren zur Früherkennung von Krankheiten und Entwicklungsstörungen im Säuglings- und Kindesalter durch Eltern (Materialien), Weinheim 1993; dies.: Entwicklung im Jugendalter unter ökologischer Perspektive. Kommentar zu zwei Beiträgen, in: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 42 (1995) 1, S. 73–76; dies.: Kinder-DIPS . Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter, in: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 43 (1996) 3, S. 217–218; dies.: Der Studiengang Pflegepä­dagogik. Konzepte, Ziele, Inhalte und Perspektiven, in: Lalage Bown, Peter Jarvis, Joachim H. Knoll, Klaus Künzel, Jindra Kulich (Hg.): Gesundheitsbildung, Wien, Köln, Weimar 1997, S. 22–32; dies., Sabine Thomas: Frauentypische Berufe in der Berufspädagogik, in: Pädagogische Rundschau, 53 (1999) 6, S. 755–762; dies., Inge Bergmann-Tyacke: Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe in Europa. Ausbildungsstandards in den EU -Mitgliedstaaten, Bern 2000; dies., Doris Schaeffer (Hg.): Handbuch Pflegewissenschaft, Weinheim 2000; Heike Bentlage, dies.: QuePNet – ein internetbasiertes Informationssystem für Pflegeschulen, in: PR -InterNet, 2000, Band 2, Heft 11, S. 206–211; Karin Böhmker, dies., Heidrun Tiemeyer: Verbesserung der Strukturqualität der Pflegeausbildung durch Einrichtung eines Informationsnetzwerkes, in: PR -InterNet, 2000, Band 2, Heft 2, S. 37–43; Barbara Knigge-Demal, dies., Dorothee Spürk: Evaluation des Förderpreises Pflegeschulen 1997, 1998, 1999 der Robert Bosch Stiftung – Abschlussbericht (Berichte aus Lehre und Forschung/Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Pflege und Gesundheit 12), Bielefeld 2001; Monika Meißner, dies.: Die Rolle ambulanter

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für die Präsidentin bzw. den Präsidenten  – und legt fest, dass »Beschlüsse des Rektorats nicht gegen die Stimme der Rektorin oder des Rektors gefasst werden können.« 41 Der damit verbundenen Verantwortung war sich Beate Rennen-Allhoff immer bewusst. Das gilt auch für alle Gremien, in denen sie engagiert war, gleichgültig ob es sich um Sitzungen in der Fachhochschule Bielefeld – als Gründungsdekanin, Rektorin oder Präsidentin –, in HRK oder LRK, im Institut für Verbundstudiengänge in Hagen oder beim Studienfonds OWL, beim Netzwerk hdw nrw oder im Hochschulrat der Fachhochschule Hannover handelte. Dementsprechend thematisiert diese Festschrift die beruflichen Tätigkeitsfelder Beate Rennen-Allhoffs und damit die Bereiche Wissenschaft, Politik und Hochschulmanagement, Wissenschaftsnetzwerke in Ostwestfalen-Lippe, Studium und Lehre, Gender Diversity und den Studienschwerpunkt Pflege und Gesundheit, für die entsprechende Beiträge von zum Teil langjährigen Weg­ begleiterinnen und Wegbegleitern verfasst wurden, mit denen sie in der Diskussion stand und steht, um Wissen und Erkenntnis sowie die akademischen Möglichkeiten dafür auf dem jeweiligen Themengebiet voranzubringen. Nach dem Grußwort von Kurt A. Heller, emeritierter Ordinarius für Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU ) München und Direktor des LMU -Zentrums für Begabungsforschung, in dem er an die ›alten Zeiten‹ der akademischen Ausbildung Beate Rennen-Allhoffs und den Beginn ihrer Wissenschaftskarriere erinnert, und dem Grußwort von Ingeborg Schramm-Wölk, der neuen Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld, sowie nach dieser Einführung ins Thema durch den Herausgeber der Festschrift thematisieren Joachim Metzner, Altpräsident und Mitglied des Hochschulrates der Fachhochschule Köln und langjähriger Weggefährte Beate Rennen-Allhoffs in der LRK, Martin Sternberg, Präsident der Hochschule Bochum und heutiger Sprecher der LRK , Friedrich Buttler, Vorsitzender der Hochschulstrukturkommission Brandenburg, Friedrich Biegler-König, Vizepräsident für Planung und Infrastruktur der

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Fachhochschule Bielefeld, das komplexe System zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse, politischer Intervention und Hochschulmanagement in Zeiten unsicherer Finanzstrukturen und Heinrich Ostholt, Altrektor der Fachhochschule Bielefeld und Amtsvorgänger Beate Rennen-Allhoffs, verdeutlicht den hochschulpolitischen Wandel während der letzten knapp 20 Jahre. Mit Blick auf die ostwestfälische Region, eine der wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands, beschreibt Swen Binner, Geschäftsführer Berufliche Bildung bei der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, die umfassende Problematik von Ausbildung und Bildung zur Sicherung des aktuellen und zukünftigen Arbeitskräftebedarfs. Tilmann Fischer, Altpräsident der Hochschule Ostwestfalen-Lippe und zusammen mit Beate Rennen-Allhoff viele Jahre im Vorstand der Stiftung Studien­ fonds OWL, skizziert das Studienförderprogramm der ostwest­ fälischen Hochschulen, das als Vorbild und Initiator des Deutschlandstipendiums gilt. Über das Thema, das der ureigentliche Grund jeglicher Hochschularbeit ist – Studium und Lehre –, schreiben Dieter Timmermann, Altrektor der Universität Bielefeld und Präsident des Deutschen Studierendenwerks, der Methoden und die Bedeutung von Qualitätssicherungssystemen in der Hochschulausbildung diskutiert, Tobina Brinker, Geschäftsführerin des Netzwerks Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW (hdw nrw), die einmal mehr

Pflegedienste bei der Versorgung alleinlebender Pflegebedürftiger, in: PR -InterNET, 2003, Band 5, Heft 7/8, S. 42–51; Tobina Brinker, dies.: Zielvereinbarung mit Deputatsreduzierung. Das »Bielefelder Modell« zur Einarbeitung neuberufener Professor/innen, in: Das Hochschulwesen, 53 (2005) 6, S. 239–241; Hochschulrektorenkonferenz (dies. et al. Hg.): Frauen fördern. Empfehlung zur Verwirklichung von Chancengleichheit im Hochschulbereich. Empfehlung des 209. Plenums der HRK vom 14.11.2006, Bonn 2006; Christiane Krüger (Interviewerin), Beate Rennen-Allhoff (interviewte Person): Individuell auf Neuberufene angepasst, in: DUZ . Unabhängige deutsche Universitätszeitung. Magazin, 62 (2006) 4, S. 14; dies.: Droht ein stärkeres Bildungsgefälle als Folge der Föderalismusreform in Deutschland?, in: Beiträge zur Hochschulforschung, 29 (2007) 3, S. 40–45; dies.: Akademisches Personalmanagement an der Fachhochschule Bielefeld - Berufung und Einführungsphase, in: Anja von Richthofen, Michael Lent (Hg.): Qualitätsentwicklung in Studium und Lehre, Bielefeld 2009, S. 89–99; dies.: Zur Entwicklung der Fachhochschule Bielefeld. Der Neubau auf dem Campus Bielefeld, in: Andreas Beaugrand (Hg.): Stadtbuch Bielefeld 1214–2014, Bielefeld 2013, S. 776–781.  41  Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG ) in der Fassung des Hochschulzukunftsgesetzes vom 16. September 2014, § 15, Abs. 3. 

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die Notwendigkeit didaktischer Fähigkeiten in der Lehre betont und die Erfolgsgeschichte der hdw-nrw-Bildungs­initiative skizziert, sowie Dieter Pawusch, Geschäftsführer des Instituts für Verbundstudien NRW, Hagen, der ein besonders erfolgreiches Spezifikum nordrhein-westfälischer Lehr- und Lern­organisation darstellt.42 Sibylle Jakubowicz, Leiterin der Abteilung Qualitätsmanagement und stellvertretender Stiftungsvorstand der Evaluationsagentur Baden-Württemberg (evalag), Mannheim, hat einen Beitrag verfasst, der Qualitätssicherungskonzepte für Studiengänge und Hochschulorganisationen vorstellt, die auch dazu geführt haben, dass die Fachhochschule Bielefeld heute systemakkreditiert ist. Ein zentrales Thema während ihrer Amtszeit als Rektorin bzw. Präsidentin war für Beate Rennen-Allhoff das Thema Gender Diversity. Wichtige Partner bei der Konzepterarbeitung und Sensibilisierung für geschlechtergerechtes Denken und Handeln, aber auch für Bildungsdurchlässigkeit waren und sind Barbara Schwarze, Professorin für Gender und Diversity Studies an der Hochschule Osnabrück und Vorstandsvorsitzende des Kompetenzzentrums Technik–Diversity–Chancengleichheit  e.V., dem An-Institut der Fachhochschule Bielefeld, sowie Hildegard Schumacher-­Grub, Fachlehrerin für Sozialpädagogik und ehemalige Gleichstellungsbeauftragte, und Ulrike Settnik, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und heutige Gleichstellungsbeauftragte der Fachhochschule Bielefeld, die in ihrem Beitrag den Weg zur geschlechtergerechten Hochschule darstellen. Ein weiterer Schwerpunkt des Wissenschaftsinteresses von Beate Rennen-Allhoff ist seit ihrer Studienzeit die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens ›von Kindesbeinen an‹ – inhaltlich bezogen auf ihre eigenen Forschungsprojekte, organisatorisch aber auch auf die Entwicklung und Etablierung neuer Strukturen, etwa von 1995 bis 2001 als Gründungsdekanin des später im Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit aufgegangenen ehemaligen Fachbereichs Pflege und Gesundheit der Fachhochschule Bielefeld –, den sie bis zum Ende ihrer Amtszeit als Präsidentin

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in besonderer Weise unterstützt und gefördert hat. Das weite Feld der akademischen Lehre und Forschung auf diesem Gebiet beleuchten deshalb in ihren Beiträgen Ursula Walkenhorst, ehemalige Professorin für Therapie- und Rehabilitationswissenschaften (Schwerpunkt Didaktik) an der Fachhochschule Bielefeld, frühere Vizepräsidentin für Studium und Lehre der Hochschule für Gesundheit in Bochum und heutige Professorin für Didaktik der Humandienstleistungsberufe an der Universität Osnabrück, Barbara Knigge-Demal, pensionierte Professorin für Pflegewissenschaft an der Fachhochschule Bielefeld, Beauftragte der Hochschule Lausitz für gesundheitsbezogene Studiengänge und Mitglied des Hochschulrates der Fachhochschule Bielefeld, sowie Annette Nauerth, Professorin für Biomedizinische Grundlagen der Gesundheitsberufe an der Fachhochschule Bielefeld.

Zur Buchgestaltung Diese Vielfalt von Wissenschaftsthemen galt es ›buchstäblich‹ in den Griff zu bekommen. In vielen Gesprächen mit dem Buch­ gestalter haben wir uns in Abstimmung mit dem transcript Verlag für das Buchformat 148 × 225 Millimeter entschieden, weil es handlich genug ist, um tatsächlich gelesen zu werden, etwa spät­ abends oder auf Reisen – was auch Beate Rennen-Allhoff sehr schätzt. Dabei lässt dieses Format immer noch ausreichend Weißraum für ein lockeres Erscheinungsbild der Doppelseite und es bleibt zugleich durch das klare Seitenverhältnis von etwa 2:3 spannungsvoll. Die Schrift für den Fließtext sollte möglichst gut lesbar und ablenkungsfrei sein, sodass die Wahl auf die französische Renaissance-Antiqua Bembo fiel.43 Diese Schrift ist eine der ältesten, 42 

Beate Rennen-­Allhoff ist in den Vorständen beider Institutionen tätig.  43 Das Original der Bembo wurde 1496 von dem Schriftgießer, Stempelschneider, Schriftenentwerfer und Buchdrucker Francesco Griffo (1450–1518) für den Druck der Schrift De Aetna des humanistischen Gelehrten und späteren Kardinals Pietro Bembo (1470– 1547) geschnitten, die in der in venezianischen Druckerei von Aldus Pius Manutius (Aldo Manuzio, der Ältere, 1449–1515) erschien. Der kursive Schnitt geht dagegen auf ein Musterbuch des italienischen Schreibkünstlers Giovanni Tagliente aus dem Jahre 1524 zurück. Vgl. Christin Pfeiffer: Liebe, Literatur und Philosophie im Renaissancedialog. Pietro Bembo – Gli Asolani, Werl 2005. 

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bedeutendsten und bewährtesten Satzschriften für Bücher und durch ihre Ecken und Kanten sehr charaktervoll. Zugleich zitiert die Bembo die Schriftgestaltung historischer Festschriften: Sie spielt gewissermaßen mit der ›drögen‹ Buchgestaltung vergleichbarer Werke aus den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten. Begleitet wird sie von einer modernen Groteskschrift, der Fakt des jungen Typografen Thomas Thiemich aus Leipzig (geboren 1980), der aus der Neuen Haas Grotesk, einer Vorgängerschrift der Helvetica, und der Futura von Paul Renner (1878–1956) eine Symbiose schuf, die funktional ist, ohne statisch zu sein. Die Fakt setzt die Bembo in einen zeit­genössischen Kontext und macht damit das gestalterische Zitat erst als solches erkennbar. Sie unterstützt dabei durch ihre reduzierte Formensprache die sachliche typografische Wirkung des gesamten Buches.44 Die Schrift wirkt in diesem Buch ordnend, indem sie bei Seitenzahlen, Überschriften, Autorennamen, Fußnoten und Anmerkungen verwendet wurde. Auf diese Weise sind Inhalt und Struktur klar voneinander getrennt, sodass die Leserinnen und Leser mühelos durch das Buch geführt werden. Durch diese klassischen und zugleich modernen Gestaltungselemente wurde es möglich, die verschiedenen Beiträge der beteiligten Autorinnen und Autoren homogen zu verbinden. Die gestürzten ›lebenden‹ Kolumnentitel geben dabei Aufschluss über die aktuelle Leseposition im Buch. Die einleitenden Doppel­ seiten trennen die einzelnen Bereiche durch große Überschriften, der kurz gehaltene Einstiegsabsatz, der etwas größer als der Fließtext gesetzt ist, bietet eine rasche Einleitung in den nachfolgenden Beitrag. Um dem Band schließlich auch einen bibliophilen Charakter zu verleihen, fiel die Wahl des Papiers auf ein gelblich-weißes Alster-Werkdruckpapier in einer Stärke von 90 g bei 1,5-fachem Volumen. Im Zusammenspiel mit der sehr zeilenhaltig laufenden Bembo dient es aber vor allem einem besonders ermüdungsarmen Lesen. Damit ist ein ebenso schönes wie interessantes Buch entstanden – eine Festschrift, die nicht nur im Kreis von Hochschule und

44  Zitiert nach http://www.aphorismen.de/zitat/11068 (4.6.2015).  entflieht, die Taten bleiben.

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Die Stunde

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Wissenschaft zahlreiche Leserinnen und Leser, sondern auch eine passende Lücke in der nach wie vor unübertroffenen Definition des Begriffes Buch von Samuel Langhorne Clemens alias Mark Twain (1835–1910) finden wird: »In Leder gebundene Bücher leisten nützliche Dienste beim Abziehen von stumpfen Messern. Dünne Broschüren sind unentbehrlich, um wacklige Tische und andere Möbelstücke wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ein Lexikon ist ein sehr wirksames Wurfgeschoß und dient gut als Sitzunterlage. Ein Atlas kann einem eine ganze Weltreise ersparen.« 44 Ein gutes Buch tut gut, eine Festschrift wie diese allemal. Das Buch ist eine echte Überraschung für Beate Rennen-­ Allhoff und ihr anlässlich ihrer Verabschiedung aus den Diensten der Fachhochschule Bielefeld gewidmet – hoffentlich zu ihrer Freude: Hora fugit, facta manent!45   ◼

Was übrig bleibt. Das hochschulpolitische Ringen um Bildungsverständnis Joachim Metzner

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Ringen um Bildungsverständnis

»Bildung ist, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat« – ganz gleich, auf wen dieses Bonmot zurückgeht, auf von Harnack, Einstein, Heisenberg oder gar auf Edouard Herriot, man kann Hans Blumenbergs Vergnügen über die Formulierung gut nachvollziehen.1 Die Assoziation eines Endzustands, vielleicht einer leeren Hülle, kommt denen entgegen, für die Bildung eine quantité négli­geable geworden ist; ebenso erlaubt ist aber die Vorstellung von Bildung als dem wirklich Bewahrenswerten, das den Verfall des nutzlos gewordenen Wissens überdauert. Für Blumenberg war das Bonmot ein Beispiel für die »unüberbietbare Disposition von Definitionen zur Parodie«,2 für mich ist es in seiner Ambivalenz ein Verweis auf die diametral entgegengesetzten Positionen, die heute die deutsche Bildungsdiskussion bestimmen und die durchaus ungewollt parodistische Züge tragen. Das gilt gerade dann, wenn sie zynisch oder verbittert vorgetragen werden. Dieser Beitrag thematisiert die offenkundige hochschulpolitische Instrumentalisierung der aktuellen Bildungsdiskussion für die zukünftige institutionelle Gestalt des deutschen Hochschulsystems und die Funktionszuweisungen an die Hochschulen.

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Grabrede Die Rede vom Ende der Bildung ist in Deutschland wahrlich nicht neu und sie kehrt geradezu periodisch wieder, seit in den 1950er-Jahren die Erkenntnis wuchs, dass die angebliche Forderung der studierenden Heimkehrergeneration: »Weg mit dem bloßen Fachstudium, dem Zweckstudium, dem Brotstudium – zurück zur echten universitas«, nicht eingelöst worden war. 1956 stellt der damalige WRK-Vorsitzende, der Frankfurter Jurist Helmut Coing, resigniert fest: »Die deutschen Universitäten der Gegenwart vermitteln keine Allgemeinbildung mehr, wenn man darunter einen fest abgegrenzten Bestand an repräsentativem Wissen versteht.« Die akademische Bildung werde nunmehr »zu Grabe getragen.« 3 Hier wird bereits deutlich, was fast alle Abgesänge auf »die« Bildung kennzeichnet: Der Begriff erhält eine bestimmte, normativ vorgegebene Bedeutungsfassung, die als allgemein verbindlich dargestellt wird. Nicht eine bestimmte Bildung, sondern die Bildung an sich wird hier als »historisch verratenes […] und insgesamt ›uneingelöstes Versprechen‹« 4 beerdigt. Dabei ist hier – durchaus zeittypisch – vorgegeben, Bildung sei der Besitz eines erwerbbaren Guts, das dem Lernenden vermittelt wird, das einer – von wem auch immer durchgeführten – restriktiven, wertenden Vorauswahl unterworfen wurde und das kanonisiert ist. Andere Verständnisse, die Bildung als erwerbbare Wissens-, Handlungsoder Reflexionskompetenz oder als eine innere Haltung im Sinne eines Habitus verstehen, geraten dabei ebenso aus dem Blick wie das Verständnis von Bildung als eines Prozesses der Formung oder der Selbsttransformation. Im ewigen Streit um das richtige Bildungsverständnis ergeben sich aus solcher Engführung verschiedene Reaktionsmöglich­ keiten: Man kann den Abgesang ernst nehmen und das unwider­ rufliche Ende von Bildung in jeglicher Form und Bedeutung sogar begrüßen, man kann ihre Wiederauferstehung in der bisherigen Gestalt fordern oder man kann ihre Rückkehr in modifizierter oder gänzlich anderer Bedeutung initiieren. Die erstgenannte Variante

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ist nur selten zu finden. Offenbar hat sich Bildung als Kampfbegriff in der hochschulpolitischen Auseinandersetzung um das, was universitas sein oder (wieder) werden soll, bewährt. Wohl deshalb, aber auch, »weil ›Bildung‹ im gesellschaftlich-politischen Diskurs seit Mitte der 1990er-Jahre eine zunehmend größere Bedeutung zukommt, [wäre] allein strategisch ein Begriffsverzicht wissenschafts- wie disziplinpolitisch ebenso unklug wie verheerend.« 5 Dennoch gibt es Beispiele des endgültigen Abschieds. So halten postmoderne Erkenntnistheoretiker in der Nachfolge Lyotards jeglichen Bildungsbegriff für obsolet, da er mit der nicht akzeptablen Setzung eines vorgängigen Subjekts verbunden sei und/oder die Nichtlegitimierbarkeit bzw. Ausschließbarkeit szientifischen Wissens ignoriere.6 Ergo: Wo weder ein Subjekt noch ein kanonisierbarer wissenschaftlicher Wissensbestand existiert, kann auch keine Bildung stattfinden. Andere argumentieren, dass es in einer postmodernen, pluralistischen Gesellschaft unmöglich geworden sei, sich im Konsens auf einen Bildungskanon zu einigen. Nichts zeige das besser als der ironisch-flapsige Buchtitel von Dietrich Schwanitz Bildung: alles, was man wissen muss (1999). Die daraus resultierende aktuelle Dominanz eines Bildungsverständnisses, das den eigenständigen Erwerb von Kompetenzen und das Herausbilden eines Habitus an die Stelle der Vermittlung von Bildungsinhalten setzt, sei nichts anderes als eine Verlegenheits­ lösung. »Sind wir ehrlich: Aufgrund der sozialen Transformationsprozesse der letzten 150 Jahre haben sich die gesellschaftlichen Grundlagen für Bildung aufgelöst […]. Pluralistische Massen­ gesellschaften der Postmoderne haben nicht die sozialen Voraussetzungen für Bildung. Das ist bei Lichte betrachtet auch gar nicht schlimm […]. Um zu funktionieren, bedarf unsere Gesellschaft technischen und sozialen Know-hows. Es wäre nur ehrlicher,

Hans Blumenberg: Begriffe in Geschichten, Frankfurt am Main 1998, S. 24 f.  2 Ebd. Helmut Coing: Am Ende der Bildung?, in: Die Zeit, Nr. 48 vom 29. November 1956, S. 5.  4  Norbert Ricken: Das Ende der Bildung als Anfang. An­merkungen zum Streit um Bildung, in: Marius Harring, Carsten Rohlfs, Christian Palentien (Hg.): Perspektiven der Bildung, Berlin 2007, S. 15–40, hier S. 24.  5  Ricken 2007, S. 25.  6  Vgl. Heide von Felden: Bildungsdiskurse der Postmoderne, in: ZBBS, 2002, Heft 2, S. 191–214, hier S. 194. 3 

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dieses Know-how nicht Bildung zu nennen.« 7 Offen bleibt hier die Frage nach den institutionellen Folgen eines solchen Wandels, wenn er denn stattfände.

Tugendhaft und lebenstüchtig Es gab und gibt Bemühungen, einen neuen akademischen Bildungsbegriff zu definieren, ohne auf kanonisierte Bildungsinhalte zu rekurrieren oder auf Kompetenzerwerb auszuweichen, nachdem die Kritik am Kompetenzbegriff wegen seiner Unschärfe zugenommen hatte.8 So forderte Hubert Markl als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, das klassische Bildungsverständnis der bürgerlichen Gesellschaft abzulösen durch einen Bildungs­ begriff, der für eine demokratische Massengesellschaft tauge. Bildung solle »als der durch Erziehung unterstützte Entwicklungsprozess verstanden werden, der junge Menschen zu urteilsfähigen, selbstverantwortlichen und zugleich zur Verantwortung für ihre Mitmenschen und die gemeinsamen Lebensbedingungen fähigen und bereiten Mitgliedern einer sozialen Gemeinschaft macht […]. Altfränkisch knapper gesagt: Gebildet wäre dann, wer zugleich tugendhaft und lebenstüchtig ist.« 9 Auch hier geht es um Kom­ petenzen, aber diese sollen »auf der Grundlage gemeinsam verbindlicher Werte« beruhen,10 das heißt, es geht um Haltungen. Es wäre ein Leichtes, von einem solchen Bildungsverständnis zum deutschen Idealismus Brücken zu schlagen, aber genau dies wird hier vermieden. Stattdessen stoßen wir auf ein verdecktes Zitat: »tugendhaft und lebenstüchtig« – die »altfränkische« Ausdrucksweise verweist auf John Locke, also auf den englischen Pragmatismus: »Well educating means: to produce virtuous, useful, and able men.« 11 In pragmatischer Weise soll »der sorgfältig eingeübte Rückgriff auf einen kanonischen Vorrat von Geistes­gütern« 12 abgelöst werden. Man kann hierin durchaus den Versuch einer Annäherung an ein »atlantisches Bildungsverständnis« sehen, für das John Locke vor allem durch seine Rezeption in Nordamerika bis heute steht;13 wobei nicht zu übersehen ist, dass hinter dem

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Pragmatismus aristotelisches Gedankengut – die Zusammen­gehörigkeit von aretē und hrónēsis – steht. Letztlich scheint Markl aber eine mögliche Verbindung von idealistischem deutschem und utilitaristischem angelsächsischem Bildungskonzept anzustreben. Doch dieser Versuch eines neuen, quasi bipolaren Bildungsverständnisses ist zunächst folgenlos geblieben. Gemeinsam verbindliche Werte als Conditio sine qua non von akademischer Bildung – dem steht das gängige, auf einer (problematischen) Interpretation von Thesen Max Webers beruhende Verständnis von Wertfreiheit in der Wissenschaft ebenso entgegen wie die Einschätzung, Werte seien in einer pluralistischen Gesellschaft nicht mehr auf rationalem Weg zu gewinnen, sondern in einem »Gefühl der Ergriffen­heit« (Hans Joas).14 Das ist im Raum der Wissenschaft nicht akzeptabel. Bleibt der Wunsch nach einer Restitution des Bildungsverständnisses eines Wirtschafts- und Bildungsbürgertums, das »seine eigenen, autonomen Werte aus einem gemeinsam geteilten Erfahrungsraum« bezieht und diese Werte in die idée directrice seiner Institutionen, also auch seiner Universitäten, einfließen lässt.15 Dabei müsste es, wie es in dem für diese Position typischen Aufsatz von Georg Kamphausen heißt, zwingend zur Wiedereinrichtung eines Bildungskanons kommen, denn die »Gewinnung von Maßstäben der Orientierungsfähigkeit ist ohne Bekenntnis zu einem Kanon, ohne disziplinäre Eigenlogik und fachliche Spezialisierung kaum denkbar.« 16 Unter Kanon wird letztlich auch hier ein »gemeinsam geteilter Wissensbestand« verstanden, aber indem dieser geradezu überhöht wird zum Bestandteil eines »moralischen Common Sense«, schwindet für den Autor die Wahrscheinlichkeit einer Restitution.

7  Alexander Grau: Von der Bildung zum Know-how, in: tv diskurs 67, 18. Jg., 2014, Heft 1, S. 30–35, hier S. 35.  8  Vgl. Ricken 2007, S. 25.  9  Hubert Markl: Schnee von gestern, in: Der Spiegel, Nr. 32, 2002, S. 62 f.  10 Ebd.  11  John Locke: Some Thoughts Concerning Education (1693), Dedication. http://www.bartleby.com/37/1/1002.html (31.5.2015)  12  Markl 2002, S. 62.  13  Dieter Lenzen: Eine Hochschule der Welt. Wiesbaden 2015, S. 27; vgl. S. 37.  14  Vgl. Joachim Metzner: Die Verortung von Werten in Forschung und Lehre, in: Hans R. Friedrich, Dietmar von Hoyningen-Huene (Hg.): Liber Amicorum, Mannheim 2013, S. 73–90.  15  Georg Kamphausen: Einsamkeit und Freiheit, in: Forschung & Lehre 20, 2013, Heft 2, S. 114–117, hier S. 115.  16 Ebd. 

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Was dabei letztlich auf der Strecke bleibe, sei die Universitäts­ idee Humboldts und dessen Verständnis von Freiheit. Tatsächlich heißt es schon in einer von dessen frühesten Schriften: »Der wahre Zweck des Menschen […] ist die höchste und propor­ tionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerlässliche Bedingung.« 17 Bildung ist für Humboldt hier ein Prozess des Kräftesammelns, eines geistig-­moralischen Sichinformbringens, das den Menschen zu verantwortlichem Handeln in Wissenschaft und Gesellschaft befähigt und das sich nur in Freiheit ereignen kann. »Der so gebildete Mensch müsste dann in den Staat treten und die Verfassung des Staats sich gleichsam an ihm prüfen. Nur bei einem solchen Kampfe würde ich wahre Verbesserung der Verfassung durch die Nation mit Gewissheit hoffen.« 18 Recht unvermittelt leitet Kamphausen daraus die Folgerung ab, »der Einzug des Praxis­ bezugs« habe die Universität Humboldt’scher Prägung zerstört, denn »Bildung um ihrer selbst willen kann es nur in einer Universität geben, die nicht als der verlängerte Arm nützlichkeitsorientierter bürgerlicher Interessen organisiert wird. Freiheit im Humboldt’schen Sinne bedeutet Freiheit von der Berufsaus­bildung.« 19 Unklar bleibt, warum die Klage über einen Verlust des bürger­ lichen Bildungskanons, den Humboldt so gar nicht gefordert hatte, plötzlich einmündet in eine Kritik am Praxisbezug der universitären Lehre, wobei die hier vollzogene und für weite Bereiche der Kritik am gegenwärtigen Hochschulsystem symptomatische Gleichsetzung von Berufsausbildung und Praxisbezug das eigentliche Problem darstellt. Dass es von hier aus nicht weit ist zu einer Einordnung der Hochschulart Fachhochschule, zeigt eine Einlassung von Pirmin Stekeler-Weithofer zum Thema Kanonbildung. Diese setze grundsätzlich Disziplinarität in den Wissenschaften voraus, denn »nur in Disziplinen gibt es eine kanonische Forschungsmatrix und ein kanonisiertes grundlegendes und aufbauendes Lehrwissen.« Deshalb sei ein Zusammenhang von

Mythos Humboldt Dass Wilhelm von Humboldt die Universitäten, wie er sie sich wünschte, nicht vorrangig als Stätten der Berufsausbildung sah, ist unstrittig. Aber welche Rolle spielte der Praxisbezug in seinem Bildungskonzept? Eine Ausrichtung des Prozesses der Selbstbildung durch Wissenschaft auf Praxis lässt sich schon an dem soeben zitierten Text ablesen; der wissenschaftlich gebildete Mensch tritt in den Staat und wirkt dort via Berufsausübung auf die Verbesserung der nationalen Gegebenheiten hin. Es geht also um eine Abfolge, die keine Umkehr zulässt, wie es später in Humboldts Organisationsschrift von 1810 heißt: Zunächst muss die Wissenschaft ergriffen werden, denn der umgekehrte Weg hieße »sich entweder augenblicklich oder vor vollendeter Bildung in praktisches Treiben vergraben und sich dadurch auch für dieses unbrauchbar machen.« 21 Aber Humboldt sieht diese irreversible Abfolge nicht als Addition unzusammenhängender Phasen; vielmehr gilt: »Die Universität nemlich steht immer in engerer Beziehung auf das praktische Leben und die Bedürfnisse des Staates, da sie sich immer praktischen Geschäften für ihn, der Leitung der Jugend unterzieht.« 22 Noch einen Schritt weiter geht Michael Forster, wenn er von Humboldts »impliziter Auffassung« ausgeht, die Universität müsse an einem beruflich-utilitaristischen Erfolg ihrer wissenschaftlich Gebildeten interessiert sein, da nur deren Erfolg »eine Wirtschaft gedeihen lässt, auf die letztendlich die Universität und deren Beförderung von individueller Bildung

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»verfrühter Interdisziplinarität und fachhochschulnaher Lehre« zu konstatieren,20 der, so ist wohl zu folgern, Fachhochschulen als nichtkanonfähige Einrichtungen ausgrenzt.

17  Wilhelm von Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen (1791/1792), Stuttgart 1967, S. 22.  18  Ebd., S. 71.  19 Georg Kamphausen 2013, S. 116.  20  Pirmin Stekeler-Weithofer: Humbug! Ein Zwischenruf zu Wissenschaft, Forschung und Lehre, in: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Heft 12, Leipzig 2014, S. 170–180, hier S. 172.  21  Wilhelm von Humboldt: Organisation der wissenschaftlichen Anstalten (1810), in: Andreas Flitner, Klaus Giel (Hg.): Werke in fünf Bänden, Band 4, Darmstadt 1996, S. 261 22  Ebd., S. 263.

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angewiesen ist.« 23 Ob Humboldt so modern und wirtschaftsfreundlich dachte, sei dahingestellt. Es passt jedenfalls nicht in den »Mythos Humboldt« (Mitchell Ash). Auf eine andere, hochaktuelle Begründung für den zeitlichen und hierarchischen Vorrang von Allgemeinbildung vor Ausbildung sei verwiesen. Durch Allgemeinbildung werde der Mensch nicht nur befähigt, die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher sehr leicht zu erwerben, sondern er »behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum anderen [Beruf ] überzugehen. Fängt man aber mit dem besondern Berufe an, so macht man ihn einseitig, und er erlangt nie die Geschicklichkeit und Freiheit, die nothwendig ist, um auch in seinem Berufe […] selbst Erweiterungen und Verbesserungen vorzunehmen.« 24 Wie in vielen Aspekten seiner Bildungsidee und seines Hochschulkonzepts stand Humboldt auch bezüglich des Themas Praxisbezug nicht allein. Verwiesen sei nur auf Schleiermacher, der noch deutlicher Allgemeinbildung, einen »geistigen Lebens­prozess«, als notwendige Ausstattung für das Leben in einer von Entwicklungsdynamik und Instabilität auch der Berufswelt geprägten und Flexibilität erfordernden Gesellschaft gefordert […] und zugleich die Verbindung »der wissenschaftlichen Seminarien und der praktischen Anstalten auf der Universität« eingeplant hatte, um die Ausrichtung von Bildung auf Praxis sicherzu­stellen.25 Man kann festhalten, dass für die Vertreter eines Bildungsverständnisses im Sinne des deutschen Idealismus insgesamt eine »Selbstentwicklung des menschlichen Individuums in einheitlich-­ausgewogenen theoretischen, praktischen und ästhetischen Hinsichten« 26 das Ziel von Bildung durch Wissenschaft war.

Bildung statt Bologna! Der alte deutsche Streit um Bildung versus Ausbildung und Theo­ rie- versus Praxisbezug, der sich letztlich auf Positionen der Aufklärung, insbesondere durch Leibniz vertreten,27 zurück­führen lässt, hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten konti­nuierlich

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an Schärfe gewonnen. Die Differenzierung der Hochschullandschaft mit dem Aufkommen von Fachhochschulen und Berufsakademien einerseits und dem neuen Selbstverständnis mancher auf Exzellenz oder Elite oder Forschungsstärke ein­geschworenen Universitäten andererseits hat dabei ebenso eine Rolle gespielt wie der Bologna-Prozess, der beginnende Wett­bewerb von Hochschulsystemen in der Globalisierung und die sich verändernden politischen und wirtschaftlichen Erwartungen an die Hochschulen und ihren Auftrag. Es mutet fast schon kurios an, dass hierbei regelmäßig auf bekannte oder angebliche Positionen von Klassikern zurückverwiesen wird, wobei Humboldt eine herausragende, aber nicht als Einziger eine Rolle spielt. Solcher Rückbezug hat vor allem auch dann eine verstärkende Funktion, wenn aus dem jeweiligen Bildungsverständnis institutionelle Konsequenzen abgeleitet werden. Und das ist neu in dem alten Streit: Die Frage der Zugehörigkeit einer Institution zum Hochschulbereich wird festgemacht an dem von ihr vertretenen oder ihr zugeschriebenen Bildungsverständnis. Hierfür bieten sich als aktuelle Beispiele die bolognakritischen Positionen von Dieter Lenzen und Julian Nida-Rümelin an. Dieter Lenzen bekennt sich klar zur Bildungsidee Humboldts. Die Bologna-Reform habe durch ihre Rahmenbedingungen und ihre angelsächsische Dominanz den kontinentaleuropä­ischen Ansatz Bildung durch Wissenschaft zerstört. Er soll durch Rück­ besinnung auf die Humboldt’sche Reform wiederhergestellt werden. Lenzen wendet sich strikt gegen einen Auftrag zumindest der Universitäten zur Berufsausbildung, unterstreicht aber die wichtige Rolle von Bildung durch Wissenschaft für die berufliche Praxis: »Die dort [d. h. an der Hochschule] stattfindende

23  Michael N. Forster: Humboldts Bildungsideal und sein Modell der Universität, in: Michael Forster, Michael Hoffmann (Hg.): Die Bildung der Moderne, Tübingen 2013, S. 11–38, hier S. 21.  24  Wilhelm von Humboldt: Bericht der Sektion des Kultus und Unterrichts an den König (1809), in: Werke 1996, S. 218.  25  Friedrich Schleiermacher: Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn (1808), in: Ernst Müller (Hg.): Gelegentliche Gedanken über Universitäten, Leipzig 1990, S. 159–252, hier S. 181.  26  Forster 2013, S. 13  27  Joachim Metzner: Was ist Praxis?, in: Klaus Becker, Rüdiger Küchler (Hg.): Die Wissenschaft von der Praxis denken, Mainz 2013, S. 438–446, hier S. 441 f.

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Persönlichkeitsformung wird auch jenseits der Universität die richtige Voraussetzung für die Wahrnehmung jeder Berufsrolle sein.« 28 Viel wichtiger aber ist für ihn, dass Bildung als Selbstbildung im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess durch die Personen hindurch zu einem für die gesamte Gesellschaft gewinnbringenden Erkenntnisfortschritt führen kann. Allerdings ist für Lenzen im Zeitalter der Massenuniversität eine Rückkehr zur Humboldt’schen Universität keine Option. Ebenso unmöglich sei es, »dass für das harte Berufsleben die Fachhochschulen und für die weiche Allgemeinbildung die Universitäten und dort womöglich nur die Geisteswissenschaften zuständig seien.« 29 Unmöglich sei auch, dass »der Bachelor sich berufsbildend versteht und der Master die All­gemeinbildung nachschiebt.« 30 Es dürfe auch keinen »Ausschluss vom Zugang zum Wissenschaftssystem als Ort der Personenbildung geben.« 31 Daraus folgt für ihn, dass der Zugang zu höherer Bildung als Zugang zu einem institutionell nicht differenzierten System gedacht werden muss. Lenzens Folgerungen für die institutionelle Gestalt des deutschen Hochschulwesens haben manche Überraschung ausgelöst. »Oberstes Ziel muss sein, dass die Universitäten integrierte, nicht additive Einrichtungen von allgemeiner Menschenbildung und Berufsbildung sind, zwei Elemente, die einander nicht widersprechen dürfen.« 32 In dieser Aussage steckt ein Abschied vom klassischen Humboldt’schen Universitätsverständnis. Insofern erweckt der Buchtitel Bildung statt Bologna einen nicht ganz richtigen Eindruck, geht es doch darum, »den Gegensatz von Berufsausbildung und Bildung durch Wissenschaft nicht aufzuheben, sondern diese Paradoxie bewusst auszuhalten. In diesem Sinn wäre die Frage, ob ein Studium heutzutage Bildung und Ausbildung zugleich sein kann, emphatisch zu bejahen.« 33 Daraus wiederum ergibt sich eine kritische Anfrage an bestehende Studienangebote: »Wir müssen von jedem akademischen Unterricht erwarten, auch von dem berufsorientierten, dass er einen Beitrag zu allgemeiner Menschenbildung (vulgo: Persönlichkeitsentwicklung) leistet.« 34 Ich erkenne darin ein primär an Fachhochschulen gerichtetes

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Signal, das in Lenzens jüngster Veröffentlichung noch pointierter erscheint: »Institutionen, in denen unterstellt wird, dass man etwas mehr oder etwas weniger gebildet sein könnte, je nachdem, wie spezialisiert man ausgebildet wird, sind nicht legitimierbar.« Die Legitimation einer Einrichtung, die sich Hochschule nennt, ist für ihn gebunden an die Bereitschaft zur »Aufnahme von allgemeinbildenden Bestandteilen in Studiengängen, die sich selbst als anwendungsnäher verstehen.« 35 Während hier der Versuch unternommen wird, Bildung der Persönlichkeit durch Wissenschaft mit berufsorientierten Ausbildungselementen zusammenzusehen, ist das für Julian Nida-­ Rümelin weder von der klassischen Bildungsidee her möglich noch politisch wünschenswert. Er fordert die Rückkehr zur klaren Trennung von Bildung und Ausbildung und empfiehlt eine restriktive Auslegung der Begriffe »akademische Bildung« und »wissenschaftliches Studium«. Beides sei zu binden an die definitorischen Prämissen der Humboldt’schen Bildungsidee, die Nida-­ Rümelin allerdings anreichert mit Elementen aus der aristotelischen Tugendlehre und die er, trotz strikter Trennung von Bildungsanstrengungen und »Verwertungsinteressen«, ein Stückchen näher an die »praktische Dimension« von Bildung heranzuführen versucht unter Rückgriff auf den Pragmatismus John Deweys.36 Als ein gewichtiges Ergebnis ist festzuhalten: Für Nida-­ Rümelin ist »das Fachhochschulstudium in der Regel kein wissenschaftliches Studium und sollte nicht unter akademische Bildung subsumiert werden. Vielmehr ist es gerade die Stärke des Fachhochschulstudiums, dass es ein hohes Maß an Anwendungsbezug aufweist.« 37 Die hier zutage tretende exklusive Zuweisung von Anwendungs- und Praxisbezug an Fachhochschulen lässt sich nur schwer mit gängiger universitärer Angebotspolitik in Einklang bringen. Nida-Rümelin versucht, für sein Universitätskonzept

Lenzen 2015, S. 47.  29  Dieter Lenzen: Bildung statt Bologna!, Berlin 2014, S. 82. Dieter Lenzen: Hochschulstudium: Humboldt aufpoliert, in: Die Zeit, Nr. 12, 16. März 2012. http://www.zeit.de/2012/12/Studium-Ausbildung (10.2.2015). 31  Ebd., S. 82.  32  Lenzen, 2014, S. 84.  33  Ebd., S. 80.  34  Ebd., S. 83.  35  Lenzen, 2015, S. 83.  36  Julian Nida-Rümelin: Philosophie einer humanen Bildung, Hamburg 2013, S. 13 u. ö.  37  Julian Nida-Rümelin: Der Akademisierungswahn. Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung, Hamburg 2014, ibook-Version, S. 731. 30 

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durch eine weitere Differenzierung einen Ausweg zu formulieren: Die für die Universität relevante Bildungsphilosophie habe »eine pragmatische Dimension: Sie beschränkt sich nicht auf die Anleitung der Praxis, aber sie ist für diese relevant.« 38 Das erinnert stark an Nida-Rümelins Gewährsmann Dewey, der das theoretische Denken nicht völlig abgetrennt vom praktischen Handeln sah, sondern dieses Denken definierte als die Gesamtheit aller derjenigen Mittel, durch die das Handeln sinnvoll gemacht wird: »It means intellectual initiative, independence in observation, judicious invention, foresight of consequences, and ingenuity of adaptation to them.« 39 Doch in hochschulpolitischer Einbettung bedeutet diese Einschätzung im Umkehrschluss, dass Fachhochschulen per se auf Praxisanleitung festgelegt sind, was weder durch ihren Auftrag noch durch ihr Selbstverständnis belegbar sein dürfte, ja dass sie mangels wissenschaftlichen Denkens nicht zu sinnvollem Handeln anleiten können. Zu merkwürdigen und irritierenden Folgerungen kann man auch gelangen, wenn man die an der Nikomachischen Ethik orientierten Gedanken zum Thema Tugend auf die bildungs­ politischen Positionen Nida-Rümelins bezieht. Mit Aristo­teles unterscheidet er zwischen dianoetischen, das heißt vernunftbezogenen, durch Theorie vermittelten Tugenden (hauptsächlich Urteilskraft, Fähigkeit zu logischem Schließen und Abstrahieren) und ethischen Tugenden (hauptsächlich Fähigkeit zum Ausgleich, zur Offenheit, zur Mäßigung), die der Mensch nur durch Handeln erwerben kann:»tas d’aretàs lambánomen energēsantes próteron« (II,1103a,4); deshalb muss man sich mit der Praxis beschäftigen, um diese Tugenden erwerben zu können: »episképsastai tà perì tàs práxeis« (II,1103b,2).40 Da aber ethische Tugenden »ein zentrales Bildungsziel darstellen, ist die praktische Erfahrung für den Bildungserfolg genauso ausschlaggebend wie die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten.« 41 Aristoteles vertieft diese Zweiteilung an anderer Stelle noch, indem er vernunftbezogenes Erkennen und Handeln an zwei unterschiedliche Denkweisen bindet: die theōria und die epistēmai (I,1097a,4); dies »sind die anwendungs­bezogenen

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praktischen Wissenschaften«, zu denen er die Architektur ebenso wie die Medizin zählt.42 Bezogen auf das binäre deutsche Hochschulsystem könnte man daraus schließen, dianoetische Tugenden seien prägend für einen akademischen Bildungsweg, der sich in Theorie abspielt, während Fachhochschulen via Praxis­bezug auf den Erwerb ethischer Tugenden festgelegt sind und sich im Bereich der angewandten Wissenschaften aufhalten. Man könnte sogar die Bezeichnung Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit diesem Gedankengang begründen. Das geht natürlich gar nicht, und deshalb kommt Nida-Rümelin in seiner Tugendlehre zu einem Schluss, der seiner hochschulpolitischen Kritik an der Vermischung von Allgemeinbildung und Persönlichkeitsentwicklung in der Universität und dem berufsbezogenen Studium in der Fachhochschule zuwiderläuft: Abzulehnen sei »die Unterscheidung von berufs- und wissenschaftsorientierten Studiengängen im Bologna-Prozess. Wissenschaftsorientierung ist unter den modernen Bedingungen zugleich Berufsorientierung.« 43 Manchmal scheinen moderne Bedingungen eine Abkehr von mit Klassikern verteidigten Positionen unvermeidbar zu machen.

Bildung durch Beruf Vonseiten der deutschen Fachhochschulen wurde bislang kein nennens­werter bildungstheoretischer Gegenentwurf zu den am deutschen Idealismus oder Neuhumanismus orientierten Konzepten formuliert. Das liegt einmal daran, dass für die Politik das Ziel Employability nach wie vor absoluten Vorrang hat und sie deshalb äußerst zurückhaltend ist mit der Forderung nach Bildung im klassischen Sinne – und wenn überhaupt, dann ist diese Forderung meistens an beide Hochschularten gerichtet: »Eine Universität muss mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Bildung

38  Ebd., S. 39.  39  John Dewey: Democracy and Education (1916), 22, 3, in: https:// www.gutenberg.org/files/852/852-h/852-h.htm (21.5.2015). Vgl. Nida-Rümelin, 2013, S. 61.  40  Aristo­teles: Ethica Nicomachea, Oxford 1962, S. 24 f.  41 Nida-Rümelin, 2013, S. 174.  42  Aristoteles, 1962, S. 8. Vgl. auch Hellmut Flashar: Die Platonkritik, in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles. Die Nikomachische Ethik, Berlin 1995, S. 74. 43  Nida-Rümelin, 2013, S. 175, Anm. 79.

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muss sie ebenso wie die Fachhochschulen auch im Bachelor-Studium vermitteln.« 44 Dem entspricht umgekehrt die Beobachtung von Stefan Delplace, dass sich bei Fachhochschulen »always a ›general‹ content in professionally-oriented programms« feststellen lässt, »as it is precisely this component that makes them belong to ›higher education‹.« 45 Doch das gilt eher für staatliche Hochschulen. Etwas anders sieht es im privaten Sektor aus. Gerade bei Hochschulen in privater Trägerschaft, die mit berufsfeldbezogenen, »passgenauen«Studienangeboten werben, enge Abstimmung mit der Unternehmensseite suchen oder duale Studienplätze vorhalten, stößt man auf Ansätze zu einem eigenen Bildungsbegriff. So forderte Manfred Erhard, früher Verfechter der Berufsakademie, als General­ sekretär des Stifterverbandes, »Bildung und Wissenschaft als marktfähige Dienstleistungen zu begreifen, die sich an Kundenwünschen und Bedürfnissen des Beschäftigungssystems orientieren.« 46 Damit rekurrierte er, sich betont vom klassischen Bildungsverständnis absetzend, auf die Idee einer »Bildung durch Beruf«, da »dem Beruf als Lebensform eine prägende und persönlichkeitsbildende Kraft zukommt.« 47 Neben Bildung durch Wissenschaft tritt also mit gleicher Funktion Bildung durch Beruf und berufsbezogene oder integrierte Studiengänge vermitteln dem Individuum die Fähigkeit, diesen Bildungsraum angemessen zu nutzen. Dieser Bildungsbegriff ist für Erhard »die bildungstheoretische und pädagogische Legitimation und zugleich die sozio-ökonomische Rechtfertigung der Fachhochschule (wie auch der Berufsakademie).« Eine so enge Bindung der Hochschulart Fachhochschule an einen eigenen Bildungsbegriff, der die Hochschulart zudem generell auf ein sehr enges Verständnis von Berufs-, Anwendungs- oder Praxisbezug festlegt – sonst wären sie ja nicht mehr gerechtfertigt –, bedarf ihrerseits schon einer tieferen Rechtfertigung. Nicht zufällig heißt es, die persönlichkeitsbildende Kraft des Berufs sei »eine Erkenntnis des deutschen Idealismus«,48 denn dadurch gelangt die Bildung durch Beruf sozusagen auf Augenhöhe mit

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der Bildung durch Wissenschaft. Ich vermute, der Hinweis richtet sich auf Hegel und dessen Verständnis von Arbeit, wie es in der Rechtsphilosophie (1820) formuliert ist. Hegel unterscheidet dort sehr grundsätzlich die theoretische Bildung, die »nicht nur eine Mannigfaltigkeit von Vorstellungen und Kenntnissen, sondern auch eine Beweglichkeit und Schnelligkeit des Vorstellens und des Obergehens von einer Vorstellung zur ändern, das Fassen verwickelter und allgemeiner Beziehungen« umfasst, von der praktischen Bildung, die »durch die Arbeit besteht in dem sich erzeugenden Bedürfnis und der Gewohnheit der Beschäftigung überhaupt, dann der Beschränkung seines Tuns, teils nach der Natur des Materials, teils aber vornehmlich nach der Willkür anderer, und einer durch diese Zucht sich erwerbenden Gewohnheit objektiver Tätigkeit und allgemeingültiger Geschicklichkeiten.« 49 Dabei ist die praktische Bildung der theoretischen in keiner Weise nachgeordnet – das zeigt Hegels allgemeine Einschätzung der Arbeit: »Nicht kontemplative Muße, sondern Arbeit ist die bildungswirksame Existenzweise des modernen Menschen, der sich im Durchgang durch die Spezialbildung des Berufs zum Menschen bildet. Mehrfach ist darauf hingewiesen worden, daß Hegel mit dieser Bestimmung einen Neuanfang für die Bildungstheorie gesetzt hat.« 50 Erhards Über­legungen könnten zu den im Hochschulbereich seltenen Versuchen gehören, auf diesem Neuanfang aufzubauen. In den vergangenen Jahren ist von Vertretern der Berufsbildung mehrfach eine aus den 1970er-Jahren stammende These wiederaufgegriffen worden, die berufliche Ausbildung sollte zum

Josef Lange: Qualitätsoffensive in der Lehre, in: Stefan Claus, Manuel Pietzonka (Hg.): Studium und Lehre nach Bologna, Wiesbaden 2013, S. 49–65, hier S. 54.  45 Stefan Delplace: A Look at Professional Higher Education in Europe, in: Baden-Württemberg Stiftung (Hg.): Gleichartig – aber anderswertig? Zur künftigen Rolle der (Fach-)Hoch­schulen im deutschen Hochschulsystem, Bielefeld 2013, S. 33–50, hier S. 34.  46  Manfred Erhard: Private Hochschulen in der deutschen Wissenslandschaft. Festvortrag im Rahmen der Eröffnungsfeier der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe am 5. Juli 2003. http:// www.s-hochschule.de/home/m/page_sta_208.html (7.6.2015).  47 Ebd.  48 Ebd. 49  Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, in: Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel (Hg.): Werke, Bd. 7, Frankfurt am Main 1979, S. 351.  50  Gerd Reinhold, Guido Pollak, Helmut Heim: Pädagogik-Lexikon, München 1999, S. 82. 

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Kernstück des gesamten Bildungssystems werden (Burkart Lutz). Das Verhältnis von beruflicher zu akademischer Bildung solle sich dementsprechend drastisch ändern und die Frage »Kann die höhere Bildung von der beruflichen Bildung lernen?« wäre deutlich zu bejahen.51 Dieser Lernprozess wäre folgenreich für die Fachhochschulen, denn sie müssten ihren Anwendungsbezug kritisch überdenken. Anwendung heißt ja, dass zunächst Wissen auf akademische Weise erworben werden soll, das dann in der Praxis angewandt wird. Stattdessen sollte »auf der Grundlage der [in der beruflichen Praxis] gewonnenen Erfahrungen dann die Aneignung und Ausei­ nandersetzung mit […] universitär vermittelten Wissensinhalten erfolgen.« 52 Die Abfolge von Bildung durch Wissenschaft und Auseinandersetzung mit der Praxis wird hier definitiv umgekehrt. Auch diese Position beinhaltet eine massive Kritik an den Bologna-Reformen, die bislang von den Hochschulen nicht zur Kenntnis genommen wurde. Plädiert wird für eine Absage an eine Reform, die »durch eine berufsfeldbezogene Ausrichtung des Studiums eine stärkere Praxisnähe zu erreichen« versucht.53 Vielmehr sollten umgekehrt im »bildungs­ politischen Gestaltungsfeld berufliche Praxis« zunächst die Probleme erkannt und formuliert werden, die anschließend in der Hochschule einer »verstandesmäßigen Reflexion« unterzogen werden.54 Nur so sei es möglich, dem Problem einer vorlaufenden akademischen Bildung zu entgehen, die – in Anlehnung an Luhmann formuliert – nicht sieht, was sie, mangels empirischer Erfahrung, nicht sehen kann. Wie weit auch solche Überlegungen eine Rolle spielen können bei der – noch ausstehenden – Diskussion um die Notwendigkeit und die Möglichkeit der Formulierung einer neuen, gegebenenfalls die Interessen von Fachhochschulen berücksichtigenden Bildungstheorie, ist zurzeit kaum abschätzbar. ◼

Ringen um Bildungsverständnis 51  Fritz Böhle: Kann die höhere Bildung von der beruflichen Bildung lernen?, in: Berufs­ bildung in Wissenschaft und Praxis, 2010, Heft 2, S. 6–9.  52  Ebd., S. 7.  53  Ebd., S. 9.  54 Ebd.

Feigenblatt der Politik? Expertenkommissionen und Wissenschaftsorganisation Friedrich Buttler

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Expertenkommissionen

Wissenschaftliche Beratung gehört zu den Aufgaben fachlich renommierter Kolleginnen und Kollegen. Einzeln oder in Expertenkommissionen nehmen sie unter anderem Stellung zur Qualitätssicherung und Organisationsentwicklung in Forschung, Lehre, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und Innovationstransfer. Diese Aufgaben werden ehrenamtlich wahrgenommen. Wir nennen das Peer Review, die Evaluierung und Beratung durch angesehene Fachleute auf Augenhöhe mit denen, deren Arbeit betrachtet wird. Peer Review ist heute beispielsweise unabdingbar für die Annahme von Arbeiten in guten wissenschaftlichen Zeitschriften – fachlich besonders ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden in deren Herausgebergremien und als Gutachter berufen. Der vorliegende Beitrag hat Peer Review bei der Organisationsentwicklung und Qualitätssicherung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen zum Gegenstand und fragt nach den strukturellen Bedingungen für erfolgreiche oder auch weniger erfolgreiche Beratung.

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Peer Review 1 Hans Zacher, der kürzlich verstorbene hoch geachtete Sozial­ rechtler und frühere Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, sprach vor Ort Klartext: »Wenn, lieber Kollege, die Entwicklung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät in der bisherigen Weise zurückbleibt, muss die MPG ihr vorgesehenes Engagement mit drei Instituten auf dem Campus überprüfen.« Der Hinweis genügte als Startschuss für eine externe Expertenkommission aus hervorragenden Fachvertretern. 20 Jahre später besteht am Ort eine blühende gemeinsame Forschungslandschaft aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (für die Letztgenannten wird hier das Kürzel AUFE verwendet), die durch rund fünfzig gemeinsame Berufungen auch personell miteinander verbunden sind. Die Experten hatten nicht nur guten Rat gegeben, vielmehr auch vorzügliche Wissenschaftler motivieren können, sich für diese Zusammenarbeit zu begeistern. Das Ergebnis ist nicht nur den Experten zu verdanken – aber immerhin. Mit Hinblick auf die regionale Entwicklung in L. – die Abkürzungen sollen nichts verstecken; es kommt hier aber nur auf das Beispielhafte an – waren seit 20 Jahren hohe Erwartungen auf die Entwicklung der beiden dortigen Hochschulen gerichtet. Indes blieben einige Ergebnisse hinsichtlich Attraktivität für Studierende, Forschungsleistung und Innovationstransfer dahinter zurück. Eine vom Landesministerium berufene Expertenkommission würdigte Stärken, deckte Schwächen auf und regte erheb­ liche strukturelle Veränderungen an. Es gab indes den weitergehenden Vorschlag zur Fusion der Hochschulen. In den dadurch ausgelösten politischen Kontroversen traten, wie dies in ähnlichen Fällen häufiger geschieht, die fachlichen Ratschläge der Experten­ kommission in den Hintergrund. Waren sie deshalb vergeblich? Man wird sehen, was die neue Hochschulleitung damit anfängt. Immerhin ist ein umfangreicher Diskurs aufgrund einer sorgfältigen Defizitdiagnose angestoßen worden. Der Wissenschaftsrat

1 

Hans N. Weiler, Stanford, danke ich für viele hilfreiche Anregungen.

Expertenkommissionen

ist von der Landesregierung um seine Einschätzung des Neuordnungskonzepts für diese Hochschulregion gebeten worden. Hochschulen organisieren ihre Qualitätskontrolle und Organisationsentwicklung in eigener Verantwortung und lassen sich dabei manchmal von Expertenkommissionen beraten. Berufungskommissionen nehmen in der Regel die strategisch wichtige Aufgabe der Selbstergänzung von Fakultäten wahr und vertrauen dabei heute nicht mehr nur auf auswärtige und insbesondere internationale Gutachter, sondern auch auf auswärtige Mitglieder. Welche zentrale Bedeutung der Berufungspolitik zukommt, lehrt das ›Harnack-Prinzip‹ der Max-Planck-Gesellschaft, wonach zusammen mit der thematischen Ausrichtung die Gewinnung vorzüglicher Forschungspersönlichkeiten ausschlaggebend für die Entscheidung über die Gründung und Fortexistenz von Instituten ist. Das sollte mutatis mutandis für die Hochschulen gelten. Freilich steht nicht selten der Bestenauswahl die Tendenz anwesender Kolleginnen und Kollegen entgegen, keine ihnen eindeutig überlegenen Bewerberinnen und Bewerber zu berufen. Aufmerksam geworden auf Entwicklungsdefizite insbesondere in einzelnen Bereichen von Lehre und Forschung berufen immerhin hier und da Leitungsorgane beratende Peers von außerhalb. Dazu gibt es vorzügliche Erfahrungen. Hochschulräte unterstützen vielerorts die Hochschulleitungen; typischerweise wirken in ihnen auch Repräsentantinnen und Repräsentanten aus der Region mit. Sie können ihrerseits Beratung durch Expertenkommissionen anregen. Eine Besonderheit bildet der Landeshochschulrat in B., dem unter anderem die Aufgabe zufällt, ein im Bundesvergleich kleines, aber komplementär gedachtes System von Hochschulen im Verbund mit den AUFE beratend zu begleiten. Mit der Bologna-Reform einhergehend entstanden Akkreditierungsinstitutionen für die neuen Studiengänge bzw. für die System­akkreditierung ganzer Hochschulen, wodurch im Erfolgsfall die Akkreditierung neuer Studiengänge entfallen soll.

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Vielfach ist es überdies üblich geworden, sich um Zertifikate für besondere Leistungen in Bereichen wie Familienfreundlichkeit, Ausstattung für Behinderte, Gleichstellung und Umweltfreundlichkeit zu bemühen. Freilich können solche Zertifikate, so verdienstvoll das Bemühen darum ist, wissenschaftliche Qualitätsnachweise nicht ersetzen. Die wohl renommierteste und erfolgreichste reputationsgesteuerte Institution der deutschen Forschungsorganisation ist die DFG. Peer Review durch Einzelgutachter oder durch Kommissionen ist ihr zentrales Instrument zur Beurteilung der Förderungsfähigkeit von Forschungsvorhaben und der ihnen zugrunde liegenden Strukturen. Wegen der strikten und in der Wissenschaftsgemeinschaft anerkannten Qualitätsmaßstäbe gilt der Anteil DFG-geförderter Drittmittelprojekte am Forschungsbudget von Lehrstühlen und Instituten bzw. die Mitwirkung an Sonderforschungsbereichen und Forschungsgruppen als hochrangiges Qualitätskriterium. Der Gutachterpool der DFG ist eine erste Adresse für die Auswahl von Mitgliedern von Expertenkommissionen. Bei den in bundesweiten Zusammenschlüssen organisierten, von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft tragen wissenschaftliche Beiräte im Zusammenwirken mit Institutsleitungen und Aufsichtsräten zur Organisationsentwicklung und Qualitätssicherung bei. Die Leibniz-Gemeinschaft evaluiert ihre Mitgliedsinstitute derzeit in siebenjährigem Rhythmus und verlangt entsprechende Zwischen­ evaluierungen durch die wissenschaftlichen Beiräte. Je nach der organisationsrechtlichen Verfasstheit der Institute berichten die wissenschaftlichen Beiräte im Zusammenwirken mit den Institutsleitungen darüber hinaus an die für Finanzierungs- und Organisationsfragen zuständigen Verwaltungsräte. Der Wissenschaftsrat ist in Deutschland die thematisch und fachlich überwölbende Institution der wissenschaftspolitischen Beratung von Hochschulen und AUFE, Ländern und Bund. Er

Bedingungen für erfolgreiche Beratung Dass die Qualität der Beratung von der Qualifikation der Beratenden mitbestimmt wird, ist eine Binsenweisheit. Die Voraussetzungen für die Gewinnung qualifizierter Persönlichkeiten sind in unserer Wissenschaftskultur gut. Das gilt für ausländische Kolleginnen und Kollegen wie für deutsche. Die Beratung in Angelegenheiten von Wissenschaft und Forschung gilt als Nobile

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gilt auch international als eine besonders gelungene Konstruktion zur Qualitätssicherung. Seine beiden Kommissionen, die Wissenschaftliche Kommission als Expertenkommission und die Verwaltungskommission als Vertretung von Ländern und Bund spiegeln in ihrem Zusammenwirken das Miteinander von Peers, Wissenschaftseinrichtungen, Bund und Ländern bei der Entwicklung von Wissenschaft, Forschung, Nachwuchsförderung, Weiterbildung und Innovationstransfer, also bei allen heutigen Hochschulund Forschungsaufgaben wider. Ein Blick in das jeweils aktuelle Arbeitsprogramm macht das lebendig. Für die Auslandsbeziehungen der Wissenschaftseinrichtungen sind Rat und Dienstleistungen des DAAD von unschätz­barem Wert. Auch hier sind Expertenkommissionen vielfach gefragt. Indes ist der Einfluss auf die Qualitätssicherung der Hochschulen im Vergleich zur DFG und zum Wissenschaftsrat eher bescheiden. Der Überblick lässt die Bedeutung von Peer Review in verschiedenen Dimensionen der Wissenschaftsorganisation erkennen. Die dem Autor gestellte Frage, ob in diesem Kontext Expertenkommissionen im Wesentlichen eine Feigenblattfunktion für die Wissenschaftspolitik haben, kann mit Blick auf die zuletzt genannten Institutionen DFG, Wissenschaftsrat und AUFE wohl verneint werden. Freilich gibt es auch zahlreiche Beispiele dafür, dass Landesregierungen und gelegentlich auch Hochschulleitungen Expertenkommissionen dazu benutzen möchten, (haushalts-) politisch abgeleitete hochschulpolitische Entscheidungen mit zusätzlicher Legitimation zu versehen.

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officium. Freilich müssen die über die Auswahl der Peers Entscheidenden klare Vorstellungen von den fachlichen Dimensionen der Beratungsaufgabe haben. Wenn beispielsweise wie in L. über die Einführung von Studiengängen für Pflegeberufe zu beraten sein wird, muss das auch die fachliche Auswahl bestimmen. Das schließt keineswegs aus, auch die nicht fachlich affine Perspektive in der Zusammensetzung einer Kommission zum Zuge kommen zu lassen, um gegebenenfalls eine zu fachzentrierte Perspektive aufzumischen. Zu achten ist darauf, dass sich die zu beratenden wissenschaftlichen Einrichtungen in der Struktur und in den Persönlichkeiten zutreffend repräsentiert sehen; freilich darf dies nicht zum Vorwand für die Ablehnung besonders kritischer Berater genommen werden. Entsprechend der Bedeutung des Praxis­ bezugs von Lehre und Forschung sind Vertreter der beruflichen Praxis mit internationalem ebenso wie mit regionalem Bezug wichtige Mitglieder. Zu diesem letzten Punkt hat es in der Vergangenheit durchaus ernst zu nehmende unterschiedliche Standpunkte gegeben. Hochschulräte beispielsweise sollen ja mit Nachdruck auch das berufliche Umfeld und den Innovationsbezug von Bildung und Forschung im Blick haben. Ähnliches gilt für AUFE, deren wissen­schaftliche Beiräte von den Erfahrungen herausragender Praxisvertreter aus international tätigen wie regional verankerten Unternehmen profitieren können. Freilich stellt sich die Frage nach dem Gewicht und gegebenenfalls damit auch der Vertretung von Einzel- oder Verbandsinteressen. Man muss nicht dramatisieren, darf es aber auch nicht bagatellisieren. Die Erfahrung des Autors ist, dass die Wissenschaftsgemeinschaft ebenso wie die berufliche Praxis damit umzugehen gelernt hat. Schwieriger verhält es sich im Fall von Beratungsinzest, das heißt, die Auswahl der Peers wird auf Angehörige bestimmter akademischer Schulen oder gar politischer Parteien beschränkt. Lassen wir an dieser Stelle Vertreterinnen und Vertreter politischer Gremien beiseite und beschränken uns auf wissenschaftliche. Auch hier gilt, dass viele Fakultäten dazu neigen, sich inhaltlich,

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methodisch und auch ideologisch abzuschließen und nur Mitglieder ihrer eigenen Observanz in Berufungskommissionen oder als Gutachterinnen und Gutachter zu wählen. In solchen Fällen leidet der wissenschaftliche Pluralismus durch Begrenzungen bei der Auswahl der Peers und es kommt zu Marktzutrittsbeschränkungen für Bewerberinnen und Bewerber. Indes ist vielfach Umkehr angezeigt; die Überwindung überkommener Traditionen und der notwendige Durchbruch innovativer Inhalte und Methoden sollten dann umso mehr die Berufung auswärtiger Vertreter der zu stärkenden Arbeitsrichtungen nahelegen. Hier kann es im Ernstfall sogar geboten sein, mehrheitlich extern besetzte Berufungskommissionen einzusetzen, um etablierte Bastionen einzureißen. Für die Beratungsqualität ist die zutreffende Tatsachenfeststellung und Defizitdiagnose durch die Peers notwendige Bedingung. Für den Beratungserfolg ist dies indes nicht hinreichend. Was soll als Maßstab des Beratungserfolgs gelten? Peers werden sich verständlicherweise wünschen, dass ihrem wohlüberlegten Rat gefolgt wird. Wo Beratung und politische Entscheidung im demokratischen Prozess der Hochschulselbstverwaltung und der Wissenschaftsverwaltung von Ländern und Bund institutionell getrennt sind, kann der Erfolg nicht jederzeit daran gemessen werden, ob Empfehlungen eins zu eins gefolgt wird. Er kann unter der Voraussetzung einer zutreffenden Defizitdiagnose schon darin bestehen, dass ein auf Veränderung gerichteter Diskurs in Gang kommt, dass sich die Beratenen mit dem Rat wissenschaftsöffentlich nachvollziehbar (Beratungsprotokolle, Publikationen) auseinandersetzen, damit ihre Entscheidungsprozesse transparent werden. Die Akzeptanz einer Beratung hängt auch davon ab, von wo aus sie angeregt und wie die betroffenen wissenschaftlichen Einrichtungen einbezogen werden. Nicht zuletzt spielen die zu erwartenden Folgen der Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung ihrer Ergebnisse eine Rolle. Im ersten Beispiel kam der Anstoß von der Max-Planck-­ Gesellschaft und die negativen Folgen eines Verzichts auf Peer

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Review waren klar absehbar. Die Fakultät war nach der ›Wende‹ in den neuen Bundesländern im Neuaufbau und hat die Beratung akzeptiert. Das Ergebnis ist zur Nachahmung zu empfehlen. Im zweiten Beispiel ging der Anstoß von der Landesregierung aus, weil die Initiative der betroffenen Hochschulen fehlte. Es war zweifellos richtig, angesichts der Entwicklungen in der Hochschulregion L. eine fachliche und strukturelle Evaluation zu erbitten. Im Folgenden wurde das Ergebnis darüber hinaus in die Überlegungen der Hochschulstrukturkommission des Landes einbezogen, um den Prinzipien von Komplementarität und Kooperation Rechnung zu tragen. An mehrfacher Beteiligung der Hochschulen hat es dabei nicht gefehlt. Nach dem Fusionsvorschlag geriet indes der fachliche Rat der Peers im Interessendreieck von staatlicher Governance, individueller Autonomie der beteiligten Wissenschaftler und korporativer Autonomie der beteiligten Hochschulen weitgehend unter die Räder. Der Fusionsvorschlag der Wissenschaftsverwaltung ging von der Annahme einer im Zuge des Bologna-Prozesses künftig zu erreichenden weitgehenden Identität der Aufgaben von Universitäten und Fachhochschulen aus. Der Expertenvorschlag sah da­ gegen eine aufgaben- und leistungsbezogene Neustrukturierung zweier Hochschulen mit teils gemeinsamen, teils den besonderen Charakter beider Hochschultypen ausbildenden Fakultäten sowie eine verbesserte Kooperation, insbesondere auch bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, vor. Das Echo auf den Fusionsvorschlag war in beiden Hochschulen und Städten unterschiedlich: Die einen wollten Universität werden, die anderen fürchteten Reputationsverluste. In der Diskussion wurden auch legitime regionalpolitische Interessen deutlich. Bekanntlich haben sich Gesamthochschulen und ähnliche Organisationsformen anderswo in der Vergangenheit regelmäßig eindeutig in die universitäre Richtung entwickeln wollen, indem sie bei Neuberufungen nur noch entsprechende Professuren besetzten. Teilweise sind ihre Fachhochschulstudiengänge in benachbarte Hochschulen überführt worden. In L. hätte sich

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eine innovative Lösung nach dem Vorschlag der Expertenkommission angeboten. Aber dem auch von der Wirtschaft der Region begrüßten Votum zur auch institutionellen Aufrechterhaltung beider Profile wurde nicht gefolgt. Im dritten und in den folgenden Beispielen sind es die Hochschulen, die AUFE und ihre Zusammenschlüsse, die im Rahmen ihrer Selbstorganisation Qualitätssicherung betreiben. Naturgemäß profitiert die Akzeptanz von der eigenmotivierten Einsetzung von Beratungsgremien. Dies wird unterstützt, wenn kritische Bewertungen bei Nichtbeachtung zu nachhaltigen Konsequenzen für die Reputation und gegebenenfalls für die Finanzausstattung führen können. Konsequenterweise fragen Expertenkommissionen, die Kenntnis von vorausgegangenen Evaluierungen und darauf gegründeten Empfehlungen haben, regelmäßig danach, wie die Wissenschaftseinrichtungen darauf in der Folge reagiert haben. Das sollte durchgehend öffentlich nachvollziehbar Anwendung finden. Der Wissenschaftsrat tut dies mit großem Nachdruck. Dabei ist es auch angesichts der Wissenschaftsfreiheit nicht entscheidend, dass Empfehlungen eins zu eins befolgt werden, vielmehr dass sich deren Adressaten verantwortlich damit auseinandergesetzt haben. Dies alles wird komplizierter, wenn innerhalb und zwischen Wissenschaftseinrichtungen Interessenkonflikte bestehen. Das fängt in den Instituten, Fachbereichen und Fakultäten an und stellt somit eine Herausforderung für Dekanate und Hochschulleitungen dar. Es gilt a fortiori für die Hochschulen untereinander, wobei Rektorenkonferenzen erfahrungsgemäß für Konfliktlösungen untereinander nicht taugen. Sie zeichnen sich eher dort aus, wo sie gemeinsame Positionen formulieren und die Politik informiert beraten können. Noch schwieriger wird es für eine Landesregierung, die das Konzept einer hinsichtlich der Fächerstruktur und der Studien­ angebote regional komplementären Hochschulstruktur vertreten möchte. In einem relativ kleinen Hochschulsystem kann das dazu führen, dass nicht die Vorstellung von Volluniversitäten mit

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allen klassischen Fakultäten, sondern besondere Fakultäts- und Fachbereichsprofile an verschiedenen Standorten das Leitbild beeinflussen. So war es in B. zunächst intendiert, denn das Land gehörte nach der deutschen Vereinigung zu den hochschularmen Regionen, trotz oder auch gerade wegen der Nähe zu Berlin. Hier hatte die neue Landesregierung sehr bald die stattliche Zahl von neun Standorten für drei Universitäten, fünf Fachhochschulen und eine künstlerische Hochschule festgelegt. Und es gab und gibt durchaus noch mehr örtliche Aspiranten auf Hochschuleinrichtungen. Konnte und kann sich das Land dies leisten? Dieter Simon, damals Vorsitzender des Wissenschaftsrats, bezweifelte 1991 in einem Gespräch mit dem Autor, der auf Bitten des damaligen Wissenschaftsministers Hinrich Enderlein für das Land B. den Vorsitz einer der für alle neuen Bundesländer eingerichteten Kommission für Hochschulen und Forschungseinrichtungen übernommen hatte, die Fähigkeit des Landes, den Neuaufbau von neun Hochschulen zu finanzieren. Dem konnte angesichts der Berechtigung des Zweifels, aber auch mit Hinblick auf die getroffenen Standortentscheidungen, mit denen die Menschen an den jeweiligen Standorten angesichts der wirtschaft­ lichen Strukturkrise nach der Vereinigung große Hoffnungen verbanden, nur mit dem Konzept der fachlich und regional komplementären Hochschulstruktur begegnet werden. Dass das Land bis heute einen Landeshochschulrat hat, in dem übrigens auch die heutige Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung anfänglich mitwirkte, hängt damit zusammen. Komplementarität der Fächerstrukturen und Eigeninteressen der Hochschulen und ihrer Mitglieder stehen freilich in einem latenten bis offenen Konflikt. Es gibt, abgesehen von der Mitwirkung an gut dotierten Forschungsverbünden, soweit deren Ressourcenzugang nicht aus einzelnen Hochschulen heraus allein erreicht werden kann, offensichtlich kein ausgeprägtes Interesse der Hochschulen an Kooperation untereinander. Die allgemeine Wettbewerbs- und Profilierungsrhetorik sowie das manchmal

Hochschulautonomie und Governance Expertenkommissionen, die einen wissenschaftsorganisatorischen Auftrag haben, arbeiten im Spannungsfeld von Hochschulautonomie und staatlicher Verwaltung. Im Verhältnis beider gibt es eine Vielzahl von Optionen und teilweise gegenläufigen Entwicklungstendenzen. Wissenschaftsorganisatorische und inhaltliche Fragen lassen sich häufig nicht unabhängig voneinander beurteilen. Strukturen und Prozesse bedingen sich vielfach gegenseitig. Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre gehört zu den Verfassungsgrundsätzen des Landes B. (Artikel 31). Hochschulen haben im Rahmen der Gesetze das Recht auf Selbstverwaltung (Artikel 32). Hochschulautonomie ist also zugleich individuelle Autonomie (Artikel 31) und korporative Autonomie (Artikel 32). Zwischen beiden besteht ein dialektischer Zusammenhang. Dieser lässt sich leicht an drei Beispielen vergegenwärtigen, nämlich Initiativen zur Profilbildung, Sonderforschungsbereichen und Doktorschulen bzw. Graduiertenkollegs. In allen Fällen ist Voraussetzung für den Erfolg eine inhaltlich und methodisch kohärente Anstrengung von akademisch vorbildlichen und im besten Sinne unternehmerisch begabten Persönlichkeiten. Sie wollen durch Kooperation mehr erreichen, als ihnen bei der Einzelforschung, bei der alleinigen Vertretung des Faches in der Lehre oder bei der Unterstützung von Einzelpromotionen möglich wäre.

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substanzlose Gerede von Alleinstellungsmerkmalen tragen ebenfalls nicht dazu bei. Einzelnen Hochschulen gelingt unter angebbaren Bedingungen (etwa künstlerische Hochschule, nachhaltige Entwicklung, interkulturelle Brückenfunktion, Universität der Informationsgesellschaft) ein klar definiertes und abgrenz­ bares Profil, andere neigen zur Kopie und zum möglichst breiten Angebot.

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Die regionalwissenschaftliche Polarisationstheorie, die das Entstehen und die Bedingungen für die Persistenz von Ballungskernen behandelt, gibt dazu folgende Hinweise, die sich mutatis mutandis auf die Wissenschaftsorganisation anwenden lassen: Sofern Produktionsfunktionen (hier: von Forschern, Lehrenden und Studierenden) nicht voneinander unabhängig sind, sondern sich gegenseitig unterstützen (externe Effekte), sofern sie nicht linear-homogen sind, sondern positive Skalenerträge haben (Größeneffekte) und ihre Interaktion mit Transaktionskosten einhergeht, lassen sich durch Kooperation Agglomerationsvorteile erlangen. Face-to-face-Kontakte sind dabei hilfreich. Man mag das für die Zukunft der Informationsgesellschaft bezweifeln, aber das Erfolgsrezept von Silicon Valley – »Share your secrets, but not with everybody« – sagt uns etwas anderes. Es wird im Übrigen wohl wie mit dem Bücherlesen gehen, das manche Auguren schon lange zum Absterben verurteilt sahen. Agglomerationseffekte sind das beste Argument für Exzellenzinitiativen, Sonderforschungsbereiche, Forschungsgruppen, Doktorschulen, auch wenn die räumliche Dimension durch das Internet inzwischen kommunikationskostengünstig erweitert ist. Interessanterweise spiegelt sich face im Namen eines weltweiten sozialen Netzes wider.

Verantwortete Autonomie? Korporative Autonomie ist gebunden an den verantwortlichen Umgang unter und mit den Beteiligten innen und außen, ist verantwortete Autonomie. Das gilt vice versa für den verantwortlichen Umgang mit individueller Autonomie, die die Belange und die Profilbildung der Hochschule als gemeinsam getragener Veranstaltung zu respektieren und zu nutzen hat. Wer sie durch Gründung und Hochschulrecht den Hochschulen übergibt, darf also verantwortlichen Umgang mit dabei übertragenen Rechten und Pflichten gegenüber allen Beteiligten erwarten. Das gilt

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insbesondere auch und im Hinblick auf die Zukunft zuallererst für den Umgang mit den Studierenden und dem wissenschaft­ lichen Nachwuchs. Die für verantwortete korporative Hochschulautonomie wichtige Eigeninitiative zur externen Evaluierung des eigenen Tuns lässt indes oft zu wünschen übrig. Man hat manchmal den Eindruck, dass Peer Review dort am wenigsten nachgefragt wird, wo wegen offenkundiger Mediokrität die größte Notwendigkeit bestünde. Das weist auf Autonomieversagen hin und lädt verständlicherweise zur Renaissance ministerial zentrierter Hochschulpolitik ein. Auf den Prüfstand gehören immer wieder die Ergebnisse von Studienreformen. Im Zuge der Bologna-Reform haben viele Hochschulleitungen der Einrichtung kleinteiliger Bachelor- und Masterabschlüsse nicht widerstehen können. Der bundesweit vernehmbare Ruf nach Profilierung führte da und dort zu dem Missverständnis, dass im Extremfall einzelne Professuren sich ihren eigenen Studiengang konzipierten. Das kann aber eklatant der Grundlegung in der notwendigen Breite widersprechen, die den Studierenden fachliche, methodische und örtliche Optionen zum Weiterstudium, Praxis- und Auslandserfahrungen sowie flexible Arbeitsmarktzugänge eröffnen soll. Agenturen, die sich auf Antrag der Hochschulen der Akkreditierung von Studiengängen widmen, sollten in der Lage sein, fachlich und methodisch zu enge Konzepte zu verwerfen. Davon ist aber nicht selbstverständlich auszugehen. Deshalb ist zu begrüßen, dass der Wissenschaftsrat sich die Evaluierung ihrer Zertifizierungspraxis zur Aufgabe gemacht hat. Zu Beginn der Bologna-Reform bestand in der Kultusmini­ sterkonferenz die Absicht, die Vergleichbarkeit und gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen über fachliche und räum­liche Grenzen hinweg und damit die Studierendenmobilität zu fördern. Man kann dabei nur dankbar für die Arbeit des DAAD sein, der die internationale Mobilität wirksam unterstützt.

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Gleichzeitig ist aber hier und da auch die Engstirnigkeit von Prüfungsämtern und der sie fachlich steuernden Kollegien bei der Anerkennung auswärts erbrachter Prüfungsleistungen zu beklagen. Sarkastisch ist zu bemerken, dass es der individuellen Autonomie deutscher Hochschullehrer oft fernliegt, anderes als Eigenes als gleichwertig anzuerkennen. Zu beobachten ist freilich auch, dass die Bologna-Reform von den unterschiedlichsten Interessenvertretern aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und den Hochschulen selbst zur Durchsetzung ihrer eigenen Vorstellungen genutzt und damit überfrachtet wurde. Der frühere Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, hat dies zu Recht problematisiert. Die Vielfalt der Ansprüche steht überdies in bemerkenswertem Gegensatz zur schon rein quantitativ engen personellen und damit konzeptionell begrenzten Gestaltungskapazität der Wissenschaftsverwaltungen der in erster Linie zuständigen Bundesländer. Umso mehr muss jenen an Peer Review gelegen sein, umso mehr Dialog ist geboten. Autonomie- bzw. Steuerungsversagen ist beispielsweise zu beobachten, wo Hochschulleitungen, fehlgesteuert durch nicht zu Ende gedachte Systeme leistungsorientierter Mittelvergabe, zunächst Studienanfängerzahlen maximieren, um die Kohorten dann durch strikte propädeutische Exerzitien – gegen die als solche nichts einzuwenden wäre – drastisch zu reduzieren, ohne dass das Auswirkungen auf die leistungsorientierte Finanzierung hat. Auch so kommen hohe Abbrecherquoten zustande. Diese werden neuerdings gern als Argument in der Diskussion über zu viele Studierende vs. zu wenige Facharbeiter ins Feld geführt. Es bleibt indes wichtig, auf die Verantwortung der Hochschulen für ihre Studierenden und die Notwendigkeit hinzuweisen, die Abbrecherquoten durch geeignete Betreuung möglichst gering zu halten. Die bildungsbürgerliche und professorale Attitüde, die Jugend und damit die Hochschulzugänger von gestern für besser als die von heute zu halten, ist in der Literatur seit Jahrhunderten ein Topos und wir Hochschullehrer sollten uns dessen kritisch bewusst sein. Die jüngsten Bildungsstatistiken weisen im

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Unterschied zur positiven Entwicklung nach den 1970er-­Jahren auf die Notwendigkeit fortwährender Achtsamkeit gegenüber schichtspezifischer Bildungssegregation hin. Mehr und bessere Betreuung der Studierenden (Kriterien: Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Tutorinnen und Tutoren pro Studierende in der Regelstudienzeit) ist dafür wichtig. Sehr nützlich wäre in diesem Zusammenhang eine aktivere Beschäftigung und Kooperation der Hochschulen mit den zum Hochschulzugang führenden Schulen. Die Betreuung ist insbesondere auch deshalb zu betonen, weil einzelne Hochschulen sich über individuelle Studienverläufe nicht systematisch informieren und sich daher nicht in der Lage sehen, aus entsprechenden statistischen Daten (Studienerfolg, Studienfachwechsel, Studienortswechsel, Studienabbruch) Folgerungen für ihre Aufgabenwahrnehmung und Qualitätskontrolle zu ziehen. Das ist umso erstaunlicher, als angesichts der heute teilweise exzessiven Verschulung (in Bezug auf Anwesenheitskontrolle, Leistungstests, Prüfungsergebnisse, Exmatrikulationsfolgen) in Bachelor- und Masterstudiengängen den Hochschulen über ihre Prüfungsämter Informationen zu bestandenen und nicht bestandenen Prüfungen und deren Folgen (beispielsweise Exmatrikulation) vollständig zur Verfügung stehen. Anzuregen ist, dass die Hochschulen möglichst gemeinsame Forschungsstellen einrichten, die entsprechende Daten systematisch aufbereiten, analysieren und den Lehreinheiten zur Verfügung stellen. Aber auch da, wo solche Informationen verarbeitet werden, scheuen sich manche Fakultäten, Fachbereiche und Hochschulen, sie zu veröffentlichen, wenn sie davon negative Wirkungen wie etwa für die leistungsorientierte Mittelvergabe befürchten. Das ist ein sehr sensibles Thema im Verhältnis von korporativer Autonomie und Governance. Die Lösung kann indessen nicht in Informationsverweigerung bestehen. Da die Fachhochschulen schon lange darauf drängen, bei entsprechender Qualifikation ihrer Absolventinnen und Absolventen sowie der Lehrenden an Promotionsverfahren zumindest

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beteiligt zu sein, und nachdem gleichzeitig die Notwendigkeit strukturierter Doktorandenausbildung in thematisch orientierten Graduiertenkollegs und in Doktorschulen zunehmend Anerkennung findet, stellt sich die Frage der systematischen Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Fachhochschulen bei der Promotionsförderung mit noch zunehmendem Nachdruck. Fachhochschulen wünschen sich hier und da seit Langem ein eigenes Promotionsrecht. Es kommt aber zuerst darauf an, gleichzeitig Offenheit und Qualitätssicherung auf hohem Niveau zu gewährleisten. Die Hochschulstrukturkommission des Landes B. hat diesbezügliche Vorschläge gemacht, das Echo ist aber bisher, vorsichtig ausgedrückt, bescheiden. Die geringe Kooperationsbereitschaft der Hochschulen untereinander ist in der jüngeren Vergangenheit durch die hochschulpolitische Wettbewerbsrhetorik scheinbar noch legitimiert worden. Überregionale Forschungsorganisationen haben erfreu­licherweise teilweise andere Akzente gesetzt. Die Wissenschaftspolitik sollte daher nach weiteren Wegen suchen, institutionell übergreifend leistungsfähige Kooperationen anzuregen. Ist die Ministerialverwaltung angesichts ihrer personellen Ausstattung diagnostisch und handlungsorientiert in der Lage, ihrerseits Fehlentwicklungen zu erkennen? Grundsätzlich und auch bei geeigneter personeller Erweiterung ist sie dazu allein nur bedingt fähig. Sie muss deshalb auf Peer Review in den verschiedenen hier beschriebenen Varianten setzen und dabei ebenso wie die von Expertenkommissionen beratenen Hochschulen und den AUFE mit dem erhaltenen Rat sorgfältig, sensibel und kritisch umgehen. Es geht – dies ist zu wiederholen – hier wie dort nicht um die Befolgung eins zu eins, sondern um die auch für die Ratgeber nachvollziehbare verantwortliche Auseinandersetzung. Hochschulverträge, die inzwischen in B. geschlossen wurden, können in gegenseitigem Vertrauen zwischen Landesregierung und Hochschulen Lösungswege aufzeigen. Freilich, dazu gehören jeweils mindestens zwei Partner. Im Konfliktfall muss das zuständige Mitglied der Landesregierung in der Lage sein,

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die landespolitischen Ziele der Wissenschaftsorganisation – auch die komplementäre Hochschulstruktur – gegen anderslautende Wünsche aus den Hochschulen zu verteidigen, und Koopera­ tionslösungen auch durch die leistungsorientierte Mittelvergabe befördern. Anders als in manchen Bundesländern gibt das Hochschulgesetz des Landes B. der Landesregierung das Recht zur Einrichtung und Aufhebung von Studiengängen, im letzteren Fall mit der selbstverständlichen Maßgabe, allen bisherigen Studierenden das Weiterstudium bis zum Abschluss zu ermöglichen. Auf dieses Instrument sollte sie schon wegen der Ex-ante-Wirkung bei Verhandlungen über Entwicklungsziele nicht verzichten. Der wissenschaftspolitische Nutzen von Peer Review für die Hochschulen, die Länder und den Bund ist durch viele einschlägige Beispiele belegt. Dazu abschließend eine gute Nachricht: Die von der Hochschulstrukturkommission des Landes B. im Jahr 2012 vorgelegten Analysen und Empfehlungen zeigten deutlich, dass das Land auch zu dem Zeitpunkt noch Schlusslicht bei der Hochschulfinanzierung pro Kopf der Bevölkerung und der Studierenden war, was ungeachtet der naheliegenden und nachdrücklich befürworteten Kooperation mit Hochschul- und Forschungseinrichtungen in Berlin die Kommission zu dem Urteil veranlasste, das Land müsse mehr für seine Hochschulen tun. Diese Feststellung traf im Landtag angesichts der vorgelegten Daten parteiübergreifend auf Zustimmung. Dass die ursprüngliche politische Erwartung von Einsparpotenzialen der Bereitschaft zu besserer Finanzierung Platz gemacht hat, ist immerhin ein nicht zu unterschätzender Beratungserfolg. Verantwortete Autonomie sollte von Peer Review intensiver und regelmäßiger Gebrauch machen und die Wissenschaftspolitik sollte nach zusätzlichen Wegen suchen, auf denen die Kooperation zwischen Hochschulen gefördert werden kann.  ◼

Vernetzte Hochschulen. Die Rolle der Landesrektorenkonferenz Martin Sternberg

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Landesrektorenkonferenz

Im Spannungsfeld von Zusammenarbeit und Wettbewerb sind die Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen auf eine intensive Interessenvertretung angewiesen. Dies leistet seit 1971 die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen (LRK). Neben dem hochschulpolitischen Diskurs arbeiten hier die Fachhochschulen in der Hochschuldidaktik, im Verbundstudium und in der Forschungskommunikation zusammen. Ein aktuelles gemeinsames Thema ist das landesweite Graduierteninstitut für kooperative Promotionen.

Martin Sternberg

Das deutsche Hochschulsystem im Föderalismus Hochschulbildung ist Ländersache. Diese Maxime ist von den deutschen Bundesländern mit Beharrlichkeit durchgesetzt und ausgebaut worden, gibt es doch seit Langem kein bundesweit wirkendes Hochschulrahmengesetz mehr. Die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten, insbesondere aber der Wettbewerb zwischen den Ländern steht dabei im Vordergrund. Somit hat Deutschland nicht nur 16 Hochschulgesetze (ohne Spezialgesetze wie für Kunst- und Musikhochschulen), sondern auch unterschiedlichste Formen der Hochschulfinanzierung, der Besoldung oder der Qualitätssicherung. Ländergemeinsame Strukturvorgaben, Verabredungen der Kultusministerkonferenz und Beschlüsse der Fachbereichs- bzw. Fakultätentage stellen ein Mindestmaß an bundesweiter Einheitlichkeit sicher. Ebenso beteiligen sich die Hochschulen aller Länder an den Förderprogrammen des Bundes bzw. der von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten Organisationen. Der Wegfall des Kooperationsverbots gemäß §91b des Grundgesetzes eröffnet dem Bund weitergehende Fördermöglichkeiten. Somit ergibt sich die für ein Hochschulsystem eher natürliche Situation, dass die Hochschulen einerseits untereinander in einem starken Wettbewerb um Mittel, Personal und Studierende stehen, andererseits auch eine Vielzahl an gemeinsamen Interessen gegenüber dem Bund und den Ländern haben. Dazu kommt das Spannungsfeld der zwei großen Hochschultypen Universitäten und Fachhochschulen. Während sich die Ersteren als Zentrum des Wissenschaftssystems verstehen und auf den Erhalt von recht­ lichen und finanziellen Privilegien pochen, kämpfen die Fachhochschulen um Anerkennung und Ausweitung ihrer rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten. Im Kern handelt es sich dabei um ein politisches Problem, das auch nur politisch zu lösen ist.

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Seit 1949 schlossen sich die Universitäten in der Bundesrepu­ blik Deutschland zur Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) zusammen. Mit Gründung der Fachhochschulen kam es 1973 zur Bildung der Fachhochschulrektorenkonferenz (FRK ).1 Im Zuge der Hochschulreformdebatten öffnete sich die WRK 1974 für Fachhochschulen, wobei zunächst alle Fachhochschulen eines Landes nur eine Kuriatsstimme im Plenum führten, wohingegen jede einzelne Universität eine Stimme besaß. Bei dieser mehr symbolischen Vertretung der Fachhochschulen in der WRK wurde das Weiterbestehen der FRK als notwendig angesehen, die sich tatsächlich erst 1995 auflöste. Inzwischen hatte die WRK sich nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik in Hochschulrektoren­ konferenz (HRK) umbenannt und auch die Hochschulen im Bei­ trittsgebiet aufgenommen. Die heutige Stimmenverteilung in der HRK basiert auf der Studierendenzahl und ist unabhängig vom Hochschultyp. 268 Hochschulen sind dort zusammengeschlossen und vertreten etwa 94 Prozent der Studierenden in Deutschland. Als »Stimme der Hochschulen« 2 bezeichnet sich die Hochschulrektorenkonferenz. Zu ihren Aufgaben zählt sie daher laut Eigendarstellung die Sicherstellung der Information der Mitgliedshochschulen über aktuelle hochschul- und wissenschaftspolitische sowie rechtliche Entwicklungen und versteht sich als Forum für die Diskussion und den gemeinsamen Meinungsbildungsprozess der Hochschulen über wissenschafts- und hochschulpolitische Probleme und Herausforderungen bundesweit. Sie formuliert und vertritt die gemeinsamen hochschul- und wissenschaftspolitischen Positionen der Mitgliedshochschulen gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Dies kann man mit dem Vokabular von Politikwissenschaft und Soziologie als Interessenvertretung treffend beschreiben. Auch wenn die Selbstbezeichnung als »Stimme der Hochschulen« in der Vergangenheit immer wieder

Landesrektorenkonferenz

Die Hochschulrektorenkonferenz

1  Vgl. Clemens Klockner: Zur Entwicklungsgeschichte der Fachhochschulrektorenkonferenz (FRK ), in: Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Beiträge zur Hochschulpolitik 6/2010: Die Fachhochschulrektorenkonferenz (FRK ) auf dem Wege zur Vereinigung mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK ) 1972–1995, Bonn 2010, S. 9–86.  2  Vgl. http://www.hrk.de/hrk/ aufgaben-und-struktur/ (27.3.2015).

Martin Sternberg

und insbesondere von Studierendenvertreterinnen und l-vertretern lautstark kritisiert und infrage gestellt und mit dem hierzulande negativ konnotierten Begriff der Lobbyorganisation in Misskredit gebracht wurde,3 so trifft die Darstellung der eigenen Aufgaben und Ziele dennoch unbestreitbar zu – auch wenn das Intonieren einer gemeinsamen Stimme bei der häufig unvermeidlichen Vielstimmigkeit der Akteurinnen und Akteure und ihrer begründeten Interessenlagen sich oftmals auch als äußerst komplexes und schwieriges Unterfangen erweist.4 Ihre Legitimität bezieht die HRK aus der im Rahmen der akademischen Selbstverwaltung erworbenen Legitimität der in ihr vertretenen Hochschulleitungen. Da neben der HRK in den letzten Jahren auch andere Zusammenschlüsse von Hochschulen – als Teil­mengen der HRK – ihre Stimme erheben, stellt sich auch wieder die Frage nach einer angemessenen Vertretung der Fachhochschulinteressen. Ein Zurück zur FRK kann, darf und wird es dabei nicht geben.

Die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen in NRW Kaum anders als die HRK definiert auch die Landesrektorenkon­ ferenz der Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen (LRK) ihr Aufgabengebiet. Ausweislich der eigenen Darstellung im Webauftritt sieht die LRK ihre Rolle darin, ihren Mitgliedern Freiräume für die Diskussion und Gestaltung wissenschaftspolitischer Probleme und Herausforderungen zu eröffnen. Die Mitgliedshochschulen sollen somit in die Lage versetzt werden, sich gegenseitig im pausenlos in Bewegung befindlichen Bereich der Hochschulund Wissenschaftspolitik bei der Koordinierung und Positionierung von Entwicklungsvorhaben zu unterstützen und im Rahmen des öffentlichen Institutionengefüges abgestimmt mit dem Land als Gesetzgeber und den Organen und Institutionen der Wissenschaft und Wissenschaftsförderung zusammenzuwirken. Ebenso geht es der LRK um den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Schwesterorganisationen in den Bundesländern und mit der

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der nordrhein-westfälischen Fachhochschulen in wirkungsvoller Form zu kommunizieren und so den Zielen der Fachhochschulen zur Umsetzung zu verhelfen.5 Gegründet hat sich die Vertretung der Fachhochschulen in NRW bald nach Gründung der Fachhochschulen 1971, zunächst als loser Zusammenschluss ohne rechtliche Struktur. Schon 1973 griff der damalige Vorsitzende Helmuth Strehl, Rektor der Fachhochschule Aachen, in die bundespolitische Diskussion ein, indem er das Prozedere der Verhandlung zwischen FRK und WRK kritisierte.6 Die traditionelle Bezeichnung Landesrektoren­ konferenz wurde gewählt und auch beibehalten, nachdem die Mehrzahl der Rektorate als Folge des Hochschulfreiheitsgesetzes sich in Präsidien umbenannt hatte, um dem Alleinvertretungsanspruch der Universitäten entgegenzutreten. Neben den staatlichen Fachhoch­schulen im Ressort des Wissenschaftsministeriums gehören der LRK auch die vier staatlich refinanzierten kirchlichen bzw. privaten Fachhochschulen an. 2009 wurden die vier neu gegründeten Fachhochschulen aufgenommen und 2014 nach intensiver Diskussion über akademische Selbstverwaltung und Unabhängig­keit sowie Wissenschaftsorientierung und Forschung auch die staat­liche Fachhochschule für öffentliche Verwaltung. Ein wichtiger Schritt war die 2009 auf Anregung des langjährigen Vorsitzenden Joachim Metzner, Rektor der Fachhochschule Köln, erfolgte Gründung des Vereins Hochschule NRW – Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen e.V. als Träger der LRK. Die tradierten Regeln der Zusammenarbeit wurden in Form einer Satzung gefasst und eine Geschäftsstelle eingerichtet. Von besonderer Bedeutung ist für die LRK die Zusammenarbeit mit

Landesrektorenkonferenz

HRK. Bei alldem steht das Ziel im Vordergrund, die Interessen

3  Vgl. http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/protest-gegen-rektoren-wer-isthier-die-stimme-der-hochschulen-a-662911.html (27.3.2015).  4  Erinnert sei hier beispielhaft an die kritische Auseinandersetzung der nordrhein-westfälischen LRK der Fachhochschulen mit den Äußerungen von HRK -Präsident Horst Hippler und seiner Kritik an der Bologna-Reform im Rahmen eines offenen Briefes im September 2012 oder auch an die Zurückweisung seiner Darstellung von Fachhochschulen als forschungsschwache Hochschulen im Mai desselben Jahres; vgl. http://www.fh-nrw. de/index.php?id=21 (27.3.2015).  5  Vgl. http://www.fh-nrw.de/index.php?id=11 (27.3.2015).  6  Vgl. Clemens Klockner: Zur Entwicklungsgeschichte der Fachhochschulrektorenkonferenz, S. 34 f.

Martin Sternberg

der Arbeitsgemeinschaft der Kanzlerinnen und Kanzler in NRW (Kanzler-AG), die die zweite herausgehobene Gruppe im kollektiven Leitungsorgan Präsidium bzw. Rektorat repräsentiert. Dazu finden regelmäßige Abstimmungsgespräche zwischen dem Vorstand der LRK und den Sprechern der Kanzler-AG statt. Wichtig ist auch die Abstimmung mit der LRK der Universitäten im Hinblick auf gemeinsame Standpunkte gegenüber dem Land. Wenngleich gelegentlich Interessengegensätze auftauchen, erfolgt auch hier ein regelmäßiger Austausch.

Beate Rennen-Allhoff als Vorsitzende der LRK Der immer anspruchsvollen, häufig schwierigen und zuweilen auch nicht von Rückschlägen und Enttäuschungen verschonten Interessenvertretungsarbeit hat sich auch Beate Rennen-Allhoff über viele Jahre intensiv gewidmet. Von 2008 bis 2011 bekleidete sie das Amt der Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen NRW. Bereits zuvor und auch im Anschluss an ihre Amtszeit fungierte sie als stellvertretende Vorsitzende. In ihre Amtszeit als Vorsitzende der LRK fiel die Gründung des Vereins Hochschule NRW am 14. Mai 2009 an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Die Vereinsgründung trug zu einer weiteren Intensivierung der Zusammenarbeit der nordrhein-westfälischen Fachhochschulen und zu einer Professionalisierung der Inte­ ressenvertretung bei. Ein vierköpfiger Vorstand koordiniert die Arbeit des Vereins und vertritt die LRK nach außen. Unterstützt wird er dabei durch die Geschäftsstelle des Vereins, die ihren Sitz an der jeweiligen Hochschule des oder der Vorsitzenden hat. Auch wenn das Feld, in dem sich die Hochschulen politisch bewegen, die Wissenschafts- und Hochschulpolitik, einem stetigen Wandel unterworfen ist, so bleiben die Ziele und Interessen, die die LRK vertritt, doch meist lange Zeit konstant. Regierungen wechseln, Ministerinnen und Minister kommen und gehen, ja selbst die gesetzlichen Grundlagen der Arbeit der Hochschulen

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Landesrektorenkonferenz

sind oft schwindelerregenden Richtungsänderungen ausgesetzt, doch die grundsätzlichen Positionen der Fachhochschulen bleiben bestehen. Immer geht es darum, die Grundlagen und Freiräume für anwendungsorientierte Forschung und Lehre im Sinne der Hochschulen zu definieren und bisweilen auch zu verteidigen und eine verlässliche und bedarfsgerechte Ressourcenausstattung der Hochschulen zu erkämpfen und zu sichern. Diese Kontinuität der Interessenvertretungsarbeit zeigt sich deutlich anhand zweier ausgewählter Beispiele für wissenschafts- und hochschulpolitische Auseinandersetzungen. Als im Juli 2010 die neu gewählte Landesregierung aus SPD und Grünen in Düsseldorf ihren Koalitionsvertrag vorstellte, nahm die LRK dies zum Anlass, ihn auf die dort formulierten hochschulund wissenschaftspolitisch relevanten Zielsetzungen und Verabredungen hin genau zu überprüfen. Für die Fachhochschulen in NRW nahm Beate Rennen-Allhoff als LRK-Vorsitzende öffentlich Stellung und wies auf die Autonomie als Voraussetzung für Flexibilität und Leistungsfähigkeit der Hochschulen hin, einen Dauer­ brenner der politischen Auseinandersetzung zwischen Hochschulen und Gesetzgeber. Das hohe Gut der Hochschulautonomie ist damals wie heute ein in den Diskussionen mit Politik und Ministerium von den Hochschulen immer wieder in Erinnerung zu rufender Grundsatz. Aktuelles Beispiel einer Politik, die diesen Grundsatz in Frage zu stellen oder mindestens anzukratzen scheint, ist die Entscheidung des Landes, künftig über Rahmenvorgaben des Ministeriums in die Handlungsfreiheiten der Hochschulen einzugreifen. Trotz umfassender Argumentation gegen das beabsichtigte Vorgehen im Rahmen der Diskussion um das ›Hochschulzukunfts­ gesetz‹ sowie weiterer Einflussnahmeversuche auf die politisch Handelnden bis zur sprichwörtlich letzten Minute hat der Landtag im März 2015 den Gesetzespassus sowie später die Grundsätzeverordnung für die Rahmenvorgaben mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen beschlossen. Solche Erfahrungen sind die Rückschläge in der Interessenvertretungsarbeit der LRK, sie machen

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aber gleichzeitig deutlich, wie nötig ein unablässiges Engagement im Interesse der Hochschulen ist. In einem anderen Fall, in dem es auch um die rechtlichen Grundlagen von Hochschulorganen geht, sieht die Erfolgsbilanz des beständigen Mahnens im Interesse der Hochschulen deutlich positiver aus. So hatte Beate Rennen-Allhoff in ihrer Beantwortung von Fragen des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW im Rahmen des offenen Dialogprozesses zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts im März 2011 gefordert, in einem novellierten Hochschulgesetz sollte eine Möglichkeit zur Abwahl von Hochschulratsmitgliedern geschaffen werden.7 Das Hochschulgesetz NRW sieht heute in einem gänzlich neuen Absatz 4a des § 21 vor, dass Senat oder Hochschulrat »mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen des jeweiligen Gremiums eine Abberufung« eines Mitglieds des Hochschulrats vorschlagen können und das Ministerium auf diesen Vorschlag hin »bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere bei einer erheblichen Verletzung einer jenem (Mitglied) obliegenden Pflicht« ein Hochschulratsmitglied abberufen kann. In derselben Stellungnahme und ebenso bei einer Anhörung des zuständigen Ausschusses forderte Beate Rennen-Allhoff am 25. März 2011 »eine verbindliche Regelung zu kooperativen Promotionen« 8 im Rahmen der Hochschulgesetznovelle und »ein Förderprogramm für kooperative Graduiertenkollegs«.9 Niederschlag gefunden hat diese Forderung der Fachhochschulen im neuen §67a des Hochschulgesetzes. Dieser regelt nun in Absatz 1 wie gefordert »kooperative Promotionen« zwischen Fachhochschulen und Universitäten. Zudem sieht Absatz 2 zur Unterstützung kooperativer Promotionsverfahren die Errichtung eines Graduierteninstituts der Fachhochschulen vor. Dieser Absatz regelt in seinem letzten Satz auch, dass die Universitäten mit dem Graduierteninstitut zusammenarbeiten. Mit dieser gesetzlichen Verankerung des Graduierteninstituts kommt das Land einer wesentlichen Forderung der Fachhochschulen entgegen. Gleichzeitig bietet die gesetz­liche Verankerung des Graduierteninstituts die Grundlage für eine

Landesrektorenkonferenz

begründete Erwartung der Hochschulen gegenüber dem Land, sich in erheblichem Maße auch an der Finanzierung des Graduierteninstituts zu beteiligen. In diesen Diskussionen wird sich die LRK gegenüber dem Ministerium sicherlich wieder als hart­ näckige Kämpferin für die Hochschulinteressen beweisen müssen. Eine aktuelle Erhebung der nordrhein-westfälischen Fachhoch­ schulen zeigt, wie dringend nötig das vorgesehene Graduierten­ institut ist. Mit mehr als 650 aktuell laufenden kooperativen Promotionsverfahren stellen die NRW-Fachhochschulen ihre besondere anwendungsorientierte Forschungsleistung unter Beweis. Zugleich zeigt die Vielzahl von Kooperationen mit Universitäten außerhalb Nordrhein-Westfalens auch, dass nach wie vor trotz der häufig vorhandenen grundsätzlichen Bereitschaft der Universitäten zur Kooperation bei Promotionen in der Praxis Fakul­täten und Promotionsordnungen weiterhin hohe Hürden für solche Promotionsverfahren setzen. Das Graduierteninstitut soll dabei helfen, diese Hürden zu minimieren und zu meistern, und für eine möglichst reibungsarme Zusammenarbeit sorgen.10

Einrichtungen und Projekte der LRK Diese Beispiele, an denen Beate Rennen-Allhoff als Vorsitzende, Vorstandsmitglied und LRK-Mitglied beteiligt war, veranschau­ lichen die Arbeit und Bedeutung der LRK. Sie stehen stellvertretend für eine Vielzahl von hochschul- und wissenschaftspolitischen Diskussionen und Auseinandersetzungen, in denen sich die LRK als stimmgewaltige und vielfach wirkungsvolle Stimme der nordrhein-westfälischen Fachhochschulen erweist. Diese nach außen gerichtete Funktion der LRK wird durch die intensive Vernetzungsund Kooperationsarbeit der Mitgliedshochschulen untereinander 7  Vgl. Beantwortung der Fragen des MIWF im Rahmen des offenen Dialogprozesses zur Weiterentwicklung des Hochschulrechtes vom 21. März 2011; online unter: http://www.fh-nrw.de/index.php?id=23 (27.3.2015).  8 Ebd.  9 Stellungnahme während der Anhörung des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft und Forschung am 25. März 2011 zu Promotionen an Fachhochschulen; online unter: http://www. fh-nrw.de/index.php?id=23 (27.3.2015).  10  Vgl. Pressemitteilung der LRK vom 26. März 2015: Mehr als 650 Promotionsvorhaben an NRW-Fachhochschulen. Promotionen als Ausdruck der Forschungsleistung der Fachhochschulen; online unter: http://www.fh-nrw.de/index.php?id=21 (27.3.2015).

Martin Sternberg

Entwicklung der LRK -Tätigkeit Durchgeführte Veranstaltungen

2009

2010

2011

2012

2013

2014

LRK -Vorstandssitzungen

0

2

5

3

7

12

Gespräche MIWF und Landtag

0

6

7

6

16

28

Weitere Gespräche

0

3

2

4

8

10

Stellungnahmen und Positionierungen

6

8

10

10

21

21

Pressemitteilungen

4

3

4

6

5

7

Anhörungen

0

2

1

2

5

4

Weitere Aktivitäten

0

2

4

17

18

29

Output insgesamt

10

24

33

48

80

111

ergänzt, die sich in besonderer Weise in den Gemeinschaftsprojekten Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW (hdw nrw), dem Netzwerk Verbund­studium und dem Projekt Nachhaltige Forschung an Fachhochschulen widerspiegeln. Diese Kooperationen zeigen auch, dass die Interessenvertretungsarbeit der LRK weit über die Interessen­artikulation und -durchsetzung gegenüber Politik, Öffentlichkeit und im Hochschul- und Wissenschaftssystem hinausgeht. Beim hdw nrw und beim Verbundstudium stehen die unmittelbaren Interessen der etwa einhundert­tausend Studierenden an den nordrhein-westfälischen Fachhochschulen im Mittelpunkt. Ihnen die beste Lehre anbieten zu können und die Studiengänge zu ermöglichen, die sie wünschen und die auch der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nachfrage entsprechen, und ihnen damit optimale Perspektiven für den Beruf zu bieten – das ist ein zentrales Anliegen, dem sich die LRK verpflichtet fühlt. In beiden Netzwerken engagiert sich Beate Rennen-­Allhoff auch nach ihrer Amtszeit als Vorsitzende der LRK: zum einen als Vorsitzende des Vorstands des Instituts für Verbundstudien und zum anderen als Vorsitzende des Lenkungs­ rates des hdw nrw.

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Beate Rennen-Allhoff hat es in vorbildlicher Weise verstanden, in dem komplizierten Geflecht aus Verhältnissen an der eigenen Hochschule, Befindlichkeiten anderer Fachhochschulen, Empfindlichkeiten von Universitäten, wechselnden politischen Strömungen und statischen Einstellungen und Vorurteilen Schritt für Schritt Fortschritte und Vorteile für die Fachhochschulen zu bewirken. Die Fachhochschulen 2015 sind nicht mehr mit denen von 1972 zu vergleichen. Auch die Fachhochschulen – oder wie auch immer sie dann heißen – von 2040 werden sich gewaltig von den heutigen unterscheiden. Sie werden aber auch einen Diskurs auf Augenhöhe benötigen: eine LRK.  ◼

Landesrektorenkonferenz

Rückblick und Ausblick

Hochschule im Wandel. Studienangebote und ihre Finanzierung Friedrich Biegler-König

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Studienangebote und ihre Finanzierung

Hochschulpolitik, Wirtschaftsentwicklung, Hochschul­ finanzierung, Studierverhalten und die Nachfrage nach Studienplätzen haben sich in den vergangenen 15 Jahren stark und teilweise mehrfach geändert – ein Umstand, der massive Auswirkungen auf Studienangebote und ihre Finanzierung hat. Am Beispiel der Fachhochschule Biele­feld wird diese Entwicklung seit 2001 nachgezeichnet. Hierbei wird insbesondere auf die Auswirkungen von Sonderprogrammen und Gesetzesänderungen der verschiedenen Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen eingegangen, die sich teilweise diametral widersprechen.

Friedrich Biegler-König

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Bologna-Prozess Bereits im Jahr 1999 war in der Bologna-Erklärung, die von vielen europäischen Ländern unterzeichnet wurde, festgelegt worden, dass bis 2010 die Abschlüsse an den Hochschulen auf ein gestuftes System von Bachelor- und Masterstudiengängen um­gestellt werden sollten. An der Fachhochschule Bielefeld begann diese Umstellung ab 2002 und erfasste nach und nach alle existierenden (und natürlich alle neu geschaffenen) Diplomstudiengänge, aus denen Bachelorstudiengänge hervorgingen. Dieser Bologna-Prozess war insbesondere in den Ingenieurwissenschaften umstritten, denen der deutsche Titel Diplomingenieur als Qualitätsmerkmal und Markenzeichen wichtig war. Letztlich setzten sich jedoch die gestuften Abschlüsse durch. Der Änderungsaufwand an den Fachhochschulen war wesentlich geringer als an den Universitäten. Aus den sieben- oder achtsemestrigen Diplomstudiengängen wurden sechs- oder siebensemestrige Bachelorstudiengänge, während an den Universitäten der Bachelorabschluss lange Zeit als besseres Vordiplom galt. An den Fachhochschulen wurde der Prozess zudem durch die formale Angleichung von Universitäts- und Fachhochschul­abschlüssen beschleunigt. Hierdurch wurde unter anderem für Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen mit Masterabschluss eine Promotionsperspektive eröffnet, wenn auch nur in Kooperation mit einer Universität. An der Fachhochschule Bielefeld war der Umstellungsprozess im Jahr 2010 abgeschlossen. Parallel zu den gestuften Abschlüssen wurden alle Veranstaltungen der Studiengänge modularisiert, in Modulhandbüchern beschrieben und mit Kreditpunkten nach dem European Credit Transfer System (ECTS) bewertet. Dies sollte die Vergleichbarkeit und Anrechnung von Leistungen, die an verschiedenen Hochschulen erworben wurden, systematisieren.

Erschwert wurde die Studienreform allerdings durch eine starke Reduzierung des Personals der Hochschulen. Nach mehr oder weniger stetigem Anstieg seit der Gründung der Fachhochschulen im Jahr 1971 erreichte die Anzahl der Studierenden an der Fachhochschule Bielefeld mit 7 560 im Jahr 1992 einen vorläufigen Höhe­punkt und fiel dann bis zum Jahr 1999 auf 6 155 ab. Auch in den Jahren 2000 und 2001 konnte nur eine marginale Erholung der Studierendenzahlen festgestellt werden. In dieser Situation legte die Landesregierung den sogenannten Qualitätspakt auf, der aufgrund der prognostizierten Entwicklung der Studierendenzahlen die Entwicklung der Hochschulen im kommenden Jahrzehnt steuern sollte. Durch den Qualitätspakt sollte »die Korrektur struktureller Fehlentwicklungen« 1 erreicht werden. Außerdem war eine Anzahl abzubauender Stellen durch die Landesregierung vorgegeben worden. Die Situationsanalyse wurde von einem Expertenrat durchgeführt, der in seinem Abschlussbericht vom 20. Februar 2001 Empfehlungen für die Entwicklung der verschiedenen Fächer abgab. Ausgegangen wurde von den Annahmen, dass sich erstens die Studierneigung der jungen Menschen nicht wesentlich ändere und dass zweitens die Zahl der Studienanfänger nur geringfügig steigen und das Maximum von 1992 schon aus demografischen Gründen nicht wieder erreichen werde. Beide Einschätzungen erwiesen sich als nicht zutreffend. Die Empfehlungen des Expertenrates führten vor allem in den Ingenieurwissenschaften zu einer dramatischen Verringerung der Ressourcen und insbesondere der Personalstellen an den Hochschulen. Warum waren die Ingenieurwissenschaften besonders stark betroffen? Die Anzahl der Studienbewerber in den Ingenieurwissenschaften unterliegt einem langfristigen Zyklus, der sich deshalb stark auf die Anzahl der Studierenden auswirkt, da diese Studiengänge häufig keine Zulassungsbeschränkung haben. In den

1 

Studienangebote und ihre Finanzierung

Qualitätspakt

Abschlussbericht des Expertenrates vom 20. Februar 2001.

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Studiengängen der Buchwissenschaften, vor allem in Betriebswirtschaftslehre und Sozialwesen, ist die Anzahl der Studienbewerber meist deutlich höher als die Anzahl der angebotenen Studienplätze – Schwankungen in der Bewerberzahl wirken sich wenig oder gar nicht auf die Anzahl der Studierenden aus. Wie auch an anderen Hochschulen beobachtete der Expertenrat also einen besonders starken Rückgang der Studierenden in den Ingenieurwissenschaften der Fachhochschule Bielefeld, besonders im Maschinenbau, dem zahlenmäßig stärksten Zweig. Dies führte zu der Empfehlung, in diesen Studiengängen die Anzahl der Stellen besonders stark zu reduzieren. Zeitweise wurde sogar die völlige Auflösung des Maschinenbaus in Bielefeld zugunsten der Fachhochschule Lippe und Höxter – der heutigen Hochschule Ostwestfalen-Lippe – diskutiert. Aus dem Namen Qualitätspakt wurde intern scherzhaft Qualizid. Letztlich verloren die Ingenieurwissenschaften in Bielefeld 15 Stellen, davon allein der Maschinenbau neun. An der Fachhochschule Bielefeld wurden 19 Stellen abgezogen sowie fünf weitere durch die Erhöhung der Arbeitszeit für Beamte auf 41 Stunden. Die Zahl der Stellen für Professorinnen und Professoren verringerte sich um etwa zehn Prozent. Der Abbau dieser Stellen zog sich bis 2009 hin.

Globalhaushalt und Budgetierung Eine andere Entwicklung, die ab 2004 einsetzte, war die zunehmende Autonomie der Hochschulen. Der erste große Schritt war die Einführung eines Globalhaushaltes im Jahr 2006. Jeder Hochschule wurde ein festes Budget zugewiesen, aus dem das Personal und alle anderen Ressourcen wie Sachmittel und Liegenschaften finanziert werden sollten. Bei der Festlegung der Budgets wurden die bisherigen Stellen zu 96,8 Prozent ausfinanziert – ausgehend von der Annahme, dass immer Stellen unbesetzt sind. Während vorher das Personal meist in Stellen gezählt wurde, verlor dieser Begriff weitgehend an Bedeutung; nur bei beamteten

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Studienangebote und ihre Finanzierung

Stellen ist im Hinblick auf die Versorgungslasten noch von Stellen die Rede. Nach Einführung der Budgets können die Hochschulen beliebig viel Personal einstellen, wenn denn die Finanzmittel ausreichen. An der Fachhochschule Bielefeld wurde beschlossen, die Budgetierung auf der Ebene der Fachbereiche und zentralen Einheiten fortzuführen. Dies bedeutet, dass beginnend mit dem Jahr 2009 die Fachbereichsleitungen ihr Budget für Personal- und Sachmittel selbst verwalten und weitgehend selbst planen können, welche Stellen besetzt werden. Diese strategischen Planungen werden einmal pro Jahr bei der Aufstellung des Hochschulentwicklungsplans (HEP) mit der Hochschulleitung vereinbart. Stellenbesetzungen außerhalb des HEP müssen vom Präsidium genehmigt werden. Bei den Fachbereichsbudgets wurden nur 90 Prozent der bisherigen Stellen ausfinanziert; im Gegenzug wurde auf eine Weiter­ gabe des Stellenabbaus durch die Arbeitszeiterhöhung an die Fachbereiche verzichtet. Da eine Personalkostenbudgetierung bei kleinen Fachbereichen sehr volatil ist, war diese Entwicklung einer der Gründe, Fachbereiche zusammenzulegen und größere Einheiten zu bilden. So wurden 2010 die Fachbereiche Elektrotechnik, Maschinenbau und Mathematik und Technik im neuen Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik vereint. Ebenfalls in 2010 wurde der Fachbereich Pflege im Aufbau in den Fachbereich Wirtschaft zum neuen Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit integriert. Im Jahr 2015 werden die Mindener Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen und Technik zu einem Fachbereich Campus Minden vereint. Auch die zentralen Einheiten von Bibliothek und Datenverarbeitungszentrale wurden 2013 unter dem Dach Serviceverbund MIND (Medien- und Informationsdienste) zusammengefasst und budgetiert.

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Hochschulfreiheitsgesetz Der zweite wesentliche Schritt in Richtung Hochschulauto­ nomie war die Verabschiedung des Hochschulfreiheitsgesetzes im Jahr 2006, das zum 1. Januar 2007 in Kraft trat. Durch dieses Gesetz wurden die Hochschulen als Körperschaften des öffentlichen Rechts verselbstständigt; die Landesregierung behielt nur die Rechtsaufsicht. Weitere Änderungen waren die Einführung eines Hochschulrates als Aufsichtsgremium, die Übertragung der Dienstherrenfähigkeit an die Hochschulen und eine weitgehende fachliche Autonomie. Die Fachaufsicht (beispielsweise durch die Festlegung der Anzahl der auszubildenden Studierenden) wurde fortan durch sogenannte Zielvereinbarungen zwischen Landes­ regierung und Hochschulen ausgeübt. Besonders die letzten beiden Punkte waren für die Hochschulentwicklung bedeutend: Hochschullehrer waren ab jetzt zumeist Beamte der jeweiligen Hochschule und nicht mehr des Landes. Die Hochschule kann ohne Rücksprache mit dem Wissenschaftsministerium Professoren berufen. Durch die größere fachliche Autonomie kann die Hochschule darüber hinaus selbst entscheiden, welche Studiengänge auslaufen oder neu eingerichtet werden. Um hier die notwendigen Qualitätsstandards zu gewährleisten, wurden sogenannte Akkreditierungsagenturen auf­gebaut, die in regelmäßigen Abständen alle Studiengänge beurteilen (akkreditieren). Durch die erweiterte Autonomie der Hochschulen war es in den folgenden Jahren auch der Fachhochschule Bielefeld möglich, flexibel und schnell auf sich ändernde Randbedingungen, insbesondere auf die stark steigenden Studierendenzahlen zu reagieren. Ohne das Hochschulfreiheitsgesetz wäre die Expansion der Hochschule in den folgenden Jahren nicht in diesem Ausmaß möglich gewesen.

Um die im Vergleich zu anderen Industriestaaten überdurchschnittlich langen Ausbildungszeiten zu senken, wurde seit Beginn des Jahrhunderts die Gymnasialzeit schrittweise und in allen Bundesländern unterschiedlich von neun auf acht Jahre reduziert. Seit 2009 gibt es deshalb doppelte Abiturjahrgänge, in Nordrhein-Westfalen etwa seit 2013. Die Kultusministerkonferenz (KMK ), die in regelmäßigen Abständen Prognosen über die Anzahl der Studienanfänger der kommenden Jahre erstellen lässt, sagte deshalb für den Zeitraum bis 2013 einen erhöhten Bedarf an Studienplätzen voraus, der nur durch einen Ausbau der Kapazitäten an den Hochschulen gedeckt werden konnte. Deshalb vereinbarten Bund und Länder zunächst für die Jahre 2007 bis 2010 einen sogenannten Hochschulpakt 2020 (HSP), in dessen Rahmen die Hochschulen Geld für zusätzliche Studienplätze bekamen. Im Rahmen einer Zielvereinbarung zwischen Hochschule und Landesregierung wurde für jede Hochschule eine Basiszahl von Studienanfängern festgelegt, die die Hochschulen ohne weitere Zuweisungen aufnehmen müssten. Für jedes Jahr des Hochschulpakts wurde dann die über diese Basiszahl hinausgehende Anfängerzahl vereinbart und jeder zusätzliche Anfänger mit 20 000 Euro – verteilt über vier Jahre – finanziert. Um zu vermeiden, dass für die gleiche Person die Prämie mehrfach aus­ gezahlt wird, zählen im HSP nur sogenannte Hochschulerstsemester, also Studienanfänger, die erstmals ein Studium in Deutschland beginnen. Eine ähnliche Vereinbarung wurde später für die Jahre 2011 bis 2015 mit stark erhöhten Zahlen abgeschlossen (HSP II). Für diesen Zeitraum wurde aus verschiedenen Gründen mit dem Maximum an Studienanfängern gerechnet, da es in Nordrhein-Westfalen 2013 den doppelten Abiturjahrgang gab und ab 2011 die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Hierdurch kamen viele

Studienangebote und ihre Finanzierung

Hochschulpakt

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Studienanfänger früher in die Hochschulen. Ab 2015 sollten die Jahrgänge aufgrund der demografischen Entwicklung schwächer werden. Bereits seit 2008 zeichnete sich jedoch eine Entwicklung ab, die von den bisherigen Prognosen nicht berücksichtigt wurde: eine deutliche Steigerung der Studierneigung bei jungen Leuten  – ein immer größerer Prozentsatz eines Jahrgangs nimmt ein Studium auf. So wurde das bisherige Maximum der Studierendenanzahl an der Fachhochschule Bielefeld von 1992 im Jahr 2010 mit 7 582 Studierenden erstmals wieder überschritten und steigt seitdem kontinuierlich an. Im Jahr 2014 waren über 9 500 Studierende an der Fachhochschule Bielefeld immatrikuliert. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, wurden die vereinbarten Zahlen für die Jahre 2013, 2014 und 2015 durch weitere Abmachungen zwischen Hochschulen und Ministerium erhöht. Zugleich wurde es immer unwahrscheinlicher, dass die Studienanfängerzahlen ab 2015 tatsächlich absinken. Die KMK-Prognosen sagten jetzt eher ein Plateau voraus: in etwa gleichbleibende Zahlen bis mindestens 2020. Dies führte zur Vereinbarung eines dritten Hochschulpakts (HSP III) im Jahr 2015. All diese Maßnahmen bewirkten, dass erstmals seit Beginn des Qualitätspakts die Hochschulen wieder besser finanziert wurden und die Möglichkeit hatten, die Studienprogramme ohne Sparund Schrumpfzwang kreativ weiterzuentwickeln. Im Rahmen des ersten und zweiten Teils des HSP erhält die Fachhochschule Bielefeld in den Jahren 2007 bis 2018 über 65 Millionen Euro. An der Fachhochschule Bielefeld hatte der Hochschulpakt besonders großen Einfluss auf das Studienangebot. Schon zu Beginn des Jahres 2007 wurde beschlossen, die der Hochschule zusätzlich zur Verfügung stehenden Mittel fast ausschließlich für den Aufbau neuer Studienangebote zu verwenden. Die Fach­ bereichsleitungen wurden um Vorschläge für neue, innovative Studiengänge gebeten, die mit vertretbarem Aufwand und unter Nutzung von Synergien mit existierenden Studienangeboten verwirklicht werden könnten.

Studienangebote und ihre Finanzierung

Die wesentliche Ausnahme von diesem Beschluss war der Studiengang Maschinenbau, der durch die Kürzungen des Qualitätspakts besonders stark geschrumpft war. Da natürlich immer nur Stellen gestrichen wurden, die durch Pensionierungen frei wurden, hatte es in diesem Studiengang nahezu zehn Jahre keine Neubesetzung gegeben. Hier konnten mit HSP-Mitteln fünf Professuren und zwei Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter neu besetzt werden. Die Verluste aus dem Qualitätspakt wurden hierdurch nicht vollständig ausgeglichen; dennoch ist der Maschinenbau heute wieder der stärkste technische Studiengang der Fachhochschule Bielefeld. Eine weitere Professur wurde für den Studiengang Betriebswirtschaftslehre finanziert, der ebenfalls durch den Qualitätspakt mehrere Stellen verloren hatte. Alle anderen Mittel für neues Personal wurden in neue Studien­ angebote investiert: Wirtschaftsinformatik   Dieser Studiengang war bereits geplant und begann im Wintersemester 2006/2007. Regenerative Energien   Diese Studienrichtung im Studiengang Elektrotechnik begann im Wintersemester 2007/2008 nach sehr kurzer Planungszeit. Da auch benachbarte Hochschulen ähnliche Angebote planten, sollte dieses wichtige Feld für die Fachhochschule Bielefeld besetzt werden. Pädagogik der Kindheit   Im Wintersemester 2007/2008 wurde aus diesem Schwerpunkt ein Studiengang, der bald ähnlich gut nachgefragt war wie Soziale Arbeit. Wirtschaftspsychologie   Dieser Studiengang wurde 2008/2009 in der Lehreinheit Wirtschaft aufgebaut und hatte bald die strengste Zulassungsbeschränkung und die meisten Bewerber der Fachhochschule Bielefeld. Wirtschaftsingenieurwesen  In der Lehreinheit Mechatronik wurde 2008/2009 dieser Studiengang eingerichtet. Er ist heute der nach dem Maschinenbau größte technische Studiengang. Verbundstudium Maschinenbau  Als Weiterbildungsstudiengang mit großen Selbstlernanteilen und Kontaktzeiten am Wochenende begann dieser Studiengang im Wintersemester 2008/2009.

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Gesundheits- und Krankenpflege   Mit

der Zentralen Akademie für Berufe im Gesundheitswesen (ZAB) in Gütersloh wurde dieser duale Studiengang gemeinsam geplant und ab Wintersemester 2010/2011 auch auch gemeinsam durchgeführt. Eine ähnliche Kooperation gab es ein Jahr später im Rahmen des Fachhochschulausbauprogramms auch am Campus in Minden.2 Studienort Gütersloh   Bereits seit einiger Zeit und durch Verhandlungen mit mehreren Hochschulen bemühten sich der Kreis und die Stadt Gütersloh darum, Studienort zu werden. Zugleich suchten ortsansässige Firmen gemeinsam mit der Fachhochschule Bielefeld nach einem Modell, das sowohl Abiturientinnen und Abiturienten einen Studieneinstieg als auch ­Betriebsangehörigen eine zum Ingenieurabschluss führende Weiterbildungschance bietet. Entwickelt wurde durch diese Zusammenarbeit das praxisintegrierte Studium, das Studierenden sowohl die Integration in ein Unternehmen (zwei mal drei Monate im Jahr) als auch ein anspruchsvolles Studium mit hohem Selbstlernanteil (ebenfalls zwei mal drei Monate im Jahr) bietet. Die Studieninteressierten bewerben sich zunächst bei einem Unternehmen und werden bei Annahme und Vorliegen einer gültigen Hochschulzugangsberechtigung in die praxisintegrierten Studiengänge eingeschrieben. Obwohl der Antrag auf Finanzierung aus dem Fachhochschulausbauprogramm des Landes NRW abgelehnt wurde, beschlossen der Kreis und die Stadt Gütersloh und die Fachhochschule Bielefeld die Einrichtung von zwei praxisintegrierten Studiengängen mit Lehrveranstaltungen in Gütersloh. Die Finanzierung wurde durch den HSP und zunächst zwei, später vier Stiftungsprofessuren zunächst bis zum Auslaufen des HSP (bis 2023) gesichert. Im Wintersemester 2010/2011 gingen die praxisintegrierten Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen und Mechatronik/Automatisierung in Gütersloh an den Start. Betriebswirtschaftslehre   Ein praxisintegrierter Studiengang BWL startet im Wintersemester 2015/2016 in Bielefeld.

Studienangebote und ihre Finanzierung

Die neuen Studienangebote wurden sehr gut angenommen. Einige von ihnen entwickelten sich zu den am meisten nach­ gefragten in ihren Fachbereichen. Die vom Wissenschaftsministerium vorgegebenen Hochschulerstsemesterzahlen wurden bisher in jedem Jahr übertroffen. Diese Expansion der Studienangebote zog einen starken Anstieg der Personalzahlen an der Fachhochschule Bielefeld nach sich. Aus Hochschulpaktmitteln wurden über 35 Positionen neu besetzt, davon 24 Professuren. Da die Hochschulpaktmittel nicht dauerhaft zur Verfügung stehen – momentan sieht es nach einem Auslaufen im Jahr 2023 aus –, ist die Besetzung von Dauerstellen ein Problem für alle Bereiche. Deshalb wurde das Mittel der vorgezogenen Besetzung intensiv verwendet, um die finanzielle Stabilität der Bereiche auch nach Auslaufen des HSP zu gewährleisten. Die Koordinierungsleistung der Fachbereiche und zentralen Einheiten bei Finanzierung und Lehrgebieten kann hier kaum überschätzt werden. Trotzdem wurden natürlich viele Stellen befristet besetzt, zum großen Teil mit sachgrundloser Befristung auf zwei Jahre. Die meisten dieser Stellen könnten zu dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen werden, stünden die Mittel des HSP stabil zur Verfügung. Einen kleinen Schritt in diese Richtung ging die Landesregierung 2012 mit dem sogenannten Fachhochschulstärkungsprogramm. Dieses beinhaltet im Wesentlichen das Versprechen der Verstetigung des Landesanteils am HSP. Mit dieser Maßnahme soll der Anteil der Fachhochschulen an der Hochschulausbildung ausgebaut werden. Mittelfristig ist ein Anteil von etwa 45 Prozent avisiert. Die Mittel für die Universitäten sollen dann entsprechend gekürzt werden.3 Mit der Vereinbarung des HSP  III wurde der Zeitpunkt für diese Mittelumschichtung auf die Zeit nach 2023 verschoben. Diese Zusage bedeutet eine Erleichterung der Hochschulfinanzierung, da nun ein Teil der HSP-Mittel für dauer­haftes Personal ausgegeben werden kann, ohne bei Auslaufen des HSP finanzielle Engpässe zu verursachen.

2  Siehe dazu weiter unten.  3  Die Einzelheiten dieser Kürzungen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht bekannt.

Friedrich Biegler-König

An der Fachhochschule Bielefeld sind 2 250 000 Euro jährlich durch das Fachhochschulstärkungsprogramm gesichert worden. Zusätzlich kamen bereits zwischen 2013 und 2015 neun zusätz­ liche Professorenstellen4 an die Hochschule, was den Stellenpool für Beamte erweiterte und einige Neuberufungen absicherte. Trotzdem werden mit Auslaufen des HSP einige und nicht notwendig nur die neu entwickelten Studienangebote auf den Prüfstand kommen müssen.

Fachhochschulausbauprogramm Im Jahr 2008 beschloss die Landesregierung, neben dem Hochschulpakt ein weiteres Ausbauprogramm speziell für Fachhochschulen aufzulegen. Zu diesem Zweck wurden die Fachhochschulen, aber auch Kreise und Kommunen aufgefordert, sich für diese Ausbaumittel zu bewerben. Die Fachhochschule Bielefeld stellte einen gemeinsamen Antrag mit den anderen westfälischen Hochschulen. Hierin wurden unter anderem der Aufbau des Studienortes Gütersloh, eine Stärkung der MINT-Studiengänge5 in Bielefeld und insgesamt eine Erweiterung um 500 Studienplätze vorgeschlagen. Gleichzeitig stellten der Kreis und die Kommune in Minden den Antrag auf Einrichtung einer neuen Fachhochschule mit 2 500 Studierenden unter Einbeziehung des Mindener Teils der Fachhochschule Bielefeld. Beide Anträge waren erfolglos, was sowohl in Minden als auch in Gütersloh zu einiger Frustration führte. Gleichzeitig wurde, sozusagen als Kompromiss, die Fachhochschule Bielefeld mit dem Aufbau von 500 neuen MINT-Studienplätzen in Minden beauftragt. Ein großer Teil dieser Studienplätze sollte im dualen Bereich angesiedelt sein. Der Antragsteil für den Studienort Gütersloh wurde, auch wegen des großen Engagements und der Unterstützung von Wirtschaft, Kreis und Kommune in Gütersloh, mit Hochschulpaktmitteln durchgeführt.

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4  Nur Stellen, nicht ihre Finanzierung!  schaften, Technik.

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Studienangebote und ihre Finanzierung

In Minden war die Lage eine andere: Die lokale Politik und Wirtschaft musste sich durch die Ablehnung einer eigenen Fachhochschule mit einer starken Reduzierung der ursprünglichen Ansprüche abfinden und weiterhin mit der Fachhochschule Biele­ feld zusammenarbeiten. Außerdem war der Mindener Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen mit 551 Studierenden im Sommersemester 2008 und 155 Neueinschreibungen im Wintersemester 2008/2009 eher schwach und unterausgelastet. Es war ausgeschlossen, die 500 neuen Studienplätze durch Erweiterung der bestehenden Studiengänge oder durch Gründung von bau­ nahen Studiengängen zu realisieren. Das Präsidium der Fachhochschule Bielefeld beschloss daher, zunächst drei neue praxisintegrierte Studiengänge aufzubauen: Wirtschaftsingenieurwesen, Elektrotechnik und Maschinenbau. Trotz erheblicher Kritik aus Wirtschaft und Politik, aber auch aus der Landesregierung, die schnell auf das Label MINT verzichtete, wurde an diesen Plänen festgehalten und mit der Werbung bei Studieninteressierten und in der Wirtschaft begonnen. Alle drei Studiengänge sind für 35 Studienanfänger pro Jahr ausgelegt. Im Wintersemester 2009/2010 startete als erster dieser Studiengänge der Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen mit zehn Neuanfängern in zusätzlich angemieteten Liegenschaften nahe den Gebäuden des bisherigen Fachbereichs. Der Anfang war denkbar schwierig, nachdem zwei Neuberufungen gescheitert waren. Die wenigen Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Lehrbeauftragten, die in den beiden ersten Semestern den Studienbetrieb aufbauten, leisteten großartige Arbeit. Der zweite praxisintegrierte Studiengang Elektrotechnik ging im Wintersemester 2010/2011, der dritte, Maschinenbau, im Wintersemester 2011/2012 an den Start. Außerdem richtete der Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen zum Wintersemester 2010/2011 den Studiengang Projektmanagement Infrastruktur/Logistik ein, der etwa 20 Studienanfänger pro Jahr aufnehmen kann.

Mathematik, Informatik, Naturwissen-

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Bereits Ende 2009 war klar, dass mit diesen vier Studiengängen die avisierte Zahl von 160 Studienanfängern bzw. 500 Studierenden nicht erreicht werden konnte; tatsächlich hat sich die Zahl der Studienanfänger in diesen Studiengängen bei etwa 100 eingependelt. Deshalb wurde mit dem Aufbau eines Präsenzstudiengangs Informatik begonnen, der erstmalig im Wintersemester 2010/2011 63 Studierende aufnahm. Das Fach Informatik wurde vor allem deshalb gewählt, weil ein solches Angebot im Portfolio der Fachhochschule Bielefeld bisher nicht vorhanden war – eine Konkurrenzsituation mit dem Standort Bielefeld sollte vermieden werden. Der Studiengang Informatik ist seither der zahlenmäßig stärkste Studiengang im FH-Ausbauprogramm der Fachhochschule Bielefeld. Im Sommersemester 2014 kam noch ein Masterstudiengang Informatik hinzu, der etwa 30 Studierende im Jahr aufnehmen kann und bereits heute gut nachgefragt ist. Komplettiert wurde das Ausbauprogramm am Campus Minden durch eine Vereinbarung mit den Mühlenkreiskliniken zur Errichtung eines dualen Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege mit einer jährlichen Aufnahmekapazität von 45 Studienanfängern. Das Studienprogramm ist identisch mit dem des gleichnamigen Bielefelder Studiengangs. Der Studienbetrieb in Minden begann im Wintersemester 2011/2012. Das Fachhochschulausbauprogramm am Campus Minden ist bisher sehr erfolgreich. Es wurden ca. 850 neue Studienplätze geschaffen. Jährlich nehmen jetzt fast 500 junge Menschen am Campus Minden ein Studium auf. Auch für Personal und Finanzen der Fachhochschule Bielefeld bedeutet das Ausbauprogramm eine weitere Expansion. 24  neue Professuren konnten ausgeschrieben und besetzt werden. Das Budget der Hochschule wird voraussichtlich ab 2016 um 6 400 000 Euro angehoben.

Bei der geschilderten starken Expansion der Fachhochschule Bielefeld ist es unbedingt notwendig, die Qualität der Lehre zu überwachen und wenn möglich zu steigern. Die Lage verschärfte sich in den Jahren 2013 bis 2015 zusätzlich dadurch, dass der geplante Neubau, der pünktlich zum doppelten Abiturjahrgang bezogen werden sollte, mit einer Verspätung von zwei Jahren erst 2015 fertiggestellt wird. Dies hatte bei den hohen Studierendenzahlen eine nicht geplante räumliche Enge und eine Zersplitterung der Lehre durch die Notwendigkeit weiterer Anmietungen zur Folge. Dass die Studierendenzufriedenheit trotzdem stieg, ist dem Engagement der Lehrenden und den fortdauernden Bemühungen der Fachbereiche um eine Verbesserung der Studiengänge zu verdanken. Zentrale Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre waren beispielsweise die Vereinheitlichung der Evaluationen von Veranstaltungen, Studiengängen und Fachbereichen und natürlich die im Sommersemester erfolgreich abgeschlossene Systemakkreditierung – als zweite Hochschule in NRW. Die mit dem Bologna-Prozess eingeführte regelmäßige Akkreditierung aller Studien­gänge wurde bisher durch Akkreditierungsagenturen durchgeführt. Mit der Systemakkreditierung wird der Fachhochschule Bielefeld bescheinigt, dass sie über ein ausreichend gutes Qualitätsmanagement verfügt, um Studiengänge in Zukunft selbst akkreditieren zu können. Das Land NRW führt seit 2007 jährlich einen Vergleich der Hochschulen im Lande durch, der sich auch auf die Budgets der Hochschulen auswirkt: die leistungsorientierte Mittelverteilung (LOM). Im Rahmen der LOM wird ein Teil des Hochschulbudgets (zwischen 20 und 23 Prozent) in einem zentralen Topf zurück­ gehalten und nach bestimmten Kriterien an die Hochschulen verteilt. Die Kriterien sind Lehre (durch die Anzahl der Studierenden und Absolventinnen und Absolventen), Forschung (Höhe

Studienangebote und ihre Finanzierung

Qualität der Lehre und leistungsorientierte Mittelverteilung

Friedrich Biegler-König

der eingeworbenen Drittmittel) und Gleichstellung (Anzahl der mit Frauen besetzten Professuren). Diese Kriterien haben sich im Laufe der Zeit einige Male geändert. So gingen zunächst Studienanfänger- und Absolventenzahlen in den Vergleich ein, neuerdings sind es nur noch die Absolventenzahlen (Stichwort Output-Orientierung). Auch die Fächergewichtungsfaktoren änderten sich. Früher wurden Absolventen der MINT-Studiengänge stärker gewichtet, seit 2015 zählen alle Absolventinnen und Absolventen gleich viel. Der Parameter Lehre dominierte immer mit 70 bis 80 Prozent die LOM. Obwohl die Fachhochschule Bielefeld von Beginn an im Parameter Gleichstellung eine Spitzenposition innehatte, waren die Gesamtergebnisse für die Fachhochschule Bielefeld meist negativ: In den Jahren von 2007 bis 2010 akkumulierte sie Verluste in Höhe von 668 000 Euro. In den Jahren 2011 und 2014 wurde keine LOM durchgeführt. Ab 2013 wurde das Ausgangs­ niveau eingefroren, sodass sich die Ergebnisse über die Jahre nicht mehr aufaddieren. Seit 2012 gingen die Verluste der Fachhochschule Bielefeld zurück, im Jahr 2015 wurde erstmals ein positives Ergebnis erzielt.6 Der Grund für diese Verbesserung lag einerseits in der erfolgreich gestalteten Expansion im Rahmen von HSP und FH-Ausbauprogramm und der stetigen Verbesserung der Studienbedingungen, der Qualität der Lehre und der Curricula, andererseits natürlich im Wegfall der Höhergewichtung der (teureren) MINT-Studiengänge. Dies wirkt sich positiv aus, da die Fachhochschule Bielefeld über den größten nicht technischen Bereich im Land NRW verfügt.

Fazit und Ausblick Der Fachhochschule Bielefeld ist es unter der Leitung von Beate Rennen-Allhoff in den letzten Jahren sehr gut gelungen, das Studienangebot zu reformieren und sich als hervorragende Hochschule zu etablieren. Dies geschah trotz nicht optimaler Infrastruktur und unter wechselnden politischen Vorgaben, einer

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Studienangebote und ihre Finanzierung

unsicheren Hochschulfinanzierung und stark steigenden Studierendenzahlen. Diese Aufwärtstendenzen sollten sich in den nächsten Jahren fortsetzen, beispielsweise in der LOM durch die zunehmende Zahl der Absolventinnen und Absolventen in den neuen praxisintegrierten Studiengängen (geringe Abbruchquote, viele Absolventen in der Regelstudienzeit). Zu beachten ist, dass sich nicht nur die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger und Studiengänge erhöhte, sondern auch die Vielfalt der Studienformate. Heute gibt es an der Fachhochschule Bielefeld neben den herkömmlichen Präsenzstudiengängen duale, praxisintegrierte, Verbund- und Teilzeitstudiengänge. In den kommenden Jahren muss das Angebot an Masterstudien­ gängen an der Fachhochschule Bielefeld erweitert werden. Auch hier wird es die oben erwähnte Vielfalt an Studienformaten geben. Das von der Landesregierung aufgelegte Masterprogramm wird bei diesem Vorhaben Unterstützung leisten.  ◼

2012: -256 000 Euro, 2013: -163 000 Euro, 2015: +27 000 Euro.

Hochschule früher und heute. Wechsel in der Wissenschaftsorganisation Heinrich Ostholt

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Wechsel in der Wissenschaftsorganisation

Bis 2001 erfolgte der Übergang im Rektorat gemäß dem alten Hochschulgesetz mit dem Senat als Herrn des Verfahrens. Bis 2014 erfolgte der Präsidiumswechsel auf der Basis des Hochschulfreiheitsgesetzes, das heißt über den Hochschulrat im Benehmen mit dem Senat. Das seit dem 16. September 2014 gültige Hochschulzukunftsgesetz bringt wiederum eine weitere, gravierende Änderung: Die Hochschulwahlversammlung wird zukünftig entscheiden. Die Hochschulwahlversammlung besteht zur einen Hälfte aus sämtlichen Mitgliedern des Senats und zur anderen aus sämtlichen Mitgliedern des Hochschulrats. Was steckt hinter dem deutlichen Wandel in der Hochschulpolitik: gleichsam natürliche Anpassungen in der Wissenschaftssteuerung und -organisation? Oder mehr?

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Hochschule früher und heute Wie vor 14 Jahren vollzieht sich der Wechsel im Rektorat bzw. Präsidium der Fachhochschule Bielefeld im Rahmen einer feierlichen Zusammenkunft und Betrachtung der Aufgaben und Leistungen. Wer die Entwicklungen der letzten 45 Jahre im Hochschulbereich in den Blickt nimmt und vor allem die hier statt­gefundenen Veränderungen erlebt hat, dem stellt sich zwangsläufig die Frage, ob diese Veränderungen unter Fortschritt zu verbuchen sind oder ob der gesamte Wissenschaftsbetrieb zum Spielball der Politik geworden ist. Sicherlich birgt eine solche Betrachtung, die immer auch Bewertung ist, ein subjektives Element. Seit Mitte der 1960er-­ Jahre war die deutsche Bildungskatastrophe ein Dauerthema. Das Universitätswesen war nicht nur unter den Talaren vermufft.1 Viel zu wenige Jugendliche hatten eine höhere Bildung. Die Fach­schü­ lerinnen und -schüler und die Studierenden rebellierten. Der tertiäre Bereich war völlig ungeordnet, es bestand ein Sammel­surium von Fachschulen. Schülerinnen, Schüler und Studierende, unterstützt von einigen Lehrenden, streikten über viele Monate, diskutierten und protestierten. Ständige Gruppendiskussionen aller­ orten, ein Reformpapier jagte das nächste, bis sich 1968 die elf Ministerpräsidenten der Länder auf ein Abkommen zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Fachhochschulwesens einigten.2 Damit hatte der breite demokratische Druck letztlich Erfolg. In dem Buch 25 Jahre FH Bielefeld. Hochschule der Praxis schreibt der damals beteiligte Studentenvertrete­Rainer Gehnen: »Die FH Bielefeld wurde selbst erkämpft.« 3 Ganz anders als heute war dies ein urdemokratischer Prozess, ohne dominierende Beteiligung von Lobbyisten. Die perspektivische Hochschulplanung mit der Entwicklung von neuen staatlichen Steuerungsinstrumenten war in den 1970er-­Jahren sicher zuerst eine Reaktion auf die strukturellen und technischen Entwicklungen in der Gesellschaft. Alle standen unter dem Eindruck der deutschen Bildungskatastrophe (Picht 1964 4) und des Sputnik-

Wechsel in der Wissenschaftsorganisation

Schocks. Die öffentliche Diskussion in Sachen Bildung und Hoch­ schulbildung im Jahr 1968 stellte einen erheblichen Ausbaubedarf fest. Die Gedanken kreisten auch zum ersten Mal um Wirtschafts­ wachstum in der Gesellschaft und demzufolge neuerdings auch um das Bildungsniveau der arbeitenden Bevölkerung. Die Hochschulplanung ermittelte anhand von bildungsökonomischen Analysen einen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften mit Hochschul­ abschluss. Dies war eine grundsätzlich neue Betrachtungsweise: Arbeitsmarkt und Hochschulpolitik. Der Einfluss von Bildung auf die Chancengleichheit beim Erwerb gesellschaftlichen Güter war ein weiterer hochschulpolitischer Diskussionspunkt. Gerade dies führte zur Politik der Inklusion im Fach- und Hochschulbereich. Erst danach wurde mit einem Programm die Öffnung der Hochschulen für bildungsferne Schichten und eine auch regional ausgeglichene Verteilung des Hochschulangebots angefasst. Fast jede und jeder sollte heimatnah studieren können, viele Bürgermeister strebten nach einer Hochschule vor Ort. Aber nicht nur diese soziologischen Betrachtungen führten zur Diskussion von grundsätzlichen Veränderungen. Bei vielen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stießen auch die epochalen Gedanken und Veröffentlichungen von Karl R. Popper auf große Resonanz:5 Er hat das deduktive Denken ins Zentrum der Reflexion gestellt und damit die Wissenschaft und ihre Falsifizierbarkeit selbst. Jede wissenschaftliche Theorie muss an der Erfahrung gemessen werden und gegebenenfalls scheitern können. Das war geradezu ein Aufruf an Theorie und Praxis gleichermaßen, sich selbst in ihren Bedingtheiten kritisch zu hinterfragen. In Nordrhein-Westfalen wurde zum 1. August 1971 ein neuer Hochschulbereich gegründet: die Fachhochschulen – mit einer praxisbezogenen, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhenden Lehre,

1  Sozialistischer Deutscher Studentenbund (Hg.): Hochschule in der Demokratie (SDS Hochschuldenkschrift), Frankfurt am Main 1961.  2  Am 31. Oktober 1968 verabschiedeten die elf Ministerpräsidenten Deutschlands ein Abkommen der Länder in der Bundesrepublik Deutschland zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Fachhochschulwesens.  3 Rektor FH Bielefeld (Hg.): Hochschule der Praxis. Fachhochschule Bielefeld 25 Jahre, Bielefeld 1996, S. 21.  4  Georg Picht: Die deutsche Bildungskatastrophe. Analyse und Dokumentation, Olten,Freiburg im Breisgau 1964.  5  Der Autor war 1968/1969 Mitglied im Fachschaftsrat der MN -Fakultät der Universität Münster.

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vor allem aber mit einem berufsfähigen Abschluss am Ende des Studiums. Dies war eine erste bildungspolitische, strukturelle Antwort auf die gesellschaftlichen Probleme. Alle diese Veränderungen erfolgten zwar von staatlicher Seite. Aber sie waren das Ergebnis langwieriger demokratischer Diskussionen der späten 1960er-Jahre, die ohne eine dominierende Beteiligung von Lobbyisten stattfanden. Der Diskussionsprozess führte zu einem neuen Hochschulleitbild, das von einem aktiven und starken Staat geprägt sein sollte. Gewünscht war zuerst das stete Anwachsen der staatlichen Ausgaben, verbunden mit einer optimis­tischen Einschätzung der Steuerungspotenziale. Die zugehörige staat­ liche Administration sollte durch eine rationale Planung, Kapazitätsverordnungen (KapVO), Curricularnormwerte, Zulassungsbeschränkungen und durch die Erhöhung von Problemlösungskapazitäten aktive Reformpolitik betreiben. Dieser Schritt ist auch mit den Reformen der sozialliberalen Bundesregierung von 1969 in Verbindung zu bringen. Die Gründung privater Hochschulen stand nicht zur Diskussion. Es war damals das urdemokratische Verständnis und Vertrauen in einen aktiven, politisch planenden Staat mit ordnungspolitischen Steuerungsinstrumenten. In den letzten Jahren ist vieles hiervon im Rahmen von Finanzkrise und Privatisierung verloren gegangen. Die Reformen waren zuallererst inputorientiert; sie griffen mit rechtlichen Steuerungsmaßnahmen in die traditionellen Autonomiebereiche der Bildung ein. Vor 1972 gab es an den Hochschulen in einzelnen Studiengängen Zulassungsbeschränkungen (Numeri clausi), wobei die Zulassungszahlen nach sehr verschiedenen Berechnungs- bzw. Schätzmethoden ermittelt und aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen festgesetzt wurden. Am 18. Juli 1972 fällte das Bundesverfassungsgericht das erste Grundsatzurteil zum Numerus clausus, in dem unter anderem eine erschöpfende Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten je Hochschule und eine vergleichbare Auslastung der verschiedenen Hochschulen gefordert wurden. Außerdem hielt das Bundesverfassungsgericht den Numerus clausus als Einschränkung des

Bielefeld und die Entwicklung der Fachhochschulen Die Fachhochschule Bielefeld mit ihrem Standort in Minden war ein Zusammenschluss bestehender Einrichtungen. Die Vorgängereinrichtungen hatten alle einen gewissen wissenschaftlichen Anspruch und ihr Praxisbezug galt als Qualitätsmerkmal. Die Absolventinnen und Absolventen waren außerordentlich erfolgreich und nachgefragt. Ihnen fehlte allerdings die akademische Anerkennung im öffentlichen Dienst. Die Anfänge der Fachhochschulen gestalteten sich rudimentär. Die Rektoren hatten anfangs kein Geld für Öffentlichkeitsarbeit und kaum Personal, vielfach sogar keine Sekretärin. Erst seit etwa 1973 gab es einen richtigen Verwaltungschef, den Kanzler. Zusammen mit einer kleinen Schar Professorinnen und Professoren und den ersten Studierenden war der damalige Rektor der Fachhochschule Bielefeld, Prof. Dr. Germanus Wegmann, die prägende Gestalt jener stürmischen Aufbauphase. Über die Jahre kamen aus Düsseldorf und auch aus Bonn stetig neue Gesetze und Verordnungen, bis das deutsche Hochschulwesen

6 Kultusministerkonferenz: Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 20. Oktober 1972, in: KMK (Hg.): Handbuch für die Kultusministerkonferenz, Bonn 1974, S. 276ff. Aus der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen ging 2008 die Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) hervor.  7  Bodo Seeliger: Leitfaden zur Anwendung der Kapazitätsverordnung, Universität Hamburg, Juli 2005.

Wechsel in der Wissenschaftsorganisation

Grundrechts auf Zulassung zum Hochschulstudium höchstens aufgrund eines Gesetzes für zulässig – abgeleitet aus Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes: dem Recht auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte, in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und demSozialstaatsprinzip. Die Bundesländer schlossen 1972 einen Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen mit der Einrichtung der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) ab.6 Der Staatsvertrag von 1972 sah den Erlass einer Kapazitätsverordnung und einer Vergabeverordnung vor.7

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weitestgehend reformiert war. Fast alles wurde von oben geregelt; Kapazitätsverordnung, Curricularnormwerte, flächenbezogene Kapazitätswerte usw. bestimmten die Steuerung der Hochschule. Vom Wissenschaftsminister wurden im Rahmenplan die Studierendenzahlen festgelegt. Die Kalkulationen wurden mehrmals überholt und überarbeitet und den Empfehlungen des Wissenschaftsrates (WR 1975) entsprechend angepasst. Ein Höhepunkt dieser externen staatlichen Steuerung war das Vorhaben (1987/1988), den Fachbereich Bauingenieurwesen in Minden zu schließen. Das Ministerium setzte Höchstzahlen für die Studiengänge sowie Regelstudienzeiten fest. Für die Detailplanung wurden jeweils flächenbezogene Studentenzahlen ausgehandelt.8 Der Haushalt der Fachhochschule wurde vom Wissenschaftsminister relativ detailliert vorgegeben. Jährlich wurden feste Professorenstellen zugewiesen, die auf die Studiengänge verteilt waren. Bis auf die Verbrauchsmittel waren die Investitionen ebenfalls meist genau geplant. So wurde beispielsweise der Betrieb von Kaffeekochern in den Laboren untersagt. Für die hochschulinterne Verteilung der Sachmittel hat die Hochschulleitung bereits früh (1973–1975) einen rationalen Verteilungsmodus angestrebt, der die Studierendenzahlen, das wissenschaftliche Personal und die Gewichtung der Fächer in einer formelhaften Berechnung ermittelte. In der Fachhochschule Bielefeld war die Akzeptanz für diesen Verteilungsmodus in den Gremien relativ leicht zu erreichen. In den Jahren 1975 bis 1994 wurden die KapVO und die Curri­ cularnormwerte nach und nach eingeführt und waren am Ende das dominierende Steuerungselement im Hochschulbereich. Die KapVO hatte für veränderte Studiengänge und -angebote mit personalintensiven Projektstudien und Gruppenarbeit, etwa für den seinerzeit neuen Studiengang Produktentwicklung, extrem negative Folgen und führte vielfach zu langwierigen hochschul­ internen Konflikten zwischen den finanz- und bildungspolitischen Forderungen. Die Reaktionen reichten von offener Ablehnung bis hin zum Unterlaufen der Regelungen durch die Umbenennung

8  Aylâ Neusel: Die Kapazitätsverordnung (KapVO) – Ein Kind ihrer Zeit, in: die hochschule 2/2010, S. 21–31.

Wechsel in der Wissenschaftsorganisation

von Lehrveranstaltungen oder die Erweiterung der Pflichtteile im Studienplan. Letztlich war dadurch allerdings eine schleichende Anpassung, Resignation und Konformität unvermeidlich. Für einige Studiengänge der Fachhochschule Bielefeld wurden Aufnahmebeschränkungen beantragt und genehmigt. Die realen Studierendenzahlen lagen fast immer über den Planungswerten. Die Fachhochschulen haben aber nie nur auf gesetzliche Regelungen gewartet, sondern so gut es möglich war gehandelt. Wenn eine Kollegin oder ein Kollege forschen wollte, haben vielfach einige andere sozusagen zusammengelegt. Forschung gehörte erst seit 1979 zum Auftrag der Fachhochschulen. Bielefeld war die erste Fachhochschule überhaupt, die an einem geförderten EU -Forschungsprojekt aus Brüssel beteiligt war. Selbst zu forschen, war zwar nicht verboten, wurde aber in den Fachhochschulen während der ersten Jahre vom Ministerium allenfalls geduldet und sicher nicht gefördert. In der Phase der Internationalisierung gab es mit den Universitäten eine lange Diskussion um die eng­ lische Übersetzung: University of Applied Sciences. Ein weiteres großes Streitthema war die Anerkennung der Abschlüsse. Dafür hat die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen (LRK) viel getan. Anfangs hießen die vormals graduierten Fachhochschulabsolventen im technischen Bereich noch »Dipl.-Ing.«, im künstlerischen »Dipl.-Des.«, später mussten sie dann für viele Jahre das »(FH)« anhängen. Ein entsprechendes Urteil hatten die Universitäten im Kampf um ihre Vorrechte erwirkt. Langfristig wichtiger erwies sich seit den 1980er-­Jahren allerdings die Anerkennung der deutschen Diplome in Europa, verbunden mit der zunehmenden Internationalisie­rung von Studium und Lehre sowie Forschung im Fachhochschulbereich. Seit Mitte der 1980er-Jahre wurde vom damaligen Rektor der Fachhochschule Bielefeld, Professor Dr.-Ing. Heinrich Ehlebracht, insbesondere im Fachbereich Wirtschaft die Internationalität rasant ausgebaut. Einer seiner größten Erfolge war allerdings – und wohl zu Recht –, die Abteilung Minden gerettet zu haben, die Düsseldorf 1987/1988 schließen wollte.

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Fachhochschulen als Erfolgsmodell Heute ist die gesellschaftliche Anerkennung der Fachhochschulen weitestgehend erreicht. Nicht weniger als 70 Prozent aller in Deutschland beschäftigten Ingenieurinnen und Ingenieure haben einen Fachhochschulabschluss. Es geht nicht mehr um die Frage der unterschiedlichen Qualität der Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen, sondern um die persönliche Zielsetzung der Studierenden. Die Geschichte der Fachhochschulen ist ohne Zweifel in der Wirtschaft eine Erfolgsgeschichte. Die Absolventinnen und Absolventen haben beste Chancen, einen guten Job zu finden – damals wie heute. Die staatliche Steuerungsstruktur geriet zunehmend in die Kritik, als die Umsetzungsprobleme bei notwendigen Reformplanungen aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen offen­sichtlich wurden. Die umfangreiche Bürokratie in den Ministerien, eine zunehmende formale Verrechtlichung und Bürokratisierung bei geringem Wirkungsgrad und die Reformschwierigkeiten zeigten die Grenzen rationalistisch-linearer Planung und forcierten die Abkehr von diesem vorwiegend staatlich geprägten Leitbild für Hochschulen.9

Hemmnisse und Schwierigkeiten Die Schwachstellen und Mängel des staatlichen Steuerungssystems zeigten sich in Fachhochschulen insbesondere bei Veränderungen zur Erweiterung des Fächerspektrums und der Internatio­ nalisierung. Die Kritik an den aufgeblähten staatlichen Aufgaben und der wachsenden Bürokratie nahm zu. Die stetig wachsende staatliche Gesetzes- und Regelungsdichte beflügelte die gegenläufigen Forderungen nach Deregulierung, Entstaatlichung, Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung. In den Hochschulen waren die qualitativen Reformziele von größerer Bedeutung als die kapazitiven Überlegungen der Bürokraten. In den neuen Studiengängen und mit der Internationalisierung sollten

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die Reformziele umgesetzt werden. Bei der Internationalisierung sollte dazu die Studienstruktur als gestuftes Modell (ähnlich dem Bachelor-Mastermodell) festgelegt werden. Das alles passte schlecht zur ver­krusteten Steuerungsstruktur und Bürokratie. Die Probleme dabei wurden anfänglich vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW) im Modellversuchsprogramm der Bund-Länder-Kommission (BLK ) umgangen und Reformansätze gefördert. Die neoliberale Staatskritik, die bereits allgemein ab Mitte der 1970er-Jahre in westlichen Industrieländern an Gewicht gewann, verstärkte den Wandel zum Konzept des schlanken Staates, der auf den Wechsel zur Kohl-Regierung 1982 datiert wird. Die Hochschulpolitik wurde mehr und mehr von wirtschaftlichen Interessenverbänden – Lobbyisten – und weniger von den direkt Beteiligten (Studierenden und Lehrenden) beeinflusst. Durch die Übernahme des New Public Management glaubte man eine effizientere Verwaltung aufbauen zu können. Kennzeichnend für diese politische und hochschulpolitische Entwicklung ist die Gründung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) durch die Firma Bertelsmann in Gütersloh. Das CHE nahm auf Initiative von Reinhard Mohn und Professor Dr. Hans-Uwe Erichsen, dem damaligen Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, 1994 seine Arbeit auf. Bezeichnend ist: Gesellschafter sind die Bertelsmann Stiftung und die Stiftung zur Förderung der Hochschulrektorenkonferenz.10 Kapital und Medien bewirken nun vieles neu in der Hochschulpolitik.

9  Vgl. Ralf Dahrendorf: Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik, Hamburg 1965, sowie Michael Daxner: Die Wiederherstellung der Hochschule. Plädoyer für eine Rückkehr der Hochschulen in die Politik und die Gesellschaft, Berlin 1993.  10 »Das CHE setzt sich für ein leistungsstarkes und faires Hochschulsystem ein. Angesichts des unaufhaltsamen Trends hin zu einer Hochschulbildung als Normalfall zielt das Engagement des CHE insbesondere darauf ab, dass Hochschulen nicht nur mit der wachsenden Zahl, sondern auch mit der wachsenden Vielfalt ihrer Studierenden erfolgreich umgehen können. Das CHE erarbeitet anwendungsorientierte Lösungen für das Hochschul- und Wissenschaftssystem. Es unterstützt Hochschulen dabei, ihre Autonomie zu nutzen und zu gestalten, vielfältige Profile zu entwickeln und umzusetzen sowie ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen.« Zitiert nach http://www.che.de/cms (26.02.2015). 

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Von nun an änderte sich alles. Output- bzw. Zielsteuerung ersetzte die staatlichen Steuerungsmechanismen der Ministerien wie Rechtssetzung, Verwaltungshierarchie und Ressourcenzuwei­ sung. Es sollten nach CHE-Planungen insbesondere die wettbewerblichen Prinzipien der Marktwirtschaft als Steuerungselemente in den Hochschulbereich eingeführt werden. Nicht mehr Wissen­ schaft und Bildung für die Bürgerinnen und Bürger als gesellschaftspolitisches Element waren zielgebend, sondern die Professionalisierung des Managements, Investitionen in Personalentwick­ lung und die Förderung einer neuen Führungskultur wurden als zentral angesehen. So wollte man eine neue Leistungs- und Dienstleistungsorientierung im Hochschulbereich zur Geltung bringen – ein Konzept, das zur Effizienzsteigerung führen sollte. Diese sollte zudem mittels Dezentralisierung, Zusammenführung der Kostenund Leistungsverantwortung sowie über den Einsatz betriebswirt­ schaftlicher Steuerungsinstrumente erreicht werden. All dies stellte eine radikale Veränderung und Wandlung von einer gesellschaftspolitischen Zielsetzung – Bildung und Wissenschaft (1969) – hin zu einer neoliberalen wirtschaftspolitischen Orientierung bei der Gestaltung und Steuerung des Hochschulwesens dar. Im Rahmen des Bologna-Prozesses (1999) mussten zudem die neuen Studiengänge und ihre Curricularnormwerte (CNW) auf Empfehlung der  HRK flexibilisiert werden, um hochschulund studiengangsspezifisch eine Profilbildung dieser Studiengänge zu ermöglichen.

Das Hochschulfreiheitsgesetz 2007 Die wirtschaftspolitische Orientierung der Hochschulpolitik fand in NRW im Hochschulfreiheitsgesetz (HFG) Eingang. Es trat am 1. Januar 2007 in Kraft11 und wurde umfassend begründet: Es sollten »[…] die Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden […] bedarf es gut ausgestatteter Hochschulen mit Profil, Exzellenz und Internationalität sowie einer gezielten und wettbewerbsorientierten Forschungs- und Technologieförderung. Wissen­schaftlich

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Wechsel in der Wissenschaftsorganisation

exzellente und qualitativ hochwertig ausbildende Hoch­schulen sind eine unabdingbare Voraussetzung für mehr Innovation, für zukunftssichere Arbeitsplätze […]. […] von hemmenden Regularien und überflüssigen Vorschriften befreit und hinreichend finanziert werden. Freiheit der Forschung und Lehre, gepaart mit mehr Wettbewerb, mehr Autonomie und mehr Verantwortung sind daher die Leitlinien dieses Hochschulfreiheits­gesetzes. Das Land überträgt den Hochschulen Kompetenzen und die Verantwortung für Finanz-, Personal- und Organisationsentscheidungen. […] In Rückkopplung mit dem Land werden die Hochschulen ihre eigene Strategie- und Entwicklungsplanung vornehmen können. Der Staat zieht sich aus der Detailsteuerung vollständig zurück und kommt seiner Gesamtverantwortung für das Hochschulsystem durch die Vorgabe strategischer Ziele nach. […] Während bislang die Hochschulen Körperschaften und zugleich staatliche Einrichtungen sind, werden sie künftig als Körperschaften des öffentlichen Rechts verselbständigt. Damit ist ein Paradigmenwechsel verbunden, […] künftig zudem allein über die Berufungen der Professorinnen und Professoren entschei­ den können. Die selbständige Hochschule wird aus dem Regelungsregime der Landeshaushaltsordnung entlassen werden. Die Hochschulen werden künftig über Zuschüsse finanziert und können dann relativ frei wirtschaften. […] Die selbständige Hochschule steht in einer stärkeren Eigenver­ antwortung und Verantwortung gegenüber dem Land und der Gesellschaft. […] Die bisherigen Organisationsformen […] nicht bewährt. Insofern sind die akademischen, strategischen und operativen Verantwortlichkeiten klar zu trennen. Dies leistet u. a. die Implementierung eines Hochschulrates und die ihren Aufgaben angemessene starke Hochschulleitung. Mitglieder dieses Rates sind zum einen Persönlichkeiten, die außerhalb der Hochschule gewonnen werden. Die Hochschule kann sich aber auch dafür entscheiden, dass bis zur Hälfte der Mitglieder des Hochschul­rates aus der Hochschule selbst entstammen. […] Der Hochschulrat wird die strategische Ausrichtung der Hochschule mitbestimmen

Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz –

HG ) vom 1. Januar 2007 (Hochschulfreiheitsgesetz – HFG ).

Heinrich Ostholt

und die Hochschulleitung kontrollieren. […] ihre Hochschulver­ fassung entsprechend ihrer individuellen Organisationsbedarfe auszugestalten. Die kollegiale Selbstorganisation bleibt dabei weiterhin ein bestimmendes Element. […] Planerische Einzelentscheidungen des Staates wird es künftig nicht mehr geben. […] künftig über Ziel- und Leistungsvereinbarungen sowie Methoden des Leistungscontrollings und Qualitätssicherung, wie Akkreditierung und Evaluation, ergebnisorientiert gesteuert […].« Vergleicht man die Zielsetzung und den Inhalt des Hochschulfreiheitsgesetzes (2007) mit den gesellschaftspolitischen Diskussionen und ersten Hochschulgesetzen aus den Anfangsjahren 1969 und danach, so zeigt sich ein radikaler Wandel in der Zielsetzung und den zugehörigen Steuerungselementen wie beispielsweise dem Hoch­schul­rat. Das Verhältnis von Staat und Hochschule wurde auf eine völlig neue Basis gestellt. Nun haben die Hochschulen und damit Bildung und Wissenschaft insbesondere zuerst der Wirtschaft zu dienen. Skepsis und Ablehnung blieben daher nicht aus.12 Analysiert man beispielhaft die gesellschaftlichen Kräfte, die in Hochschulräten sitzen, so findet man ganz überwiegend Vorstandsvorsitzende, Aufsichtsratsvorsitzende oder Aufsichtsratsmitglieder großer Konzerne oder die Chefs großer mittelständischer Unternehmen. Sonstige Vertreter gesellschaftlicher Gruppen von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften sind kaum zu finden.

Das Hochschulzukunftsgesetz 2014 Mit dem Wechsel zur rot-grünen NRW-Landesregierung im Mai 2012 wurde nun auch das HFG am 16. September 2014 durch das sogenannte Hochschulzukunftsgesetz (HZG ) ersetzt. In dem neuen Hochschulzukunftsgesetz wird das Element der demokratischen Mitwirkung auf allen Ebenen der Hochschule und in den Steuerungselementen wieder gestärkt. Die Rolle des Senats, des durch unmittelbare Wahlen demokratisch, korporationsrechtlich bestimmten Organs der Hochschule, wird wieder bedeutend.

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Wechsel in der Wissenschaftsorganisation

Der Hochschulrat ist ein Beratungs- und Aufsichtsorgan der Hochschule. Er soll daher künftig ausgeprägt extern besetzt sein. Das Land stellt einen Hochschulentwicklungsplan auf, der sich am Gedanken der Koordination in staatlicher Verantwortung orien­tiert. Insbesondere in einem System konkurrierender Hochschulen ist eine durch Ministerium und Parlament getragene politische Koordination wichtig. Die Gesellschaft – der Staat l– investiert viel Geld in den Hochschulbereich und muss daher die politischen Weichen stellen können. Die Hochschulverträge, zusammen mit der strategischen Budgetierung, müssen das Ziel verfolgen, nicht nur einseitig die Forschung zu fördern. Auch die Studienbedingungen müssen verbessert werden und dazu beitragen, mehr Menschen einen guten Studienabschluss und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Das Hochschulzukunfts­ gesetz verfolgt, so heißt es, die Ideen der demokratischen und so­ zialen Hochschule. Die Hochschule soll gesellschaftlich relevante Diskurse und Entwicklungen, auch Technologieänderungen in Gang setzen. Demokratie soll sich in und mit ihnen – also auch innerhalb der Hochschulgemeinschaft – entfalten. Ein weiterer Aspekt der Aufgaben zukünftiger Hochschulräte: In einer demokratischen und sozialen Hochschule können diese viel zum Austausch zwischen Hochschulangehörigen und Vertretern der Zivilgesellschaft beitragen. Daher ist eine ausgewogene Vertretung gesellschaftlicher Akteure wichtig. Vertreter der Arbeitgeber bringen die Interessen der Wirtschaft ein. Der andere Teil, vertreten durch Gewerkschaften, Berufsverbände usw., dient der Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmerseite. Die Neufassung des § 71a (»Transparenz bei der Forschung mit Mitteln Dritter«) im Regierungsentwurf hat zuerst eine heftige Diskussion in den Hochschulleitungen und der Wirtschaft ausgelöst. Man befürchtete eine echte Bedrohung für Forschungskooperationen zwischen Hochschulen, Unternehmen und Einrichtungen, wenn auch die Erfahrungen diesbezüglich nicht nur

12  Vgl. Wolfgang Lieb: »Hochschulfreiheitsgesetz« in NRW – oder der Putsch von oben gegen ein öffentlich verantwortetes, demokratisches Hochschulwesen?, in: http://www.nachdenk seiten.de (31.1.2015).

Heinrich Ostholt

positiv sind. Es ist eine allgemeine Erfahrung der letzten Jahrzehnte, dass Bosheit und Verlogenheit in der Wirtschaft vielfach unterschätzt werden, wie der Autor selbst erfahren musste.13 Verständlich ist, dass gerade die Tätigkeiten in der Forschung manch­mal eng mit Betriebsgeheimnissen verbunden sind und Innovationsvorsprünge bringen, die geschützt werden müssen. Gemeinsamer Forschung und den damit verbundenen Investitionen in die Hochschulen würde die Grundlage entzogen, wenn alle Informationen hierzu offengelegt werden müssten. Die aktuelle Formulierung stellt sicher, dass dort, wo wirklich Vertraulichkeit herrschen sein muss, diese auch gewahrt wird. Vielfach abgelehnt wird allerdings die mit dem Regierungsentwurf vorgesehene Regelung (formuliert in der Begründung zu §83), dass bestimmte durch Drittmittelprojekte eingeworbene Mittel bei der Erstattung durch das Land anspruchsmindernd zu veranschlagen sind. Dies verringert den Anreiz, Drittmittel einzuwerben, und bestraft die an dieser Stelle engagierten Hochschulen. Gegen das neue Hochschulzukunftsgesetz gab es ebenfalls starken Protest und Ablehnung vonseiten der Hochschulleitungen, der Hochschulräte und der Wirtschaft.14 Besonders kritisch wurden die möglichen vermehrten Eingriffe des Ministeriums, der Landesentwicklungsplan und die Drittmittelforschung gesehen. Die Gewerkschaften und die Studierenden hingegen beurteilten es überwiegend positiv. Die Hochschulen haben immer weitsichtig in eigener Verantwortung geplant und gehandelt – und nicht auf letzte Vorschriften gewartet. Dies sollten sie auch weiterhin tun.

Resümee Abschließend sei nochmals der Philosoph Karl R. Popper erwähnt, der gesagt hat, dass große Philosophen große Fehler begehen und es notwendig sei, die totalitären und antihumanitären Tendenzen in ihren Werken zu identifizieren und zu kritisieren. Der öffent­ liche und soziale Charakter der Wissenschaft und der wissenschaft-

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Wechsel in der Wissenschaftsorganisation

lichen Methoden gilt für alle. Kontrolle in der Wissenschaft kann nur durch Konkurrenz und Kritik erfolgen! Warten wir ab, ob man das richtige Maß gefunden hat. Ein gewisser Freiraum muss den Hochschulen bleiben! Als Rektor der Fachhochschule Bielefeld hatte ich das Privileg, auf das Erbe ausgezeichneter Vorgänger in dieser Hochschule aufbauen zu können. Für meine Nachfolgerin im Amt hoffe ich, dass ein ebenso tragfähiger Fundus an Studiengängen, funktionierender Strukturen und Forschungsprojekten sowie entwicklungsfähigen Ideen und Konzepten von mir an sie übergeben wurde. In den drei Wahlperioden hat die Rektorin und spätere Präsidentin Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff mit ihrem Team die Hochschule trotz ständig veränderter Gesetze und Vorschriften mit innovativen Zukunftskonzepten weiterentwickelt. Aufgabe des nachfolgenden Präsidiums wird sein, diese erfolgreiche Entwicklung fortzuschreiben und dabei die Etablierung der Fachhochschule Biele­feld in ­ihrem Neubau auf dem Campus Bielefeld zu erreichen – eine große Chance für Bielefeld, die ostwestfälische Region und das Land NRW –, von allem anderen und den Konsequenzen des hier Beschriebenen nicht zu reden.  ◼

13  Vgl. die Websites http://www.die-glocke.de/lokalnachrichten/kreiswarendorf/ Schultz-Moralisch-steht-Geld-CAE -zu-41969ee5-add0-4dce-a7f1-59533c2fd3ef-ds und https://www.dropbox.com/s/me4b91u4td9z0n8/2-CAE_Leserb_Ostholt_1. pdf ?dl=0 (31.1.2015).  14  Vgl. die Websites http://www.che.de/downloads/CHE_ Stellungnahme_Hochschulzukunftsgesetz_NRW_2014.pdf, http://www.fh-nrw.de/ index.php?id=5 und http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/140608_Anhoerung_ Stellungnahme.pdf (1.3.2015) sowie die Stellungnahme der Fachhochschule Bielefeld zum Hochschulzukunftsgesetz, Dezember 2013.

Wirtschaft, Wissenschaft und beruiche Bildung in Ostwestfalen Swen Binner

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Wirtschaft, Wissenschaft und berufliche Bildung in Ostwestfalen

»Panta rhei – Alles fließt.« Diese dem vorsokratischen Philosophen Heraklit (520–460 v. Chr.) zuzuordnende Kurzformel ist nahezu zeitlos. Auch in der Neuzeit fließen die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Wissenschaft. Prägend sind die immer stärkere Verflechtung global ausgerichteter Märkte mit den notwendigen Skaleneffekten der Unternehmen sowie die stärkere Transparenz der Bildungssysteme einzelner Staaten, verbunden mit der Notwendigkeit, Bildungsabschlüsse international einordnen und vergleichen zu können. Weiterhin zu beachten sind die demografisch sehr unterschiedlichen Entwicklungen in einzelnen internationalen Wirtschaftsräumen und die wachsende Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft für die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Gesellschaften.

Swen Binner

Der Wirtschaftsstandort Ostwestfalen ange­ sichts globaler Herausforderungen Ostwestfalen ist mit etwa 1,7 Millionen Einwohnern und einer ausgewogenen Unternehmensstruktur eine starke Wirtschaftsregion. Die Region ist immer noch überdurchschnittlich stark industriell und mittelständisch geprägt; so fehlen große international agierende Unternehmen der Automobil- und der Chemiebranche sowie des Finanzwesens. Dadurch entwickelt sich die Exportquote positiv, allerdings absolut unterhalb des Bundesund Landesdurchschnitts. Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen liegt mit ca. 65 000 Euro aktuell leicht unterhalb des Bundes- und Landesdurchschnitts, entwickelte sich aber in den letzten Jahren positiver. Zur prosperierenden Stabilität der Region trägt vor allem der mittelständisch geprägte Branchenmix bei. Die stärksten Branchen sind dabei die Nahrungs- und Futtermittelherstellung, der Maschinenbau, die Möbelproduktion, die Elektroindustrie sowie die Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren im verarbeitenden Gewerbe. Auch der gesamte Einzelhandel trägt mit fast 11,1 Milliarden Euro (Gesamtjahr 2014) erheblich zur Wertschöpfung bei. Dadurch zeigt sich die Region robuster als Regionen, die stark von einzelnen Branchen oder gar Unternehmen (beispielsweise Chemie) abhängig sind. Ein Segen für den Arbeitsmarkt sind die mittelständisch geprägten Eigentümerstrukturen der Unternehmen, die traditionell mit hoher Mitarbeiterbindung und Ausbildungsbereitschaft einhergehen. Shareholder-Value-­Denken und l-Handeln bestimmt in Ostwestfalen nicht die Unter­nehmens­strategie. Viele Faktoren beeinflussen den Ausbildungsmarkt: politische Rahmenbedingungen, Demografie, Kooperation der Partner vor Ort, unternehmerische Entscheidungen, Ausbildungsreife und Berufsvorbereitung.

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Wirtschaft, Wissenschaft und berufliche Bildung in Ostwestfalen

Neu eingetragene IHK-Ausbildungsverträge seit dem Reformjahr 1996 Neuer Pakt für Ausbildung 8 000 Pakt für Ausbildung

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2013

2012

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2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

6 000

Mit deutlichen Schwankungen hat sich der Ausbildungsmarkt tendenziell in den letzten 20 Jahren positiv entwickelt. Weit zurückblickend bis in das Jahr 1996 wurde der Bildungs­sektor durchgreifend reformiert, indem Ausbildungs­berufe schneller und mit effizienteren Verfahren entwickelt wurden. Durch den Boom und Nachholbedarf der IT-Branche gab es in den Jahren von 1996 bis 2000 eine deutlich positive Entwicklung. Die Krise am Neuen Markt machte im Jahr 2002 einmal mehr schmerzlich deutlich, dass der Ausbildungsmarkt auch stark konjunkturreagibel ist. Diese Schattenseite gilt es durch das Agieren der Partner vor Ort, aber auch durch bildungspolitische Entscheidungen der Landes- und Bundesebene auszugleichen. Denn sie muss in Kauf genommen werden zugunsten der

Swen Binner

immensen Vorteile der Interdependenzen zwischen Ausbildungsund Arbeitsmarkt, die zu der international viel beachteten geringen Jugendarbeitslosenquote führen. Konjunkturelle Entwicklungen haben dann den Ausbildungsmarkt bis zum Jahr 2008 außerordentlich positiv beeinflusst und zu einem Höchststand der bei der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld neu eingetragenen Ausbildungsverträge von 8 439 Verträgen geführt – ein Niveau, das absehbar, vor allem aus demografischen Gründen, nicht mehr erreichbar scheint. Die fundamentale Wirtschaftskrise hat den Ausbildungsmarkt im Jahre 2009 stark einbrechen lassen. Im Jahr 2011 wurde wieder ein respektables Niveau von 8 134 Ausbildungsverträgen erreicht, das sich dann in den Jahren danach – geprägt durch rückläufige demografische Entwicklungen und sinkende Schulabgänger­ zahlen – leicht negativ entwickelt hat.

Politische Vereinbarungen in Nordrhein-­ Westfalen und auf Bundesebene Auch politische Vereinbarungen haben auf Landes- und Bundesebene auf den Ausbildungsmarkt eingewirkt. Zur Abwehr einer marktschädigenden Ausbildungsumlage haben die Verantwortlichen in NRW schon 1996 den sogenannten Ausbildungskonsens geschlossen. Neben Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmen­bedingungen in der dualen Ausbildung, beispielsweise der Abstimmung zwischen Unternehmen und Berufskollegs und der Differenzierung der Berufsbildung, haben sich die Industrie- und Handelskammern im Land bereit erklärt, als regionale Koordinierungsstellen im Konsens zu fungieren. In regelmäßigen Treffen stimmen sich die Kammern gemeinsam mit den Partnern des Konsenses in den IHK-Bezirken ab; das sind im Wesentlichen die Handwerkskammern, die Agenturen für Arbeit, die Gewerkschaften, die Berufskollegs und die Bezirksregierung sowie nach Umsetzung der Hartz-IV-Reformen die Jobcenter.

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Wirtschaft, Wissenschaft und berufliche Bildung in Ostwestfalen

Für das Jahr 2004 wurde auf Bundesebene der Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs geschlossen, der sich am NRWAusbildungskonsens orientiert hatte. Der Pakt wurde mehrfach verlängert und als Allianz für Aus- und Weiterbildung im Dezember 2014 neu ausgerichtet. Die Neuausrichtung beinhaltet vor allem ein stärkeres Engagement für schwächere Jugendliche, klare Zusagen zusätzlich gemeldeter Ausbildungsplätze und Einstiegsqualifizierungspraktikumsplätze und Zusagen für die sogenannte assistierte Ausbildung. In diesem Modell sollen Jugend­liche während einer Ausbildung speziell begleitet werden. Die Wirtschaft arbeitet mit insgesamt 27 öffentlichen Berufskollegs in Ostwestfalen sowie gut 20 privaten Berufskollegs zusammen. Die Schülerinnen und Schüler haben dabei die Wahl zwischen 350 verschiedenen Bildungsgängen. Die Zusammen­ arbeit im Rahmen der dualen Ausbildung gestaltet sich positiv, da Unternehmen und Berufskollegs in zahlreichen Arbeitskreisen der Region Projekte und – abhängig von Kapazitäten – Unterrichtszeiten und -modelle absprechen. Grundsätzlich denkbar sind Blockunterricht über mehrere Wochen oder Teilzeitunterricht an ein bis zwei Tagen pro Woche neben der dualen Aus­ bildung. Im Einzelhandel wird beispielsweise der Unterricht in der Weihnachtszeit stark ausgedünnt, um die Belange der Branche in der Zeit zu berücksichtigen. Die Bezirksregierung plant gemeinsam mit den Berufskollegs, die Marke Berufskolleg weiterzuentwickeln. Man arbeitet daran, das regionale Qualitätsmanagement zu optimieren sowie weitere Teambildungsprojekte zur Lehrkräfte- und Führungskräfteentwicklung (Cross-Mentoring) zur Schulleiterqualifikation und zum Ausbau internationaler Kompetenzen zu intensivieren. Der demografische Druck und Veränderungen in einzelnen Branchen bedingen auch Anpassungen an die Ausrichtung der Berufskollegs. In den Kreisen erfolgt die sogenannte Schulentwicklungsplanung mit Unterstützung versierter Unternehmensberatungen, um die Profile der Berufskollegs zu schärfen. Hinzu

Swen Binner

kommt die Umsetzung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Berufskolleg (APO-BK), die zu einer stärkeren Durchlässigkeit der einzelnen Bildungsgänge in der Berufsvorbereitung, Teilzeitausbildung, vollzeitschulischen Bildungsgängen und den Fachschulen führen soll. Sie wird im Herbst 2015 in Kraft gesetzt.

Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft Die Region Ostwestfalen-Lippe zeichnet sich durch ein hervorragendes Hochschulangebot aus. Dieses bildet die Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung des Spitzenclusters it’s OWL in den Branchen Maschinenbau, Elektronik, Automatisierung, IT und Automobilzulieferung. Praxisorientiert stellen sich die Fachhochschulen der Region auf. Der Studienstandort Campus Minden und der neue Studienort Gütersloh der Fachhochschule Bielefeld liegen mit ihren Studierendenzahlen über den Erwartungen der Landesregierung und entwickeln sich vor allem am Campus Minden weiterhin positiv. Unternehmen begrüßen die in den letzten Jahren entstandenen ausbildungs- und praxisintegrierenden dualen Studiengänge, berufsintegrierende duale Studiengänge sowie berufsbegleitende Modelle. Die Angebote werden in enger Abstimmung mit der Wirtschaft entwickelt. Wünschenswert sind aus Sicht der Wirtschaft an den neuen Standorten neben den gut etablierten Bachelorabschlüssen auch weitere Masterstudiengänge. Die exzellente wissenschaftliche Infrastruktur leistet einen großen Beitrag, um Attraktivitätsnachteile der Region auszugleichen und gut qualifizierte junge Menschen und Familien in der Region zu halten. Die Industrie- und Handelskammern führen – über den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) koordiniert – jährlich eine IHK-Onlineumfrage zur Aus- und Weiterbildung durch. An der Umfrage 2015 nahmen insgesamt 399 Unternehmen

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Umsetzung des Europäischen Qualifikations­ rahmens als große Herausforderung Die Umsetzung des European Qualifications Framework (EQF) in den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR ) bedeutete für alle Seiten eine große Herausforderung. Es galt nämlich, allgemeinbildende, berufsbildende und hochschulische Abschlüsse in einen Qualifikationsrahmen ›einzusortieren‹. Hier wurde bei einer ganzheitlichen Betrachtung des deutschen Bildungssystems der Nachteil deutlich, dass noch vor einigen Jahren die hochschu­ lische und die berufliche Bildung strukturell und inhaltlich stark voneinander getrennt waren. Nach langen Diskussionen und Verhandlungen wurde für die berufliche Weiterbildung (Industriemeister, Fachwirte, Fachkaufleute) die Gleichwertigkeit mit einem Bachelorabschluss auf Stufe 6 im DQR anerkannt – was nicht mit der Gleichartigkeit zu verwechseln ist. Allgemeinbildende Abschlüsse wie etwa das Abitur ließen sich nach Meinung der Experten nicht verankern, sodass die Klassifizierung dieser Abschlüsse auf längere Zeit verschoben wurde. Die gemeinsamen Anstrengungen werden dazu führen, dass deutsche Abschlüsse im internationalen Kontext verständlicher und vergleichbarer werden, was vice versa auch für ausländische Abschlüsse in Deutschland gilt. Aufgrund der kulturellen Identität und Historie in den einzelnen europäischen Staaten verzichtet man auf EU-Ebene bewusst auf die Entwicklung eines europäischen Bildungssystems und versucht, sich über nationale Qualifikationsrahmen weiterzuhelfen. Dabei war die Klassifizierung der hochschulischen Abschlüsse auf den Stufen 6 bis 8 schnell abgeschlossen; die Diskussion um die berufsbildenden Abschlüsse, vor allem in der Weiterbildung, hält weiter an.

Wirtschaft, Wissenschaft und berufliche Bildung in Ostwestfalen

teil. Von ihnen antworteten 59, dass sie mit Hochschulen kooperieren. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Anteil in den nächsten Jahren deutlich erhöhen wird.

Swen Binner

Gemeinsame Herausforderungen und Erwartungen der Wirtschaft an Hochschulabsolventinnen und -absolventen Vor allem der ländliche Raum steht vor großen Herausforderungen der demografischen Entwicklung, da Infrastruktur nicht wie früher vorgehalten werden kann. Universitäten, Fachhochschulen und Unternehmen müssen in ihrer Attraktivität auf junge Bewerberinnen und Bewerber ausstrahlen, wobei sich kein ungesundes und alle Seiten schädigendes Konkurrenzverhältnis entwickeln darf. Die Weiterentwicklung dualer Studiengänge, aber auch die speziell mit der Spitze der Fachhochschule Bielefeld entwickelten erweiterten Optionen für Studienabbrecher führen Unternehmen und Hochschulen weiter zusammen.

Trennung von Masterabsolventinnen und -absolventen in der Probezeit (Angaben in Prozent) Bisher noch keine Trennung in der Probezeit von Masterabsolventen Ja, Trennung aus folgenden Gründen …

Die fachlichen/methodischen Kom­ petenzen waren nicht ausreichend Die persönlichen Kompetenzen waren nicht ausreichend Die sozialen Kompetenzen waren nicht ausreichend Die berufspraktischen Gründe waren nicht ausreichend Sonstige Gründe

0

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20

40

60

80

100

Stärkere Anwendungs­ orientierung Integrierte Praktika Stärkere methodische Kompetenzen Mehr soziale Kompetenzen Studienaufenthalte im Ausland 2

3

4

5

Erwartung an Masterstudiengänge (DIHK-Hochschulumfragen 2011 und 2014 im Vergleich)

Stärkere Anwendungsorientierung Fachwissenschaft­liche Spezialisierung Vermittlung inter­ disziplinärer Kenntnisse In den Studiengang integrierte Praktika Vermittlung von Führungskompetenzen Höhere Forschungsorien­ tierung des Studiums Studienaufenthalte im Ausland 2

3

1 = unwichtig  5 = sehr wichtig (Mittelwerte; Mehrfachnennung möglich)

4

5 2011 2014

Quelle: Ergebnisse der DIHK -Onlineunternehmensbefragung Erwartungen der Wirtschaft an Hochschulabsolventen

Wirtschaft, Wissenschaft und berufliche Bildung in Ostwestfalen

Erwartung an Bachelorstudiengänge (DIHK-Hochschulumfragen 2011 und 2014 im Vergleich)

Swen Binner

In einer bundesweiten Umfrage bei Unternehmen stellt der DIHK fest, dass vor allem größere Betriebe überwiegend zufriedener mit Bachelorabsolventinnen und -absolventen als kleine Unternehmen sind. Die Zufriedenheit mit Masterabschlüssen steigt in den Unternehmen deutlich und liegt mittlerweile bei rund 78 Prozent. Als wichtigste Kompetenzen erwarten die Unternehmen von Bachelorabsolventen Teamfähigkeit, selbstständiges Arbeiten, Einsatzbereitschaft und Kommunikationsvermögen. Auch Erwartungen an Bachelorstudiengänge wurden geäußert. Hier stehen vor allem die Anwendungsorientierung sowie inte­ grierte Praktika im Vordergrund. Von Masterabsolventinnen und -absolventen hingegen erwarten die Unternehmen in erster Linie fachliche und persönliche Kompetenzen, allen voran Analyse- und Entscheidungsfähigkeit. Zugleich spielen Auslandserfahrungen und interkulturelle Kompetenzen eine eher untergeordnete Rolle. Auf die Frage nach den Erwartungen an Masterstudiengänge standen ebenfalls die stärkere Anwendungsorientierung der Studieninhalte und die fachwissenschaft­liche Spezialisierung im Vordergrund. Erfreulich ist auch, dass sich die Unternehmen im Jahr 2014 deutlich seltener von Hochschulabsolventinnen und -absolventen als noch 2011 trennten, wobei sie von der aktuell günstigen Lage am Arbeitsmarkt profitieren.

Exkurs: it’s OWL als großer Erfolg für die Region Ostwestfalen-Lippe (OWL) ist im Jahr 2012 in die erste Liga der deutschen Hochtechnologie aufgestiegen. In OWL können als einem der Gewinner des Innovationswettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 40 Millionen Euro investiert werden. Die Jury war damals vor allem von der Verschmelzung von Mechanik und Elektronik, von Informatik und klassischer Ingenieurwissenschaft und der engen Zusammenarbeit der Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen

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Beispiele:

Intelligente Sensoren Antriebe Automatisierungs­ komponenten

Produktions­ maschinen Hausgeräte Geldautomaten

Smart Grids Produktionsanlagen Cash-ManagementSysteme

Sie bilden die Basis für Systeme

Sie bilden die Basis für teils geografisch verteilte, vernetzte Systeme

Zur Laufzeit veränder­lich, neue Funktionalität durch Zusammenspiel von Systemen

34 Innovationsprojekte der Kernunternehmen führen zu überlegenen Marktleistungen

8 Maßnahmen für die Nachhaltigkeit erzeugen Entwicklungsdynamik über Förderung hinaus

Verbesserung

Technologietransfer

Prävention von Aus- und Produktpiraterie Weiter­bildung

Marktorientierung

Akzeptanz

Chancengleich- Unternehmens­ heit/Integration gründungen

Selbst­ optimierung

Beispiele:

Mensch-MaschineInteraktion

Beispiele:

Intelligente Vernetzung

Vernetzte Systeme

Energie­ effizienz

Systeme

Systems Engineering

Teilsysteme

5 Querschnittsprojekte schaffen eine Technologieplattform für Innovationsprojekte und Transfer

Globaler Markt für Intelligente Technische Systeme

Wirtschaft, Wissenschaft und berufliche Bildung in Ostwestfalen

Operationalisierung durch Projekte

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beeindruckt. Damit ist OWL zum ersten Mal als Marke bundesweit in Erscheinung getreten, sodass die Region mit hohen Freizeitwerten auch als Hochtechnologieregion ausstrahlen kann. Die für das Jahr 2016 avisierten Ziele sind erreichbar. Durch die Evolution der Mechanik zur Mechatronik sollen intelligente Maschinen und Produktionstechniken entwickelt und optimiert werden. Auch ambitionierte quantitative Ziele haben sich die Partner gesetzt: 80 000 gesicherte Arbeitsplätze, 10 000 neue Arbeitsplätze, 50 neue Unternehmen in diesem Bereich, fünf neue Forschungsinstitute, 500 zusätzliche Wissenschaftler und vier neue Studiengänge mit 500 Anmeldungen. Die fünf Querschnittsprojekte Selbstoptimierung, Mensch-Maschine-Interaktion, Intelligente Vernetzung, Energieeffizienz und Systems Engineering greifen auch die Herausforderungen auf, die durch Industrie 4.0 gestellt werden. Die Entwicklung der neuen Technologien wird auch den Qualifikationsbedarf in den Unternehmen und den Hochschulen verändern und Aktualisierungen klassischer Ausbildungsberufe beispielsweise in der Metall- und Elektrotechnik erfordern. Durch den Spitzencluster wird die Zusammenarbeit zwischen den Partnern noch intensiviert und auf ein neues Plateau gehoben, sodass sich die Wettbewerbsfähigkeit und die Ausstrahlung der gesamten Region als Hochtechnologiedomäne erhöhen werden.  ◼

Studierende fördern – OWL stärken. Die Stiftung Studienfonds OWL Tilmann Fischer

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Stiftung Studienfonds OWL

Aus Anlass der Einführung von Studiengebühren in NRW 2006 gegründet, ist der Studienfonds OWL als bundesweit einmalige Kooperation von fünf öffentlich-rechtlichen Hochschulen heute ein erfolgreiches Begabtenförderwerk für Studierende, Ideengeber für das Deutschlandstipendium und darüber hinaus ein herausragender Netzwerker in OWL.

Tilmann Fischer

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Ausgangslage Ab der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre drehte sich die bundesweite hochschulpolitische Diskussion vermehrt um Fragen des Wettbewerbs, der Qualitätsverbesserung, der Steigerung der Eigenverantwortlichkeit von Hochschulen und Studierenden, um die Verkürzung der Studienzeiten durch Einführung konsekutiver Studiengänge und schließlich um die Frage der Finanzierung der Hochschulen. Dabei wurde vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und anderen Akteuren darauf hingewiesen, dass »ein mehr an Qualität in Studium und Lehre an den Hochschulen alleine aus öffentlichen Mitteln nicht mehr herstellbar ist. Auch aus Überlegungen der Verteilungsgerechtigkeit sowie der Eigenverantwortlichkeit heraus erscheint ein allein aus öffent­ lichen Mitteln finanziertes Studium nicht mehr zeitgemäß.« 1 Vertreter der Wirtschaftsverbände äußerten sich in ähnlicher Weise, so etwa der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Indus­ trie (BDI), Michael Rogowski, in der FAZ vom 3. August 2004: »Unsere Hochschulen brauchen mehr Eigenverantwortung, und die beginnt beim Geld. Mit Studiengebühren erhalten Hochschulen einen Anreiz, ständig ihre Lehr- und Forschungsqualität zu verbessern, und Studenten den Anreiz, schneller zu studieren. […] Gebühren haben eine ganze Reihe positiver Effekte für das Hochschulsystem. Sie fördern den Wettbewerb zwischen den Hochschulen. Die Studenten können als zahlende Kunden darauf bestehen, dass die Studienangebote praxisorientierter und schneller studierbar sind.« 2 Rogowski befürwortete aber auch ein paralleles Stipendiensystem, damit sichergestellt sei, »dass die hellsten Köpfe studieren können und nicht der Geldbeutel der Eltern über die Chancen entscheidet.« 3 Studierende an den öffentlichen Hochschulen der meisten Bundesländer hatten bis zum Wintersemester 1970/1971 eine Studiengrundgebühr und ein Unterrichtsgeld (Hörergebühr, Kolleggeld) zu entrichten. Durch Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder vom 16. April 1970 wurde diese Gebührenpflicht ein-

1  CHE Centrum für Hochschulentwicklung: Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landtags Nordrhein-Westfalen zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen (HFGG ) am 26. Januar 2006.  2  Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ ) vom 3.8.2004, in: http://www. faz.net/aktuell/wirtschaft/hochschulen-wirtschaftsverbaende-fuer-studien gebuehren-1173511.html (12.2.2015).  3 Ebd.  4  Begründung des Bundesver­fas­ sungsgerichts zum Urteil des 2. Senats vom 26. Januar 2005, 2BvF 1/03, in: http:// www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/fs20050126_2bvf000103.html (12.02.2015)  5  Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2002, Teil I, Nr. 57, ausgegeben zu Bonn am 14. August 2002, S. 3138.  6  Begründung des Bundesverfassungsgerichts zum Urteil des 2. Senats vom 26. Januar 2005, 2BvF 1/03.  7  Pressemitteilung der HRK vom 9. Juni 2004: Studienbeiträge als Drittmittel für die Lehre ermöglichen.

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heitlich abgeschafft.4 Das Hochschulrahmengesetz (HRG) in seiner ersten Fassung vom 26. Januar 1976 enthielt noch keine Regelung zu den Studiengebühren, diese wurde erst von der damaligen rot-grünen Regierung im Jahr 2002 durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG) vom 8. August als Ergänzung zu § 27 in einem neuen Absatz (4) angefügt: »Das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, ist studiengebührenfrei. In besonderen Fällen kann das Landesrecht Ausnahmen vorsehen.« 5 Aufgrund der Klage einiger Bundesländer hob das Bundesverfassungsgericht die Novellierung des HRG am 26. Januar 2005 wieder auf und erklärte sie als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.6 Damit war den Bundesländern die Möglichkeit eröffnet, allgemeine Studiengebühren einzuführen. Auch in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) veränderte sich um die Jahrtausendwende die vorherrschende Meinung zum Thema Studiengebühren. Nachdem HRK-Präsident Landfried bereits in seinem Jahresbericht 2002 das »rahmenrechtliche Studiengebührenverbot« des 6. HRGÄndG als überflüssig kritisiert hatte, forderte die HRK am 8. Juni 2004 in einem Beschluss7 Bund und Länder auf, die rechtliche Möglichkeit für die Erhebung von Studiengebühren zu schaffen, um gegen die akute Unterfinanzierung der Hochschulen anzugehen. Diese als ›Studienbeiträge‹ oder als ›Drittmittel für die Lehre‹ bezeichneten Einkünfte sollten den Hochschulen neben den staatlichen Mitteln direkt zufließen

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und damit zukünftig neben den Drittmitteln für Forschung und Entwicklung eine dritte Säule der Hochschulfinanzierung bilden. In einer weiteren Entschließung vom 23. November 2005 hob die HRK hervor, dass »Studienbeiträge sozialverträglich ausgestaltet« sein müssen. »Niemand darf wegen fehlender finanzieller Mittel vom Studium abgehalten werden. Daher sollte kein Land Studienbeiträge einführen, bevor es nicht ein Konzept zur Sozialverträglichkeit entwickelt hat.« 8 In Nordrhein-Westfalen trugen mit der Einführung des Studienkonten- und Studienfinanzierungsgesetzes (StKFG) im Sommer­ semester 2004 zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren Gebühren­ einnahmen von Studierenden zur Finanzierung der Hochschulen bei. Nach diesem Gesetz sollten Studierende, die die Regel­studienzeit weit 9 überschritten hatten, für jedes weitere Studien­semester 650 Euro Langzeitstudiengebühren entrichten. Durch das neue Gesetz der SPD -geführten Landesregierung10 erwartete der Landeshaushalt für das Haushaltsjahr 2005 eine Mehreinnahme von etwa 45 Millionen Euro, die den Hochschulen zur eigenen Bewirtschaftung zufließen sollte. Der Hintergrund für die Einführung des StKFG war eine Begrenzung der in einigen Studiengängen übergroßen Verweildauer mit dem Ziel, Langzeitstudierende mit einem gewissen Druck zu einem Hochschulabschluss zu führen. Daneben hatte der Gesetzgeber im Sinn, den Wettbewerb zwischen den Hochschulen anzu­regen: »Studien­konten sollen bewirken, dass die Hochschulen gut strukturierte Studienangebote entwickeln, die tatsächlich innerhalb der Regelstudienzeit abgeschlossen werden können. Denn die Studierenden werden lieber eine andere Hochschule wählen, wenn sich herumspricht, dass sie dort schneller und besser zum Studien­ abschluss geführt werden.« 11 Mit den zusätzlichen Mitteln aus dem neuen StKFG sollten die Hochschulen Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre, Verkürzung der Studienzeiten und Senkung der Studien­abbrecherquote finanzieren. Abgesehen von dem Charakter einer Strafgebühr, den die Langzeitstudiengebühren für die Betroffenen hatten, ergab sich

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durch die neue Form der Beteiligung der Studierenden an der Mittelallokation auch ein neues Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zwischen Studierenden und Hochschulen. Infolge dieser Tatsache mussten die Hochschulen ihre tradierte Rolle neu überdenken und gründlich reformieren: Neben Forschung und Lehre rückte der Dienstleistungsgedanke stärker in den Vordergrund und erforderte entsprechende Maßnahmen zur Förderung des Studiums und der Studierenden. Nicht nur, dass die Hochschulen jetzt nachweislich dafür Sorge tragen mussten, dass der Studien­abschluss in der Regelstudienzeit zu erreichen war; sie mussten auch transparent machen, welche neuen Angebote mit den Langzeitstudiengebühren zusätzlich – neben den normalen Haushaltsmitteln des Landes – finanziert werden sollten. Es ist nachvollziehbar, dass die Studiengebühren für Langzeitstudierende in NRW nicht unumstritten waren, denn sie betrafen häufig diejenigen Studierenden, die sich ihren Lebensunterhalt und das Studium selber finanzieren mussten. Die Zeit, die sie eigentlich dem Studium hätten widmen sollen, mussten sie für den Gelderwerb aufwenden und das zum Nachteil der Studiendauer. Dieser Teufelskreis wäre in vielen Fällen nur auflösbar gewesen durch eine finanzielle Unterstützung in Form von Stipendien oder entsprechend zinsgünstigen Darlehen. Allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt kein ernsthaftes öffentliches Inte­resse, den Betroffenen durch finanzielle Hilfe noch einen Studienabschluss zu ermöglichen. Die Landesregierung hatte zwar einige Ausnahmen und Härtefallregelungen im Gesetz vorgesehen, ein wirkliches Konzept für die Sozialverträglichkeit, wie es die HRK gefordert hatte, bestand allerdings nicht. Das StKFG in Nordrhein-Westfalen war nur von kurzer Dauer und fiel dem politischen Wechsel in der Landesregierung zum

8  Vgl. http://www.hrk.de/themen/arbeitsfelder/studienfinanzierung/studienbeitrae ge/ (12.2.2015).  9  Beispielsweise in Diplomstudiengängen an Fachhochschulen drei Semester.  10  NRW-Ministerpräsident von 2002 bis 2005 war Peer Steinbrück, Ministerin für Wissenschaft und Forschung Hannelore Kraft, beide SPD .  11 Pressemitteilung von NRW-Wissenschaftsministerin Kraft: »Die NRW-Landesregierung führt zum Sommersemester 2004 für alle Studenten in Nordrhein-Westfalen Studien­konten ein.« Vgl. http://www.nrwspd.de/db/docs/doc_627_20021122183647.pdf (9.2.2014). 

Tilmann Fischer

Opfer, der im Juni 2005 stattgefunden hatte.12 Bereits zum 1. April des folgenden Jahres trat in NRW das neue Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz (StBAG) in Kraft. Darin wurden die Hochschulen ermächtigt, »durch Beitragssatzung für das Studium von Studierenden […] für jedes Semester ihrer Einschreibung oder Zulassung einen Studienbeitrag in Höhe von bis zu 500 Euro zu erheben.« Das Aufkommen aus diesen Beiträgen sollte den Hochschulen als Mittel Dritter zufließen und zweckgebunden für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen verwendet werden. Insgesamt etwa 320 Millionen Euro würden den NRW-Hochschulen aus dieser Quelle jährlich zufließen, die als echte Zusatzeinnahmen und ohne Anrechnung auf sonstige Landesleistungen anzusehen wären.13 Mit der Einführung von Studienbeiträgen verfolgte die Landes­regierung Ziele wie die Verbesserung der Studienbedingungen, die Erhöhung der Qualität der Lehre, eine Stärkung des Hochschulstandortes NRW durch Schaffung besserer Ausbildungs­ bedingungen, eine Verkürzung der Studiendauer und die Senkung der Abbrecherquote. Durch die Gewährung eines zinsgünstigen Darlehens der NRW-Bank ohne Bonitätsprüfung für alle Studierenden sollte sichergestellt werden, dass kein Studienbewerber aus finanziellen Gründen vom Studium ausgeschlossen würde. Ein flankierendes Stipendiensystem, wie es auch die HRK gefordert hatte, wurde damals vom NRW-Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Studierende fördern. OWL stärken Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des StBAG gab es in Ostwest­ falen-Lippe (OWL ) fünf landesfinanzierte Hochschulen unterschiedlicher Größe mit etwa 45 000 eingeschriebenen Studierenden. Es waren dies die Universität Bielefeld, die Fachhochschule Bielefeld, die Universität Paderborn, die damalige Fachhochschule Lippe und Höxter (seit 2008 Hochschule OWL) und die Hochschule für Musik Detmold. Alle fünf Hochschulen verfügten über eigene Fördervereine oder Hochschulgesellschaften, die

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NRW-Ministerpräsident von 2005 bis 2010 war Jürgen Rüttgers (CDU ), Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie war Andreas Pinkwart (FDP ).  13  NRW-Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Techno­ logie, Presseerklärung vom 31. März 2006.  14  Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff (Fachhochschule Bielefeld), Prof. Dr. Dieter Timmermann (Universität Bielefeld), Prof. Dr. Nikolaus Risch (Universität Paderborn), Prof. Dipl.-Ing. Tilmann Fischer (Fachhochschule Lippe und Höxter), Prof. Martin-Christian Vogel (Hochschule für Musik Detmold).  15 Studienfonds OWL e.V. : Satzung vom 6. Juni 2006, § 2 (1). 16 Studienfonds OWL e.V. : Jahresbericht 2007, S. 8. 

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satzungsgemäß unter anderem auch für die Förderung der Studierenden ihrer Hochschulen zuständig waren. Sie akquirierten im Wesentlichen ihre Spendeneinnahmen aus dem unmittel­baren regionalen Umfeld ihrer Hochschule und standen damit beim Fundraising auf engem Raum im Wettbewerb zueinander. In OWL waren sich die Rektorin und die Rektoren 14 der fünf staatlichen Hochschulen einig, dass infolge des neuen StBAG für OWL ein leistungsfähiges System zur Förderung von Studierenden aufzubauen sei. Nur mit einem solchen System könne man die Erhebung von Studienbeiträgen an den Hochschulen verantworten. Einigkeit bestand insbesondere darin, dass aufgrund der regionalen Situation nur ein gemeinsames Fundraising zum Erfolg führen könne. Das Fördersystem sollte dazu »beitragen, dass in OWL jeder Studieninteressierte, der motiviert und geeignet ist, ein Studium aufnehmen kann. Hierdurch soll ein Beitrag dazu geleistet werden, Bildungspotentiale für die Allgemeinheit (Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung) zu nutzen.« 15 Darüber hinaus solle Privatpersonen und Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, »sich gesellschaftlich zu engagieren und Studierende in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu fördern.« 16 Die gemeinsame Sorge der Hochschulen bestand darin, dass sich durch die neuen Studienbeiträge die Studienplatznachfrage in OWL rückläufig entwickeln könnte. Diese Tatsache würde die Unternehmen bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter zukünftig vor große Probleme stellen und könnte sich zu einem gravierenden Standortnachteil für die Wirtschaft in OWL entwickeln. Das neue Stipendiensystem in OWL sollte Anreiz für potenzielle Studieninteressierte sein, um sie zur Aufnahme eines Studiums in OWL zu motivieren. Zugleich sollte durch die Einbeziehung

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der Unternehmen als finanzielle Förderer ein Klima der gegenseitigen Wahrnehmung und Wertschätzung von Wirtschaft und Hochschulen entstehen. Nach ersten Gesprächen mit Unternehmen und Verbänden, die mehrheitlich die Erhebung von Studienbeiträgen begrüßten, war klar, dass die Wirtschaft ein großes Interesse daran hatte, ausschließlich die besten und leistungsfähigsten Studierenden zu fördern – eben genau jene, die sie sich als Nachwuchskräfte in ihren Unternehmen wünschte. Die Befürworter von Studiengebühren wollten es auf jeden Fall vermeiden, sich über die von ihnen finanzierten Stipendien allgemein an der Hochschulfinanzierung zu beteiligen. Für den Bereich der sozialen Härtefälle mussten deshalb andere Spender gefunden werden. Bei der Konzeption des Stipendiensystems war es der Rektorin und den Rektoren von Beginn an bewusst, dass nur eine enge Zusammenarbeit der Hochschulen in OWL zum Erfolg führen könne. Anders als bei den oben erwähnten Fördervereinen und Hochschulgesellschaften sollte bei der Akquisition von Spenden für das neue Stipendiensystem gemeinsam OWL-weit agiert werden. Ziel war es in der Folge, eine Rechtsform zu finden, in der sich die Hochschulen unabhängig von ihrer Art und Größe als gleichberechtigte Partner zusammenschließen könnten, um über eine gemeinsame Infrastruktur Spenden einzuwerben und diese als Stipendien an Studierende in OWL zu vergeben.

Gründung und erste Praxisjahre Am 6. Juni 2006 wurde der Studienfonds OWL e.V. als bundesweit einmalige Kooperation dieser Art von den fünf OWL-Hochschulen gegründet.17 Der Verein mit Sitz in Paderborn verfolgte als Ziele die Förderung von Studierenden, die Förderung von Bildung sowie die Stärkung des Wirtschaftsstandortes OWL. Vorausgegangen war eine intensive Arbeitsphase, in der seit Anfang Februar in verschiedenen Arbeitsgruppen – teilweise unter Beteiligung des CHE 18 – die rechtlichen Grundlagen geprüft und die

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Vereinssatzung sowie das Vergabekonzept erarbeitet wurden. Am 1. September 2006 nahm die Geschäftsstelle, deren Finanzierung zunächst auf zwei Jahre durch anteilsmäßige Finanzierung der Hochschulen gesichert war, unter der Leitung von Katja Urhahne ihre Arbeit auf. Gründungsmitglieder des Vereins waren die fünf OWL-Hochschulen, jeweils vertreten durch ihre Rektorinnen bzw. Rektoren, sowie drei prominente Persönlichkeiten aus der Region OWL.19 Zum Vorsitzenden wurde Prof. Dr. Nikolaus Risch, zu seinem Stellvertreter Prof. Tilmann Fischer gewählt. Das Förderkonzept sah vor, dass die gemeinschaftlich eingeworbenen Spendenmittel als Stipendien nach einem Schlüssel entsprechend der Studierendenzahlen20 an die einzelnen Hochschulen verteilt und dabei sogenannte gewidmete Spenden 21 entsprechend dem Wunsch der Spender berücksichtigt werden sollten. Ursprünglich sah das Konzept drei Fördersäulen vor: I. Fördersäule  Stipendien in Höhe von 1 000 Euro/Jahr mit möglicher Verlängerung. Einheitliche Förderhöhe, unabhängig vom Einkommen und Vermögen (Ausnahme: Stipendien wegen Bedürftigkeit). Zielgruppe: deutsche und ausländische Studierende an den fünf OWL-Hochschulen im Erststudium. Förderkriterien: überdurchschnittliche Leistung und gesellschaftliches Engagement. Aufgrund einer persönlichen Bewerbung der Studierenden fand ein dreistufiges Auswahlverfahren statt, bei dem nach einer Vorprüfung durch die Geschäftsstelle an den Hochschulen Auswahlkommissionen tätig wurden und schließlich der Vorstand die Vergabe abschloss.

Am 18. Januar 2006 wurde bei einem eher zufälligen Treffen der Rektoren am Rande des OWL -Abends im Düsseldorfer Landtag die künftige enge Zusammenarbeit vereinbart.  18 Die CHE -Berater waren Markus Langer und Ulrich Müller.  19 Als prominente Persönlichkeiten unterstützten der Herzchirurg Prof. Dr. Reiner Körfer vom Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen, der ehemalige Handballnationalspieler Volker Zerbe vom TBV Lemgo und der ehemalige Bundesumweltminister und Direktor des UN -Umweltprogramms (UNEP ) in Nairobi, Prof. Dr. Klaus Töpfer, die Arbeit des Studienfonds OWL .  20  Universität Bielefeld 41 %, Universität Pader-­ born 33 %, Fachhochschule Bielefeld 14 %, Fachhochschule Lippe und Höxter 11 %, Hochschule für Musik Detmold 1,5 %.  21  Widmungen betreffen etwa den Studien­ gang, die Herkunft der Stipendiaten, den Hochschulort oder eine bestimmte Hochschule in OWL .

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II. Fördersäule: PraxisSchecks 

Diese sollten der frühzeitigen Intensivierung der Kontakte zwischen Studierenden und Unternehmen dienen. Sie sollten in ihrer Auswirkung die Berufsperspektiven der Studierenden verbessern und deren langfristige Bindung an Unternehmen und die Region OWL sichern helfen. Als Instrumente sollten dafür beispielsweise Praktika und die vermehrte Einrichtung von dualen (kooperativen) Studiengängen dienen. III. Fördersäule  Studienförderliche Jobs, bei denen ein größerer Teil der von den Hochschulen eingenommenen Studienbeiträge an die Studierenden durch Schaffung zusätzlicher studentischer Jobs an den Fakultäten und Fachbereichen zurückfließen sollte. Diese fachlich qualifizierenden Jobangebote sollten in erster Linie der Verbesserung der Qualität der Lehre durch Tutorien dienen. In der Praxis der ersten zwei Jahre hat sich aus dem ›3-Säulen­ Modell‹ eine einfacher zu handhabende Kombination von materieller und ideeller Förderung entwickelt, deren Elemente die Stipendien und ein umfangreiches ideelles Förderprogramm sind. Neben dem Ziel der Bindung an die Region OWL sollte dabei auch die Identifikation der Stipendiaten mit dem Studienfonds OWL intensiv verfolgt werden. In dieser Zeit entstand das Motto Studierende fördern. OWL stärken. Die ersten zehn Stipendien konnte der Studienfonds OWL im Januar 2007 rückwirkend für das Wintersemester 2006/2007 vergeben. Aus diesem Anlass »gab es neben Lob und Anerkennung auch viel Kritik: Zehn Stipendien seien eine verschwindend kleine Zahl gegenüber den etwa 45 000 Studierenden an den fünf Hochschulen, so die Skeptiker. Auch Vertreter der Wirtschaft räumten der Idee des Studienfonds OWL, ein Netzwerk aus Unternehmen und Studierenden zu etablieren, zunächst wenig Erfolg ein.« 22 Dennoch gelang es in der Folge Vorstand und Geschäftsführung, in zahlreichen Einzelgesprächen, Vorträgen, Präsentationen, Besuchen von Schulen, Unternehmen und Verbänden, durch Beteiligung an Berufsfindungsmessen und die Veröffentlichung von Presseartikeln ein positives Echo in der Region und weit darüber hinaus zu erzeugen. Mit Stolz konnte Prof. Dr. Nikolaus

22 Studienfonds 25 

Ebd., S. 3f. 

OWL  e.V. : Jahresbericht 2007, S. 3. 

23 Ebd.  24 

Ebd., S. 12.

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Risch im Grußwort des Vorsitzenden im ersten Jahresbericht des Vereins 2007 darauf verweisen, »dass der Studienfonds OWL mittlerweile für viele andere Hochschulen in Deutschland zum Vorbild geworden ist.« 23 Besondere öffentliche Aufmerksamkeit erreichte der Studien­ fonds OWL schon nach einem Jahr seiner Tätigkeit als Preis­träger im Bundeswettbewerb 365 Orte im Land der Ideen. In der feier­ lichen Preisverleihung im Audimax der Universität Paderborn, an dem auch der NRW-Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Prof. Dr. Andreas Pinkwart, teilnahm, begründete Norbert Loddenkämper als Vertreter der kooperierenden Deutschen Bank die Entscheidung der Jury: »Dieses einzigartige Engagement von Unternehmen und Privatpersonen ist mehr als Studienförderung: Es sorgt auch dafür, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Grundlage in unserer Region für die Zukunft zu stärken.« 24 Am Jahresende 2007 lag die Zahl der Stipendiaten bei 104; die Höhe der Zuwendungen (ohne die von den Hochschulen übernommene Finanzierung der Geschäftsstelle) betrug im Jahr 2007 154 100 Euro, die von 59 Privatspendern (7,8 %), 16 Unternehmen (66,5 %), sechs Stiftungen und Vereinen (22,4 %) und einer politischen Institution (3,2 %) dem Studienfonds OWL zuflossen.25 Neben der finanziellen Förderung lief im ersten Jahr auch das ideelle Förderprogramm an, bei dem die Stipendiaten Gelegenheit hatten, an Unternehmensbesichtigungen, sogenannten Kamingesprächen, kulturellen Veranstaltungen oder an einem speziellen Bewerbungstraining teilzunehmen. Mit dem Ziel des internen Gedankenaustauschs und der Netzwerkpflege wurden seitens der Geschäftsstelle zusätzlich regelmäßige Stipendiatentreffen organisiert.

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Umwandlung in eine Stiftung Nach drei Jahren sehr erfolgreicher Arbeit als eingetragener Verein wurde im Mai 2009 der Studienfonds OWL in eine gemeinnützige Stiftung des privaten Rechts umgewandelt. Die fünf öffentlich-rechtlichen OWL-Hochschulen, die bereits 2006 den Verein gegründet hatten, traten nunmehr als Stifterinnen einer privatrechtlichen Stiftung auf. Das war ein Präzedenzfall für die Stiftungsaufsicht und wurde nur dadurch ermöglicht, dass sich die Hochschulen im Rahmen eines gesonderten Vertrages – der Kostenübernahmeerklärung – verpflichteten, die Verwaltungskosten der Stiftung bis auf Weiteres zu tragen und somit die Stiftung jährlich durch eigene Zuschüsse zu finanzieren. Auch das anfängliche Stiftungskapital von 100 000 Euro wurde von den Hochschulen anteilsmäßig eingebracht, um das Spendenaufkommen weiterhin ausschließlich den Stipendien zukommen zu lassen. Die Umwandlung in eine Stiftung wurde »aufgrund der positiven Resonanz zahlreicher Unterstützer aus fast allen gesellschaft­ lichen Bereichen in der gesamten Region Ostwestfalen-Lippe« von den Hochschulen als »klares Bekenntnis für eine nachhaltige Stipendienkultur in der Region« 26 in Angriff genommen. Ein weiteres Argument für die Umwandlung war, dass Stiftungen aufgrund der regelmäßigen Kontrolle durch die Stiftungsaufsicht und des auf die ›Ewigkeit‹ angelegten Stiftungszwecks eine höhere Reputation und Vertrauenswürdigkeit bei potenziellen Spendern besitzen als Vereine. Der Stiftungszweck unterschied sich nicht vom Zweck des Vereins. Organe des Vereins waren der Vorstand und die Mitgliederversammlung als Kontrollorgan, bei der Stiftung sind es der Vorstand und das Kuratorium, bestehend »aus mindestens zehn und höchstens 20 Persönlichkeiten insbesondere aus den Bereichen der Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft, Verbände, Kirche und Kultur, die aufgrund ihrer spezifischen Kenntnisse und Erfahrungen und/ oder ihrer Stellung in der Gesellschaft geeignet sind, zu einer effizienten Verwirklichung der Stiftungsziele beizutragen.« 27

Neben seiner bundesweiten Vorbildfunktion eines regionalen Hochschulverbundes zur Einwerbung und Vergabe von Stipendien hatte der Studienfonds OWL auch einen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des NRW-Stipendienprogramms, das zum Wintersemester 2009/2010 anlief. Bereits 2008 hatte NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart bei Bund und Ländern für ein nationales Stipendienprogramm geworben. Um ein Zeichen für die Ernsthaftigkeit seines Vorhabens zu setzen, hatte er Landesmittel in Höhe von 8,6 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre in den NRW-Haushalt einstellen lassen. In Anlehnung an das Vergabemodell des Studienfonds OWL sah Pinkwarts Vorschlag vor, Stipendien unabhängig vom Einkommen der Eltern ausschließlich nach Begabung/Leistung zu vergeben. Mittelfristig sollten die besten zehn Prozent der Studierenden monatlich 300 Euro als Stipendium erhalten, davon jeweils die Hälfte aus Mitteln des Landes und von der Hochschule eingeworbenen Spendenmitteln. »Für jeden eingeworbenen Euro aus privaten Mitteln sollen (die Hochschulen) einen Euro von staatlicher Seite hinzu erhalten. Die Wirtschaft habe bereits großes Interesse an dem Programm signalisiert«, so eine Presseerklärung der FDP vom 9. Juli 2008.28 Bei der Ausgestaltung des NRW-Stipendiums, insbesondere bei der Vorbereitung der Richtlinien für ein nordrhein-westfälisches Stipendienprogramm vom 31. März 2009,29 wurde die Stiftung Studienfonds OWL in die Beratungen des Ministeriums einbezogen und konnte ihre Erfahrungen aus der eigenen Vergabepraxis einbringen. Grundsätzlich sollten die NRW-Stipendien nach Leistung und einkommensunabhängig vergeben werden, wobei es den Hochschulen freigestellt blieb, weitere Auswahlkriterien zu definieren. Für die am Studienfonds OWL beteiligten Hochschulen spielten beispielsweise das soziale bzw. gesellschaftliche Engagement und die Bildungsbiografie eine Rolle. Für besonders 26  Stiftung Studienfonds OWL : Jahresbericht 2009, S. 3.  27  Stiftung Studienfonds OWL : Satzung vom 14.5.2009, § 10 (1).  28 Vgl. http://www.fdp-nrw.de/webcom/

show_article_bb.php/_c-522/_nr-3928/i.html (14.4.2015).  29  Vgl. http://www9. rwth-aachen.de/global/show_document.asp?id=aaaaaaaaaabsmmx (15.4.2015).

Stiftung Studienfonds OWL

Vorbildlich: NRW- und Deutschlandstipendium orientieren sich am Studienfonds

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bedürftige oder in finanzielle Not geratene Studierende führte der Studienfonds seine bewährte Förderlinie für soziale Härtefälle fort, die ausschließlich aus privaten Spendenmitteln finanziert wurde. Gegenüber der Höhe der bisher vom Studienfonds OWL vergebenen Stipendien mit 1 000 Euro im Jahr sah das Landesstipendienprogramm NRW einen Förderbetrag von jährlich 3 600 Euro vor. Das bedeutete für den Studienfonds OWL eine erhöhte Anstrengung bei der Einwerbung von privaten Spenden, um die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel in vollem Umfang in Anspruch nehmen zu können. Erfreulicherweise gelang es im ersten Jahr des NRW-Stipendienprogramms (2009), alle 139 Stipendien, die den fünf Hochschulen zur Verfügung gestellt wurden, zu finanzieren.30 Im Herbst 2010 konnten zusätzliche 89 Stipendien vergeben werden. Insgesamt bedeutete dies ein Fördervolumen von fast 620 000 Euro allein in diesem Förderprogramm für das Jahr 2010.31 Mehr als 70 Unternehmen, Stiftungen, Vereine, Kommunen, Kreise und einzelne Privatpersonen hatten im Jahr 2010 dazu beigetragen, dass 228 leistungsstarke Studierende der fünf Hochschulen in OWL gefördert werden konnten. Trotz des politischen Wechsels in der Landesregierung NRW im Jahr 2010 bestand die Garantie für die Ausfinanzierung des Landesstipendien­programms noch bis zum Jahr 2014 fort. »Nachdem bereits das NRW-Stipendienprogramm auf das erfolgreiche Modell des Studienfonds OWL zurückzuführen ist, bewies die Idee in 2011 auch auf Bundesebene Modellcharakter.« 32 Zum 1. August 2010 trat das Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms der Bundesregierung in Kraft. Dieses als Deutschlandstipendium bezeichnete Programm bildete auf Bundesebene dasselbe Fördermodell ab, das schon das NRW-­Stipendium seit 2009 erprobt hatte. Bundesweit konnten nun Hochschulen seit dem Sommersemester 2011 Studierende mit einem Stipendium unterstützen, das hälftig aus staatlichen und privaten Mitteln generiert wurde. »Wir wollen in Deutschland eine Stipendienkultur aufbauen, jungen Menschen mit heraus­ragenden Fähigkeiten den Rücken stärken und damit unsere Position im

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internationalen Wettbewerb um kluge Köpfe verbessern«, so die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan.33 Nichts anderes also, als die fünf OWL-Hochschulen im Jahre 2006 bei der Gründung des Studienfonds OWL für ihre Region im Sinn gehabt hatten. Seit dem Wintersemester 2011/2012 förderte die Stiftung erstmalig 170 Stipendiatinnen und Stipendiaten über das neue Bundesprogramm. Das Deutschlandstipendium ist darauf angelegt, 1,5 Prozent 34 aller Studierenden mit einem Stipendium zu fördern (Stand 2014).35 Voraussetzung dafür ist, dass die bereitgestellten Bundesmittel durch einen gleich hohen Betrag privater Spendenmittel gedoppelt werden. Das gelingt in den Bundesländern sehr unterschiedlich und hängt stark von der Wirtschaftskraft der einzelnen Hochschulregionen ab. In OWL konnte das den Hochschulen zur Verfügung gestellte Kontingent öffentlicher Mittel bisher nur im ersten Programmjahr vollständig ausgeschöpft werden; allerdings auch deswegen, weil die Bereitstellung und Organisation eines umfassenden und qualitativ hochwertigen ideellen Förderprogramms, wie es der Studienfonds seinen Stipendiaten anbietet, auch personelle Ressourcen bindet. Dennoch: Seit der Gründung im Jahr 2006 konnte der Studienfonds OWL fast jährlich die Anzahl an vergebenen Stipendien steigern. Im Förderjahr 2014/2015 wurden 346 Studierende mit einem Stipendium unterstützt, davon 323 Studierende mit einem Leistungsstipendium (Deutschlandstipendium), 18 mit einem Sozialstipendium und fünf mit einem Sonderstipendium des Kreises Paderborn. Im Zeitraum von 2006 bis 2014 konnten 3,5 Millionen Euro Spendengelder eingeworben und mehr als 1 300 Studierende durch ein Stipendium gefördert werden.36

Stiftung Studienfonds OWL : Jahresbericht 2009, S. 8.  31 Ebd.  32  Ebd., S. 4. Zitiert nach Stiftung Studienfonds OWL : Jahresbericht 2011, S. 8.  34  Ebd., S. 4. 35  Das Gesetz sah ursprünglich vor, die Förderquote jährlich um 0,5 Prozent bis auf maximal acht Prozent aller Studierenden zu steigern (§ 11 (4) StipG). Allerdings zeigte sich bereits im zweiten Programmjahr, dass die private Spendenbereitschaft nicht in dem gleichen Maße zu steigern war, sodass die Bundesregierung im Benehmen mit den Hochschulen die Quote vorerst auf 1,5 Prozent eingefroren hat.  36 Studienfonds OWL : Jahresbericht 2014, S. 51.  33 

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Ausgezeichneter Projektkoordinator und Netzwerker Neben den Aufgaben im Rahmen des NRW- und des Deutschlandstipendiums hat sich der Studienfonds OWL auch bei anderen Programmen als Projektkoordinator und hervorragender Netzwerker bewiesen. Beispielsweise hat die Stiftung im Jahr 2009 für vier der fünf beteiligten Hochschulen im Rahmen des Landesstipendienprogramms für Schwellen- und Entwicklungsländer die Aufgaben der Projektkoordination übernommen. Das vom nordrhein-westfälischen Innovationsministerium ausgeschriebene Programm zielte darauf ab, Studierende aus der Zielregion »ehemaliges Jugoslawien« und anderen Schwellen- und Entwicklungsländern zu fördern. Die Organisation und Verwaltung des Stipendienprogramms lag – in enger Zusammenarbeit mit den Vertretern der International Offices der vier Hochschulen – bei der Stiftung Studienfonds OWL. Die Auslobung des Preises Einstein-OWL ist eine Initiative der Familie-Osthushenrich-Stiftung (Gütersloh), der Carina Stiftung (Herford) sowie der Peter Gläsel Stiftung (Detmold) in Kooperation mit der Stiftung Studienfonds OWL. Mit dem Preis werden Schülerinnen und Schüler aus Ostwestfalen-Lippe ausgezeichnet, die innovative Projekte aus den Bereichen Naturwissenschaft und Technik umgesetzt haben. Ziel ist es, dadurch Initiativen an Gymnasien, Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe oder Berufskollegs zur Steigerung des Interesses an naturwissenschaftlichen Themenfeldern und Ingenieurberufen zu unterstützen. Seit 2009 gibt es das Sonderstipendium des Kreises Paderborn, das ebenfalls vom Studienfonds OWL koordiniert wird. Es wird an Studierende vergeben, die hervorragende Leistungen bei der Bearbeitung von wissenschaftlichen Projekten erzielt haben, die einen inhaltlichen Bezug zum Kreis Paderborn haben. Dass der Studienfonds OWL mehr als ein Fundraising-Dienstleister seiner Hochschulen ist, hatte sich bereits in den ersten Monaten seines Bestehens herausgestellt. Durch die Besonderheit,

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37 Studienfonds

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materielle Förderung mit ideeller Förderung zu verknüpfen, ist es dem Studienfonds gelungen, die Stipendiatinnen und Stipendiaten mit Unternehmen, Stiftungen und anderen Spendern der Region bekannt zu machen und eine Art direkter Patenschaft zu initiieren. Das Anliegen der Gründer bestand ja eben darin, »Privatpersonen und Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich gesellschaftlich zu engagieren und Studierende in ihrer persön­ lichen und beruflichen Entwicklung zu fördern.« 37 Das ideelle Förderprogramm sah deshalb den direkten Kontakt von Stipendia­ ten und Förderern vor – nicht nur bei der feierlichen Stipendienvergabe, sondern auch bei Firmenbesuchen, Betriebsbesichtigungen, Workshops, kulturellen Veranstaltungen, Personalbörsen, Netzwerktreffen und bei den seit 2008 in regelmäßigen Abständen stattfindenden Stipendiaten-Förderer-Treffen. Bei diesen ganz­ tägigen Veranstaltungen in großem Rahmen haben die Stipendiaten Gelegenheit, an Workshops, Diskussionsrunden, Vorträgen und Bewerbungstrainings teilzunehmen, die von Vertreterinnen und Vertretern der fördernden Unternehmen in Abstimmung mit den Stipendiaten geplant und durchgeführt werden. Die Resonanz auf diese Veranstaltungen ist groß und trägt erheblich zur Vertrauensbildung in der Öffentlichkeit bei. Den gleichen Zweck erreicht auch der regelmäßig veröffentlichte Jahresbericht von Vorstand und Geschäftsführung sowie der in lockerer Folge seit 2007 mehrmals jährlich per E-Mail versandte Newsletter, der über aktuelle Themen berichtet, unter anderem über besondere öffentliche Aktivitäten von Vorstand und Geschäftsstelle sowie über Preise und besondere Studienerfolge von Stipendiaten oder Alumni. Die mehrmals im Jahr stattfindenden Stipendiatentreffen fördern die Vernetzung der Studierenden untereinander und sollen dabei helfen, für das wachsende Alumni-Netzwerk weitere aktive Mitglieder zu gewinnen. Durch diese Maßnahmen kommt die noch junge Stiftung Studienfonds OWL ihrem gesteckten Ziel Schritt für Schritt näher, ein Begabtenförderwerk auf regionaler Ebene zu schaffen, das grundsätzlich dieselben Ziele verfolgt wie die großen politischen

OWL: Jahresbericht 2007, S. 8.

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oder religiösen Förderwerke in Deutschland, nur dass die Vernetzung der Wirtschafts- und Wissenschaftsregion OWL das eigentliche Leitmotiv darstellt. Die Qualität des ideellen Förderprogramms war es dann auch, die der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im Jahr 2013 für preiswürdig befand. Im Bundeswettbewerb Die Besten begleiten erhielt das Förderkonzept aus OWL unter 30 Bewerbungen eine der drei Auszeichnungen für das beste Förderprogramm im Rahmen des Deutschlandstipendiums. Die Preisträger verfügen über »schlüssige Gesamtkonzepte mit zahlreichen innovativen Vernetzungsmaßnahmen zur ideellen Förderung von Stipendiaten, die auch für andere Hochschulen Modellcharakter besitzen«, hieß es im Urteil der Jury.38 Im September 2013 ging die Bildungsregion OWL als einer von vier Gesamtsiegern aus einem weiteren Wettbewerb des Stifterverbandes hervor und wurde für zwei Jahre mit einem Preisgeld von 250 000 Euro ausgestattet. »In Bildungsclustern arbeiten Hochschulen mit Partnern unterschiedlicher Sektoren strategisch und verbindlich zusammen, um Nachwuchs zu gewinnen, auszubilden und in der Region zu halten.« 39 Unter der Koordination des Studienfonds OWL kooperieren im Bildungscluster die fünf dem Studienfonds angehörenden Hochschulen mit der Initiative für Beschäftigung OWL e.V. und weiteren Akteuren wie OWL Maschinenbau e.V., fünfzehn Brancheninitiativen, dem Regionalrat, der Bezirksregierung, den Kommunen der Region, der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, der IHK Lippe zu Detmold, den Arbeitgeberverbänden sowie der OWL GmbH und dem Spitzencluster it’s OWL. Das Programm beinhaltet drei umfangreiche Projekte, bei denen zum einen Hochschulabsolventinnen und l-absolventen auf unterschiedlichen Wegen auf einen Berufseinstieg in OWL vorbereitet werden und zum anderen Studierende gemeinnützige Organisationen mit ihrem Fachwissen unterstützen sollen.40

Stiftung Studienfonds OWL

Heute, im Jahr 2015, kann man feststellen, dass der ursprüngliche Anlass zur Gründung des Studienfonds OWL mit der Abschaffung der Studiengebühren in allen Bundesländern (in NRW seit dem Wintersemester 2011/2012) entfallen ist. Die allgemeine Studienbeitragspflicht war nur eine kurze Episode in der Geschichte der Hochschulfinanzierung. Geblieben sind die Idee der Begabtenförderung und der Wille einer guten und intensiven Zusammenarbeit zwischen den OWL-Hochschulen und den regionalen Akteuren zum Wohl der Studierenden und zur Förderung des Wirtschaftsstandortes OWL. In dieser Zusammenarbeit hat der Studienfonds OWL in den wenigen Jahren seines Bestehens eine sehr erfolgreiche und herausragende Rolle übernommen.  ◼

38 Studienfonds OWL : Jahresbericht 2013, S. 17.  39  Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, zitiert nach ebd., S. 18.  40  Ebd., S. 18f.

Qualität und Kompetenzen in der Hochschul­ ausbildung Dieter Timmermann

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Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Wirkungen die Akkreditierung und Reakkreditierung von Programmen bzw. Studiengängen erzeugen. Ist einerseits beobachtbar, dass die Akteure in den Hochschulen auf die durch die Gutachterinnen und Gutachter sowie die Akkreditierungsagenturen ausgesprochenen Empfehlungen und Auflagen reagieren, um die Akkreditierung oder Reakkreditierung der eingereichten Studiengänge zu erreichen, bleibt andererseits völlig offen, welchen Beitrag diese Formen der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung für die Qualität des Studiums leisten, wenn auf das Studienergebnis, den sogenannten Output in Form von Wissen bzw. Kenntnissen und anderer Output-Maße geschaut wird.1

Dieter Timmermann

Die Interpretation des pädagogischen Handlungsmodells von Hans Bokelmann als Bildungsproduktionsfunktion Bildungsökonomen ziehen zur Betrachtung und Analyse von Lehr-Lern-Prozessen gerne das Instrument der sogenannten Bildungsproduktionsfunktion heran, die einen funktionalen – im besten Fall: kausalen – Wirkungszusammenhang zwischen den in die Lehr-Lern-Prozesse eingebrachten Ressourcen bzw. Inputs, der Organisation, Didaktik/Methodik und Technologie der Prozesse und den Lernergebnissen der Lernenden behauptet. Studierende der Erziehungswissenschaften, Pädagoginnen und Päda­ gogen, Lehrerinnen und Lehrer und viele andere Nichtökonomen bringen diesem Denkansatz häufig eine gewisse normativ geprägte Reserviertheit entgegen, weil man Bildung nicht ökonomisieren wolle und könne. Im vorliegenden Fall geht es um eine analytische Betrachtungsweise auf Lehr-Lern-Prozesse und

Abb. 1: Das pädagogische Handlungsmodell nach Bokelmann

Erziehungsnormen Erziehungsbedingungen

Erziehungsziele

Erziehungsgehalte

Erziehungs­ tätigkeit

Erzieherpersönlichkeit

Erziehungsmaßnahmen

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Edukand

Erziehungswirkung

Planungsebene Beschaffungsplanung

Verbrauchsplanung

Produktions­ planung

Erfolgsplanung/ Studienziele

Ressourcen­ bestände

Inputs = Ressourcen­ verbräuche

Produktions­ prozesse/LehrLern-Prozesse

Output/Lern-/ Studienerfolg

Bestandsgrößen

Stromgrößen

Durchführungsebene

deren Lernergebnisse, mit deren Hilfe eruiert werden soll, ob das auf Lehr-Lern-Qualität gerichtete Qualitätsmanagement sichtbare Qualitätswirkungen hat.2 Der bis in die 1990er-Jahre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster lehrende Professor der Allgemeinen Erziehungswissenschaft, Hans Bokelmann, hatte in seinen Publikationen ein grundlegendes pädagogisches Handlungsmodell formuliert, das in seiner Struktur dem Modell einer Bildungsproduktionsfunktion sehr nahe kommt. Wie in Abbildung 1 dargestellt, stellte Bokelmann einen funktionalen, wenn nicht kausalen Wirkungszusammenhang zwischen Erziehungs-Inputs verschiedener Art – Gehalten, Tätigkeiten, Persönlichkeiten, Normen –, den Bedingungen sowie Maßnahmen und den auf die Verwirklichung von Zielen gerichteten Wirkungen her.

1  Aus Gründen des Zeitmangels wird auf Literaturhinweise und präzise Quellen­ an­gaben verzichtet. Plagiatspassagen in Form nicht gekennzeichneter Quellen bzw. fremd übernommener Textteile kommen in diesem Beitrag nicht vor.  2 Dieser Beitrag liefert selbst keine empirischen Ergebnisse zu dieser Frage, er verdeutlicht vielmehr die Komplexität solcher Analyseversuche für die Hochschullehre und das Hochschulstudium. 

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Abb. 2: Ein einfaches Input-Prozess-Output-Modell der Hochschulausbildung (Bildungsproduktionsfunktion)

Dieter Timmermann

Dieses in erziehungswissenschaftlicher bzw. pädagogischer Begrifflichkeit formulierte Bedingungs- und Wirkungsgefüge kann in eine ökonomische Sprache übersetzt werden, die im Hinblick auf die Wirkungszusammenhänge Gleiches ausdrückt. Eine Bildungseinrichtung verfügt über Bestände von unterschiedlichen Ressourcen, die zunächst beschafft werden müssen, um anschließend in Lehr-Lern- und darauf ausgerichteten Organisationsprozessen ver- oder gebraucht werden, damit die gesetzten Lehr- und Lernziele möglichst gut erreicht werden. Die Prozesse werden ex ante geplant – Lehr- und Unterrichtsplanung – und schließlich durchgeführt. Abbildung 2 bildet das ökonomische Modell als Input-Prozess-Output-Modell oder als Bildungsproduktionsfunktion ab.

Die Qualitätsdimensionen der Bildungsproduktionsfunktion Wie Abbildung 3 zeigt, lassen sich die Ressourcen, die Inputs, die Prozesse und die Outputs durch zwei Dimensionen beschreiben: durch eine quantitative und eine qualitative Dimension. Die quantitative Dimension drückt sich in Mengen, Zeit oder Preisen bzw. monetären Werten aus. Mengen und Zeit bilden das Mengen­ gerüst der Produktionsfunktion, die qualitative Dimension offenbart sich durch Eigenschaften, die den In- und Outputs sowie den Prozessen und Prozessstrukturen zugeordnet werden und das Qualitätsgerüst der Produktionsfunktion bilden. Die Bewertung der Inputs und Outputs mit Preisen erzeugt das Preis- bzw. Wertgerüst der Prozesse und führt zu Kosten und monetären Erträgen der Lehr-Lern-Prozesse. Die Bewertungsfrage wird im Folgenden nicht weiter verfolgt. Vielmehr gilt die Aufmerksamkeit dem Mengen- und dem Qualitätsgerüst der Bildungsproduktionsfunktion im Kontext hochschulischen Lehrens und Lernens. In Abbildung 4 werden drei Qualitäten unterschieden, die sich in unterschiedlicher Weise auf die Eigenschaften einer Sache beziehen. Eine Sache oder ein Gegenstand lässt sich in aller Regel

160–161

Menge Quantitäten

Qualitäten

Zeit

Mengen­ gerüst

Preise/Werte

Wertgerüst

Eigenschaften

Qualitätsgerüst

Abb. 4: Drei Qualitätskonzepte bzw. -begriffe Qualität Eigenschaften objektive Eigenschaften: must have/ nice to have (Funktionalität)

von verschiedenen Subjekten unterschiedlich gewichtete und bewertete Eigenschaften

von verschiedenen Akteuren oder Partnern vereinbarte Eigenschaften

objektive Qualität Qo

subjektive bzw. relative Qualität Qs

vereinbarte bzw. kon­ trahierte Qualität Qk

durch Eigenschaften beschreiben, die jeder Beobachter als vorhanden bestätigt. Diese Eigenschaften sind gewissermaßen objektiv vorhanden. Objektiv bestätigte Eigenschaften einer Sache werden als deren objektive Qualität Q bezeichnet. So wird jeder Mensch º

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Abb. 3: Zwei Dimensionen der Bildungsproduktionsfunktion

Dieter Timmermann

162–163

bestätigen können, dass ein Auto vier Räder hat, bremsen und fahren kann, dass es Blinker hat und vieles mehr – vor allem dass es jemanden von A nach B befördern kann. Verschiedene Menschen werden aber diese objektiven Eigenschaften unterschiedlich bewerten. Der eine möchte ein schnelles Auto mit hohem Beschleunigungsvermögen, der andere ein besonders sicheres und nimmt Beschleunigungs- oder Geschwindigkeitseinbußen gerne in Kauf. Mit anderen Worten: Die objektiven Eigenschaften einer Sache werden von verschiedenen Menschen in Abhängigkeit ihrer Präferenzen unterschiedlich gewichtet und bewertet. Die objektiven Eigenschaften erhalten subjektive Bewertungen und werden dadurch zu subjektiven oder relativen Qualitäten Q s . So kann Lehrender A in einem Studiengang S Faktenwissen als besonders wichtige Wissensform vermitteln wollen, während die Studierenden, die sein Seminar besuchen, vor allem Praxisprobleme lösende Inhalte lernen wollen, während Lehrender B in erster Linie theoretisches Grundlagenwissen vermittelt sehen will. Denkbar wäre, dass sich die drei ›Parteien‹ auf eine Mischung und Balance der drei unterschiedlichen Wissensformen einigen; man könnte dann von vereinbarter oder kontrahierter Qualität Q k sprechen. Wird diese Unterscheidung der drei Qualitätsdimensionen auf die hochschulische Bildungsproduktionsfunktion übertragen, so wäre, wenn über die Qualität der Hochschullehre oder des Stu­diums gesprochen wird, zu prüfen, über welche der drei Dimen­sionen jeweils kommuniziert wird. Insofern veranschaulicht Abbildung 5 zweierlei: erstens, dass in einem Lehr-Lern-Prozess jedes Prozesselement auf die drei Qualitäten hin betrachtet werden kann (und sollte), und zweitens, dass die Output-Qualität(en) in einem funktionalen oder sogar kausalen Wirkungsbezug zu den Qualitäten der Inputs und Prozessbedingungen steht bzw. stehen. Das Studienmodell vor der Bologna-Reform wird gemeinhin als inputbezogenes Lehr-Lern-Modell bezeichnet. Damit war gemeint, dass der Lernerfolg von Studierenden zwar von ihren eigenen Lernanstrengungen abhängig war, vor allem aber wurde

Planungsebene Qo

Qs

Qo

Qs

Qo

Qs

Qo

Qs

Ressourcen­ bestände

Inputs = Ressourcen­ verbräuche

Produktions­ prozesse/LehrLern-Prozesse

Output/Lern-/ Studienerfolg

Qk

Qk

Qk

Qk

Durchführungsebene

er als durch das disziplinäre Wissen der Lehrenden und ihre Vermittlungsfähigkeit bestimmt gesehen. Zu jedem diszi­plinären Wissen gehört Faktenwissen, theoretisches und methodisches Wissen und Problemlösungswissen, um nur einige Wissens­formen zu nennen. Diese Eigenschaften des disziplinären Wissens – Fakten zu präsentieren, Theorien und Methoden darzustellen und Problemlösungen anzubieten – wären nach obiger Definition objektive Qualitäten des disziplinären Wissens. Es ist aber ziemlich wahrscheinlich, dass Studierende die Qualitätskomposition des vermittelten disziplinären Wissens anders bewerten und gewichten als beispielsweise Professoren, Arbeitgeber, Hochschulpolitiker oder die Eltern der Studierenden. Hier kommt also die subjektive Bewertung der Eigenschaften des Wissens ins Spiel, also die subjektiven Qualitäten. Man könnte jetzt sagen, dass Curricula einerseits und die Definition von Qualifikationsvoraussetzungen für Lehrende andererseits – als Input-Variable – implizit für die vereinbarte oder gesetzte (Mindest-)Qualität der Lehrinhalte

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Abb. 5: Ein einfaches qualitätsbezogenes Input-Prozess-Output-Modell der Hochschulausbildung (Bildungsproduktionsfunktion)

Dieter Timmermann

und Lehrmethoden stehen. Ähnliche Überlegungen können für die Lehr-Lern-Prozesse selbst, ihre Strukturen und für den Lern­ erfolg gelten. Die Bologna-Philosophie ist insofern von einer anderen Zusammenhangslogik getragen, als der Lernerfolg in Form von Kompetenzmindeststandards vorgegeben ist und die Inputs sowie die Lehr-Lern-Prozesse in ihrer Qualität so gestaltet sein müssen, dass die Kompetenzmindeststandards von möglichst vielen Studierenden erreicht werden. Diese Kompetenzmindeststandards sind nichts anderes als durch Vertreter der Lehrenden, der Arbeitgeber und Hochschulpolitiker kontrahierte Qualitäten, hinter denen sich objektive und subjektive Qualitäten verbergen.

Die Qualitätsdimension in einer erweiterten Bildungsproduktionsfunktion (BPF) Bevor man daran geht, die Qualität der Hochschul(aus)bildung empirisch zu erfassen, scheint es zweckmäßig zu sein, ein Qualitätsmodell zu konstruieren, das die vermuteten Zusammenhänge zwischen den Qualitäten der einzelnen Elemente der Bildungsproduktionsfunktion abbildet. Damit wird die Hypothese aufgestellt, dass die Qualität des Lern-Outputs eine Funktion der Qualitäten der Inputs, der Lehr-Lern-Prozesse, ihrer Technologien und der Didaktiken bzw. Lehr-Lern-Methoden sei. Je nachdem, wie weit man die Wirkungen fassen möchte, kommt man zu unterschiedlich vielen Elementen der BPF, deren Qualität kons­ truktive Aufmerksamkeit und Beobachtung verlangt. Abbildung 6 zeigt das konstruierte Modell einer erweiterten Bildungsproduktionsfunktion, welches den Transfer der Output-Qualität(en) in das Beschäftigungssystem mit in den Blick nimmt. Humankapitaltheoretisch gesprochen besagt das Modell als Hypothese, dass die Qualität der Arbeitsleistung im Beschäftigungssystem bzw. die Qualität der arbeits- und gesellschaftsbezogenen Kompetenzen von Hochschulabsolventinnen und l-absolventen eine Funktion der Qualitäten der Inputs in

164–165

Q₁

Processes Structures Conditions

Q₂

Outcome: Productive results

Satisfaction Q₄

Learning output

Q₃

Q₅

Transition to work

Indeterminacy

Transfer

Q₆

Output Outcome Productivity

Q₇ Q₈

Satisfaction

Q₉

Work

Area of returns and benefits

Learning in (private or public) Higher Education

Effects

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Input

Higher Edducation

Cost area

Abb. 6: Dimensions of Quality in an extended Education Production Function Model

Higher Edducation (hi ed)

Cost area

Dieter Timmermann

Abb. 7: The Higher Education Production Model as a frame reference for a dual study system (two learning institutions with own quality concepts)

Input hi ed Process hi ed

Q₁h Q₁h

Input firm Process firm

Q₁f Q₁f

Effects

Q₃ Q₅

Output from general and specific training

Q₄

Work

Area of returns and benefits

Outcome: productive results

166–167

Indeterminacy

Transfer

Q₆

Outcome Output

Q₇ Q₈

3 

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

die Lehr-Lern-Prozesse, der Qualitäten der Lehr-Lern-Prozesse und ihrer Technologien, Didaktiken und Methoden selbst sowie der Qualitäten der Transferprozesse sei. Betrachtet man nur den hochschulischen (Aus-)Bildungsprozess, dann kann und sollte man Qualität an drei Passagen des Prozesses beobachten können: bei den Inputs, den Prozessen und beim Output. Deshalb wird seit vielen Jahren von Input-, Prozess- bzw. Struktur- und Output-Qualität gesprochen (Q¹, Q² und Q³ in Abb. 6). Wenn es insbesondere um die vermuteten kausalen Wirkungen im Zusammenwirken von Input- und Prozess- bzw. Strukturqualitäten auf die Output-Qualitäten geht, erschweren zwei Aspekte die Aussage­ gewissheit: Erstens besteht der Lern-Output aus unterschied­ lichen Dimensionen, die unterschiedlich gewichtet und bewertet werden – beispielsweise fachliches Wissen in Form von Fakten-, Reflexions- oder Problemlösungswissen, methodisches Wissen, soziale Kompetenzen und Selbstkompetenzen u. a. m.; es wird vermutet, dass diese multiplen Kompetenzen in Wechselwirkungen zueinander stehen, was empirische Messungen nicht verhindert, aber erschwert. Zweitens hat Niklas Luhmann auf das Technologiedefizit der Erziehung bzw. der Pädagogik in dem Sinne hingewiesen, dass Lehr-Lern-Prozesse dem Phänomen der Unbestimmtheit unterliegen, welches besagt, dass vor allem Hochschullehrende im Gegensatz zu Produktionsingenieuren, die mit mehr als 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit die Qualität jedes ihrer Produkte voraussagen können, in der Regel mit einer viel geringeren Wahrscheinlichkeit die Qualität des Lehrerfolges ihrer Studierenden voraussagen können, der Wirkungszusammenhang der hochschulischen (Aus-)Bildungsproduktionsfunktion folglich kontingent sei; dafür steht »indeterminacy« in Abb. 6 und 7. Angesichts der Operatio­ nalisierungs- und Messschwierigkeiten hochschulischen Outputs3 wurde und wird zum Teil noch die Lern- bzw. Abschlusszufriedenheit der Absolventinnen und Absolventen als Qualitätsmaß verwendet, wie übrigens auch sehr lange in der

Damit ist nicht gesagt, dass Operationalisierung und Messung nicht möglich seien;

PISA und PIAAC zeigen für den Bereich Schule und Erwachsenenbildung, dass über

den Kompetenzenansatz der Zugang möglich ist. 

Dieter Timmermann

168–169

Erwachsenenbildung. Das kann allerdings nur als sehr grober Ersatz für die Output-Qualität angesehen werden. Wird die Betrachtung der hochschulischen (Aus-)Bildungsproduktionsfunktion in das Beschäftigungssystem hinein erweitert, indem die dortigen Qutcome genannten Produktivitätswirkungen monetärer und nicht monetärer Art und deren Qualität in den Blick genommen werden, dann müsste man mindestens zwei weiteren Qualitäten Aufmerksamkeit schenken: a) der Qualität der Transferprozesse und -strukturen, in deren Kontext der Lern-Output zu Outcome wird, und b) der Qualität des Outcome selbst 4 – mit der Implikation, dass eine empirische Erforschung der Qualität der Hochschul(aus)bildung Qualität an mindestens sieben ›Stellen‹ beobachten und messen müsste. Für die Transferphase gilt allerdings ebenfalls das Luhmann’sche Verdikt des Technologiedefizits und der Kontingenz der Wirkungskanäle. Das Problem der Beobachtung, Erfassung, Operationalisierung und Messung der hochschulischen (Aus-)Bildungsqualität wird noch einmal ein Stückchen komplexer, wenn das Studium dual geschieht.5 Abbildung 7 veranschaulicht, dass drei weitere Qualitätselemente hinzukommen, nämlich die Qualität der Inputs des Partners aus Wirtschaft oder Verwaltung, die Qualität der dort stattfindenden Lehr-Lern-Prozesse samt Strukturen und die Qualität der Abstimmungen zwischen den dualen Partnern, sodass in einem derartigen Studienkontext mindestens zehn Qualitätselemente beobachtet werden müssten, wenn man Aussagen über die Qualität des dualen Studiums machen wollte. Ein letztes nicht ganz harmloses Problem der Qualitätsbeobachtung hochschulischer Bildungsproduktion ergibt sich aus der Frage, welches Maß die Leistung der hochschulischen (Aus-)Bildung angemessener wiedergibt: der Brutto-Output oder der Netto-Output. Abbildung 8 verdeutlicht dieses Problem. Student 1 kommt aus einem bildungsfernen Elternhaus über ein Berufskolleg mit einem Eingangswissen für sein Studienfach, das signifikant niedriger ist als das Eingangswissen von Student 2, der aus einem akademischen Elternhaus kommt und über ein gymnasiales

Wissen BruttoOutput S₁

BruttoOutput S₂ NettoOutput S₂

NettoOutput S₁

Student 1

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Abb. 8: Brutto- versus Netto-­Output (value added)

Student 2

Abitur verfügt. Student 2 beendet sein Studium mit einer besseren Note als Student 1. Die Note bescheinigt ihm ein umfangreicheres und tieferes Wissen als Student 1, der allerdings im Vergleich zu seinem Eingangswissen deutlich mehr hinzugelernt hat als Student 2 im Vergleich zu seinem Eingangswissen. Während Arbeitgeber Student 2 als den leistungsfähigeren Absolventen wahrnehmen würden – wegen des höheren Brutto-Outputs –, ist de facto Student 1 der leistungsfähigere Absolvent, weil sein Lernzuwachs höher war als bei Student 2. Student 1 hat demnach einen höheren Netto-Output, Student 2 den höheren Brutto-Output. Will man also die Qualität und damit die Leistung eines Studiengangs erfassen, müsste man den Lernzuwachs – den value added – als Qualitätsmaß wählen, was aber in der Hochschulpraxis bislang nicht geschieht. 4 

Während der Outcome von der bildungsökonomischen Forschung lange durch b­ ildungsabhängige Differenzen bei Einkommen, Arbeitslosigkeitsrisiko, Positionie­ rung in der Organisationshierarchie und ähnliche Indikatoren gemessen, nicht monetäre Wirkungen eher benannt, aber kaum gemessen wurden, sind zurzeit eine größere Reihe von interdisziplinär zusammengesetzten Teams von Forscherinnen und Forschern dabei, die nicht monetären Outcomes der Hochschulbildung wie Gesundheit, Selbstwirksamkeit oder gesellschaftliche Partizipation zu messen und wenn möglich kausal auf Wirkungen der Hochschulbildung zurückzuführen.  5  Auf die unterschiedlichen Formen des dualen Studiums wird hier nicht weiter eingegangen.

Dieter Timmermann

Eine Hochschulbildungsproduktionsfunktion, die den Netto­ Output zum Wirkungsmaß von Output-Qualität erhebt, setzte voraus, dass die Kompetenzen bzw. das studienfachbezogene Wissen der Studienanfänger bei Studienbeginn erfasst und gemessen werden können. Da Qualitätsmanagement in Hochschulen die Aufgabe hat, die Qualität von Studium und Lehre zu sichern und weiterzuent­ wickeln, bedarf es eines Instrumentariums der Qualitätssicherung und -entwicklung, das die Hochschulen einsetzen können. Der Einsatz der Instrumente setzt allerdings voraus, dass man die Qualität der verschiedenen Elemente der hochschulischen BPF beobachten und bewerten kann und dass Erwartungen über die Wirkungen der Instrumente substanziiert präsent sind. Insofern gehören, wie in Abbildung 9 demonstriert, zu einem Qualitätsmanagementsystem einer Hochschule: →→  ein Beobachtungssystem, das angibt, welche Personen, Kommissionen oder Organe welche Elemente der Bildungsproduktionsfunktion mit welchen Instrumenten beobachten; →→  ein Entscheidungssystem, das beinhaltet, welche Personen, Kommissionen oder Organe die Kompetenz – im doppelten Sinn – haben, über Maßnahmen der Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung und Qualitätsentwicklung zu entscheiden; →→  ein Handlungssystem, das beschreibt, welche Personen, Kommissionen oder Organe die Kompetenz – ebenfalls im doppelten Sinn – und den Auftrag haben, die beschlossenen Maßnahmen auszuführen; →→  ein Verantwortungssystem, das die Personen, Kommissionen oder Organe benennt, welche die Kompetenz – wiederum im doppelten Sinn – haben, das Qualitätsmanagementsystem zu etablieren. Die Abbildungen 10 und 11 zeigen das in unterschiedlicher Weise konkretisierte Modell der hochschulischen Bildungsproduk­ tionsfunktion. In beiden Abbildungen sind die Inputs und Prozesse sowie Prozessstrukturen in gleicher Weise konkret operatio-

170–171

follow up

Verantwortungssystem Studienprogramm/ Studiengang Handlungssystem Interventions-, Implementationsphase von Maßnahmen

Verbindung zum Q-System der Hochschule: Lehr- oder Qualitätsbericht

Beobachtungssystem Beobachtungsphase

Entscheidungssystem Auswertungs-, Bewertungs- und Ent­ scheidungsphase

nalisiert. Abbildung 9 illustriert das konkretisierte ›klassische‹ bildungsökonomische Modell der hochschulischen Bildungsproduktionsfunktion, das aufzeigt, welche konkreten Input-­Variablen im Lehr-Lern-Prozess unter Einsatz weiterer Inputs an Kursformen, Lehrmethoden und -technologien zu Studienerfolgen führen, die vorrangig mit den unter der Kategorie Output genannten Indikatoren erfasst wurden und zum Teil auch heute erfasst werden. Die Kategorie der Outcomes umfasst die im Anschluss an ein abgeschlossenes Studium vermuteten und beobachtbaren Wirkungen eines Studienabschlusses nach erfolgreichem Übergang in das Beschäftigungssystem. Abbildung 11 präsentiert ebenfalls das Modell einer konkreten hochschulischen Bildungsproduktionsfunktion; allerdings ist hier der Output in anderer Weise operationalisiert, nämlich über die seit der Bologna-Reform präferierten Kompetenzen und Kompetenzdimensionen. Man kann eine hochschulische Bildungsproduktionsfunktion auf unterschiedlichen Handlungs- und Beobachtungsebenen

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Abb. 9: Qualitätskreislauf Lehre und Studium

Dieter Timmermann

Abb. 10: Das einfache Input-Prozess-Output-Modell der Hochschulausbildung (Bildungsproduktionsfunktion) konkret

Input

Prozess

Die Zahl der Lehrenden und Forschenden nach Statusgruppen, Lehrdeputat, Alter, Geschlecht, Berufs­ erfahrung, Nationalität, akademischer Herkunft

Kursformen: Vorlesungen, Seminare, Übungen, Praktika, Projektstudium

Die Zahl der nur Lehrenden, nach gleichen Merkmalen das fachliche und didaktische Wissen und Können der Lehrenden Die Lehrendenstunden in der Hochschule oder außerhalb nach Vorbereitung, Präsenzlehre, Nachbereitung, Beratung, Korrekturen Die Lernstunden der Studierenden nach Lernorten für Lernen, Hausaufgaben, Vor- und Nachbereitung Das Vorwissen der Studierenden Die verfügbaren materiellen Ressourcen der Studierenden: Verfügbare Lern- und Lehrmaterialien, Räume, Geräte und Apparate, Energie usw. Dienstleistungsinstitutionen

172–173

Methoden: Frontal-, Gruppen-, kooperatives, rezeptives, genetisches, forschendes Lernen, E-Learning, MOOCS Lerninhalte, Lernorte, Lehr- und Lerntechnologie in der Praxis der Prozesskombination, Prozessstandardisierung und -intensität, Gruppen- bzw. Kursgröße, Studiendauer, Type-oftrainer-Input, »use of curriculum input quantities«, Prüfungsformen und -inhalte

Outcome

Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen insgesamt, pro Lehrendem

Die Dauer der durchschnittlichen Sucharbeitslosigkeit bzw. die durchschnittliche Suchdauer bis zum ersten Stellenangebot nach Geschlecht, sozialer und ethnischer Herkunft sowie Notendurchschnitt

Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen in der normierten Studien­dauer Der Anteil der Absolventinnen und Absolventen in der Normstudienzeit an allen Absolventinnen und Absolventen Die Examenserfolgsquoten Die Studienerfolgsquoten Der Notenspiegel eines Absolventinnen- und Absolventenjahrgangs Der Studienerfolg von First-­ Generation-Studierenden Die fachlichen, überfachlichen, instru­ mentalen, methodischen, systemischen und kommunikativ–sozialen sowie wissenschaftlichen Kompetenzen der Absolventinnen und Absolventen

Typus der ersten Stellenangebote nach Voll- oder Teilzeit, befristet/ unbefristet (nach Geschlecht, Herkunft, Noten) Status/Position der ersten angenommenen Stelle Anfangseinkommen auf der ersten Stelle, Art und Tempo des beruflichen Aufstiegs (nach Geschlecht, Herkunft, Abschlussnoten)

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Output

Dieter Timmermann

Abb. 11: Das einfache Input-Prozess-Output-Modell der Hochschulausbildung (Bildungsproduktionsfunktion), operationalisiert gemäß der Bologna-Reform

Input

Prozess

Die Zahl der Lehrenden und Forschenden nach Statusgruppen, Lehrdeputat, Alter, Geschlecht, Berufs­ erfahrung, Nationalität, akademischer Herkunft

Kursformen: Vorlesungen, Seminare, Übungen, Praktika, Projektstudium

Die Zahl der nur Lehrenden, nach gleichen Merkmalen das fachliche und didaktische Wissen und Können der Lehrenden Die Lehrendenstunden in der Hochschule oder außerhalb nach Vorbereitung, Präsenzlehre, Nachbereitung, Beratung, Korrekturen Die Lernstunden der Studierenden nach Lernorten für Lernen, Hausaufgaben, Vor- und Nachbereitung Das Vorwissen der Studierenden Die verfügbaren materiellen Ressourcen der Studierenden: Verfügbare Lern- und Lehrmaterialien, Räume, Geräte und Apparate, Energie usw. Dienstleistungsinstitutionen

174–175

Methoden: Frontal-, Gruppen-, kooperatives, rezeptives, genetisches, forschendes Lernen, E-Learning, MOOCS Lerninhalte, Lernorte, Lehr- und Lerntechnologie in der Praxis der Prozesskombination, Prozessstandardisierung und -intensität, Gruppen- bzw. Kursgröße, Studiendauer, Type-oftrainer-Input, »use of curriculum input quantities«, Prüfungsformen und -inhalte

Können (Wissenserschließung)

Wissensverbreiterung Wissen und Verstehen von Absolventinnen und Absolventen bauen auf der Ebene der Hochschulzugangsberechtigung auf und gehen über diese wesentlich hinaus.

Absolventinnen und Absolventen haben folgende Kompetenzen erworben:

Absolventinnen und Absolventen haben ein breites und integriertes Wissen und Verstehen der wissenschaftlichen Grundlagen ihres Lerngebietes nachgewiesen. Wissensvertiefung Sie verfügen über ein kritisches Verständnis der wichtigsten Theorien, Prinzipien und Methoden ihres Studien­programms und sind in der Lage, ihr Wissen vertikal, horizontal und lateral zu vertiefen. Ihr Wissen und Verstehen entspricht dem Stand der Fachliteratur, sollte aber zugleich einige vertiefte Wissensbestände auf dem aktuellen Stand der Forschung in ihrem Lerngebiet einschließen.

Instrumentale Kompetenz Ihr Wissen und Verstehen auf ihre Tätigkeit oder ihren Beruf anzuwenden und Problemlösungen und Argumente in ihrem Fachgebiet zu erarbeiten und weiterzuentwickeln. Systemische Kompetenzen Relevante Informationen, insbesondere in ihrem Studienprogramm, zu sammeln, zu bewerten und zu interpretieren. Daraus wissenschaftlich fundierte Urteile abzuleiten, die gesellschaftliche, wissenschaftliche und ethische Erkenntnisse berücksichtigen. Selbstständig weiterführende Lern­ prozesse zu gestalten. Kommunikative Kompetenzen • fachbezogene Positionen und Problemlösungen zu formulieren und argumentativ zu verteidigen; • sich mit Fachvertretern und mit Laien über Informationen, Ideen, Probleme und Lösungen auszutauschen: Verantwortung in einem Team zu übernehmen.

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Wissen und Verstehen

Dieter Timmermann

176–177

definieren und beobachten: auf der Ebene eines einzelnen Kurses bzw. einer einzelnen Veranstaltung, auf der Ebene eines Moduls oder auf der Ebene eines Studiengangs. Demzufolge kann die Qualität der Hochschullehre und des Studiums ebenfalls auf diesen drei Ebenen beobachtet werden. Und auch die Sicherung und Entwicklung der Qualität von Lehre und Studium kann auf diesen drei Ebenen der Lehr- und Studienpraxis geschehen, was allerdings einschließt, dass die Beobachtungs-, Sicherungs- und Entwicklungsverantwortung zwischen den unmittelbaren Akteuren (Lehrenden und Studierenden) und weiteren mittelbaren Akteuren wie Studiendekanin oder Studiendekan, Dekanin oder Dekan, Qualitätsbeauftragten, Kommissionen für Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung auf Fakultäts- und Hochschulebene geteilt ist. Neben der Evaluation von Lehre und Studium stellen die Akkreditierung und Reakkreditierung von Studiengängen zen­ trale Instrumente der Qualitätssicherung und -entwicklung von Hochschullehre und -studium dar. Unter Beteiligung von entsprechend qualifizierten und (re-)akkreditierten Agenturen stehen zurzeit zwei Instrumentvarianten von (Re-)Akkreditierung als Qualitätssicherungs- und -entwicklungsverfahren zur Verfügung: die Programm- und die Systemakkreditierung, wobei Letztere eine stichprobenartige Qualitätsprüfung von einzelnen Studien­gängen (=Programmen) einschließt. Während Programm­ akkreditierung bedeutet, dass jeder Studiengang (re-)akkreditiert werden muss, bezieht sich die Systemakkreditierung auf ein in der jeweiligen Hochschule entwickeltes und praktiziertes System der Qualitätssicherung und -entwicklung, das die Qualität der einzelnen Studiengänge der Hochschule in Eigenregie kontinuierlich beobachten und gewährleisten soll. Im Folgenden wird an einem Beispiel reflektiert, welche Qualitätskriterien bei einem Programm(re)akkreditierungsverfahren angelegt werden und wie das Verfahren aus der Perspektive einer Hochschulproduktionsfunktion zu bewerten ist.

Hier wird auf ein (Re-)Akkreditierungsverfahren Bezug genommen, das in Deutschland praktiziert wird und anderen Verfahren nicht unähnlich ist. Es werden die Qualitätskriterien im Sinne von Mindestanforderungen an die Qualitätseigenschaften von Studien­gängen aufgelistet und kommentiert. Am Ende wird ein kritischer Bezug zum Ansatz der hochschulischen Bildungsproduktionsfunktion hergestellt. In diesem Verfahren werden Qualitätskriterien für sieben Elemente von Studiengängen definiert und in den Akkreditierungsverfahren geprüft: →→  zehn Qualitätskriterien gelten für das Studiengangskonzept; →→  elf Qualitätskriterien richten sich auf das Modulhandbuch; →→  drei Qualitätskriterien beziehen sich auf die Prüfungsordnung; →→  zwei Qualitätskriterien gelten dem Studienverlaufsplan; →→  ein Qualitätskriterium zielt auf das Diploma Supplement; →→  zwei Qualitätskriterien richten sich auf den Ressourcenplan bzw. die Kapazitätsberechnung; →→  ein Qualitätskriterium gilt für kooperierende Einrichtungen. Grundlage der (Re-)Akkreditierungsentscheidung seitens der Agentur oder der hochschulinternen Entscheidungseinheit sind: →→  Unterlagen des Studiengangs; →→  das Studiengangskonzept; →→  das Modulhandbuch; →→  der Studienverlaufsplan; →→  die Prüfungsordnung (ggf. im Entwurf ); →→  der Ressourcenplan und/oder die Kapazitätsberechnung; →→  die Einverständniserklärungen von kooperierenden Einrichtungen und Unternehmen (unter anderem im Fall von Lehrimporten oder bei Kooperationen im Rahmen von ausbildungsbegleitenden und berufsintegrierenden Studiengängen);

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

Programm(re)akkreditierung und hochschuli­ sche Bildungsproduktionsfunktion

Dieter Timmermann

Einverständniserklärungen oder das Protokoll des Senats und der beteiligten Fachbereiche über entsprechende Beschlüsse im Fall von hochschulinternen Kooperationen; →→  das Diploma Supplement; →→  Unterlagen seitens der Gutachtergruppe: die Gutachten; →→  Unterlagen der internen Steuerungsgruppen: die Stellungnahmen. →→ 

Im Folgenden werden die 30 Qualitätskriterien, welche insgesamt an einen Studiengang angelegt werden, aufgeführt. 1. Qualitätskriterien des Studiengangskonzepts 1.1. Kompetenzziele

Hinreichende und nachvollziehbare Beschreibung von fachlichen und überfachlichen Zielen, insbesondere von →→  Befähigung, eine qualifizierte Erwerbstätigkeit aufzunehmen; →→  Befähigung zum gesellschaftlichen Engagement und Persönlichkeitsentwicklung; →→  wissenschaftlicher Befähigung der Studierenden in dualen Studiengängen; →→  wissenschaftlicher oder künstlerischer Befähigung. 1.2. Kompetenzerwerb

Vorgesehene Veranstaltungsformen, Lehr- bzw. Lernmethoden und Prüfungsarten und ihre Eignung zur Erreichung der angestrebten Kompetenzziele; →→  Eignung der Prüfungsarten zur Überprüfung der im Modul genannten Kompetenzen; →→  Umfang und Gewichtung der Inhalte im Curriculum. 1.3. Modulstruktur →→  Konsistenz zwischen Modulstruktur und Studiengangszielen; →→  Konsistenz zwischen Modulzielen und Studiengangszielen;

178–179

des Studiengangs; →→  ausreichende Anbindung an Gesamtstrategien und vorhandene Schwerpunkte des Fachs, des Fachbereichs sowie angrenzender Fächer; →→  regionale Verortung des Studiengangs im Angebotsvergleich; →→  prognostizierte Studienanfängerzahlen im Vergleich. Duale Studiengänge →→  Transparenz der

inhaltlichen Abstimmung von Theorie und Praxisphasen in einem in sich geschlossenen Studiengangskonzept; →→  transparente Gestaltung und Kreditierung der Praxisphasen; →→  Transparenz der zeitlichen Organisation des Studiums; →→  Nachweis einer angemessenen Betreuung der Studierenden in den Praxisphasen

Masterstudiengänge: Profilbeschreibung (anwendungs-/forschungsorientiert; konsekutiv/weiterbildend). Masterstudiengänge mit Forschungsprofil: Partizipationschancen von Masterstudierenden an Forschung. 1.5. Studierbarkeit →→  angemessener und realistisch eingeschätzter Workload der Stu-

dierenden; →→  angemessene Berücksichtigung der beruflichen Belastung bei berufsbegleitenden Studiengängen; →→  Adäquanz und Belastungsangemessenheit der Prüfungsdichte und -organisation; →→  Angemessenheit der vorgesehenen (fachlichen und überfach­ lichen) Studienberatung.

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

1.4. Strategie und Lehrprofil →→  (inter-)nationale Angemessenheit der inhaltlichen Ausrichtung

Dieter Timmermann

1.6. Beschäftigungsfähigkeit →→  Angabe der potenziellen Berufsfelder der Absolventinnen und

Absolventen; →→  Abschätzung des durchschnittlichen Bedarfs an Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs für einzelne Berufsfelder; →→  Abschätzung der durchschnittlichen Zahl der voraussicht­lichen Absolventinnen und Absolventen? 1.7. Zugangsvoraussetzungen →→  geforderte Zugangs- bzw. Eingangsvoraussetzungen; →→  Masterstudiengänge: Transparenz der Übergangskriterien →→ 

vom

Bachelor in den Master; duale Studiengänge: angemessene Beteiligung von Unternehmen und anderen Organisationen an der Auswahl von Studierenden.

1.8. Internationalität →→  Transparenz über Austauschprogramme bzw. spezielle Koope-

rationen mit Hochschulen anderer Länder; Ausweis angemessener Zeitfenster für einen Auslandsaufenthalt; →→  Ausweis weiterer Angebote der internationalen Ausrichtung (beispielsweise englischsprachige Lehrveranstaltungen).

→→ 

1.9. Diversity, Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit →→  Ausweis von Konzepten zur Geschlechtergerechtigkeit und zur

Förderung der Chancengleichheit von Studierenden in besonderen Lebenslagen: Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen, Studierende mit Kindern, ausländische Studierende, Studierende mit Migrationshintergrund und/oder aus sogenannten bildungsfernen Schichten.

180–181

Untersuchungen der studentischen Arbeitsbelastung, von Studienerfolg und Absolventenverbleib an die Weiterentwicklung des Studiengangs; →→  duale Studiengänge: Werden systematische, geeignete und lern­ ortübergreifende Maßnahmen zur dauerhaften und nachhal­ tigen Sicherung der Kontinuität und Qualität des Lehrangebots beschrieben.

2. Qualitätskriterien Modulhandbuch 2.1. Kompetenzziele →→  Transparenz und Klarheit der in den

einzelnen Modulen zu erwerbenden Kompetenzen; →→  Adäquanz der in den Modulen vorgesehenen Lehr- und Lernformen für die Vermittlung der Inhalte, Kompetenzen und den Kompetenzerwerb.

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

1.10. Qualitätssicherung und Weiterentwicklung →→  Rückbindung von Evaluationsergebnissen,

2.2. Teilnahmevoraussetzungen →→  Sind die empfohlenen Voraussetzungen

für die Teilnahme an dem Modul angemessen; →→  Formale Vorgaben: Beachtung der ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen.6

2.3. Bemessung der Leistungspunkte am Aufwand →→  Ist die Anzahl der Leistungspunkte für den Aufwand des Moduls

angemessen? →→  Ist der Arbeitsaufwand der Studierenden (Workload) angemessen und realistisch eingeschätzt bzw. war der Arbeitsaufwand der Studierenden (Workload) angemessen? →→  Liegt die Arbeitszeit im Präsenz- und Selbststudium für einen Leistungspunkt bei 30 Stunden?

6  Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003 in der Fassung vom 4. Februar 2010.

Dieter Timmermann

Beträgt die Arbeitsbelastung im Vollzeitstudium pro Semester 900 Stunden? →→  Erscheint der Arbeitsaufwand sinnvoll über das Semester verteilt? →→ 

2.4. Leistungspunkte je Studienjahr und Studiensemester →→  Werden je Studienjahr in der Regel 60 Leistungspunkte verge-

ben bzw. pro Semester 30 Leistungspunkte? 2.5. Mindestvorgabe Leistungspunkte Bachelor und Master →→  Werden für den Masterabschluss – unter Einbeziehung

des vorangehenden Studiums – mindestens 300 Leistungspunkte vergeben? →→  Sind für den sechssemestrigen Vollzeitbachelorabschluss mindestens 180 Leistungspunkte ausgewiesen?

2.6. Modulgröße →→  Weisen alle Module

mindestens einen Umfang von fünf Leistungspunkten auf ? →→  Liegen plausible Begründungen bei Abweichungen vor? →→  Lässt sich innerhalb des Studiengangs eine Modularisierungsstrategie erkennen? Wird die ggf. vorhandene hochschulinterne Modularisierungsstrategie im Studiengang umgesetzt? →→  Werden für ein Modul nur ganze Leistungspunkte vergeben?

2.7. Prüfungsarten →→  Ist die Art der

Prüfung den im Modul vermittelten Inhalten entsprechend? →→  Variieren die Prüfungsarten?

2.8. Gesamtnote →→  Ist klar ersichtlich, welche Noten mit welcher Gewichtung in

die Gesamtnote eingehen?

182–183

in der Regel über ein oder zwei Semester? →→  Ist für alle beschrieben, wie sich die Studierenden auf die Teilnahme an dem Modul vorbereiten können?

2.10. Abschlussarbeiten →→  Wie fällt der Bearbeitungsumfang für die Bachelorarbeit aus? →→  Wie fällt der Bearbeitungsumfang für die Masterarbeit aus? 3. Qualitätskriterien Prüfungsordnung

Die formale Richtigkeit bei der sachangemessenen Umsetzung aller für eine Genehmigung maßgeblichen rechtlichen Vorgaben ist für die Bewertung der Prüfungsordnung von Bedeutung. Dementsprechend ergeben sich folgende Leitfragen: 3.1. Rahmenprüfungsordnung →→  Basiert die Prüfungsordnung

auf einer Rahmenprüfungsordnung der jeweiligen Hochschule? Sind eventuelle Abweichungen von der Rahmenprüfungsordnung markiert und in jedem Fall nachvollziehbar begründet? →→  Sind ggf. erforderliche fachspezifische Bedingungen hinsichtlich der Studienaufnahme, des Studiums und sämtlicher Prüfungsleistungen eindeutig und abschließend geregelt?

3.2. Formale Richtigkeit →→  Haben die gesetzlich

vorgesehenen Gremien der Ordnung zugestimmt? Wie waren die Abstimmungsergebnisse? →→  Waren die Fachausschüsse für Studium und Lehre gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 HG beteiligt? →→  Wurde die Prüfungsordnung einer Rechtsprüfung unterzogen?

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

2.9. Moduldauer und Inhalt →→  Erstrecken sich die Module

Dieter Timmermann

3.3. Anerkennung und Anrechnung →→  Wird das Anerkennungsverfahren

von Kompetenzen, die außerhalb der Hochschule erworben wurden, hinreichend deutlich? →→  Wird das Anerkennungsverfahren von Kompetenzen, die an anderen Hochschulen erworben wurden, hinreichend deutlich (Lissabon-Konventionen)?

4. Qualitätskriterien Studienverlaufsplan 4.1. Aufbereitung →→  Informiert der Studienverlaufsplan über den Aufbau, den Um-

fang, die Inhalte, die Schwerpunkte und die Anforderungen im Studium? →→  Sind die verpflichtend vorgeschriebenen Module und Lehrveranstaltungen sowie die zu erwerbenden Studien- und Prüfungsleistungen aufgeführt? →→  Enthält der Studienverlaufsplan eine verständliche und eindeutig nachvollziehbare grafische oder tabellarische Darstellung für einen empfohlenen bzw. beispielhaften Studienverlauf (ggf. getrennt nach Beginn im Winter- und Sommer­ semester)? 4.2. Widerspruchsfreiheit →→  Ist der Studienplan einschließlich

des Studienverlaufsplans widerspruchsfrei zur korrespondierenden Prüfungsordnung? →→  Ist sichergestellt, dass Studienplan sowie Studienverlaufsplan keine die Prüfungsordnung verschärfenden Regelungen enthalten?

5. Qualitätskriterien Diploma Supplement →→  Bewertung und Einstufung von akademischen Abschlüssen? →→  Orientiert sich das auf den Studiengang zugeschnittene

­Diploma Supplement an den gängigen Vorgaben?

184–185

Umsetzung des Studiengangs vorhanden? Lehren in berufsbegleitenden/-integrierenden Studiengängen überwiegend hauptamtlich Lehrende? Besitzen mindestens 40 Prozent der Lehrenden die Einstellungsvoraussetzung für Professorinnen und Professoren? →→  Werden in grundständigen Studiengängen in der Regel mindestens 80 Prozent des Lehrangebots durch hauptamtlich Lehrende abgedeckt? Sind Ausnahmen ausreichend begründet? →→  duale Studiengänge: Werden mindestens 40 Prozent des Lehrangebots von haupt­beruflichen Lehrkräften erbracht, die die Einstellungsvoraussetzungen für Professoren bzw. Professorinnen erfüllen? →→  Erfüllen nebenberufliche Lehrkräfte, die theoriebasierte, zu Leistungspunkten führende Lehrveranstaltungen anbieten, in der Regel ebenfalls die Einstellungsvoraussetzungen, die für Professorinnen und Professoren gelten? →→ 

7. Qualitätskriterium Einverständniserklärungen von kooperierenden Einrichtungen 7.1. Sicherstellung des Lehr- und Prüfungsangebots →→  Ist das erforderliche Lehr- und Prüfungsangebot

im Fachbereich sowie in den kooperierenden Einrichtungen sichergestellt? →→  Liegen entsprechende schriftliche Einverständniserklärungen von kooperierenden Einrichtungen und Unternehmen vor? →→  Liegen im Fall von Kooperationen zwischen Einrichtungen einer Hochschule Einverständniserklärungen der kooperierenden Einrichtungen oder ein Protokoll des Senats und der beteiligten Fachbereichsräte über entsprechende Beschlüsse vor?

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

6. Qualitätskriterien Ressourcenplan/Kapazitätsberechnung Ausstattung und Ressourcen →→  Sind ausreichende personelle und sächliche Ressourcen zur

Dieter Timmermann

7.2. Duale Studiengänge →→  Ist der Status der Studierenden im Falle des Abbruchs der Aus-

bildung oder des Studiums geregelt und dargestellt? →→  Ist sichergestellt, dass Studierende ihr Studium auch dann abschließen können, wenn sich unerwartet Änderungen in der Kooperation zwischen Hochschule und Ausbildungsbetrieb ergeben? Die Qualitätskriterien werden, wie das Verfahrensbeispiel zeigt, durch Fragen in den Akkreditierungsprozess eingeführt. Fast alle dieser Fragen können mit Ja oder Nein beantwortet werden. Das Ja bedeutet, das Kriterium ist erfüllt, das heißt, es ist existent und erfüllt den gewünschten Mindeststandard. Ein Nein besagt, dass der erforderliche Mindeststandard nicht erfüllt ist. Allerdings ist bei vielen der Kriterien nicht bzw. nicht auf den ersten Blick erkennbar, worin das Qualitätsmaß liegt bzw. liegen kann. Deshalb sind die Kriterien, die einen direkten oder zumindest indirekten Bezug zur Qualitätsdimension plausibel erscheinen lassen, kursiv geschrieben. Es bleiben folglich eine ganz Reihe von Prüfkriterien, die den Qualitätsbezug nicht erkennen lassen. Betrachtet man das Prüfverfahren aus der Perspektive der Philosophie der hochschulischen Bildungsproduktionsfunktion, so sagt das Akkreditierungsverfahren etwas über das Vorhandenoder Nichtvorhandensein von Eigenschaften der Inputs sowie von Prozess- und Strukturmerkmalen der Lehr-Lern-Prozesse aus, aber nichts über die Output-Qualität und nichts darüber, ob und wie die Output-Qualität und darüber die Outcome-Qualität von Lehre und Studium verbessert werden kann. Jede der Prüf­fragen, die für ein Qualitätskriterium stehen, enthält eine nicht aus­gesprochene Hypothese, welche besagt, dass der hinter dem Prüf­k riterium stehende Qualitätsindikator eine funktionale, wenn nicht kausale Wirkung auf die Output-Qualität der Lehre bzw. des Studiums im betrachteten Studiengang hat. Die Theorien, welche die Hypothesen fundieren könnten, werden nicht mitgeliefert; es wird kein Hinweis auf sie präsen-

186–187

Einige abschließende Fragen seien mit dem Zweck der Provokation und Anregung zur kritischen Reflexion am Ende dieses Beitrags erlaubt: →→  Was wissen wir durch Akkreditierung, Evaluation und Audits über die Produktionsfunktion der Hochschulbildung? →→  Was wissen wir durch Akkreditierung, Evaluation und Audits über die Qualitätsdimension der Produktionsfunktion der Hochschulbildung? →→  Was wissen wir über die Qualitätswirkungen von Akkreditierung, Evaluation und Audits auf Lehre und Studienerfolg und damit vor dem Hintergrund ihrer Kosten über ihre Effizienz? →→  Ist unter dem Aspekt der Qualität die hochschulische Bildungsproduktionsfunktion nicht nach wie vor eine Black Box? →→  Wie kann die Black Box durchsichtig gemacht werden? →→  Welchen Einfluss haben mentale Ressourcen der Lehrenden und Lernenden sowie die sozialstrukturellen Merkmale der Lernenden auf die Bildungsproduktionsfunktion? →→  Sollten die Mittel, die in Akkreditierung, Evaluation und Audits fließen, nicht besser direkt in die Verbesserung von Lehr- und Studien­bedingungen investiert werden? Für die empirische Hochschulforschung bleiben interessante Aufgaben zu lösen.  ◼

Qualität und Kompetenzen in der Hochschulausbildung

tiert, sodass die Frage im Raum steht, worin die theoretische Fundierung der Akkreditierung von Studiengängen besteht. Zugleich ist angesichts des Zeitgeistes der evidenzbasierten Politiken, also auch der Zeiten der evidenzbasierten Hochschulpolitik und Hochschulpraxis, zu fragen, auf welchen durch empirische Hochschulforschung gewonnenen Erkenntnissen bzw. Evidenzen die Akkreditierungsverfahren und die Akkreditierungspraxis beruhen. Hatte Tjalling Koopmans in den späten 1950er-Jahren das »Measurement without Theory« der Wirtschaftswissenschaften beklagt, so könnte man heute in provokativer Absicht von der »Accreditation without Theory and empirical Evidence« sprechen.

Lehre, die ankommt. Das Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW Tobina Brinker

188–189

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

Lehre, die ankommt, ist teilnehmerorientiert, forschungsbasiert, kompetenzorientiert und lebt vom individuellen Lehrstil. Die Gestaltung guter Lehre bzw. die Gestaltung des Lernraums Hochschule hängt von vielen Faktoren ab, die ein optimales Lernen ermöglichen. Die Zielgruppe der Studierenden steht dabei immer im Mittelpunkt der Bestrebungen, die Qualität der Lehre zu verbessern. Die Hochschuldidaktische Weiterbildung der Fachhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (hdw nrw), finanziert und getragen von den 20 Mitgliedshochschulen, unterstützt Lehrende und Studierende auf vielfältige Weise bei der Gestaltung des Lehrens und Lernens.

Tobina Brinker

Was ist gute Lehre? Was sollten Lehrende tun und was sollten sie unbedingt unterlassen? Das didaktische Sündenregister nach Prof. Dr. Franz Waldherr, Direktor des Didaktikzentrums der bayerischen Fachhochschulen, beschreibt die gröbsten Fehler so: →→  Sie fragen sich nie, warum die Studierenden die Inhalte Ihres Faches lernen sollen. Wenn Studierende keinen Sinn darin sehen, haben sie kein Interesse. Wer kein Interesse hat, hat keinen Spaß. Wer keinen Spaß hat, lernt wenig! →→  Sie reden ununterbrochen, wenn Sie im Hörsaal stehen. Die Aufmerksamkeitswerte beim reinen Zuhören sind bekannt: Nach 30 Minuten ist Schluss! →→  Sie hüten Ihre Begeisterung für Ihre Disziplin wie Ihren Aug­ apfel. Das schläfert ein. Nur wenn Sie selbst begeistert sind, begeistern Sie auch die Studierenden! →→  Sie verwenden in Ihrer Vorlesung den Satz »Das ist ja ganz leicht.« Damit stoßen Sie Hörerinnen und Hörer vor den Kopf, die den Stoff schwer finden. →→  Sie hangeln sich von einer PowerPoint-Folie zur nächsten und packen auf die einzelnen Charts so viel, wie Sie nur können. Vorsicht: Bei Fragen von Studierenden sind Sie unflexibel, wenn diese von den Folien abweichen! →→  Sie packen möglichst viel Stoff in eine Vorlesungsstunde. So setzen Sie noch die fitteste Hörerin und den fittesten Hörer mit Informationen matt. Lieber weniger lehren, dies aber auch wirklich rüberbringen! →→  Sie sind unfreundlich, mürrisch und arrogant. Damit verhindern Sie wohl all die lästigen Fragen, die Studierende nach einer Vorlesung wie der Ihren sicher stellen würden. Doch mit dem Widerwillen gegen Ihre Person haben Sie auch den Widerwillen gegen Ihr Fach erzeugt – und machen es Ihren Kolleginnen und Kollegen schwer!1

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»Die vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren, oder sichere und vorzügliche Art und Weise, in allen Gemeinden, Städten und Dörfern eines jeden christlichen Landes Schulen zu errichten, in denen die gesamte Jugend beiderlei Geschlechts ohne jede Ausnahme rasch, angenehm und gründlich in den Wissenschaften gebildet, zu guten Sitten geführt, mit Frömmigkeit erfüllt und auf diese Weise in den Jugendjahren zu allem, was für dieses und das künftige Leben nötig ist, angeleitet werden kann; worin von allem, wozu wir raten, die Grundlage in der Natur der Sache selbst gezeigt, die Wahrheit durch Vergleichs­ beispiele aus den mechanischen Künsten dargetan, die Reihenfolge nach Jahren, Monaten, Tagen und Stunden festgelegt und schließlich der Weg gewiesen wird, auf dem sich alles leicht und mit Sicherheit erreichen lässt. Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen; in den Schulen weniger Lärm, Überdruss und unnütze Mühe herrsche, in der Christenheit weniger Finsternis, Verwirrung und Streit, dafür mehr Licht, Ordnung, Friede und Ruhe.« 2 Auch Johann Wolfgang von Goethe beschäftigte sich mit dem Lehren und Lernen und gab um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert den Lehrenden seiner Zeit einen weisen Schulrat. Er formuliert: »Lehre tut viel, Aufmunterung tut alles!« 3 Schon vor

1 

Frank van Bebber: »Ihr Auftritt, Professor!«, in: duzMAGAZIN 03/2005, S. 33. Johann Amos Comenius (1638): Cum grano salis. Didactica Magna, Titel­blatt. Vgl. die Website http://www.alle-lernen.net/download/ergebnisdarstellung.pdf (14.2.2014).  3  Johann Wolfgang von Goethe am 9. November 1768 an Adam Friedrich Oeser in Frankfurt am Main, zitiert aus dem Gespräch mit J. P. Eckermann vom 14. März 1830; in Ernst Beutler (Hg.): Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche, Bd. XXIV: J. P. Eckermann, Gespräche.  2 

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Aber wie sollte dann gute Lehre gestaltet sein? Schon 1638 beschrieb Johann Amos Comenius Didaktik als Lehrkunst so:

Tobina Brinker

etwa 300 Jahren stellte man also Überlegungen darüber an, was gute Lehre ausmacht, und schon Goethe mahnte an, dass von den Lehrenden mehr erwartet werden müsse als bloße Lehre. Denn es reiche nicht aus, dass Lehrende ihre Stoffgebiete beherrschen, dass sie eine geeignete Auswahl daraus treffen, dass sie diesen Stoff systematisch, übersichtlich und verständlich darstellen und didaktisch aufbereiten – also alles, was gemeinhin von einer bzw. einem Hochschullehrenden erwartet wird – sondern es gehe darum, den Lernraum zu gestalten und damit Lernen zu ermöglichen. Gute Lehre biete noch mehr und andere vielschichtige Dimensionen als reine Stoffvermittlung, nämlich alles das, was Goethe schlicht mit »Aufmunterung« bezeichnet: →→  die Motivation der Lernenden zu wecken, →→  das subjektive, persönliche Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden mit seinen vielen gegenseitigen Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten, →→  die soziale Komponente, d. h. die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden, →→  die Hilfen und Chancen für selbstständiges und eigenverantwortliches Lernen zu ermöglichen und →→  neue Lehr- und Lernformen zu entwickeln, die den Studierenden helfen, das Lernen zu lernen und sie befähigen, die in den exemplarischen Lernprozessen gemachten Erfahrungen auf neue im späteren Berufsleben auftretende Sachverhalte und Herausforderungen zu transferieren, um nur einige Aspekte zu nennen. Was bedeuten diese Aspekte und Forderungen für die moderne Hochschullehre an Fachhochschulen und wie sollte eine hochschul­didaktische Unterstützung gestaltet sein?

192–193

An den Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) wird im Gegensatz zu Universitäten die Lehre überwiegend von hauptamtlichen Professorinnen und Professoren gestaltet. Deshalb fordert der Wissenschaftsrat 4 in seinen Empfehlungen für die Entwicklung der Fachhochschulen eine obligatorische hochschuldidaktische Fortbildung mit gleichzeitiger Reduzierung des Lehrdeputats, um diese Fortbildung zu gewährleisten. Besonders das Coaching und die Begleitung der neuberufenen Lehrenden, der regelmäßige Austausch untereinander und die gemeinsame Verantwortung für das Lehrangebot sollen gefördert werden. Bereits 2002 weist der Wissenschaftsrat5 beispielhaft auf die hochschuldidaktischen Einrichtungen hin, die speziell auf die Bedürfnisse der Fachhochschulen ausgerichtet sind: →→  die Geschäftsstelle der Studienkommission für Hochschul­ didaktik an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (www. ghd.de), →→  das Didaktikzentrum der bayerischen Fachhochschulen (www. diz-bayern.de), →→  die hochschuldidaktische Weiterbildung der Fachhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (www.hdw-nrw.de).

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Die besondere Situation neuberufener Profes­ sorinnen und Professoren an Fachhochschulen

Eine wesentliche Voraussetzung für die Berufung an eine Fachhochschule ist die fünfjährige Praxiserfahrung. Die neuberufenen Lehrenden haben in den meisten Fällen fünf Jahre in Unternehmen und Einrichtungen gearbeitet, sie bringen eine gewisse Führungserfahrung mit und sie haben die Förderung von (Schlüssel-) Kompetenzen in zahlreichen Führungsnachwuchstrainings bzw. Führungstrainings selbst erlebt. Professorinnen und Professoren an Fachhochschulen werden aus der Praxis berufen. Anders als bei Professorinnen und Professoren von Universitäten ist die berufliche Laufbahn sehr verschieden 4  Wissenschaftsrat (2010): http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10031-10. pdf (12.8.2011).  5  Wissenschaftsrat (2002): http://www.wissenschaftsrat.de/down load/archiv/5102-02.pdf (12.8.2011).

Tobina Brinker

194–195

und das Ziel, Professorin oder Professor an einer Fachhochschule zu werden, entwickelt sich oft erst später. Deshalb ist die wissenschaftliche Karriere teilweise oder gar nicht von vornherein geplant. Darum haben die Lehrenden zum Zeitpunkt ihrer Berufung wenig Lehrerfahrung – höchstens durch einen Lehrauftrag oder durch die Zeit während ihrer Promotion – aber sie bringen im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Universitäten durch ihre oft mehr als fünfjährige Berufstätigkeit als Führungskraft vielfältige Erfahrungen im Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten mit. In der Regel haben sie schon eine Vielzahl an Führungsnachwuchs- bzw. Führungskräfteseminaren besucht, in denen zum großen Teil Schlüsselkompetenzen gefördert werden (Kommunikation, Präsentation, Gesprächsführung, Moderation, Visualisierung, Teamarbeit, Konfliktmanagement und vieles mehr). Deshalb muss die hochschuldidaktische Weiterbildung an Fachhochschulen nicht komplett neu beginnen, sondern auf diesen bereits vorhandenen (Schlüssel-)Kompetenzen aufsetzen und transparent machen, wo und wie die bereits vorhandenen Kompetenzen auf die Hochschulsituation übertragen werden können und in der Lehre sinnvoll angewendet werden. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen der hochschuldidaktischen Weiterbildung an Universitäten und Fachhochschulen. Während an den hochschuldidaktischen Angeboten der Universitäten zum überwiegenden Teil wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (in der Promotions- und Habilitationsphase) teilnehmen, ist es an den Fachhochschulen gerade umgekehrt. Dort ist die hochschuldidaktische Weiterbildung hauptsächlich auf die Professorinnen und Professoren ausgerichtet, die auch den größten Teil der Lehre bestreiten. Entscheidend ist in den ersten Beratungsgesprächen und Workshops, auf die unterschiedlichen Lebensläufe, beruflichen Erfahrungen und vorhandenen (Schlüssel-)Kompetenzen einzugehen und daran anzuknüpfen. Aus den Überlegungen, ein interessantes und anregendes Programm für neuberufene Einsteigerinnen und Einsteiger in

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die Hochschuldidaktik bis hin zu sehr erfahrenen und engagierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern aufzubauen, ist das Programm des Netzwerks entstanden.6 Das Weiterbildungsangebot von hdw nrw richtet sich an die Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lehrkräfte für besondere Aufgaben sowie an Lehrbeauftragte der im Netzwerk hdw nrw vertretenen Hochschulen. Darüber hinaus ist das Angebot unter Beachtung der thematischen Schwerpunktsetzung auch für alle anderen Interessierten (›Externe‹) zugänglich. Speziell für neuberufene Professorinnen und Professoren gibt es nicht nur den hochschuldidaktischen Basiskurs im Programm, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer idealerweise über ihr zweites Semester an der Fachhochschule begleiten soll. Zusätzlich existieren an fast allen Mitgliedshochschulen Beratungs- und Einführungsprogramme; beispielsweise ist das Einarbeitungsprogramm der Fachhochschule Bielefeld bereits 2001 konzipiert worden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Einarbeitungs­ programm bekommen in der ersten Zeit an der Hochschule bis zu vier Semesterwochenstunden Lehrermäßigung, die sie für die Teilnahme an hochschuldidaktischen Kursen aus dem Netzwerk nutzen können. Gerade in der ersten Zeit ist der Bedarf an hochschuldidaktischer Weiterbildung stark, kann aber meistens wegen der fachlichen Einarbeitung und der 18 Semesterwochenstunden Lehrverpflichtung nicht umgesetzt werden.

Das Neuberufenenprogramm der Fachhochschule Bielefeld I. Beratungsgespräch →→  Analyse der persönlichen →→ 

Voraussetzungen und und der Lehr-

erfahrungen; Vorstellung des Hochschuldidaktischen Weiterbildungs- und Beratungsangebots und des Netzwerks hdw nrw;

6  Netzwerk hdw nrw: Bericht zur Akkreditierung des Netzwerks hdw nrw, 2008 (unveröffentlicht).

Tobina Brinker

→→ 

Entwicklung eines individuellen Qualifizierungskonzepts: entweder Seminar Hochschullehre (Basiskurs) oder alternativ ausgewählte Workshops und Beratung.

II. Hochschuldidaktischer Grundlagenworkshop

Grundlagenmodul Seminar Hochschullehre im Netzwerk hdw nrw: →→  Teil 1: zwei Tage in der vorlesungsfreien Zeit; →→  Vorbereitung auf Teil 2: Erfahrungsaustausch und Follow-up; →→  Teil 2 des Seminars Hochschullehre (ein Tag im Semester nach Absprache); →→  Vorbereitung auf Teil 3: Nachbereitung und Erfahrungsaustausch; →→  Teil 3 des Seminars Hochschullehre in der vorlesungsfreien Zeit (zwei Tage). III. Vertiefungsworkshops →→  aus dem Bereich Lehren

und Studieren bzw. Beraten und Coachen, Prüfen und Bewerten (z.B. Schlüsselkompetenzen, Kommunikation, Beraten usw.); →→  mindestens zwei Workshops je nach Fach und Interesse.

IV. Medienworkshops →→  aus dem Bereich

Lehren und Studieren: Lehren und Lernen mit neuen Medien (z.B. Präsentieren mit neuen Medien, Online-Kommunikation, Online-Recherche, usw.); →→  mindestens ein Workshop je nach Fach und Interesse.

V. Lehrbegleitende Beratung

Vorbereitung und Nachbereitung einer Lehrveranstaltung unter hochschuldidaktischer Anleitung auf Wunsch auch mit Video-­ Feedback (aus dem Bereich Entwickeln und Evaluieren): →→  eigene Vorbereitung der Lehrveranstaltung; →→  Vorstellung und Besprechung der Vorbereitung; →→  Überarbeitung der vorbereiteten Lehrveranstaltung;

196–197

VI. Abschließendes Beratungsgespräch →→  Entwicklungsperspektiven; →→  Interessen; →→  Fachspezifische Anforderungen.7

Die Fachhochschule Bielefeld hat 2001 als eine der ersten Hochschulen ein vollständiges Einarbeitungsprogramm für neuberufene Professorinnen und Professoren eingeführt, das mit einem Beratungsgespräch inklusive Kompetenzanalyse gleich zu Beginn der Tätigkeit an der Hochschule startet. Dabei wird ein individuelles Weiterbildungskonzept für alle Lehrenden erarbeitet. Die verschiedenen Workshop-, Beratungs- und Coachingangebote des Netzwerks hdw nrw (www.hdw-nrw.de) werden indivi­duell kombiniert. Nach dem ersten Jahr an der Hochschule erfolgt ein zweites Beratungsgespräch.8 Das Einarbeitungsprogramm hat im ersten Jahr den Schwerpunkt Hochschuldidaktik, es wird im zweiten Jahr mit dem Schwerpunkt Forschung und im dritten Jahr mit dem Schwerpunkt Hochschulselbstverwaltung weiter­ geführt. Unterstützt wird die Teilnahme durch eine Vereinbarung über die Lehrdeputatsreduktion gleich im ersten Jahr.9 Dieses Programm läuft bereits 14 Jahre an der Fachhochschule Bielefeld und ist 2005 mit dem Arbeitgeberpreis für Bildung ausgezeichnet worden.

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Hospitation und kurze Rückmeldung nach der Lehrveranstaltung; →→  Vorbereitung auf die Nachbesprechung (Sichtung der Videoaufnahme); →→  Nachbesprechung der Lehrveranstaltung; →→  eigene Nachbereitung und Ansätze zur Verbesserung. →→ 

7  Vgl. Tobina Brinker, Beate Rennen-Allhoff: Zielvereinbarung mit Deputatsreduzierung. Das »Bielefelder Modell« zur Einarbeitung neuberufener Professorinnen und Professoren, in: Das Hochschulwesen 6/2005, S. 239–241.  8  Tobina Brinker: Einarbeitung neuberufener Professorinnen und Professoren. Das Bielefelder Modell, in: Brigitte Behrend, Hans­-Peter Voss, Johannes Wildt (Hg.): Neues Handbuch Hochschullehre, L 1.4., Bonn 2006, S. 1–12. 9  Vgl. Anm. 7.

Tobina Brinker

Gute Lehre und hochschuldidaktische Unterstützungsmöglichkeiten Gute Lehre ist laut HRK-Beschluss10 vom 22. April 2008 die studierendenzentrierte Lehre. Sie ist Kern eines geänderten Grundverständnisses von Lehre in Hochschulen und der Gestaltung von Lernumgebungen. Gute Lehre unterstützt und ermöglicht das eigenständige Lernen der Studierenden. Das bedeutet für die Hochschuldidaktik, den Lehrenden zu vermitteln, →→  dass die Studierenden als selbstständige, eigenverantwortliche Lernende anzusprechen sind, →→  dass auch in schwierigen Lernsituationen der Dialog mit den Studierenden gepflegt werden soll, →→  dass die Studierenden im Studium Orientierungshilfen und Entfaltungsmöglichkeiten erhalten sollen, →→  dass die Studierenden regelmäßiges Feedback erhalten können und →→  dass das Prüfungswesen entsprechend umgestaltet werden muss. Die Entwicklung der individuellen Lehrkompetenz, des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Professorinnen und Professoren und insbesondere der neuberufenen Professorinnen und Professoren durch besondere Einarbeitungsprogramme ist vor allem durch regelmäßige Weiterbildungs- und Coachingangebote zu erreichen.11 Die hochschuldidaktische Weiterbildung muss eine systematische und praxisnahe didaktische Qualifizierung der Lehrenden ermöglichen und die Lehrenden befähigen, aus der Vielfalt der Lehr- und Lernformen diejenigen auszuwählen und einzusetzen, die den Lernzielen der Curricula auf der einen Seite und den Kenntnissen und Entwicklungsmöglichkeiten der jeweiligen studentischen Lerngruppe auf der anderen Seite gerecht werden. Dazu gehören auch Informationen und Einsatzmöglichkeiten über Methoden, die Studierende in ihrem Lernen über die Lehrveranstaltungen hinaus unterstützen und beraten.12

198–199

Nach Webler13 ist Lehrkompetenz eine komplexe Kombination aus Wissen, Ethik, Handlungsfähigkeit und Praxisentwicklung, denn sie ist mit der Fähigkeit verbunden, Wissen und Können verantwortungsbewusst und situationsangemessen in Übereinstimmung mit gesellschaftlichen und berufsethischen Grund­sätzen einzusetzen. Als Dimensionen professioneller Lehrkom­petenz – in Anlehnung an den Deutschen Qualifikationsrahmen für Hochschulabschlüsse – wurden fünf Kompetenzen beschrieben, die hochschuldidaktische Expertinnen und Experten aus Universitäten und Fachhochschulen der früheren Weiterbildungskommission der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) erarbeitet haben und die von Stahr 14 weitergeführt wurden: Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, Selbstkompetenz, systemische Kom­petenz und hochschuldidaktische Fachkompetenz. Zur Erlangung dieser Fachkompetenzen muss eine Lehrende bzw. ein Lehrender folgenden Anforderungs­situationen gerecht werden: Lehren und Lernen, Beraten und Betreuen von Studierenden, Prüfen, Evaluieren sowie Umsetzen innovativer Lehrkonzepte. Die Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) hat dazu ein Kerncurriculum entwickelt und bundesweite gemeinsame Standards formuliert.15 Weiterhin bietet die dghd eine Akkreditierungsmöglichkeit für einzelne Workshops und ganze Programme an. Das Netzwerk hdw  nrw (nicht zu verwechseln mit dem Netzwerk Hochschuldidaktik NRW, dem

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Lehrkompetenz

10  Hochschulrektorenkonferenz (2008): http://www.hrk.de/bologna/de/download/ dateien/rlehrebeschluss2008.pdf (12.8.2011).  11  Tobina Brinker, Eva-Maria Schumacher: Fachhochschullehrende coachen und beraten, in: Brigitte Behrend, Hans-Peter Voss, Johannes Wildt (Hg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Bereich J 1.10, Berlin 2011, S. 1–28.  12  Hochschulrektorenkonferenz (2008): http://www.hrk.de/bologna/de/ download/dateien/rlehrebeschluss2008.pdf (12.8.2011).  13  Wolf-Dietrich Webler: Lehrkompetenz. Über eine komplexe Kombination aus Wissen, Ethik, Handlungsfähigkeit und Praxisentwicklung, in: Ulrich Welbers (Hg.): Hochschuldidaktische Aus- und Weiterbildung, Bielefeld 2003, S. 53–82.  14  Ingeborg Stahr: Academic Staff Development. Entwicklung von Lehrkompetenz, in: Ralf Schneider, Birgit Szczyrba, Ulrich Welbers, Johannes Wildt: Wandel der Lehr- und Lernkulturen, Bielefeld 2009, S. 70–87.  15 Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik (2015): Qualitätsstandards der Anerkennung hochschuldidaktischer Leistungen, in: http://www.dghd.de/teilnehmende-institutionen.html (16.3.2015).

Tobina Brinker

200–201

Netzwerk der Universitäten des Landes NRW) hat sein komplettes hochschuldidaktisches Weiterbildungsprogramm 2008 von der dghd akkreditieren lassen.16 Das Verfahren für die Reakkreditierung des Programms des Netzwerks ist 2015 eröffnet worden. Stahr17 beklagt u. a., dass es den Hochschullehrenden an Kenntnissen und Erfahrungen in der Curriculumentwicklung und der Vermittlung fachübergreifender und fachbezogener Kompetenzen mangele. Zur Förderung von Kompetenzen und Beschäftigungsfähigkeit (Employability) werden häufig EDV-, Sprach- und Rhetorikkurse oder Praktika sowie Studium-Generale-Veranstaltungen angeboten. Gerade an Fachhochschulen hat die Förderung von (Schlüssel-)Kompetenzen bei Studierenden von der Studierfähigkeit zu Beginn des Studiums bis zur Berufsfähigkeit am Studienende einen hohen Stellenwert. Deshalb wird schon bei der Personalauswahl wie auch bei der systematischen Fort- und Weiter­bildung der Lehrenden auf das Thema Erwerb und Förderung von Schlüsselkompetenzen für sich selbst und für die Gestaltung der Lehre geachtet. Schon in den mehrtägigen obligatorischen Einstiegskursen für neuberufene Professorinnen und Professoren in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ist die Gestaltung eines aktiven und kompetenzorientierten Lernraums Hochschule – von aktivierenden Methoden bis zu ganzen semester­begleitenden Projekten – ein fester Bestandteil. Durch die inzwischen an vielen Fachhochschulen eingeführten Einarbeitungsprogramme für neuberufene Professorinnen und Professoren werden die Lehrenden frühzeitig an die Möglichkeiten zur Förderung von Fach- und Schlüsselkompetenzen herangeführt. Die Hochschuldidaktische Weiterbildung der Fachhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt beispielsweise diese Entwicklung durch spezielle Workshops und Beratungsangebote sowie landesweite hochschulübergreifende Arbeitskreise zu fachdidaktischen Bereichen, aber auch zur Integration von Schlüsselkompetenzen in der Lehre.

Das Netzwerk hdw nrw wurde 1998 gemeinsam von den Fachhochschulen des Landes NRW und dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW initiiert und hat seine Arbeit 1999 aufgenommen. Am 8. Oktober 2009 feierte das Netzwerk sein zehnjähriges Bestehen. Es ist das älteste rein hochschuldidaktische Netzwerk in Deutschland.18 Im Jahr 2008 gehörten dem Netzwerk 16 Mitgliedshochschulen an. Nach der Gründung der vier neuen Hochschulen im Land NRW ist das Netzwerk für 20 Mitgliedshochschulen zuständig. Aufgrund der am 14. März 2009 verabschiedeten Kooperations­ vereinbarung der 20 Mitgliedshochschulen ist das Netzwerk hdw nrw eine gemeinsame wissenschaftliche Einrichtung mit Lenkungs­rat, Geschäftsstelle und Mentorinnen und Mentoren der 20 Mitgliedshochschulen. Im Januar 2015 ist eine überarbeitete Version der Kooperationsvereinbarung in der Landesrektorenkonferenz verabschiedet worden, die das Netzwerk hdw nrw als ständige Einrichtung bestätigt und das 2-Säulen-Modell von Geschäftsstelle und Mentorenkreis bekräftigt. Der Lenkungsrat entscheidet die grundsätzlichen Angelegenheiten des Netzwerks. Er ist zuständig für Entscheidungen in Haushaltsfragen, Beschlussfassungen über Konzepte, Programme, Entwicklungsplanungen und die Festlegung der Aufgaben der Geschäftsstelle. Der Lenkungsrat wird von der Landesrektorenkonferenz (LRK) für eine vierjährige Amtszeit gewählt und tagt halbjährlich. Die Aufgaben des Lenkungsrates sind im Koopera­ tionsvertrag beschrieben, Details regelt eine Geschäftsordnung. Als Mitglieder des Lenkungsrates des Netzwerks hdw nrw hat die LRK benannt: →→  Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff (Vorsitzende von 2009 bis 2015, gekoppelt an das Amt der Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld),

16 

Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik (2015): Akkreditierte Programme, in: http://www.dghd.de/akkreditierte-programme.html (16.3.2015).

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

Das Netzwerk hdw nrw – Entstehung und Entwicklung

Tobina Brinker

→→ 

→→ 

→→ 

→→ 

→→ 

Prof. Dr. Marie-Louise Klotz (stellvertretende Vorsitzende von 2009 bis 2015, gekoppelt an das Amt der Präsidentin der Hochschule Rhein-Waal), Prof. Helmut Jakobs (Mitglied von 2009 bis 2012 gekoppelt, an das Amt des Prorektors für Studium und Lehre der Fachhochschule Aachen), Prof. Dr. Norbert Janz (Mitglied von 2013 bis 2015, gekoppelt an das Amt des Prorektors für Studium und Lehre der FH Aachen), Prof. Dr. Franz-Josef Villmer (Mitglied von 2009 bis 2011, gekoppelt an das Amt des Vizepräsidenten für Studium und Lehre der Hochschule Ostwestfalen-Lippe) und Prof. Dr. Sylvia Heuchemer (Mitglied seit 2011, gekoppelt an das Amt der Vizepräsidentin für Lehre und Studium der Fachhochschule Köln).

Jedes Präsidium bzw. Rektorat der 20 Mitgliedshochschulen benennt eine Ansprechpartnerin bzw. einen Ansprechpartner für hochschuldidaktische Belange der eigenen Hochschule und zur Zusammenarbeit im Netzwerk hdw nrw. Diese sogenannten Mentorinnen und Mentoren arbeiten im Mentorenkreis zusammen, bearbeiten aktuelle Fragen und Themen zur Qualität der Lehre und tragen aktiv zur Programmgestaltung des Netzwerks bei. Sie bilden neben der Geschäftsstelle die zweite Säule des Netzwerks, beraten in ihren Hochschulen die neuberufenen Professorinnen und Professoren über die hochschuldidaktische Weiterbildung und sind für die Initiierung und Organisation der internen Workshops verantwortlich. Die Aufgaben der Mentorinnen und Mentoren sind im Kooperationsvertrag definiert; die Details soll eine Geschäftsordnung regeln, die sich der Mentorenkreis im Jahr 2015 gibt. Der Mentorenkreis ist gegenüber dem Lenkungsrat rechenschaftspflichtig. Die Geschäftsstelle des Netzwerks hdw nrw ist für die Koordination, Durchführung, Finanzierung und Evaluation der hochschuldidaktischen Angebote zuständig und dem Lenkungsrat

202–203

Landesrektorenkonferenz

benennt

20 Präsidentinnen/Rektorinnen bzw. Präsidenten/Rektoren

Lenkungsrat Netzwerk hdw nrw

rechenschaftspflichtig

Zwei Präsidentinnen/Rektorinnen bzw. Präsidenten/Rektoren, zwei Vizepräsidentinnen/Prorektorinnen bzw. Vizepräsidenten/Prorektoren

Geschäftsstelle

Geschäftsführung Zentralstelle Bielefeld

Außenstelle Aachen

Betreuung der Hochschulen des Bereichs Ost und übergreifende Aufgaben

Betreuung der Hochschulen des Bereichs West

Mentorenkreis

Sprecherin bzw. Sprecher Ev. FH Bochum, FH Aachen, FH Bielefeld, FH Dortmund, FH Köln, FH Münster, FH Südwestfalen, Hochschule Bochum, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Hochschule Düssel­ dorf, Hochschule für Gesundheit in Bochum, Hochschule Hamm-Lippstadt, Hochschule Niederrhein, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Hochschule Rhein-Waal, Hochschule Ruhr West, Kath. FH Köln, Rheinische FH Köln, Techn. FH Georg Agricola in Bochum, Westfälische Hochschule

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

Die Struktur des Netzwerks hdw nrw

Tobina Brinker

rechenschaftspflichtig. Die Fachhochschule Bielefeld ist Anstellungskörperschaft für das Personal der Geschäftsstelle und übernimmt auch die weitere Personalbewirtschaftung. Die Geschäftsstelle besteht aus der Zentralstelle in Bielefeld und der Außenstelle in Aachen, die jeweils eine bestimmte Anzahl an Mitgliedshochschulen betreuen und beraten. Die Aufgaben der Geschäftsstelle sind in der Kooperationsvereinbarung enthalten, Details der Zusammenarbeit regelt eine Geschäftsordnung. Für die verschiedenen Arbeitsabläufe liegen Checklisten vor.

Die hochschuldidaktischen Weiterbildungsangebote Während an Universitäten oft die Personen an Weiterbildungs­ angeboten teilnehmen, die gerade promovieren oder habilitieren und deren Ziel es ist, ein hochschuldidaktisches Zertifikat zu erwerben, ist die Zielgruppe an Fachhochschulen die Professorenschaft, denen das Netzwerk hdw nrw immer wieder ein verändertes und neues Programm bieten muss, um dieselben Teilnehmerinnen und Teilnehmer – während des gesamten Berufs­lebens  – mit aktuellen und interessanten Angeboten zu motivieren. Die kontinuierliche Verbesserung der Qualität der Lehre an den (Fach-)Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen ist das Ziel des Netzwerks hdw nrw, wie im Akkreditierungsantrag 2008 ausführlich beschrieben. Seit 16 Jahren bietet das Netzwerk ein umfangreiches, regional breit gestreutes und an den Bedarfen und aktuellen Forschungsergebnissen orientiertes Weiterbildungs­ programm an. Das Programm umfasst nicht nur thematisch vielfältige Angebote für verschiedene Zielgruppen (Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lehrkräfte für besondere Aufgaben, Lehrbeauftragte, Tutorinnen und Tutoren, Promovierende), sondern bietet auch verschiedene Formate: zum einen Workshops, die als offene Workshops

204–205

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

oder als interne Veranstaltungen konzipiert werden können, zum anderen Beratungs- und Coachingangebote sowie fach­ didaktische Arbeitskreise, das Forum Hochschullehre und Online-­ Angebote. Das Workshopangebot des Netzwerks hdw nrw gliedert sich seit 2010 in folgende sechs Bereiche, die sich im jährlichen Programmheft und auf der Homepage wiederfinden: Basiskurse (BK)  Der Bereich bietet zielgruppenspezifische Einführungskurse: für neuberufene Professorinnen und Professoren das fünftägige Seminar Hochschullehre, für wissenschaftliche Mit­ arbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben das dreitägige Angebot Lehren und Lernen und für Lehrbeauftragte kurze – höchstens eintägige – Angebote, die von einzelnen Mitgliedshochschulen durchgeführt werden. Lehren und Studieren (LS)  Lehren und Studieren umfasst ein- bis zweitägige Workshops über Methoden, neue Ansätze zum Lehren und Lernen, zur Mediendidaktik, zu Diversität und Interkulturalität sowie fachspezifische Ansätze. Beraten und Coachen (BC)  Dieser Bereich enthält eintägige Angebote zur Beratung und zum Lerncoaching – von der effektiven Sprechstundengestaltung bis zur zehntägigen Weiterbildung zum Lerncoach. Prüfen und Bewerten (PB)  Prüfen und Bewerten bietet Weiterbildung für alle Prüfungsformen an – von einzelnen Leistungen über Abschlussarbeiten bis zum kompetenzorientierten Prüfen. Entwickeln und Evaluieren (EE)  Entwickeln und Evaluieren bietet für Fortgeschrittene Workshops an, in denen Fragen zur Evaluation, zur Curriculumgestaltung, zum Konfliktmanagement etc. bearbeitet werden. Schlüsselkompetenzen für Lehrende (SL)  Der Bereich bietet Fortbildungen an, die mittelbar Einfluss auf die Lehre haben, wie beispielsweise Stimm- und Rhetoriktraining, Softwaretraining und Selbstmanagement.

Tobina Brinker

206–207

Zusätzlich bietet das Netzwerk die Beratungs- und Coaching-­ formate lehrbegleitende Beratung, Neuberufenen-Coaching, didaktisch-methodische Beratung, kollegiale Beratung, mediendidaktische Beratung, Stimm- und Rhetorik-Coaching, Coaching des persön­ lichen Ausdrucks, Coaching von Dekanen, Coaching und Begleitung von Berufungskommissionen, Moderation von internen Klausurtagungen sowie Mediation von Gremien und Mitgliedern der Hochschule an. Die durchgeführten Beratungs- und Coachingangebote des Netzwerks hdw nrw, die nach Bedarf bzw. aufgrund einer konkreten Anfrage organisiert werden, sind in den letzten Jahren deutlich mehr geworden. Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die nicht nur den hochschulübergreifenden Erfahrungsaustausch und die Themen der Workshops suchen, sondern selbst an einer Neu- oder Weiterentwicklung in verschiedenen Gebieten interessiert sind, bietet das Netzwerk hdw  nrw fachdidaktische Arbeitskreise an. Aktuell tagen folgende Arbeitskreise regelmäßig: der Arbeitskreis Physik in den Ingenieurwissenschaften, der Arbeitskreis Schlüsselkompetenzen und der Arbeitskreis Tutorenqualifikation ab 2015. Eine Aktivierung der Arbeitskreise Informatik und Mathematik ist geplant. Im Abstand von zwei bis drei Jahren veranstaltet das Netzwerk ein Forum Hochschullehre zu einem aktuellen Thema, bei dem sich innovative Lehrprojekte aus den 20 Mitgliedshochschulen vorstellen und miteinander in den Austausch treten können. Das erste Forum Hochschullehre unter dem Titel Neue Ansätze aus den Fachhochschulen des Landes NRW fand am 9. April 2003 an der Fachhochschule Bielefeld statt.19 Das zweite Forum wurde von der Arbeitsstelle in Hagen im Jahre 2005 unter dem Schwerpunkt Bologna ausgerichtet, das dritte Forum fand mit dem Titel Qualitäts­management 2008 in der Hochschule Niederrhein statt. Das vierte Forum Hochschullehre hat schließlich die Hochschule Bochum unter dem Titel Gestaltung der Studieneingangsphase im Jahr 2012 ausgerichtet.20

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

Die hochschuldidaktische Website www.lehridee.de ist seit 2003 online und bietet neben 400 PDF-Dateien (zumeist Workshop-­ unterlagen) kommentierte Literatur- und Linktipps. Die Nutzung ist kostenfrei und für jedermann zugänglich. Bis zu 10 000 Zugriffe werden in manchen Monaten erreicht. 2014 wurde im Netzwerk ein Pilotprojekt zur Einführung einer Lernplattform gestartet. Durch die Bereitstellung eines eigenen Mandanten der Lernplattform ILIAS für das Netzwerk können Workshops und Arbeitskreise Dokumente etc. ablegen, gemeinsam bearbeiten und kommunizieren. Zurzeit sind etwa 20 Workshops, fünf Arbeitskreise und Netzwerke sowie jeweils ein Lernraum für die Gremien des Netzwerks eingerichtet. Zusätzlich sind elf Module für das Zertifikatsprogramm entwickelt worden. Die Online-­Angebote des Netzwerks wurden 2015 zu einem Lernportal zusammengefasst. Im Januar 2015 zählte die hdw-nrw-Lernplattform 326  aktive Benutzerinnen und Benutzer, Ende März 2015 konnten etwa 400 Benutzerinnen und Benutzer zugelassen werden.

Die Qualitätsentwicklung im Netzwerk hdw nrw Die Gesamtübersicht der Teilnahmetage zeigt die Entwicklung bei der Gesamtnutzung des Weiterbildungsangebotes. Ein signi­ fikanter Anstieg im Rahmen der Nutzungszahlen ist seit 2011 zu vermerken. Innerhalb von zwei Jahren ist eine Steigerung der Nutzung um mehr als 1 000 Teilnahmetage erfolgt. Im Jahr 2010 verzeichnete das Netzwerk 1 428 Teilnahmetage, im Jahr 2012 sogar 2 554 Teilnahmetage. Im Jahr 2013 lag die Nutzung bei 2 573 Teilnahmetagen, im Jahr 2014 sind 2 604 Teilnahmetage genutzt worden. Erfreulich ist darüber hinaus, dass die Absage- bzw.

17  Vgl. Anm. 14.  18  Tobina Brinker: 10 Jahre Netzwerk hdw nrw. Hochschuldidaktische Weiterbildung – Nordrhein-Westfalen – ein Erfolgsmodell?, in: Brigitte Berendt, Hans-­ Peter Voss, Johannes Wildt (Hg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Bereich L 2.5, Berlin 2009, S. 1–14.  19  Tobina Brinker, Uwe Rössler (Hg.): Hochschuldidaktik an Fachhochschulen. Neue Ansätze in der Lehre aus den Fachhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Blickpunkt Hochschuldidaktik, Band 113), Bielefeld 2004.  20  Die Ergebnisse des Forums wurden 2013 veröffentlicht: Tobina Brinker: Gestaltung der Studieneingangsphase. Ideenwerkstatt mit Studierenden und Lehrenden, Bielefeld 2013.

Tobina Brinker

Abwesenheitsquote der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an stattfindenden hochschuldidaktischen Workshops ab 2012 kontinuierlich gesenkt werden konnte. Die Tabellen auf dieser Seite geben eine Übersicht über durchgeführte Veranstaltungen. Berücksichtigt ist der Zeitraum seit der Akkreditierung 2008. Das Netzwerk hdw nrw arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung des Qualitätsmanagements. Seit der Akkreditierung im Jahr 2008 sind folgende Veränderungen mit diesem Ziel um­gesetzt worden bzw. befinden sich in der Umsetzung: Auf der Grundlage

Übersicht über die insgesamt durchgeführten Veranstaltungen Durchgeführte Veranstaltungen

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

Workshops aus dem Programm

64

73

66

64

83

95

99

0

0

13

38

25

12

12

Zusätzliche offene Workshops Interne Workshops Beratungen Summe der durchgeführten hdw-Veranstaltungen

19

34

38

54

63

95

87

1

67

22

27

39

35

17

84

174

139

183

210

237

215

Entwicklung der Workshopzahlen, aufgeteilt nach den Programmbereichen Workshops nach Programmbereichen

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

6

11

30

37

31

29

38

Lehren und Studieren (LS )

24

32

31

62

71

102

97

Beraten und Coachen (BC )

6

6

9

8

10

16

12

Basiskurse (BK )

Prüfen und Bewerten (PB )

5

6

4

5

9

6

5

Entwickeln und Evaluieren (EE )

27

26

12

13

19

15

17

Schlüsselkompetenzen für Lehrende (SL )

15

26

31

31

32

34

29

208–209

Entwicklung der Teilnahmezahlen in Teilnahmetagen

2 000

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1 000

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

der im Rechenschaftsbericht zusammengestellten Daten und Nutzungszahlen des Vorjahres beginnt die Programmplanung für das Jahr mit einer Brainstorming-Konferenz im Frühjahr mit dem Mentorenkreis und der Geschäftsstelle; anschließend erfolgt eine Abfrage nach Vorschlägen und Wünschen der Mentorinnen und Mentoren für die jeweilige Hochschule; die Geschäftsstelle entwickelt daraus einen Programmvorschlag, koordiniert Workshop­ leitungen und Hochschulstandorte und stellt das Jahresprogramm zusammen, das dann in der Netzwerkkonferenz im September vom Lenkungsrat, dem Mentorenkreis und der Geschäftsstelle verabschiedet wird. Im Zuge der Akkreditierung im Jahr 2008 hat das Netzwerk hdw nrw didaktische Grundprinzipien formuliert, die sich nach den Empfehlungen der Akkreditierungskommission der dghd (AKKO) richten. Diese didaktischen Grundprinzipien werden jeder Referentin bzw. jedem Referenten mit dem Vertrag

Tobina Brinker

210–211

zu­geschickt. Die Referentinnen und Referenten erkennen mit ihrer Unterschrift an, dass sie diese Grundprinzipien in ihren Angeboten berücksichtigen und sich danach richten. Die Evaluation der Weiterbildungsveranstaltungen des Netzwerks hdw nrw erfolgt seit 2010 mit zweiseitigen Fragebögen, die mithilfe des Programms EvaSys generiert und ausgewertet werden. Voraussetzung für eine vollständige Auswertung sind mindestens fünf ausgefüllte Feedbackbögen pro Workshop. Ergänzend zu den Teilnehmerfragebögen wird seit 2012 von den Referentinnen und Referenten ein Veranstaltungsfeedback eingefordert, um beispielsweise Hinweise und Kommentare zur Raumausstattung, zum Catering oder zur allgemeinen Organisation zu erhalten. Gleichzeitig werden die Referenten angeregt, sich beispielsweise Gedanken über den Titel und den Ausschreibungstext des Workshops zu machen, um ggf. zukünftig pass­ genauer ausschreiben zu können. Hierzu wird den Referentinnen und Referenten ein Fragebogen zur Verfügung gestellt. Die im Rahmen des Netzwerks hdw nrw angebotenen Beratungen und Coachings werden durch Feedbackgespräche zwischen der Geschäftsstelle und dem Coach sowie der Geschäftsstelle mit dem Coach bzw. dem zu Beratenden und mit dem Beratenden analysiert. Bisher sind die Anlässe für eine Beratung bzw. ein Coaching so unterschiedlich, dass ein einheitlicher Evaluationsbogen dafür nicht sinnvoll ist. Durch die geplante Formulierung der Coachingrichtlinien für das Netzwerk hdw nrw kann die Einhaltung der Richtlinien bei den einzelnen Coachingmaßnahmen erfragt werden. Zur Verbesserung der Transparenz der Arbeit des Netz­werks und der Nutzung des Angebotes wurde auf Beschluss des Lenkungsrates Ende 2012 eine jährliche Rechenschaftslegung in Form eines Jahres- bzw. Rechenschaftsberichtes beschlossen. Dieser Bericht wird von der Geschäftsstelle und dem Mentorenkreis gemeinsam verfasst, im ersten Quartal des jeweils neuen Jahres dem Lenkungsrat und der Landesrektorenkonferenz vorgelegt und nach

Globalindikator

Globalindikator Basiskurse Lehren und Studieren Beraten und Coachen Prüfen und Bewerten Entwickeln und Evaluieren Schlüsselqualifikationen 1

1,5

2

2,5

Workshop

Globalindikator Basiskurse Lehren und Studieren Beraten und Coachen Prüfen und Bewerten Entwickeln und Evaluieren Schlüsselqualifikationen 1

1,5

2

2,5

Referent/in

Globalindikator Basiskurse Lehren und Studieren Beraten und Coachen Prüfen und Bewerten Entwickeln und Evaluieren Schlüsselqualifikationen 1

1,5

2

2,5

Veranstaltung

Globalindikator Basiskurse Lehren und Studieren Beraten und Coachen Prüfen und Bewerten Entwickeln und Evaluieren Schlüsselqualifikationen 1

1,5

2

2,5

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

Auswertung der Evaluationsbögen der Teilnehmenden 2014 (n=1 357; Skala von 1 bis 6).

Tobina Brinker

212–213

Abstimmung bzw. Verabschiedung veröffentlicht. Es liegen Berichte für die Jahre 2012, 2013 und 2014 vor. Eine erste umfassende Evaluation des Netzwerks wurde mit Ablauf der ersten fünf Vertragsjahre der Kooperationsverein­barung im März 2014 durchgeführt und diente der LRK zur Entscheidung über die Weiterführung des Netzwerks. Der LRK wurden vorgelegt: der aktuelle Jahresbericht, Ergebnisse der durchgeführten Mentorenbefragungen, Ergebnisse einer Zertifikatsanwärterbefragung und Ergebnisse der Evaluationsstudie. In der LRK-Sitzung vom 14. November 2013 wurde auf dieser Grundlage die Weiterführung des Kooperationsvertrages beschlossen. Zur Sicherstellung einer dauerhaften und kontinuierlichen Qualitätsentwicklung im Netzwerk hat der Lenkungsrat beschlossen, die Verpflichtung zur umfassenden Evaluation des Netzwerks im Fünfjahresrhythmus weiterzuführen und dies als Aufgabe des Netzwerks in die neue Kooperationsvereinbarung verbindlich aufzunehmen. Im Rahmen des Projekts Evaluation hochschuldidaktischer Qualifizierungsangebote für neuberufene Professorinnen und Professoren 21 wurde ein hochschuldidaktisches Weiterbildungsangebot des Netzwerks hdw nrw näher in den Blick genommen. Im Mittelpunkt standen die Evaluation der hdw-Basiskurse Seminar Hochschullehre für neuberufene Fachhochschulprofessorinnen und -professoren sowie die Analyse der Rahmenbedingungen (u. a. hochschuldidaktische Einarbeitungskonzepte der Fachhochschulen in NRW) aus der Perspektive relevanter Akteure und der Zielgruppe. Vorgestellt werden ausgewählte Teilergebnisse der Projekts, die Antworten auf die Frage geben, was derartige Angebote leisten können. Zur Sicherstellung der für die Durchführung von hdw-Workshops geforderten Standards wird den Hochschulen, an denen hdw-Veranstaltungen stattfinden, im Vorfeld eine Checkliste zur Verfügung gestellt. Diese Checkliste enthält Hinweise zur Vor­ bereitung, Durchführung und Nachbereitung der Veranstaltungen inklusive einer Übersicht der geforderten Ausstattungsmerkmale (Medien, Materialien etc.). Geregelt ist in der Checkliste

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

zudem auch der Ablauf der Veranstaltungsevaluation, um die angemessene Durchführung der Befragung und den Rücklauf der Feedbackbögen sicherzustellen. Seit 2010 bietet das Netzwerk ein hochschuldidaktisches Zertifikatsprogramm Professionelle Hochschullehre I und II an, in dem Lehrende systematisch durch Teilnahme an Workshops, Bearbeitung von Lernbriefen und Entwicklung eines eigenen Lehrportfolios ein deutschlandweit anerkanntes Zertifikat (gemäß dem Anerkennungspapier der dghd 22) erwerben können. Die einzelnen Schritte zu den Zertifikaten sind im Kompetenzpass des Netzwerks aufgeführt. Für das Zertifikat Professionelle Hochschullehre I müssen zehn Lernbriefe bearbeitet werden. Diese stehen allen Zertifikatsanwärterinnen und Zertifikatsanwärtern als E-Learning-Module auf der Lernplattform des Netzwerks oder auch als PDF-Datei zur Verfügung und können je nach Lerntyp entsprechend genutzt werden. Nach Anmeldung zum Zertifikatsprogramm werden die E-Module freigeschaltet und können orts- und zeitunabhängig bearbeitet werden bzw. die PDF-Dateien werden bedarfsgerecht zugemailt. In Planung ist ein Forum oder Chat, damit die Teilnehmenden des Zertifikatsprogramms auch untereinander und mit Expertinnen und Experten kommunizieren können. Für die Entwicklung eines eigenen Lehrportfolios stehen den Teilnehmenden des Zertifikatsprogramms verschiedene Varianten zur Anleitung zur Verfügung. Eine Einführung in das Thema Lehrportfolio mit neun Modulen ist auf der Lernplattform zu finden und es gibt einen Workshop zur Entwicklung des Lehrportfolios. Beide Angebote sind aufeinander abgestimmt und kombinierbar. Die hohe Nachfrage zum Workshopangebot Seminar Hochschullehre (Basiskurs) begründete sich vor allem darin, dass diese Angebote ausschließlich von Lehrenden durchgeführt wurden, die selbst in der Lehre tätig sind und dadurch sehr viel Akzeptanz bei den Teilnehmenden erfahren. Um diese Qualität weiterhin

21  Laufzeit: September bis November 2013; Auftraggeber: Netzwerk hdw nrw; Förderung: Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW. 22  Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik (2013): Anerkennung von hochschul­didaktischen Leistungen, http://www.dghd.de/netzwerktreffen.html (29.3.2015).

Tobina Brinker

214–215

gewährleisten zu können, wurden die Angebote Weiterbildung zur hochschuldidaktischen Workshop-Leitung (HDWL) und Weiterbildung zur hochschuldidaktischen Workshop-Leitung Basiskurse (HDWLB ) konzipiert und durchgeführt. Eine konsequente Weiterentwicklung im Sinne der kollegialen Beratung nach der Einführung der Zertifikate Professionelle Hochschullehre I und II an den Fachhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen ist die Weiterbildung zur hochschuldidaktischen Workshop-Leiterin bzw. zum Leiter, in der Lehrende selbst für die Workshop-Leitung qualifiziert werden. Ziel der ersten Weiterbildung ist die Leitung eines ein- oder zweitägigen hochschuldidaktischen Workshops, Ziel der zweiten Weiterbildung ist die Leitung eines mehrtägigen Einstiegskurses für Neuberufene. Die beiden Weiterbildungen schließen jeweils mit der Leitung eines Workshops unter Supervision ab. Seit 2011 führt das Netzwerk hdw nrw regelmäßig im Juni/Juli einen Trainertag durch, an dem Basiskursleiterinnen und ­-leiter sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Schwesternetzwerke aus anderen Bundesländern teilnehmen. Neben einem Erfahrungsaustausch wird das Grundkonzept der Basiskurse, das für jeden Basiskurstrainer verbindlich ist, reflektiert und weiterentwickelt. Zudem werden auf diesem Trainertag die Trainerteams gebildet und die Basiskurstermine für das nächste Jahresprogramm abgestimmt. 2011 wurde das Netzwerk Hochschullehrer-Coaching mit dem Ziel gegründet, die Qualität der Coachingangebote zu verbessern, den aktiven Hochschul­lehrercoaches eine individuelle Unterstützung ihrer Arbeit anzubieten und ein gemeinsames Grundkonzept zu ent­wickeln. Die Mitglieder des Netzwerks treffen sich dreimal im Jahr und arbeiten beispielsweise an anonymisierten Coachingfällen, stellen Methoden vor, deren Ergebnisse und Erfahrungen wiederum reflektiert und im Rahmen kollegialer Beratung zur Verfügung gestellt werden. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen werden persönliche Coachingprofile entwickelt und gemeinsame Coachingrichtlinien für das Netzwerk erarbeitet.

Ausblick und Entwicklungsmöglichkeiten Die Weiterentwicklung und Qualitätsentwicklung des Netzwerks hdw nrw wird von allen beteiligten Einrichtungen, dem Lenkungsrat, dem Mentorenkreis und der Geschäftsstelle unterstützt und gefördert. Zurzeit sind die Entwicklung eines einheit­lichen Lernportals, die Optimierung des Programmentwicklungsprozesses und die Formulierung verbindlicher Coachingrichtlinien im Fokus. Im nächsten Schritt werden die Homepage und das Anmeldeverfahren überarbeitet. Ein Potenzial, das das Netzwerk hdw nrw bei Weitem noch nicht ausgeschöpft hat, ist der Vorteil, Lehrende, Studierende und Workshop-Leiterinnen und -Leiter aus 20 verschiedenen Hochschulen zu vernetzen. Das neue Lernportal bietet Vernetzungsmöglichkeiten an, die aber erst bekannt gemacht und angenommen werden müssen. Kollegiale Beratung und viele weitere Möglichkeiten der Kooperation der Lehrenden, die fachnahe und fachhochschulinterne Kenntnisse bieten und untereinander austauschen können, sowie Referentinnen und Referenten mit langjähriger Lehrerfahrung an Fachhochschulen müssen intensiver vernetzt werden, damit eine weitere erfolgreiche Zusammen­ arbeit und gegenseitige Unterstützung in der Hochschullehre gefördert, ausgebaut und weiterentwickelt werden kann.  ◼

Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung NRW

Zusätzlich zu den für alle Referentinnen und Referenten sowie alle Beraterinnen und Beratern verbindlichen didaktischen Grundprinzipien des Netzwerks hdw nrw werden für alle Beratungs- und Coachingsituationen hdw-eigene Coachingricht­ linien entwickelt, auf die die im Auftrag des Netzwerks tätigen Hochschul­lehrercoaches verpflichtet werden sollen. Diese Coachingrichtlinien liegen vor und sind im Januar 2015 vom Netzwerk Hochschul­lehrercoaching verabschiedet worden.

Vom Modell zum etablierten Angebots­ format. Das Verbundstudium der Fachhoch­schulen NRW Dieter Pawusch

216–217

Verbundstudium der Fachhochschulen NRW

Aus einem Modellvorhaben zu Beginn der 1990er-Jahre ist ein profilbildendes Alleinstellungsmerkmal der Fachhochschulen geworden: das Verbundstudium in Nordrhein-Westfalen. Es steht für ein erfolgreiches Konzept ausbildungs- und berufsbegleitender Studienangebote, das in seinen Auswirkungen über die Ausweitung des Fächerspektrums an den Fachhochschulen deutlich hinausgeht. Auf dem Erfolg ruhen sich die Fachhochschulen aber nicht aus. Die qualitative Weiterentwicklung des Verbundstudiums und der weitere Ausbau der Angebote sind die Zielvorgaben.

Dieter Pawusch

218–219

Die Anfänge Die Entstehungsgeschichte des Verbundstudiums in Nordrhein-Westfalen reicht bis in das Jahr 1991 zurück. Der Wissenschaftsrat hatte seinerzeit in den Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Fachhochschulen aufgefordert, verstärkt Studienangebote für Berufstätige zu entwickeln, die zeitlich so organisiert sind, dass die Ausübung der beruflichen Tätigkeit weiterhin möglich bleibt.1 Zu diesem Zweck sollten zudem auch im Fachhochschulbereich Elemente des Fernstudiums einbezogen werden, wie der Wissenschaftsrat im Folgejahr in seinen Empfehlungen zum Fernstudium 2 anregte. Die Herausforderungen waren vielfältig. Die Entwicklung von Studienangeboten für Berufstätige war keine neue Themenstellung. An den Fachhochschulen existierten bereits einzelne Angebote und Konzepte.3 Häufig waren diese in der Form eines berufsbegleitenden Abendstudiums ausgestaltet. Über die Einbeziehung von Fernstudienelementen bot sich nun die Möglichkeit, Selbststudienanteile vorzusehen, die ein höheres Maß an zeit­licher Flexi­bilität bei den Studierenden erlaubten. Gleichwohl stellte sich auch die Frage, ob und wie Distance Learning mit dem durch Praxisnähe und intensive Vor-Ort-Betreuung der Studierenden gekennzeichneten Profil der Fachhochschulen vereinbart werden konnte. Ein erstes Realisierungskonzept der Fachhochschule Südwestfalen4 und der Hochschule Bochum wurde bereits im Oktober 1992 in die Diskussion eingebracht. In den Beratungen der NRW-Fachhochschulen über das Modellvorhaben ist dann sehr schnell Einvernehmen erzielt worden, wie im Konzept vor­ geschlagen, keine Fernfachhochschule und auch keine hochschulferne Agentur zu errichten. Beide Optionen hatte der Wissenschaftsrat als denkbare Organisationsmodelle empfohlen. Das berufsbegleitende Studienmodell sollte vielmehr im Verbund der NRW-Fachhochschulen entwickelt und gemeinsam getragen werden. Die Fachhochschulen haben deshalb das Verbundstudium so

Verbundstudium der Fachhochschulen NRW

dezentral wie möglich ausgerichtet und gleichzeitig mit dem Institut für Verbundstudien eine zentrale Service- und Koordinierungseinrichtung für den fachnahen und technisch-organisatorischen Support der Trägerfachhochschulen gegründet. Die besonderen Merkmale des Verbundstudiums lassen sich wie folgt zusammenfassen: Verbund von Studium und Beruf/Ausbildung  Das Verbundstudium erschließt Berufstätigen und Auszubildenden in idealer Weise die Verbindung von Beruf bzw. Ausbildung und Studium. Ohne Verzicht auf das gewohnte soziale und berufliche Umfeld wird den Studierenden die Möglichkeit zu einem qualifizierten Studienabschluss eröffnet. Verbund der Lernorte Das NRW-Modell verbindet das selbstständige wissenschaftliche Arbeiten im privaten Bereich mit den Vermittlungs- und Diskussionsprozessen in der Hochschule sowie den konkreten Fragestellungen und Problemen in der beruflichen Praxis. Über Selbststudienmaterialien und unterstützt durch E-Learning-Angebote sowie Online-Betreuung wird das theoretische Wissen vermittelt, das in den studienbegleitenden Präsenzphasen vertieft sowie mit dem Erfahrungswissen aus der Praxis verknüpft werden kann. Die Präsenzveranstaltungen finden in regelmäßigen, zumeist vierzehntäglichen Abständen an den Anbieterhochschulen statt, und zwar vorzugsweise samstags.5 Verbund der Fachhochschulen  Der Verbund der NRW-Fachhochschulen zu gemeinsamen Studiengängen und die Verab­ redung gemeinsamer Prüfungsordnungen im Rahmen einer hochschulübergreifenden Zusammenarbeit sind ein weiteres wesentliches Element des Verbundstudienmodells. Die Kooperation der Fachhochschulen sieht ausdrücklich die Möglichkeit des Beitritts in bereits bestehende Angebote vor. Die Hochschulen

1 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Fachhochschulen in den 90er Jahren, Köln 1991.  2 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zum Fernstudium (Drucksache 929/92), Köln 1992.  3  Zum Beispiel das sogenannte Krefelder Modell und das Berufsintegrierte Studium (BIS ) in Rheinland-Pfalz. An der Märkischen Fachhochschule existierte bereits mit dem Studiengang Korrosionsschutztechnik ein Angebot mit Fernstudienanteilen (Studienbriefe).  4  Vormals Märkische Fachhochschule. 5  Abweichende Festlegungen ergeben sich zum Beispiel bei den Praxisintegrierten Studiengängen der Fachhochschule Bielefeld. Dort wechseln sich Praxisphasen in den Unternehmen mit längeren Theoriephasen an der Hochschule ab.

Dieter Pawusch

220–221

kooperieren zudem in allen zentralen Fragen der Weiterentwicklung des Verbundstudiums. Das Institut für Verbundstudien der Fachhochschulen Nordrhein-Westfalens – IfV NRW – wurde ebenfalls im Zuge der Realisierung des Verbundstudienmodells gegründet. Es ist als gemeinsame zentrale wissenschaftliche Einrichtung bei der Fachhochschule Südwestfalen errichtet und hat seinen Sitz in Hagen. Das IfV NRW übernimmt Aufgaben für den fachnahen und technisch-organisatorischen Support der Fachhochschulen, insbesondere bei der Entwicklung und dem Einsatz von Verbundstudienangeboten. Hierzu zählen vielfältige administrative und technische Aufgaben bei der Durchführung der Verbundstudien­angebote sowie Dienstleistungen im Bereich der wissenschaftlichen Begleitung. Das IfV NRW nimmt seine Auf­ gaben unter Beachtung der originären Selbstverwaltungsrechte und -pflichten der am Verbundstudium beteiligten Fachhochschulen und deren wissenschaftlicher Verantwortung für die Entwicklung und Durchführung der Studienangebote wahr. Die Errichtung des IfV NRW als gemeinsame zentrale wissen­ schaftliche Einrichtung wurde mit Erlass des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung vom 29. Oktober 1993 genehmigt. Im damaligen Fachhochschulgesetz NRW stand eine Rechtsgrundlage für eine solche Gemeinschaftsinitiative der Fachhochschulen allerdings nicht zur Verfügung. Notwendig war daher ein Rückgriff auf das Universitätsgesetz, dessen Bestimmung über die Einrichtung gemeinsamer wissenschaftlicher Einrichtungen bis dahin noch nie in Anspruch genommen worden war. Die damals der Errichtung zugrunde gelegten Absprachen zwischen den kooperierenden Hochschulen über die Aufgabenstellung, Leitung und Organisationsstruktur sind zunächst in der Form einer Verwaltungs- und Benutzungsordnung festgehalten worden. Im Zuge des Ausbaus der Angebote ist die Verwaltungsund Benutzungsordnung dann in 1997 durch eine Nutzungsvereinbarung abgelöst worden, deren aktuelle Fassung vom 20. Juni 2013 datiert.6

Das Zusammenwirken der Fachhochschulen Die Verbundstudiengänge sind Studiengänge der anbietenden Hochschulen. Bei hochschulübergreifenden gemeinsamen Verbundstudiengängen wird die Zusammenarbeit der Anbieterhochschulen in einem Kooperationsvertrag geregelt. Der Verbund zu gemeinsamen Studiengängen und die Verabredung gemeinsamer Prüfungsordnungen im Rahmen einer hochschulübergreifenden Zusammenarbeit sind ein kennzeichnendes Element des Verbundstudienmodells, jedoch nicht Voraussetzung für die Planung eines Studiengangs. Häufig entstehen Verbundstudiengänge zunächst auf Initiative einer einzelnen Hochschule; es ist grundsätzlich möglich, dass eine Hochschule oder auch mehrere andere bestehenden Angeboten später beitreten. Für die Entwicklung und Durchführung von Verbundstudien­ gängen setzen die Fachhochschulen im Regelfall einen Fachausschuss ein, der als beschließender Ausschuss der Fachbereichsbzw. Fakultätsräte mit Beschlusskompetenz in Angelegenheiten des Verbundstudiengangs ausgestattet ist. Zu den Aufgaben zählen unter anderem die Mitwirkung bei der Konzeption des Studiengangs, Vorschläge zur Beauftragung der Autorinnen und Autoren des Studienmaterials und der Lehrenden für die 6  Vgl. die Vereinbarung zur Nutzung des Instituts für Verbundstudien der Fachhochschulen Nordrhein-Westfalens – IfV NRW (Nutzungsvereinbarung IfV NRW ) vom 25.9.2012, zuletzt geändert am 20.6.2013.

Verbundstudium der Fachhochschulen NRW

Das IfV NRW besitzt aufgrund landesrechtlicher Vorgaben als zentrale wissenschaftliche Einrichtung keine eigene Rechtsfähigkeit. Der Abschluss von Dienst- und Werkverträgen zur Übernahme von Lehr- und Prüfertätigkeiten im Verbundstudium erfolgt daher stets im Namen und mit unmittelbarer Rechtswirkung für die Fachhochschule Südwestfalen. Die Fachhochschule Südwestfalen ist von den Mitgliedshochschulen ermächtigt worden, die Nutzungs- und Verwertungsrechte an den urheberrechtlich geschützten Lerneinheiten zu bündeln und treuhänderisch zu verwalten. Die Rechtebündelung und Rechte­verwaltung erfolgt durch das IfV NRW.

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Präsenzveranstaltungen sowie die fachliche Abnahme der per Werkvertrag erarbeiteten Lehrmedien.7 Der Ausschuss ist nach Maßgabe der Evaluationsordnungen an den Anbieterhochschulen auch in die Qualitätssicherung eingebunden. Er fungiert häufig zugleich als zuständiges Prüfungsorgan (Prüfungsausschuss). Die Einsetzung von Fachausschüssen hat sich insbesondere bei hochschulübergreifenden gemeinsamen Studiengängen bewährt. Der Lenkungsrat ist das gemeinsame Lenkungs- und Steuerungsgremium zur Förderung des Verbundstudiums und zur Arbeit des Instituts. Ihm gehören die Präsidentinnen und Präsidenten bzw. die Rektorinnen und Rektoren der Mitgliedshochschulen an. Der Lenkungsrat ist in allen Grundsatzangelegenheiten des Verbundstudiums und der Arbeit des Instituts zuständig, die aufgrund ihrer übergeordneten Bedeutung einer Beratung und Abstimmung zwischen den Mitgliedshochschulen bedürfen. Hierzu zählen Empfehlungen zum Ausbau des Verbundstudienangebots, Stellungnahmen zu Grundsatzfragen der Finanzierung und der weiteren Rahmenbedingungen für das Verbundstudium, die Beratung über die Änderung von Aufgaben des Instituts sowie die Beschlussfassung über die Einrichtung von Beratungsgremien im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung durch das IfV NRW. Der Lenkungsrat unterstützt den studiengangübergreifenden Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den Studien­gängen zur Sicherung einheitlicher Qualitätsstandards und fördert den Dialog der Hochschulen zu Grundsatzfragen und zur Weiterentwicklung des Verbundstudienkonzepts insgesamt. Der Vorstand leitet das Institut. Er ist für alle Angelegenheiten des Instituts von allgemeiner oder grundsätzlicher Bedeutung zuständig. Dies umfasst etwa die Beschlussfassung über die Verwendung der für das IfV NRW zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich der Entscheidung über die Durchführung von Projektentwicklungen. Der Vorstand bereitet auch die Sitzungen des Lenkungsrates vor. Das Gremium besteht aus drei Präsidentinnen oder Präsidenten bzw. Rektorinnen oder Rektoren, von denen zwei vom Lenkungsrat gewählt werden; die Vertreterin bzw.

Verbundstudium der Fachhochschulen NRW

der Vertreter der Fachhochschule Südwestfalen ist aufgrund der rechtlichen Anbindung des Instituts geborenes Mitglied im Vorstand. Vorsitzende des Vorstands ist seit dem 11. Oktober 2012 die Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld, Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff, die außerdem seit dem 8. Oktober 2008 den Vorsitz im Lenkungsrat führt. Dem Vorstand gehören außerdem die Präsidentin der Fachhochschule Münster, Prof. Dr. Ute von Lojewski, sowie der Rektor der Fachhochschule Südwestfalen, Prof. Dr. Claus Schuster, an. An den Sitzungen von Lenkungsrat und Vorstand nimmt die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer des Instituts mit beratender Stimme teil, ebenso an den Sitzungen der Fachausschüsse.

Anforderungen an die Studienorganisation Das Studium in den Verbundstudiengängen kann berufsbegleitend, aber auch ausbildungsbegleitend bzw. praxisintegriert aufgenommen werden. Die Studierbarkeit ist eine zentrale Frage bei der Konzeption der Angebote. Sie stand deshalb auch neben anderen Aspekten im Mittelpunkt des von der Landesrektorenkon­ ferenz initiierten und unter Federführung des IfV NRW bei der Akkreditierungskommission AQAS in 2005 beantragten Verfahrens einer Vorabbewertung der kennzeichnenden und gemeinsamen Elemente des Verbundstudienkonzepts.8 Im Vergleich zu Vollzeitpräsenzstudiengängen an Fachhochschulen dauert ein Verbundstudium in der Regel länger (neun Semester bzw. sieben Semester in den Praxisintegrierten Angeboten). Es ist dabei aber berücksichtigt, dass den Studierenden neben Beruf und Ausbildung, Freizeit und Familie nur ein begrenzter Zeitumfang für das Studium zur Verfügung steht. Regelmäßige Präsenzveranstaltungen an der Anbieterhochschule dienen der praktischen Vertiefung und Einübung sowie der Beratung und Betreuung. In den Selbststudienphasen werden Vorlesungen und Übungen über die Lerneinheiten, die als Printmedium und zusätzlich als PDF-Datei zum Download angeboten

7  § 4 Abs. 1 Nutzungsvereinbarung IfV NRW.  8 IfV NRW : Antrag auf Modell­ akkreditierung des Verbundstudiums der Fachhochschulen Nordrhein-Westfalens, Hagen 2005.

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werden, sowie über E-Learning-Angebote vermittelt. Lerneinheiten können bei fachlicher Geeignetheit auf Anforderung des Fachausschusses grundsätzlich auch aus anderen Verbundstudiengängen über das IfV NRW bereitgestellt oder bei Bedarf über­ arbeitet werden. Schließlich ist die selbstständige Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in der beruflichen Praxis, in Projekten und Teams wichtiger Bestandteil des didaktischen Konzepts. Wer sich für ein Studium neben Beruf oder Ausbildung entscheidet, benötigt genaue Informationen über Anforderungen und Rahmenbedingungen sowie Klarheit über die eigenen Zielvorstellungen. Das IfV NRW und die Fachhochschulen unterstützen bei der Studienwahl durch Informationsveranstaltungen sowie eine individuelle und fachliche Beratung. In der Studieneingangsphase finden zudem spezielle Einführungsveranstaltungen statt, die der Orientierung dienen und in denen Workshops zu Selbstmanagement sowie Lerntechniken angeboten werden. Bereits in dieser frühen Phase des Studiums ist die Bildung von studentischen Arbeitsgemeinschaften initiiert, die oftmals während des gesamten Studiums von Bestand sind. Im weiteren Verlauf werden die Studierenden durch die Professorinnen und Professoren sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hochschulen fachlich betreut. Ein Präsenzlehrbetrieb an Samstagen bringt besondere organisatorische Anforderungen mit sich. Hörsäle, Seminar- und Rechnerräume, Laboratorien und die Hochschulbibliothek müssen an den Samstagen und über die üblichen Vorlesungszeiträume der Semester hinaus für das Verbundstudium bereitstehen. Ein attraktives Studienangebot setzt zudem voraus, dass auch die Mensa geöffnet ist. Das Studium in Kombination von Präsenzund Selbststudienabschnitten benötigt aber vor allem ein hohes Maß an Betreuung außerhalb der Präsenzphasen und eine Online-­ Informations- und Kommunikationsplattform, wie sie über die E-Learning-Umgebungen an den Hochschulen zumeist vorhanden bzw. im Aufbau ist.

9  Erlass des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung NRW vom 9.12.1993 – Az. III  A 7 – 8033/055.  10  Verordnung über die Lehrverpflichtung an Universitäten und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LVV ) vom 24.6.2009 (GV. NRW, S. 409), geändert durch Verordnung vom 10.12.2014 (GV. NRW, S. 877).

Verbundstudium der Fachhochschulen NRW

Neben den didaktischen, strukturellen und organisatorischen Fragestellungen, die es zu beantworten galt, mussten noch eine Reihe weiterer Voraussetzungen geschaffen werden, um das neuartige Studienmodell umsetzen zu können. Ein wichtiger Baustein war hier die Zustimmung des Landes zum Abschluss von Werk- und Dienstverträgen durch das IfV NRW auch mit dem wissenschaftlichen Personal der jeweiligen Anbieterfachhochschule. Die Modellbeschreibung sah vor, dass in den Studiengängen nur ein kleinerer Teil des Curriculums durch auf Dauer eingerichtete Professuren erbracht wird. Der überwiegende Teil der Lehre sollte im Wesentlichen über Werk- und Dienstverträge mit fachlich geeigneten (internen und externen) Expertinnen und Experten gesichert werden. Die nebentätigkeitsrechtlichen Grundlagen wurden mit Erlass des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung vom 9. Dezember 1993 geklärt.9 Wichtig war den Fachhochschulen aber recht bald auch, wie mit Blick auf eine Ressourcen nutzende Mittelplanung eine kumulative Wahrnehmung von Aufgaben des Präsenz- und des Verbundstudiums im Rahmen des Hauptamts realisiert werden konnte. Die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen NRW hatte sich deshalb in ihrer Stellungnahme »Zukünftige Rahmenbedingungen des Verbundstudiums« vom 17. Februar 2000, die dem »Positionspapier für den Expertenrat« beigefügt wurde, für eine höhere Flexibilität und größere Nutzung von ggf. vorhandenen personellen Ressourcen ausgesprochen und empfohlen, den Hochschulen selbst den Gestaltungsspielraum einzuräumen, verstärkt die kumulative Wahrnehmung von Aufgaben im Präsenz- und im Verbundstudium vorzusehen. Die notwendigen landesrechtlichen Regelungen für eine hauptamtliche Wahrnehmung von Lehraufgaben im Verbundstudium sind inzwischen getroffen.10 Regelungen für Tätigkeiten im

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Rahmen des Verbundstudiums wurden im Hochschulnebentätigkeitsrecht getroffen.11 Hervorzuheben ist auch, dass das Verbundstudium erst seit dem Haushaltsjahr 2000 als Sondertatbestand im Landeshaushalt mit einem jährlichen Zuschuss für die Arbeit des Instituts und für die Finanzierung der Verbundstudiengänge in Höhe von insgesamt 1 533 800 Euro geführt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Finanzierung aus dem Programm für Industrieregionen im Strukturwandel (ProfIS) des Landeswirtschaftsministeriums (1994– 1997) sowie aus dem Hochschulsonderprogramm III (1998–1999) sichergestellt worden. Die Verwendung des Landeszuschusses für die Verbundstudiengänge erfolgt seit 2012 nach Maßgabe eines zwischen den Mitgliedshochschulen im Lenkungsrat verabredeten Verteilungsschlüssels, bei dem die weiterbildenden Verbundstudiengänge nicht berücksichtigt werden. Für die weiterbildenden Studiengänge greift das Refinanzierungsinstrumentarium der Weiterbildung; die Weiterbildungsstudierenden entrichten Teilnahmegebühren, deren Höhe je nach Angebot derzeit zwischen 980 und 1 950 Euro im Semester schwankt.

Erfolgreicher Auf- und Ausbau des Verbundstudiums Die in das Modell gesetzten Erwartungen konnten schon frühzeitig erfüllt werden. Nach dem Start des landesweit ersten Verbundstudiengangs (Technische Betriebswirtschaft) in Trägerschaft der damaligen Märkischen Fachhochschule und der Fachhochschule Bochum zum Wintersemester 1994/1995 ist das Angebot kontinuierlich ausgebaut worden. Der von der Landesregierung im Zusammenhang mit dem in 1999 abgeschlossenen Qualitätspakt eingesetzte Expertenrat gelangte in seinem Abschlussbericht zu der Bewertung, dass sich die Verbundstudiengänge der Fachhochschulen »in kurzer Zeit zu einem außerordentlich erfolgreichen Studienangebot entwickelt« haben.12 Er empfahl, das Verbundstudienangebot nachhaltig zu erweitern. Auch die im Jahre 2006

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11  Verordnung über die Nebentätig­keiten des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulnebentätigkeitsverordnung – HNtV) vom 19.12.2014 (GV. NRW, 2015, S. 100).  12 Expertenrat: Abschlussbericht, Münster 2001.  13  Experten­kommission eLearning an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen: Abschlussbericht Juni 2007, S. 5  14  Beschluss der Akkredi­ tierungskommission AQAS vom 21./22.8.2006.

Verbundstudium der Fachhochschulen NRW

vom damaligen Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie NRW eingesetzte Expertenkommission eLearning an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen befasste sich eingehend mit dem Verbundstudium. Im Abschlussbericht bescheinigte die Kommission dem Verbundstudium »exzellente Zukunftsaussichten«.13 Schließlich konnte auch das bei der Akkreditierungsagentur AQAS eingeleitete Verfahren zur Vorabbewertung der kennzeichnenden und studiengangübergreifenden gemeinsamen Elemente des Verbundstudienkonzepts erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Die Akkreditierungskommission schloss sich der positiven Bewertung des Modells durch die Gutachtergruppe an.14 Als zum Wintersemester 2000/2001 mit dem Verbundstudien­ gang Maschinenbau an der Fachhochschule Südwestfalen auch ein Studienangebot aus den Ingenieurwissenschaften an den Start ging, erweiterte sich das Angebotsspektrum erstmals in einen Bereich, der typischerweise besonders hohe Anforderungen an einen vertieften Praxisbezug stellt. Es zeigte sich aber sehr schnell, dass die im Modell bereits gewonnenen positiven Erfahrungen auf die Ingenieurwissenschaften übertragbar sind. Zudem konnte die außerordentlich starke Nachfrage als Beleg für die Attraktivität der Studienform und den Bedarf nach entsprechend strukturierten Studienangeboten gewertet werden. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zeichnete die Hochschule in 2000 mit dem Deutschen Arbeitgeberpreis für Bildung aus, weil das Konzept des Verbundstudiengangs Maschinenbau in besonders vorbildlicher Weise eine Verknüpfung von Beruf und Studium ermöglicht. Nach dem Maschinenbau folgten in 2002 die Verbundstudiengänge Elektrotechnik und Mechatronik. Die Einführung der ingenieurwissenschaftlichen Angebote erfolgte in

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enger Zusammenarbeit mit Industrie und Verbänden sowie unter finanzieller Förderung. Inzwischen sind die Ingenieurwissenschaften wesentlicher Bestandteil der Angebotspalette. Zum Wintersemester 2014/15 bestehen landesweit 26 Verbundstudiengänge mit insgesamt 6 495 Studierenden,15 davon 15 Bachelor- und elf Masterstudiengänge. Bei den Masterstudiengängen überwiegen die weiterbildenden Angebote. In hochschulübergreifender Trägerschaft werden gegenwärtig zehn  Verbund­ studiengänge durchgeführt. Zum kommenden Wintersemester werden zwei weitere Verbundstudiengänge starten, sodass sich die Zahl der Angebote noch in 2015 auf 28 erhöht. Für das Jahr 2016 sind ebenfalls neue Studiengänge in Vorbereitung. Die Zahl der Anbieterhochschulen beträgt derzeit acht. Zu den Hochschulen, die in den vergangenen Jahren wesentlich am erfolgreichen Ausbau des Verbundstudiums beteiligt gewesen sind, zählt insbesondere die Fachhochschule Bielefeld. In der Amtszeit von Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff als Rektorin bzw. Präsidentin haben Hochschulleitung und Fachbereiche nicht nur neue Angebote eingeführt, sondern mit derzeit fünf Praxisintegrierten Studiengängen am Standort Campus Minden und am Studien­ort Gütersloh der Fachhochschule Bielefeld auch ein qualitativ neues Format unter dem Dach des Verbundstudiums etabliert. Das Verbundstudienmodell als erfolgreiches Reformkonzept der Fachhochschulen hat längst auch gleichberechtigt neben dem klassischen Fernstudium Einzug in das Gesetz über die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG) gehalten.16 Es definiert das Verbundstudium als Bestandteil des Aufgabenkatalogs der Hochschulen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 HG) und berücksichtigt zudem Anforderungen, die sich aus den Besonderheiten des Konzepts ergeben (§12 Abs. 1 Satz 3 HG – Zusammensetzung der Fachausschüsse als beschließende Ausschüsse in Angelegenheiten des Verbundstudiums; §61 Abs. 2 Satz 4 HG – abweichende Regelstudienzeit in Verbundstudiengängen).

Das Verbundstudium hat sich als berufs- und ausbildungsbegleitendes Studienmodell der NRW-Fachhochschulen erfolgreich bewährt. Daran anknüpfend hat der Lenkungsrat in den vergangenen Jahren die Netzwerkstrukturen durch eine Reihe von Maßnahmen weiterentwickelt. Hierzu zählen insbesondere eine größere Transparenz bei der Finanzierung der Studiengänge und der Arbeit des Instituts, eine Anpassung an gesetzlich veränderte Hochschulstrukturen und Zuständigkeitszuweisungen für Lehre und Studium sowie klarere Regelungen für die Kooperation der Hochschulen innerhalb des Verbunds und bei gemeinsamen Studienangeboten. Im Rahmen der Qualitätssicherung der Angebote durch Eva­ luation haben sich die Hochschulen darauf verständigt, bei ihren Befragungen einen hochschulübergreifend abgestimmten Katalog an verbundspezifischen Evaluationsbausteinen zu berücksichtigen.17 Es handelt sich dabei um einen Mindestbestand an Fragen zu den kennzeichnenden Merkmalen des Verbundstudienmodells, die für die Bewertung und Weiterentwicklung insgesamt von Bedeutung sind. Die Hochschulen stellen dem IfV NRW die hierzu ermittelten Ergebnisse in aggregierter und datenschutzrechtlich unbedenklicher Form zur Verfügung. Hierzu zählt auch ein Austausch von Daten. Das Institut wird dem Lenkungsrat regel­mäßig berichten. Ein wichtiger Schritt zur qualitativen Weiterentwicklung des Verbundstudiums ist auch die vom Lenkungsrat im Jahre 2013 beschlossene Überführung des umfangreichen Lerneinheiten­ bestandes in ein medienneutrales Format.18 Der Lenkungsrat folgte damit den Empfehlungen einer Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Hochschulen und des Instituts. Im Gegensatz zu der bisherigen PDF-basierten Lerneinheiten­produktion und l-distribution bietet der Aufbau des medienneutralen

15 IfV NRW, Ergebnis der Abfrage bei den Anbieterhochschulen zum Stichtag 15.11.2014.  16  Gesetz über die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen (Hochschul­ gesetz – HG ) vom 16.9.2014 (GV. NRW, S. 547).  17  Beschlüsse des Lenkungsrates vom 9.12.2013 und 15.12.2014.  18  Beschluss des Lenkungsrates vom 20.6.2013.

Verbundstudium der Fachhochschulen NRW

Qualitative Weiterentwicklung

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Daten­bestandes auf XML-Basis die Voraussetzungen für zusätzliche Ausgabemedien. Er ermöglicht zudem ergänzende Erschließungshilfen für den Einsatz in der Lehre (beispielsweise einen übergreifenden Index, ein Glossar oder Aufgabensammlungen). Zugleich wird eine wichtige Rahmenbedingung für eine breitere Nutzung des Contents des Verbundstudiums in E-Learning-Programmen und Blended-Learning-Angeboten der Anbieterhochschulen geschaffen. Der Content des Verbundstudiums kann damit perspektivisch in die jeweiligen Lernplattformen an den Anbieterhochschulen eingebunden werden. Die Arbeitsgruppe hat außerdem ein neues Lerneinheiten­ modell für das XML-Format entwickelt, das in stärkerem Maße als bisher Anforderungen an die Didaktik von Lerneinheiten berücksichtigt. Auf der Grundlage von Hinweisen aus dem Netzwerk Hochschuldidaktische Weiterbildung Nordrhein-Westfalen (hdw nrw) sowie den semantischen Auswertungen im vorhandenen Lerneinheitenbestand durch die Servicestelle Mediengestaltung und Publishing des Instituts sind dabei verschiedene didaktische Elemente hervorgehoben und als obligatorische oder optionale Strukturelemente eingerichtet worden. Die Hochschulen werden mit der zunehmenden Ausdifferenzierung der Studienformate zukünftig voraussichtlich noch stärker als bisher auf das IfV NRW zurückgreifen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Entwicklungsprozess an den Hochschulen zu veränderten Anforderungen und Erwartungen an die Dienstleistungseinrichtung geführt hat. Der Vorstand des Instituts hat daher unter Einbeziehung der Rückmeldungen aus dem Lenkungsrat ein Konzept zur Weiterentwicklung der instituts­ internen Strukturen erarbeitet, das nach seiner Verabschiedung im Oktober 2014 nunmehr umgesetzt wird.19 Die Hochschulen sehen insbesondere eine aktivere Rolle des IfV NRW im Zusammenhang mit der Perspektivplanung für den Ausbau und die Weiterentwicklung des Verbundstudiums. So soll das Institut in deutlich größerem Umfang als bisher in den Hochschulen über das Konzept informieren, Impulse geben und sie bei deren Planungen

19  Vorstand IfV NRW : Weiterentwicklung der institutsinternen Strukturen und Änderung der Geschäftsverteilung, Hagen 2014.

Verbundstudium der Fachhochschulen NRW

beraten. Die Autorinnen und Autoren der Lerneinheiten sollen zukünftig stärker in den für die Einhaltung wissenschaftlicher Standards relevanten Rechtsfragen unterstützt werden. Die Fachhochschulen haben aus dem Modell schon jetzt vielfältigen Nutzen ziehen können, der über die Ausweitung des Fächerspektrums deutlich hinausgeht. Mit den ausbildungs- und berufsbegleitend Studierenden ist eine Zielgruppe erschlossen, deren Anteil an den Studierendenzahlen in Zukunft noch weiter steigen wird. Die Voraussetzungen sind günstig. Lenkungsrat und Vorstand haben in den Jahren der Amtszeit von Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff die Grundlagen dafür geschaffen, dass das Instrument Verbundstudium zukünftig noch intensiver genutzt werden kann.  ◼

Qualitätssicherung und Qualitäts­ management auf der Ebene der Studiengänge Sibylle Jakubowicz

232–233

Qualitätssicherung

Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement sind seit den 1990er-Jahren zu wesentlichen Bestandteilen der Hochschulentwicklung geworden. Durch die Einführung der Systemakkreditierung gewann dieser Prozess weitere Dynamik: Um den Anforderungen der Systemakkreditierung gerecht zu werden, müssen die Hochschulen ihre vorhandenen Elemente der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements zu einem funktionierenden System verbinden. Damit begann auch die Suche nach Vorbildern für Qualitätsmanagementsysteme in anderen Bereichen, wie beispielsweise in der Wirtschaft. Das Grundmodell eines hochschuladäquaten Qualitäts­ managementsystems lieferte eine erste, abstrakte Vorlage und Orientierung. Diese hilft den Hochschulen aber nicht bei der notwendigen operativen Präzisierung. Um mög­liche Herangehensweisen an diese Herausforderung aufzuzeigen, fokussiert der Beitrag auf die Konkretisierung des Kernprozesses Lehre. Dazu wird der Prozess der Weiterentwicklung eines bestehenden Studiengangs ausgehend von der Beratungserfahrung der Evaluationsagentur Baden-Württemberg (evalag) systematisch dargestellt. Beispielhaft genannte Instrumente und Verfahren stellen erfolgskritische Faktoren vor.

Sibylle Jakubowicz

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Entwicklung der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements an Hochschulen Qualitätssicherung an Hochschulen ist keine neue Erfindung – im Gegenteil: Instrumente und Verfahren der Qualitätssicherung in Lehre und Forschung waren schon immer Bestandteile der akademischen Tradition. Pasternack gibt dabei vermutlich die Wahrnehmung vieler Professorinnen und Professoren wieder, wenn er formuliert, dass Qualitätssicherung an Hochschulen all das umfasst, »[…] was Hochschulen zur Qualitätsentwicklung getan haben, bevor es Qualitätsmanagement gab. […] [und] einiges, was die Hochschulen zur Qualitätsentwicklung unternahmen und unternehmen, obwohl es Qualitätsmanagement gibt.« 1 Die Verwendung der Begriffe Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement in der vielfältigen Literatur zu diesem Themenfeld ist durchaus unterschiedlich. Im Folgenden werden unter Qualitätssicherung alle Instrumente und Verfahren verstanden, die sich – oft punktuell – auf die Prüfung und Bewertung von Qualität beziehen, während Qualitätsentwicklung alle Aktivitäten zur Schaffung und Verbesserung qualitätsfördernder Rahmenbedingungen bezeichnet.2 Qualitäts­ management hingegen umfasst das systematische Steuerungshandeln auf der Basis des Regelkreisprinzips (Plan-Do-Check-Act) zur Schaffung und Aufrechterhaltung qualitätsförderlicher Kontexte.3 Vor dem Hintergrund sich ändernder bildungs- und gesellschaftspolitischer Anforderungen an die Hochschulen seit den 1970er-Jahren, die als Konsequenz des Hochschulausbaus zu steigenden Studierendenzahlen, unzureichender Finanzierung, zunehmender Studiendauer, hohen Studienabbruchquoten sowie unkoordiniertem Wachstum in den 1980er- und 1990er-Jahren führten, wurde die Qualitätsdiskussion zunächst von außen an die Hochschulen herangetragen. Wichtige Stichworte sind in diesem Zusammenhang die Einführung des New Public Management in den 1990er-Jahren, die gesetzliche Einführung der Programm­ akkreditierung 1998 und der Beginn der Bologna-­Reform 1999.4

Qualitätssicherung

Die Einführung der Systemakkreditierung 2007/2008 verlangte von den Hochschulen schließlich die Schaffung eines internen Qualitätssicherungssystems im Bereich von Studium und Lehre, das geeignet ist, die Erreichung der Qualifikationsziele und die Sicherstellung der hohen Qualität der Studiengänge zu gewährleisten.5 Die Erfüllung der vom Akkreditierungsrat definierten Kriterien für die Systemakkreditierung 6 erfordert die Implementierung eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems, das ein systematisches Steuerungshandeln ermöglicht. Die Regeln des Akkreditierungsrates für die Systemakkreditierung enthalten aber keine Vorgaben, welche Elemente dieses Qualitätsmanagementsystem umfassen muss. Dieser Verzicht ist im Hinblick auf die Ausgestaltung des Systems positiv zu bewerten, da er den Hochschulen den Freiraum gibt, ein individuell passendes Qualitätsmanagementsystem zu entwickeln. Er bedeutet aber auch, dass die Hochschulen eine individuelle Lösung finden müssen - und damit begann die Suche nach geeigneten Vorbildern, zunächst vor allem in der Industrie. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass Qualitätsmanagementmodelle wie DIN ISO oder Total-Quality-Management-Ansätze wie etwa das EFQM-Modell nicht einfach auf Hochschulen übertragen werden können, da die dahinter­liegenden Führungs- und Organisationskonzepte nicht der Realität der selbstverwalteten Hochschulen entsprechen.7 Einen ersten systematischen Ansatz stellt das von Nickel aus ihrer vergleichenden Studie zu Universitäten und Fachhoch­ schulen entwickelte Grundmodell eines hochschuladäquaten Qualitätsmanagementsystems dar,8 das im Laufe der Jahre leicht adaptiert wurde.

1  Peer Pasternack: Qualität als Hochschulpolitik? Leistungsfähigkeit und Grenzen eines Policy-Ansatzes, Bonn/Berlin, 2006, S. 291.  2  Vgl. Anke Rigbers: Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement an Hochschulen, in: Dagmar Simon, Andreas Knie, Stefan Hornbostel (Hg.): Handbuch Wissenschaftspolitik, Berlin 2015² (Vorabdruck), S.  f. 3 Ebd.  4  Für eine detaillierte Darstellung dieser Entwicklungen vgl. Anke Rigbers 2015 (Vorabdruck), S. 2ff.  5  Vgl. Akkreditierungsrat: Regeln für die Akkreditierung von Studiengängen und für die Systemakkreditierung, Beschluss des Akkreditierungsrates vom 8.12.2009, zuletzt geändert am 20.2.2013, S. 18.  6  Ebd., S. 25–27.  7 Vgl. Anke Rigbers 2015 (Vorabdruck), S. 4–5.  8  Vgl. Sigrun Nickel: Institutionelle QM -Systeme an Universitäten und Fachhochschulen. Konzepte, Instrumente, Umsetzung. Arbeitspapier Nr. 94 (CHE ), Gütersloh 2007, S. 44.

Sibylle Jakubowicz

Grundmodell QM-Systeme im Hochschulbereich

Qualitätsansprüche

Erfolg

Hochschule Leitungsprozess

Politik und Strategie

Input

Kernprozesse Forschung Kernprozesse Lehre

Ergebnisqualität

Wirkung

Leitungsprozess Qualitätsansprüche an die Hochschule

Feedback

Institutioneller und individueller Erfolg

Abb. 1: Das Grundmodell von Nickel

Nach Sigrun Nickel: Implementierung von Qualitätsmanagementsystemen: Erfahrungen aus der Praxis, Arbeitspapier Nr. 163 (CHE ), Gütersloh 2014, S. 5.

Der Nutzen des Grundmodells von Nickel liegt zweifellos darin, dass es aufgrund seines hohen Abstraktionsgrades grundsätzlich auf alle Hochschulen anwendbar ist. Zugleich verlangt es aber auch, dass die Hochschulen das Grundmodell für ihre eigenen Gegebenheiten anpassen und präzisieren. Genau hierin liegt aber ein häufig zu beobachtendes Problem: evalag hat in der seit 2008 angebotenen Beratung von Hochschulen zum Aufbau des Qualitätsmanagements und zur Begleitung während der Systemakkreditierung immer wieder feststellen können, dass die Darstellung des Grundmodells von Nickel vermutlich die am häufigsten verwendete Abbildung an deutschen Hochschulen ist. Der Rückgriff auf das Grundmodell ist als Ausgangspunkt für eigene konzeptionelle Überlegungen auch sinnvoll, nicht aber als Ausgangs-

236–237

Qualitätsmanagement in den Studiengängen Der Kernprozess Lehre lässt sich in beliebig viele Unterprozesse aufspalten. Im Sinne der Systemakkreditierung ist aber die Weiterentwicklung bestehender Studiengänge unter Einbeziehung aller Interessengruppen der zentrale Prozess.9 Um zu veranschaulichen, was Qualitätsmanagement auf Studiengangebene umfasst, hat evalag vor einigen Jahren das auf der folgenden Doppelseite in Abbildung 2 dar­gestellte ideal­typische – und stark vereinfachte – Schaubild eines Qualitätsregelkreises auf der Ebene der Studiengänge erstellt, das seither intensiv in der Beratung genutzt wird. In Anlehnung an das Regelkreisprinzip des Plan-Do-CheckAct, frei übersetzt mit Zielsetzung-Umsetzung-Rückmeldung-­ Verbesserung, ist Abbildung 2 in Spalten angeordnet. Die ideal­ typischen, wesentlichen Unterprozesse und Zusammenhänge werden im Folgenden kurz erläutert. Zielsetzung

Über die Zielsetzung ist der Studiengang an die Hochschule bzw. den Fachbereich oder die Fakultät angedockt. Es existiert ein Prozess der Ziel- und Strategieentwicklung, der den Aushandlungsprozess zwischen den Hauptakteuren Hochschulleitung und Fachbereichs- bzw. Fakultätsleitung im Gegenstromverfahren abbildet. Sinnvollerweise werden die Prozesse zur Erstellung

9  Vgl. Akkreditierungsrat: Regeln für die Akkreditierung von Studiengängen und für die Systemakkreditierung, S. 25 f.

Qualitätssicherung

punkt für die Beschreibung der individuellen Qualitätsmanagementsysteme von Hochschulen. Dafür wurde das Modell nicht konzipiert und dafür ist es deshalb auch nicht geeignet. Um zu einer sinnvollen Abbildung des eigenen Qualitätsmanagement­ systems zu kommen, muss das Grundmodell vielmehr nach Bedarf umgebaut, ergänzt und für die jeweilige Hochschulrealität mit ihren spezifischen Akteurinnen und Akteuren, Gremien, Instrumenten und Verfahren individuell adaptiert werden. Im Folgenden wird dargelegt, wie dies für das Qualitätsmanagement auf Studiengang­ebene geleistet werden kann.

Sibylle Jakubowicz

evalag — Evaluationsagentur Baden-Württemberg

Zielsetzung

Umsetzung Freiheit der Lehre

Strategische Ziele der Hochschule

Strategische Ziele des Fachbereichs

Strategische Ziele des Studienangebots

Qualifikationsziele des Studiengangs

Inhaltliche (und didaktische) Umsetzung

Organisatorische Umsetzung

Festlegung und Durchführung von Routineprozessen

Learning Outcomes

Kompetenzziele im Modul

Abb. 2: Idealtypischer Qualitätsregelkreis auf der Ebene der Studiengänge

Aus: evalag, 2011.

238–239

Qualitätssicherung Rückmeldung

Verbesserung

Verantwortung und Kompetenz für die Entscheidung über und die Umsetzung der gewählten Option(en)

Instrumente ųų kompetenzorientierte Prüfungen ųų Modulbesprechung ųų Lehrveranstaltungsbefragung ųų Absolventenbefragung ųų Gewinnung von Rückmeldungen aus der Praxis ųų und weitere

Wer? Was? Wann? Warum? Wie? Wer/welche Gremien entscheiden?

Ergebnisse

Rückmeldungen von ųų Modulbeauftragten ųų Studienkommission ųų Studiendekaninnen und Studiendekanen ųų Studierenden ųų Absolventinnen und Absolventen ųų Beiräten ųų Berufspraxis ųų und weiteren

Follow-up Ableitung von Handlungs­ optionen

Analyse und Bewertung der Ergebnisse

Sibylle Jakubowicz

des Struktur- und Entwicklungsplans und zur Ziel- und Strategie­ bildung miteinander verbunden, sodass sich die verschiedenen Dokumente aufeinander beziehen und keine Widersprüche aufweisen. Die strategischen Ziele der Hochschule werden in spezifische, messbare, angemessene, realisierbare und terminierte (SMART) operative Ziele für jede Einheit heruntergebrochen. Die Operationalisierung der Ziele verlangt eine hochschulinterne Einigung über die Kriterien und Instrumente, mit denen die Zielerreichung gemessen wird. Die Kommunikation der Ziele erfolgt innerhalb und außerhalb der Hochschule. Es findet eine nachvollziehbare Ableitung des Studienangebots und der Qualifikationsziele statt. Dazu gehört ein Prozess, in dem überprüft wird, ob die Qualifikationsziele eines Studiengangs in das Ausbildungsprofil der Hochschule passen. Die Qualifikationsziele werden auf die Module heruntergebrochen, sodass sie mit dem vorliegenden Curriculum auch erreicht werden können. Umsetzung

Die Freiheit der Lehre bleibt unangetastet. Ihr Ausgestaltungsspielraum bewegt sich jedoch innerhalb der durch die Qualifikationsziele und durch die Modularisierung festgelegten Inhalte des Studiengangs. Halten Lehrende diese Inhalte für unvollständig, unangemessen oder gar falsch, können bzw. müssen sie verändert werden. Doch dies geschieht nicht durch Alleingänge von Professorinnen und Professoren, sondern im Rahmen des hier beschriebenen Qualitätsregelkreises. Die eingesetzten Lehr- und Prüfungsformen sind geeignet, die Qualifikationsziele der Module zu erreichen bzw. deren Erreichen zu überprüfen. Den Lehrenden stehen kollegiale und hochschuldidaktische Unterstützungsangebote zur Verfügung. Innerhalb der Module, der Fachsemester und des Studiengangs findet eine inhaltliche und auf die übergeordneten Lehrziele ausgerichtete Abstimmung der Lehrveranstaltungen statt. Zudem erfolgt eine organisatorische Abstimmung von Lehr- und

240–241

Rückmeldung

Rückmeldungen zu Zielsetzungen und Umsetzung der Lehre werden in ganz unterschiedlichen Formen von allen Interessengruppen (Studierenden, Lehrenden, Absolventinnen und Absolventen sowie Vertreterinnen und Vertretern der Berufspraxis) ein­geholt. Eine wichtige Form der Rückmeldung sind die Noten der Modulprüfungen. Diese geben den Lehrenden Auskunft darüber, inwieweit die Lernziele erreicht wurden. Weitere klassische Instrumente zur Einholung von Rückmeldungen sind Befragungen (Lehrveranstaltungsevaluationen, Studierendenbefragungen, Absolventenbefragungen etc.) und Besprechungen der Lehrenden (Modulbesprechungen, Studiengangbesprechungen, Besprechungen von Fachgruppen etc.). Die Rückmeldungen erfolgen systematisch bzw. werden systematisch erfasst. Dies erweist sich allerdings immer dann als problematisch, wenn die Interessengruppe nicht trennscharf definiert werden kann. Das trifft insbesondere auf den relativ diffusen Bereich der Berufspraxis zu. Insgesamt werden nicht mehr Daten erhoben, als zur Validierung der Entscheidungen gebraucht werden. Alle erhobenen

Qualitätssicherung

Prüfungsformaten, Terminen und Fristen, um die Studierbarkeit des Studiengangs zu gewährleisten. Die Zuständigkeiten für die inhaltliche Weiterentwicklung und die organisatorische Durchführung des Studiengangs sowie für die Beratung und Betreuung der Studierenden sind eindeutig festgelegt und für die Studierenden klar ersichtlich. Die zuständigen Personen sind für die Studierenden erreich- und ansprechbar. Die Einbindung der Studierenden in alle Phasen der Studien­ ganggestaltung und -realisierung ist gegeben. Die Durchführung von Unterstützungsprozessen (beispielsweise Prüfungsorganisation, Raumvergabe, Änderungen im Lehrveranstaltungsplan etc.) funktioniert und ist dokumentiert. Auch hierfür sind die zuständigen Personen benannt und den Studierenden bekannt.

Sibylle Jakubowicz

Daten werden ausgewertet und genutzt. Die Auswertung der Daten liegt dabei bei unterschiedlichen Personen in den zentralen oder dezentralen Einheiten, je nachdem um welche Form der Rückmeldung es sich handelt und wie die jeweilige Hochschule organisiert ist. Verbesserung

Im Hinblick auf alle erhobenen und vorhandenen Daten und Informationen besteht ein Nutzungskonzept, das festlegt, wer welche (ausgewerteten) Daten und Informationen zu welchem Zeitpunkt und für welche Entscheidung erhält. Damit wissen die Daten erhebenden und auswertenden Stellen, wann sie in welcher Form liefern müssen und die Daten bewertenden Stellen können ihre Analysen auf standardisierten Datensets aufbauen. Der wesentliche Schritt für die Verbesserung und Weiterentwicklung des Studiengangs liegt in der Analyse aller vorhandenen Informationen und Daten durch die Mitglieder des Studiengangs. Vor dem Hintergrund der fachlichen Expertise und des gewonnenen Erfahrungswissens wird die Entscheidung getroffen, ob Handlungsbedarf besteht und welche Maßnahmen oder Veränderungen umgesetzt werden sollen. Die Verantwortung für diese Entscheidungen kann nur im Studiengang selber liegen, da nur dort alle Informationen über den Studiengang im notwendigen Kontext bewertet werden können. Grundsätzlich ist die Verantwortung für die Entscheidungen klar geregelt, transparent und wird wahrgenommen. Die Entscheidungsprozesse, in die die Studierenden eingebunden werden, sind bekannt und dokumentiert. Die inhaltlichen Entscheidungen werden nachvollziehbar dokumentiert und schlagen sich als konkrete Verbesserungen bzw. inhaltliche Weiterentwicklungen (in der Festlegung der Ziele, der Modularisierung, der Umsetzung der Lehre oder der Einholung und Auswertung von Rückmeldungen) nieder, die im nächsten Durchlauf des Qualitätsregelkreises auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

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Instrumente, Verfahren und Akteure im Qualitätsmanagement auf Studiengangebene Aus den Kriterien für die Akkreditierung von Studiengängen,10 deren Einhaltung im Rahmen der Systemakkreditierung von der Hochschule sichergestellt werden muss, sowie den ländergemeinsamen Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz11 lassen sich konkrete Vorgaben ableiten, die von jedem Studiengang erfüllt werden müssen, wie beispielsweise die Definition von Qualifikationszielen, die Mindestgröße von Modulen oder die Durchführung von Lehrveranstaltungsevaluationen und Absolventenbefragungen. Im Hinblick auf die Verteilung der diesbezüglichen Verantwortung auf verschiedene Akteurinnen und Akteure, die studien­ gang- bzw. fachbereichsinterne Organisation und Kommunikation oder die Gestaltung von Feedback- und Entscheidungsprozessen gibt es aber vielfältige Gestaltungsspielräume. Im Folgenden wird aus der Perspektive der Beratung in aller Kürze skizziert, wie unterschiedlich die Instrumente und Verfahren der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements sein können, die für den zentralen Prozess Weiterentwicklung eines bestehenden Studiengangs an Hochschulen eingesetzt werden. Die Darstellung folgt dabei der Systematik aus Abbildung 2.

10  Ebd., S. 11–13.  11 Vgl. Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 in der Fassung vom 4.2.2010.

Qualitätssicherung

Innerhalb eines Qualitätsmanagementsystems ist der Regelkreis auf Studiengangebene mit den anderen Ebenen verbunden, indem die dokumentierten Bewertungen und Entscheidungen zur Weiterentwicklung des Studiengangs an die Fachbereichs- bzw. die Fakultätsleitung oder direkt an die Hochschulleitung weiter­ gegeben werden und eine Rückkopplung mit diesen Ebenen stattfindet.

Sibylle Jakubowicz

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Ziele Zielvereinbarungen  In

den Bundesländern, in denen Zielvereinbarungen zwischen dem Land und den Hochschulen geschlossen werden, findet auch die hochschulinterne Zielbildung und l-abstimmung häufig über Zielvereinbarungen zwischen Hochschulleitung und Fachbereichs- bzw. Fakultätsleitungen statt. Gemeinsames Leitungsgremium  In einigen kleinen Hochschulen, insbesondere im süddeutschen Raum, übernimmt ein gemeinsames Gremium aus Hochschulleitung und Fachbereichs- bzw. Fakultätsleitungen die Zielbildung und meist auch die Operatio­ nalisierung der Ziele. Prozess zur Erstellung des Hochschulentwicklungsplans Viele Hochschulen nutzen den Prozess zur Erstellung des Hochschulentwicklungsplans als regelmäßigen Zielbildungsprozess. Zielematrix  Die Operationalisierung der Ziele wird in einigen Hochschulen über eine individuelle Zielematrix nachverfolgt. Scorecard-Modelle  In anderen Hochschulen werden angepasste Scorecard-Modelle als Instrument für das systematische Herunterbrechen der Ziele eingesetzt. Kennzahlen  Die Nutzung von Kennzahlen für die Messung der Zielerreichung ist in den Hochschulen unterschiedlich stark verbreitet. Insbesondere ingenieurwissenschaftlich geprägte Hochschulen arbeiten häufig mit quantitativen Kennzahlensets, denen im Sinne eines Ampelsystems auch für die gesamte Hochschule gültige Toleranzbereiche zugewiesen werden. An anderen Hochschulen werden zwar ebenfalls Kennzahlen verwendet, die aber fachbereichsspezifischen Schwellenwerten unterliegen. In einigen Hochschulen wird der Begriff der Kennzahlen hingegen gänzlich vermieden und es werden qualitative und quantitative Indikatoren definiert, deren Bewertung auf der Ebene der Studiengänge stattfindet. Hochschulinterne Vorgaben  Die Hochschulen machen teilweise Vorgaben oder bieten Hilfestellungen für die Formulierung von Qualifikationszielen und Modulbeschreibungen, beispielsweise

Umsetzung Lehrveranstaltungen  Die

Umsetzung der Lehre im Sinne der Durchführung der Lehrveranstaltungen und Betreuung der Studierenden liegt natürlich in den Händen der Lehrenden. Die Lehre basiert dabei aber durchaus auf unterschiedlichen Lehrkonzepten, die sich unter anderem in einer variierenden Vielfalt von Lehrformaten niederschlagen. Unterstützungsprozesse  Hochschulen unterscheiden sich in der Organisation und dem Angebot von Unterstützungsprozessen und -leistungen. Hier gibt es sehr vielgestaltige, hochschulindividuelle Aufgabenverteilungen zwischen den zentralen und den dezentralen Einheiten, beispielsweise im Hinblick auf die Studierendenberatung oder die Prüfungsverwaltung. Rückmeldungen Modulprüfungen 

In einigen Hochschulen werden die Modulprüfungen nicht nur von den jeweiligen Lehrenden und Modulverantwortlichen gesichtet, sondern auch in ihrer Gesamtheit analysiert, um festzustellen, in welchen Modulen die Durchfallquoten besonders hoch oder niedrig sind. Lehrveranstaltungsevaluationen  Die meisten Hochschulen führen die Lehrveranstaltungsevaluationen als standardisierte Befragungen in regelmäßigen Abständen durch. Große Unterschiede bestehen allerdings in Zeitpunkt, Turnus und definiertem Prozess der Durchführung. Darüber hinaus setzen viele Hochschulen auch mündliche Formate zur Lehrveranstaltungsevaluation ein.

Qualitätssicherung

um die Systematik des Qualifikationsrahmens für deutsche Hochschulabschlüsse sauber umzusetzen. Hochschulinterne Analyseinstrumente  Einige Hochschulen setzen Instrumente ein, um systematisch zu dokumentieren und zu überprüfen, ob die Qualifikationsziele der Studiengänge im Rahmen der Curricula tatsächlich erreicht werden können, indem beispielsweise die jeweils angegebenen Kompetenzen gewichtet werden.

Sibylle Jakubowicz

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Standardisierte Befragungen  Die

Hochschulen führen unterschiedliche Studierendenbefragungen durch, die Auskunft geben sollen über die Organisation der Studieneingangsphase oder des Studiengangs insgesamt, die Qualität von Serviceeinrichtungen, Unterstützungsmaßnahmen vor und während eines Praktikums oder Auslandsaufenthaltes, Gründe für die Wahl des Studien­ ortes etc. Diese Befragungen finden zum Teil regelmäßig, beispielsweise in bestimmten Semestern statt oder nach Bedarf der Fachbereiche bzw. Fakultäten. In einigen Hochschulen werden alle Befragungen zentral konzipiert und durchgeführt, in anderen Hochschulen laufen Befragungen auch über die Fachbereiche bzw. Fakultäten. Darüber hinaus kommen weitere Befragungen, wie beispielsweise Befragungen der Mitarbeiterinnen und Mit­ arbeiter, Alumni­befragungen oder Befragungen von Praktikums­ betreuerinnen und -betreuern, zum Einsatz. Befragungen von Absolventinnen und Absolventen bilden insofern eine Ausnahme, als sie häufig aus der Hochschule ausgelagert und von einem externen Anbieter durchgeführt werden. Studierendendaten  An allen Hochschulen stehen Studierenden­ daten zur Verfügung. Allerdings unterscheiden sich die Hochschulen darin, wie die Studierendendaten erfasst und ausgewertet werden und inwieweit bzw. in welcher Form sie den Studiengängen für Analysen zur Verfügung stehen. Viele Hochschulen bereiten die vorhandenen Daten inzwischen zu Studienverlaufsanalysen auf. Besprechungen  Eine wichtige Quelle für die Gewinnung von Rückmeldungen zur Situation im Studiengang sind Besprechungen der Professorinnen und Professoren, beispielsweise Modul­ besprechungen, Studiengangbesprechungen, Dienstbesprechungen, Besprechungen der Fachgruppen etc. Hochschulen unterscheiden sich in ihrer Aufbauorganisation und ihrer Kommunikationskultur hier sehr stark voneinander. Beiräte  Viele Hochschulen bzw. Fächer, die einen starken Praxisbezug haben, arbeiten mit Beiräten auf Fachbereichs- bzw. Fakultätsebene oder auf der Ebene der Studiengänge. Die Zielsetzungen,

Verbesserung Analyse und Ableitung von Maßnahmen und Veränderungen Der

wichtige Schritt, der die Elemente der Qualitätssicherung in ein Qualitätsmanagement überführt, ist die Analyse der vorliegenden Daten und Informationen aus den Rückmeldungen durch die Mitglieder des Studiengangs. Wesentlich ist, dass alle Informationen vor dem Hintergrund der Zielsetzung bewertet werden und entschieden wird, ob Handlungsbedarf besteht und welche Maßnahmen bzw. Veränderungen umgesetzt werden. Im Sinne der systematischen Steuerung geht es dabei nicht nur um die Verbesserung des Status quo, sondern auch um die strate­gische Weiterentwicklung des Studiengangs. Die Analyse findet in unterschiedlichen personellen Konstellationen statt, je nachdem wie die Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb der Hochschule verteilt sind. Im Regelfall sind neben den verantwortlichen Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern weitere Lehrende – als Fachexpertinnen und -experten – und Studierende beteiligt. In einigen Hochschulen werden in die Analyse auf Studiengangs­ ebene auch externe Personen einbezogen. Dokumentation der Ergebnisse  Die wesentlichen Ergebnisse der Analyse und die abgeleiteten Maßnahmen und Veränderungen

Qualitätssicherung

die mit der Bestellung eines Beirates verbunden sind, sind heterogen. Dies führt zu unterschiedlichen Zusammensetzungen der Beiräte (beispielsweise Fachbeiräte, Industriebeiräte) und natürlich zu Unterschieden in den adressierten Themen. Berufspraxis  In den praxisorientierten Fächern bzw. Hochschulen sind die Lehrenden traditionell eng mit der Berufspraxis verzahnt, das heißt, Rückmeldungen aus der Berufspraxis fließen permanent aus vielfältigen Anlässen in den Studiengang ein (Betreuung von Praktikantinnen und Praktikanten, Betreuung von Projekt- oder Abschlussarbeiten, Einstellung von Absolventinnen und Absolventen etc.). Diese vielfältigen Rückmeldungen können im Rahmen von Gremiensitzungen – als regelmäßiger Tagesordnungspunkt – gesammelt und dokumentiert werden.

Sibylle Jakubowicz

werden dokumentiert, um sie im Studiengang und darüber hinaus transparent zu machen. Die Dokumentation findet meist in (sehr) unterschiedlichen Berichtsformaten statt. Einige Hochschulen verzichten aber auch auf ein Berichtsformat und integrieren die Dokumentation als Gesprächsvorbereitung (beispielsweise in Form einer standardisierten Powerpoint-Präsentation) direkt in den Feedbackprozess mit den Leitungsebenen. Feedbackprozess mit den Leitungsebenen  Die Weitergabe und Diskussion der Analyseergebnisse und abgeleiteten Maßnahmen und Veränderungen mit den Leitungsebenen ist ein wesentlicher Schritt zum Qualitätsmanagementsystem. Dabei staffeln die meisten Hochschulen diesen Prozess in eine Feedbackrunde zwischen Studiengang und Fachbereichs- bzw. Fakultätsleitung und eine zweite Runde zwischen Fachbereichs bzw. Fakultätsleitung und Hochschulleitung. In kleinen Hochschulen findet oft auch ein direkter Austausch zwischen Studiengang und Hochschulleitung statt. In einigen Hochschulen fungiert die Fachbereichs- bzw. Fakultätsleitung auch gleichzeitig als Studiengangleitung.

Fazit: Was sind erfolgskritische Faktoren? Die Organisation des Prozesses Weiterentwicklung eines bestehenden Studiengangs folgt dem Prinzip, regelmäßig und systematisch zu hinterfragen, was erreicht werden sollte, was erreicht wurde und was gegebenenfalls verändert werden muss. Dabei können ganz unterschiedliche Instrumente und Verfahren der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements zum Einsatz kommen, die in Verbindung mit der Aufbauorganisation die Charakteristika des individuellen Qualitätsmanagementsystems einer Hochschule ausmachen. Damit aber aus dem Einsatz von Instrumenten und Verfahren im Sinne der Qualitätssicherung tatsächlich ein Qualitätsmanagement wird, das ein systematisches Steuerungshandeln zulässt, muss nach Erfahrung von evalag die Analyse und Ableitung von Maßnahmen und Veränderungen in einem ersten Schritt durch

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Qualitätssicherung

die Mitglieder des Studiengangs erfolgen. Wenn die verantwortlichen Funktionsträgerinnen, Funktionsträger und Lehrenden des Studiengangs diese Aufgabe nicht wahrnehmen, kann kein Qualitätsmanagement etabliert werden. Um zu einem Qualitätsmanagementsystem zu kommen, muss die Hochschule sukzessive auf bereits vorhandenen Instrumenten und Verfahren aufbauen und sie weiterentwickeln. Diese können – wie oben beispielhaft skizziert – sehr unterschiedlich sein; wesentlich ist die Passung zur jeweiligen Einrichtung. Der entscheidende Schritt vom Qualitätsmanagement hin zum Qualitätsmanagementsystem liegt in der klugen Verbindung der Regelkreise auf den verschiedenen Ebenen. Für den Bereich Studium und Lehre setzt dies die Diskussion der Analyseergebnisse und der abgeleiteten Maßnahmen, Veränderungen und Weiterentwicklungen durch die Verantwortlichen des Studiengangs, des Fachbereichs bzw. der Fakultät und der Hochschulleitung untereinander und miteinander voraus.  ◼

Perspektiven für Frauen und Männer. Das Kompetenz­ zentrum Technik– Diversity–Chancengleichheit Barbara Schwarze

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Kompetenz­zentrum Technik–Diversity–Chancengleichheit

Hochschulen interagieren in zahlreichen technischen, natur- und wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen mit Unternehmen, Verbänden und regionalen Einrichtungen. Zunehmend werden auch die künstlerischen Disziplinen und die Sozial- und Gesundheitsstudiengänge interessant für Forschungs- und Entwicklungskooperationen. Die Mitglieder der Hochschulpräsidien werden als wichtige Beraterinnen und Berater in den Gremien geschätzt, die die zukünftige bundesweite und regionale Entwicklung diskutieren und steuern. Damit bieten sich auch gute Chancen, die beruflichen Karrieren von Frauen für Positionen in der Wirtschaft näher zu betrachten, Hemmnisse zu beseitigen und die Sorge um ausreichenden Führungskräftenachwuchs in den Unternehmen deutlich zu reduzieren.

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Frauen im Management an Hochschulen In der Fachhochschule Bielefeld ist die Kulturentwicklung Chefinnensache! Manche Werkzeugkästen für das Veränderungs­ management von Organisationen hätten die Fachhochschule Bielefeld als ein gutes Praxisbeispiel einbeziehen können. Die Hochschulkultur kann nicht direktiv oder mit einem Ruck verändert werden, es bedarf der Auswahl überschaubarer Bereiche. Wer die Repräsentanz von Frauen in den Leitungsgremien der nordrhein-westfälischen Hochschulen oder den Frauenanteil in der Professorenschaft betrachtet, wird immer wieder auf die Fachhochschule Bielefeld stoßen und eine der erfolgreichen Schwerpunktsetzungen über Jahre verfolgen können. So zeigt der Gender-Datenreport 2013 des Landes, dass die Fachhochschule Biele­ feld mit ihrem Professorinnenanteil mit zehn Prozentpunkten und dem Anteil von Frauen am wissenschaftlichen Personal mit fünf Prozentpunkten über dem Landesdurchschnitt liegt.1 Ein geringer Anteil an Frauen im Senat der Fachhochschule und bei den Fachbereichsleitungen lenkt aber auch für Bielefeld die Aufmerksamkeit darauf, dass Veränderungsprozesse zäh sind. Während die Hochschule mit ihrem Anteil am weiblichen wissen­ schaftlichen Personal in den technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen deutlich über dem Durchschnitt zu verorten ist, liegt der Anteil der Studentinnen in diesen Studien­gängen unter dem Durchschnitt der nordrhein-westfälischen Hochschulen. Dort also, wo die Hochschule direkt einwirken kann, um mehr Chancengerechtigkeit zu erzielen, sind somit über Jahre sichtbare Erfolge festzustellen. Dort, wo noch starke gesellschaftliche Stereotype im Bereich der schulischen und beruflichen Orientierung wirken, arbeitet die Fachhochschule Bielefeld mit Schulen und Unternehmen der Region an einer Veränderung des Images technischer Studiengänge und Berufe, schafft Motivation über studentische Rollenvorbilder und engagiert sich in gemeinsamen Projekten zur Praxisorientierung in den Berufsfeldern. Aber:

Zunehmender Bedarf nach weiblichem Nachwuchs – widersprüchliche Signale Die demografische Entwicklung trägt in Deutschland zu einer breiten öffentlichen Diskussion um den weiblichen Fachkräftenachwuchs bei. Während Frauen in zahlreichen europäischen Ländern eine höhere Studierwahrscheinlichkeit haben als Männer, ist dies in Deutschland trotz höherer Studienberechtigtenquoten nicht der Fall. Frauen ziehen seltener ein Studium in Betracht als Männer. Haben sie eine Fachhochschulreife erworben, nehmen weniger als ein Drittel ein Studium auf. Die Ursachen liegen nach den Erhebungen des Deutschen Zentrums für Wissenschaftsforschung (DZHW) 2 insbesondere in den zwischen den Geschlechtern divergierenden Einschätzungen der Erfolgsaussichten im Studium selbst und den von Frauen weniger günstig eingeschätzten Arbeitsmarktchancen begründet. Der Innovationsindikator des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutschen Telekom Stiftung wies bereits im Jahr 2009 darauf hin, dass in Deutschland im Vergleich zu wichtigen Konkurrenzländern noch immer vergleichsweise große Vorbehalte gegenüber berufstätigen Frauen herrschen.3 Auch dies hat Auswirkungen auf das im Verhältnis zum vorhandenen Potenzial geringere Studien­interesse junger Frauen. An den Fachhochschulen des Landes Nordrhein-West­falen (NRW) ist der Anteil der Studierenden insgesamt in zehn Semestern seit dem Wintersemester 2001/2002 um 41 Prozent gestiegen. Dabei erhöhte sich der Anteil der Studentinnen in geringerem Umfang als der Anteil der Studenten. Für die Fachhochschule

Kompetenz­zentrum Technik–Diversity–Chancengleichheit

Reicht dieses Engagement aus, um für zukünftige Studentinnengenerationen klare Signale für ihre Chancen und Karrieren in Wissenschaft und Wirtschaft zu geben?

1  Beate Kortendiek, Meike Hilgemann, Jennifer Niegel, Ulla Hendrix: Gender-Report 2013. Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen, Duisburg 2013, S. 173–174.  2  Heiko Quast, Percy Scheller, Markus Lörz: Bildungsentscheidungen im nachschulischen Verlauf, in: Forum Hochschule, 9/2014.  3  Deutsche Telekom Stiftung, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (Hg.): Innovationsindikator 2011, Bonn 2011, S. 40.

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Bielefeld zeigt sich eine ähnliche Tendenz: Während bei den Männern ein Anstieg um 29 Prozentpunkte festzustellen war, stieg die Zahl der Studentinnen nur um 21 Prozentpunkte.4 Hierzu lassen sich zahlreiche Gründe festmachen. Dazu gehören die stark technikorientierte Fächerstruktur der Hochschule, in der die Studentinnen nur einen Anteil von zwölf Prozent ausmachen, aber auch ein anhaltendes Fremdeln im Lehrkörper zahlreicher allgemeinbildender Schulen im Umkreis, für deren Schülerinnen technische Studiengänge an Fachhochschulen in noch zu geringem Maße eine Zukunftsperspektive ausmachen. Dabei stellen Frauen eine wichtige Nachwuchsgruppe dar: Im Arbeitsmarktreport NRW 2015 weisen die Bildungsstatistiken darauf hin, dass 55  Prozent der Frauen in NRW in der Altersgruppe der 20- bis unter 30-Jährigen über eine Fachhochschuloder Hochschulreife verfügen, während dieses bei den Männern 46 Prozent sind.5 Zudem ist die Zahl der erwerbstätigen Frauen in NRW in den letzten zehn Jahren um 15 Prozent gestiegen, die Zahl der Männer um vier Prozent. In zu geringem Maße wird die Heterogenität innerhalb der Geschlechter berücksichtigt.6 So zeigt die Statistik, dass knapp 24 Prozent der weiblichen Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben, mehr als 20 Prozent sind jünger als 15 Jahre. Eine weitere Erhöhung der Bildungsqualifikationen, Studien- und Berufschancen dieser Gruppe würde dazu beitragen, den Anteil an Studentinnen und Absolventinnen deutlich zu steigern.

Einschätzung der Karriereperspektiven in Unternehmen Das Institut für Demoskopie Allensbach verweist in seiner 4. Bildungsstudie über Studienbedingungen und berufliche Chancen nach dem Studium darauf, dass über alle Fächer hinweg der Anteil von Studentinnen mit Sorgen über ihre sich verschlechternden Jobchancen erheblich höher liegt (48 Prozent) als der Anteil ihrer männlichen Kommilitonen (35 Prozent).7 Dies gilt

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Kompetenz­zentrum Technik–Diversity–Chancengleichheit

insbesondere für die MINT-Studiengänge 8 und die Wirtschaftswissenschaften. Auch die Ergebnisse der 8. Continental-Studentenumfrage unter 1 000 Studierenden der Ingenieur-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften weisen im Jahr 2011 darauf hin, dass die Studentinnen aufgrund der breiten Diskussion um Quoten ihre zukünftigen Berufs- und Karriereaussichten so zurückhaltend bewerten wie zuletzt 2004. Während 70 Prozent der Studierenden ihre Karriere­aussichten sehr bzw. eher zuversichtlich einschätzen, liegt der Anteil der Studentinnen nur bei knapp 55 Prozent. Dies ist für die Studentinnen der niedrigste Wert seit Beginn der Studien. Sie zweifeln in erheblichem Maße an der Ernsthaftigkeit der Maßnahmen von Wirtschaft und Politik zur Unterstützung der Karrieren von weiblichen Fachkräften und machen dies insbesondere an der fehlenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf fest.9 Die eher zurückhaltende Sicht junger Akademikerinnen auf ihre zukünftigen Berufs- und Karriereaussichten korrespondiert derzeit mit widersprüchlichen Signalen aus den Unternehmen. Während Frauen durchaus in der Diskussion um den demogra­ fischen Wandel und um fehlende Nachwuchskräfte als ein wichtiges Potenzial angesehen werden, stehen sie gleichwohl nicht an zentraler Stelle der Personalentwicklungsmaßnahmen von Unternehmen. So zeigt die Mittelstandsstudie der Commerzbank bei 4 000 Unternehmen Anfang des Jahres 2011 beispielsweise, dass sich zwar knapp die Hälfte der mittelständischen Unternehmen um eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie bemühen, dass aber »Programme für den Führungsnachwuchs hingegen nicht zum Standardprogramm mittelständischer Personalarbeit« gehören.10 Nur in Ausnahmen würden Mentoringprogramme – bei 14 Prozent der Unternehmen – oder Programme zur gezielten

Vgl. Beate Kortendiek, Meike Hilgemann, Jennifer Niegel, Ulla Hendrix 2013, S. 71.  5  Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH (G.I.B.) (Hg.): Arbeitsmarktreport NRW 2015. Frauen am Arbeitsmarkt, Bottrop 2015, S. 14.  6 Ebd., S. 6.  7  Institut für Demoskopie Allensbach (Hg.): 4. Allensbachstudie. Bildung und Beruf in Zeiten der Finanzkrise: Studienbedingungen und Jobchancen nach dem Studium, in: www.uni-heidelberg.de/md/.. ./07/reemtsma_allensbachstudie_2012.pdf (31.5.2015). 8  MINT -Studiengänge: Studiengänge in Mathematik, Informatik, Technik und Naturwissenschaften.  9 Continental AG (Hg.): Studentenumfrage 2011. Was Nachwuchskräfte heute bewegt, Hannover 2011.  10 Commerzbank AG (Hg.): Frauen und Männer an der Spitze: So führt der Deutsche Mittelstand, Frankfurt am Main 2011, S. 56.

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Frauenförderung – bei zehn Prozent – umgesetzt. Nur 24 Prozent der Unternehmen sehen in der Erhöhung des Frauenanteils unter den Führungskräften eine ihrer zentralen Herausforderungen. Die umfassende Zusammenstellung der Forschungs­ergebnisse zum Thema Frauenkarrieren in Unternehmen auf der Konferenz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin im Oktober 2010 weist auf die entscheidende Bedeutung der unternehmenskulturellen Gegebenheiten und des Handelns der Führungskräfte für die Aufstiegschancen von Frauen in Unternehmen hin.11 Eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft belegt am Beispiel von neun Großunternehmen, dass diese ihre Maßnahmen für mehr Frauen in Führungspositionen vorrangig an Frauen selbst richten und die Vorteile solcher Aktivitäten auch nur bei den Frauen selbst gesehen werden. Es fehlten eine Ausrichtung der Maßnahmen auf beide Geschlechter und eine Unternehmenskommunikation, die den wirtschaftlichen Vorteil der Maßnahmen einbeziehe.12 Zudem seien die Unternehmenskulturen eher auf Vereinheitlichung und Anpassung ausgelegt. Vermeintlich frauentypische Herangehensweisen würden weder hinterfragt noch als Bereicherung, sondern als Irritationsfaktor wahrgenommen. Im anstehenden demografischen Wandel und bei zunehmender Konkurrenz um (hoch) qualifizierte Fach- und Führungskräfte gehören aber Aspekte wie die Wahrnehmung und Einbeziehung von Heterogenität in die Personalfindungs- und Personalentwicklungsprozesse zu wichtigen Bestandteilen der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen.

Genderindikatoren: Soziale Konstruktion der Geschlechterrollen Das Thema Frauen im Management in Unternehmen und Organisa­ tionen ist in besonderer Weise von geschlechtsbezogenen Vorurteilen, gesellschaftlichen Einstellungen über die Eigenschaften von Frauen und Männern und der Zuweisung von Zuständigkeiten des privaten, familiären Sektors an das eine und der Erwerbs-

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arbeit und des Wirtschaftssektors an das andere Geschlecht geprägt. Regina Becker-Schmidt weist schon Mitte der 1990er-Jahre auf die Bedeutung der sozialen Konstruktion der Geschlechterrollen und auf ein System einer Zweigeschlechtlichkeit hin, das in unserer deutschen Kultur besonders starr und polarisierend sei.13 Dieses System trennt nicht nur in die Gruppen von Frauen und Männern, sondern schränkt mit der Zuweisung von Bewertungen und der Zuschreibung von vermeintlich natürlichen bzw. angeborenen Eigenschaften an das jeweilige Geschlecht ein individuelles Gestalten von Geschlechterrollen ein. Zwar können sich Individuen solchen Zuweisungen durch eigenes zuwiderlaufendes Handeln entziehen, ein derartiges Handeln birgt aber Unwägbarkeiten hinsichtlich seiner Wirkung auf das persönliche, familiäre und berufliche Umfeld. Wirtschaftsbranchen sind wie Studiengänge an Hochschulen oder Berufsausbildungen in hohem Maße segregiert, die Trennung in mehrheitlich von Frauen bzw. von Männern besetzte Branchen weist seit Jahrzehnten eine hohe Persistenz auf.14 Strukturelle Geschlechterungleichheiten, die Frauen und Männern unterschiedliche Aufgaben und Plätze in Wirtschaft und Gesellschaft zuweisen, führen dazu, dass sich die Chancen, in das Management aufzusteigen, trotz zahlreicher Veränderungen wenig verbessert haben. Während die einen (Frauen) trotz erheblich gestiegener Bildungsqualifikationen und zunehmender (Teilzeit-)Erwerbstätigkeit weiterhin überwiegend für den familiären Sorge- und Hausarbeitsbereich zuständig sind, bleiben die anderen (Männer) mit steigenden Zeitvolumina in der (Vollzeit-)Erwerbsarbeit und der Aufgabe der finanziellen Absicherung ihrer Familien stecken.

11  Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF ) (Hg.): Frauenkarrieren in Unternehmen. Forschungsergebnisse und Handlungsoptionen (Dokumentation der BMBF -Tagung vom 18. bis 19. November 2010 in Berlin), Bonn, Berlin 2011.  12  Simone Kaiser, Katharina Hochfeld, Elena Gertje, Martina Schraudner: Unternehmenskulturen verändern – Karrierebrüche vermeiden, Stuttgart 2012, S. 8–9.  13 Regina Becker-Schmidt: Transformation und soziale Ungleichheit, soziale Ungleichheit und Geschlecht, in: Sigrid Meth-Göckel, Angelika Wetterer (Hg.): Vorausdenken, Quer­ denken, Nachdenken. Texte für Ayla Neusel, Frankfurt am Main 1996, S. 183–197.  14  Sebastian Bechmann, Vera Dahms, Nicolai Tschersich, Marek Frei, Ute Leber, Barbara Schwengler: Beschäftigungsmuster von Frauen und Männern. Auswertungen des IAB -Betriebspanels 2012 (IAB -Forschungsbericht 14/2013), Nürnberg 2013.

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Genderanalysen und -statistiken zeigen, dass die positiven Entwicklungen für Frauen in einem gesellschaftlichen Segment wie der Bildung oder der Beschäftigung keine hinreichenden Voraussetzungen dafür bieten, dass sich die Prozentanteile von Frauen im Management von Unternehmen entsprechend erhöhen. Die anhaltende Zuweisung von Familienaufgaben – Haushalt, Kinder, Pflege –, Interessen und Kompetenzen an Frauen, ihre hierdurch bedingte hohe Quote an Teilzeitbeschäftigung sowie Branchen-, Führungs- und Unternehmenskulturen sind weitere Teilaspekte, die dazu führen, dass sich der Anteil von Frauen im Management nicht so dynamisch entwickelt, wie dies anhand ihrer Bildungs­ voraussetzungen und Berufsqualifikationen möglich wäre. Die vorliegenden Studien zeigen, dass die Anteile von Frauen im Management große Schwankungen nach Wirtschaftszweigen15 bzw. Branchen aufweisen, die sich nicht mit ihren Anteilen an den Beschäftigten erklären lassen. Im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen liegt der Anteil der beschäftig­ ten Frauen im Jahr 2013 bei 56 Prozent, der Anteil der Frauen im Topmanagement bei sechs Prozent und bei 22 Prozent im Mittel­ management.16 Ähnliches zeigt sich noch verstärkt im Bereich des frauendominierten Gesundheits- und Sozialwesens: Dort liegt der Anteil von Frauen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei 80 Prozent und ihr Anteil im Topmanagement bei knapp 25 Prozent im Mittelmanagement macht ihr Anteil etwa 45 Prozent aus. In den jeweiligen frauen- bzw. männer­dominierten Berufsfeldern sind starke Geschlechterstereotype vorzufinden, die eine Resonanz in den beruflichen Selbstkonzepten von Männern und Frauen finden. Es ergeben sich Kontextualisierungen, wie zum Beispiel Vorstellungen bei Frauen und Männern darüber, in welchen Positionen Frauen leichter die Vereinbarkeitsproblematik von Familie und Beruf lösen könnten. Dies führt zu Einschränkungen in den beruflichen und privaten Perspektiven beider Geschlechter, die in Deutschland besonders beharrlich sind. Kontrastierend sind die Erfahrungen mit gänzlich anders zugeschnittenen Berufsbildern und Fachkulturen in den Care-Berufen

Gender Diversity: Chancen zur Kulturveränderung? Obwohl zahlreiche Unternehmen ihr Engagement für Gender Diversity betonen und darunter zumeist die Förderung von Chancengleichheit für Frauen innerhalb ihres Diversityengagements verstehen, gibt es seit Jahren etwas mehr Bewegung bei dem Spitzenpersonal an Hochschulen als in Unternehmen. So liegt der Anteil der Rektorinnen bzw. Präsidentinnen an Hochschulen bundesweit im Jahr 2013 bei 14 Prozent;18 der Anteil von Frauen im Topmanagement in Unternehmen machte im gleichen Jahr elf Prozent aus.19 Ein anderer Trend zeigt sich bei dem Thema Diversity in Spitzenpositionen: Während die Internationalisierung in Unternehmen verstärkt dazu führt, dass sich beispielsweise der Anteil der Vorstandsmitglieder nicht deutscher Herkunft im DAX zwischen den Jahren 2005 bis 2013 von 19 auf 28 Prozent erhöhte, fehlt eine entsprechende Dynamik in der Besetzung von Vorständen mit Frauen. So stieg ihr Anteil in den DAX-Unternehmen von einem Prozent im Jahr 2005 auf sieben Prozent im Jahr 2013.20 Es scheint in den großen Unternehmen eher möglich zu sein, Vorstandsmitglieder aus anderen Ländern und Herkunftskulturen in Vorstände zu integrieren als weibliche Vorstandmitglieder. Über den Anteil von Personen nicht deutscher Herkunft in Hochschul­ leitungen liegen keine Informationen vor.

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in Ländern in Skandinavien zu sehen,17 in denen unter anderem eine überwiegend vollzeitäquivalente Frauenerwerbstätigkeit für eine bessere soziale Sicherung sorgt.

Es werden die Daten zu den Wirtschaftszweigen genutzt, wie sie in der Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 aufgeführt werden.  16  Barbara Schwarze, Andreas Frey, Heiko Tapken, Anca-Gabriela Hübner: Frauen im Management 2015, Darmstadt 2015, S. 34–35.  17  Cornelia Heintze: Auf der Highroad. Der skandinavische Weg zu einem zeitgemäßen Pflegesystem. Ein Vergleich zwischen fünf nordischen Ländern und Deutschland, in: WISO Diskurs, April 2015.  18  Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK ) (Hg.): Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung. 18. Fortschreibung des Datenmaterials (2012/2013) zu Frauen an Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen, Heft 40, Bonn 2014, S. 26.  19  Barbara Schwarze, Andreas Frey, Heiko Tapken, Anca-Gabriela Hübner: Frauen im Management 2015, Darmstadt 2015, S. 13. 20  Ebd., S. 17. 

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Nachdem die Selbstverpflichtungen, die von der Wirtschaft mit der Bundesregierung im Jahr 2001 vereinbart wurden, wenig erfolgreich waren, könnte die Entwicklung von Standards mit einem breiten Monitoring der Ergebnisse, wie dieses in der Wissenschaft beispielsweise durch die Förderrichtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) umgesetzt wird, auch bei Unternehmen Erfolge erzielen.

Mehr Innovation durch vielfältigere Netzwerke? Eine verstärkte Repräsentanz von Frauen im deutschen Innovationssystem gehört für die Expertenkommission Forschung und Innovation zu den wichtigen Schritten, die erforderlich sind, um insgesamt eine größere Diversität in Forschungs- und Führungsteams zu erreichen.21 Es gilt somit, wichtige und bereits vorhandene Innovationspotenziale bei den Frauen in Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gezielt zu suchen und zu integrieren, aber auch neue Potenziale bei Frauen und Männern durch eine stärkere Förderung bisher weniger vertretener Studierendengruppen zu erschließen. Dies betrifft auch die Gruppe der Erststudierenden, die beruflich vorgebildeten Studierenden oder Studierende mit Zuwanderungshintergrund. Zu den wichtigen Grundsätzen der Regionalen Innovations­ politik des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der EU -­ Strukturfonds 2014–2017 gehört es, die Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebensentwürfen in den Mittelpunkt der Strategie zu stellen.22 Dazu soll die Ressource Wissen aus Praxis, Wissenschaft und Forschung stärker erschlossen werden. Innovationen sollen nicht (mehr) allein Sache von Expertinnen und Experten sein, sie sollen zunehmend von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen oder mit Kundinnen und Kunden oder anderen Partnern entwickelt werden. Das Land NRW beabsichtigt, Innovationen zu fördern, die »konkrete Verbesserungen für die Menschen, sei es lokal, regional oder global bedeuten.« 23

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Hochschulen interagieren in zahlreichen technischen, naturund wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen mit Unternehmen, Verbänden und regionalen Einrichtungen. Zunehmend werden auch die künstlerischen Disziplinen und die Sozial- und Gesundheitsstudiengänge interessant für Forschungs- und Entwicklungskooperationen. Die Region Ostwestfalen-Lippe bildet die regionale und kommunale Zusammenarbeit in hervorragender Weise ab. Mit etwa zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, 13 Hochschulen, etwa 150 000 Unternehmen24 und zahlreichen gewachsenen Netzwerken zwischen Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft und Kommunen bietet sie eine hervorragende Grundlage, um innovative Produkte und Dienstleistungen für Menschen zu entwickeln. Wirtschaftsförderungen, Unternehmen, kommunale Einrichtungen und Kammern der Region engagieren sich für mehr Chancen für Frauen in MINT-Studiengängen und -Berufen, für mehr Frauen in Führungspositionen, für Zukunftsperspek­ tiven für Menschen mit Zuwanderungshintergrund und generationenübergreifende Projekte. Seit dem Jahr 2001 ist das Kompetenzzentrum Technik–­Diversity–Chancengleichheit eines der An-Institute der Fachhochschule Bielefeld. Aus diesem Engagement folgten gemeinsame Projekte, die unterschiedliche Praxisformate in technischen Studiengängen und der Informatik entwickelten, um mehr Frauen für das Studium zu gewinnen und ihren Berufseinstieg zu verbessern. In der Zusammenarbeit zeigt sich immer mehr die Möglichkeit, die Kompetenz der Hochschule in Wissenschaft und technologischer Forschung und Entwicklung mit der Netzwerk- und Koordinierungsexpertise und der Gender-Diversity-Kompetenz des An-Instituts zu verknüpfen. Die Chancen liegen vor allem in dem Interesse in Bund und Land, die Innovationspotenziale von Frauen stärker in die Forschung zu integrieren. Die langjährige Erfahrung des Kompetenzzentrums in der Einbindung der

21  Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI ) (Hg.): Gutachten zu Forschung, Innovation und Technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2014, Berlin 2014.  22 Land NRW (Hg.): Regionale Innovationsstrategie des Landes NRW, Düsseldorf 2014.  23  Ebd., S. 19.  24  Ostwestfalen-Lippe GmbH: http://www.ostwestfalen-lippe.de/ owl/region.html (13.2.2014).

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Zielgruppen, ihrer Netzwerke und Verbände bewirkte bereits neue kooperative Projektentwicklungen mit der Wirtschaft und eine erfolgreiche Positionierung von Projekten in Bund und Ländern. Das An-Institut ist auch regional gut vernetzt: Hierzu gehört unter anderem die Partnerschaft des Nationalen Pakts für Frauen in MINT -Berufen am Kompetenzzentrum mit den Wirtschafts- und Technologienetzwerken der Region Ostwestfalen-Lippe wie den Wirtschaftsförderungsgesellschaften Bielefeld und Paderborn, der it’s OWL Clustermanagement GmbH, einem regionalen Cluster von 174 Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Organisationen, mit dem OWL Maschinenbau e.V. und der Initiative für Beschäftigung OWL e.V. Mit der stärkeren Vernetzung mit ihrem An-Institut in ausgewählten innovativen Forschungsthemen hat die Hochschulleitung der Fachhochschule Bielefeld einen wichtigen Schritt dafür getan, das Engagement im Bereich Gender Diversity zu stärken und damit die Bedürfnisse und Lebensentwürfe der Menschen konsequent einzubeziehen.  ◼

Auf dem Weg zur geschlechtergerechten Hochschule Hildegard Schumacher-Grub Ulrike Settnik

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Geschlechtergerechte Hochschule

Das Gebot zur Gleichstellung von Frauen und Männern ergibt sich aus den Menschenrechten sowie dem Grundgesetz und ist Bestandteil des Amsterdamer Vertrages der Europäischen Union. In Artikel 2 und 3 haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Gleichstellung festgelegt. Im Jahr 1999 verpflichtete sich die Bundes­ regierung in ihrem Regierungsprogramm zur Umsetzung dieses Prinzips, das dann gesetzlich verpflichtend für alle Bundesländer wurde. Im selben Jahr trat in Nordrhein-Westfalen das Landesgesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern (LGG NRW) in Kraft, das Maßnahmen zur tatsächlichen Gleichstellung fordert.

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Hintergründe der Gleichstellung Ein Blick auf die Hintergründe der Gleichstellungsdebatte zeigt, dass sie sich allgemein an zwei Kriterien orientiert: Als erstes Kriterium sind die Menschenrechte als humanitäre und demokra­ tische Norm zu nennen. Diese gehen davon aus, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Beseitigung von Diskriminierung und der Ausschluss der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts ein Grundrecht sind, das alle Staaten verwirklichen müssen. Das zweite Kriterium misst sich an der Erkenntnis, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern eine wichtige ökonomische Bedingung für die Entwicklung einzelner Staaten und der gesamten Weltbevölkerung darstellt. Für die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft sind Arbeit, Kreativität und Entscheidungsmacht von Frauen unverzichtbar. Gleichstellung bedeutet in vielfacher Hinsicht für Frauen und Männer eine höhere Lebensqualität, da sich dadurch insgesamt mehr Möglichkeiten für mehr Menschen ergeben und damit eine größere Entscheidungsfreiheit für die eigene Lebensgestaltung. In diesem Sinne bedeutet Gleichstellung, dass bei allen gesellschaftlichen Entwicklungen und Maßnahmen die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und selbstverständlich berücksichtigt werden, da es keine geschlechtsneutrale gesellschaftliche Wirklichkeit gibt. Mit der gesetzlichen Verpflichtung und der eben beschriebenen Erkenntnis geht das Erfordernis gleicher Einbeziehung von Frauen und Männern in den öffentlichen Bereichen einher, um damit zu einer Verwirklichung der Demokratie sowie einer ausgewogenen gesellschaftlichen Entwicklung zu gelangen. Bezogen auf die Hochschule als öffentliche Institution und Wissenschaft als Organisation, muss diese Anforderung als hochkomplex bezeichnet werden. Gerade die Hochschule – so die Ausgangsthese zahlreicher Forschungen – ist ungerecht, bezogen auf ihren Zugang und auf die Verteilung der Geschlechter auf die Fächer und die verschiedenen Status- und Hierarchiegruppen. Darüber

Gleichstellungsarbeit an der Fachhochschule Bielefeld von 2002 bis heute Aus den Zielvereinbarungen zwischen dem Land NRW und der Fachhochschule Bielefeld geht hervor, dass es bei der Gleichstellung von Frauen und Männern stets um eine Verbesserung der Chancen für Frauen in allen Bereichen als Beitrag zur Qualitätssicherung, Leistungssteigerung und der Stärkung der Wett­ bewerbsfähigkeit geht. Einen wesentlichen Aspekt zur Erreichung dieses Ziels stellt dabei die systematische und konsequente Integration politischer Konzepte der Gleichstellungsarbeit in sämt­liche Handlungsbereiche und damit in sämtliche Ebenen der Hochschule dar. Die Umsetzung des Gleichstellungsprinzips obliegt vor allem der Hochschulleitung, aber auch den Führungskräften und Verantwortlichen in den verschiedenen Gremien. Damit

Geschlechtergerechte Hochschule

hinaus ist die Hochschule als Institution der Erzeugung, Verteilung und Steuerung von Wissen an der Reproduktion der (bestehenden ungleichen) Geschlechterordnung direkt beteiligt. Der Genderkomplex ist hier deshalb nur über ein Denken in Strukturen auf verschiedenen Ebenen, die zusammenwirken, zu erfassen und möglicherweise zu verändern. Darüber lassen sich Handlungsfelder bestimmen, in denen Bedingungen, Potenziale und Instrumente auszuloten sind. Einerseits haben Hochschulen also eine Beschreibung der ordnenden gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen für Wissenschaft als Beruf vorzunehmen; andererseits sollten sie als soziale Institutionen und damit Territorien durch Ergebnisse der Forschung zielgerichtet im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit auf die Gesellschaft einwirken, insbesondere durch die Praxis ihrer Fächerkulturen einschließlich deren Vermittlung über den Stellenwert innerhalb der Studiengänge. Wie die Fachhochschule Bielefeld diesen Herausforderungen in der Vergangenheit begegnete, derzeit begegnet und was sie bereits erreicht hat, veranschaulichen die nachfolgenden Ausführungen.

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sind die gleichstellungsbezogenen Aufgaben auf alle, die an einer Hochschule Entscheidungen treffen, verteilt und aus der personenbezogenen Verantwortung des Einzelnen herausgenommen. Wie sieht nun die Rolle einer Gleichstellungsbeauftragten in diesem Gefüge aus? Die Gleichstellungsbeauftragte wirkt gemäß § 17 LGG NRW bei allen personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen mit, insofern sie die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie den Schutz vor sexueller Belästigung betreffen. Aufgrund dieser rechtlichen Stellung besitzt die Gleichstellungsbeauftragte quasi die Funktion einer Controllerin; sie hat neben anderen Akteurinnen und Akteuren dafür Sorge zu tragen, dass die gesetzlichen Vorgaben beachtet werden, d. h. sie überwacht deren Vollzug. Außerdem hat sie die Beschäftigten und Studierenden in Fragen der Gleichstellung zu beraten und zu unterstützen. Das Selbstverständnis der Gleichstellungsbeauftragten der Fachhochschule Bielefeld ist weiter gefasst, sie sieht sich zugleich als Beraterin im Sinne eines Knotenpunktes für die Verknüpfung von Top-down und Bottom-up. Hier wirkt sie eher wie uein »Change-Agent«, der hilft, Skepsis der Betroffenen gegenüber Gleichstellungsmaßnahmen abzubauen, und nicht wie eine »Gender-Beauftragte«, denn sie ist nicht für deren Umsetzung zuständig. Dies gelingt an der Fachhochschule Bielefeld durch eine systematische Verknüpfung von Gleichstellungsarbeit und besserer Aufgabenerfüllung. Der Erfolg ist auch dem langjährig bewährten Modell der Institutionalisierung einer zentralen Gleichstellungsbeauftragten auf Hochschulebene und dezentraler Gleichstellungsbeauftragter in den Fachbereichen, den Zentralen Einrichtungen und der Verwaltung zu verdanken – einem Modell, das erst 2014 mit dem § 24 Abs. 3 Eingang in das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz fand. Die Fachhochschule Bielefeld kann hier also durchaus als Vorreiterin einer späteren, vom Gesetzgeber als notwendig erachteten allgemeinen Regelung bezeichnet werden.

Geschlechtergerechte Hochschule

Eine landesweite Vorbildstellung nahm die Fachhochschule Bielefeld auch im Jahr 2001 ein, als sie mit einem Rahmenplan zur Frauenförderung erstmals detailliert ihre hochschulindividuellen Gleichstellungsziele und -aufgaben formulierte. Dieser Rahmenplan bildete den konzeptionellen Startschuss für ein nachhaltig orientiertes, in sich konsistentes Maßnahmenpaket, in dem es in erster Linie darum ging, den Anteil der mit Frauen besetzten Professuren, den Anteil der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen sowie den Anteil von Studentinnen vor allem in den naturwissen­ schaftlich-technischen Bereichen zu erhöhen. Seitdem dient er den Fachbereichen, Zentralen Einrichtungen und der Verwaltung, die im Laufe der Jahre auch eigene Instrumente, beispielsweise in Form von turnusmäßigen Frauenförderplänen, entwickelt und verstetigt haben, als allgemein akzeptierter Ordnungsrahmen, um gleichstellungsorientiert agieren zu können. Der Rahmenplan zur Frauenförderung wurde 2014 nach einer bereits in 2004 erfolgten Teilaktualisierung vollständig überarbeitet und an die mittlerweile stark veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Diskussion um Inklusion und Diversity (Vielfalt) nehmen nun die Grundsätze Chancengleichheit und Vielfalt einen größeren Raum ein, ohne jedoch den Gedanken der Geschlechtergerechtigkeit zu vernachlässigen. Dahinter steht die Überzeugung, dass gerade Hochschulen eine gesellschaftliche Vorbildfunktion in Bezug auf Inklusion, Innovation, Chancengleichheit und Vielfalt ausüben sollten. Auf Einladung der Fachhochschule Bielefeld tagte im Mai 2011 die Bundeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an deutschen Hochschulen (BuKoF) in Bielefeld zu dem Thema Gleichstellung in der Diversität – Versuch einer Positionierung. Im Mittelpunkt der Tagung stand die Frage, wie Geschlechtergleichstellung und Diversitätsmanagement zu vereinbaren sind und wie neue Prozesse in demokratischer Partizipation aussehen können. Im Januar 2014 durfte die Fachhochschule Bielefeld zusammen mit der Universität Bielefeld in der vom Wissenschaftsministerium des Landes NRW initiierten Workshop-Reihe Wissenschaft hat

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viele Gesichter als Gastgeberin fungieren, um dort ihre Ideen zum Thema Vielfalt zu präsentieren. Flankiert werden der Rahmenplan zur Frauenförderung und die Frauenförderpläne der verschiedenen Organisationseinheiten vom bereits 2008 entwickelten, anspruchsvollen Gleichstellungskonzept, das weit über den landesoffiziellen Ansprüchen liegende interne Zielvereinbarungen enthält und unter folgender Maxime steht, die nach wie vor perspektivische Bedeutung besitzt: »Die Fachhochschule Bielefeld ist entschlossen, die Gleichstellung auf allen Qualifikationsstufen weiter voranzutreiben.« Bezogen auf die Unterrepräsentanz von Frauen in der Professorinnen- und Professorenschaft bedeutet(e) dies konkret, die als unzureichend empfundene Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, die in zahlreichen empirischen Untersuchungen von Frauen, aber zunehmend auch von Männern als größtes Hemmnis einer wissenschaftlichen Karriere genannt wird. Die Fachhochschule Bielefeld verfolgt diesen Ansatz seit vielen Jahren konsequent, er war und ist wesentlicher Bestandteil ihres Gleichstellungskonzepts. So unterhält sie eine Betriebskita für Beschäftigte und Studierende, die, aus Qualitätsverbesserungsmitteln finanziert, ein zusätzliches Angebot speziell für Studierende in den Abendstunden und an Samstagen bereithält. Aus zentralen Mitteln finanziert, hat sich die Kinderbetreuung in den Osterund Herbstferien gut etabliert und wurde inzwischen auf die Sommerferien und den Standort Minden ausgeweitet. Dort hat die Hochschule seit April 2015 vier Plätze in einer nahe am Campus gelegenen städtischen Kita reserviert, die von den Beschäftigten flexibel und unabhängig vom Kindergartenjahr belegt werden können. Dazu wurde mit der Stadt Minden ein Kooperationsvertrag abgeschlossen, der eine unbefristete Nutzung garantiert. Für die Studierenden hat sie ein vergleichbares Modell initiiert, das noch in 2015 realisiert werden soll; hier sind das Studierendenwerk Bielefeld und die Stadt Minden die beiden Kooperationspartner. Um dem Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Studium noch näher zu kommen, unterzog sich die Fachhoch-

Geschlechtergerechte Hochschule

schule Bielefeld in 2011 erstmals einem Audit. Mit dem Auditierungsprozess sollten das Bewusstsein aller Mitglieder der Hochschule im Hinblick auf Familienfreundlichkeit gestärkt und weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeit entwickelt werden. Das Zertifikat für Familienfreundlichkeit erhielt sie Anfang Dezember 2011 mit dem audit familiengerechte hochschule für drei Jahre. Da es extern wie intern sehr positive Rückmeldungen zum Audit gab, wurde Ende 2014 der Reauditierungsprozess eingeleitet, der die Hochschule im Falle des Erfolgs zu einer Führung des Zertifikats für weitere drei Jahre berechtigen würde. In den Kontext des Personalmanagements lassen sich Maßnahmen wie Berufungsrichtlinien, Coachingangebote und Mentoringprogramme einordnen, die an der Fachhochschule Bielefeld über entsprechende Maßnahmen einen nachweisbar hohen Stellenwert einnehmen. Zunächst ist hier das 2005 hochschulintern entwickelte und mittlerweile etablierte Berufungsverfahren zu nennen, welches sich durch Transparenz in allen Phasen mittels Beteiligung neutraler, externer Gutachterinnen und Gutachter auszeichnet. Die Berücksichtigung frauenspezifischer Interessen ist durch die Teilnahme der dezentralen Gleichstellungsbeauftragten in den Fachbereichen gewährleistet, welche die zentrale Gleichstellungsbeauf­ tragte mithilfe eines standardisierten Rückkopplungsmechanismus jederzeit über den Stand der Verfahren auf dem Laufenden halten. Seit Anfang 2013 ist diese zudem EDV-technisch über das Verwaltungsnetzwerk in die Verfahren eingebunden, sodass sie im konkreten Fall über aktuelle Informationen verfügt und bei Bedarf zeitnah reagieren kann. Derzeit wird das Berufungsverfahren überarbeitet, es soll künftig vermehrt Elemente enthalten, die eine proaktive Ansprache qualifizierter Bewerberinnen fokussieren. Diese sollen sich unter anderem aus dem speziellen Lehrbeauftragtenprogramm für Frauen rekrutieren, das mit dem Ziel des Erwerbs von Lehrerfahrungen für potenziell berufungsfähige Frauen intern aufgelegt wurde.

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Im Bereich des Coachings ist das Angebot der Teilnahme am hochschuldidaktischen Einarbeitungsprogramm anzuführen, dessen Kursgebühren von der Hochschule übernommen werden und das die Lehrverpflichtung in den ersten beiden Semestern um jeweils vier Semesterwochenstunden reduziert. Am Anfang steht hier eine persönliche Beratung hinsichtlich der Auswahl der Kurse; auf Wunsch kann ein individuelles, frauenspezifisches Coaching gebucht werden. Die Resonanz auf das Programm ist insgesamt sehr positiv – mit Ausnahme derjenigen Neuberufenen, die von einer anderen Hochschule kommen, nehmen in der Regel alle Neuberufenen daran teil, was eine Teilnahme deutlich über dem Landesdurchschnitt bedeutet. Seit 2012 wird das bewährte hochschuldidaktische Einarbeitungsprogramm durch ein von der Verwaltung entwickeltes innovatives Einführungsprogramm in die Strukturen und Prozesse der Hochschule ergänzt. Dieses Angebot, das zu Beginn eines jeden Semesters erfolgt, ist umso wichtiger, als Neuberufene an Fachhochschulen zum großen Teil direkt aus der Praxis kommen und privatrechtlich geführte Unternehmen eine gänzlich andere Organisation als Hochschulen besitzen, was Arbeitszeitregelungen, Weisungsbefugnisse, Weisungsgebundenheit, Hierarchien etc. betrifft. Begleitend zu diesem Thema wurde die Broschüre Startklar aufgelegt und im Intranet als Download bereitgestellt, wie auch zu anderen Themen rund um die Geschlechter­gerechtigkeit Informationsmaterial entworfen wurde, das zum Teil landesweite Aufmerksamkeit erfuhr, wie beispielsweise die Broschüre FH-­P rofessorinnen gesucht! Wege zu einer Professur an einer Fachhochschule in Nordrhein-Westfalen. Jedem bzw. jeder Neuberufenen wird außerdem in der obligatorischen einjährigen Probezeit eine Patin oder ein Pate bzw. eine Mentorin oder ein Mentor aus dem Kreis der Professorinnen und Professoren des jeweiligen Fachbereichs zur Seite gestellt, um Erfahrungswissen weiterzugeben und so den Übergang von der praktischen in die Hochschultätigkeit zu erleichtern. In allen Berufungsverfahren wird seitens der Hochschule explizit auf die

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dargestellten Maßnahmen hingewiesen, um Unsicherheit und Unkenntnis hinsichtlich der Tätigkeit als Professorin und Professor abzubauen und das Interesse für den Beruf der Hochschul­ lehrerin und des Hochschullehrers vor allem bei qualifizierten Frauen zu erhöhen. Zur Karriere- und Personalentwicklung für Nachwuchswissen­ schaftlerinnen wurden in den letzten Jahren auf der Ebene der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen zahlreiche kooperative Promotionsstellen über jeweils drei Jahre für weibliche Promovierende eingerichtet, insbesondere in den naturwissenschaftlich-technischen Fachbereichen. Um qualifizierte Absolventinnen für eine Promotion begeistern zu können, bedarf es vor allem anderen eines forschungsintensiven, inhaltlich adäquat umschriebenen Umfeldes. Die Fachhochschule Bielefeld setzt dabei unter anderem auf Forschungsverbünde mit Universitäten, da sie – wie alle Fachhochschulen – kein eigenständiges Promotionsrecht besitzt und aus ihrer Sicht der verbesserten Zusammenarbeit zwischen den beiden Hochschultypen auf diesem Gebiet eine heraus­ ragende Bedeutung zukommt. Darüber hinaus hat sie in 2015 ein aus eigenen Mitteln finanziertes, längerfristiges Qualifizierungsprogramm aufgesetzt, das Professorinnen und Professoren motivieren soll, verstärkt Stellen für Promotionsinteressierte zu besetzen; der Fokus liegt auch hier auf der Karriereentwicklung von Frauen. In der Frauen- und Geschlechterforschung selbst wurden schon früh neue Akzente gesetzt: So stellt die Hochschule seit 2004 dafür alljährlich zehn Prozent ihres Forschungsetats zur Verfügung – bis heute wurden darüber zahlreiche Forschungsprojekte abgewickelt, aus denen sich zum Teil umfangreiche Anschluss­ projekte ergaben, mit denen zusätzliche Landesmittel eingeworben werden konnten. Die Fachhochschule Bielefeld zählte außerdem 2010 zu den ersten Hochschulen landesweit, die eine Professur mit der Denomination Gender und Diversity eingerichtet haben, hier verortet in den Ingenieurwissenschaften und Mathematik.

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Auf der Ebene der Studierenden ging und geht es vor allen Dingen um das Gewinnen von Studentinnen für Fächer, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, insbesondere im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Besonders erfolgversprechend scheint dabei der Auf- und Ausbau von Studiengängen zu sein, die technische Kernkompetenz vermitteln und zugleich ein Anwendungsfeld betreffen, das Frauen besonders anspricht. Im Zuge von Reakkreditierungsprozessen erfolgt außerdem laufend eine Anpassung der Curricula an veränderte Rahmenbedingungen, um den Anteil weiter zu erhöhen. Neben der inhaltlichen Ausrichtung des Studienangebots übt die Gestaltung der Studienstruktur bzw. -form einen signifikanten Einfluss auf die Attraktivität des Angebots für weibliche Studierende aus. Das Studienangebot wurde daher sukzessive um praxisintegrierte Studiengänge erweitert. Zum Sommersemester 2014 startete außerdem im Fachbereich Sozialwesen ein Pilotteilzeitstudiengang als Alternative zum Vollzeitstudium, der nach erfolgreicher Evaluierung als Modell für weitere, auch tech­nische Studiengänge dienen könnte. Studienbegleitende Angebote wie die Einrichtung eines Praxisbüros im Fachbereich Ingenieur­ wissenschaften und Mathematik als Vermittler zwischen Theorie und Praxis, Tagungen zu Gender Diversity in den Ingenieurwissenschaften, Tutorien von Studentinnen für Studentinnen, Seminare zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen und die finanzielle Förderung studentischer Abschlussarbeiten mit genderbezogenen Themen runden die vielfältigen Aktivitäten ab. Im Sinne ihrer eingangs thematisierten gesellschaftlichen Verantwortung hat die Fachhochschule Bielefeld ihre Maßnahmen zur Realisierung der Geschlechtergerechtigkeit seit Langem auf die Ebene der Schülerinnen und Schüler ausgedehnt. Neben dem alljährlich stattfindenden Girls’ Day, bei dem es darum geht, Mädchen Einblicke in sogenannte Männerberufe zu ermöglichen, ist sie die erste Hochschule, die seit 2005 Angebote für Jungs zum Kennenlernen von eher typischen Frauenberufen macht. Inzwischen ist der Boys’ Day zum festen Bestandteil der Nachwuchs-

Reflexion der Gleichstellungsarbeit an der Fachhochschule Bielefeld »Chancengleichheit von Männern und Frauen ist uns wichtig. Unser besonderes Augenmerk gilt der Qualifizierung von Frauen im technischen Bereich.« Diese im Leitbild der Fachhochschule Bielefeld verankerte Aussage besäße lediglich plakativen Charakter, wenn sie nicht in der Hochschule als ganzheitliches Konzept unter Einbindung von Gleichstellungskonzept, Rahmenplan zur Frauenförderung und den Frauenförderplänen in den verschiedenen Organisations­ einheiten gelebt würde. Dass dies mithilfe der in den voran gegangenen Abschnitten beschriebenen Maßnahmen tatsächlich geschieht und von den Hochschulangehörigen auch so wahrgenommen wird, zeigte ein im Dezember 2012 veranstalteter Workshop zum Selbstverständnis, der im Vorfeld im Rahmen offener Gespräche Stärken und Schwächen der Hochschule erfragt hatte. Als Stärken wurden explizit die hohe Anzahl an Professorinnen, die familiengerechten Strukturen, das transparente Berufungsverfahren und die naturwissenschaftliche bzw. technische Ausrichtung genannt.

Geschlechtergerechte Hochschule

förderung an deutschen Hochschulen geworden. Darüber hinaus wurde im naturwissenschaftlich-technischen Bereich 2010 ein Schülerlabor eingerichtet, bei dessen Gestaltung eine auf Mädchen ausgerichtete Didaktik eine besondere Rolle spielt. Ergänzend zu den Regelangeboten schrieb die Fachhochschule Bielefeld im Jahre 2008 einen Schulwettbewerb Girls’@ MINT – future in Mind für Gymnasien, Gesamtschulen und Berufskollegs aus. Prämiert wurden Schulen, die einen besonders hohen Anteil an Schülerinnen in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern – ausgenommen Biologie – in Verbindung mit einem überzeugenden Gesamtkonzept zur Förderung des weiblichen Nachwuchses vorlegen konnten.

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Insbesondere im Hinblick auf das akademische Personal nimmt die Hochschule auch objektiv betrachtet mittlerweile eine bundesund landesweite Spitzenposition ein. So konnte im Zeitraum 2004 bis 2015 der Anteil der mit Frauen besetzten Professuren von 19 auf 30 Prozent erhöht werden, was die Fachhochschule Bielefeld nach den Daten des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministeriums zur leistungsorientierten Mittelvergabe zur Hochschule mit dem höchsten Frauenanteil in der Professorinnen- und Professorenschaft unter allen Fachhochschulen macht. Nach dem 2013 aktualisierten Hochschulranking nach Gleichstellungsaspekten des Leibniz-Institutes für Sozialwissenschaften und des Centers of Excellence Women and Science (CEWS) rangiert sie ebenfalls in der Spitzengruppe aller Hochschulen. Dazu trugen unter anderem die Erfolge in den Professorinnenprogrammen I und II bei, in deren Rahmen in 2008 das Gleichstellungskonzept und in 2013 die Umsetzung des Gleichstellungskonzepts positiv begutachtet wurden und dadurch die Besetzung von insgesamt sechs Regel- bzw. Vorgriffsprofessuren mit qualifizierten Frauen ermöglichten. Für ihre Bemühungen auf dem Feld der Gleichstellung wurde die Hochschule folgerichtig mit dem einmalig vergebenen GenderPreis – Geschlechtergerechte Hochschulkonzepte 2009 – des Wissenschaftsministeriums ausgezeichnet; mit dem zugehörigen Preisgeld richtete sie eine zusätzliche Promovendinnenstelle im naturwissenschaftlich-technischen Bereich für drei Jahre ein. Der Genderreport des Netzwerks Frauenforschung Nordrhein-Westfalen bescheinigte ihr daraufhin schon 2010 ein »bemerkenswertes Gender-Profil«. Bezogen auf die wissenschaftliche Nachwuchsförderung war die Hochschule mit ihrer Strategie der Forschungsverbünde äußerst erfolgreich: So wurden 2012 zwei kooperative Anträge der Fachhochschule und der Universität Bielefeld im Rahmen des Förderprogramms für NRW -Forschungskooperationen bewilligt, das besonders guten Absolventinnen und Absolventen für

Geschlechtergerechte Hochschule

drei Jahre eine Perspektive auf eine Promotion bieten soll; derzeit wird auf politischer Ebene eine Verlängerung der Kooperationen diskutiert. Die hervorragenden Ergebnisse bestärken die Hochschule, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen, jedoch nicht ohne ein permanentes Überdenken der eigenen Aktivitäten. So konnten die Stärken in der Vergangenheit und können diese auch in Zukunft nur in konstruktiver Zusammenarbeit der zentralen und dezentralen Gleichstellungsbeauftragten mit der Hochschulleitung und mit vielen anderen Akteurinnen und Akteuren in den Fachbereichen, Zentralen Einrichtungen und der Verwaltung gehoben werden. Dies wird auch notwendig sein, wenn man die großen Herausforderungen betrachtet, denen sie sich stellen muss. Dazu gehören kurz- und mittelfristig gesetzliche Regelungen wie die Etablierung einer Gleichstellungsquote nach dem neuen Hochschul­ gesetz des Landes NRW, die Auswirkungen auf die internen Zielvereinbarungen zum Geschlechterverhältnis haben wird, und die geschlechterparitätische Besetzung von Gremien, deren Realisierung die Schaffung von Anreizen für Frauen in Fächern mit Unterrepräsentanz erfordert, um die dadurch eventuell entstehende Mehrbelastung zu egalisieren. Langfristig ist die Frage nach dem Verhältnis von Gender und Diversity auf inhaltlicher, struktureller und personeller Ebene von hoher Bedeutung. Der Diversity-Diskurs, der dem Gender-Diskurs zunehmend den Platz in der öffentlichen Diskussion streitig macht, darf nicht dazu führen, dass die nach wie vor bestehende, wenngleich reduzierte Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in der Hochschule erneut unsichtbar gemacht oder zumindest als sekundär gegenüber anderen Formen der Diskriminierung hingestellt wird. Gelingt dies, wird sich die Fachhochschule Bielefeld weiterhin als Ort der gesellschaftlichen Innovation profilieren.  ◼

Potentiale, Para­doxien und Perspektiven. Gesundheitsberufe zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung Ursula Walkenhorst

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Gesundheitsberufe

Die Akademisierung der Gesundheitsberufe fällt in eine Zeit, in der sich die Diskussionen im bildungspolitischen Bereich zwischen dem Vorwurf des ›Akademisierungswahns‹ und dem Anspruch an die größtmögliche Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung bewegen. Die Entwicklung der Gesundheitsberufe bedarf jedoch einer differenzierten Betrachtung, um sie in ihrer Dynamik, aber auch in ihren Paradoxien und zu bewältigenden Aufgaben zu verstehen und in die bildungspolitischen Diskussionen einzuordnen. Der folgende Beitrag beleuchtet aus einer wissenschaftlichen Perspektive die bildungspolitischen Aspekte des Prozesses und entwickelt Optionen für den weiteren Verlauf.

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Akademisierung der Gesundheitsberufe Akademisierungsprozesse von Berufen stellen seit vielen Jahrzehnten einen wichtigen professionssoziologischen Schritt in der Entwicklung und Bewertung von Berufen dar. Sie gehen mit vielfältigen Veränderungen und Fragestellungen an die Berufe und den Prozess einher und verlaufen in der Regel in dynamischen Schleifen. Die Qualität und der Verlauf eines Akademisierungsprozesses sind dabei von vielen Faktoren abhängig, die politische, strukturelle, aber auch persönliche Einflüsse erkennen lassen. Das Ergebnis und der ›Erfolg‹ des Prozesses lassen sich nur retrospektiv bewerten, manche Entwicklungen werden in der Rückschau als zentral oder auch als kontraproduktiv bewertet. Dies trifft auch auf die Gesundheitsberufe zu. Seit mehr als 30 Jahren lassen sich die Akademisierungsbemühungen in den Gesundheitsberufen in Deutschland beobachten und analysieren und seit etwa 25 Jahren werden akademische Bildungsangebote vorgehalten. Die Berufe in der Pflege haben dabei einen ersten Entwicklungsschritt zu Beginn der 1990er-Jahre getan, während die therapeutischen Gesundheitsberufe in der Ergotherapie, Physiotherapie, Logo­ pädie sowie in der Hebammenkunde etwa zehn Jahre später folgten. Dieser Beitrag nimmt eine erste Systematisierung der vollzogenen Schritte vor und zeigt zentrale Potenziale, aber auch erkennbare Paradoxien und Perspektiven für die weitere Entwicklung auf. Die Grundlage dafür bilden die identifizierten expliziten und impliziten Themen des Akademisierungsprozesses in den Gesundheitsberufen. Dies alles geschieht zu einer Zeit, in der sich bildungspolitische Diskussionen zwischen dem Vorwurf des ›Akademisierungswahns‹ 1 und dem Anspruch an eine hohe Durchlässigkeit zwischen den Systemen der beruflichen und hochschulischen Bildung bewegen.2 Dies birgt einerseits die Gefahr, die Besonderheiten zu ignorieren, die mit dem Akademisierungsprozess in den Gesundheitsberufen einhergehen, aber andererseits auch die Chance, die ›Normalitäten‹ des Prozesses

Gesundheitsberufe

in den Gesundheitsberufen nicht überzubewerten. Ein kritisches Innehalten soll dazu beitragen, Veränderungen in den Entwicklungen zu unterstützen.

Systematisierungsentwurf des Akademisie­ rungsprozesses in den Gesundheitsberufen Die Suche nach gesundheitsbezogenen Studiengängen in Deutschland ergibt im Hochschulkompass derzeit ein Resultat von fast 400 Studiengängen. Selektiert man das Angebot nach den Krite­ rien Pflege bzw. Therapie, reduziert sich die Anzahl, jedoch wird deutlich, dass für einen externen Betrachter eine Auswahl und Zuordnung des Angebotes wenig möglich ist. Duale, additive, ausbildungsintegrierte, grundständige Studiengänge mit und ohne Anrechnung, mit einer oder mehreren Berufsfachschulen als Kooperationspartner, mit und ohne Anrechnungs­ optionen, an privaten und staatlichen Hochschulen  – gegebenenfalls mit internationalen Hochschulpartnern – zeigen das Spektrum der derzeitigen Studiengangkonstruktionen und verdeutlichen eine Heterogenität, deren Zielführung kritisch zu hinterfragen ist.3 Sie verdeutlichen die fehlende (bildungs-)politische Steuerung des Prozesses und damit die Übergabe der Qualität an den jeweiligen Bildungs­anbieter. Die politische Paradoxie zu dieser Situation zeigt sich in besonderem Maße daran, dass die Einhaltung der Umsetzung der Berufs­gesetze zum Erwerb der Berufszulassung unhinterfragt ist, während die Qualität der Umsetzung akademischer Bildungsangebote in diesem Bereich zumeist dem Bildungsmarkt überlassen bleibt. Eine Ausnahme bilden hier die primärqualifizierenden Studiengänge, die strengen Vorgaben und Auflagen unterliegen. Zusammengefasst bedeutet dies konkret, dass sich die Heterogenität der 1  Julian Nida-Rümelin: Der Akademisierungswahn. Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung, Hamburg 2014.  2  Vgl. Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zur Entwicklung des dualen Studiums (Positionspapier), Köln 2013, und ders. (Hg.): Empfehlungen zur Gestaltung des Verhältnisses von beruflicher und akademischer Bildung. Erster Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demografischen Wandels (Drucksache 3818-14), Darmstadt 2014.  3  Vgl. Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen (Drucksache 2411-12), Bonn 2012.

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Ausbildungsangebote aus dem bisherigen sekundären Bildungsbereich ungehindert in den tertiären Bildungsbereich verlagert. Diese Vielfalt hat sich über die letzten fast drei Jahrzehnte entwickelt und ist einerseits Ausdruck der Bedeutung der Gesundheitsberufe und ihrer Potenziale sowie andererseits auch Ausdruck der fehlenden Verortung der Gesundheitsberufe im Berufsbildungssystem. Im Folgenden soll ein erster Systematisierungsentwurf für die bisherige Entwicklung des Akademisierungsprozesses der Gesundheitsberufe in Deutschland vorgenommen werden. Während in bisherigen Einteilungen immer eine Gruppe der Gesundheitsberufe in den Mittelpunkt gestellt wurde, sollen hier die fünf genannten Berufe zusammen betrachtet werden. Erste Phase der Akademisierung (1980–1996)

Die erste Phase der Akademisierungsdiskussion in den Gesundheitsberufen reicht bis in die 1970er-Jahre zurück. So forderte bereits 1973 der damalige Wissenschaftsrat, die Ausbildungen in den Gesundheitsberufen für ausgewählte Berufe auf Hochschul­ ebene durchzuführen, was jedoch politisch nicht befürwortet wurde. Diese ersten Diskussionen, aber auch das Scheitern der Bemühungen können als eine erste wichtige Wurzel definiert werden. In den 1980er- und 1990er-Jahren nahmen die Diskussionen aus einer zunächst berufspolitischen Perspektive erkennbar zu. Parallel wurden neue Anforderungen an die Qualität in der Gesundheitsversorgung gestellt und die Bedeutung der Gesundheitsberufe in dem Zusammenhang neu diskutiert. Erkenntnisse über den demografischen Wandel in der Gesellschaft sowie eine Veränderung des Krankheitsspektrums in der Bevölkerung unterstützten die Forderungen nach einem bestmöglich qualifizierten Gesundheitspersonal und entsprechend veränderten Ausbildungsstrukturen. In den 1990er-Jahren verliefen diese parallel mit der Einführung der Bologna-Reform. Der Aufbau von Studiengängen im Pflegebereich ging entscheidend aus der Initiative der Robert Bosch Stiftung zur Elitenbildung der Pflege in

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Gesundheitsberufe

Deutschland hervor.4 Diese Denkschrift und die daraus resultierenden Entwicklungen dürfen als wegweisend für die gesamte Akademisierung der Gesundheitsberufe bezeichnet werden. Es wurden zunächst allerdings ausschließlich weiterbildende Studiengänge entwickelt, die auf abgeschlossenen Pflegeausbildungen aufsetzten und ihren Schwerpunkt im Bereich Pflege­pädagogik, Pflegemanagement und Pflegewissenschaft hatten. Diese Entwicklung in der akademischen Pflegebildung hat für die Akademisierung der therapeutischen Gesundheitsberufe im Weiteren eine große Bedeutung, da auch die heutigen grundständigen Studiengänge in den therapeutischen Berufen mit ihren Profilen vor dem Hintergrund der akademischen Profile im Pflege­ bereich verglichen und bewertet werden. In dieser ersten Phase wurde der Anspruch an eine grundlegende Akademisierung der Gesundheitsberufe in der Pflege jedoch nur verhalten formuliert. Es war relativ unstrittig, dass einem Studium eine abgeschlossene Pflegeausbildung vorausgehen sollte, da das Verständnis für pädagogische Prozesse oder auch für Managementprozesse nicht ohne die konkrete Erfahrung des ›Arbeitens am Bett‹ möglich schien. Der konsequente Schritt der Entwicklung primärqualifizierender Angebote auf Hochschulebene fehlte noch. Zweite Phase der Akademisierung (1997–2008)

Die zweite Phase der Akademisierung in den Gesundheitsberufen in Form von Studiengängen soll hier mit dem Beginn erster hochschulischer Bildungsangebote für die therapeutischen Gesundheitsberufe zeitlich verankert werden. Sie begann 1997 an der damaligen Fachhochschule in Osnabrück mit der Einführung eines zertifizierten Weiterbildungsstudiengangs für Ergotherapie. 1998 schloss sich ein erster Upgrading-Studiengang für deutsche Ergotherapeuten an der Hogeschool Zuyd in Heerlen in den Niederlanden an.5 Seit 2001 lässt sich diese Entwicklung in Deutschland auch mit der Möglichkeit des Erwerbs eines Bachelorabschlusses verfolgen: Osnabrück, Hildesheim und Kiel stellen

4 

Robert Bosch Stiftung (Hg.): Pflege braucht Eliten. Denkschrift zur Hochschulausbildung für Lehr- und Leitungskräfte in der Pflege, Gerlingen 19926. 5  Maria Miesen: Berufsprofil Ergotherapie 2004, Idstein 2004.

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hier die ersten Hochschulen dar, die entsprechende Konzepte entwickelten. Dabei basieren alle Konzepte auf der Möglichkeit, die Leistungen aus den bisherigen Berufsfachschulausbildungen auf das Studium anzurechnen und damit das Studium zu verkürzen.6 In den darauf folgenden Jahren folgte eine Vielzahl an Entwicklungen von Hochschulstudiengängen, die insbesondere auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Länderregelungen die bereits erwähnte Heterogenität förderten. Diese ersten Akademisierungsschritte in Form von unterschiedlich konstruierten Studiengängen können als wichtige Meilensteine bewertet werden. Der Begriff und die Vorstellung, dass es sich hierbei um ›Übergangsmodelle‹ 7 handeln sollte bzw. könnte, wurde nur bedingt formuliert. Es bestand weitestgehend Konsens, dass die berufliche Handlungskompetenz – nunmehr basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen – als das höchste anzustrebende Ziel weiterhin nur durch einen Praxispartner in Form einer Berufsfachschule und entsprechender Gesundheitseinrichtungen zu gewährleisten sei. Politisch wurde zudem parallel immer wieder die Frage nach dem Mehrwert eines Studiums im Unterschied zu einer Ausbildung gestellt. Grundständige Studiengänge, die eine wissenschaftliche Sozialisation ab dem ersten Tag mit integrierten Praxisphasen an einer Hochschule bedeutet hätten, wurden sowohl hochschulisch als auch (berufs-)politisch als noch wenig denkbar bewertet, auch wenn die Gesetze über die Berufe in der Krankenpflege und Altenpflege bereits 2003 diese Option beinhalteten.8 Zudem wurde und wird das System der Berufsfachschulen als eine wichtige Struktur in der Bildungspolitik bewertet. Dritte Phase der Akademisierung (2009–2017)

Eine dritte Phase der Akademisierung beginnt mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege (KrPflG) vom 16. Juli 2003,9 des Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege vom 25. August 200310 sowie der Einführung der Modellklausel in den Berufsgesetzen der Hebammen, Logopäden, Physiothera­ peuten und Ergotherapeuten vom 25. September 2009.11 Dabei

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Gesundheitsberufe

kann Nordrhein-Westfalen als das führende Bundesland in dem politischen Vorstoß zur Entwicklung der Modellklausel gesehen werden. Mit beiden berufsgesetzlichen Veränderungen wurden die Voraussetzungen für die Erprobung von Ausbildungsangeboten geschaffen, die der Weiterentwicklung der Berufe Ergothera­ pie, Pflege, Physiotherapie, Logopädie und Hebamme dienen sollen. Hierüber wurde Hochschulen die Möglichkeit gegeben, die gesamte Verantwortung für die Ausbildung zu übernehmen und darüber hochschulische Erstausbildungen durchzuführen. Hochschulen erhielten folglich eine neue Rolle, die sie vor neue und vielfältige Aufgaben stellte. Die Überprüfung des Erfolgs dieser neu gestalteten Studiengänge wurde durch das Bundes­ ministerium für Gesundheit (BMG) im Rahmen einer Evalua­tionsrichtlinie vorgegeben und geregelt.12 Die Ergebnisse fließen in die abschließenden politischen Entscheidungen bis Ende 2017 ein und werden bis Ende 2015 von den Bundesländern an den Bund weitergegeben. Diese Option, die die Modellklausel bzw. die Gesetze für die Pflegeberufe bieten, wird derzeit noch sehr verhalten in den Hochschulen der einzelnen Bundesländer angenommen. Die Begründungen hierfür sind vielfältig: Die Hochschulen alleine verfügen in der Regel nicht über die Ressourcen und die Kompetenz, die Studiengänge ohne Unterstützung aufzubauen, da es

6  Vgl. Kultusministerkonferenz (Hg.): Anrechnung von außerhalb des Hochschul­wesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium (I). Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 28. Juni 2002, und dies. (Hg.): Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium (II ). Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18. September 2008.  7 Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen (Drucksache 2411-12), Bonn 2012.  8  Ursula Walkenhorst: Zukunft der therapeutischen Gesundheitsberufe im Spannungsfeld von beruflicher Ausbildung und akademischer Qualifizierung (Hochschultage Berufliche Bildung 2013), in: Mathias Bonse-­Rohmann, Ulrike Weyland (Hg.): bwp@Spezial 6 – Hochschultage Berufliche Bildung 2013 (Fachtagung 10), in: http://www.bwpat.de/ht2013/ft10/walkenhorst_ft10-ht2013.pdf, S. 1–10.  9  Bundesgesetzblatt (BGBl.): Gesetz zur Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze der Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten, Berlin 2009, BI . I, S. 1442.  10  Ebd., S. 1690.  11  Ebd., S. 3158, Nr. 64.  12 Bundesministerium für Gesundheit (Hg.): Bekanntmachung von Richtlinien über die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung von Modellvorhaben nach § 4 Absatz 6 Satz 3 des Ergotherapeutengesetzes, § 6 Absatz 4 Satz 3 des Hebammengesetzes, § 4 Absatz 6 Satz 3 des Logopädengesetzes und § 9 Absatz 3 Satz 3 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes, Berlin 2009.

Ursula Walkenhorst

sich hier um neuartige Modelle handelt, die durch die Verzahnung mit den Berufsgesetzen umfassende organisatorische und juristische Strukturveränderungen bedeuten. Besteht die Kooperation mit einer Berufsfachschule, sind auch hier vielfältige Probleme zu lösen, die bei der gemeinsamen Curriculumsentwicklung beginnen und bei der Frage nach der Finanzierung beider Bildungssysteme enden. Wer sich hier auf den Weg macht, braucht in der Entwicklungsarbeit einen langen Atem und die Ausdauer, viele Gespräche mit unterschiedlichen Behörden zu führen. Dafür bedarf es entsprechender personeller Ressourcen, für die nicht immer die Mittel zur Verfügung stehen. Vierte Phase der Akademisierung (ab 2018)

Eine vierte Phase der Akademisierung – so wird in diesem Sys­ tematisierungsentwurf angenommen – wird voraussichtlich nach Beendigung der Modellklausel Ende 2017 beginnen, da dann politische Konsequenzen aus den Evaluationsergebnissen und den ersten Erfahrungen der Studiengänge gezogen werden können. Diese sind in ihrer Ausprägung nur zu vermuten. Wünschenswert wäre ein weiterer Ausbau der grundständigen Studiengänge an staat­lichen Hochschulen, die ohne die Kooperation mit Berufsfachschulen durchgeführt werden können. Wünschenswert wären Veränderungen in den Berufsgesetzen, die den Hochschulen einen größeren Freiraum in der Gestaltung der Studiengänge geben und diese damit hochschuladäquater machen könnten. Wünschenswert wären umfassende Verbleibstudien, die den Nachweis erbringen, dass das Studium einen Mehrwert hat und dass dieser seine Wirkung in der Gesundheitsversorgung zeigt. Diese vierte Phase der Akademisierung – darüber besteht Konsens bei allen Beteiligten – kann nur politisch entsprechend gefördert werden. Wenn es keine weiteren berufsgesetzlichen Veränderungen gibt, wird die Akademisierung der Gesundheitsberufe auf einer Stufe stehen bleiben, die es ihnen nicht ermöglicht, sich zu etablierten, international anschlussfähigen und im wissenschaft­ lichen Diskurs wettbewerbsfähigen Disziplinen zu entwickeln.

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Der Akademisierungsprozess stellt die Entwicklung der Gesundheitsberufe und damit auch die Hochschulen vor eine Reihe von Aufgaben, die derzeit und voraussichtlich auch zukünftig die Prozesse bestimmen werden. Parallel lassen sich einige Paradoxien identifizieren, die aus impliziten und expliziten Themen der Akademisierung resultieren und die Weichenstellung zur Weiterentwicklung beeinflussen können. Ziele und Profile der Akademisierung

Die grundsätzlichen Ziele der Akademisierung lassen sich in folgenden Aspekten zusammenfassen: Erstens  Die Akademisierung der Gesundheitsberufe dient dem Aufbau von Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung und Beantwortung aktueller und zukünftiger Gesundheitsfragestellungen und -probleme. Zweitens  Die Akademisierung der Gesundheitsberufe liefert durch ihre wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Versorgung im Gesundheitswesen. Diese Erkenntnisse werden sowohl professionell als auch interprofessionell generiert und stehen im Dienste gemeinsamer Leistungen zum Nutzen des Patienten/Klienten. Drittens  Die Akademisierung trägt durch die Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu einer Verbesserung der Qualität des jeweiligen Beitrags eines Berufes bei. Damit wird der jeweilige Teilbetrag zum Versorgungssystem auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse deutlich und nachvollziehbar. Viertens  Die Akademisierung trägt zu einer Stärkung der beruflichen Identitätsbildung innerhalb der Berufe auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse bei und schafft damit die Basis für professionelles Handeln.

Gesundheitsberufe

Potenziale und Paradoxien. Implizite und expli­ zite Themen des Akademisierungsprozesses

Ursula Walkenhorst

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Innerhalb der Studiengänge sollen die Studierenden befähigt werden, wissenschaftlich fundiert, evidenzbasiert und reflektiert in aktuellen und zukünftigen Handlungsfeldern des jeweiligen Berufes zu arbeiten. Sie sollen verantwortlich klienten-, organisations-, gesellschafts- und berufsbildbezogene Aufgaben unterschiedlicher Komplexität in den Gesundheitseinrichtungen übernehmen und an der Steuerung zentraler gesundheitsbezogener Prozesse in den Gesundheitseinrichtungen und im Gesundheitswesen mitwirken. Nicht zuletzt sollen sie zur Verbesserung der Versorgungsqualität der Bevölkerung und zur Weiterentwicklung des eigenen Berufsbildes in Wissenschaft und Forschung beitragen. Der Mehrwert des Studiums lässt sich zum größten Teil aus den Zielsetzungen der Akademisierung ableiten. So zeichnet die Hochschulabsolventen eine differenzierte Begründungsund Reflexionsfähigkeit auf der Grundlage wissenschaft­licher Erkenntnisse aus, die es ihnen ermöglicht, evidenzbasierte, theorie­geleitete und wissenschaftsbasierte Denk- und Handlungsweisen in den beruflichen Alltag einzubringen. Sie verfügen durch die Lehr-/Lernformen innerhalb der Hochschule insbesondere über eine differenzierte Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit in professionellen und interprofessionellen Kontexten. Problemlösungen gehen über die Mikroebene und damit den klassischen Klientenkontakt hinaus. Hochschulabsolventen werden befähigt, komplexe Probleme auf der Mikro-, Meso- und Makro­ebene zu lösen, und beteiligen sich dafür an der Analyse bestehender und Entwicklung von prospektiven wissenschaftsbasierten Konzepten. Nicht zuletzt zeigt sich in ihrem Handeln eine akademische Perspektive als Ausdruck einer differenzierten, wissenschaftlichen und umfassenden Sozialisation innerhalb der Hochschule.13

Aus einer professionssoziologischen Perspektive lassen sich grundsätzliche Themen und Aufgaben im Rahmen eines Akademisierungsprozesses identifizieren, die unabhängig sind von der jeweiligen Fachkultur. Hierzu gehört die Anforderung, die spezifischen Studiengänge gegebenenfalls unter Berücksichtigung vorgegebener Berufsgesetze zu entwickeln, zu implementieren und zu evaluieren. Dies geschieht in den von den Hochschulen vorgegebenen Rahmenbedingungen, die durch die Fachbereichsstrukturen sowie durch das Profil einer Hochschule geprägt sind. Der Aufbau von Wissenschaft und Forschung als zweiter wichtiger Schritt neben der Entwicklung der Studiengänge geschieht wiederum unter den Bedingungen vorhandener Ressourcen und vorgegebener Strukturen und ist nicht zuletzt abhängig von der Qualität des gewonnenen wissenschaftlichen Personals. Die Etablierung neuer Studien­gänge sowie die Entwicklung neuer wissenschaft­ licher Disziplinen geschehen immer aus der kritischen Perspektive benachbarter Fachdisziplinen und je nach Standort aus einer kritischen praktischen (Verwertbarkeits-)Perspektive. All diese Auf­ gaben sind zu bewältigen und erfordern Zeit und Raum. Betrachtet man den Akademisierungsprozess der Gesundheitsberufe, lassen sich die oben genannten expliziten Themen ebenfalls beobachten. Neben diesen Themen lassen sich jedoch fachkulturspezifische Themen identifizieren, die zum Teil eher implizit sind. Hierzu gehören die nachfolgenden Ausführungen in einer ersten analytischen Betrachtung an einigen ausgewählten Themen.

13  Vgl. Hochschule für Gesundheit Bochum (Hg.): Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe. Erweiterter Bericht zu den Ergebnissen und Konsequenzen der Evaluation der Modellstudiengänge an der Hochschule für Gesundheit Bochum unter Berücksichtigung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zu den Modellstudiengängen in NRW, Bochum 2015.

Gesundheitsberufe

Implizite und explizite Themen des Akademisierungsprozesses

Ursula Walkenhorst

Aufbau von neuen wissenschaftlichen Disziplinen in den Gesundheitsberufen: Praxis- und Handlungswissenschaften? Der Aufbau der wissenschaftlichen Disziplinen in den Gesundheitsberufen geht parallel mit dem Aufbau der Studiengänge einher und zeigt sich in ersten wichtigen Forschungsergeb­nissen. Der Forschungsbedarf in den Gesundheitsberufen wurde in unterschiedlichen Gremien identifiziert und wird durch erste Forschungsprogramme unterstützt.14 Die Aufgaben, die grundsätzlich bei der Entwicklung einer neuen wissenschaftlichen Dis­ziplin zu bearbeiten sind, ergeben sich aus den Merkmalen der­selben. Hierzu gehören unter anderem die konkrete Definition des wissenschaft­lichen Gegenstandes, die Identifizierung disziplin­spezifischer Frage­ stellungen sowie die Konkretisierung der gegenstands­spezifischen Methodik. Für die Gesundheitsberufe, die stark an den Erfordernissen der Praxis orientiert sind und in ihrer Ausgestaltung der Studiengänge berufsgesetzlich reglementiert sind, stellt sich hier besonders die Frage nach dem wissenschaftlichen Selbstverständnis. Handelt es sich hier um den Aufbau von Praxiswissenschaften, Handlungswissenschaften oder Praktischen Wissenschaften? Welche Bedeutung hat eine Grundlagenforschung oder angewandte Forschung? Diese Fragen wurden bereits in den vergangenen Jahren in einer sich etablierenden Pflegewissenschaft diskutiert.15 Aus einer Klärung des Selbstverständnisses ergeben sich sowohl für die Forschung als auch für die Strukturen an den Hochschulen Konsequenzen. Eine praxisorientierte Wissenschaft setzt einen starken Anwendungsbezug voraus und unterstützt die derzeitige Etablierung der Gesundheitsstudiengänge im Fachhochschul­bereich. Sie orientiert sich an einer konkreten Handlungsebene und erforscht maßgebliche Strukturen und Prozesses des jeweiligen Handlungsfeldes. Eine wissenschaftliche Betrachtung der Praxis erfordert eine kritische Distanz zur Praxis und stellt Grundlagenfragen, für die es ergänzend entsprechender Lehrstühle an Universitäten

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Gesundheitsberufe

bedarf, wie dies für die Pflegeberufe bereits der Fall ist. Diese Form der Forschung, die den Charakter einer Disziplinforschung hat, stellt die Generierung von Theorien und das wissenschaft­ liche Wissen in den Vordergrund.16 Praxisforschung, die eine Optimierung der Praxis zum Gegenstand hat, stellt in einer möglichen Forschungsentwicklung der Gesundheitsberufe die erste Stufe dar und kann zum jetzigen Zeitpunkt zu einer Reduzierung der Kluft zwischen Theorie und Praxis beitragen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung sollte die Disziplinforschung als eine anzustrebende Forschungsperspektive eingenommen und strukturell ausgebaut werden, damit es zu einer Verwissenschaftlichung der Berufe kommt und nicht zu einer Verberuflichung der Wissenschaft. Dies könnte perspektivisch zu einer fehlenden Akzeptanz der Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung mit angrenzenden wissenschaftlichen Disziplinen führen. Die Überlegungen zum Aufbau der wissenschaftlichen Disziplinen in den Gesundheitsberufen gehen, wie bereits deutlich wurde, mit der Frage nach der strukturellen Verortung der Studiengänge an den Hochschulen einher. Welches wird der beste Ort für die Akademisierung sein? Sind es die Fachhochschulen oder die Universitäten mit den medizinischen Fakultäten? Sind es gegebenenfalls Kombinationsmodelle? 17 Ist es überhaupt eine medizinische Fakultät oder sind auch Etablierungen etwa an gesundheits- oder rehabilitationswissenschaftlichen Fakultäten möglich? Welche Bedeutung werden eigenständige Hochschulen für Gesundheit (›Health Universities‹) in dem Zusammenhang

Vgl. Michael Evers, Tanja Grewe, Heidi Höppner, Walter Huber, Friederike zu Sayn-Wittgenstein, Renate Stemmer, Sebastian Voigt-Radloff, Ursula Walkenhorst: Forschung in den Gesundheitsfachberufen. Potenziale für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung in Deutschland, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift, Jg. 2012, Supplement Nr. 2, S. 29–76, S. 137.  15  Vgl. Jutta Dornheim, Hanneke van Maanen, Jörg Alexander Meyer, Hartmut Remmers, Ute Schöniger, Ruth Schwerdt, Karin Witt­ neben (Arbeitsgruppe Wissenschaftstheorie): Pflegewissenschaft als Praxiswissenschaft und Handlungswissenschaft, in: Pflege und Gesellschaft, Jg. 4, 1999, S. 73–79, und Ingrid Voll­ stedt: Pflegewissenschaft als Praxiswissenschaft und Handlungswissenschaft von Jutta Dornheim und Kolleginnen. Eine kritische Betrachtung, in: Pflege und Gesellschaft, 6. Jg., Nr. 1, 2001, S. 8–17.  16  Vgl. Ursula Walkenhorst: Aufbau einer ergotherapeutischen Forschung. Theoretische und empirische Grundlagen, Teil I: Theoretische Grundlagen, in: Ergotherapie & Rehabilitation 8/05, 2005, S. 22–25.  17  Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen (Drucksache 2411-12), Bonn 2012. 

Ursula Walkenhorst

haben? Ermöglichen sie eine professionelle wissenschaftliche Etablierung der Gesundheitsberufe? Wie lässt sich an diesem Ort der wissenschaftliche Diskurs mit den übrigen Disziplinen aufrechterhalten bzw. herstellen? All diese Fragen gilt es in den nächsten Jahren zu beantworten und dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die jetzige berufsfachschulische Ausbildung weiterhin nicht nur bestehen, sondern auch den größten Anteil der Absolventen ausmachen wird, da zunächst nur von einem geringen Prozentsatz – zehn bis 20 Prozent – an akademisch ausgebildetem Personal ausgegangen wird.18

Verhältnis der Gesundheitsberufe zur Medizin Ein wichtiger Entwicklungsschritt in der Akademisierung der Gesundheitsberufe wird die Zusammenarbeit mit der Medizin und hier bereits die Ausbildung mit Medizinern sein.19 Diese Kons­truktion stellt nicht nur eine entsprechende Akzeptanz der Akademisierung in der medizinischen Fachöffentlichkeit her, sondern unterstreicht auch die Bemühungen der Akademisierung, nicht berufsständisch, sondern aus der Perspektive zum Wohle und im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung zu agieren. Die Gesundheitsberufe sind durch ihre Historie in der Zusammen­arbeit mit der medizinischen Disziplin zumeist belastet. Die hierarchischen Strukturen in den Gesundheitseinrichtungen sowie eindeutige rechtliche Vorgaben haben die Berufe bisher in die Rolle des ›mitarbeitenden‹ oder ›hilfsarbeitenden‹ Personals gebracht. Es ist ein wichtiges Ziel der Akademisierung, autonom und eigenverantwortlich gesundheitsbezogene Dienstleistungen anzubieten und unabhängig von medizinischen Verordnungen die bestmögliche Behandlung durchzuführen. Dieser Wunsch scheint ein Paradoxon zu dem notwendigen Schritt des Aufeinanderzugehens der Medizin und der Gesundheitsberufe zu sein. Während es auf der Seite der Medizin häufig Unwissenheit über die Gesundheitsberufe und deren Leistungen gibt, gibt es auf der

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Gesundheitsberufe

Seite der Gesundheitsberufe häufig Vorbehalte in der Zusammenarbeit, die aus den bisherigen Erfahrungen in der Praxis resultieren. Für eine gelingende Akademisierung der Gesundheitsberufe ist es zentral, dass die Praxiserfahrungen nicht ihren Niederschlag in den Hochschulen finden. Emanzipationsprozesse der Gesundheitsberufe, die sich in einer fehlenden Auseinandersetzung mit der Medizin und einer möglichen Ablehnung notwendiger Dialogstrukturen niederschlagen, widersprechen den Empfehlungen von Fach­experten und tragen zu einer Fortführung des bisherigen ambivalenten Verhältnisses zwischen den Berufen bei. Wie kann dieses sensible Thema gestaltet werden? Zunächst bedarf es eines entsprechenden medizinisch-wissenschaftlichen Personals, das an den Hochschulen mit den fachspezifischen Kollegen lehrt und lernt. Gemeinsame Veranstaltungen, gemeinsame Lehr- und Forschungsprojekte sowie gemeinsame Konferenzen stellen hier mögliche erste Schritte dar. Kooperationen mit medizinischen Fakultäten im Sinne des Wissenschaftsrates als ›Gesundheitscampus‹ 20 oder auch gemeinsame Lerneinheiten zwischen den Studiengängen in der Medizin mit den Studiengängen in den Gesundheitsberufen können dabei zu Verständnis und einer gelingenden Zusammenarbeit beitragen.21

Akademische Lehre versus berufliche Ausbildung? Eine zentrale Frage, die an Hochschulvertreter im Rahmen des Akademisierungsprozesses gerichtet wird, ist die nach dem Mehrwert des Studiums im Unterschied zu einer berufsfachschu­lischen

18  Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen (Drucksache 2411-12), Bonn 2012.  19  Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Gutachten des Sachverständigen­ rates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung, Baden-Baden 2007, Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen (Drucksache 2411-12), Bonn 2012, und Ursula Walkenhorst, Thorsten ­Schäfer: Gemeinsam handeln. Ärzte und Gesundheitsfachberufler in der Ausbildung, in: Dr. med. Mabuse, Heft 197, 37. Jg., 2012, S. 35–37.  20  Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen (Drucksache 2411-12), Bonn 2012.  21  Vgl. das Programm Operation Team der Robert Bosch Stiftung, 2013).

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Ausbildung. Das berufliche Bildungssystem in Deutschland erfährt durch diese Fragestellung zwar eine Form der Würdigung; jedoch ist davon auszugehen, dass die besonderen Rahmenbedingungen für die berufsfachschulische Ausbildung wenig bekannt sind – unter anderem Schulgeld, keine geregelte Lehrerbildung. Zudem muss diese Frage gleichfalls nachdenklich machen, da sie auch impliziert, dass der Mehrwert einer akademischen Aus­ bildung nicht sofort benannt werden kann. Für den Akademisierungsprozess der Gesundheitsberufe stellt sich in besonderem Maße die Anforderung, sich mit der Unterscheidung einer akademischen Lehre zu einer Lehre im Rahmen der beruflichen Ausbildung auseinanderzusetzen, da die berufsgesetzlichen Vorgaben die Studiengangkonzeptionen in hohem Maße bestimmen und übliches hochschulisches Lernen erschweren. Unter einer akademischen Lehre wird hier in Anlehnung an das akademische Kompetenzprofil der Hochschulrektorenkonferenz eine Didaktik verstanden, die es sich in der Lehre zum Auftrag gemacht hat, Studierende zu befähigen, wissenschaftliche Konzepte auf komplexe Anforderungskontexte anwenden, komplexe, wissenschaftliche Sachverhalte analysieren und reflektieren, neue, innovative Konzepte und Problemlösungen erschaffen und gestalten, wissenschaftliche Konzepte und Methoden anschlussfähig kommunizieren sowie eigenes problemlösungs- und erkenntnisgeleitetes Handeln selbst regulieren und reflektieren zu können.22 Um dies in den neu gestalteten Studiengängen umzusetzen, bedarf es eines lehrenden Personals, das in der Lage ist, die Anforderungen auf die Inhalte der Gesundheitsberufe zu transferieren und didaktisch unterschiedliche Lehr- und Lernarrangements zu gestalten, die über das bisherige berufliche Ausbildungsniveau hinausgehen. Aktuell finden sich in den Hochschulen neben den fachwissenschaftlich besetzten Professuren zumeist Lehrende, die eine einschlägige abgeschlossene berufliche Ausbildung in einem Gesundheitsberuf und einen akademischen Grad in einem affinen wissenschaftlichen Fach erworben haben sowie häufig einige Jahre als Lehrende an einer Berufsfachschule tätig

Gesundheitsberufe

gewesen sind. Ihre Lehre ist durch ein hohes inhaltliches und berufsbezogenes Engagement geprägt. In dem eigenen Beruf selber nicht akademisch sozialisiert zu sein, erfordert nun in den Studiengängen ein Neu- und Umdenken. Für diese neue akademische Lehre in den Studiengängen bedarf es daher der Erkenntnisse über eine Didaktik der Gesundheitsberufe, die fachdidaktische und berufsfelddidaktische Aspekte beinhaltet. Entsprechende pädagogische Studiengänge in diesem Bereich finden sich sowohl hochschulisch – etwa in der Fachhochschule Bielefeld, der Fachhochschule Münster oder der Hochschule Esslingen – als auch universitär – beispielsweise in der Universität Bremen, der Universität Osnabrück oder der RWTH Aachen – für Lehrende an den Berufsfachschulen bzw. den berufsbildenden Schulen. Aus diesen Bildungs­angeboten sind bereits einige wichtige Publikationen hervorgegangen.23 Eine grundlegende Didaktik der Gesundheitsberufe, die auch aus einer interprofessionellen Perspektive die Handlungsfelder betrachtet sowie die hochschuldidaktische Perspektive einnimmt, ist erst in Ansätzen vorhanden.24 Für die Hochschulen ergeben sich daraus die Erfordernisse, die Berufsbildungsforschung in diesem Bereich aktiv zu unterstützen, spezifische hochschuldidaktische Weiterbildungen zu entwickeln und gegebenenfalls Professuren mit didaktischen Denominationen einzurichten. Die Lehre in den Gesundheitsberufen weist seit vielen Jahren einen hohen Innovationsgrad aus, der durch verschiedene Reformen auf Landes- und Bundesebene initiiert wurde. Dieses Potenzial kann für den notwendigen Entwicklungsstrang einer hochschulischen Lehre im Rahmen des Akademisierungsprozesses genutzt und ausgebaut sowie für andere Disziplinen modellhaft werden.

22  Vgl. Niclas Schaper: Kompetenzorientierung in Studium und Lehre. Fachgutachten für die Hochschulrektorenkonferenz, Bonn 2012.  23  Vgl. Ingrid Darmann-Finck, Ulrike Böhnke, Katharina Straß (Hg.): Fallrekonstruktives Lernen. Ein Beitrag zur Professionalisierung in den Berufsfeldern Pflege und Gesundheit, Frankfurt am Main 2009, Christa Olbrich (Hg.): Modelle der Pflegedidaktik, München 2009, oder Barbara Klemme (Hg.): Lehren und Lernen in der Physiotherapie, Stuttgart 2012.  24  Karin Reiber: Hochschuldidaktik für gesundheitsbezogene Studiengänge. Eine theoretische Grundlegung (Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik, Band 8/1), Tübingen 2012.

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Interprofessionalität versus Professionalität? Ein viertes implizites Thema stellt eine zentrale Anforderung aus der Gesundheitsversorgung dar. Verschiedene Gutachten und Empfehlungen 25 betonen die Notwendigkeit einer interprofessionellen Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe in der Versorgung. Um diese zu gewährleisten, müssen einerseits die Aufgaben, rechtliche Vorgaben, Strukturen und Konzepte in den Gesundheitseinrichtungen kritisch reflektiert werden und andererseits die Ausbildungssituation in den Gesundheitsberufen analysiert werden. In beiden Handlungsfeldern – im Bildungs- und Gesundheitsbereich – finden entsprechende Auseinandersetzungen und Entwicklungen statt und es besteht Konsens darüber, dass diese zukünftig noch weiter intensiviert werden müssen. Was bedeutet dies für den Akademisierungsprozess in den Gesundheitsberufen? Die Anforderung, sich in seinem wissenschaftlichen Selbstverständnis zu finden und die eigene wissenschaftliche Disziplin aufzubauen, eine fachspezifische akademische Lehre zu gestalten sowie das grundsätzliche Verhältnis mit der Medizin zu klären, geht zugleich mit der Anforderung einher, sich mit den übrigen Gesundheitsberufen zusammen- und auseinanderzusetzen, in gleichberechtigter Weise an der Lösung gesundheitlicher Versorgungsfragen zu arbeiten und gemeinsame Curricula zu entwickeln. Dies stellt die Beteiligten vor hohe Anforderungen, da die notwendigen fachspezifischen Identitätsfindungsprozesse parallel zu den interprofessionellen Diskussionen erfolgen. Ein gelingender Prozess in dieser Thematik bedeutet eine kontinuierliche Reflexion des Prozesses auf einer Metaebene und setzt die Bereitschaft voraus, den interprofessionellen Diskussionsprozess als notwendig für die Entwicklung der eigenen Disziplin zu definieren. In diesem Kontext tragen Förderprogramme 26 zu wichtigen Entwicklungsschritten bei und begleiten die Entwicklung von entsprechenden gemeinsamen Curricula.

Die Akademisierung der Gesundheitsberufe, die in vielen Hochschulen – auch in der Fachhochschule Bielefeld – zentrale Studiengänge im Bereich der Pflege, Therapie und im Hebammen­ bereich hervorgebracht hat, steht nach dem in diesem Beitrag entwickelten Phasenmodell an der Schwelle zwischen der dritten und vierten Phase. Wie sehen die weiteren Perspektiven aus? Die expliziten und impliziten Themen haben wichtige Entwicklungsschritte, aber auch notwendige Aufgaben deutlich gemacht, die in den nächsten Jahren von den beteiligten Personen in den wissenschaftlichen Disziplinen zu leisten sind. Die komplexen berufs- und bildungspolitischen Fragen, die konkret mit der Akademisierung einhergehen, können nicht alle von den Hochschulen und von den Fachwissenschaftlern beantwortet und bewältigt werden. Hier sind weitere Disziplinen gefragt, sich mit den Transitionsprozessen der Berufe zu beschäftigen und Lösungen zu entwickeln.27 Eine weitere strukturelle Grundlage bilden entstandene Netzwerke und Verbände in den Gesundheitsberufen wie der Nationale Gesundheitsberuferat, der Hochschulverbund für Gesundheitsfach­berufe (HVG), der Verband Hochschulen für Gesundheit (HoGe) sowie pflegespezifische Verbände, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Akademisierung der Berufe strukturell zu begleiten und relevante Themen politisch und wissenschaftlich sichtbar zu machen.28 Die ersten Absolvierenden der Studiengänge im Gesundheitswesen haben ihren Platz gefunden, aber – das zeigen verschiedene Absolventenstudien 29 – der Arbeitsmarkt ist noch nicht für

Gesundheitsberufe

Perspektiven hochschulischer Bildung

25  Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheits­ wesen – siehe Anm. 15 – sowie Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen (Drucksache 2411-12), Bonn 2012, und Robert Bosch Stiftung (Hg.): Memorandum Kooperation der Gesundheitsberufe. Qualität und Sicherung der Gesundheitsversorgung von morgen, Stuttgart 2010.  26  Unter anderem der Robert Bosch Stiftung (Operation Team).  27  Ursula Walkenhorst: Akademisierung der therapeutischen Gesundheitsfachberufe – Chancen und Herausforderungen für Berufe im Übergang (Hochschultage Berufliche Bildung 2011), in: Mathias Bonse-Rohmann, Ulrike Weyland (Hg.): bwp@Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, (Fachtagung 10), in: http://www.bwpat.de/ht2011/ft10/walkenhorst_ft10-ht2011.pdf (26.9.2011).

Ursula Walkenhorst

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sie vorbereitet. Die ersten Forschungsprojekte sind neben dem zeitaufwendigen Aufbau der Studiengänge an den Hochschulen entwickelt und durchgeführt worden. Hier bedarf es weiterer Veränderungen in den hochschulischen Strukturen, die diese Forschungsaktivitäten fördern und mit entsprechenden Ressourcen ausstatten.30 Der Aufbau der wissenschaftlichen Disziplinen als wichtiger Schritt im Akademisierungsprozess hat bisher erst in Ansätzen stattgefunden. Die bisherigen Bemühungen, die Studiengänge auch an den Universitäten zu etablieren, stecken noch in den Kinderschuhen und damit bleibt auch die Möglichkeit versperrt, Lehrstühle mit entsprechenden Promotions- und Habilitationsmöglichkeiten zu schaffen. Hier bedarf es einer weiteren Öffnung der Universitäten im Hinblick auf die Einrichtung entsprechender Lehrstühle und damit der Möglichkeit, die Forschung in Kooperation mit den Fachhochschulen weiter voranzubringen und kooperative Promotionen zu stärken. Die Gestaltung der eigenen Disziplin, die Positionierung zu den übrigen Bezugswissenschaften und empirische Erkenntnisse über den bestmög­lichen Zeitpunkt für interprofessionelle Ausbildungskonzepte werden die Berufe in den nächsten Jahren im Akademisierungsprozess nachhaltig beschäftigen. Dies alles stellt sich für die Beteiligten als ein umfassender und erst in vielen Jahren sich entwickelnder Prozess dar, der die Unterstützung von Wissenschaft und Politik benötigt.  ◼

Gesundheitsberufe 28  Hochschule für Gesundheit Bochum (Hg.): Weiterentwicklung der Gesundheits­ fach­berufe. Erweiterter Bericht zu den Ergebnissen und Konsequenzen der Evaluation der Modell­studiengänge an der Hochschule für Gesundheit Bochum unter Berücksichtigung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zu den Modellstudiengängen in NRW, Bochum 2015.  29  Vgl. Carola Hluchy, Christoff Zalpour: Absolventenbefragung der ersten Jahrgänge akademisch ausgebildeter Ergotherapeuten (2003–2008) am Beispiel der Fachhochschule Osnabrück, in: ergoscience 3, 2010 (5), S. 119–129, und Kerstin Baum­ garten: Ergebnisse von Absolventenverbleibstudien im Studienbereich Gesundheitsförderung und -management der Hochschule Magdeburg-Stendal, in: Gesundheit Berlin-Brandenburg (Hg.): 16. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit (Dokumentation), Berlin 2011, S. 1–8.   30  Michael Evers, Tanja Grewe, Heidi Höppner, Walter Huber, Friederike zu Sayn-Wittgenstein, Renate Stemmer, Sebastian Voigt-Radloff, Ursula Walkenhorst: Forschung in den Gesundheitsfachberufen. Potenziale für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung in Deutschland, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift, Jg. 2012, Supplement Nr. 2, S. 29–76, S. 137.

Innovationen in Pflege und Gesundheit im Spiegel der Forschung Annette Nauerth

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Innovationen in Pflege und Gesundheit

In den letzten 20 Jahren hat sich das Berufsfeld Pflege und Gesundheit in Deutschland sehr stark entwickelt. Vielfältige Innovationen sind in diesem Feld auf den Weg gebracht worden. In diesem Beitrag wird diese Entwicklung anhand der Lehreinheit Pflege und Gesundheit an der Fachhochschule Bielefeld nachgezeichnet, da hier sozusagen in nuce auch die großen Entwicklungslinien abgebildet werden können. Beate Rennen-Allhoff war an diesen Entwicklungen zentral beteiligt – zunächst als Vorsitzende der Aufbau­kommission in der Lehreinheit und später in ihrem Amt als Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld.

Annette Nauerth

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Zur Ausgangslage Mit der Denkschrift der Robert Bosch Stiftung Pflege braucht E ­ liten aus dem Jahr 1992 wurde ein wichtiger Anstoß im Hinblick auf die Akademisierung der Pflege in Deutschland gegeben.1 Im europäischen Kontext waren damals bereits in den meisten Ländern die Gesundheitsberufe auf der Tertiärebene des Bildungssystems angesiedelt und hatten sich an Hochschulen etabliert. In Deutschland wurde erkannt, dass hier ein Nachholbedarf bestand, um den Anschluss nicht zu verlieren. Politisch wurde darum im Anschluss an die Denkschrift entschieden, zunächst nicht die Primärausbildung an Hochschulen zu etablieren, sondern in einem ersten Schritt lediglich Pflegekräfte für Lehr- und Leitungstätigkeiten an Hochschulen zu qualifizieren. Innerhalb weniger Jahre etablierten sich auf diese Weise bis 2000 bundesweit mehr als 40 Studiengänge im Bereich Pflege und Gesundheit – vorwiegend an Fachhochschulen – und sorgten für die ersten Schritte zu einer Akademisierung der Gesundheitsberufe. In Nordrhein-Westfalen wurden in dieser Zeit an drei Fachhochschulen Studiengänge für Lehrkräfte im Bereich der Pflege eingerichtet: an der Fachhochschule Münster, der Katholischen Fachhochschule Köln und der Fachhochschule Bielefeld. Der Fachbereich Pflege und Gesundheit der Fachhochschule Bielefeld wurde 1996 gegründet, um den Aufbau des Studiengangs Pflegepädagogik durchzuführen. Als Beauftragte für den Aufbau und spätere Vorsitzende der Aufbaukommission wurde 1995 Beate Rennen-Allhoff berufen. An Hochschulen verankerte Studiengänge zur Qualifizierung von Lehr- und Leitungstätigkeiten bedingen immer auch eine Entwicklung der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin. Diese Disziplin Pflegewissenschaft wurde allerdings nur an wenigen universitären Standorten etabliert: Berlin, Bremen, Halle-­Wittenberg, Bielefeld, Witten-Herdecke und Osnabrück. 1996 befand sich die Pflegewissenschaft in Deutschland erst im Aufbau. Bezeichnenderweise gab es 1996 lediglich eine einschlägige deutschsprachige

Innovationen in Pflege und Gesundheit

wissenschaftliche Zeitschrift, die zudem selbst erst seit 1988 in der Schweiz herausgegeben wurde (Pflege). Der umfassende Auftrag von Hochschulen in einer solchen Ausgangssituation lautet: Durch Forschung wissenschaftliche Innovationen hervorbringen, diese im Bereich der Lehre inte­ grieren und auf diese Weise Qualifikation(en) schaffen, damit die so hochschulisch Ausgebildeten die gesellschaftlichen Bedarfe adressieren können.

Konzeptentwicklung und Etablierung der Studiengänge und deren Evaluation: Der Diplomstudiengang Pflegepädagogik Unter der Leitung von Beate Rennen-Allhoff wurde 1995 der Studiengang Pflegepädagogik in Bielefeld konzipiert und ab 1996 umgesetzt. Dieser zeichnete sich dadurch aus, dass er einerseits Neuland betrat (einphasige Lehrerbildung), andererseits aber den Anschluss an die übliche Lehrerbildung hielt, indem die Grundstruktur der Lehrerbildung (Qualifizierung in zwei Fachgebieten und Bildungswissenschaften) aufgenommen und umgesetzt wurde, um einen Übergang in das Berufsbildungssystem sowie eine Anschluss­fähigkeit an die universitäre Lehrerbildung möglich zu machen.2 In diesem Studiengang wurden schon einige Innovationen eingeführt, die inzwischen auch in der etablierten Lehrerbildung an Universitäten realisiert werden: ein frühes Orientierungspraktikum, um die Studien- und Berufswahl zu überprüfen, und ein integriertes Praxissemester, das von der Hochschule

1 

Robert Bosch Stiftung (Hg.): Pflege braucht Eliten. Denkschrift zur Hochschulausbildung für Lehr- und Leitungskräfte in der Pflege, Gerlingen 19926.  2  Vgl. Beate Rennen-­ Allhoff: Konzeption des Studiengangs Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Bericht aus Lehre und Forschung, Nr. 1, Bielefeld 1997; dies.: Evaluation des Lehrangebotes im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld. Ergebnisse der Eingangsbefragung, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Bericht aus Lehre und Forschung, Nr. 2, Bielefeld 1997; dies.: Untersuchungen zur Studierbarkeit des Studienangebotes im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Bericht aus Lehre und Forschung, Nr. 3, Bielefeld 1997, sowie dies.: Evaluation des ersten Studienjahres im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Bericht aus Lehre und Forschung Nr. 4, Bielefeld 1997.

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intensiv begleitet wird. Hiermit wurde der nötigen Praxisorientierung umfassend Rechnung getragen. Die Wissenschaftsorientierung realisierte sich nicht zuletzt darin, dass dem Thema Forschung von Anfang an großes Gewicht zugemessen wurde. Sowohl Konzepte im Bereich Forschendes Lernen als auch der Bedarf im Hinblick auf ein Forschenlernen wurden von Anfang an mitgedacht.3 So wurden beispielsweise die Studierenden schon im ersten und zweiten Semester an Forschungsfragen herangeführt und führten ein erstes kleines Projekt durch. Dies hatte Konsequenzen auch für die eigene Arbeit in der Hochschule. Der erste Studiengang wurde denn auch umfassend evaluiert – gefördert vom Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung NRW; davon zeugen seit 1997 die ersten Berichte aus Lehre und Forschung – eine Reihe, die schon in der Aufbauphase entwickelt wurde. Die eigenen Lehrkonzepte verschiedener Professoren der Lehreinheit wurden veröffentlicht und einer Evaluation unterzogen.4 In jedem Semester erfolgte zu einer Zeit, als die Hochschule in den anderen Bereichen noch nicht an die regelmäßige Evaluation von Lehre als Mittel der Qualitätssicherung dachte, eine Lehrevaluation. Aber schon in den ersten zwei Jahren begann eine Diskussion über einen umfassenderen Aufbau von eigener Forschung im engeren Sinn. Es wurde vor diesem Hintergrund ein Kooperationsvertrag mit der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld geschlossen. Mit der dort neu berufenen Professorin für Pflegewissenschaft (Doris Schaeffer) und dem Institut für Pflegewissenschaft wurden erste Absprachen getroffen. Während die Universität sich auf Versorgungs­forschung spezialisieren wollte, so die ersten Überlegungen, sollte sich die Fachhochschule Bielefeld im Bereich Praxisforschung und Bildungsforschung betätigen. Hinter einer solchen Aufteilung stand nicht zuletzt die Überzeugung, dass in allen pflegewissenschaftlichen Forschungsfeldern in Deutschland noch viel zu tun sei – eine Situa­tion, die nach wie vor noch besteht.5 Auch die Literatur­basis für die Studiengänge war im Bereich Pflegewissenschaft noch

Innovationen in Pflege und Gesundheit

relativ schmal. Schaeffer und Rennen-Allhoff konzipierten darum 2000 das Handbuch Pflegewissenschaft und gaben es im Juventa-­Verlag heraus. Damit lag ein erstes umfassendes Kompendium zu diesem Themenfeld vor.6 Daneben legte der junge Fachbereich Wert darauf, in den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen von anderen Hochschulen zu kommen und vor allem auch den Austausch mit der Praxis zu suchen. Der Fachbereich startete daher eine erste Workshopbzw. Tagungsreihe, um Austausch und Vernetzung zu fördern. Die Ergebnisse wurden in der Reihe Workshop-Reader 7 veröffentlicht. Diese Arbeit trug wesentlich zur Vernetzung mit den Schulen in der Region bei, sodass die Studierenden im Praxis­semester auf ein vorbereitetes Feld trafen. Durch die Einbeziehung der Schulen in die Diskussion von Neuerungen in der Pflege­praxis und Pflegebildung entstand insgesamt ein innovationsförderliches Klima in der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL) im Bereich der Gesundheitsbildung.

3  Ludwig Huber: Warum forschendes Lernen nötig und möglich ist, in: Ludwig Huber, Julia Hellmer, Friederike Schneider (Hg.): Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen, Bielefeld 2009, S. 9-35.  4  Vgl. Anm. 1. sowie Beate Rennen-Allhoff: Evaluation des 2. Studienjahres im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Bericht aus Lehre und Forschung, Nr. 7, Bielefeld 1998; Annette Nauerth: Konzeption des Vertiefungsbereiches »Naturwissenschaftliche Grundlagen der Pflege« im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Bericht aus Lehre und Forschung, Nr. 5, Bielefeld 1998; und dies.: Evaluation des Vertiefungsbereiches »Natur­ wissenschaftliche Grundlagen der Pflege« im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld (Fachhochschule Bielefeld: Bericht aus Lehre und Forschung 10), Bielefeld 2001.  5  Vgl. Johann Behrens, Stefan Görres, Doris Schaeffer, Sabine Bartholomeyczik, Renate Stemmer: Agenda Pflegeforschung für Deutschland (Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft), Halle/Saale 2012; und Ingrid Darmann-Finck: Berufsbildungsforschung in den Gesundheitsberufen – auf dem Weg zu einer Agenda (Keynote zur Fachtagung des Instituts für Bildungs- und Versorgungsforschung im Gesundheitsbereich der Fachhochschule Bielefeld – InBVG – am 22. Januar 2014 in der Ravensberger Spinnerei), Bielefeld 2014.  6  Beate Rennen-­Allhoff, Doris Schaeffer (Hg.): Handbuch Pflegewissenschaft, Weinheim 2000.  7  Vgl. http://www.fh-bielefeld. de/inbvg/publikationen (13.6.2015).

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Entwicklung weiterer Studiengänge: Der Diplomstudiengang Lehrer/in für Gesundheitsberufe Noch bevor die ersten Absolventinnen und Absolventen im Studiengang Pflegepädagogik entlassen waren, wurde bereits der nächste Studiengang entwickelt, der 2000 an den Start ging: Lehrer/in für Gesundheitsberufe. In diesem Studiengang sollten Lehrkräfte für die anderen Gesundheitsberufe ausgebildet werden – beispielsweise in Physiotherapie oder Ergotherapie. Die Etablierung dieses Studiengangs erfolgte noch in Kooperation mit den Ministerien, die auch die Studien- und Prüfungsordnung begutachteten. Mit diesen Stu­dien­gän­gen begann zudem eine innovativ erweiterte, interdisziplinäre und inter­pro­fes­sionel­le Lehrgestaltung, die organisatorische und inhaltliche Heraus­forderungen mit sich brachte. Während fachspezifische Lehrveranstaltungen wichtige Grundlagen in der eigenen Disziplin fokussierten, führten gemeinsame Veran­staltungen etwa im Bereich der Naturwissenschaften, der Sozialwissenschaften und der Gesund­ heitswissenschaften zu einem interprofessionellen Austausch der Stu­die­ren­den untereinander. Pflegekräfte, Hebammen, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Ergo­therapeutinnen und l-therapeuten lernten sich gegenseitig in ihren jeweiligen spezifischen Zugängen zu den ihnen gemeinsamen Themen kennen. Mit der Bologna-Reform nutzte die Lehreinheit die Chance, die vorhandenen Erfahrungen mit interprofessioneller Lehre auch konzeptionell umzusetzen. Es erfolgte die Umstellung auf eine konsekutive Studienfolge mit verschiedenen Studienrichtungen (Bachelor Anleitung und Mentoring, Master Berufspädagogik). Damit wurden gleichzeitig Kapazitäten für die Entwicklung eines Managementstudiengangs frei, der das Studienangebot sinnvoll ergänzte.

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Im Kontakt mit den Praxiseinrichtungen der Region wurde allmählich deutlich, dass auch in der Region OWL ein Bedarf im Bereich des Managements für Absolventinnen und Absolventen von Studiengängen besteht. Vor diesem Hintergrund wurde ein entsprechendes Angebot für Gesund­heitsberufe entwickelt und etabliert.8 Auch im Rahmen dieses Studiengangs wurden verschiedene innovative Konzepte wie das Mentoring-Programm für Frauen in Leitungspositionen umgesetzt und erprobt.9

Innovationen in Pflege und Gesundheit

Der Bachelor Pflege und Gesundheit, der sogenannte Leitungsbachelor

Der duale Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege Für die Einrichtung einer grundständigen Pflegeausbildung auf Hochschulniveau wurde in Deutschland bereits lange geworben und gearbeitet. Als sich im Jahr 2009 mit der sogenannten Modellklausel die Möglichkeit ergab, in diesen Bereich einzusteigen, entwickelte auch die Fachhochschule Bielefeld ein duales Angebot in Kooperation mit Berufsfachschulen. Dieses Angebot existiert seit 2010 und hat inzwischen die ersten Absolventinnen und Absolventen entlassen. Auch diese jüngste Innovation unter den Studiengängen konnte von einem umfangreichen Entwicklungs- und Evaluationsprogramm begleitet werden, da entsprechende Mittel eingeworben wurden.10

Zur Forschungsentwicklung: Der Aufbau von Bildungsforschung In der zweiten Pflegedenkschrift der Robert Bosch Stiftung zum Thema Pflegewissenschaft (1996)11 wurde Pflegeforschung in fünf

8  Annette Nauerth: Konzept für den Bachelor-Studiengang Pflege und Gesundheit, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Bericht aus Lehre und Forschung Nr. 15, Bielefeld 2002. 9  Verantwortlich waren Annette Nauerth und Ursula Walkenhorst.  10  Vgl. das Projekt Zikzak, verantwortet durch Barbara Knigge-Demal, Änne-Dörte Latteck und den Kollegen Matthias Mertin.  11  Robert Bosch Stiftung (Hg.): Pflegewissenschaft. Grundlegung für Lehre, Forschung und Praxis. Denkschrift, Gerlingen 19966.

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Bereiche unterteilt: Pflegepraxis, Pflege als Organisation und Institution, Pflegepolitik als Teil der Gesundheits- und Sozialpolitik, Historische Pflegeforschung und Bildungsforschung. Da sich Pflegeforschung in Bielefeld parallel zur jeweils aktuellen Arbeit am Aufbau der verschiedenen Studiengänge entwickelte und sich am Bedarf dieser Studiengänge orientierte, war somit die Fachhochschule Bielefeld in den ersten Jahren vorrangig im Bereich der (Pflege-)Bildungsforschung aktiv.12 Der Aufbau dieser Forschung erfolgte wie erwähnt zunächst als Evaluationsforschung: Evaluation des Studiengangs und beispielsweise Evaluation des Förderpreises Krankenpflegeschulen.13 Der zweite Entwicklungsstrang war dann verknüpft mit Fragen bezüglich der verschiedenen didaktischen Konzeptionen, wie etwa problemorientiertes Lernen, und der Implementierung von Innovationen in der Lehre. Die Vernetzung von Ausbildungsstätten unter Nutzung von modernen Medien 14 etablierte sich ebenfalls als eigenes Thema. Verschiedene Übersichtsarbeiten15 ergänzten schließlich das Spektrum der Arbeiten, das seit 2000 mit den ersten Qualifikationsarbeiten eine weitere Schwerpunktsetzung im Bereich der Bildungsforschung erfuhr. Innerhalb der Fachhochschule wurde zudem sehr schnell deutlich, dass vor allem kooperative Forschungsanstrengungen zielführend sein würden. So begannen Professorinnen schon im zweiten Jahr, gemeinsame Forschungsideen zu entwickeln und einen ersten Drittmittelantrag einzureichen. Hier zahlte sich die interdisziplinäre Zusammensetzung des Teams der Lehreinheit aus. Im Jahr 2000 wurde auf diese Weise ein erstes EU-Projekt Modularisierung der Pflege im Rahmen des Leonardo-Programms eingeworben,16 das sich mit der Konzeption und Erprobung von innovativen Ansätzen in der Pflegebildung befasste. Modularisierung, Fächerinte­gration, Interdisziplinarität und E-Learning-Konzepte wurden in diesem Rahmen entwickelt und erprobt. Noch vor dem neuen Krankenpflegegesetz aus dem Jahr 2004 wurden so neue didaktische Möglichkeiten erprobt und in einem internationalen Rahmen diskutiert. In die Kooperation waren als Partner-

Innovationen in Pflege und Gesundheit

länder die Niederlande, Belgien, Polen, Litauen, Finnland und Luxemburg eingebunden. Schon im Rahmen dieses Projektes wurde festgestellt, dass ein innereuropäischer Vergleich der verschiedenen Ausbildungen und Studiengänge nicht auf der Ebene eines Bildungsgangsvergleichs, sondern am ehesten auf der Outcome-Ebene zu realisieren war – ein Gedanke, der dann auch im Bologna-Prozess leitend war. Ebenfalls wurde eine Modularisierung erprobt und beispielhaft für die Pflegeausbildung umgesetzt. E-Learning wurde als Blended Learning konzipiert und konsequent wurden E-Learning-Anteile mit Präsenzlernphasen verknüpft und auf­einander bezogen. Mit dem EU-Leonardo-Projekt E-Learning-­assistant 17 wurden Lehrkräfte geschult, E-Learning-­ Lehreinheiten zu entwickeln. Die Förderung verschiedener Innovationen in der Pflegebildung wurde darüber hinaus in größerem Umfang von der Robert Bosch Stiftung ermöglicht. Auch hier war die Fachhochschule Bielefeld in der Antragstellung und Durchführung von pädagogisch ausgerichteten Projekten erfolgreich.18 Mit dem Jahr 2004 wurden dann eine ganze Reihe von pädagogischen Neuerungen in das neue Gesundheits- und Krankenpflegegesetz aufgenommen, indem hier eine Lernfeldorientierung etabliert wurde. Dies bedeutete eine Pflegeorientierung, eine Abkehr von Fächerorientierung sowie eine Kompetenzorientierung und ergab neuen Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Unter anderem erforderte die neue Lernfeldorientierung in der Schulpraxis eine Neuentwicklung von Curricula. Mit der Umsetzung des

12  Im Folgenden werden beispielhaft verschiedene Projekte der Lehreinheit Pflege und Gesundheit aufgeführt. Nähere Informationen und entsprechende Veröffent­ lichungen hierzu sind den regelmäßig erscheinenden Forschungsberichten der Fachhochschule Bielefeld zu entnehmen, die über die Website www.fh-bielefeld.de zugänglich sind.  13  Verantwortlich war Barbara Knigge-Demal.  14  Vgl. das Projekt Quepnet, 2000 unter der Leitung von Beate Rennen-Allhoff: http://www. fh-bielefeld.de/presse/archiv/internetbasiertes-informationssystem-quepnet:-fhbielefeld-erhaelt-den-foerderpreis-multimedia-in-der-pflege (13.6.2015).  15 Vgl. unter anderem Beate Rennen-Allhoff, Inge Bergmann-Tyacke: Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe in Europa. Ausbildungsstandards in den EU -Mitgliedstaaten, Bern 2000.  16  Von 2000 bis 2003 verantwortet von Barbara Knigge-Demal und Annette Nauerth. 17  Von 2004 bis 2006 verantwortet von Annette Nauerth und Petra Pfefferle. 18  Verantwortet von Barbara Knigge-Demal, Annette Nauerth und Beate Rennen-­ Allhoff.

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Krankenpflegegesetzes entstand insofern ein großer Bedarf an schuleigener curricularer Arbeit. Das Land Nordrhein-Westfalen investierte Mittel für die Begleitung der Schulen in der Umsetzung der Neuerungen, für die Anpassung der Ausbildungsrichtlinien auch für die anderen Gesundheitsberufe sowie für die Anpassung der Weiterbildungsordnungen bis hin zur Neu­konzeption von Prüfungen. Über in diesem Rahmen akquirierte Landesmittel konnten dann weitere Forschungsprojekte etabliert werden.19 Sukzessiv wurden auf diese Weise empfehlende Ausbildungsrichtlinien für die Gesundheitsberufe in Nordrhein-Westfalen entwickelt und in Kooperation mit den Schulen umgesetzt. Die Kollegen und Kolleginnen des Fachbereichs begleiteten diese Entwicklungsprozesse im Rahmen von verschiedenen Projekten. Das für die Ausbildung zentrale Thema Lernortkooperation wurde ebenfalls wissenschaftlich bearbeitet.20 Da im Jahr 2000 das Studienangebot für andere Gesundheitsberufe um Physiotherapie und Ergotherapie erweitert wurde, erweiterte sich auch das interdisziplinäre Team um diese Lehrgebiete. Dadurch wurden weitere Konzeptentwicklungen angestoßen und pädagogische Konzepte wie das Clinical Reasoning 21 erprobt. Gerade interprofessionelles Arbeiten ist ein Thema, das aktuell bundesweit wiederauf­genommen wurde, nachdem der Sachverständigenrat 2007 die interprofessionelle Kooperation deutlich eingefordert hatte.22 Auch hier hat die Lehreinheit diese Bedarfe schon früh erkannt, erprobt und eingesetzt. Das Workshopangebot des Fachbereichs wurde für die Berufsfachschulen der therapeutischen Gesundheitsfachberufe erweitert, um auch hier die regionalen Kontakte aufzubauen. Ebenfalls wurde die Vernetzung der verschiedenen Standorte für diese therapeutischen Studiengänge initiiert 23 und 2006 die Gründung des Hochschulverbands Gesundheitsfachberufe e.V. mit vorangetrieben. Mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz 2003,24 mit den Bachelor- und Masterstudiengängen gestufte Studiengänge ebenfalls in Deutschland einzuführen, wurde auch auf der Hoch-

Innovationen in Pflege und Gesundheit

schulebene der sogenannte Bologna-Prozess (1999) etabliert, der neben der gestuften Studiengangskonzeption eine Kompetenzorientierung und Modularisierung der Bildungsgänge zur Pflicht machte. Auch diese Entwicklungen waren im Fachbereich vorgängig durch Projekte vorbereitet worden, sodass eine Etablierung der Neuerungen – trotz des großen Aufwands – ohne größere Probleme erfolgen konnte. Der Einstieg in Berufsbildungsforschung im engeren Sinne und nicht nur in Entwicklungs- und Evaluationsprojekte erfolgte dann durch die Beteiligung an Ausschreibungen des Bundes­ ministeriums für Bildung und Forschung (BMBF ). Hier ist zunächst die Beteiligung an der ANKOM-Initiative zur Anrechnung von beruflichen Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge zu nennen.25 Die Anrechnung von beruflichen Kompetenzen auf die lehrerbildenden Studiengänge im Gesundheitsbereich26 wurde von den Kolleginnen Klemme, Knigge-­Demal und Walkenhorst bearbeitet und von der Robert Bosch Stiftung gefördert. Mit verschiedenen Projektlinien beteiligte sich die Fachhoch­schule Bielefeld an dieser Ausschreibung und war mehrfach auch in der zweiten und dritten Ausschreibungsphase erfolgreich. Hochschuldidaktische Aspekte wurden im Bereich des BMBF -Projektes Transitionen 27 verfolgt, mit dem ebenfalls ein Einstieg in die empirische Bildungsforschung erfolgte. Dies wurde durch die Beteiligung an der Ausschreibung im Rahmen der ASCOT-Initiative mit dem Projekt Technologieorientierte Kompetenz­messung in der Pflege

19  Verantwortet von Mathias Bonse-Rohmann, Beate Klemme, Annette Nauerth und Ursula Walkenhorst.  20  Barbara Knigge-Demal, Cornelia Pätzold (Hg.): Lernortkooperation in der Altenpflegeausbildung, Band 1: Ein strukturelles und curriculares Konzept zur Qualitätssicherung, Paderborn 2007.  21  Beate Klemme, Gaby Siegmann: Clinical Reasoning. Therapeutische Denkprozesse lernen, Stuttgart 2006.  22  Vgl. dazu beispielsweise die aktuelle Ausschreibung (Operation Team) der Robert Bosch Stiftung, http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/57152.asp (13.6.2015), und Sachverständigenrat (Hg.): Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung, Baden-Baden 2007.  23  Verantwortet von Beate Klemme und Ursula Walkenhorst.  24  Kultusministerkonferenz (KMK ) (Hg.): Länder­gemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, Berlin 2003.  25  Von 2005 bis 2007 verantwortet von Mathias Bonse-Rohmann, Heiko Burchert und Barbara Knigge-Demal.  26  Izak-Projekt, 2006–2008.

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älterer Menschen (TEMA) fortgesetzt, das als Teilprojekt eines größeren Verbundes realisiert wurde.28 Vom BMFSFJ wurde parallel ein Projekt zur Entwicklung eines sektoralen Qua­lifikationsrahmens für den Bereich Altenpflege (Modell einer gestuften und modularisierten Altenpflegequalifizierung) gefördert,29 das als ein großes Entwicklungsprojekt die innovative Gestaltung von Ausbildungs­gängen thematisierte. Auch die Umsetzung des Konzeptes wurde im Rahmen eines Anschlussprojektes erprobt. Mit Lebenslanges Lernen und Inter­professionalität in den Gesundheitsfachberufen – 2get1care wurde erneut ein EU-Projekt bearbeitet.30 Gemeinsam mit dem Fachbereich Technik wird seit 2014 – und seit Mitte 2015 mit dem neuen Campus Minden – über das Projekt Humantec 31 erneut die Frage der Entwicklung und Etablierung von innovativen Studiengangskonzepten bearbeitet, diesmal mit Studiengängen, die die Schnittstelle Mensch-Technik mit thematisieren.

Aufbau von Versorgungsforschung und Praxisforschung Im Gegensatz zur Bildungsforschung entwickelte sich der Bereich der Praxisforschung und Versorgungsforschung nur in kleinen Schritten. Es begann 1999 mit Projekten zum Pflegeprozess,32 die mit hochschuleigenen Mitteln gefördert wurden. Hinzu kamen Kleinstprojekte mit unterschiedlichen Praxispartnern im Rahmen von Studienprojekten und Abschlussarbeiten, die im Jahr 2000 begannen. 2001 wurde eine gemeinsame Antragstellung zum Pflegeforschungsverbund NRW mitinitiiert, aber die Beteiligung der Fachhochschule Bielefeld scheiterte. Damit wurde zunächst die Schwerpunktlegung der Forschung auf den Bildungsbereich verstärkt. Jedoch wurden kleinere Projekte, wie beispielsweise Wir gehören auch dazu zum Beratungsbedarf von Angehörigen an Brustkrebs erkrankter Frauen, weiter in Kooperation mit Praxispartnern durchgeführt.33 Auch im Bereich der Therapiewissenschaften wurde allmählich Forschung entwickelt. Delphi-Studien

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Innovationen in Pflege und Gesundheit

zum Forschungsbedarf in der Ergotherapie und der Physiotherapie wurden durchgeführt.34 Als weitere Schritte wurden erste Projekte im Bereich der Gesund­heitswissenschaften nach und nach initiiert. Hier ist das Trafo-Projekt Gesundheitsförderung in der Aus- und Fortbildung der Pflegeberufe 35 zu nennen, das sich mit dem Gesundheitsstatus von Pflegekräften und deren Gesundheitsförderung im Rahmen von Bildungsprozessen beschäftigte. Im Rahmen der Versorgungsforschung konnte darüber hinaus das Projekt Chancen, Probleme und Hemmnisse bei der Einbeziehung von nicht-ärztlichen Gesundheits­ berufen in die ambulante Versorgung von multimorbiden Menschen 36 bearbeitet werden, das die Aufforderung des SVR 2007 aufnahm, die Kooperation der Gesundheitsberufe zu fördern. Aufgrund des Aufbaus des dualen Pflegestudiengangs wurden vermehrt Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler in die Lehreinheit berufen, die Interesse am Aufbau von Versorgungsforschung mitbrachten und mit Praxispartnern verstärkt Praxisprojekte durchführten. Ein stärkerer Ausbau der Versorgungsforschung erfolgte mit der Etablierung der Forschungskooperation Nutzerorientierte Versorgung bei chronischer Krankheit und Pflegebedürftigkeit (NUV) mit der Fakultät für Gesundheits­ wissenschaften der Universität Bielefeld.37 Insgesamt werden in diesem Rahmen zehn Projekte gefördert; davon sind fünf Projekte an der Fachhochschule Bielefeld angesiedelt.38 Die Projekte werden jeweils in Tandems mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Bielefeld bearbeitet. In zwei Schwerpunkten wird zu den

27  Von 2008 bis 2011 verantwortet von Renate von der Heyden, Annette Nauerth und Ursula Walkenhorst.  28  Von 2011 bis 2014 verantwortet von Annette Nauerth und Ulrike Weyland.  29  Von 2008 bis 2011 verantwortet von Barbara Knigge-­ Demal.  30  Von 2011 bis 2013 verantwortet von Barbara Knigge-Demal.  31 Von 2014 bis 2017 verantwortet von Beate Klemme, Ulrike Weyland, Marisa Kaufhold, und von Thomas Kordisch vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik.  32  Von 1999 bis 2000 verantwortet von Barbara Knigge-Demal und Annette Nauerth.  33  In Kooperation mit dem Klinikum Bielefeld, verantwortet von Katja Makowsky und Annette Nauerth.  34  Verantwortet von Renate von der Heyden, Beate Klemme, Annette Nauerth und Ursula Walkenhorst.  35 Von 2004 bis 2005 verantwortet von Mathias Bonse-Rohmann.  36  Von 2008 bis 2009 verantwortet von Cornelia Bormann.  37  Sprecherinnen: Doris Schaeffer für die Universität Bielefeld, Barbara Knigge-Demal und Annette Nauerth für die Fachhochschule Bielefeld.

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Themen Nutzerorientierte Gestaltung der regionalen Versorgung und Förderung von Selbstmanagement und Health Literacy gearbeitet. Die im ersten Schwerpunkt angesiedelten vier Projekte beschäftigen sich zum einen mit der Erforschung der Problemlagen der pflegerischen Versorgung im städtischen und im ländlichen Raum. Im zweiten Schwerpunkt wird in sechs Projekten die Förderung von Health Literacy und Selbstmanagement entlang des Lebensalters im Bereich Kinder und Jugendliche, im Erwachsenen­alter und im höheren Lebensalter thematisiert. Damit konnte die Fachhochschule auch stärker in die klassische akademische Nachwuchsförderung einsteigen, da die Forschungskooperation ein Graduiertenprogramm beinhaltete, das insgesamt auf die Qualifizierung von zehn Doktorandinnen ausgerichtet ist. Als wichtiger Schwerpunkt hat sich seit 2014 der Bereich Mensch–Technik–Interaktion etabliert, der ebenfalls mit einzelnen Projekten auf der Ebene von Abschlussarbeiten begonnen hat. Er entwickelt sich zu einem interessanten Forschungs­bereich, in dem die unterschiedlichen Ressourcen der verschiedenen Fachbereiche der Fachhochschule zusammengebracht werden können. Mehrere Antragstellungen konnten in diesem Feld bereits auf den Weg gebracht werden: Nachbarschaft mit RAT,39 ein Projekt, das sich mit Quartiersentwicklung und deren Unterstützung mit einem Assistenzsystem beschäftigt und unter Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Technik–Diversity–Chancengleichheit erarbeitet wurde; Flexible und intelligente Personal- und Organisationsentwicklung mit Technikunterstützung,40 ein Projekt, das inzwischen bewilligt wurde. Auch am Campus Minden wurden verschiedene gemeinsame Projekte im Bereich Technik und Gesundheit entwickelt und eingereicht.41

Zwischenfazit Bildungsforschung war somit über die vergangenen Jahre der Hauptbereich von Forschung. In diesem Bereich wurden insgesamt 40 Projekte durchgeführt; davon wurden 31 Projekte durch

314–315

Tabelle 1: Anzahl von Projekten und Veröffentlichungen 1996–2015 Themenbereich

Projekte

Veröffentlichungen

Bildungsforschung

40

172

Versorgungsforschung

20

41

Gesundheitsökonomie

1

30

Beratung

0

4

61

247

gesamt

Innovationen in Pflege und Gesundheit

externe Mittel finanziert. Insgesamt wurden im Bereich Versorgungsforschung bisher schon 20 Projekte durchgeführt, davon neun mit externer Finanzierung. Diese Schwerpunktsetzung spiegelt sich auch in der Anzahl von Veröffentlichungen zum Thema:

Seit 2008 ist die Zahl der Veröffentlichungen im Bereich Bildungsforschung jährlich zweistellig. Die Veröffentlichungen im Bereich Versorgungsforschung beginnen erst mit dem Jahr 2002 und werden zusehends zahlreicher. Dies gilt ebenso für die Projekte in diesem Bereich. Diese Entwicklung ist auch an der Themenwahl im Rahmen der Abschlussarbeiten der Studierenden ablesbar (Tabelle 2), die hier den unterschiedlichen Forschungsbereichen zugeordnet wurden. Im Bereich des Diplomabschlusses (Diplom-Berufspäda­ gogin bzw. Diplom-Berufspädagoge) lässt sich der größte Teil der Abschlussarbeiten dem Bereich der Bildungsforschung zuordnen, was nicht verwunderlich ist, da diese Abschlüsse eine pädago­gische Qualifikation verfolgen. Dies wird im Bereich des Master­abschlusses Berufspädagogik noch deutlicher. Im Bereich der Bachelor­abschlüsse wird die dort vorhandene Polyvalenz

38  Verantwortet von Beate Klemme und Ulrike Weyland, Änne-Dörte Latteck, Katja Makowsky, Annette Nauerth, Barbara Knigge-Demal und Norbert Seidl.  39  Von 2014 bis 2015 verantwortet in der Lehreinheit von Katja Makowsky, Annette Nauerth und Norbert Seidl sowie u. a. Lutz Gründwoldt für den Bereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik, Thomas Altenhöner für Sozialwesen.  40  Von 2015 bis 2018 verantwortet von Bernhard Bachmann, Hermann-Josef Kruse und Annette Nauerth.  41  Etwa von Matthias Mertin und Irene Müller. 

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sichtbar. Bei den Bachelorabschlüssen sind die Bereiche Versorgungs- und Bildungsforschung gleichgewichtig, aber auch der Bereich Gesundheitsökonomie und der Bereich Beratung kommen auf einen deutlich höheren Anteil an Qualifikationsarbeiten. Tabelle 2: Themenbereiche der Abschlussarbeiten Themenbereich

Diplom

Bachelor

Master

Summe

Bildungsforschung

71

96

137

304

Versorgungsforschung

30

105

9

144

Gesundheitsökonomie

10

51

7

68

9

57

1

67

120

309

154

583

Beratung Summe

Die Arbeiten der Studierenden spiegeln somit einerseits die Zielsetzungen der Studiengänge, andererseits aber auch die inhalt­ lichen Schwerpunkte der Lehreinheit in der Forschung wider. Neben den inhaltlichen Schwerpunktsetzungen ist nun als zweite Ebene die Strukturentwicklung von Forschung näher zu beleuchten. Die hier skizzierte Entwicklung von Forschung und die Erschließung verschiedener Forschungsbereiche waren nur möglich, weil an der Fachhochschule insgesamt eine Strukturent­ wicklung zur Forschung(sförderung) stattgefunden hat.

Strukturentwicklung im Bereich der Forschung Aufgabe einer wissenschaftlichen Hochschule ist neben der Lehre grundsätzlich auch die Forschung. Fachhochschulen sind in diesem Zusammenhang allerdings strukturell erheblich benachteiligt, da sie einerseits nicht über einen ausgewiesenen Mittelbau in der Qualifikationsphase verfügen und andererseits aufgrund der hohen Lehrbelastung Forschung und Veröffentlichungen nur

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Einzelforschung Während zu Beginn der Forschungstätigkeit innerhalb der Lehr­ einheit Pflege und Gesundheit vorrangig Einzelprojekte mit hochschuleigenen Mitteln gefördert wurden, gelang es daneben von Beginn an, Projektmittel für Einzelprojekte von der Robert Bosch Stiftung wie auch von Landesministerien einzuwerben. Mit zunehmender Erfahrung erfolgte die Einwerbung von Bundesmitteln (BMBF und BMFSFJ). Daneben waren auch Antragstellungen für EU-Mittel im Rahmen des Leonardo-Programms erfolgreich.

Kooperative Forschung Die Hochschulleitung initiierte unterstützend fachhochschulweite Forschungskolloquien, bei denen einzelne Kolleginnen und Kollegen aufgefordert wurden, ihre Arbeiten vorzustellen. Auf diese Weise erfolgte ein fachbereichsübergreifendes Kennenlernen, das zunächst zu Kooperationen im Bereich von Lehre führte, aber dann auch zu gemeinsamen Forschungsprojekten genutzt werden konnte. Dies betraf zunächst eine Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen vom Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Bielefeld, der inhaltlich mit dem Fachbereich Pflege und Gesundheit einige Schnittstellen aufweist.43 Diese wurde erweitert um

42 

Vgl. Wissenschaftsrat (Hg.): Empfehlungen zur Entwicklung der Fachhochschulen (Drucksache 5102/02), Berlin 2002, und ders.: Empfehlungen zur Rolle der Fachhoch­ schulen im Hochschulsystem (Drucksache 10031-10), Berlin 2010.  43  Vgl. das Dante-­ Projekt von Cornelia Muth und Annette Nauerth. 

Innovationen in Pflege und Gesundheit

unter deutlich erschwerten Bedingungen möglich sind. In den letzten 20 Jahren hat sich an dieser Stelle jedoch auch ein Wandel ereignet, indem Forschung verstärkt auf die Agenda der Fachhochschulen gesetzt wurde.42 Dies führte innerhalb der Hochschulen zu einer Stärkung der Forschungsaktivitäten und zu einem Ausbau der dazu notwendigen Strukturen.

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eine Kooperation mit dem Fachbereich Gestaltung.44 Darüber hinaus erfolgte die Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen vom Fachbereich Maschinenbau 45 und Wirtschaft.46 Auch eine Kooperation mit dem Fachbereich Architektur und Bauingenieur­wesen führte zu kooperativen Entwicklungsprojekten.47 Die Lehreinheit bringt in diese interdisziplinären Kooperationen in der Regel das Thema Gesundheit ein und setzt sich insbesondere für eine Berücksichtigung der Nutzerperspektive ein.

Aufbau von Strukturen für Forschung Bereits 1991, dann aber auch in seiner Stellungnahme von 2002 betonte der Wissenschaftsrat, dass Forschung auch in Fachhochschulen ein zentraler Auftrag sei, und empfahl den Ländern wie auch dem Bund, Forschung an Fachhochschulen auch strukturell möglich zu machen. Das Land Nordrhein-Westfalen legte Programme zur Förderung von Forschung an Fachhochschulen auf. Innerhalb der Fachhochschule erfolgte vor diesem Hintergrund in den folgenden Jahren der Aufbau von Strukturen zur Förderung der Forschungsinfrastruktur (FITT-Team), um Forscherinnen und Forscher bei der Antragstellung und Abwicklung zu unterstützen. Zur Entlastung von in der Forschung aktiven Professorinnen und Professoren wurden die empfohlenen Forschungsprofessuren48 mit einer Reduzierung der Lehrbelastung auf neun Semesterwochenstunden auch an der Fachhochschule Bielefeld umgesetzt. In der Lehreinheit Pflege und Gesundheit wurden die sich bietenden Möglichkeiten gern genutzt. Aufgrund der bestehenden Kontakte stellten Forscherinnen und Forscher aus dem Fachbereich Sozialwesen und der Lehreinheit Pflege und Gesundheit 2003 den Antrag auf den gemeinsamen Forschungsschwerpunkt Übergänge im Berufsleben, der sich in den folgenden Jahren etablierte. Nachdem das Land diesen Schwerpunkt nicht mehr finanziell fördern konnte, übernahm die Fachhochschule Bielefeld die Förderung. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen und der erfolgreichen Ein-

318–319

44 

Innovationen in Pflege und Gesundheit

werbung von Drittmitteln konnten sich die Forscherinnen und Forscher gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen auch an der Landesausschreibung von Kompetenzplattformen beteiligen und erfolgreich die Kompetenzplattform KomPass (2007–2011) beantragen, die das Thema Kompetenzentwicklung im Gesundheitsund Sozialbereich bearbeitet. Mit dieser Förderung war zugleich die Bildung von für Fachhochschulen ansonsten nicht üblicher Forschungsinfrastruktur verbunden. Es wurde eine Geschäftsstelle mit Geschäftsführung etabliert und eine Forschungsreferentin eingestellt, die professionell Antragstellungen unterstützte, Meetings und Kooperationen organisierte, Tagungen plante und organisierte und das Management von Veröffent­lichungen erleichterte. Während vorher mit jedem Projektende das erworbene Knowhow der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren ging, falls kein Anschlussprojekt für sie zur Verfügung stand, konnte jetzt kontinuierlich ein professionelles Wissenschafts­management aufgebaut werden. Die Arbeit der Kompetenzplattform erwies sich insgesamt als erfolgreich, wie die Evaluation nach fünf Jahren feststellte und die Gründung eines Institutes nachdrücklich empfahl. Damit wurde die Etablierung des ersten Forschungsinstitutes  – dem Institut für Bildungs- und Versorgungsforschung im Gesundheits­bereich (InBVG) – vorangetrieben. Die Fachhochschule Bielefeld hatte hierzu die strukturelle Förderung möglich gemacht, indem eine entsprechende hochschulinterne Richtlinie entwickelt wurde. Das Institut für Bildungs- und Versorgungsforschung nahm 2012 seine Arbeit auf. Gerade die Verbindung von Bildungs- und Versorgungsaspekten erweist sich als eine gute strategische Ressource, wird doch diese Verknüpfung aktuell als besonders wichtig erachtet.49 Das Institut bietet den

Vgl. das Projekt Input. Essen, Kunst, Pflege von Annette Nauerth, Andrea Sunder-­ Plassmann und Anna Zika, das im Kunsthaus Essen (24.7.–22.8.2004) und in der Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung (GAB ) in Bielefeld (20.10.–12.12.2004) gezeigt wurde; Andrea Sunder-Plassmann, Anna Zika (Hg.): Input. Essen, Kunst, Pflege, Bielefeld 2004.  45  Vgl. das Projekt zum Thema Rollstuhlversorgung von Ralf Hörstmeier und Beate Klemme.  46  Vgl. das Projekt zum Thema Entwicklung von Maßnahmen für beruflich Qualifizierte – EMbeQ und das ANKOM III -Projekt von Axel Benning und Heiko Burchert.  47  Vgl. das Projekt zum Thema Lebensqualität, Leben und Wohnen im Alter – Soziale Integration und wechselseitige Verantwortung von Barbara Knigge-­Demal, Bettina Mons und Andreas Uffelmann.  48  Vgl. Anm. 39.

Annette Nauerth

Forscherinnen und Forschern professionelle Unterstützung vor allem bei der Antragstellung von Projekten, aber auch im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, der Durchführung von Tagungen und bei der Umsetzung von Veröffentlichungen und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.50 Im Rahmen der ersten Laufzeit des Institutes konnte auf eine Ausschreibung des Landes reagiert werden und erfolgreich ein Graduiertenkolleg mit der Universität Bielefeld im Rahmen der Forschungskooperation Nutzerorientierte Versorgung bei chronischer Krankheit und Pflegebedürftigkeit (NUV) etabliert werden. Damit haben sich die Möglichkeiten der Nachwuchsförderung im Bereich Pflege und Gesundheit deutlich erhöht. Das Institut hat sich inzwischen in der Region etabliert und ist Ansprechpartner für Forschungsthemen und Forschungsfragen geworden. Das Netzwerk zu Praxispartnern konnte aus­gebaut werden. Damit sind Voraussetzungen geschaffen, im Rahmen von Projekten innovative Konzepte zu entwickeln, zu erproben und umzusetzen. Hier sind noch vielfältige Innovationen zu erwarten.

Ausblick Bei allem Erreichten in den letzten Jahren bleiben noch viele Aufgaben, die auf Bearbeitung warten. Neben Hinweisen aus der Agenda Pflegeforschung 51 steht Forschungsentwicklung im Bereich der anderen Gesundheitsberufe weithin noch aus. Auch im Bereich der Berufsbildungsforschung steht der Bereich der Gesundheit erst am Anfang einer Forschungsentwicklung.52 Auch hier könnte eine Agenda aufgezeigt werden, die noch zu bearbeiten ist und reichhaltige Forschungsfelder bietet. Der Gesundheitsberuferat forderte 2012 sehr deutlich eine weitere Struktur­ entwicklung für Forschung an Fachhochschulen.53 Aus der Sicht der Praxis gibt es viele drängende Aufgaben, die teilweise zurzeit schon in der Forschung bearbeitet werden: Nutzerorientierung, regionale Versorgung angesichts des demografischen Wandels, Fachkräftemangel, Gestaltungsaufgaben unter

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Innovationen in Pflege und Gesundheit

Technikeinsatz. Blickt man von diesen Themen erneut in die Curricula der Gesundheitsberufe, dann wird deutlich, dass auch hier eine Rückbindung, Veränderung und Aktualisierung der Themen und Inhalte stattfinden muss, denn die neuen Themen sind in den aktuellen Qualifikationsprogrammen nur bedingt sichtbar. Hier entstehen Anfragen an die Ausbildungsrichtlinien und Curricula, aber auch an die Konzeption von neuen Studienangeboten. Basierend auf dem Lancet-Report (2010) 54 fordern Sottas et al. 201355 in diesem Zusammenhang vielfältige Innovationen im Hochschulkontext im Rahmen einer Gesundheitsbildungs­politik, die noch auf Umsetzung warten. Die Verknüpfung von Bildungs- und Versorgungsthemen im InBVG stellt hierzu eine gute Ausgangslage dar.

Fazit Bildung an Hochschulen sollte Menschen qualifizieren, die aktuellen Herausforderungen im Gesundheitsbereich wie den demografischen Wandel, den Technikeinsatz und die Interprofessio­ nalität aufzugreifen und innovative Konzepte zu entwickeln. Hierzu gehören auch der Ausbau von Beratung, die Ausrichtung von Innovationen auf Nutzerorientierung, die Erweiterung des

49  Vgl. Beat Sottas, Heidi Höppner, Ilona Kickbusch, Jürgen Pelikan, Josef Probst: Die Gesundheitswelt der Zukunft denken. Umrisse einer neuen Gesundheitsbildungspolitik (Careum-Stiftung: Careum working paper 7), Zürich 2013. Download auf http:// www.careum.ch/neue-gesundheitsbildungspolitik (10.6.2015).  50  Vgl. die Jahres­ berichte des Instituts auf der Website http://www.fh-bielefeld.de/inbvg (6.6.2015). 51  Vgl. Anm. 4.  52  Darmann-Fink, ebd.  53  Vgl. Michael Evers, Tanja Grewe, Heidi Höppner, Walter Huber, Friederike zu Sayn-Wittgenstein, Renate Stemmer, Sebastian Voigt-Radloff, Ursula Walkenhorst (Arbeitsgruppe Gesundheitsfachberufe des Gesundheitsforschungsrates): Forschung in den Gesundheitsfachberufen. Potenziale für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung in Deutschland, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift, Jg. 2012, Supplement Nr. 2, S. 29–76, sowie Robert Bosch Stiftung (Hg.): Gesundheitsberufe neu denken, Gesundheitsberufe neu regeln, Stuttgart 2013.  54 Julio Frenk, Lincoln Chen, Zulfiqar A Bhutta, Jordan Cohen et al. (Hg.): Health professionals for a new century: transforming education to strengthen health systems in an interdependent world, in: The Lancet, 2010, Vol. 376, No. 9756, S. 1923–1958, in: http://www. thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736%2810%2961854-5/fulltext?_ eventId=login (13.6.2015).  55  Beat Sottas: Perspektiven der Berufsbildungsforschung in einer intersektoralen Gesundheitsbildungspolitik, in: bwp@Spezial. Berufsbildungsforschung im Gesundheitsbereich (2015, im Erscheinen).

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Handlungsbezugs auf die Community – der sogenannte Quartiersbezug – wie auch Ansätze von E-Health, die aufgegriffen werden könnten, um Lösungen für die drängenden gesellschaftlichen Probleme zu erarbeiten. Auch in Zukunft bietet sich auf diese Weise noch ein großes Feld für Forschung und Entwicklung. Insgesamt hat sich über die Jahre gezeigt: Es ist möglich, Hochschule so zu denken und zu konzipieren, dass sie in den Innovationszyklus eingebunden ist – Bedarfe ermitteln, Lösungen entwickeln, in die Lehre integrieren, Qualifikation schaffen, Innovation in der Praxis umsetzen und evaluieren sowie erneut Bedarfe adressieren. Eine solche Hochschulkonzeption lässt jedoch die Hochschule selbst nicht unverändert. Erforderlich ist zunächst eine Kooperation mit der Praxis, wozu wiederum die Pflege eines entsprechenden Netzwerkes gehört, das es ermöglicht, Kontakte zu knüpfen und kontinuierlich im Austausch zu sein, um schließlich auch gemeinsam Projekte beantragen und durchführen zu können. Zum anderen ist es notwendig, dass die Hochschule sich als lernende Organisation versteht, um neue Erkenntnisse integrieren zu können – sei es in die eigenen Strukturen, sei es in die Curricula der Studiengänge, sei es in die einzelnen Lehrveranstaltungen. Kompetenz- und Forschungsorientierung sind insofern wesentliche Anforderungen für hochschulische Bildungsarbeit. Hochschulen agieren auf diese Weise als regionale Change Agents, die Innovationen in der Praxis fördern. Eine forschende und lernende Organisation zu sein, bedeutet jedoch auch eine Einstellung auf immerwährenden Wandel. Das bedingt eine gewisse Unruhe und Veränderungsfreundlichkeit und stößt sich insofern mit dem Bild, das üblicherweise mit einer Hochschule, ihrem Beamtenapparat und ihrer Verwaltung verbunden ist. In der Lehreinheit Pflege und Gesundheit ist es über nahezu 20  Jahre gelungen, eine innovative und veränderungsfreund­ liche Haltung zu pflegen und umzusetzen. Die Hochschule hat dazu Möglichkeiten und Strukturen bereitgestellt. Hierzu hat gerade Beate Rennen-Allhoff auf verschiedenen Ebenen einen

Innovation umsetzen

Innovation evaluieren Bedarf ermitteln

Innovation evaluieren

Innovation umsetzen Innovation umsetzen

Lösungen entwickeln

Qualifikationen ermöglichen Innovation umsetzen

entscheidenden Beitrag geleistet. Die von ihr entwickelten Strukturen im Bereich Studiengangskonzeption und Forschungsentwicklung erweisen sich auch nach fast 20 Jahren als tragfähig und gleichzeitig flexibel ausbaufähig. Wissenschafts- und Forschungsorientierung, Praxisorientierung und Personenorientierung waren und sind hier die zentralen Stichworte. Dies scheinen in der Tat auch für die Zukunft relevante Aspekte von Hochschule zu sein.56  ◼

56  Weitere Informationen zu den Projekten finden sich unter http://www.fh-biele feld.de/forschung/forschungsprojekte-und-forschungsberichte (6.6.2015).

Innovationen in Pflege und Gesundheit

Abbildung 1: Innovationszyklus

Die einphasige Pflegelehrerinnenund Pflegelehrer­ bildung Barbara Knigge-Demal

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Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

Die frühe Phase der Akademisierung in der Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung beginnt mit einer Fach­ tagung in Bielefeld am 12. März 1996. Nachdem 1995 das Institut für Pflege­wissenschaft (IPW) an der Universität Bielefeld gegründet worden war, gab es eben an diesem Tag eine Fach­tagung zum Thema Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege. Die Gründung des IPW war nicht zuletzt dem hohen Engagement des damaligen Staats­sekretärs im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS), Wolfgang Bodenbänder, zu verdanken, der sich schon in den Jahren zuvor in die bundesweite Diskussion um die Akademisierung in den Pflegeberufen konstruktiv eingebracht hatte.

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Beginn der Studiengänge in NRW In seiner Rede anlässlich der Gründung des Instituts für Pflegewissenschaft betonte Wolfgang Bodenbänder die Bedeutung eines eigenständigen professionellen Beitrags der Pflege bei der Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung. Um diesen interdisziplinären Herausforderungen entsprechen zu können, hielt er die Entwicklung und den Aufbau einer eigenständigen Pflegewissenschaft für unverzichtbar.1 »Die intensive Forderung nach einer pflegewissenschaftlichen Entwicklung in Deutschland sowie der Aufbau von Studiengängen begann«, so Gertrud Hundenborn von der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen in Köln, »schon Jahre zuvor und war nicht zuletzt auch die Folge des Pflegenotstandes von 1988, der zu bundesweiten Protesten der Pflegeberufe geführt hat. Außerdem gab es erste Auswirkungen des demografischen und gesellschaftlichen Wandels. Viele Pflegende vermissten die gesellschaftliche Wertschätzung ihres Berufes und litten zudem unter den schwierigen, oft restriktiven Rahmenbedingungen institutionalisierter Pflege.« Aber auch die Denkschrift der Robert Bosch Stiftung Pflege braucht Eliten, in der von einer Expertengruppe die Forderung nach einer Akademisierung von Lehrenden und Leitenden in den Pflegeberufen erhoben wurde, habe den gesellschaftlichen und politischen Innovationsprozess deutlich voran­ getrieben, so Gertrud Hundenborn. Veränderungen in der Gesellschaft und neue Anforderungen des Gesundheitssystems hatten zu einer Zunahme an Komplexi­ tät wie zu einer Erweiterung des Verantwortungs- und Aufgaben­ bereichs in der beruflichen Pflege geführt. Diese neuen Anforderungen an das Kompetenzprofil in den Pflegeberufen waren mit tradierten Bildungsangeboten kaum noch zu sichern, sodass sich nicht nur die Community für eine akademische Qualifizierung der Lehrenden in den Berufsfachschulen sowie der Pflege­ direktorinnen und Pflegedirektoren aussprach, um darüber auch

Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

die Konzepte und Bildungsangebote in der beruflichen Bildung entsprechend den veränderten Anforderungen neu zu gestalten. 1987 wurde an der Fachhochschule Osnabrück der erste pflege­ bezogene Studiengang und mit Ruth Schröck die erste deutsche pflegewissenschaftliche Professorin eingeführt. In Nordrhein-Westfalen begann 1992 eine aktive und intensive Auseinandersetzung der Weiterbildungseinrichtungen für Pflege­ berufe (der Caritas-Akademie Köln-Hohenlind, vertreten durch Gertrud Hundenborn; des Bundesverbandes Deutscher Berufsförderungswerke (bfws) in Dortmund, vertreten durch Jens Friebe; der ÖTV-Weiterbildungseinrichtung in Bochum, vertreten durch Gerd Dielmann; und des Evangelischen Weiterbildungsinstituts in Münster, vertreten durch Barbara Knigge-Demal und Margot Sieger) mit der Akademisierung. Anlass war die Konstituierung eines neuen Weiterbildungsgesetzes für Pflegeberufe, in dem die klassischen Fachweiterbildungen zur Intensivpflege, Hygienefachkraft, dem Operationsdienst, der Psychiatrie und auch die pädagogische Qualifizierung der Pflegelehrerinnen und Pflegelehrer über eine zweijährige Weiterbildung geregelt werden sollten. Dieses Vorhaben führte zu einer Initiative der genannten Weiterbildungseinrichtungen, die sich in einem konsensualisierten Schreiben an das damalige Gesundheitsministerium für eine Akademisierung der Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung aussprachen. Die Arbeitsgruppe war wenig erfolgreich, denn die Lehrerinnen- und Lehrerbildung wurde in NRW nicht in das Weiterbildungsgesetz aufgenommen. 1993 konkretisierten sich in NRW die Bemühungen zur Einrichtung pflegebezogener Studiengänge an drei Hochschulen: der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen in Köln, der Fachhochschule Münster und der Fachhochschule Bielefeld. Mit konzeptueller Unterstützung der Caritas-Akademie Köln-­ Hohenlind wurde der Studiengang Pflegemanagement 1994 an der

1  Wolfgang Bodenbänder: Etablierung der Pflegewissenschaft in NRW. Der gesundheitsund sozialpolitische Stellenwert des Instituts für das Land, in: Gesellschaft zur Förderung der Pflegewissenschaft NRW e.V. (Hg.): Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege (Dokumentation und Bericht einer Fachtagung vom 12. März 1996 in Bielefeld. Veröffentlichungsreihe des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld, IPW ), Bielefeld 1998, S. 9–14, hier S. 10.

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Katholischen Fachhochschule NRW in Köln etabliert. Auch an der Fachhochschule Münster begann im Wintersemester 1994 ein Studiengang Pflegemanagement. Nur ein Jahr später begann an diesen beiden Hochschulen der einphasige (Pflege-)Lehrerinnen- und Lehrerstudiengang mit dem Abschluss Diplom-Pflegepädagoge. Die Ansiedlung der Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung an Fachhochschulen löste in der Scientific Community sowie bei den Berufsverbänden der Lehrerinnen und Lehrer eine sehr intensive Diskussion aus. Aus der Perspektive der Pflege­berufe zementierte sich ein weiteres Mal die Sonderstellung in der beruflichen Bildung. Mit der Akademisierung war ursprünglich die Hoffnung verbunden, dass eine Annäherung an das duale berufsbildende System gelingt und die Stigmatisierung als ›Lehrer zweiter Klasse‹ durch die bestehende Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung überwunden wird. Bernd Wanner 2 hatte den Verantwortungsund Aufgabenbereich wie die Lehrerbildung in den Pflege­berufen systematisch untersucht und die Ergebnisse unter dem Titel Lehrer zweiter Klasse veröffentlicht. Außerdem befürchteten insbesondere die Lehrenden im dualen berufsbildenden Bereich, dass mit der Ansiedlung der (Pflege-)Lehrerinnen- und Lehrer an Fachhochschulen insgesamt eine ›Deprofessionalisierung‹ ein­geleitet werden könnte. Denn diese Lehrenden hatten erst vor nicht allzu langer Zeit die Gleichstellung ihres Studiums an Universitäten mit den Lehrenden an allgemeinbildenden Schulen erreicht. Diese Kontextbedingungen beeinflussten das Diskussionsklima über die Akademisierung der Pflegelehrerinnen- und Pflege­lehrerbildung an Fachhochschulen sehr und führten zu zahlreichen ablehnenden Redebeiträgen und Veröffentlichungen. Die Entwicklung der pflegebezogenen Studiengänge in NRW wie auch in der Bundesrepublik ist unter anderem von Gertrud Hunden­born 1996 in ihrem Beitrag anlässlich der Eröffnung des IPW differenziert erläutert worden.3

Beate Rennen-Allhoff wurde 1995 als Gründungs­dekanin des Fachbereichs Pflege und Gesundheit an die Fachhochschule Bielefeld berufen. Wir begegneten uns am 12. März 1996 bei der oben genannten Fachtagung des IPW zum Thema Die Bedeutung der Pflegewissen­ schaft für die Professionalisierung der Pflege. Zufällig saßen wir nebeneinander und kamen ins Gespräch, das wohl bei uns beiden einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, denn im Juli desselben Jahres begann ich an der Fachhochschule Bielefeld im Fachbereich Pflege und Gesundheit – damals im Aufbau – als Vertretungsprofessorin für die Professur Pflegewissenschaft mit dem Schwerpunkt Pflegedidaktik. Im September 1996 sollte der erste Diplomstudiengang Pflegepädagogik mit 27 Studierenden beginnen. Es gab bereits ein Grobkonzept für den Studiengang sowie eine genehmigte Studien- und Prüfungsordnung. Außerdem lag die Bewilligung des Wissenschafts- und des Gesundheitsministeriums zur Implementierung des Studiengangs vor. Für die erste Studierendengruppe waren ein Lehrveranstaltungsraum und mögliche Räume für Gruppenarbeiten vorhanden. Das Personaltableau erweiterte sich mit Beginn des Studiengangs um eine weitere Vertretungsprofessur für das Lehrgebiet Sozialwissenschaftliche und psychologische Grundlagen. Insgesamt gab es drei Büros: eins für die beiden Vertretungsprofessorinnen, für die Gründungsbeauftragte wie für deren Sekretärin. Die Ansiedlung der Pflegepädagogikstudiengänge als Modellstudiengänge an Fachhochschulen war bereits 1994 vom Wissenschaftsministerium NRW entschieden worden. Der Staatssekretär Wolfgang Bodenbänder war für eine Ansiedlung dieser Studiengänge an Universitäten, so Gertrud Hundenborn. Die Position

Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

Start des Diplomstudiengangs Pflege­päda­gogik bzw. Lehrer für Gesundheitsberufe an der Fachhochschule Bielefeld

2  Bernd Wanner: Lehrer zweiter Klasse? Historische Begründung und Perspektiven von Lehrerinnen und Lehrern der Pflege, Frankfurt am Main 1993.  3  Gertrud Hundenborn: Zur Entwicklung von Pflegewissenschaft und Pflegeforschung, in: Gesellschaft zur Förderung der Pflegewissenschaft NRW e.V. (Hg.): Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege, S. 14–22, hier S. 16 ff.

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des MAGS sowie der fachöffentliche Druck führten zu einer Kompromisslösung. Die Modellstudiengänge Pflegepädagogik und Pflege­management wurden in NRW an Fachhochschulen eingerichtet, die Pflegewissenschaft im IPW an der Universität Bielefeld. Der Titel des Studiengangs lautete zunächst Pflegepädagogik. »Das war allerdings keine sehr glückliche Entscheidung, denn er führte zu vielfältigen Missverständnissen und war nur unzureichend mit dem Kompetenzbereich der beruflichen Bildung assoziiert«, erinnert sich Gertrud Hundenborn im Interview. Beate Rennen-Allhoff setzte sich deshalb sowohl im MAGS als auch im Wissenschaftsministerium NRW dafür ein, den Studiengang sowie den damit verbundenen Abschluss als Berufspädagogik für Gesundheitsberufe zu benennen. In den letzten Jahren hat sich der damals entwickelte Begriff auch an anderen Studienorten durchgesetzt. Mit dieser Umbenennung wurde ein deutlicher Bezug des Studienangebots zur Berufspädagogik und damit zum eigentlichen und gewollten Kompetenzprofil der Absolventinnen und Absolventen hergestellt. Die Ausarbeitung des Studiengangkonzeptes stand im Sommer 1996 ganz oben auf der To-do-Liste, allerdings auch die Entwicklung eines Evaluationskonzeptes sowie der Aufbau von Forschungs- und Praxisstrukturen. Neben diesen zumeist konzeptuellen Entwicklungsaufgaben war auch die Erweiterung des Personaltableaus von hoher Priorität. So befand sich das vorhandene Team nahezu fortlaufend in Berufungskommissionen oder in Personalauswahlgesprächen. Für das Studiengangskonzept teilte sich das Professorinnenteam die Studienfächer untereinander auf und ging an die Arbeit. Ausgehend von der Lehramtsprüfungsordnung ( LPO NRW ) für berufsbildende Schulen und dem ersten Studienfach Pflege und Pflegewissenschaft wurden drei affine Wahlpflicht­bereiche (Zweit­fächer) und der Studienbereich Erziehungswissenschaft/ Berufs­pädagogik entwickelt. Im Wahlpflichtbereich waren drei sogenannte Vertiefungsbereiche angesiedelt, die den Zweit­ fächern in der universitären Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

entsprachen – Biologische Grundlagen, Grundlagen der Psycho­ logie und Soziologie sowie Grundlagen der Krankenhaus­ betriebswirtschaftslehre.4 Dabei galt es auch den besonderen Anforderungen von Studiengängen im Gesundheitsbereich zu entsprechen. So stand das Team einerseits vor der Herausforderung, dass sich der Studiengang Pflegepädagogik an den formalen Kriterien der berufsbildenden Lehramtsstudiengänge ausrichten sollte, aber andererseits auch den Besonderheiten des Bildungssystems für Pflegeberufe entsprechen musste. Die Besonderheiten bestehen darin, dass die Schulen des Gesundheitswesens als ›Schulen besonderer Art‹ gelten, die nicht in das duale Berufsschulsystem eingebunden sind, sondern den Anforderungen der Berufsgesetze der Pflegeberufe entsprechen müssen. Dazu gehört, dass die Lehrenden, die auch als Prüfende für die staatlichen Berufsabschlussprüfungen zugelassen werden, selbst über einen staat­ lichen Berufsabschluss im Primärberuf (Altenpflege, Ergotherapie, Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Hebammenwesen, Physiotherapie oder MTL) verfügen müssen. Außerdem besteht eine enge Verknüpfung des Lernortes Schule mit den Lern­orten der beruflichen Praxis, den Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen oder Einrichtungen der Altenpflege usw. Nicht selten sind die Träger der Kliniken zugleich auch Träger der Berufsfachschulen oder es besteht über Kooperationsverträge eine enge Verbindung zwischen beiden Institutionen. Diese Vernetzung der Lern­orte wird unter anderem in der Verpflichtung der Lehrenden zur Praxisbegleitung von Schülerinnen und Schülern in Lern­orten der betrieblichen Bildung eingefordert. Die Finanzierung der Ausbildung und der Schulen ist je nach Berufsart unterschiedlich geregelt. Die vielfältigen Bezüge des Studiengangs Pflege­pädagogik zu den Berufsgesetzen in den Pflegeberufen führten zeitweise zu Aushandlungs- und Abstimmungsgesprächen mit drei Ministerien: dem Gesundheitsministerium, dem Wissenschaftsministerium wie dem Schulministerium. Das fünfte Studiensemester war auf ein begleitetes Praxis­ semester in den Berufsfachschulen der Pflegeberufe ausgerichtet.

4  Beate Rennen-Allhoff: Konzeption des Studiengangs Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Berichte aus Forschung und Lehre, Nr. 1, Bielefeld 19982.

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Diese Praxisphase war für die Studierenden mit der Vor­bereitung und Durchführung von 70 Unterrichtsstunden sowie zwei Lehrproben verbunden. Damit etablierte sich auch an der Fachhochschule Bielefeld die einphasige Lehrerinnen- und Lehrerbildung im Berufsbereich Pflege. Mit diesem Konzept erfuhr ein erfolgreich abgewickeltes Modellprojekt zur einphasigen Lehrerinnenund Lehrerbildung der Universität Oldenburg eine Wiederbelebung; dies war nicht nur ein Merkmal des Modellstudiengangs an der Fachhochschule Bielefeld, sondern auch der Pflegepädagogikstudiengänge an den Fachhochschulen überhaupt. Die einphasige Lehrerinnen- und Lehrerbildung löste neben der Kritik bezüglich ihrer Ansiedlung an Fachhochschulen weiteren Widerstand in der Scientific Community aus. Unter anderem positionierte sich der Bundesausschuss der Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe deutlich für eine zweiphasige Lehrerinnen- und Lehrerbildung an Universitäten und kommentierte die in NRW getroffene Entscheidung der Ministerien zur Ansiedlung der Lehrer­innen- und Lehrerstudiengänge an Fachhochschulen mit entsprechenden Veröffentlichungen.5 Da es sich bei dem Studiengang Pflegepädagogik um einen Modellstudiengang handelte, sollte ein formatives Evaluationskonzept zur fortlaufenden Revision des Studiengangskonzeptes beitragen. Erste Literaturrecherchen führten zu keiner befriedigenden Lösung. Deshalb entschied sich Beate Rennen-Allhoff, ein eigenes Evaluationsdesign und entsprechende Erhebungsinstrumente zu entwickeln. Parallel zum ersten Studienangebot entstand ein mehrperspektivisches Evaluationsdesign zur schriftlichen Befragung der Studierenden hinsichtlich der Studienbelastungen in den Präsenz- und Selbstlernphasen sowie zur Lehrveranstaltungskritik und der Studierbarkeit des Studiengangs. Daneben wurde ein Interviewleitfaden zur mündlichen Befragung der Lehrenden entwickelt. Mit ihm wurden die Umsetzbarkeit des Konzeptes sowie die Qualität der implementierten Lehre aus der Perspektive der Lehrenden erhoben. Die Ergebnisse wurden am Ende jedes Semesters von den Lehrenden mit den Studierenden reflektiert,

Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

um Ursachen, Bedingungen und Begleiterscheinungen des Studiengangs in den Blick zu nehmen und mögliche Schritte einer Revision zu diskutieren. Neben der Optimierung des Studienangebots wurden die Evaluationsergebnisse auch zum Ausgangspunkt eines Dialogs zwischen der Gründungsdekanin und den Lehrenden. Zur Veröffent­ lichung der Evaluationsergebnisse entstand 1996 die Reihe Berichte aus Forschung und Lehre; 6 bis heute sind etwa 40 Veröffentlichungen, unter anderem auch Forschungsergebnisse aus Drittmittelprojekten, in dieser Reihe angesiedelt. Nach einer kurzen Anfangsphase erfolgte von 1999 bis 2000 die erste Revision des Studiengangs, um das Angebot auf die Lehrerinnen- und Lehrerbildung in diagnostischen und therapeutischen Gesundheitsberufen auszuweiten. Beate Klemme erinnert sich an die Anfangsphase des Diplomstudiengangs Lehrer für Gesundheitsberufe im Wintersemester 2000: »Es war nicht nur der Beginn der akademischen Lehrerinnen- und Lehrerbildung im Bereich der Therapieberufe, sondern auch der Anfang meiner Hochschullaufbahn als Professorin: eine Zeit des Neubeginns, die durch die Herausforderung, zunächst den Gegenstand der Therapiewissenschaften und der Fachdidak­tik zu beschreiben, gekennzeichnet war. Die Erweiterung der Handlungsfelder in den thera­ peutischen Berufen, die Theorie- und die Modellentwicklung hatten in Deutschland gerade erst begonnen. So habe ich das Konzept von Clinical Reasoning 7 aus dem englischsprachigen Kontext auf die deutschen Handlungskontexte übertragen. Die vielfältigen fachwissenschaftlichen, aber auch fachdidaktischen Module

5 Gertrud Stöcker: Bildung und Pflege. Eine berufs- und bildungspolitische Standort­ bestimmung (hg. vom Bundesausschuss der Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe BA e.V.) Hannover 1997.  6  Beate Rennen-Allhoff: Evaluation des Lehrangebotes im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld. Ergebnisse der Eingangs­ befragung, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Berichte aus Forschung und Lehre, Nr. 2, Bielefeld 1997. Dies.: Untersuchungen zur Studierbarkeit des Studienangebotes im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld, WS 96/97, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Berichte aus Forschung und Lehre, Nr. 3, Bielefeld 1997. Dies.: Evaluation des ersten Studienjahres im Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Bielefeld, in: Fachhochschule Bielefeld (Hg.): Berichte aus Forschung und Lehre, Nr. 4, Bielefeld 1997. Bielefeld 1997.  7  Beate Klemme, Gabi Siegmann: Clinical Reasoning. Therapeutische Denkprozesse lernen, Stuttgart 20152.

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mussten konzipiert und inhaltlich gefüllt werden. […] Die ersten Studierenden­kohorten waren sehr groß. Es waren hochmotivierte, aber auch verunsicherte junge Menschen – verunsichert vor allem deshalb, weil sie nicht wussten, ob der eingeschlagene akademische Abschluss in der Community nachgefragt werden wird. Aber wenn man nun im Nachhinein ins Feld schaut, so sieht man, dass sie alle sehr schnell – manchmal zu schnell – neue und verantwortungsvolle Aufgaben übernommen haben. Einige, insbesondere diejenigen mit Lehrerfahrungen, haben auch gleich nach dem Studium Schulleitungsaufgaben übernommen. Die Zusammensetzung der Studierendengruppe war sehr heterogen – sie bestand aus ausgebildeten Ergo- und Physiotherapeutinnen, Hebammen, Heilpädagoginnen, Gymnastiklehrerinnen und Masseurinnen und wir mussten zunächst die Eingangsvoraussetzungen der einzelnen Berufsgruppen klären. […] Insbesondere bei der Entwicklung des Gegenstandes von Therapie­wissenschaften und Fachdidaktik hätte ich gerne mehr fachlichen Austausch und Dialog mit der Scientific Community gehabt. Aber zu dieser Zeit mussten sowohl die Strukturen für Hochschulnetzwerke als auch die Inhalte zunächst einmal entwickelt und aufgebaut werden. Heute sind wir sehr viel weiter, sowohl in den Therapiewissenschaften als auch im Aufbau der Studiengänge und der entsprechenden hochschulischen Strukturen. Jetzt gilt es darüber nachzudenken, wie sich auch primärqualifizierende Studiengänge im Bereich der Therapieberufe etablieren können.«

Aufbau des Personaltableaus im Fachbereich Die Erweiterung des Personaltableaus stellte Beate Rennen-Allhoff vor die größten Herausforderungen. Wie an allen anderen Standorten der Modellstudiengänge waren Professuren für die Vertiefungsbereiche sowie die Erziehungswissenschaft zu besetzen. Um diesen Herausforderungen zu entsprechen, befand sich das Team in den ersten Jahren wie bereits erwähnt nahezu immer in Berufungskommissionen. »Die Besetzungen der Professuren

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Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

waren eine zentrale Herausforderung«, so Gertrud Hundenborn. »Die Bewerbung der Studiengänge bei den Studieninteressierten war dagegen kein Problem, denn ambitioniertes Pflege­ fachpersonal mit umfassenden Berufserfahrungen hatte lange auf die Möglichkeit eines pflege­spezifischen Studiums gewartet. Jetzt, wo diese Möglichkeit vorhanden war, nahmen die ersten Studierenden mit viel Engagement das Studium auf. Die Nachfrage an Studienplätzen war an der Katholischen Fachhochschule so hoch, dass im Sommer- wie im Wintersemester eine Kohorte aufgenommen wurde.« Als besonders schwierig erwiesen sich die Besetzungen der pflegewissenschaftlichen und pflegedidaktischen Professuren. In Deutschland gab es bis dato keine Studiengänge, in denen die Fachexpertise für Pflegedidaktik, Pflegewissenschaft und Pflegemanagement an­gebahnt wurde. So stellte sich an allen Standorten die Frage, woher die Lehrenden mit einschlägigen Kompetenzen kommen sollten. »Die Hochschulen standen vor der Entscheidung, ob sie eher die genuine pflegerische Expertise oder eine affine wissenschaftliche Expertise in den Vordergrund der Personalauswahl stellen sollten«, wie Gertrud Hundenborn im Interview feststellte. Vor diesem Hintergrund wurde an den Hochschulstandorten nach neuen und unpopulären Wegen gesucht, um auch Experten mit einschlägigen pflegerischen und pflegedidaktischen Kompetenzen in die Pflegepädagogikstudiengänge einzubinden. Ähnlich schwierig gestaltete sich die Besetzung des Praxis­ büros. Die Lehrenden für besondere Aufgaben sollten an der Schnittstelle zwischen Pflegedidaktik und Erziehungswissenschaft die Lehre mitgestalten, die Studierenden auf die Praxisphase im 5. Semester vorbereiten und diese Phase durch Beratungsbesuche und die Abnahme der Lehrproben begleiten. Ein weiterer Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Lehrenden im Praxisbüro bestand darin, ein Netzwerk mit den Berufsfachschulen der Region aufzubauen. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben in Lehre und Praxisbegleitung wie in der Netzwerkarbeit waren sowohl die eindeutige wissenschaftliche Expertise wie der

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Praxisbezug zur genuinen Pflegepraxis als Kompetenzprofil eingefordert. Die endgültige Besetzung des Praxisbüros erstreckte sich entsprechend über eine längere, mehr als einjährige Phase. Auf die Frage: »Welche Ereignisse sind Ihnen, Frau Jopt, und Ihnen, Frau Böhmker, aus dieser Aufbauphase nachdrücklich in Erinnerung« berichten beide von der großen Offenheit und den vielen Gestaltungsmöglichkeiten im Fachbereich: »Besonders in Erinnerung haben wir die gute Zusammenarbeit im Team. So haben wir alle – Professorinnen und Lehrerinnen für besondere Aufgaben – die ersten schriftlichen Unterrichtsentwürfe der Studierenden gelesen und deren Bewertung gemeinsam diskutiert. Jede Studentin erhielt dann dazu eine schriftliche Rückmeldung. Beate Rennen-Allhoff ist uns besonders durch ihre hohe Aufmerksamkeit bezüglich der Ereignisse im Fachbereich und ihre Dialogbereitschaft, um eine gemeinsame erziehungswissenschaftliche Position zu entwickeln, in Erinnerung.« »Aber«, so Martha Jopt, »wir hatten auch andere Studierende, es waren zum Teil gestandene Lehrende, die jetzt noch einen akademischen Abschluss nachholten, oder auch Studierende, die durch langjährige Berufserfahrungen und Fachweiterbildungen eine hohe pflegerische Fachexpertise in die Lehrveranstaltungen einbrachten. Heute sind es junge Menschen, die unmittelbar nach ihrer Berufsausbildung im Bereich der Pflege, Ergo- oder Physiotherapie das Studium der Berufspädagogik aufnehmen.« »Die Gewinnung der Praktikumsplätze war eine Herausforderung«, erinnert sich Karin Böhmker. »Es gab auch Vorbehalte gegenüber der Akademisierung in den Schulen des Gesundheitswesens. Wir haben in der ersten Phase alle Praktikumseinrichtungen besucht und hinsichtlich der Praktikumsbedingungen befragt, um auf diese Weise die Qualität der Praxisphase abzusichern.« Martha Jopt ergänzt: »Die Schulen sagten: Wir sägen doch nicht am eigenen Ast, indem wir nun akademische Lehrerinnen und Lehrer ausbilden.« Und Karin Böhmker hierzu: »Diese anfänglichen Schwierigkeiten sind überwunden und eine mit viel Aufwand betriebene Akquise hat dazu geführt, dass nun

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141 Kooperationsschulen zur Ver­fügung stehen und regelmäßig Studierende in den Praxis­phasen aufnehmen und betreuen.« »Als besonders nachdrücklich habe ich die Verabschiedung unserer ersten Kohorte im Jahr 2000 in Erinnerung«, so Martha Jopt. »Zunächst hatten wir Probleme mit den Sicherheitsvorkehrungen auf dem nicht ausgebauten Dachboden am Stadtholz, aber die konnten glücklicherweise gelöst werden. Die Feier selbst war dann ein richtig gelungenes Fest. Neben den Absolventinnen und Absolventen sowie deren Familien, den Dozentinnen und l Dozenten waren auch viele Schulleitungen sowie Mentorinnen und Mentoren aus den kooperierenden Einrichtungen zugegen – auch ein Zeichen für eine erfolgreiche Implementierung des Studiengangs – wir waren alle sehr stolz!« 8

Aufbau von Strukturen zur Forschung und Wissenschaft Wolfgang Bodenbänder hatte die Bedeutung des IPW bei der Fachtagung anlässlich der Gründung des IPW im Frühjahr 1996 hervorgehoben, war es doch das erste pflegewissenschaftliche Institut an einer Universität in Deutschland. »Die Beteiligten in der Region möchte ich deshalb besonders ermutigen, das Institut für Pflegewissenschaft für entsprechende innovative Entwicklungen in Anspruch zu nehmen und als Kristallisationspunkt für Pflegeforschung im Dienste der Gesundheit für die Bundesrepublik und international mitzugestalten«, so Wolfgang Bodenbänder bei der Eröffnung des Instituts für Pflegewissenschaft am 12. März 1996.9 Eine enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Pflegewissen­ schaft war auch für den Fachbereich Pflege und Gesundheit in mehrfacher Hinsicht ein zentrales Anliegen. Um die Pflegeforschung und -wissenschaft zu befördern, entwickelte sich ein enger Dialog mit Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld.

8  Vgl. dazu auch die Neue Westfälische vom 10.10.2000.  9  Wolfgang Bodenbänder: Etablierung der Pflegewissenschaft in NRW : Der gesundheits- und sozialpolitische Stellenwert des Instituts für das Land, in: Gesellschaft zur Förderung der Pflegewissenschaft NRW e.V. (Hg.): Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege, S. 9–14, hier S. 13.

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Bei Forschungsprojekten und Fachtagungen wurden wechselseitig die jeweiligen Kompetenzen und Ressourcen eingebracht. Von 1999 bis 2000 mündete die gelungene Zusammenarbeit in ein gemeinsames Buchprojekt ein. Das erste deutschsprachige pflegewissenschaftliche Gesamtwerk wurde durch die Publikation des Handbuchs Pflegewissenschaft 10 im Juventa-Verlag veröffentlicht. Dieses Buch mit seiner systemischen Betrachtung von Pflegewissenschaft auf der Makro-, Meso- und Mikroebene leistet einen zentralen Beitrag zur Entwicklung der Pflegewissenschaft und Pflegeforschung in Deutschland. Schon 1996 erläutert Gertrud Hundenborn in ihrem Vortrag Zur Entwicklung von Pflege­wissenschaft und Pflegeforschung anlässlich der Eröffnung des IPW, wie bedeutsam eine eigenständige Konstituierung von Pflege­theorien und l-modellen in Deutschland für die Entwicklung der Pflegewissenschaft ist: »An dieser Stelle soll nur darauf hin­gewiesen, nicht aber problematisiert werden, daß die Konstitu­ierung von Pflege­ wissenschaft und -forschung nicht auf der Basis einer unreflektierten Übernahme angloamerikanischer Theorien erfolgen kann, sondern eine kritische Überprüfung bzw. eigene Theorie­ entwicklung dringend erforderlich ist.« 11 Ein anderes Problem verdeutlichte sich schon in den frühen Anfängen des Fachbereichs Pflege und Gesundheit: Es zeigte sich, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit der Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung in Europa ist. Denn zu dieser Zeit wurde von der Community einerseits die Annäherung an die akademische Pflegebildung in Europa und zugleich eine traditionelle deutsche universitäre zweiphasige Lehrerinnen- und Lehrerbildung gefordert – Widersprüche, die sich kaum ohne weitere Forschungsergebnisse auflösen ließen. Vor diesem Hintergrund erschien im Jahr 2000 eine Recherche über die Lehrerinnen- und Lehrerbildung für Pflegeberufe in Europa.12 Die Ergebnisse der sehr aufwendigen muttersprachlichen Interviews verdeut­lichen eine äußerst heterogene Pflegelehrerinnen- und

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Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

Pflegelehrerbildung in Europa, die sich in der Regel von der klassischen zweiphasigen universitären Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Deutschland unterscheidet. Die enge Zusammenarbeit und die intensiven Gespräche von Beate Rennen-Allhoff und Annette Nauerth mit den großen Gesundheitseinrichtungen Bielefelds zu dem Bedarf an akademischen Abschlüssen führten in den nachfolgenden Jahren zu einem weiteren Studienangebot zur Qualifizierung für Leitungs- und Managementaufgaben im Gesundheitswesen, dem Bachelor­studiengang Pflege und Gesundheit. Von 1998 bis 2003 wurden unter der Leitung von Beate RennenAllhoff, Annette Nauerth und Barbara Knigge-Demal einige Drittmittelprojekte durchgeführt. Dazu gehörten das Projekt Zur Evaluation des Förderpreises Pflegeschulen 13 sowie das zweijährige Leonardo-Projekt Modularisierung der Pflegeausbildung unter der wissenschaftlichen Leitung von Barbara Knigge-Demal und Annette Nauerth.14 Nachfolgend schildert Dorothee Spürk ihre Eindrücke als damalige wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Anfangszeiten des Fachbereichs: »An Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff erinnere ich mich als eine starke Führungspersönlichkeit; sie war immer sehr klar und eindeutig in ihren Aussagen, sowohl in der Sache (im Projekt) als auch in der Mitarbeiterführung. Sie bot einen sicheren Rahmen und eröffnete damit gleichzeitig Gestaltungsspielräume. Eine Erfahrung aus dieser Zeit ist: ›Forschung ist Teamarbeit und Detailarbeit.‹ Wir waren ein kleines, aber auch heterogenes Team mit

Beate Rennen-Allhoff, Doris Schaeffer (Hg.): Handbuch Pflegewissenschaft, Weinheim, München 2000.  11  Gertrud Hundenborn: Zur Entwicklung von Pflegewissenschaft und Pflegeforschung, in: Gesellschaft zur Förderung der Pflegewissenschaft NRW e.V. (Hg.): Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege, S. 14–22.  12  Beate Rennen-Allhoff, Inge Bergmann-Tyacke: Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe in Europa. Ausbildungsstandards in den EU -Mitgliedstaaten, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle 2000.  13  Barbara Knigge-Demal, Beate Rennen-Allhoff, Dorothee Spürk: Abschlussbericht über das Projekt Evaluation des Förderpreises Pflegeschulen 1997, 1998, 1999 der Robert Bosch Stiftung, Bielefeld 2000.  14  Barbara Knigge-­ Demal: Internationalisierung von Pflegebildung – Am Beispiel des Projektes: »Modularisierung der Pflegeausbildung«, in: Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, KFH NW, Fachbereich Gesundheitswesen (Hg.): Jahrbuch 2005. 10 Jahre Fachbereich Gesundheitswesen, Berlin 2005, S. 204–223.

Barbara Knigge-Demal

sehr unterschiedlichen Kompetenzen. So waren die einen stark in der Forschungsmethodik oder in der Auswertung von Daten, andere hatten eine hohe Feldkompetenz. Diese verschiedenen Kompetenzprofile konnten in das Projekt eingebracht werden und waren erwünscht. Beide Projektleitungen lebten eine gemeinsame Grundhaltung zur Evaluation und Reflexion. Für beide Projektleitungen waren Forschung und Lehre unabdingbar mit Reflexion und Evaluation verbunden. Dies wurde auch hinsichtlich der Lehrerinnen- und Lehrerbildung vermittelt. […] Das Forschungsprojekt war nicht nur über die studentischen Mitarbeiter in den Studiengang Berufspädagogik für Gesundheitsberufe eingebunden, sondern die Ergebnisse wurden in den Lehrveranstaltungen vorgestellt und es gab einen Workshop zum Projekt. Die Einbindung in den Fachbereich habe ich als sehr hilfreich und innovativ empfunden; auch als Projektmitarbeiterin eines Drittmittelprojektes gehörte ich zum Team, obwohl ich die erste war. Uns alle hat die damalige Aufbruchstimmung hoch motiviert und miteinander verbunden. … Dass aus Projekten heraus etwas Neues entstehen kann, zeigt sich daran, dass die entwickelten Verbesserungsvorschläge (Best-Practice-Beispiele) von Prof. Dr. Beate Rennen-­ Allhoff in das Projekt QuePNet eingebunden wurden.«

Resümee Die Akademisierung der Pflegeberufe hat in Europa, aber auch in Deutschland eine lange Tradition. Schon 1912 gab es an der Hochschule für Frauen in Leipzig auf Initiative von Agnes Karll einen zweijährigen Weiterbildungsstudiengang für Krankenhaus­ oberinnen.15 Einen ersten Versuch zur grundständigen und generalistischen Akademisierung der Krankenpflege unternahm Antje Grauhan 16 an der Schwesternschule der Universität Heidelberg. Orientiert am amerikanischen Modell, sollte auch in Deutschland ein praxisorientierter Studiengang für Krankenschwestern ein­ gerichtet werden. In den Jahren 1979 bis 1982 gab es an der Freien Universität (FU) Berlin einen sechssemestrigen Studiengang zur

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Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

Pflegelehrerin.17 Aber alle diese frühen Bemühungen zur Akademisierung in ausgewählten pflegerischen Positionen haben entweder die Planungs- oder die Modellstudienphase nicht überstanden, nicht zuletzt aufgrund des Widerstandes aus der eigenen Berufsgruppe. Heute befinden wir uns wieder an einer neuen Wegscheide, denn es geht um die Konstituierung eines Berufsgesetzes, in dem die grundständige akademische Pflegebildung neben der beruflichen Bildung einer Regelung zugeführt werden soll. Mit einem solchen Berufsgesetz wäre auch in Deutschland eine Teilakademisierung der Pflegeberufe etabliert. In der Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung ist in der Zwischenzeit das Anspruchsniveau für den Berufsbereich der Pflege und der Gesundheitsberufe in fast allen Bundesländern auf das Master­niveau festgelegt und hat in nahezu allen Bundesländern die Phase des Modells überwunden. Die Pflegelehrerinnenund Pflegelehrer­bildung in diesem Berufsbereich hat sich parallel zu den jeweiligen Berufsausbildungen weiterentwickelt. Allerdings besteht trotz des bundesweiten Angebots an Studiengängen nach wie vor ein hoher Bedarf an Lehrenden in den Gesundheitsberufen, der nicht nur auf die Ausweitung von Ausbildungsplätzen im Berufsbereich der Altenpflege zurückzuführen ist, sondern auch mit der Verlängerung der Studienzeit durch die konsekutive Studien­abfolge verbunden zu sein scheint. Bei den Studiengängen handelt es sich in der Regel nach wie vor um einphasige, konsekutive BA- und MA-Studiengänge, die aktuell noch häufiger an Fachhochschulen als an Universitäten angesiedelt sind und mit einem Master of Arts abschließen.

15  Anna-Paula Kruse: Krankenpflegeausbildung seit Mitte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart, Berlin, Köln 1993, S. 61 f.  16  Antje Grauhan: Beitrag zur Planung dreijähriger praxisbezogener Studiengänge in der Krankenpflege, Magisterarbeit Universität Konstanz, 1973.   17  Antje Grauhan, Petra Botschafter, Udo Schagen: Modellversuch Entwicklung und Erprobung eines 3-jährigen Studiengangs für Lehrkräfte an Lehr­ anstalten für Medizinalfachberufe (Zwischenbericht), Freie Universität Berlin 1977, und Petra Botschafter, Martin Moers: Pflegewissenschaft und Pflegenotstand. Einrichtung eines Studienganges »LehrerIn der Pflege« an der Freien Universität Berlin?, in: HeinzHarald Abholz, Gerhard Bäcker, Petra Botschafter, Eberhard Göbel, Beate Guthke, Hagen Kühn, Uwe Lenhardt: Gesundheitsreform und die Folgen, Hamburg 1990, S. 123–139.

Barbara Knigge-Demal

342–343

Während des Masterstudiums absolvieren die Studierenden längere schulpraktische Studien bzw. ein praktisches Studiensemester in einer Schule des Gesundheitswesens, wobei sie durch die Lehrenden der Hochschule beraten und begleitet werden. Die schulpraktischen Studien in den Masterstudiengängen der Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung entsprechen in der Regel der staat­lichen Lehrerinnen- und Lehrerbildung, stellen allerdings in den Gesundheitsberufen einen integrativen Bestandteil (integratives Referendariat) dar und schließen mit einer Unterrichtsprobe ab. Das auf Transfer ausgerichtete wissenschaftliche Masterstudium hat sich in der Vergangenheit sehr bewährt. Deshalb stellt sich jetzt wieder die Frage, ob ein erneuter Aushandlungsprozess mit dem Schul­ministerium zu einer Anerkennung der Studienabschlüsse als erstes Staatsexamen führen kann, um eine Initiative, die in den Anfängen des Fachbereichs Pflege und Gesundheit gemeinsam mit den beiden anderen Lehrerinnen und Lehrer bildenden Hochschulen in Köln und Münster begonnen hat, wiederzubeleben. »Wir blicken zurück auf gut zehn Jahre (Pflege-)Lehrerinnenbildung an Fachhochschulen.« […] »Zehn Jahre (Pflege-)Lehrerinnenbildung an Fachhochschulen sind ein klares Signal dafür, dass sich diese Studiengänge bewährt haben, dass sie nach einer Erprobungsphase nicht wieder von der Bildfläche verschwunden sind und verschwinden werden. Das bedeutet nicht, dass sie überall auf Akzeptanz und Befürwortung stoßen. Sind doch die Positionen für eine generelle universitäre Pflegelehrerinnen- und l-lehrerbildung nicht verstummt. Eine normative Strukturdebatte, die oft dem Grundsatz folgt: ›Richtig ist was, was normal ist‹, bestimmt und behindert mancherorts die Auseinandersetzung mit den drängenden Fragen, über welche Kompetenzen Pflegelehrerinnenund -lehrer verfügen müssen, um den steigenden Ansprüchen und Anforderungen an Pflegebildungsprozesse in einer von Komplexität, Widersprüchen und Handlungszwängen gekennzeichneten Bildungs- und Pflegepraxis entsprechen zu können.« 18

18 

Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung

Beate Rennen-Allhoff hat sowohl in der Forschung und Entwicklung als auch der Lehre und Verwaltung des Fachbereichs Pflege und Gesundheit nachhaltige Spuren hinterlassen. Noch heute erinnern wir uns mit viel Dankbarkeit und Freude an eine innovative Entwicklungsphase, in der wir uns als Team, aber auch als Individuen einbringen und persönlich wie fachlich weiterentwickeln konnten.19  ◼

Gertrud Hundenborn: Rückblick auf zehn Jahre Lehrerbildung an Fachhochschulen, in: Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, KFH NW, Fachbereich Gesundheitswesen (Hg.): Jahrbuch 2005, S. 178–195, hier S. 181.  19  Mein herzlicher Dank gilt Karin Böhmker, Martha Jopt, Prof. Gertrud Hundenborn, Prof. Dr. Beate Klemme und Dorothee Spürk. Sie haben die Anfänge des Fachbereichs bzw. der Pflegelehrerinnen- und Pflegelehrerbildung mit­gestaltet und sich in einem Interview an die frühen Aufbauphasen der Akademisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Pflege- und Therapieberufen erinnert und dadurch den vorliegenden Beitrag wesentlich bereichert.

Zum guten Schluss: ein Dank

Andreas Beaugrand

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Dank

»Das Wissen wird durch das Gewahrwerden seiner Lücken, durch das Gefühl seiner Mängel zur Wissenschaft geführt, welche vor, mit und nach allem Wissen besteht.«1 Johann Wolfgang von Goethe

Andreas Beaugrand

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Zuallererst möchte ich allen Autorinnen und Autoren aufs Herzlichste danken, die meiner Einladung zur Mitarbeit an dieser Festschrift für Beate Rennen-Allhoff gerne gefolgt sind und vielfältige interessante Beiträge aus ihrem jeweiligen Tätigkeits- und Wissenschaftsgebiet beigesteuert haben. Diese berühren sämtlich das umfassende Arbeitsgebiet von R.A., die mit diesem Kürzel wohl Zigtausende von Vorgängen und Akten2 gekennzeichnet hat, die während ihrer Amtszeit als Rektorin bzw. Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld zwischen 2001 und 2015 durch ihre Hand gegangen sind. Zu danken ist Roswitha Gost und Karin Werner vom Bielefelder transcript Verlag für die Aufnahme dieses Buches in ihre Verlagsreihe Science Studies sowie den Verlagsmitarbeiterinnen Jennifer Niediek (Projektmanagement/Lektorat) und Kathrin Popp (Programmabteilung/Lektorat/Kommunikation) für die unkomplizierte Abwicklung der Buchherstellung. Ich danke dem Buchgestalter Johannes Pistorius, Masterstudent in der Studienrichtung Grafik und Kommunikationsdesign am Fach­bereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld, für seine beharrliche Gestaltungsarbeit und meinem Kollegen Robert Paul­mann vom Fachbereich Gestaltung für seine fachkundige typografische Beratung. Dem Bielefelder ›Fehlerfinder‹ Hartmut Brecken­kamp danke ich für das wie immer sorgfältige Lektorat. Danken möchte ich auch der Fachhochschule Bielefeld  – namentlich meiner Kollegin Gehsa Schnier und meinen Kollegen Friedrich Biegler-König und Christian Schröder im Präsidium – für die benötigte und auf präsidialer Ebene, jedoch ohne Präsidentin (!) beschlossene finanzielle Beteiligung, damit dieses Buch eine Überraschung für Beate Rennen-Allhoff werden konnte. Schließlich gilt mein Dank allen Beteiligten für ihre Verschwiegenheit während des Bearbeitungszeitraums dieses Buches seit März 2015 – und damit insbesondere Peter Allhoff, dem ›Geheimnisträger‹ von der ersten Projektstunde an!

Dank

Last but not least danke ich Beate Rennen-Allhoff – auch im Namen von Friedrich Biegler-König, Christian Schröder und ›ihrer‹ wie ›unserer‹ Sekretärin Bianca Knuth – für die jahrelange freundschaftliche Zusammenarbeit und ihren Einsatz für die Fachhochschule Bielefeld. Bielefeld, am 25. September 2015

1 

Johann Wolfgang von Goethe: Werke (Berliner Ausgabe, herausgegeben von Peter Seidel: Poetische Werke (Band 1–16), Kunsttheoretische Schriften und Übersetzungen (Band 17–22), hier Band 18: Maximen und Reflexionen. Aus den Heften zur Morphologie), Berlin 1960, S. 644.  2  Bei angenommenen 30 Vorgängen am Tag und fünf Arbeitstagen pro Woche kommt man bei etwa 48 Wochen im Jahr – etwas Urlaub und hier und da mal einen freien Tag gab es ja auch – und 14 Jahren Amtszeit bereits auf 100 800 Vorgänge, die sie gelesen, bearbeitet, kommentiert und abgezeichnet hat. Es ist zu befürchten, dass es noch mehr gewesen sind.

Biografisches

Andreas Beaugrand 1960 geboren in Hamm. Nach Abitur und Zivildienst 1981–1987 Stu-

dium der Geschichtswissenschaft, Germanistik und Philosophie an der Universität Bielefeld, Magister Artium; Promotionsstipendium, 1992 Promotion. 1987–2003 Mitarbeiter bzw. Geschäftsführer des Bielefelder Kunstvereins e.V., 1990–2001 Lehrbeauftragter für Kunst- und Kulturgeschichte am Fachbereich Design (seit 1999: Gestaltung) der Fachhochschule Bielefeld, 1993–2001 Lehr­ beauftragter für Kunstanalyse an der Fakultät für Theologie, Geographie, Kunst und Musik der Universität Bielefeld. Seit 1995 Honorarprofessor, seit 2001 Professor am Fachbereich Gestaltung, 2008–2009 kommissarischer Prorektor für Lehre, Studium und Studienreform, seit 2009 Vizepräsident für Studium und Lehre der Fachhochschule Bielefeld. Seit 2003 zusammen mit Georgia Beaugrand Inhaber der Beaugrand Kulturkonzepte Bielefeld. Gründungs- und Vorstandsmitglied der Sozial-Aktien-Gesellschaft Bielefeld, Vorstandsmitglied der Bielefelder Stiftung Solidarität bei Arbeitslosigkeit und Armut, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Ziegelei und Gipshütten Wester­ egeln e.V. und Vorstandsmitglied des Vereins zur Förderung internationaler Studierender in Bielefeld e.V. Autor zahlreicher Beiträge in geschichts- und kunstwissenschaftlichen Publikationen, Vorträge und Veröffentlichungen zur Kunst-, Kultur-, Regional-, Architektur- und Wirtschaftsgeschichte; Kurator von Ausstellungsprojekten zur zeitgenössischen Kunst und Kultur.

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1954 geboren in Bielefeld. Studium der Mathematik und Physik an der Universität Bielefeld, 1978 Diplom, 1980 Promotion; 1980–1981 Postdoc an der McMaster University, Kanada, und an der Stanford University, USA; 1981–1985 wissenschaftlicher Mitarbeit an der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld; 1985–1990 leitender Mitarbeiter der Bayer AG in Leverkusen; 1990–1996 Professor an der Fachhochschule Hannover, seit 1996 Professor an der Fachhochschule Bielefeld, Lehrgebiet: Angewandte Mathematik und Informatik; seit 2005 Prorektor für Planung und Finanzen bzw. seit 2009 Vizepräsident für Planung und Infrastruktur.

Swen Binner

geboren in Aurich (Ostfriesland). Nach dem Abitur Offizierslaufbahn und Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Hamburg; 1992–1994 Tätigkeit als Assistent der Geschäftsführung, nach einem halben Jahr als kaufmännischer Leiter eines Import-/Export-Unternehmens für Motoryachten in Bad Oeynhausen; 1994–1995 Leiter der neugegründeten Zweigstelle der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld in Minden, seit November 1995 Geschäfts­ bereichsleiter Berufliche Bildung der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, seit 1999 tätig als Geschäftsführer. 1963

Tobina Brinker

geboren in Braunschweig. 1981 erstes Staatsexamen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen an der TU Braunschweig, 1982–1983 Referendariat und zweites Staatsexamen in Vechta, 1984– 1986 Studium der Diplompädagogik mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Universität Hannover, 1986–1991 Promotionsvorhaben über neue Medien im Führungskräftetraining an der TU Braunschweig. 1991–2001 Projektleiterin, Lernprogrammautorin, Trainerin und Beraterin für Hochschuldidaktik und Schlüsselkompetenzen an Hochschulen und Unternehmen, seit 2001 Referentin und seit 2006 Geschäftsführerin des Netzwerks 1960

Biografisches

Friedrich Biegler-König

»hdw nrw – Hochschuldidaktische Weiterbildung« der 20 Fachhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen. 2004–2005 Weiterbildung zum systemischen Coach. Seit 2007 Vorsitzende der Gesellschaft für Schlüsselkompetenzen in Lehre, Forschung und Praxis e.V. und Vorstandsmitglied bzw. stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd), seit 2008 Honorarprofessorin im Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit der Fachhochschule Bielefeld. Friedrich Buttler

geboren Bodenwerder/Weser. Studium der Volkswirtschaftslehre und Soziologie in Göttingen und Tübingen, 1968 Promotion, DFG-Stipendium in Spanien, 1972 Habilitation in Göttingen, 1973 Ruf an die Universität Paderborn, 1976–1987 Rektor. 1988–1994 Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit, 1994–2000 Staatssekretär des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes B., 2001–2007 Beigeordneter Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf und deren Regionaldirektor für Europa und Zentralasien. Mitglied des Wissenschaftsrats, nach 1989/1990 Leiter der vom Wissenschaftsrat empfohlenen Kommission für Hochschulen und Forschungseinrichtungen in B. und bis 2010 der Hochschulstrukturkommission des Landes. Seit 2000 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim. 1941

Tilmann Fischer

geboren in Berlin. Nach dem Studium der Architektur und Berufstätigkeit als Architekt 1982 Berufung als Professor an die Fachhochschule Lippe (seit 2008 Hochschule OWL ) in Lemgo. 1984–2002 Prorektor für Planung und Finanzen, danach 2002–2010 Rektor bzw. Präsident. Mitbegründer des Studienfonds OWL, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und seit 2011 Vorsitzender des Stiftungskuratoriums. 1943

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geboren in Külsheim/Baden. Nach dem Abitur am humanistischen Gymnasium in Tauberbischofsheim Studium der Theologie, Philosophie, Pädagogik und Psychologie sowie Volks- und Sonderschullehrämter an den Universitäten Freiburg im Breisgau und Heidelberg, anschließend Tätigkeit als Lehrer und Bildungsberater sowie als wissenschaftlicher Assistent und Dozent an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. 1971–1976 Lehrstuhl für Psychologie an der Universität Bonn, 1976–1982 Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie an der Universität zu Köln, 1982–1999 Lehrstuhl für Psychologie mit dem Schwerpunkt Psychologische Diagnostik und Evaluation an der Ludwigs-Maximilian-Universität (LMU) München und Direktor des LMU-Zentrums für Begabungsforschung. Mitglied der New York Academy of Sciences (Sektion Psychologie), der Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst, des Deutschen Philologenverbandes (DPhV), der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGhK) und des Landesverbandes Hochbegabung Baden-Württemberg (LVH) sowie wissenschaftlicher Beirat für die OECD-Studien PISA I-III und DESI (beim deutschen Projektmanager, 1998-2006); u. a. 2003 Bayerischer Staatspreis, Ehrenmitglied der Spanischen Gesellschaft für Hochbegabungsforschung (SEES) und der Singapore Psychological Society (SPS). Vielfache Veröffentlichungen zur Begabungsund Bildungsforschung. 1931

Sibylle Jakubowicz

geboren in Krefeld. 1985–1988 Studium des modernen Chinesisch und Japanisch an der Universität Bonn und der National Taiwan Normal University, Taipeh; 1988–1994 Studium der Internationalen Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Ostasien/ China an der Universität Tübingen; 1994–1998 wissenschaftliche Angestellte an der Universität Tübingen, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, 1999 Promotion. 2000–2008 Studiengangsleiterin des Studiengangs Internationale Wirtschaft und Management 1965

Biografisches

Kurt A. Heller

an der Fachhochschule Kufstein/Tirol. Seit 2008 wissenschaft­ liche Referentin bei der Evaluationsagentur Baden-Württemberg (evalag), seit 2009 Leitung der Abteilung Qualitätsmanagement, seit 2011 stellvertretender Stiftungsvorstand von evalag. Barbara Knigge-Demal

geboren in Wittingen. 1965–1968 Ausbildung zur Kinderkrankenschwester im Allgemeinen Krankenhaus in Celle, 1968–1973 Kinderkrankenschwester und stellvertretende Stationsleitung auf der Station für Frühgeburten und kranke Neugeborene im All­ gemeinen Krankenhaus in Celle, 1973–1976 Ausbildung zur Erzieherin an der Volkshochschule in Offenbach/Hessen, staatliche Prüfung zur Erzieherin an der Alice-Eleonoren-Schule in Darmstadt. 1976–1977 Studium der Sozialarbeit an der staat­lichen Fachhochschule in Frankfurt am Main, Erwerb der fachgebundenen Hochschulreife, 1977–1988 Studium der Psychologie und Soziologie an der TU in Darmstadt mit den Schwerpunkten Organisationspsychologie und Pädagogische Psychologie. 1982–1986 Dozentin für Psychologie, Pädagogische Psychologie und Soziologie am Institut für Weiterbildung in der Krankenpflege (IWK) in Darmstadt, 1988–1990 Dozentin für Organisationspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Krankenpflegehochschule Agnes Karll des Deutschen Berufsverbandes für Krankenpflege in Frankfurt am Main, 1990–1995 Dozentin für Organisationspsychologie, Pädagogische Psychologie und Soziologie am Ev. Weiterbildungsinstitut für pflegerische Berufe e.V. in Münster, Projektleiterin eines Praxisprojektes der Robert Bosch Stiftung und der medizinischen Einrichtungen der Wilhelms-Universität Münster zur Arbeitsorganisation in der Pflege. 1996–1998 Promotionsstudium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und an der Universität Osnabrück, Promotion im Fachbereich Kultur- und Erziehungswissenschaft der Universität Osnabrück, 1995–1996 Lehrbeauftragte für erziehungswissenschaftliche Schwerpunktthemen im Studiengang Diplom-Krankenpflege an der Fachhochschule 1948

352–353

Joachim Metzner

geboren in Oberschlesien. Studium der Philosophie, Germanistik und Theologie an den Universitäten Frankfurt und Tübingen; Promotion zum Dr. phil. an der Universität Tübingen. Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Akademischer Rat in Koblenz und Kaiserslautern. Seit 1980 Professur für Sprachwissenschaft an der Fachhochschule Köln, 1989–2012 Rektor bzw. Präsident der Hochschule. 1991–2008 Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen in NRW; 2008–2014 Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Vorsitzender des Beirats des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) und des Aufsichtsrats der Stiftung Hochschulstart. Mitglied des Hochschulrats der Fachhochschule Köln und des Stiftungsrats der Hochschule Osnabrück. 1943

Annette Nauerth

geboren in Bad Oeynhausen. Nach Krankenpflegeausbildung 1980–1986 Studium der Medizin in Münster, 1987 Promotion zum Dr. med. an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. 1987–1990 ärztliche Tätigkeit in der Inneren Medizin in Klinik und Praxis, 1990–1995 wissenschaftliche Mitarbeiterin der WWU Münster, 1995–1997 Klinik für Psychosomatik, Bad Rothenfelde. Seit 1997 Professorin für Biomedizinische Grund­lagen der Gesundheitsberufe an der Fachhochschule Bielefeld. Vorsitzende des Instituts für Bildungs- und Versorgungsforschung (InBVG) der Fachhochschule Bielefeld, Sprecherin der 1958

Biografisches

Osnabrück, 1996 –1999 Vertretungsprofessur für das Lehrgebiet Pflegewissenschaft mit dem Schwerpunkt Pflegedidaktik an der Fachhochschule Bielefeld, 1999–2013 Professorin für dieses Lehrgebiet an der Fachhochschule Bielefeld. 2012–2015 Beauftragte zur Einrichtung gesundheitsbezogener Studiengänge an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus–Senftenberg, seit 2013 Mitglied des Hochschulrats an der Fachhochschule Bielefeld.

Fachhochschule in der Forschungskooperation Nutzerorientierte Versorgung bei chronischer Krankheit und Pflegebedürftigkeit mit der Universität Bielefeld. Heinrich Ostholt

geboren in Füchtorf, Kreis Warendorf. 1943–1952 Volksschule, 1952–1956 landwirtschaftliche Lehre, Gehilfenprüfung; 1956–1958 Landbauschule Hildesheim, Landbautechniker, 1958–1960 Berufs­ tätigkeit in der Landwirtschaft, Braunschweig-Kolleg, Abitur. 1960–1966 Physikstudium an den Universitäten Marburg und Münster, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Wolfgang Hellenthal, 1969 Promotion zum Dr. rer. nat. 1970 wissenschaftlicher Assistent und Akademischer Rat im Rechenzentrum der Universität Münster. 1972–2001 Professor an der Fachhochschule Bielefeld, hier 1976–1980 Prodekan, 1980–1982 Dekan des Fachbereichs Maschinenbau, 1984–1993 Prorektor für Forschung und Entwicklung und Stellvertreter des Rektors, 1993–1997 Rektor, 1997–2001 Wiederwahl. Zahlreiche Lehr- und Forschungsprojekte, vielfache wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie Gründung des CAE -AnInstituts für Produktentwicklung und -optimierung, Beckum, und der Firma Solar, Füchtorf-Düpe (2008). 1937

Dieter Pawusch

geboren in Siegen. 1977–1980 Studium an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW, Abteilung Soest (Diplom-­ Verwaltungswirt); nach Abschluss des Studiums und einer Ausbildung bei der Bezirksregierung Arnsberg 1980–1993 verschiedene Aufgabenbereiche innerhalb der Hochschulverwaltung der Fachhochschule Hagen bzw. ab 1988 der Märkischen Fachhochschule Iserlohn, dort zuletzt als Dezernent für Hochschulplanung und Akademische Angelegenheiten; seit Gründung im Oktober 1993 Geschäftsführer des Instituts für Verbundstudien der Fachhochschulen Nordrhein-Westfalens (IfV NRW) mit Sitz am Standort Hagen der Fachhochschule Südwestfalen; langjährige 1959

354–355

Ingeborg Schramm-Wölk

geboren in Lörrach. 1983–1994 Studium der Biologie in Tübingen und Berlin, 1996–1999 berufsbegleitendes Studium der Medizininformatik in Berlin, Promotion an der Humboldt-Universität Berlin. Nach Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Charité Berlin und in der freien Wirtschaft 2004–2009 Professur an der Hochschule Anhalt (FH), 2009–2013 Gründungsdekanin, 2013–2015 Dekanin der Fakultät Kommunikation und Umwelt der Hochschule Rhein-Waal, seit 1. September 2015 Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld. 1963

Hildegard Schumacher-Grub 1952 geboren in Adenau. 1971–1974 Studium der Sozialpädagogik an

den Fachhochschulen Bonn und Köln, 1974–1979 berufliche Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagogin an einer Sonderschule für geistig Behinderte in Köln. Seit Oktober 1979 Fachlehrerin an der Fachhochschule Bielefeld im Fachbereich Sozialwesen mit den Lehrgebieten Didaktik/Methodik der Sozialpädagogik, insbesondere Systemökologie und Umweltpädagogik, sowie Heil- und Sonderpädagogik, 1990–1998 Entsendung an die Kulturakademie Dresden im Auftrag der FH Bielefeld im Rahmen der Aufbauhilfe Ost, 1993– 1994 Bestellung zum alleinigen Notvorstand für die Kulturakademie Dresden mit dem Auftrag des strukturellen und personellen Umbaus. 1994–1996 berufsbegleitendes Studium der Umweltwissenschaften an der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld, 1997–2000 Mitglied des Energiebeirats des Stadt Bielefeld, Behindertenbeauftragte der FH Bielefeld über mehrere Amtsperioden, 2002–2012 Gleichstellungsbeauftragte der FH Bielefeld. Mitarbeit in zahlreichen Hochschulgremien und Kommissionen, Veröffentlichung von Fachaufsätzen und Projektberichten.

Biografisches

Mitgliedschaft in den hochschulübergreifenden Gremien des Verbund­studiums, 1994–2012 Mitglied im Vorstand des IfV NRW.

Barbara Schwarze

geboren in Vlotho. 1970–1976 Studium der Soziologie und Pädagogik an der Universität Bielefeld, 1976–1992 wissenschaft­ liche Angestellte in der Zentralen Studienberatung der Universität Münster, 1992–1994 Referentin für Chancengleichheit im Frauenbüro der Universität Osnabrück, 1994–1997 wissenschaftliche Leiterin des Bund-Länder-Modellversuchs Frauen im Ingenieurstudium an Fachhochschulen. Geschlechtsspezifische Aspekte in Lehre und Studium an der Fachhochschule Bielefeld. 1996– 2000 Leiterin der Koordinierungsstelle der bundesweiten Initiative Frauen geben Technik neue Impulse des BMBF, der Deutschen Telekom AG und der Bundesanstalt für Arbeit, 1999–2002 Leiterin der Geschäftsstelle des Forums Informationsgesellschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. 2000– 2005 Geschäftsführerin des Vereins Frauen geben Technik neue Impulse e.V. und des Kompetenzzentrums Frauen in Informa­ tionsgesellschaft und Technologie, seit 2005 Vorsitzende des Kompetenzzentrums Technik – Diversity – Chancengleichheit  e.V. 2005–2007 Gastprofessorin für Gender Diversity in Ingenieurwissenschaften und Informatik an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften und Informatik der Fachhochschule Osnabrück, 2007– 2009 Professorin für Gender und Diversity Studies in Ingenieurwissenschaften und Informatik an der Hochschule Osnabrück, seit 2009 Professorin für Gender Diversity Studies an der Hochschule Osnabrück, Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik. 1951

Ulrike Settnik

geboren in Bünde/Westfalen. 1983–1988 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld mit dem Abschluss zur Diplom-Kauffrau, 1989–1994 wissenschaftliche Angestellte am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld mit dem Abschluss zum Dr. rer. pol., 1995–2002 wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation an der Fakultät 1964

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Martin Sternberg

geboren in Berlin. Nach dem Abitur Studium der Physik an der TU Berlin, 1984–1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter am optischen Institut der TU Berlin, 1989 Promotion zum Dr.-Ing. 1989– 1996 Referent für Elektronenstrahltechnik, später Hauptabteilungsleiter bei der Linotype-Hell AG, 1997 stellvertretender technischer Leiter bei der Broschek Druck GmbH & Co. KG in Hamburg-­ Rahlstedt. Seit 1997 Professor an der Hochschule Bochum, seit 2006 Präsident, 2011–2015 Vorsitzender der nordrhein-westfälischen Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen (LRK). 1960

Dieter Timmermann,

geboren in Friedrichsdorf, Kreis Stargard/Mecklenburg. Nach der Schulzeit in Emden, Norden (Ostfriesland) und Bonn 1962 Abitur, 1963–1968 Studium der Volkswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, 1968–1974 als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität Berlin tätig, Promotion. 1974–1979 wissenschaftlicher Assistent an der Universität Bielefeld, Forschungsaufenthalt in den USA, Habilitation. 1979–1982 Dozent, seit 1982 Professor für das Fach­ gebiet Bildungsplanung und Bildungsökonomie an der Universität Bielefeld, hier 1996–2001 Prorektor für Lehre, studentische Angelegenheiten und Weiterbildung, 2001–2009 Rektor. 2001–2004 Vorsitzender der von Bundesregierung und Bundestag eingesetzten Expertenkommission Finanzierung lebenslangen Lernens, 1943

Biografisches

für Wirtschaftswissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. 2003–2008 Referentin bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Bereich der Versicherungsaufsicht in Bonn und Frankfurt, 2006 Habilitation und Verleihung der Venia Legendi für das Fach Betriebswirtschaftslehre. Seit 2008 Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen, am Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit der Fachhochschule Bielefeld, seit November 2012 zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Fachhochschule Bielefeld.

Expertenfunktion für die Organisation für wirtschaft­liche Zusammen­arbeit und Entwicklung (OECD ) und die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in den 1980erund 1990er-Jahren, seit 2011 Präsident des Deutschen Studierendenwerks. Autor zahlreicher Veröffentlichungen, Herausgeber der Beiträge zur Bildungsplanung und Bildungsökonomie, Mitheraus­ geber der Schriftenreihe Mehrwert und der Bielefelder Reihe Wissenschaft–Praxis–Dialog. Berufliche Bildung. Ursula Walkenhorst

geboren in Herne. 1983–1988 Studium der Erziehungswissenschaft an der Universität Dortmund, 2006 Promotion in den Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld. Tätigkeiten als Schulleiterin der Berufsfachschule für Ergotherapie, Dortmund, und als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach­bereich Pflege und Gesundheit der Fachhochschule Bielefeld. 2006–2010 Professorin für Therapie- und Rehabilitationswissenschaften (Schwerpunkt Didaktik) am Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit der Fachhochschule Bielefeld, 2010–2014 Professorin und Vizepräsidentin für Studium und Lehre an der Hochschule für Gesundheit Bochum, seit 2014 Professorin und Leiterin des Fachgebietes Didaktik der Humandienstleistungsberufe an der Universität Osnabrück. 1963

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Science Studies Manfred E.A. Schmutzer Die Wiedergeburt der Wissenschaften im Islam Konsens und Widerspruch (idschma wa khilaf) Oktober 2015, ca. 500 Seiten, Hardcover, ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3196-8

Thomas Etzemüller Auf der Suche nach dem Nordischen Menschen Die deutsche Rassenanthropologie in der modernen Welt Oktober 2015, 294 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3183-8

Kirsten Schmidt Was sind Gene nicht? Über die Grenzen des biologischen Essentialismus 2013, 348 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2583-7

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Science Studies Edgar Grande, Dorothea Jansen, Otfried Jarren, Arie Rip, Uwe Schimank, Peter Weingart (Hg.) Neue Governance der Wissenschaft Reorganisation – externe Anforderungen – Medialisierung 2013, 374 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2272-0

Tristan Thielmann, Erhard Schüttpelz (Hg.) Akteur-Medien-Theorie 2013, 776 Seiten, Hardcover, zahlr. Abb. , 39,80 €, ISBN 978-3-8376-1020-8

Rudolf Stichweh Wissenschaft, Universität, Professionen Soziologische Analysen (Neuauflage) 2013, 360 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-2300-0

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Science Studies Christian Dieckhoff, Anna Leuschner, Frederike Neuber (Hg.) Die Energiewende und ihre Modelle Was uns Energieszenarien sagen können – und was nicht September 2016, ca. 160 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3171-5

Dania Achermann Institutionelle Identität im Wandel Zur Geschichte des Instituts für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen Februar 2016, ca. 290 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3142-5

Cheryce von Xylander, Alfred Nordmann (Hg.) Vollendete Tatsachen Vom endgültig Vorläufigen und vorläufig Endgültigen in der Wissenschaft November 2015, ca. 320 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2542-4

Christian Kehrt Mit Molekülen spielen Wissenschaftskulturen der Nanotechnologie zwischen Politik und Medien November 2015, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3202-6

Diego Compagna (Hg.) Leben zwischen Natur und Kultur Zur Neuaushandlung von Natur und Kultur in den Technik- und Lebenswissenschaften Oktober 2015, ca. 250 Seiten, kart., ca. 33,99 €, ISBN 978-3-8376-2009-2

Anna-Sophie Jürgens, Tassilo Tesche (Hg.) LaborARTorium Forschung im Denkraum zwischen Wissenschaft und Kunst. Eine Methodenreflexion August 2015, 336 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2969-9

Christian Dieckhoff Modellierte Zukunft Energieszenarien in der wissenschaftlichen Politikberatung April 2015, 284 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3097-8

Fabian Karsch Medizin zwischen Markt und Moral Zur Kommerzialisierung ärztlicher Handlungsfelder März 2015, 256 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2890-6

Matthias Groß Experimentelles Nichtwissen Umweltinnovationen und die Grenzen sozial-ökologischer Resilienz 2014, 202 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2855-5

Gert Dressel, Wilhelm Berger, Katharina Heimerl, Verena Winiwarter (Hg.) Interdisziplinär und transdisziplinär forschen Praktiken und Methoden 2014, 366 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2484-7

Tobias Cheung Organismen. Agenten zwischen Innen- und Außenwelten 1780-1860 2014, 348 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2646-9

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Science Studies Sibylle Peters (Hg.) Das Forschen aller Artistic Research als Wissensproduktion zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft 2013, 262 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2172-3

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