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German Pages 7589 [7824] Year 2023
Erman Bürgerliches Gesetzbuch
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Erman Bürgerliches Gesetzbuch Kommentar mit Nebengesetzen (AGG, BVersTG, EGBGB, ErbbauRG, ProdhaftG, VBVG, VersAusglG, WEG – teils in Auszügen) und Internationalem Privatrecht herausgegeben von
Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Harm Peter Westermann Prof. em. Dr. Barbara Grunewald Rechtsanwalt Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer
I 17., neu bearbeitete Auflage
2023
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Bearbeitet von Prof. Dr. Lutz Aderhold Prof. Dr. Heribert M. Anzinger Prof. Dr. Christian Armbrüster Prof. Dr. Arnd Arnold Prof. Dr. Markus Artz Prof. Dr. Walter Bayer Prof. Dr. Klaus Peter Berger Prof. Dr. Anna K. Bernzen Prof. Dr. Marcus Bieder Dr. Daniel Blankenburg Prof. Dr. Lars Böttcher Prof. Dr. Petra Buck-Heeb Prof. Dr. Christine Budzikiewicz Dr. Marc Dickersbach Dr. Andreas Dieckmann Dr. Yves Döll Prof. Dr. Tim W. Dornis Dr. Frank Ebbing Prof. Dr. Ina Ebert Prof. Dr. Stefan Edenfeld Dr. Oliver Elzer Prof. Dr. Thomas Finkenauer Dr. Detlev Fischer Dr. Susanne Gescher Prof. em. Dr. Barbara Grunewald Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz Prof. Dr. Susanne Hähnchen Prof. Dr. Johannes Hager Eckart Hammermann Dr. Jörn Heinemann Dr. Adrian Hemler Dr. Claus-Henrik Horn Dr. Susanne Kappler Dr. Tobias Kappler Prof. Dr. Nadine Klass Prof. Dr. Raphael Koch Prof. Dr. Kathrin Kroll-Ludwigs Prof. Dr. Jan Lieder Prof. Dr. Dirk Looschelders Dr. Klaus Lützenkirchen
Dr. Winfried Maier Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer Prof. Dr. Sebastian Martens Prof. Dr. Thomas Mayen Prof. Dr. Axel Metzger Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller Prof. Dr. Michael Nietsch Dr. Steffi Nobis Dr. Johannes Norpoth Prof. Dr. Henry Posselt Dr. Mareike Preisner Prof. Dr. Martin Rehborn Prof. Dr. Karl Riesenhuber Dr. Tobias Rodemann Prof. Dr. Anne Röthel Prof. Dr. Andreas Roth Prof. Dr. Ingo Saenger Wilhelm Sasse Albrecht Schachtschneider Prof. Dr. Jessica Schmidt Michael Schmidt Prof. Dr. Johanna Schmidt-Räntsch Prof. Dr. Kai Schulte-Bunert Hans Christian Schwenker Dr. Michael Selk Dr. Ulrich Simon Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider Martin Strube Prof. Dr. Michael Stürner Dr. Stephan Teklote Prof. Dr. Daniel Ulber Dr. Eberhard Wagner Dr. Frank Wenzel Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Harm Peter Westermann Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen Dr. Matthias Wiese Prof. Dr. Rüdiger Wilhelmi Prof. Dr. Dirk Zetzsche
Zitierempfehlung: Erman/Bearbeiter, BGB, 17. Aufl., § … Rn. …
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-47113-2 ©2023 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: C.H.Beck, Nördlingen Printed in Germany
WMTP GmbH gedruckt am 16.08.2023 11:24:19 Werk: ERMAN17
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Vorwort zur 17. Auflage Der Erman hat von seinem ersten Erscheinen an das Ziel verfolgt, durch die Zusammenarbeit von in Wissenschaft und Praxis ausgewiesenen Autorinnen und Autoren verschiedensten Anforderungen gerecht zu werden. Bei der Darstellung von und Stellungnahme zu praktisch wie wissenschaftlich wichtigen Einzelfragen ist es den Verfassern ein wichtiges Anliegen, stets die Problemsichten in den Mittelpunkt zu stellen, die sich auf der Grundlage der einschlägigen Kodifikation mit ihrer Dogmatik und der darin verarbeiteten gesellschaftlichen Vorstellungen sowie der Rechtsprechung entwickelt haben. Das trägt zum Umfang der Kommentierungen bei und machte in der 17. Auflage erstmals einen dritten Band erforderlich. Ziel der Autorinnen und Autoren ist es, auf der Grundlage ihrer praktischen Erfahrungen und Vertrautheit mit wissenschaftlicher Arbeit diese Ansprüche so zu erfüllen, dass trotz einer großen Zahl von Fachleuten eine geschlossene Kommentierung entsteht. Mit der 17. Auflage befindet sich der Kommentar auf dem Gesetzesstand vom 1.7.2023, wobei das erst am 1.1.2024 in Kraft tretende Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts bereits vollständig eingearbeitet ist. Berücksichtigt sind das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts, die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrages sowie rund 30 weitere Änderungsgesetze und diverse Gesetzentwürfe, wie z.B. zuletzt die Änderungen im Verjährungsrecht durch das jüngst vom Bundestag verabschiedete Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz. Seit der Vorauflage hat es auch wieder eine Vielzahl wichtiger höchstrichterlicher und instanzgerichtlicher Rechtsprechung gegeben. Hier die richtige Auswahl zu treffen, die wesentlichen Aussagen in den Sachzusammenhang zu stellen und die Folgen zu beleuchten, ist ebenfalls seit jeher ein Verdienst des Erman. Zur verbesserten Handhabbarkeit trägt nicht nur die neue Dreibändigkeit bei, sondern auch die teilweise neue Anordnung der Gesetze. Mit punktuellen Online-Aktualisierungen an Ort und Stelle wird der Erman zudem in der Datenbank auch zwischen den Auflagen aktuell gehalten. Auch in dieser Auflage hat es Änderungen im Autorenteam gegeben. Die Herausgeber trauern um Frau Prof. Dr. Dagmar Kaiser, die seit der 11. Auflage auf höchstem Niveau am Erman mitgewirkt hat und manchen von uns darüber hinaus freundschaftlich verbunden war. Ihre Kommentierung der eingetragenen Lebenspartnerschaft wird nunmehr von Frau Prof. Dr. Kathrin Kroll-Ludwigs innerhalb der Vorbemerkung vor § 1353 BGB fortgeführt. Ausgeschieden sind auch Prof. Dr. Stefan Edenfeld, Rechtsanwalt Dr. Klaus Lützenkirchen, Vorsitzender Richter am OLG Dr. Winfried Maier und Frau Prof. Dr. Anne Röthel. Die Herausgeber danken diesen Autorinnen und Autoren für ihre langjährige und verdienstvolle Mitarbeit am Erman. Neu hinzugekommen sind Prof. Dr. Heribert M. Anzinger (§§ 414–418, §§ 32 und § 54 BGB), Frau Prof. Dr. Anna K. Bernzen und Frau Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, die zusammen §§ 327–327u BGB kommentieren. Ebenfalls neu hinzugekommen sind Prof. Dr. Marcus Bieder (§§ 611–613a BGB), Richter am OLG Albrecht Schachtschneider (§§ 1569–1586b BGB) sowie Rechtsanwalt Dr. Michael Selk (§§ 535–535c, 536–555, 556–556c, 562–580a BGB). Die Herausgeber sind sich sicher, dass diese neuen Autorinnen und Autoren auf hervorragende Weise das Team ergänzen. Ihnen sei für die Übernahme der Kommentierung herzlich gedankt. Auch innerhalb der Autorenschaft hat es einige Wechsel gegeben. So hat Herr Prof. Dr. Jan Lieder die §§ 705ff BGB von dem Herausgeber Prof. Dr. Harm Peter Westermann übernommen. Prof. Dr. Michael Nietsch führt die Kommentierung von §§ 488–490 BGB und §§ 607–609 BGB, die zuvor von Prof. Dr. Ingo Saenger vorgenommen worden ist, fort. Frau Dr. Steffi Nobis entlastet in Bezug auf die §§ 2064–2086 BGB Herrn Michael Schmidt. Herr Dr. Ulrich Simon führt die Kommentierung der §§ 2303–2385 BGB von Frau Prof. Dr. Anne Röthel fort. Die Herausgeber danken den Autorinnen und Autoren für ihr großes Engagement bei der Mitarbeit im Erman. Sie freuen sich, bei dieser Gelegenheit einen ausdrücklichen Dank auch der umsichtigen und sachkundigen verlegerischen Betreuung durch Frau Sonja Behrens-Khaled aussprechen zu können. Dank gebührt auch Frau Friederike Voss für tatkräftige Unterstützung im Lektorat und Frau Heike Tillenburg für die Erstellung des Stichwortverzeichnisses. Hinweise und Anregungen oder selbstverständlich auch Kritik, die dazu beitragen, das hohe Niveau des Kommentars zu halten und weiter zu verbessern, können unter [email protected] direkt an den Verlag gerichtet werden. Köln und Tübingen, im Juli 2023 Barbara Grunewald
Georg Maier-Reimer
Harm Peter Westermann
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Bearbeiterverzeichnis Dr. Lutz Aderhold Rechtsanwalt und Notar a.D., Dortmund, Honorarprofessor an der Universität Münster
§§ 741–758, 1008–1011 BGB
Dr. Heribert M. Anzinger o. Professor, Universität Ulm
§§ 32, 54 BGB (mit Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Harm Peter Westermann), 414–418 BGB (mit Prof. Dr. Anne Röthel)
Dr. Christian Armbrüster o. Professor, FU Berlin, Richter am KG a.D.
§§ 145–163 BGB; §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 8, §§ 3–5, 19–23, 31–33 AGG
Dr. Arnd Arnold Dipl.-Volksw., o. Professor, Universität Trier
§§ 116–137, 139–144 BGB
Dr. Markus Artz o. Professor, Universität Bielefeld
§§ 256–274, 873–902, 925–928 BGB
Dr. Walter Bayer o. Professor, Universität Jena
§§ 328–335, 929–936, 1030–1089, 2032–2063 BGB
Dr. Klaus Peter Berger, LL.M. (Univ. of Virginia) o. Professor, Universität zu Köln
§§ 657–675 BGB
Dr. Anna K. Bernzen Juniorprofessorin, Universität Regensburg
§§ 327–327u BGB (mit Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider)
Dr. Marcus Bieder o. Professor, Universität Osnabrück
§§ 611–613a BGB (mit Prof. Dr. Stefan Edenfeld)
Dr. Daniel Blankenburg Richter am AG Hannover
§§ 651a–651q, 651u–651y BGB
Dr. Lars Böttcher Rechtsanwalt, München, Honorarprofessor an der Universität zu Köln
§§ 242, 313–314, 420–432 BGB
Dr. Petra Buck-Heeb o. Professorin, Universität Hannover
§§ 362–386, 812–822 BGB
Dr. Christine Budzikiewicz o. Professorin, Universität Marburg
Einl § 1363, §§ 1363–1390 BGB
Dr. Marc Dickersbach Rechtsanwalt, Köln
Anh. § 535 BGB (Leasing), §§ 555a–555f, 556d–561, 581–597 BGB
Dr. Andreas Dieckmann Privatdozent, Universität Hannover
§§ 311–311a BGB
Dr. Yves Döll Staatsanwalt (Gl.), Hof
§§ 1616–1698b BGB
Dr. Tim W. Dornis, JSM (Stanford University) Attorney-at-law (New York), o. Professor, Universität Hannover
§§ 677–687 BGB
Dr. Frank Ebbing, LL.M. (GWU, Washington) Rechtsanwalt, Erlangen; Attorney-at-Law (New York)
§§ 937–1007 BGB
Dr. Ina Ebert apl. Professorin (Universität Kiel), München
§§ 249–255 BGB
Dr. Stefan Edenfeld apl. Professor, Universität Münster
§§ 611–613a BGB (mit Prof. Dr. Marcus Bieder)
Dr. Oliver Elzer Richter am KG Berlin
§§ 854–§ 872, 907–924 BGB
Dr. Thomas Finkenauer o. Professor, Universität Tübingen
§§ 164–193 BGB
Dr. Detlev Fischer Richter am BGH a.D., Karlsruhe
§§ 652–655, 656–656d BGB
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Bearbeiterverzeichnis
Dr. Susanne Gescher Rechtsanwältin, Münster
§§ 630a–630h BGB (mit Prof. Dr. Martin Rehborn)
Dr. Barbara Grunewald em. o. Professorin, Universität zu Köln
§§ 433–480 BGB
Dr. Dr. Herbert Grziwotz Notar a.D., Regen, Honorarprofessor an der Universität Regensburg
§§ 311b, 311c, 1018–1029, 1090–1112 BGB; ErbbauRG; WEG
Dr. Susanne Hähnchen o. Professorin, Universität Potsdam
§§ 516–534 BGB
Dr. Johannes Hager pens. o. Professor, Universität München
§§ 286–304, 315–319 BGB
Eckart Hammermann Vorsitzender Richter am OLG Hamm
§§ 1589–1615n BGB
Dr. Jörn Heinemann, LL.M. Notar, Neumarkt i.d.OPf.
§§ 1408–1519 BGB; Dt.-frz. WZGA
Dr. Adrian Hemler, LL.M. (Cambridge) Habilitand, Universität Konstanz
Art. 6 EGBGB
Dr. Claus-Henrik Horn Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Düsseldorf
§§ 1967–2031 BGB
Dr. Susanne Kappler Notarin a.D.
§§ 2229–2302 BGB (mit Dr. Tobias Kappler)
Dr. Tobias Kappler Notar, Osterhofen, Lehrbeauftragter an der Universität Regensburg
§§ 2229–2302 BGB (mit Dr. Susanne Kappler)
Dr. Nadine Klass, LL.M. (Wellington) o. Professorin, Universität Mannheim
Anh. § 12 BGB (Allg. Persönlichkeitsrecht)
Dr. Raphael Koch, LL.M. (Cambridge), EMBA o. Professor, Universität Augsburg
§§ 312–312m, 355–361, 481–487 BGB
Dr. Kathrin Kroll-Ludwigs o. Professorin, Fachhochschule Aachen
Einl § 1297, §§ 1297–1302, 1353–1362 BGB
Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard) o. Professor, Universität Freiburg, Richter am OLG Schleswig
§§ 705–740c, Einl § 1922, §§ 1922–1941 BGB
Dr. Dirk Looschelders o. Professor, Universität Düsseldorf
§§ 305–310 BGB
Dr. Klaus Lützenkirchen Rechtsanwalt, Köln
§§ 535–535c, 536–548, 549–555, 556–556c, 562–572, 573a–573d, 574a–578a, 579–580a BGB (mit Dr. Michael Selk)
Dr. Winfried Maier Vorsitzender Richter am OLG München
§§ 1569–1586b BGB (mit Albrecht Schachtschneider)
Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon) o. Professor, Universität Passau
Einl § 241, §§ 241, 244–248, 398–413 BGB
Prof. Dr. Thomas Mayen Rechtsanwalt, Bonn
§§ 89, 839, 839a BGB
Dr. Axel Metzger, LL.M. (Harvard) o. Professor, Humboldt-Universität zu Berlin
§§ 336–354 BGB
Dr. Hans-Friedrich Müller, LL.M. o. Professor, Universität Trier, Richter am OLG Koblenz
Einl § 104, §§ 104–113, 759–764, 779 BGB
Dr. Michael Nietsch o. Professor, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden
§§ 488–515, 607–609, 655a–655e BGB
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Bearbeiterverzeichnis
Dr. Steffi Nobis Richterin am OLG Dresden
§§ 2064–2086 (mit Michael Schmidt), 2087–2099, 2147–2196 BGB
Dr. Johannes Norpoth Vorsitzender Richter am OLG Hamm
§ 1587 BGB; BVersTG; VersAusglG (mit Wilhelm Sasse)
Dr. Henry Posselt o. Professor, Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Berlin
§§ 1808, 1875–1881 BGB; VBVG
Dr. Mareike Preisner, LL.M. (Kanonistik, Wien) Richterin am AG München
§§ 1564–1568b BGB
Dr. Martin Rehborn Rechtsanwalt, Dortmund, Honorarprofessor der Universität zu Köln
§§ 630a–630h BGB (mit Dr. Susanne Gescher)
Dr. Karl Riesenhuber, M.C.J. (UT Austin) o. Professor, Universität Bochum, Richter am OLG Hamm
§§ 614–630 BGB; § 2 Abs. 1 Nr. 1–7, Abs. 2–4, §§ 6–18, 24 AGG
Dr. Tobias Rodemann Richter am OLG Düsseldorf
§§ 631–650v BGB (mit Hans Christian Schwenker)
Dr. Anne Röthel o. Professorin, Bucerius Law School, Hamburg
§§ 414–418 (mit Prof. Dr. Heribert M. Anzinger), 2303–2338 BGB (mit Dr. Ulrich Simon)
Dr. Andreas Roth o. Professor, Universität Mainz
§§ 1303–1320, 1588, 1712–1717, 1809–1823, 1825, 1827–1834, 1868–1874, 1882–1888 BGB
Dr. Ingo Saenger o. Professor, Universität Münster
Einl § 1, §§ 1–14, 241a BGB
Wilhelm Sasse Vorsitzender Richter am OLG Hamm
§ 1587 BGB; BVersTG; VersAusglG (mit Dr. Johannes Norpoth)
Albrecht Schachtschneider Richter am OLG Oldenburg
§§ 1569–1586b BGB (mit Dr. Winfried Maier)
Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham) o. Professorin, Universität Bayreuth
§§ 90–103, Einl § 1204, §§ 1204–1296, 1942–1966 BGB
Michael Schmidt Rechtsanwalt, Berlin
§§ 2064–2086 (mit Dr. Steffi Nobis), 2100–2146, 2197–2228 BGB
Dr. Johanna Schmidt-Räntsch Richterin am BGH a.D., Honorarprofessorin an der Humboldt-Universität zu Berlin
§§ 138, 194–218, 232–240a BGB
Dr. Kai Schulte-Bunert o. Professor, Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen, Bad Münstereifel
§§ 1773–1807, 1824, 1826, 1835–1867 BGB
Hans Christian Schwenker Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Hannover
§§ 631–650v BGB (mit Dr. Tobias Rodemann)
Dr. Michael Selk Rechtsanwalt, nebenamtl. Richter am AGH Hamburg
§§ 548a, 573, 574, 578b BGB sowie §§ 535–535c, 536–555, 556–556c, 562–572, 573a–573d, 574a–578a, 579–580a BGB (mit Dr. Klaus Lützenkirchen)
Dr. Ulrich Simon, LL.M. (Columbia) Notar, Bayreuth
§§ 2303–2338 BGB (mit Prof. Dr. Anne Röthel), 2339–2385 BGB
Dr. Louisa Specht-Riemenschneider o. Professorin, Universität Bonn
§§ 327–327u BGB (mit Prof. Dr. Anna K. Bernzen)
Martin Strube Vizepräsident des AG Hannover
§§ 651r–651t BGB
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Bearbeiterverzeichnis
Dr. Michael Stürner, M.Jur (Oxford) o. Professor, Universität Konstanz, Richter am OLG Karlsruhe
Art. 3–5, 7–48 EGBGB; ESÜ; EuErbVO; EuGüVO; EuPartVO; EuUnthVO; HKÜ; HTestfÜbk; KSÜ; Rom I-VO; Rom II-VO; Rom III-VO; UnthProt
Dr. Stephan Teklote Direktor des AG Steinfurt
§§ 1741–1772 BGB
Dr. Daniel Ulber o. Professor, Universität Halle (Saale)
§§ 243, 275–285, 320–327 BGB
Dr. Eberhard Wagner Rechtsanwalt, Karlsruhe
§§ 226–231, 387–397 BGB
Dr. Frank Wenzel Rechtsanwalt, Köln
§§ 1113–1203 BGB
Dr. Dr. h.c. mult. Harm Peter Westermann em. o. Professor, Universität Tübingen
§§ 21–79 BGB (§§ 32, 54 mit Prof. Dr. Heribert M. Anzinger)
Dr. Friedrich Graf von Westphalen Honorarprofessor an der Universität Bielefeld, Rechtsanwalt, Lohmar
§§ 598–606, 675a–676c, 701–704 BGB
Dr. Matthias Wiese Rechtsanwalt und Notar, Dortmund, Lehrbeauftragter an der Universität Münster
§§ 80–88 BGB
Dr. Rüdiger Wilhelmi o. Professor, Universität Konstanz
§§ 780–811, 823–838, 840–853, 903–906 BGB; ProdhaftG
Dr. Dirk Zetzsche, LL.M. (Toronto) o. Professor, Universität Luxemburg
§§ 688–700, 765–778 BGB
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Inhaltsverzeichnis Band I Seite
Vorwort zur 17. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeiterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der kommentierten Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII IX XXV XXVII XXXI
Teil 1: Bürgerliches Gesetzbuch Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Buch 1. Allgemeiner Teil (§§ 1–240a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Abschnitt 1. Personen (§§ 1–89) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer (§§ 1–20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 12: Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Juristische Personen (§§ 21–89) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Vereine (§§ 21–79a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 21–54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Eingetragene Vereine (§§ 55–79a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Rechtsfähige Stiftungen (§§ 80–88) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 89) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 4 21 144 144 144 211 225 270
Abschnitt 2. Sachen und Tiere (§§ 90–103) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273
Abschnitt 3. Rechtsgeschäfte (§§ 104–185) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Geschäftsfähigkeit (§§ 104–115) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Willenserklärung (§§ 116–144) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Vertrag (§§ 145–157) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Bedingung und Zeitbestimmung (§§ 158–163) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Vertretung und Vollmacht (§§ 164–181) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 6. Einwilligung und Genehmigung (§§ 182–185) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303 309 328 474 530 545 606
Abschnitt 4. Fristen, Termine (§§ 186–193) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
623
Abschnitt 5. Verjährung (§§ 194–225) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Gegenstand und Dauer der Verjährung (§§ 194–202) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung (§§ 203–213) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Rechtsfolgen der Verjährung (§§ 214–225) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
629 629 685 733
Abschnitt 6. Ausübung der Rechte, Selbstverteidigung, Selbsthilfe (§§ 226–231) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
743
Abschnitt 7. Sicherheitsleistung (§§ 232–240a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
771
Buch 2. Recht der Schuldverhältnisse (§§ 241–853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
781
Abschnitt 1. Inhalt der Schuldverhältnisse (§§ 241–304) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788 Titel 1. Verpflichtung zur Leistung (§§ 241–292) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788 Titel 2. Verzug des Gläubigers (§§ 293–304) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1128 Abschnitt 2. Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305–310) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1148 Abschnitt 3. Schuldverhältnisse aus Verträgen (§§ 311–361) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1297 Titel 1. Begründung, Inhalt und Beendigung (§§ 311–319) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1297 XIII
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Inhaltsverzeichnis Seite
Untertitel 1. Untertitel 2.
Titel 2. Titel 2a.
Titel 3. Titel 4. Titel 5.
Begründung (§§ 311–311c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen (§§ 312–312m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Anwendungsbereich und Grundsätze bei Verbraucherverträgen (§§ 312–312a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge (§§ 312b–312h) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr; Online-Marktplätze (§§ 312i–312l) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Abweichende Vereinbarungen und Beweislast (§ 312m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Anpassung und Beendigung von Verträgen (§§ 313–314) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte (§§ 315–319) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenseitiger Vertrag (§§ 320–326) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verträge über digitale Produkte (§§ 327–327u) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Verbraucherverträge über digitale Produkte (§§ 327–327s) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Besondere Bestimmungen für Verträge über digitale Produkte zwischen Unternehmern (§§ 327t–327u) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versprechen der Leistung an einen Dritten (§§ 328–335) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Draufgabe, Vertragsstrafe (§§ 336–345) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rücktritt; Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen (§§ 346–361) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Rücktritt (§§ 346–354) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen (§§ 355–361) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abschnitt 4. Erlöschen der Schuldverhältnisse (§§ 362–397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Erfüllung (§§ 362–371) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Hinterlegung (§§ 372–386) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Aufrechnung (§§ 387–396) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Erlass (§ 397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1297 1377 1377 1414 1460 1476 1478 1522 1549 1589 1589 1674 1678 1706 1724 1724 1743 1786 1787 1808 1816 1876
Abschnitt 5. Übertragung einer Forderung (§§ 398–413) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1883 Abschnitt 6. Schuldübernahme (§§ 414–419) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1925 Abschnitt 7. Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern (§§ 420–432) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1939 Abschnitt 8. Einzelne Schuldverhältnisse (§§ 433–853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Kauf, Tausch (§§ 433–480) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 433–453) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Besondere Arten des Kaufs (§§ 454–473) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Kauf auf Probe (§§ 454–455) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Wiederkauf (§§ 456–462) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Vorkauf (§§ 463–473) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Verbrauchsgüterkauf (§§ 474–479) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Tausch (§ 480) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Teilzeit-Wohnrechteverträge, Verträge über langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungsverträge und Tauschsystemverträge (§§ 481–487) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 488–515) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Darlehensvertrag (§§ 488–505e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 488–490) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge (§§ 491–505e) . . . . . . Untertitel 2. Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 506–509) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§ 510) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Beratungsleistungen bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (§ 511) . . Untertitel 5. Unabdingbarkeit, Anwendung auf Existenzgründer (§§ 512–513) . . . . . . . . . . . . . Untertitel 6. Unentgeltliche Darlehensverträge und unentgeltliche Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 514–515) . . . . . . . . . . Titel 4. Schenkung (§§ 516–534) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Mietvertrag, Pachtvertrag (§§ 535–597) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV
2000 2000 2000 2113 2113 2115 2121 2134 2154 2155 2178 2178 2178 2224 2343 2368 2373 2378 2381 2385 2414
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Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse (§§ 535–548a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 535: Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Mietverhältnisse über Wohnraum (§§ 549–577a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 549–555) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1a. Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen (§§ 555a–555f) . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Die Miete (§§ 556–561) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1. Vereinbarungen über die Miete (§§ 556–556c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1a. Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d–556g) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Regelungen über die Miethöhe (§§ 557–561) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 559d: § 6 WiStrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Pfandrecht des Vermieters (§§ 562–562d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Wechsel der Vertragsparteien (§§ 563–567b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 5. Beendigung des Mietverhältnisses (§§ 568–576b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 568–572) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit (§§ 573–574c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 3. Mietverhältnisse auf bestimmte Zeit (§§ 575–575a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 4. Werkwohnungen (§§ 576–576b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 6. Besonderheiten bei der Bildung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen (§§ 577–577a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Mietverhältnisse über andere Sachen und digitale Produkte (§§ 578–580a) . . . . Untertitel 4. Pachtvertrag (§§ 581–584b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 5. Landpachtvertrag (§§ 585–597) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2422 2449 2533 2533 2550 2561 2561 2606 2614 2649 2654 2658 2674 2674 2683 2704 2708 2711 2715 2721 2735
Band II Titel 6. Leihe (§§ 598–606) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 7. Sachdarlehensvertrag (§§ 607–610) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 8. Dienstvertrag und ähnliche Verträge (§§ 611–630h) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Dienstvertrag (§§ 611–630) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Behandlungsvertrag (§§ 630a–630h) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 9. Werkvertrag und ähnliche Verträge (§§ 631–651y) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Werkvertrag (§§ 631–650o) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 631–650) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Bauvertrag (§§ 650a–650h) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Verbraucherbauvertrag (§§ 650i–650n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Unabdingbarkeit (§ 650o) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Architektenvertrag und Ingenieurvertrag (§§ 650p–650t) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Bauträgervertrag (§§ 650u–651) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Pauschalreisevertrag, Reisevermittlung und Vermittlung verbundener Reiseleistungen (§§ 651a–651y) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 10. Maklervertrag (§§ 652–656d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 652–655) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Vermittlung von Verbraucherdarlehensverträgen und entgeltlichen Finanzierungshilfen (§§ 655a–655e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Ehevermittlung (§ 656) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser (§§ 656a–656d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 11. Auslobung (§§ 657–661a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 12. Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag und Zahlungsdienste (§§ 662–676c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Auftrag (§§ 662–674) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675–675b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Zahlungsdienste (§§ 675c–676c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 675c–675e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Zahlungsdienstevertrag (§§ 675f–675i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Erbringung und Nutzung von Zahlungsdiensten (§§ 675j–676c) . . . . . . . . . . . . . .
2757 2771 2773 2773 3040 3100 3100 3104 3165 3184 3189 3190 3199 3201 3289 3302 3328 3338 3340 3349 3358 3358 3397 3437 3437 3448 3520 XV
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Titel 13. Titel 14. Titel 15. Titel 16.
Titel 17. Titel 18. Titel 19. Titel 20. Titel 21. Titel 22. Titel 23. Titel 24. Titel 25. Titel 26. Titel 27.
Unterkapitel 1. Autorisierung von Zahlungsvorgängen; Zahlungsinstrumente; Verweigerung des Zugangs zum Zahlungskonto (§§ 675j–675m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Ausführung von Zahlungsvorgängen (§§ 675n–675t) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 3. Haftung (§§ 675u–676c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–687) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwahrung (§§ 688–700) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbringung von Sachen bei Gastwirten (§§ 701–704) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaft (§§ 705–740c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Allgemeine Bestimmungen (§ 705) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Rechtsfähige Gesellschaft (§§ 706–739) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Sitz; Registrierung (§§ 706–707d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und der Gesellschafter zur Gesellschaft (§§ 708–718) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten (§§ 719–722) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Ausscheiden eines Gesellschafters (§§ 723–728b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 5. Auflösung der Gesellschaft (§§ 729–734) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 6. Liquidation der Gesellschaft (§§ 735–739) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Nicht rechtsfähige Gesellschaft (§§ 740–740c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaft (§§ 741–758) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leibrente (§§ 759–761) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unvollkommene Verbindlichkeiten (§§ 762–764) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgschaft (§§ 765–778) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich (§ 779) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis (§§ 780–782) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anweisung (§§ 783–792) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldverschreibung auf den Inhaber (§§ 793–808) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorlegung von Sachen (§§ 809–811) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812–822) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unerlaubte Handlungen (§§ 823–853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3520 3542 3571 3625 3667 3676 3690 3690 3758 3758 3778 3841 3854 3884 3894 3912 3917 3939 3942 3948 3984 3992 4001 4010 4026 4031 4123
Buch 3. Sachenrecht (§§ 854–1296) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4263 Abschnitt 1. Besitz (§§ 854–872) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4263 Abschnitt 2. Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken (§§ 873–902) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4294 Abschnitt 3. Eigentum (§§ 903–1017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Inhalt des Eigentums (§§ 903–924) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken (§§ 925–928) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen (§§ 929–984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Übertragung (§§ 929–936) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 931: Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Ersitzung (§§ 937–945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Verbindung, Vermischung, Verarbeitung (§§ 946–952) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache (§§ 953–957) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 5. Aneignung (§§ 958–964) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 6. Fund (§§ 965–984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Ansprüche aus dem Eigentum (§§ 985–1007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Miteigentum (§§ 1008–1017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4354 4354 4413 4430 4430 4440 4454 4462
Abschnitt 4. Dienstbarkeiten (§§ 1018–1093) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Grunddienstbarkeiten (§§ 1018–1029) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Nießbrauch (§§ 1030–1089) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Nießbrauch an Sachen (§§ 1030–1067) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Nießbrauch an Rechten (§§ 1068–1084) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Nießbrauch an einem Vermögen (§§ 1085–1089) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090–1093) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4572 4573 4592 4594 4612 4619 4622
XVI
4480 4486 4490 4501 4566
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Abschnitt 5. Vorkaufsrecht (§§ 1094–1104) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4633 Abschnitt 6. Reallasten (§§ 1105–1112) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4643 Abschnitt 7. Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld (§§ 1113–1203) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Hypothek (§§ 1113–1190) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Grundschuld, Rentenschuld (§§ 1191–1203) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Grundschuld (§§ 1191–1198) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Rentenschuld (§§ 1199–1203) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4650 4652 4741 4741 4789
Abschnitt 8. Pfandrecht an beweglichen Sachen und an Rechten (§§ 1204–1296) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4790 Titel 1. Pfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204–1272) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4793 Titel 2. Pfandrecht an Rechten (§§ 1273–1296) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4843
Buch 4. Familienrecht (§§ 1297–1921) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4871 Abschnitt 1. Bürgerliche Ehe (§§ 1297–1588) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Verlöbnis (§§ 1297–1302) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Eingehung der Ehe (§§ 1303–1312) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Ehefähigkeit (§§ 1303–1305) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Eheverbote (§§ 1306–1308) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Ehefähigkeitszeugnis (§ 1309) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Eheschließung (§§ 1310–1312) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Aufhebung der Ehe (§§ 1313–1318) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Wiederverheiratung nach Todeserklärung (§§ 1319–1352) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Wirkungen der Ehe im Allgemeinen (§§ 1353–1362) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 6. Eheliches Güterrecht (§§ 1363–1563) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Gesetzliches Güterrecht (§§ 1363–1407) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Vertragliches Güterrecht (§§ 1408–1557) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1408–1413) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Gütertrennung (§ 1414) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Gütergemeinschaft (§§ 1415–1518) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1415–1421) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Verwaltung des Gesamtguts durch einen Ehegatten (§§ 1422–1449) . . . . . . . . . . . Unterkapitel 3. Gemeinschaftliche Verwaltung des Gesamtguts durch die Ehegatten (§§ 1450–1470) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 4. Auseinandersetzung des Gesamtguts (§§ 1471–1482) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 5. Fortgesetzte Gütergemeinschaft (§§ 1483–1518) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Wahl-Zugewinngemeinschaft (§§ 1519–1557) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4879 4879 4886 4887 4888 4891 4894 4900 4912 4914 5005 5007 5114 5114 5126 5129 5129 5135 5154 5164 5173 5190
Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (Dt-frz WZGA) . . . . . 5193 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III. Kapitel IV. Kapitel V.
Kapitel VI. Kapitel VII.
Anwendungsbereich und Definition (Art 1–2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung des Güterstandes (Art 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensverwaltung, -nutzung und -verfügung (Art 4–6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung des Güterstandes (Art 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festsetzung der Zugewinnausgleichsforderung bei der Beendigung des Güterstandes (Art 8–14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 1. Anfangsvermögen (Art 8–9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 2. Endvermögen (Art 10–11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 3. Zugewinnausgleichsforderung (Art 12–14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstiges (Art 15–18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbestimmungen (Art 19–23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5193 5194 5195 5198 5199 5199 5201 5202 5204 5206
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Bürgerliches Gesetzbuch (Fortsetzung)
Seite
Titel 7. Scheidung der Ehe (§§ 1564–1587) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Scheidungsgründe (§§ 1564–1568) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1a. Behandlung der Ehewohnung und der Haushaltsgegenstände anlässlich der Scheidung (§§ 1568a–1568b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Unterhalt des geschiedenen Ehegatten (§§ 1569–1586b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Grundsatz (§ 1569) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Unterhaltsberechtigung (§§ 1570–1580) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Leistungsfähigkeit und Rangfolge (§§ 1581–1584) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Gestaltung des Unterhaltsanspruchs (§§ 1585–1585c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 5. Ende des Unterhaltsanspruchs (§§ 1586–1586b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Versorgungsausgleich (§ 1587) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5209 5211 5229 5246 5256 5257 5309 5315 5326 5331
Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG) . . 5341 Teil 1. Kapitel 1. Kapitel 2.
Kapitel 3. Kapitel 4.
Der Versorgungsausgleich (§§ 1–38) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeiner Teil (§§ 1–5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgleich (§§ 6–27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 1. Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich (§§ 6–8) . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 2. Wertausgleich bei der Scheidung (§§ 9–19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 1. Grundsätze des Wertausgleichs bei der Scheidung (§ 9) . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 2. Interne Teilung (§§ 10–13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 3. Externe Teilung (§§ 14–17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 4. Ausnahmen (§§ 18–19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 3. Ausgleichsansprüche nach der Scheidung (§§ 20–26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 1. Schuldrechtliche Ausgleichszahlungen (§§ 20–22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 2. Abfindung (§§ 23–24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 3. Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung (§§ 25–26) . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 4. Härtefälle (§ 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergänzende Vorschriften (§§ 28–31) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anpassung nach Rechtskraft (§§ 32–38) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5341 5341 5359 5359 5369 5369 5370 5380 5391 5402 5404 5412 5415 5419 5426 5433
Teil 2. Kapitel 1. Kapitel 2. Kapitel 3.
Wertermittlung (§§ 39–47) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Wertermittlungsvorschriften (§§ 39–42) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sondervorschriften für bestimmte Versorgungsträger (§§ 43–46) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrespondierender Kapitalwert als Hilfsgröße (§ 47) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5447 5448 5456 5478
Teil 2a.
Ergänzende Vorschriften (§ 47a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5482
Teil 3.
Übergangsvorschriften (§§ 48–54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5482
Gesetz über die interne Teilung beamtenversorgungsrechtlicher Ansprüche von Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten im Versorgungsausgleich (Bundesversorgungsteilungsgesetz – BVersTG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5493 Bürgerliches Gesetzbuch (Fortsetzung) Titel 8. Kirchliche Verpflichtungen (§ 1588) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5496
Band III Abschnitt 2. Verwandtschaft (§§ 1589–1772) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1589–1590) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Abstammung (§§ 1591–1600d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Unterhaltspflicht (§§ 1601–1615n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1601–1615) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Untertitel 2. Titel 4. Titel 5. Titel 6. Titel 7.
Besondere Vorschriften für das Kind und seine nicht miteinander verheirateten Eltern (§§ 1615a–1615n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und dem Kind im Allgemeinen (§§ 1616–1625) . . . . . . . . . . Elterliche Sorge (§§ 1626–1711) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beistandschaft (§§ 1712–1740) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annahme als Kind (§§ 1741–1772) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Annahme Minderjähriger (§§ 1741–1766a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Annahme Volljähriger (§§ 1767–1772) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abschnitt 3. Vormundschaft, Pflegschaft für Minderjährige, rechtliche Betreuung, sonstige Pflegschaft (§§ 1773–1921) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Vormundschaft (§§ 1773–1808) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Begründung der Vormundschaft (§§ 1773–1787) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Bestellte Vormundschaft (§§ 1773–1785) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1773–1777) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Auswahl des Vormunds (§§ 1778–1785) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Gesetzliche Amtsvormundschaft (§§ 1786–1787) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Führung der Vormundschaft (§§ 1788–1801) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1788–1794) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Personensorge (§§ 1795–1797) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Vermögenssorge (§§ 1798–1801) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Beratung und Aufsicht durch das Familiengericht (§§ 1802–1803) . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Beendigung der Vormundschaft (§§ 1804–1807) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 5. Vergütung und Aufwendungsersatz (§ 1808) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Pflegschaft für Minderjährige (§§ 1809–1813) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Rechtliche Betreuung (§§ 1814–1881) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Betreuerbestellung (§§ 1814–1820) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Führung der Betreuung (§§ 1821–1860) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1821–1826) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Personenangelegenheiten (§§ 1827–1834) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Vermögensangelegenheiten (§§ 1835–1860) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1835–1837) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Verwaltung von Geld, Wertpapieren und Wertgegenständen (§§ 1838–1845) . . Unterkapitel 3. Anzeigepflichten (§§ 1846–1847) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 4. Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte (§§ 1848–1854) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 5. Genehmigungserklärung (§§ 1855–1858) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 6. Befreiungen (§§ 1859–1860) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Beratung und Aufsicht durch das Betreuungsgericht (§§ 1861–1867) . . . . . . . . . . Untertitel 4. Beendigung, Aufhebung oder Änderung von Betreuung und Einwilligungsvorbehalt (§§ 1868–1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 5. Vergütung und Aufwendungsersatz (§§ 1875–1881) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5686 5697 5724 5881 5888 5894 5951 5964 5964 5964 5964 5964 5979 5992 5993 5993 6008 6015 6029 6035 6041 6042 6050 6053 6087 6087 6114 6148 6148 6155 6165 6167 6197 6209 6213 6227 6236
Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz – VBVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6237 Abschnitt 1. Vergütung und Aufwendungsersatz des Vormunds (§§ 1–6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 2. Vergütung und Aufwendungsersatz des Betreuers (§§ 7–16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 3. Schlussvorschriften (§ 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 4. Übergangsregelungen (§§ 18–19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage (zu § 8 Absatz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6237 6246 6257 6258 6258
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Bürgerliches Gesetzbuch (Fortsetzung)
Seite
Titel 4. Sonstige Pflegschaft (§§ 1882–1921) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6277
Buch 5. Erbrecht (§§ 1922–2385) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6287 Abschnitt 1. Erbfolge (§§ 1922–1941) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6295 Abschnitt 2. Rechtliche Stellung des Erben (§§ 1942–2063) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, Fürsorge des Nachlassgerichts (§§ 1942–1966) . . . . . Titel 2. Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten (§§ 1967–2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Nachlassverbindlichkeiten (§§ 1967–1969) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Aufgebot der Nachlassgläubiger (§§ 1970–1974) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Beschränkung der Haftung des Erben (§§ 1975–1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Inventarerrichtung, unbeschränkte Haftung des Erben (§§ 1993–2013) . . . . . . . Untertitel 5. Aufschiebende Einreden (§§ 2014–2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Erbschaftsanspruch (§§ 2018–2031) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Mehrheit von Erben (§§ 2032–2063) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Rechtsverhältnis der Erben untereinander (§§ 2032–2057a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Rechtsverhältnis zwischen den Erben und den Nachlassgläubigern (§§ 2058–2063) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6336 6337 6377 6380 6387 6393 6417 6429 6431 6445 6446
Abschnitt 3. Testament (§§ 2064–2273) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 2064–2086) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Erbeinsetzung (§§ 2087–2099) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Einsetzung eines Nacherben (§§ 2100–2146) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Vermächtnis (§§ 2147–2191) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Auflage (§§ 2192–2196) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 6. Testamentsvollstrecker (§§ 2197–2228) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 7. Errichtung und Aufhebung eines Testaments (§§ 2229–2264) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 8. Gemeinschaftliches Testament (§§ 2265–2273) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6494 6494 6535 6544 6589 6623 6628 6688 6715
6486
Abschnitt 4. Erbvertrag (§§ 2274–2302) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6735 Abschnitt 5. Pflichtteil (§§ 2303–2338) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6769 Abschnitt 6. Erbunwürdigkeit (§§ 2339–2345) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6816 Abschnitt 7. Erbverzicht (§§ 2346–2352) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6820 Abschnitt 8. Erbschein (§§ 2353–2370) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6830 Abschnitt 9. Erbschaftskauf (§§ 2371–2385) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6849
Teil 2: Nebengesetze Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6857 Abschnitt 1. Allgemeiner Teil (§§ 1–5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6859 Abschnitt 2. Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung (§§ 6–18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 1. Verbot der Benachteiligung (§§ 6–10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 2. Organisationspflichten des Arbeitgebers (§§ 11–12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 3. Rechte der Beschäftigten (§§ 13–16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 4. Ergänzende Vorschriften (§§ 17–18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6875 6875 6898 6903 6914
Abschnitt 3. Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr (§§ 19–21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6918 Abschnitt 4. Rechtsschutz (§§ 22–23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6938 Abschnitt 5. Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse (§ 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6940 Abschnitt 6. Antidiskriminierungsstelle des Bundes und Unabhängige Bundesbeauftragte oder Unabhängiger Bundesbeauftragter für Antidiskriminierung (§§ 25–30) . . . . . . . . . . . 6941 Abschnitt 7. Schlussvorschriften (§§ 31–33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6945 XX
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Gesetz über das Erbbaurecht (ErbbauRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6949 I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Begriff und Inhalt des Erbbaurechts (§§ 1–13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzlicher Inhalt (§ 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsmäßiger Inhalt (§§ 2–8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbbauzins (§§ 9–9a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rangstelle (§ 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung des Grundstücksrechts (§ 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauwerk. Bestandteile (§§ 12–13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6953 6953 6957 6966 6973 6974 6975
II.
Grundbuchvorschriften (§§ 14–17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6977
III. Beleihung (§§ 18–22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6978 1. Mündelhypothek (§§ 18–21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6978 2. Landesrechtliche Vorschriften (§ 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6979 IV. 1. 2.
Feuerversicherung. Zwangsversteigerung (§§ 23–25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feuerversicherung (§ 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsversteigerung (§§ 24–25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) des Erbbaurechts (§ 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) des Grundstücks (§ 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6979 6979 6980 6980 6980
V. 1.
2. 3. 4.
Beendigung, Erneuerung, Heimfall (§§ 26–34) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung (§§ 26–30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufhebung (§ 26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitablauf (§§ 27–30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erneuerung (§ 31) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heimfall (§§ 32–33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauwerk (§ 34) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6980 6980 6980 6981 6983 6984 6986
VI.
Schlussbestimmungen (§§ 35–39) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6986
Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz – ProdHaftG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6987 Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz – WEG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7001 Teil 1. Wohnungseigentum (§§ 1–30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 1. Begriffsbestimmungen (§ 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 2. Begründung des Wohnungseigentums (§§ 2–9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 3. Rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§§ 9a–9b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 4. Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 10–29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 5. Wohnungserbbaurecht (§ 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7001 7001 7004 7028 7036 7128
Teil 2. Dauerwohnrecht (§§ 31–42) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7129 Teil 3. Verfahrensvorschriften (§§ 43–45) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7136 Teil 4. Ergänzende Bestimmungen (§§ 46–49) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7146
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Teil 3: Internationales Privatrecht
Seite
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7151 Erster Teil. Allgemeine Vorschriften (Art 1–49) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstes Kapitel. Inkrafttreten. Vorbehalt für Landesrecht. Gesetzesbegriff (Art 1–2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweites Kapitel. Internationales Privatrecht (Art 3–46e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften (Art 3–6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Abschnitt. Recht der natürlichen Personen und der Rechtsgeschäfte (Art 7–12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu Art 12: Internationales Gesellschaftsrecht (Statut der juristischen Personen und Gesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Abschnitt. Familienrecht (Art 13–24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierter Abschnitt. Erbrecht (Art 25–26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfter Abschnitt. Außervertragliche Schuldverhältnisse (Art 27–42) . . . . . . . . . . . . . . . . Sechster Abschnitt. Sachenrecht (Art 43–46) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu Art 46: Internationales Enteignungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siebter Abschnitt. Besondere Vorschriften zur Durchführung und Umsetzung international-privatrechtlicher Regelungen der Europäischen Union (Art 46a–46e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erster Unterabschnitt. Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Art 46a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Unterabschnitt. Umsetzung international-privatrechtlicher Regelungen im Verbraucherschutz (Art 46b–46c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Unterabschnitt. Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Art 46d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierter Unterabschnitt. Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (Art 46e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittes Kapitel Angleichung; Wahl eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen Namens (Art 47–49) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7151 7151 7151 7169 7202 7236 7248 7314 7318 7328 7342 7343 7343 7343 7349 7350 7350
Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen (ESÜ) . . . 7355 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III. Kapitel IV. Kapitel V. Kapitel VI. Kapitel VII.
Anwendungsbereich des Übereinkommens (Art 1–4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit (Art 5–12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzuwendendes Recht (Art 13–21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung und Vollstreckung (Art 22–27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit (Art 28–37) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Bestimmungen (Art 38–52) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbestimmungen (Art 53–59) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7355 7356 7357 7359 7359 7359 7360
Verordnung (EU) Nr 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO)
7361
Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III. Kapitel IV. Kapitel V. Kapitel VI. Kapitel VII.
7364 7368 7368 7397 7397 7397 7397
XXII
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art 1–3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit (Art 4–19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzuwendendes Recht (Art 20–38) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen (Art 39–58) . . . . . . Öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche (Art 59–61) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäisches Nachlasszeugnis (Art 62–73) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine und Schlussbestimmungen (Art 74–84) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (EuGüVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7405 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III.
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art 1–3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7407 Gerichtliche Zuständigkeit (Art 4–19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7410 Anzuwendendes Recht (Art 20–35) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7410
Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften (EuPartVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7421 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III.
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art 1–3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7421 Gerichtliche Zuständigkeit (Art 4–19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7422 Anzuwendendes Recht (Art 20–35) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7422
Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUnthVO) (Auszug: Art 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7427 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7433 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III. Kapitel IV. Kapitel V. Kapitel VI.
Anwendungsbereich des Übereinkommens (Art 1–5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Behörden (Art 6–7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückgabe von Kindern (Art 8–20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht zum persönlichen Umgang (Art 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Bestimmungen (Art 22–36) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbestimmungen (Art 37–45) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7433 7435 7435 7437 7438 7438
Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht (HTestfÜbk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7439 Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (KSÜ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7445 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III. Kapitel IV. Kapitel V. Kapitel VI. Kapitel VII.
Anwendungsbereich des Übereinkommens (Art 1–4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit (Art 5–14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzuwendendes Recht (Art 15–22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung und Vollstreckung (Art 23–28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit (Art 29–39) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Bestimmungen (Art 40–56) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbestimmungen (Art 57–63) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) . . . . . . . . . . . . . . 7469 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III. Kapitel IV.
Anwendungsbereich (Art 1–2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheitliche Kollisionsnormen (Art 3–18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Vorschriften (Art 19–28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbestimmungen (Art 29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Seite
Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO) . . . . . 7549 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III. Kapitel IV. Kapitel V. Kapitel VI. Kapitel VII.
Anwendungsbereich (Art 1–3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unerlaubte Handlungen (Art 4–9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und Verschulden bei Vertragsverhandlungen (Art 10–13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freie Rechtswahl (Art 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinsame Vorschriften (Art 15–22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Vorschriften (Art 23–28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbestimmungen (Art 29–32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verordnung (EU) Nr 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7609 Kapitel I. Kapitel II. Kapitel III. Kapitel IV.
Anwendungsbereich, Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, Begriffsbestimmungen und universelle Anwendung (Art 1–4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheitliche Vorschriften zur Bestimmung des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Art 5–16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Bestimmungen (Art 17–20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbestimmungen (Art 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7611 7621 7637 7639
Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (UnthProt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7641
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7663
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Verzeichnis der kommentierten Gesetze Seite AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6857
BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
BVersTG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5493
Dt.-frz. Abkommen über den Güterstand der Wahlzugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5193
EGBGB (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7151
ErbbauRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6949
ESÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7355
EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7361
EuGüVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7405
EuPartVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7421
EuUnthVO (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7427
HKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7433
HTestfÜbk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7439
KSÜ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7445
ProdhaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6987
Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7469
Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7549
Rom III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7609
UnthProt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7641
VBVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6237
VersAusglG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5341
WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis Spezialliteratur zu einzelnen Normen- oder Themenkomplexen findet sich in den Schrifttumsverzeichnissen bei den jeweiligen Kommentierungen. AK APS Ascheid/Preis/Schmidt BankR-HdB Bamberger/Roth/Hau/Poseck BaRo Bauer/Lütgens/Schwedler Bauer/Schaub Bäumel et al. Baumgärtel/Laumen/Prütting Baur/Stürner BeckOGK BeckOK Bergner Boecken/Joussen BonnKomm Bork BRHP Brox/Henssler Brox/Walker Allg SchuldR Brox/Walker AT Brox/Walker Bes SchuldR Brox/Walker ErbR Brox/Walker ZwVR
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Abkürzungsverzeichnis AA aA AAV AbfallR ABG ABGB abgedr AbgG Abk ABl abl ABM Abs abw AbzG AcP AdAnpG ADHGB AdöR AdoptG ADSp AdÜbAG AdÜbk AdVermiÄndG AdVermiG AdWirkG AE aE AEG AEntG AEntRL AEUV aF AFBG AFG AfkKR AfP AFRG AFWoG AG AGB AGBG AGBGB AGJ AGJ-Mitt AGJusG AGNB AGS AgrarR AGZVG AHB AHKABl AiB AIZ AK AKB AkfDR
Arbeitsrecht aktiv (Jahr, Seite) anderer Ansicht Arbeitsaufenthaltsverordnung Zeitschrift für das Recht der Abfallwirtschaft Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich abgedruckt Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages Abkommen Amtsblatt ablehnend(e/er) Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Absatz abweichend(e/er) Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte Archiv für die civilistische Praxis (Band, Seite) Gesetz zur Anpassung rechtlicher Vorschriften an das Adoptionsgesetz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Anstalt des öffentlichen Rechts Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption Gesetz zur Änderung des AdVermiG Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht Arbeitsrechtliche Entscheidungen am Ende Allgemeines Eisenbahngesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Arbeitnehmerentsenderichtlinie Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung Arbeitsförderungsgesetz, jetzt SGB III Archiv für katholisches Kirchenrecht (Band, Seite) Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (bis 25.1994: Archiv für Presserecht) Arbeitsförderungsreformgesetz Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen Amtsgericht; auch: Aktiengesellschaft (Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausführungsgesetz zum BGB Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter Gesetz zur Ausführung bundesrechtlicher Justizgesetze Allgemeine Beförderungsbedingungen im Güternahverkehr Anwaltsgebühren Spezial (Jahr, Seite) Zeitschrift für das Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes (Jahr, Seite) ZVG-Ausführungsgesetz Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland Arbeitsrecht im Betrieb (Jahr, Seite) Allgemeine Immobilienzeitung (Jahr, Seite) Alternativkommentar Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung Akademie für Deutsches Recht
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Abkürzungsverzeichnis
AKG AkJb AktG AktO AkZ ALG Alg allg allgA allgM AllGO ALR Alt AltEinkG AltZertG AMbG AMG amtl AmtsBl ANBA ÄndG AnfG Anl Anm AnSVG AnVNG AnwBl AnwGH AnwZert MietR AO AöR AP ApG APR ARB ArbG ArbGeb ArbGG AR-Blattei ArbN ArbnErfG ArbPlSchG ArbR ArbRB ArbRGeg ArbRspr ArbSchG ArbStättV ArbuR ArbuSozPol ArbZG ArbZRVerbG ArchBürgR ArchPF Arg arg e Arge ArGV XXXII
Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Aktiengesetz Aktenordnung Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Gesetz zur Alterssicherung der Landwirte Arbeitslosengeld allgemein allgemeine Ansicht allgemeine Meinung Allgemeine Gebührenordnung für die wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 Alternative Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen Allgemeines Magnetschwebebahngesetz Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln amtlich Amtsblatt Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit Änderungsgesetz(e) Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens Anlage Anmerkung Anlegerschutzverbesserungsgesetz Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten Anwaltsblatt (Jahr, Seite) Anwaltsgerichtshof AnwaltZertifikat Mietrecht (Online-Informationsdienst) Abgabenordnung Archiv für öffentliches Recht (Band, Seite) Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts (Jahr, Nummer) Gesetz über das Apothekenwesen Allgemeines Persönlichkeitsrecht Allgemeine Reisebedingungen Arbeitsgericht Arbeitgeber Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht-Blattei Arbeitnehmer Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsrecht Aktuell (Jahr, Seite) Arbeits-Rechts-Berater (Jahr, Seite) Arbeitsrecht der Gegenwart Rechtsprechung in Arbeitssachen (Band, Seite) Arbeitsschutzgesetz Arbeitsstättenverordnung Arbeit und Recht (Jahr, Seite) Arbeits- und Sozialpolitik (Jahr, Seite) Arbeitszeitgesetz Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen Archiv für bürgerliches Recht (Band, Seite) Archiv für das Post- und Fernmeldewesen (Jahr, Seite) Argument(e) argumentum e(x) Arbeitsgemeinschaft Arbeitsgenehmigungsverordnung
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Abkürzungsverzeichnis
ARS
AVmG AVO AWD AWG AWV Az
Arbeitsrechtssammlung: Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts, der Landesarbeitsgerichte und Arbeitsgerichte, früher verlegt bei Bensheimer (Band, Seite) Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Jahr, Seite) Arbeitsrecht in Stichworten (Band, Seite) Artikel Arztrecht, Zeitschrift für Rechts- und Vermögensfragen (Jahr, Seite) Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung Außensteuergesetz Agrarstrukturverbesserungsgesetz Asylgesetz Asylverfahrensgesetz Allgemeiner Teil Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Tarifvertrag über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – Altersvorsorge-TV-Kommunal Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Auslandsunterhaltsgesetz Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung Agrar- und Umweltrecht (Jahr, Seite) Arbeit und Recht (Jahr, Seite) ausdrücklich ausführlich Ausführungsgesetz ausländisch(e/er) Ausländergesetz Der Arzt und sein Recht (Jahr, Seite) Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden Allgemeines Verbraucherdarlehen Angestelltenversicherungsgesetz Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens Altersvermögensgesetz Ausführungsverordnung Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Jahr, Seite) Außenwirtschaftsgesetz Außenwirtschaftsverordnung Aktenzeichen
B2B B2C BadRPrax BaFin BAföG BAFzA BAG BAGLJÄ BAGRp BAKred BankA BAnz BÄO BArbBl BarwertV BAT
business to business business to consumer Badische Rechtspraxis (Jahr, Seite) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Bundesarbeitsgericht; auch: Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band, Seite) Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter BAGReport (Jahr, Seite) Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bankarchiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen (Jahr, Seite) Bundesanzeiger Bundesärzteordnung Bundesarbeitsblatt Barwertverordnung Bundesangestelltentarifvertrag
ARSP ARST Art ArztR ASRG AStG ASVG AsylG AsylVfG AT AtG ATVK AufenthG AUG AÜG AUR AuR ausdrückl ausf AusfG ausl AuslG AusR AVA AVAG AVAVG AVB AVB FernwärmeVO AVB WasserVO AVBEltV AVD AVG AVmEG
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Abkürzungsverzeichnis
BauFoSiG BauGB BauNVO BauR BauRB BausparkG BayBO BayBS BayBSErgB BayBSFN BayBSVI BayBSVJu BayEG Bayer Bgm BayNotV BayObLG BayObLGRp BayObLGSt BayStrWG BayVBl BayVfGH BayVGH BayZ BB BBankG BBauBl BBergG BBesG BBG BBhv BBiG BDO BDSG BeamtStG BeamtVG BeckOGK BeckOK BeckRS BEEG BEG BefBedV Begr Beil Bek BelWertV BenshSlg ber BerDGesVöR BereitstellungsVO BeschFG Beschl beschr BeschSchG BesGR bestr betr BetrAV XXXIV
Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen Baugesetzbuch Baunutzungsverordnung Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (Jahr, Seite) Der Bau-Rechts-Berater (Jahr, Seite) Gesetz über Bausparkassen Bayerische Bauordnung Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts, Ergänzungsband Fortführungsnachweis der BayBS Bereinigte Sammlung der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern Bereinigte Sammlung der bayerischen Justizverwaltungsvorschriften Bayerisches Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung Der Bayerische Bürgermeister (Jahr, Seite) Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer (Jahr, Seite) Bayerisches Oberstes Landesgericht; auch: Entscheidungssammlung in Zivilsachen (Jahr, Seite) OLGReport BayObLG (bis Juni 2006; Jahr, Seite) Entscheidungssammlung in Strafsachen des BayObLG (Jahr, Seite) Bayerisches Straßen- und Wegegesetz Bayerische Verwaltungsblätter (Jahr, Seite) Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof; auch: Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Band, Seite) Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (Jahr, Seite) Der Betriebsberater (Jahr, Seite) Gesetz über die Deutsche Bundesbank Bundesbaublatt (Jahr, Seite) Bundesberggesetz Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Bundesbeihilfeverordnung Berufsbildungsgesetz Bundesdisziplinarordnung Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern Gesetz über die Versorgung der Beamten, Richter in Bund und Ländern Beck-Online Großkommentar Beck’scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahnund Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen Begründung Beilage Bekanntmachung(en) Beleihungswertermittlungsverordnung Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts, der Landesarbeitsgerichte und Arbeitsgerichte, früher verlegt bei Bensheimer (Band, Seite) berichtigt Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht (Band, Seite) Verordnung über die Bereitstellung von genossenschaftlich genutzten Bodenflächen zur Errichtung von Eigenheimen auf dem Lande (Gesetz der DDR) Beschäftigungsförderungsgesetz Beschluss beschränkt Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Besoldungsgruppe bestritten betreffend/e/er Betriebliche Altersvorsorge (Jahr, Seite)
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Abkürzungsverzeichnis
BetrAVG BetrG BetrKV BetrPrämDurchfG BetrR BetrSichVO BetrVG BeurkG BewG BezG BEZNG BfA BFDG BFH BFH/NV BfJ BG BGA BGB BGB-InfoV BGB-KE (auch: KE) BGBl BGE BGesBl BGG BGH BGH LM BGHR BGHRp BGHSt BGHZ BhV BImSchG BinSchG BinSchPRG BJagdG BKartA BKGG BKleingG BKR Bl BLG BlGBW Bln-Bbg BlStSozArbR BMA (auch: BMAS) BMBau BMG BMI BMJBBG BMJV BNatSchG BNichtrSchG BNotO BNV BodSchG
Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betreuungsgericht Betriebskostenverordnung Betriebsprämiendurchführungsgesetz Der Betriebsrat (Jahr, Seite) Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bezirksgericht Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (Bundeseisenbahnneugliederungsgesetz) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (seit 1.10.2005 Deutsche Rentenversicherung Bund) Bundesfreiwilligendienstgesetz Bundesfinanzhof; auch: Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs (Band, Seite) Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH Bundesamt für Justiz Berufsgenossenschaft Bundesgesundheitsamt Bürgerliches Gesetzbuch Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgesundheitsblatt (Jahr, Seite) Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen Bundesgerichtshof Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, hrsg. von Lindenmaier, Möhring ua BGH-Rechtsprechung, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofs BGHReport (Jahr, Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Band, Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band, Seite) Allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Bundes-Immissionsschutzgesetz Binnenschifffahrtsgesetz Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt Bundesjagdgesetz Bundeskartellamt Bundeskindergeldgesetz; auch: Berliner Kommentar zum Grundgesetz Bundeskleingartengesetz Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Jahr, Seite) Blatt Bundesleistungsgesetz Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht (Jahr, Seite) Berlin-Brandenburg Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Bundesminister(ium) für Arbeit und Soziales Bundesminister(ium) für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Gesetz(e) über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts Bundesminister(ium) des Innern Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz Bundesminister(ium) der Justiz und für Verbraucherschutz Bundesnaturschutzgesetz Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesnotarordnung Bundesnebentätigkeitsverordnung Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten XXXV
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Abkürzungsverzeichnis
BörsG BoSoG BPatG BPersVG BPflV BPolBG BR BRAO BR-Drs BReg BRRG BRüG Brüssel I-VO Brüssel Ia-VO BRVO BSchuWG BSchuWV BSG BSHG Bsp bspw BStBl BT BtÄndG BtBG BT-Drs BtE BtG BtOG BtPrax BTR BuB BUrlG BuW BUZ BV BVBl BVerfG BVerfGE BVerfGG BVersG BVersTG BVerwG BVerwGE BVFG BVormVG BVS BW BWGZ – Die Gemeinde BWNotZ BwpVerwG BzAR bzgl BZollBl BZRG CC CCZ CERD CIC XXXVI
Börsengesetz Bodensonderungsgesetz Bundespatentgericht; auch: Entscheidungen des Bundespatentgerichts (Band, Seite) Bundespersonalvertretungsgesetz Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze Bundespolizeibeamtengesetz Bundesrat Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Bundesregierung Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts Bundesrückerstattungsgesetz VO EG Nr. 44/2001 des Rates v. 22.12.2000 (ABl EG L 12 v. 16.1.2001, 1) s EuGVO Bundesratsverordnung Bundesschuldenwesengesetz Verordnung zur Übertragung von Aufgaben nach dem Bundesschuldenwesengesetz Bundessozialgericht; auch: Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Band, Seite) Bundessozialhilfegesetz Beispiel beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestag; auch: Besonderer Teil Betreuungsrechtsänderungsgesetz Gesetz über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (Betreuungsbehördengesetz) Bundestagsdrucksache Betreuungsrechtliche Entscheidungen, hrsg. von Seitz-v. Gaessler (Jahr, Seite) Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) Betreuungsorganisationsgesetz Betreuungsrechtliche Praxis (Jahr, Seite) Der Bauträger Bankrecht und Bankpraxis (Loseblattwerk) Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer Betrieb und Wirtschaft (Jahr, Seite) Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Betriebsvereinbarung; Berechnungsverordnung Bundesversorgungsblatt, Entscheidungssammlung (Band, Seite) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges Gesetz über die interne Teilung beamtenversorgungsrechtlicher Ansprüche von Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten im Versorgungsausgleich Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Band, Seite) Bundesgesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge Berufsvormündervergütungsgesetz Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (früher: Treuhandanstalt) Baden-Württemberg Verbandszeitschrift des Gemeindestags BW Baden-Württembergische Notarzeitung (Jahr, Seite) Gesetz über das Personal der Bundeswertpapierverwaltung Briefe zum Agrarrecht (Jahr, Seite) bezüglich Bundeszollblatt (Jahr, Seite) Bundeszentralregistergesetz Code Civil Corporate Compliance Zeitschrift Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung Codex Iuris Canonici
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Abkürzungsverzeichnis
cic CIM CISG CMR COVFAG COVInsAG COVMG COVuR CR CRTD CuR D. DA DAG DAngVers DanzJZ DAR DArb DArbR DAVorm DAWR DB DBGrG DCFR DDevR Denkschr DepotG DepV DesignG DEuFamR DFG DFGT DGB dgl DGVZ DGWR dh DIJuF DI-RL DiskE DiskTE Diss DiszH DJ DJT DJugHilfe DJZ DMR DNotI-Report DNotZ DNR DöD DOG DOK
culpa in contrahendo CIM Management (Jahr, Seite) Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenzund Strafverfahrensrecht COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungsund Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19Pandemie Covid-19 und Recht (Jahr, Seite) Computer und Recht (Jahr, Seite) Convention on Civil Liability for Damage Cause during Carriage of Dangerous Goods by Road, Rail and Inland Navigation Vessels Contracting und Recht (Vierteljahresschrift für das gesamte Recht des EnergieContracting) Digesten Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden Deutsche Angestelltengewerkschaft Die Angestelltenversicherung (Jahr, Seite) Danziger Juristenzeitung (Jahr, Seite) Deutsches Autorecht (Jahr, Seite) Die Arbeit, Berlin (Ost), (Jahr, Seite) Deutsches Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Der Amtsvormund (Jahr, Seite) Deutsche Außenwirtschafts-Rundschau (Jahr, Seite) Der Betrieb (Jahr, Seite) Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft Draft Common Frame of Reference Deutsche Devisenrundschau (Jahr, Seite) Denkschrift zum BGB Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren Deponieverordnung Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design Deutsches und Europäisches Familienrecht (Zeitschrift; eingestellt) Deutsche Freiwillige Gerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Deutscher Familiengerichtstag Deutscher Gewerkschaftsbund dergleichen, desgleichen Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung (Jahr, Seite) Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) das heißt Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Digitale-Inhalte-Richtlinie) Diskussionsentwurf Diskussions-Teilentwurf Dissertation Disziplinarhof Deutsche Justiz (Jahr, Seite) Deutscher Juristentag Deutsche Jugendhilfe (Jahr, Seite) Deutsche Juristenzeitung (Jahr, Seite) Deutsches Mietrecht (Jahr, Seite) Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts Deutsche Notarzeitschrift (Jahr, Seite) Dauernutzungsrecht Der öffentliche Dienst, Ausgabe A (Jahr, Seite) Deutsches Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Die Ortskrankenkasse (Jahr, Seite) XXXVII
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Abkürzungsverzeichnis
DokBerB DONot DöV DPA DR DRiG DrittelbG DRiZ DRpfl Drs DRspr DRV DRWiss DRZ DS DSGVO DSK DSS DStR DStRE DStZ dt dt-frz WZGA Dt Schied WE-Sachen DtZ DuD DüG DuR DV DVBl DVO DVP DVR DVStB DWE DWohnArch DWR DWW DZWIR E EAEG EALG EBE/BGH EDPS EDSA EE EECC-RL EEG EEK EFG EFZG EG EGBGB eGbR EGGVG
XXXVIII
Dokumentarische Berichte aus dem Bundesverwaltungsgericht (Jahr, Seite) Dienstordnung für Notarinnen und Notare Die öffentliche Verwaltung (Jahr, Seite) Deutsches Patentamt Deutsches Recht Wochenausgabe, ab 1.4.1939 vereinigt mit JW (Jahr, Seite) Deutsches Richtergesetz Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Deutsche Richterzeitung (Jahr, Seite) Deutsche Rechtspflege (Jahr, Seite) Drucksache Deutsche Rechtsprechung (Leitzahl, Blatt) Deutsche Rentenversicherung Deutsche Rechtswissenschaft (Jahr, Seite) Deutsche Rechtszeitschrift (1946 bis 1950), (Jahr, Seite) Der Sachverständige (Jahr, Seite) Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679) Datenschutzkonferenz Deutsches Ständiges Schiedsgericht, Leipzig Deutsches Steuerrecht (Jahr, Seite) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst Deutsche Steuer-Zeitung (Jahr, Seite) deutsch Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft v. 4.2.2010 Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentumssachen Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift (Jahr, Seite) Datenschutz und Datensicherheit (Jahr, Seite) Diskontsatz-Überleitungsgesetz Demokratie und Recht (Jahr, Seite) Deutsche Verwaltung, ab 4/1950 DVBl (Jahr, Seite) Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr, Seite) Durchführungsverordnung Deutsche Verwaltungspraxis (Jahr, Seite) Datenverarbeitung im Recht (Jahr, Seite) Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften Der Wohnungseigentümer (Jahr, Seite) Deutsches Wohnungs-Archiv (Jahr, Seite) Dauerwohnrecht Zeitschrift für deutsche Wohnungswirtschaft (Deutsche Wohnungswirtschaft), (Jahr, Seite) Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Jahr, Seite) Entwurf (zum BGB); auch: Entscheidung(en) Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz Eildienst Bundesgerichtliche Entscheidungen (Jahr, Seite) European Data Protection Supervisor Europäischer Datenschutzausschuss Erbrecht effektiv (Jahr, Seite) Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien Entscheidungssammlung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, früher: Entscheidungssammlung zur Entgeltfortzahlung an Arbeiter und Angestellte bei Krankheit, Kur- und Mutterschutz Entscheidungen der Finanzgerichte (Jahr, Seite); auch: Eigentumsfristengesetz Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz
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Abkürzungsverzeichnis
EGMR EGStGB EGV EGZGB EGZPO EGZVG EheNändG EheRG, 1. EheschlRG EheVO I
EheVO II
EhfG EHRV EHVfO EIBV eIDAS-VO
EigenheimVO Einf EinhZeitG EinigungsV Einl einschl EinSiG einstw einstw Vfg EJIL EKG EmoG EMRK EMV EnEV EntgTranspG entspr EnWG EnWZ EÖG EÖUG EP ErbbauR ErbbauRG ErbbauZ ErbBStG ErbGleichG ErbR ErbRÄndG ErbStB ErbStG ErbVerjRÄndG ErfK erg ERJuKoG Erl
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte; Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Band, Seite) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Einführungsgesetz zu dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Gesetz über Änderung des Ehenamens Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts VO (EG) Nr. 1347/2000 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten v. 29.5.2000, ABl EG 2000 Nr. L 160/19 – „Brüssel II“ VO (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 v. 27.11.2003, ABl EG 2003 Nr. L 338/1 – „Brüssel IIa“ Entwicklungshelfergesetz Erbhofrechtsverordnung Erbhofverfahrensordnung Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung VO (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG v. 23.7.2014, ABl. EU 2019 Nr. L 257/73 Eigenheimverordnung (DDR-Gesetz) Einführung Einheitszeitgesetz Einigungsvertrag Einleitung einschließlich Einlagensicherungsgesetz einstweilig(e/er) einstweilige Verfügung European Journal of International Law (Jahr, Seite) Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen Elektromobilitätsgesetz Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Einheitsmietvertrag für Baugeräte Energieeinsparverordnung Entgelttransparenzgesetz entsprechend(e/er/es) Energiewirtschaftsgesetz Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft (Jahr, Seite) Eheöffnungsgesetz Eheöffnungsumsetzungsgesetz Entgeltpunkte Erbbaurecht Gesetz über das Erbbaurecht Zeitschrift für Erbbaurecht Erbfolgebesteuerung (Jahr, Seite) Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts Der Erbschaft-Steuer-Berater (Jahr, Seite) Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht ergänzend(e/er/es) Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation Erläuterung(en)
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Abkürzungsverzeichnis
ERVGBG ErwGr ESchG E-SchuldModG ESG ESJ EStB EStG ESÜ ESÜAG ESZB EU EuAdoptÜbEink EuCML EuErbVO
EÜG EuGH EuGRZ EuGüVO
EuGVO EuGVÜ EuInsVO EuLF EuPartVO
EuR EuroEG EuroVO I EuroVO II EuSorgÜ EuUnthVO EUV EuVTVO EuZW EV eV EVO
XL
Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch-, registerund kostenrechtlicher Vorschriften Erwägungsgrund Embryonenschutzgesetz Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts Gesetz über die Sicherstellung der Versorgung von Erzeugnissen der Ernährungsund Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft Entscheidungssammlung für junge Juristen Der Ertrag-Steuer-Berater (Jahr, Seite) Einkommensteuergesetz Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen v. 13.1.2000, BGBl. II 2007, 324 Ausführungsgesetz zum ESÜ Europäisches System der Zentralbanken Europäische Union Europäisches Übereinkommen über die Adoption von Kindern Journal of European Consumer and Market Law (Jahr, Seite) Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und Rates v. 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl EU L 201/107 Gesetz über den Einfluss von Einigungsübungen der Streitkräfte auf Vertragsverhältnisse der Arbeitnehmer und Handelsvertreter sowie auf Beamtenverhältnisse Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift (Jahr, Seite) VO (EU) 2016/1103 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands v. 24.6.2016, ABl EU L 183/1 VO Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 12.12.2012, ABl EU L 351/1 Europäisches Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates v. 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, ABl EU 2000 L 160/1 The European Legal Forum (ZS) VO (EU) 2016/1104 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften v. 24.6.2016, ABl EU L 183/30 Europarecht (Jahr, Seite) Gesetz zur Einführung des Euro Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates v. 17.6.1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, ABl EG Nr. L 162 v. 19.6.1997, 1 Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates v. 3.5.1998 über die Einführung des Euro, ABl EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, 1 Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses v. 20.5.1980, BGBl. II 1990, 220 VO (EG) Nr. 4/2000 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen v. 18.12.2008, ABl EU 2009 Nr. L 7/1 Vertrag über die Europäische Union VO (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen v. 21.4.2004, ABl EG Nr. L 143/15 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Einwilligungsvorbehalt; Eigentumsvorbehalt eingetragener Verein Eisenbahn-Verkehrsordnung
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Abkürzungsverzeichnis
EVÜ EWeRK EWiR eWpG EWR EzA EZB EzFamR FAErbR FAG FamFG FamFR FamG FamGB FamGKG FamNamÄndG FamNamRG FamRÄndG FamRB FamRBint FamRefK FamRZ FernAbsRL FernAbsFinanzDL-RL FernAbsG FernUSG FeV FEVS FF FG fG FGG FGG-RG FGO FGPrax FideiKommG FLF FluglärmG FlüHG FlurbG FoVo FPfZG FPR FR FreizügG/EU FRG FRKG FRUG frz FS FStrG FuR FVE FZulV FZV
Europäisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht v. 19.6.1980 Energie- und Wettbewerbsrecht in der Kommunalen Wirtschaft (Jahr, Seite) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Gesetz über elektronische Wertpapiere Europäischer Wirtschaftsraum Arbeitsrechtliche Sofortinformation, Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Europäische Zentralbank Entscheidungssammlung zum Familienrecht Der Fachanwalt für Erbrecht – Beilage zur ZERB Gesetz über Fernmeldeanlagen Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrecht und Familienverfahrensrecht (Jahr, Seite) Familiengericht Familiengesetzbuch (DDR) Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen Gesetz zur Neuordnung des Familiennamensrechts Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften Der Familien-Rechts-Berater (Jahr, Seite) Familien-Rechts-Berater international (Jahr, Seite) Familienrechtsreformkommentar, hrsg. von Bäumel ua Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Jahr, Seite) Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (RL 97/7/EG) Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen Fernabsatzgesetz Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht Fahrerlaubnisverordnung Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte (Band, Seite) Forum Familien- und Erbrecht (Jahr, Seite) Finanzgericht; auch: Festgabe freiwillige Gerichtsbarkeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen Finanzierung, Leasing, Factoring (Jahr, Seite) Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm Flüchtlingshilfegesetz Flurbereinigungsgesetz Forderung & Vollstreckung (Jahr, Seite) Familienpflegezeitgesetz Familie, Partnerschaft, Recht (vereinigt mit NJWE-RR), (Jahr, Seite) Finanzrundschau (Jahr, Seite) Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern Fremdrentengesetz Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission französisch Festschrift Bundesfernstraßengesetz Familie und Recht, Zeitschrift für die anwaltliche und gerichtliche Praxis (Jahr, Seite) Sammlung Fremdenverkehrsrechtlicher Entscheidungen (Band, Nummer) Verordnung über die Zulassung von Fernmeldeeinrichtungen Fahrzeug-Zulassungsverordnung
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Abkürzungsverzeichnis
G G 131 GA GasGVV GastG GBA GBBerG GBl GBMaßnG GBO GbR GBV GE GebrMG GefStoffV GEG GEIG gem GEMA GemE GemS GemSen GenDG GenG GenTG GeschGehG GeschmMG GesR GesRuaCOVBekG GesRV GewA GewerkMh GewO GewSchG GG ggf ggü GI GK GKAR GK-BetrVG GKG GKL-StV GleichberG GlüStV GmbHG GmbHR GMBl GmS-OGB GNotKG GOA GoA GOÄ GoltdA GPR GRCh grds GrdstVG XLII
Gesetz Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Jahr, Seite) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz Gaststättengesetz Grundbuchamt Grundbuchbereinigungsgesetz Gesetzblatt Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Grundbuchwesens Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung (Grundbuchverfügung) Das Grundeigentum (Jahr, Seite) Gebrauchsmustergesetz Gefahrstoffverordnung Gebäudeenergiegesetz Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz gemäß Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Gemeinschaftseigentum, Gemeinschaftseigentümer Gemeinsamer Senat Gemeinsamer Senat Gendiagnostikgesetz Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gentechnikgesetz Geschäftsgeheimnisgesetz Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen GesundheitsRecht (Jahr, Seite) Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungsund Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19Pandemie Gesellschaftsregisterverordnung Gewerbearchiv (Jahr, Seite) Gewerkschaftliche Monatshefte (Jahr, Seite) Gewerbeordnung Gewaltschutzgesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls gegenüber Gerling Informationsbriefe (Jahr, Seite) Gemeinschaftskommentar Gesetz über das Kassenarztrecht Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Gerichtskostengesetz Staatsvertrag über die Gründung der Gemeinsamen Klassenlotterie der Länder Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Jahr, Seite) Gemeinsames Ministerialblatt Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare Gebührenordnung für Architekten Geschäftsführung ohne Auftrag Gebührenordnung für Ärzte Archiv für Strafrecht und Strafprozeßrecht, begründet von Goltdammer (Band, Seite) Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht (Jahr, Seite) Charta der Grundrechte der Europäischen Union grundsätzlich Grundstückverkehrsgesetz
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Abkürzungsverzeichnis
GreifRecht GrEStG GROkathK GrS (auch: GS) GrSZ Gruch (auch: Gruchot) GrundMV GRUR GRUR-RR GRV GRW GS GSiG GStB GüKG GuP GuR GuT GVBl GVG GVGA GVL GVVO GW GWB GwG GWR HA hA HaagEheschlAbk HaagVormAbk HaftPflG HAG HAGändG HambGE HambVO HannRpfl HansGZ HansJVBl HansRZ HausbauV HausratsVO HausTWG Hdb (auch: …hdb) HEheGüAbk HeimG HeizkostenV HEZ HFR HGB hinsichtl HintG HintO Hinw
Greifswalder Halbjahresschrift für Rechtswissenschaft (Jahr, Seite) Grunderwerbsteuergesetz Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse Großer Senat Großer Senat in Zivilsachen Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot (Band, Seite) Verordnung über die Erhöhung der Grundmiete Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr, Seite) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report Gesetzliche Rentenversicherung Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens Gedächtnisschrift; auch: Preußische Gesetzsammlung (Jahr, Seite); auch: Großer Senat Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Gestaltende Steuerberatung (Jahr, Seite) Güterkraftverkehrsgesetz Gesundheit und Pflege (Jahr, Seite) Gesetz und Recht, Sammlung in Deutschland nach dem 8.5.1945 erlassener Rechtssätze mit Erläuterungen (Heft, Seite) Gewerbemiete und Teileigentum (Jahr, Seite) Gesetz- und Verordnungsblatt (Jahr, Seite) Gerichtsverfassungsgesetz Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher Gesellschaft für die Verwertung von Leistungsschutzrechten Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken Gemeinnütziges Wohnungswesen (Jahr, Seite) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates herrschende Ansicht Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung Haager Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige Haftpflichtgesetz Heimarbeitergesetz Gesetz zur Änderung des Heimarbeitsgesetzes und arbeitsrechtlicher Vorschriften Hamburgisches Grundeigentum (Jahr, Seite) Hamburger Verordnungsblatt (Jahr, Seite) Hannover’sche Rechtspflege (bis 1.7.1947), dann Niedersächsische Rechtspflege (Jahr, Seite) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitung (Jahr, Seite) Hanseatisches Justizverwaltungsblatt (Jahr, Seite) s. HansGZ Hausbauverordnung Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Handbuch Haager Ehegüterrechtsabkommen Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der obersten Gerichte in Zivilsachen (Band, Seite) Humboldt Forum Recht (Internetzeitschrift v. Humboldt, Berlin) Handelsgesetzbuch hinsichtlich Hinterlegungsgesetz Hinterlegungsordnung Hinweis
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Abkürzungsverzeichnis
HKÜ hL HLKO hM HMR HMR Rsp HOAI HöfeO HRG HRP HRR HRRS Hrsg HRV Hs HStruktG HTestfÜbk HUhPflÜbk HUntVÜ 1973 HuW HV HwO HypBG HzA HZvG i Erg IBR IBRRS idF idR ieS IFG IFLA IfSG iHd IHK IHR iHv ILR im Allg im Bes im Einz ImmoKWPLV IMR IndKredBkG inl insb IngALG InsO InstGE IntErbRVG intern IntFamRVG InvG InVo XLIV
Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung v. 25.10.1980, BGBl. II 1990, 207 herrschende Lehre Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs herrschende Meinung Handbuch des gesamten Miet- und Raumrechts Rechtsprechungsbeilage zum Handbuch des gesamten Miet- und Raumrechts (Jahr, Seite) Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Höfeordnung Hochschulrahmengesetz Handbuch der Rechtspraxis Höchstrichterliche Rechtsprechung (Jahr, Nummer) Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Herausgeber Handelsregisterverordnung Halbsatz Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur Haager Testamentsformübereinkommen, BGBl. II 1965, 1145 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht v. 2.10.1973, BGBl. II 1986, 837 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen v. 2.10.1973, BGBl. II 1986, 826 Haus und Wohnung (Jahr, Seite) s. HausratsVO Handwerksordnung Hypothekenbankgesetz Leinemann (Hrsg.), Handbuch zum Arbeitsrecht Gesetz zur Neuregelung der Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung im Saarland im Ergebnis Immobilien- und Baurecht (Jahr, Seite) Immobilien- und Baurecht, Rechtsprechung in der Fassung in der Regel im engeren Sinne Informationsfreiheitsgesetz Informationsdienst für Lastenausgleich, BVFG und anderes Kriegsfolgenrecht, Vermögensrückgabe und Entschädigung nach dem Einigungsvertrag Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) in Höhe der, in Höhe des Industrie- und Handelskammer Internationales Handelsrecht (International Commercial Law), (Jahr, Seite) in Höhe von Interlokales Privatrecht im Allgemeinen im Besonderen im Einzelnen Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung Immobilien- und Mietrecht (Jahr, Seite) Gesetz betreffend die Industriekreditbank Aktiengesellschaft inländisch(e/er) insbesondere Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen Insolvenzordnung Entscheidungen der Instanzgerichte zum Recht des geistigen Eigentums Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz international(e/er) Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts Investmentgesetz Insolvenz und Vollstreckung (Jahr, Seite)
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Abkürzungsverzeichnis
IÖD IPR iRd IPRax IPRspr IRO iSd IStR iSv ITRB iÜ IVD iVm iwS IZRspr
Informationsdienst Öffentliches Dienstrecht (Jahr, Seite) Internationales Privatrecht im Rahmen der/des Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Jahr, Seite) Die Deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des IPR (Jahr, Seite) International Refugee Organization im Sinne des/im Sinne der Internationales Steuerrecht (Jahr, Seite) im Sinne von Der IT-Rechtsberater (Jahr, Seite) im Übrigen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag in Verbindung mit im weiteren Sinne Sammlung der deutschen Entscheidungen zum interzonalen Privatrecht
JA JAmt JArbSchG Jb JbArbR JBeitrG JbIntR
JGG JherJb JhJb JMBl JO JOR JöR JPrivIntL JR jur Person JURA JurA JurBüro jurisPK jurisPR jurisPR BKR jurisPR MietR JuS JuSchG Justiz JuV JVEG JW JWG JZ
Jugendamt; auch: Juristische Arbeitsblätter (Jahr, Seite) Das Jugendamt (Jahr, Seite) Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend Jahrbuch Jahrbuch des Arbeitsrechts Justizbeitreibungsgesetz Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht (ab 3.1954 nur: für internationales Recht) Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler Justizblatt jeweils; jeweilig(e/er) Jugendfreiwilligendienstegesetz Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts (Band, Seite) Jugendgerichtsgesetz Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Band, Seite) Jahrbuch für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts Justizministerialblatt Journal Officiel (Jahr, Seite) Jahrbuch für Ostrecht (Jahr, Seite) Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Journal of Private International Law Juristische Rundschau (Jahr, Seite) juristische Person(en) Juristische Ausbildung (Jahr, Seite) Juristische Analysen (Jahr, Seite) Das juristische Büro, früher: Das Büro (Jahr, Seite) Praxiskommentar zum BGB juris Praxisreport juris Praxisreport Bank- und Kapitalmarktrecht juris Praxisreport Mietrecht Juristische Schulung (Jahr, Seite) Jugendschutzgesetz Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Justiz und Verwaltung (Jahr, Seite) Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung (Jahr, Seite)
K&R KAG KAGB KAGG Kap KAV KÄV KBG (EKD)
Kommunikation und Recht (Jahr, Seite) Kommunalabgabengesetz Kapitalanlagegesetzbuch Gesetz über die Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Konzessionsabgabenverordnung Kassenärztliche Vereinigung Kirchenbeamtengesetz (Evangelische Kirche in Deutschland)
JbJZivRWiss JBl jew JFDG JFG
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Abkürzungsverzeichnis
KE
KuR KVBW KVO KWG KWVO
Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs des Gesetzes des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts Kammergericht; auch: Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts (Jahr, Seite) Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts (Band, Seite) KGReport (Jahr, Seite) Der Krankenhausarzt (Jahr, Seite) Entscheidungen zum Krankenhausrecht (Loseblattsammlung) Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen Krankenhausgesetz Künstliche Intelligenz Kindschaftsrechtliche Praxis (Jahr, Seite) Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts Gesetz zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts kritische Justiz (Jahr, Seite) Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts Kommunal-Kassen-Zeitschrift (Jahr, Seite) Kölner Mietrecht Konkursordnung Kommentar/Kommentierung Kommunaljurist (ZS) Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse Kölner Steuerdialog (Jahr, Seite) Verordnung über die Kosten in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen Kanzleiführung professionell (Jahr, Seite) Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kontrollratsgesetz kritisch kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kranken- und Pflegeversicherung (Jahr, Seite) Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuergesetz Kommunale Steuerzeitschrift (Jahr, Seite) Haager Übereinkommen v. 19.10.1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kinderschutzübereinkommen), BGBl. II 2009, 602 Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Jahr, Seite) Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Kirche und Recht (Jahr, Seite); Kunst und Recht (Jahr, Seite) Kommunaler Versorgungsverband Baden-Württemberg Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen Gesetz über das Kreditwesen Kriegswirtschaftsverordnung
LAG LAGE LAGRp LandbeschG LBesG LBG leibl LFGB LFGG LG LHintG
Landesarbeitsgericht; auch: Gesetz über den Lastenausgleich Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte (Band, Seite) LAGReport Landbeschaffungsgesetz Landesbesoldungsgesetz Landesbeamtengesetz leiblich (e/er/es) Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (Baden-Württemberg) Landgericht Landeshinterlegungsgesetz
KG KGaA KGBl KGJ KGRp KHA KHE KHEntG KHG KI Kind-Prax KindRG KindRVerbG KindUG kJ KJHG KKZ KM KO Komm KommJur KonsG KÖSDI KostO KP KR KRG krit KritV KrV KrW-/AbfG KSchG KStG KStZ KSÜ
KSzW KTS KUG
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Abkürzungsverzeichnis
Lit lit LJV LKRZ LkSG LKV LM LMK LNR LPachtG LPachtVG LPartEDiskrG LPartG LPartÜG LPG LPGG LRZ LS LSG LStDV LStrG LuftFzgG LuftVG LuftVZO LugÜ LwAnpG LWTG LwVG LZ m Anm MABl MaBV MÄG MAR MarkenG maW MB/KK MBl (auch: MinBl) MBliV MBO MBOÄ MDR MDStV MecklZ MedR medstra MessEG MHBeG MHG, MHRG MietAnpG Mietgericht MietNovG MietRB MiFID MiLoG MilReg MindNamÄndG
Literatur Buchstabe Landesjustizverwaltung Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland (Jahr, Seite) Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz Landes- und Kommunalverwaltung (Jahr, Seite) Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring LexisNexis Recht Gesetz über das landwirtschaftliche Pachtwesen Landpachtverkehrsgesetz Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft(en) Gesetz über die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften E-Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Digitalisierung (Jahr, Randnummer) Leitsatz Landessozialgericht Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Landesstraßengesetz Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen Luftverkehrsgesetz Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung Lugano-Übereinkommen Landwirtschaftsanpassungsgesetz Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen Leipziger Zeitschrift (Jahr, Spalte) mit Anmerkung Ministerialamtsblatt Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Bauträger und Baubetreuer Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften Marktmissbrauchsverordnung Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen mit anderen Worten Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung Ministerialblatt Ministerialblatt für die innere Verwaltung (Jahr, Seite) Musterbauordnung (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Mediendienste-Staatsvertrag Mecklenburgische Zeitschrift für die Rechtspflege und Rechtswissenschaft (Band, Seite) Medizinrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Medizinstrafrecht (Jahr, Seite) Mess- und Eichgesetz Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger Gesetz zur Regelung der Miethöhe Mietrechtsanpassungsgesetz Das Mietgericht (Jahr, Seite) Mietrechtsnovellierungsgesetz Der Miet-Rechts-Berater (Jahr, Seite) Finanzmarktrichtlinie Mindestlohngesetz Militärregierung Gesetz zur Ausführung des Art. 11 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens des Europarats v. 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten XLVII
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Abkürzungsverzeichnis
MitbestErgG MitbestG MitE MittBankdL MittBayNot MittBl MittLVARheinpr MittRhNotK MM MMR MMV mN ModEnG MoMiG Mot MPG MRG MRRG MRVerbG MRVO MSA MsV MÜ MuSchG MuW MV mwN MwSt mWv Nachw NachwG NamÄndG nat Person NAV NDAV NDBZ Nds NdsRpfl NDV NEhelERGG NEhelG NetzDG nF NiemeyersZ Nipp(GS) NJ NJOZ NJW NJWE-FER NJWE-MietR NJWE-VHR NJWE-WettbR NJW-RR NL-BzAR XLVIII
Mitbestimmungsergänzungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Miteigentum Mitteilungen der Bank deutscher Länder Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer (Jahr, Seite) Mitteilungsblatt Mitteilungen der LVA Rheinprovinz Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (Jahr, Seite) Mieter-Magazin (Jahr, Seite) MultiMedia und Recht (Jahr, Seite) Mustermietvertrag, hrsg. v. Bundesministerium für Justiz mit Nachweisen Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Motive zum Entwurf eines BGB Medizinproduktegesetz Militärregierungsgesetz Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts Mietrechtsverbesserungsgesetz Militärregierungsverordnung Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen v. 5.10.1961, BGBl. II 1961, 219 Mietspiegelverordnung Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter Markenschutz und Wettbewerb (Jahr, Seite) Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer mit Wirkung vom Nachweis(e) Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen natürliche Person(en) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Gasversorgung in Niederdruck Neue Deutsche Beamtenzeitung (Jahr, Seite) Niedersachsen Niedersächsische Rechtspflege (Jahr, Seite) Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Jahr, Seite) Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder Netzwerkdurchsetzungsgesetz neuer Fassung Niemeyers Zeitschrift (Jahr, Seite) Nipperdey, Arbeitsrecht (Gesetzessammlung) Neue Justiz (Jahr, Seite) Neue Juristische Online-Zeitschrift (Jahr, Seite) Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) NJW-Entscheidungsdienst Familien- und Erbrecht (Jahr, Seite) NJW-Entscheidungsdienst Miet- und Wohnungsrecht (Jahr, Seite) NJW-Entscheidungsdienst Versicherungs- und Haftungsrecht (Jahr, Seite) NJW-Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht (Jahr, Seite) NJW-Rechtsprechungs-Report (Jahr, Seite) Neue Landwirtschaft – Briefe zum Agrarrecht (Jahr, Seite)
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Abkürzungsverzeichnis
NMV NordÖR NotBZ NotVO npoR nrkr NRW NStZ NSW NuR NVersZ NVwZ NVwZ-RR NWRettG NWVBl NZA NZA-RR NZBau NZFam NZG NZI NZM NZS NZV oÄ öAT ÖBA OBG NRW OdW OEEC OEG og OGH OGHSt OGHZ OHG ÖJZ OLG
Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland (Jahr, Seite) Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis (Jahr, Seite) Notverordnung, auch: Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis (DDR), (Jahr, Seite) Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen (Jahr, Seite) nicht rechtskräftig Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht (Jahr, Seite) Nachschlagewerk Natur und Recht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport (Jahr, Seite) Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht – Rechtsprechungsreport (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Familienrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Mietrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Jahr, Seite)
OLG-NL OLGRp OLG Rspr öOGH openJur OR OVGE
oder Ähnliches Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht (Jahr, Seite) Österreichisches Bank-Archiv (Jahr, Seite) Ordnungsbehördengesetz Nordrhein Westfalen Ordnung der Wissenschaft (Jahr, Seite) Organization for European Economic Cooperation Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten oben genannt Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Amtliche Sammlung der Entscheidungen des OGH in Strafsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des OGH in Zivilsachen offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristenzeitung (Jahr, Seite) Oberlandesgericht; auch (mit Ortsnamen und Fundstelle): Entscheidungssammlungen OLG-Rechtsprechung neue Länder (Jahr, Seite) OLGReport (Jahr, Seite) OLG Rechtsprechung (ZS, 1991–2000) Oberster Gerichtshof in Wien Juristische Online-Datenbank Schweizerisches Obligationenrecht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte (Band, Seite)
PachtKG PAngV PAO PaPkG PartGG PartG mbB PatRG PbefG PECL PersR PersV PfandBG PfandlV PFB
Pachtkreditgesetz Verordnung zur Regelung der Preisangaben Patentanwaltsordnung Preisangaben- und Preisklauselgesetz Gesetz über Partnergesellschaften Angehöriger Freier Berufe Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung Patientenrechtegesetz Personenbeförderungsgesetz Principles of European Contract Law Der Personalrat (Jahr, Seite) Die Personalvertretung (Jahr, Seite) Pfandbriefgesetz Pfandleiheverordnung Praxis Freiberufler-Beratung (Jahr, Seite) XLIX
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Abkürzungsverzeichnis
PfG (VELKD) PflegeArbbV PflegeZG PflR PflVersG pFV PGH PharmR PICC PiG PinG PKH PKR PostG PostGebO PostStruktG PostUmwG Pr, pr PrAGBGB Preuß OVG PrGS NW PrKG PrKV ProdHaftG ProdSG ProstG ProstSchG Prot PStG PStRG PStV pVV r+s RA RabelsZ RABl RAG RAG-DDR RAnwG RAnz RAW RBBl RBEG RBerG RBHaftG RdA RdbfJugH RdE RdErl RdF RDG RDi RdJB RdK RdL RdLH RdM RdTW L
Pfarrergesetz (Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschland) Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche Gesetz über die Pflegezeit PflegeRecht (Jahr, Seite) Pflichtversicherungsgesetz positive Forderungsverletzung Produktionsgenossenschaft(en) des Handwerks Fachzeitschrift für das gesamte Arzneimittelrecht Principles of International Commercial Contracts Partner im Gespräch, Schriftenreihe, hrsg. v. evangelischen Siedlungswerk in Deutschland e.V. Privacy in Germany (Jahr, Seite) Prozesskostenhilfe Pflege- und Krankenhausrecht (Jahr, Seite) Postgesetz Postgebührenordnung Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft Preußen, preußisch Preußisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Preußisches Oberverwaltungsgericht; auch: amtliche Entscheidungssammlung (Band, Seite) Sammlung des in Nordrhein-Westfalen geltenden preußischen Rechts (1806–1945) Preisklauselgesetz Preisklauselverordnung Produkthaftungsgesetz Produktsicherheitsgesetz Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten Prostituiertenschutzgesetz Protokolle der Kommission für die II. Lesung des Entwurfs des BGB Personenstandsgesetz Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts Personenstandsgesetzverordnung positive Vertragsverletzung Recht und Schaden (Jahr, Seite) Rechtsanwalt Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Band, Seite) Reichsarbeitsblatt (Jahr, Teil, Seite) Reichsarbeitsgericht; auch: Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts (Band, Seite) Rechtsanwendungsgesetz der DDR Rechtsanwendungsgesetz DDR Deutscher Reichs-Anzeiger (Jahr, Seite) Recht Automobil Wirtschaft (Jahr, Seite) Reichsbesoldungsblatt (Jahr, Seite) Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz Rechtsberatungsgesetz Reichsbeamtenhaftungsgesetz Recht der Arbeit (Jahr, Seite) Rundbrief des Archivs deutscher Berufsvormünder, jetzt: Rundbrief des deutschen Jugendarchivs (Jahr, Spalte) Recht der Energiewirtschaft, früher: Recht der Elektrizitätswirtschaft (Jahr, Seite) Runderlass Recht der Finanzinstrumente (Jahr, Seite) Rechtsdienstleistungsgesetz; auch: Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen (ZS) Recht Digital (Jahr, Seite) Recht der Jugend und des Bildungswesens (Jahr, Seite) Das Recht des Kraftfahrers (jetzt DAR), (Jahr, Seite) Recht der Landwirtschaft (Jahr, Seite) Rechtsdienst der Lebenshilfe Recht der Medizin (Jahr, Seite) Recht der Transportwirtschaft (Jahr, Seite)
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Abkürzungsverzeichnis
RDV RE RechKredV Recht REE RefE REG RegBedVO RegBl RegE RegUnterhVO RegVBG REinhG RenoR RErbhG Rev crit RFamU RFBl RFH RG RGBl RGGSSt RGGZ RGSt RGZ RheinZ Rh-Pf RiA RIW RJA RJM RJWG RKEG RKG RL RLG RM RMBl RMBliV Rn RNotZ ROHG Rom I-VO Rom II-VO Rom III-VO RöV ROW Rpfleger RPflG RpflStud RRa RRG RSiedlG Rspr
Recht der Datenverarbeitung (Jahr, Seite) Rechtsentscheid in Wohnraummietsachen Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung Das Recht (Jahr und Nummer der Entscheidung) Recht der Erneuerbaren Energien (Jahr, Seite) Referentenentwurf Rückerstattungsgesetz Regelbedarf-Verordnung Regierungsblatt Regierungsentwurf Verordnung zur Berechnung des Regelunterhalts (Regelunterhalt-Verordnung) Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts Reno-Report, Zeitschrift für Mitarbeiter der juristischen Berufe (Jahr, Seite) Reichserbhofgesetz Revue critique de droit international privé (Jahr, Seite) Recht der Familienunternehmen (Jahr, Seite) Amtsblatt der Reichsfinanzverwaltung (Jahr, Seite) Reichsfinanzhof Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgericht, Großer Senat in Strafsachen Reichsgericht, Großer Senat in Zivilsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band, Seite) amtliche Sammlung der RG-Rechtsprechung in Zivilsachen (Band, Seite) Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht Rheinland-Pfalz Das Recht im Amt (Jahr, Seite) Recht der internationalen Wirtschaft (Jahr, Seite) Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichsjustizamt (1900–1923), (Band, Seite) Reichsminister der Justiz Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt Gesetz über die religiöse Kindererziehung Reichsknappschaftsgesetz Richtlinie(n) Gesetz über Sachleistungen für Reichsaufgaben Reichsmark; Reichsminister(ium) Reichsministerialblatt, Zentralblatt für das Deutsche Reich (Jahr, Seite) Reichsministerialblatt für die innere Verwaltung Randnummer Rheinische Notarzeitschrift (Jahr, Seite) Reichsoberhandelsgericht; auch (mit Fundstelle): amtliche Entscheidungssammlung (Band, Seite) Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates v. 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Röntgenverordnung Recht in Ost und West, Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme (Jahr, Seite) Der Deutsche Rechtspfleger (Jahr, Seite) Rechtspflegergesetz Rechtspfleger Studienheft Reiserecht aktuell (Jahr, Seite) Rentenreformgesetz Reichssiedlungsgesetz Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts (aufgegangen in: Höchstrichterliche Rechtsprechung) LI
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Abkürzungsverzeichnis
Rspr RStBl RStV RÜG RuP RuS rv RVA RVerwBl RVG Rvgl Hdwb RVI RVkBl RVO RzU RzW S s SaatVersSiG SachenRÄndG SachenRBerG SächsArch SächsOVG Jb SAE SAR SaRegG SBl SchAZtg ScheckG SchiedsG SchiffsRG SchKG SchlHA Schl-Holst SchlichtVerfVO SchRegO SchuldBG SchuldRÄndG SchuldRAnpG SchuldRModG SchVG SchwarzArbG SchwbG SeeArbG Sen SeuffA SeuffBl SG SGb SGB SGG SGleiG SHG SicherungsVO SigG SigV SiV SJZ
LII
Rechtsprechung Reichssteuerblatt (Jahr, Seite) Rundfunkstaatsvertrag Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung Recht und Psychiatrie (Jahr, Seite) Recht und Schaden (Jahr, Seite) Die Rentenversicherung (Jahr, Seite) Reichsversicherungsamt Reichsverwaltungsblatt (Jahr, Seite) Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Rechtsvergleichendes Handwörterbuch Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR Reichsverkehrsblatt (Jahr, Seite) Reichsversicherungsordnung Rechtsprechung zum Urheberrecht Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht, Beilage zur NJW Satz; Seite siehe Gesetz zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung Gesetz zur Änderung sachenrechtlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet Sachenrechtsbereinigungsgesetz (= Art. 1 SachenRÄndG) Sächsisches Archiv für Rechtspflege (Band, Seite) Jahrbuch der Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Band, Seite) Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Jahr, Seite) Sozialhilfe- und Asylbewerberleistungsrecht (Jahr, Seite) Samenspenderregistergesetz Sammelblatt für Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Länder (Jahr, Seite) Schiedsamtszeitung Scheckgesetz Schiedsgericht Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken Schwangerschaftskonfliktgesetz Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Jahr, Seite) Schleswig-Holstein Verordnung über das Verfahren der Schlichtungsstellen für Überweisungen Schiffsregisterordnung Schuldbuchgesetz Gesetz zur Änderung schuldrechtlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet Schuldrechtsanpassungsgesetz Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts Schuldverschreibungsgesetz Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft Seearbeitsgesetz Senat Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Band, Seite) Seufferts Blätter für Rechtsanwendung (Band, Seite) Sozialgericht; auch: Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten Die Sozialgerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notstände Verordnung über die Sicherung des Volkseigentums bei Baumaßnahmen von Betrieben auf vertraglich genutzten, nicht volkseigenen Grundstücken (DDR) Gesetz zur digitalen Signatur Verordnung zur digitalen Signatur Sicherheitenverordnung Süddeutsche Juristenzeitung (Jahr, Seite; 1947 bis 1950: Spalte); auch: Schweizerische Juristen-Zeitung
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Abkürzungsverzeichnis
SK-StGB SMBl NW sog SoldatenG SoldGG SonderE SondernutzR SorgeRG SortSchG SozSich SP SparkG SprAnG SpruchG SpuRt st Rspr StAG StAngRegG StAnz StaRUG StAZ StB StBerG Stbg StBVV StGB StGH StiftRG stillschw StPO str StrEG STREIT StrFO StromEsG
SVR SZRA
Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Sammlung des bereinigten Ministerialblattes für das Land Nordrhein-Westfalen sogenannt(e/r) Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten Gesetz über die Gleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten Sondereigentum Sondernutzungsrecht Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge Sortenschutzgesetz Soziale Sicherheit, Zeitschrift für Sozialpolitik (Jahr, Seite) Schaden-Praxis (Jahr, Seite) Sparkassengesetz Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren Sport und Recht (Jahr, Seite) ständige Rechtsprechung Staatsangehörigkeitsgesetz Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit Staatsanzeiger Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz Das Standesamt (früher: Zeitschrift für Standesamtswesen), (Jahr, Seite) Der Steuerberater (Jahr, Seite) Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten Die Steuerberatung (Jahr, Seite) Steuerberatervergütungsverordnung Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Stiftungsregistergesetz stillschweigend Strafprozessordnung streitig, strittig Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Feministische Rechtszeitschrift Strafverteidiger-Forum (Jahr, Seite) Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz Stasi-Unterlagen-Gesetz Steuer und Wirtschaft (Jahr, Seite) Der Strafverteidiger (Jahr, Seite) Straßenverkehrsgesetz Strafvollzugsgesetz Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Schifffahrtsrechtliche Verteilungsordnung Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihrer Hinterbliebenen Blätter Straßenverkehrsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte
TDG TEHG TeilE teilw TestG TFG TKG TKV TMG TPG TSG TTDSG TV TVG
Teledienstgesetz Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz Teileigentum teilweise Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen Transfusionsgesetz Telekommunikationsgesetz Telekommunikations-Kundenschutzverordnung Telemediengesetz Transplantationsgesetz Transsexuellengesetz Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz Tarifvertrag Tarifvertragsgesetz
StromGVV StUG StuW StV StVG StVollzG StVZO SVertO SVG
LIII
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Abkürzungsverzeichnis
TVöD Tz TzBfG TZW TzWrG
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Textziffer/-zahl Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge Die Teilzahlungswirtschaft (Jahr, Seite) Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden
ua UAbs UÄndG
unter anderem Unterabsatz Gesetz zur Änderung unterhaltsrechtlicher, verfahrensrechtlicher und anderer Vorschriften Übereinkommen Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (Band, Seite) Ukraine-Krieg und Recht (Jahr, Seite) umstritten Unionsmarkenverordnung Umwelthaftungsgesetz Umwandlungsgesetz United Nations (Vereinte Nationen) UN-Behindertenrechtskonvention UN-Kinderrechtekonvention United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palestina-Flüchtlinge im Nahen Osten) unstreitig, unstrittig Gesetz zur vereinfachten Abänderung von Unterhaltsrenten Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsprotokoll) v. 23.11.2007 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche unzutreffend Umwelt und Planungsrecht (Jahr, Seite) Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Urteil Umsatzsteuergesetz unter Umständen Unterhaltsvorschussgesetz Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Jahr, Seite) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
Übk UFITA UKuR umstr UMV UmweltHG UmwG UN (auch: UNO) UN-BRK UN-KRK UNRWA unstr UntändG UnterhVG UnthProt UnthÜbk UNÜ unzutr UPR UrhG Urt UStG uU UVG UVNG UVR UWG VA VAErstV VAG VAHRG VAStrRefG VaterKlG VAÜG VAwMG VBL VBlBW VBLS VBVG VDuG VerBAV VerbrKrG VerbrKrRL VereinRÄndG VereinsG LIV
Verkehrsrecht aktuell (Jahr, Seite) Verordnung über die Erstattung von Aufwendungen der Träger der Rentenversicherung im Rahmen des Versorgungsausgleichs Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs Gesetz zur Klärung der Vaterschaft Gesetz zur Überleitung des Versorgungsausgleichs auf das Beitrittsgebiet Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Satzung der VBL Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- und Bausparwesen Verbraucherkreditgesetz Verbraucherkreditrichtlinie Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts
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Abkürzungsverzeichnis
VerfGH VergGr VerglO VerkBl VerkFlBerG VerkMitt VerkProspG VerleihungsG VerlG VermAnlG VermBG, 5. VermG VersA VersAusglG VersAusglKassG VersAusglMaßnG VerschÄndG VerschG VersKapAG VersN VersorgW VersR VerstV VertragsG VerwArch VerwBl VerwRspr VG VGG VGH vgl VgV vhw FWS VIA VIB VIZ VKH VMBl VO VOB VOBl VormG VR VRR VRRL VRRL-UG VRS VRUG VRV VSBG VSSR VStG VtrHiG VuR VVaG VVDStRL VVG VVRG VW VwGO
Verfassungsgerichtshof Vergütungsgruppe Vergleichsordnung Verkehrsblatt (Jahr, Seite) Gesetz zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Verkehrsflächen und anderen öffentlich genutzten privaten Grundstücken Verkehrsrechtliche Mitteilungen (Jahr, Seite) Verkaufsprospektgesetz Gesetz über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken (DDR) Gesetz über das Verlagsrecht Vermögensanlagengesetz Fünftes Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen Versorgungsausgleich Gesetz über den Versorgungsausgleich Gesetz über die Versorgungsausgleichskasse Versorgungsausgleichsmaßnahmengesetz Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsrechtes Verschollenheitsgesetz Versicherungskapitalanlagen-Bewertungsgesetz Der Versicherungsnehmer, Zeitschrift für die versicherungsnehmende Wirtschaft und den Straßenverkehr (Jahr, Seite) Versorgungswirtschaft (Jahr, Seite) Versicherungsrecht (Jahr, Seite) Versteigererverordnung Vertragsgesetz (DDR) Verwaltungsarchiv (Jahr, Seite) Verwaltungsblatt (Jahr, Seite) Verwaltungsrechtsprechung (Band, Seite) Verwaltungsgericht Verwertungsgesellschaftengesetz Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge Zeitschrift vhw Forum Wohnen und Stadtentwicklung Verbraucherinsolvenz aktuell (Jahr, Seite) Vermögensanlagen-Informationsblatt Zeitschrift für Vermögens- und Investitionsrecht (Jahr, Seite) Verfahrenskostenhilfe Ministerialblatt des Bundesministers für Verteidigung Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Verordnungsblatt Vormundschaftsgericht Verkehrsrechtliche Rundschau (Jahr, Seite) VerkehrsRechtsReport (Jahr, Seite) Verbraucherrechte-Richtlinie Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung Verkehrsrechtssammlung (Band, Seite) Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz Vereinsregisterverordnung Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Jahr, Seite) Vermögenssteuergesetz Gesetz über die richterliche Vertragshilfe Verbraucher und Recht (Jahr, Seite) Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Band, Seite) Gesetz über den Versicherungsvertrag Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts Versicherungswirtschaft (Jahr, Seite) Verwaltungsgerichtsordnung LV
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Abkürzungsverzeichnis
VwVfG VwZG VZOG
Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Vermögenszuordnungsgesetz
WA
Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderungsbedingungen im internationalen Luftverkehr; auch: Westdeutsche Arbeitsrechtsprechung (Jahr, Seite) Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens Urheberrechtswahrnehmungsgesetz Kommentar zum BGB, 1930 Jahrbuch der Entscheidungen (Jahr, Seite) Die Rechtsprechung des RG (Jahr und Nummer der Entscheidung) Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz Wohnungseigentum; auch: Wohnungseigentum (Jahr, Seite) Wohnungseigentümer Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht Wohnungseigentümergemeinschaft Personenstandsverordnung für die Wehrmacht Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz Wertpapierbereinigungsgesetz Wertermittlungsverordnung Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht (Jahr, Seite) Wertermittlungsforum (Jahr, Seite) Wechselgesetz Verordnung über die Anlegung und Führung der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher Wasserhaushaltsgesetz World Health Organisation (Weltgesundheitsorganisation) Wirtschaftsrechtliche Beratung (Jahr, Seite) Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Jahr, Seite) Wirtschaftszeitung (Jahr, Nummer) Wissenschaftszeitvertragsgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (Jahr, Seite) Wirtschaftsstrafgesetz Der Wirtschaftstreuhänder (Jahr, Seite) Gewerbearchiv Zeitschrift für Wirtschaftsverwaltungsrecht (Jahr, Seite) Warenkaufrichtlinie EU/2019/771 Zweites Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum Wertpapiermitteilungen (Jahr, Seite) Gesetz zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes 2. Wohnungsbaugesetz Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen Gesetz über die soziale Wohnraumförderung Wohnflächenverordnung Wohnungsgenossenschaftsvermögensgesetz Wohnungsgeldgesetz Wohngeldverordnung Wohnimmobilienkreditrichtlinie Wohnraumbewirtschaftungsgesetz Gesetz zur Förderung der Modernisierung von Wohnungen, jetzt: Modernisierungsund Energieeinsparungsgesetz Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung Wirtschaftsprüfer Wertpapierdienstleistungs-, Verhaltens- und Organisationsverordnung Die Wirtschaftsprüfung (Jahr, Seite) Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsprüferordnung Wertpapierprospektgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wettbewerb in Recht und Praxis (Jahr, Seite) Weimarer Reichsverfassung
WährG WahrnG Warneyer WarnJb WarnRsp WBVG WE WEer WEG WEGem WehrmPStVO WEMoG WertpBG WertVO WEZ WF WG WGV WHG WHO WiB WiGBl WiKG, 1. WiRO WirtschZ WissZeitVG wistra WiStrG WiTrh WiVerw WKRL WKSchG, 2. WM WoBauÄndG WobauG II WoBindG WoFG WoFlV WoGenVermG WoGG WoGV WohnimmobilienrKrRL WohnRBewG WoModG WoVermRG WP WpDVerOV WPg WpHG WPO WpPG WpÜG WRP WRV LVI
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Abkürzungsverzeichnis
WStG WuB WuM WürttJb WürttNotV WürttZ WuW WuW/E WZGA WzS ZAG ZAkDR ZaöRV ZAR ZAT ZAuftrag zB ZBB ZBergR ZBetrag ZBlFG ZBR ZDJustAmtm ZdLeister ZdNutzer ZdRahmenvertrag ZdRL ZDUG ZdVertrag ZdWBay ZEmpfänger ZErB ZESAR ZEuP ZEuS ZEV ZFA ZfBR ZFE ZfF ZfgG ZfIR ZfJ ZfPW ZfRV ZfS ZfS (auch: ZfSch) ZfWG ZG ZGB ZGE ZGR ZgS ZGS ZHR ZIAS ZInsO ZInstrument
Wehrstrafgesetz Wirtschafts- und Bankrecht (Jahr, Seite) Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Jahr, Seite) Jahrbücher der württembergischen Rechtspflege (Jahr, Seite) Zeitschrift des Württembergischen Notarvereins (jetzt BWNotZ), (Jahr, Seite) Württembergische Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung (Jahr, Seite) Wirtschaft und Wettbewerb (Jahr, Seite) Wirtschaft und Wettbewerb (Entscheidungssammlung zum Kartellrecht) Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft v. 4.2.2010 Wege zur Sozialversicherung (Jahr, Seite) Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Band, Seite) Zeitschrift für Ausländerrecht und Außenpolitik Zeitschrift für Arbeitsrecht und Tarifpolitik in Kirche und Caritas (Jahr, Seite) Zahlungsauftrag zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Jahr, Seite) Zeitschrift für Bergrecht (Jahr, Seite) Zahlungsbetrag Zentralblatt für die freiwillige Gerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Zeitschrift für Beamtenrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift des Bundes Deutscher Justizamtmänner (1920–1931; Jahr, Seite) dann: Der Deutsche Rechtspfleger (Jahr, Seite) Zahlungsdienst(e)leister Zahlungsdienst(e)nutzer Zahlungsdiensterahmenvertrag Zahlungsdiensterichtlinie Zahlungsdiensterichtlinieumsetzungsgesetz Zahlungsdienst(e)vertrag Zeitung der Wohnungswirtschaft Bayern Zahlungsempfänger Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (Jahr, Seite) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Europarechtliche Studien (Jahr, Seite) Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (Jahr, Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Deutsches und Internationales Bau- und Vergaberecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Familien- und Erbrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Familienforschung (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (Band, Seite) Zeitschrift für Immobilienrecht (Jahr, Seite) Zentralblatt für Jugendrecht, früher: Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt (Jahr, Seite) Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft (Jahr, Seite) Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht (Jahr, Seite) Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung (Jahr, Seite) Zeitschrift für Schadensrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht (Jahr, Seite) Zollgesetz Zivilgesetzbuch der DDR Zeitschrift für Geistiges Eigentum (Jahr, Seite) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (Jahr, Seite) Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Band, Seite) Zeitschrift für internationales und ausländisches Arbeits- und Sozialrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (Jahr, Seite) Zahlungsinstrument LVII
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Abkürzungsverzeichnis
ZIP zit ZJBlBZ ZJS ZKG ZKJ ZKonto ZKredW ZLR ZLW ZMGR ZMR ZNER ZNotP ZNR ZOV ZPO ZPÜ ZRG RA ZRI ZRP ZS ZSEG ZSR ZSt ZStV ZStW zT ZTR ZUM ZUM-RD ZUR zust ZustErgG zutr ZVersWiss ZVG ZVglRWiss ZVI ZVOBl ZVorgang zw ZWE ZWH zzgl ZZP
LVIII
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) zitiert Zentraljustizblatt für die Britische Zone (Jahr, Seite) Zeitschrift für das Juristische Studium (Jahr, Seite) Zahlungskontengesetz Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe (Jahr, Seite) Zahlungskonto Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Neues Energierecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für die Notarpraxis (Jahr, Seite) Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte (Jahr, Seite) Zeitschrift für offene Vermögensfragen (Jahr, Seite) Zivilprozessordnung Zentralstelle für private Überspielungsrechte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung (Jahr, Seite) Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz (Jahr, Seite) Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite) Zivilsenat Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Jahr, Seite) Zeitschrift zum Stiftungswesen (Jahr, Seite) Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen (Jahr, Seite) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Band, Seite) zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Jahr, Seite) Rechtsprechungsdienst der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Umweltrecht (Jahr, Seite) zustimmend Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts zutreffend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (Jahr, Seite) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (Jahr, Seite) Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht (Jahr, Seite) Zentralverordnungsblatt der DDR Zahlungsvorgang zwischen Zeitschrift für Wohnungseigentum (Jahr, Seite) Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen (Jahr, Seite) zuzüglich Zeitschrift für Zivilprozess (Band, Seite)
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Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)1 vom 18.8.1896 (RGBl, 195), in der Fassung der Bek vom 2.1.2002 (BGBl I 2002, 42, 2909 und BGBl I 2003, 738), zuletzt geändert durch Art 1 des Gesetzes vom 14.3.2023 (BGBl I 2023, Nr 72)
Buch 1 Allgemeiner Teil (§§ 1–240a) Einleitung vor § 1 1. Funktion des Allgemeinen Teils. Der Allg Teil beschäftigt sich nicht mit der inhaltlichen Regelung einzel- 1 ner Rechtsgeschäfte. Er stellt vielmehr Regeln auf, welche für alle oder bestimmte Gruppen von Rechtsverhältnissen Bedeutung haben. Die drei wichtigsten Abschnitte des Allg Teils behandeln – die Personen als Subjekte des Rechtslebens, – die Sachen als Objekte des Rechtsverkehrs und – das Rechtsgeschäft. In den §§ 13 und 14 begründet der Allg Teil ferner die früher nicht als generelles Institut bekannte Teilung der normativen Regelungen in – solche, bei denen ein „Unternehmer“ einem „Verbraucher“ (meist in der sozialen Rolle als Käufer, Besteller oder Kreditnehmer) gegenübersteht, weshalb hier „Verbraucherschutz“ betrieben wird (business to consumer, B2C), und – solche, die für den sonstigen, aber immer noch „allg“ Rechtsverkehr zw Unternehmern (B2B) oder Privaten (C2C) untereinander sowie dann gelten, wenn ein „Verbraucher“ als Verkäufer, Unternehmer oder Kreditgeber auftritt. Diese Aufteilung des Privatrechts ist teilw, aber nicht allein durch EU-RL verursacht. 2. Anwendungsbereich. Die Bestimmungen des Allg Teils gelten für das gesamte bürgerliche Recht sowie für 2 das Handelsrecht, soweit nicht ein anderes ausdrückl bestimmt ist (Art 2 EGHGB). Einzelne Bestimmungen des Allg Teils haben als Rechtsgrundsätze Bedeutung über das Privatrecht hinaus, zB im Verfahrensrecht sowie im Verwaltungs- und im Steuerrecht.
1 Amtl Hinweis: Dieses Gesetz dient der Umsetzung folgender RL: 1. RL 76/207/EWG des Rates vom 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hins des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr L 39 S. 40), 2. RL 77/187/EWG des Rates vom 14.2.1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. EG Nr L 61 S. 26), 3. RL 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. EG Nr L 372 S. 31), 4. RL 87/102/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. EG Nr L 42 S. 48), zuletzt geändert durch die RL 98/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998 zur Änderung der RL 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. EG Nr L 101 S. 17), 5. RL 90/314/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.6.1990 über Pauschalreisen (ABl. EG Nr L 158 S. 59), 6. RL 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr L 95 S. 29), 7. RL 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (ABl. EG Nr L 280 S. 82), 8. der RL 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.1.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen (ABl. EG Nr L 43 S. 25), 9. RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr L 144 S. 19), 10. Art 3–5 der RL 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- und Wertpapierlieferund -abrechnungssystemen vom 19.5.1998 (ABl. EG Nr L 166 S. 45), 11. RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr L 171 S. 12), 12. Art 10, 11 und 18 der RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insb des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („RL über den elektronischen Geschäftsverkehr“, ABl. EG Nr L 178 S. 1), 13. RL 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. EG Nr L 200 S. 35).
Saenger
1
S. 1 von 780 Druckdaten
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Vor § 1
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Personen
Abschnitt 1 Personen (§§ 1–89) Vorbemerkung vor § 1 1
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4
1. Rechtsfähigkeit natürlicher und juristischer Personen. Personen sind Rechtssubjekte, dh sie sind rechtsfähig. Rechtsfähigkeit ist allg die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein (hM, s nur Neuner AT § 11 Rn 1; Medicus/Petersen AT Rn 1039; aM Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963 S 31ff, 43ff, wonach die Rechtsfähigkeit als Fähigkeit rechtserheblichen Verhaltens bestimmt werden soll). Ein Teilabschnitt der Rechtsfähigkeit ist die Parteifähigkeit des Verfahrensrechts; dies ist die Fähigkeit, Träger prozessualer Rechte und Pflichten sein zu können. Zu unterscheiden sind natürliche und juristische Personen. Bei der Begriffsgleichheit der Rechtsfähigkeit der nat und der jur Personen besteht zw diesen doch ein wesentlicher Unterschied. Die Rechtsfähigkeit der natürlichen Person ist dem Gesetzgeber vorgegeben und Folge der Würde des Menschen (Art 1 GG; zur Frage der Rechtsfähigkeit von Robotern Schirmer JZ 2016, 660). Darin drückt sich konkret aus, dass die Person einer der höchsten Werte der Rechtsordnung ist (dazu H. Westermann, Person und Persönlichkeit als Wert im Zivilrecht, 1957). Dementspr ist die Rechtsfähigkeit der nat Person unverzichtbar und weder durch Gesetz noch Richterspruch oder Verwaltungsakt entziehbar. Die Rechtsfähigkeit der juristischen Person ist Ergebnis einer freien Entscheidung des Gesetzgebers, der sich dabei vor allem von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten leiten lässt. Die jur Person ist danach „Zweckschöpfung des Gesetzgebers“ (näher Vor § 21 Rn 2), deren Rechtsnatur ihre Beendigung durch Entziehung usw zulässt. Mit Hinblick auf die Personenverbände ist weiterhin zw Rechtsfähigkeit und eigener jur Persönlichkeit des Verbandes zu unterscheiden. Denn mit der Fähigkeit, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, sind ebenso die rechtsfähigen Personengesellschaften (§ 14 II) ausgestattet, ohne aber zu den jur Personen zu zählen. Für Personenhandelsgesellschaften war dies schon längst kodifiziert (zB für die OHG in § 124 I HGB, ab 1.1.2024 § 105 II HGB nF). Für die GbR hat es die Rspr erst 2001 anerkannt (BGHZ 146, 341) und findet es nach der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts zum 1.1.2024 (MoPeG, BGBl I 2021, 3436) eine gesetzl Regelung (§ 705 II Alt 1 nF; s auch Vor § 705 Rn 46 und zum Begriff der Rechtsperson s Klingbeil AcP 217 [2017], 848, dort 871ff zur „rechtfähigen Personengesellschaft“). 2. Wechselwirkung Alter und Rechtsfähigkeit. Wer rechtsfähig ist, hat deswegen noch nicht die Fähigkeit zur Ausübung jeglicher Art von Rechten, auch nicht innerhalb des Privatrechts. So hat die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte den Verlust und die Unfähigkeit zur Bekleidung bestimmter Ämter zur Folge (§ 45 StGB); die Rechtsfähigkeit als solche wird dadurch nicht berührt. Ganz allg ist das Alter des Menschen in vielen Beziehungen rechtl bedeutsam, ua für Geschäfts- (§§ 104ff) und Deliktsfähigkeit (§ 828), Ehemündigkeit (§ 1303) und Testierfähigkeit (§ 2229 I; s Staudinger/Kannowski § 2 Rn 3–6; Übersicht über rechtl erhebl Altersstufen im ZivilR dort Rn 9). 3. Geschlecht. Das Geschlecht einer nat Person war vor allem im Ehe- und Familienrecht von Bedeutung, bei der Ehe zw Mann und Frau (Art 6 GG, §§ 1303ff; zur Exklusivität der Ehe nach alter Rechtslage BVerfGE 105, 313 = BVerfG NJW 2002, 2543, 2547) ebenso wie bei der Lebenspartnerschaft von zwei Personen gleichen Geschlechts (§ 1 I LPartG aF). Nach Änderung von § 1353 I 1 durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts v 20.7.2017 (BGBl I 2017, 2787) ist auch eine Eheschließung Gleichgeschlechtlicher möglich (im Einz bei § 1353) und können eingetragene Lebenspartnerschaften nicht mehr begründet werden (§ 1 I LPartG), vor der Gesetzesänderung geschlossene aber fortgeführt oder in eine Ehe umgewandelt werden (§ 20a LPartG). Vgl iÜ zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen Art 3 II GG und zum Verbot von Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts § 1 AGG sowie Art 157 AEUV. Aus Sicht des historischen Gesetzgebers erfolgte eine zeitlebens unveränderbare Zuordnung zum weiblichen oder männlichen Geschlecht allein nach körperlichen Geschlechtsmerkmalen, bei Intersexuellen (Zwittern) nach den überwiegenden äußeren Geschlechtsmerkmalen (dazu im Einz Staudinger/Kannowski Vor § 1 Rn 12). Dagegen ist nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis für die Bestimmung der geschlechtlichen Zugehörigkeit neben den körperlichen Geschlechtsmerkmalen auch das seelische Empfinden maßgeblich. Die bei Geburt vorgenommene Zuordnung kann später berichtigt bzw geändert werden (BVerfGE 49, 286 = BVerfG NJW 1979, 595). Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, wurden in ihren Grundrechten verletzt, sofern das Personenstandsrecht dazu zwang, eine personenstandsrechtl Eintragung des Geschlechts vorzunehmen, ohne einen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zuzulassen (BVerfGE 147, 1 = BVerfG NJW 2017, 3643). Deshalb existiert in der Rechtsordnung neben dem weiblichen und männlichen ein drittes Geschlecht und kann die Eintragung im Geburtenregister auch „divers“ lauten (§ 22 III PStG nach dem Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben, BGBl I 2018, 2635; dazu Berndt-Benecke NVwZ 2019, 286; Gössl/Dannecker/Schulz NZFam 2020, 145). § 45b PStG sieht die Erklärungsmöglichkeit ggü dem Standesamt vor, mit der Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung ihr Geschlecht und ihren Vornamen ändern können. Mit dem Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung v 12.5.2021 (BGBl I 2021, 1082) wurde § 1631e eingeführt. Es verbietet Inhabern der Personensorge, in eine gezielte geschlechtsangleichende Behandlung eines nicht einwilligungsfähigen Kindes einzuwilligen (§ 1631e I). Darüber hinaus ist die Einwilligung in einen operativen Ein2
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griff des Kindes mit möglichen Folgen für die Geschlechtsangleichung nur möglich, wenn dieser nicht bis zu einer selbstbestimmten Entscheidung des Kindes aufgeschoben werden kann (Abs 2) und bedarf grds der familiengerichtl Genehmigung (Abs 3; Staudinger/Kannowski Rn 13.1). Indes erfassen §§ 45b, 22 III PStG ebenso wie § 1631e lediglich Personen, bei denen das Geschlecht nicht eindeutig anhand angeborener körperlicher Merkmale als weiblich oder männlich bestimmt werden kann und sind diese Vorschriften somit nicht auf die lediglich empfundene Intersexualität anwendbar (BGH NJW 2020, 1955, 1956 sowie Döll unten § 1631e Rn 9). Insoweit ist hingegen (noch) das TSG maßgeblich (s Rn 5 und zum Reformvorhaben Rn 6). Das Transsexuellengesetz (TSG, Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechts- 5 zugehörigkeit in besonderen Fällen v 10.9.1980, BGBl I 1980, 1654) eröffnet in §§ 1–7 zum einen die Möglichkeit der Vornamensänderung, die die Zugehörigkeit zu dem im Geburtseintrag genannten Geschlecht unberührt lässt („kleine Lösung“; dazu BVerfG NJW 2018, 222; zur Änderung des Vornamens eines ausländischen Transsexuellen BGH NJW-RR 2018, 129). Als „große Lösung“ sehen §§ 8–12 TSG auch die Feststellung einer neuen Geschlechtszugehörigkeit vor. Die Vorschriften gelten entspr für Personen mit lediglich empfundener Intersexualität (BGH NJW 2020, 1955, 1958f). Letzteres ändert nichts an der Identität des Menschen und seinen vom Geschlecht unabhängigen Rechtsbeziehungen, §§ 10–12 TSG (bspw Sorgerecht, Schleswig FamRZ 1990, 433). Beide Möglichkeiten nach dem TSG setzen voraus, dass die betr Person sich seit mindestens drei Jahren wegen ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem Geschlecht zugehörig empfindet, dem sie der Geburtseintrag zuordnet, und dass das Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht mit hoher Wahrscheinlichkeit irreversibel ist (§ 1 I, § 8 I TSG). Verschiedene Vorhaben einer Aufhebung des TSG und Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung sind in 6 der 19. Legislaturperiode gescheitert (s BT-Drs 19/19755; 19/20048). Am 30.6.2022 haben BMJ und BMFSFJ Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt (https://www.bmj.de/SharedDocs/Artikel/DE/2022/0630_ SelbstbestimmungsG.html ,19.2.2023.). Angestrebt wird eine einheitliche Regelung, nach der transgeschlechtliche ebenso wie nicht-binäre und intergeschlechtliche volljährige Personen durch Erklärung ggü dem Standesamt die Änderung ihres Geschlechtseintrages sowie ihrer Vornamen vornehmen lassen können. Seit Mai 2023 liegt der RefE des geplanten Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) vor (abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Selbstbestim mung.pdf?__blob=publicationFile&v=3, abgerufen 7.7.2023). Ungeachtet dessen wurden bislang bereits mehrere Bestimmungen des TSG vom BVerfG für nichtig bzw unanwendbar erklärt (im Einz Staudinger/Kannowski Rn 13; BeckOK/Poseck § 1 Rn 54f; Jäschke StAZ 2020, 338). Hinzuweisen ist nur auf Folgendes: a) Regelung zur Änderung nur des Vornamens: § 7 I Nr 3 TSG ist wegen Verstoßes gegen Art 2 I iVm Art 1 I GG unanwendbar (BVerfGE 115, 1 = BVerfG JZ 2006, 513). Nach dieser Vorschrift verliert eine transsexuelle Person, die (nur) die Änderung ihres Vornamens nach § 1 TSG (und nicht auch ihres Geschlechts) beantragt hat, den geänderten Vornamen bei der Eheschließung mit einer nach ihrem Empfinden gleichgeschlechtlichen Person. b) Regelungen zur Anerkennung des Geschlechts: Für die Feststellung der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht sind die weitergehenden Voraussetzungen nach § 8 I Nr 3 und Nr 4 TSG verfassungswidrig und daher unanwendbar (BVerfGE 128, 109 = BVerfG NJW 2011, 909). Denn es ist mit Art 2 I, II iVm Art 1 I GG nicht vereinbar, zu verlangen, dass die Person dauernd fortpflanzungsunfähig ist (§ 8 I Nr 3 TSG) und sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist (§ 8 I Nr 4 TSG). Der Gesetzgeber ist aufgerufen, „in § 8 I TSG für die personenstandsrechtl Anerkennung des empfundenen Geschlechts eines Transsexuellen spezifiziertere Voraussetzungen zum Nachweis der Ernsthaftigkeit des Bedürfnisses, im anderen Geschlecht zu leben, als in § 1 I TSG aufzustellen oder […] eine Gesamtüberarbeitung des Transsexuellenrechts vor[zu]nehmen“ (BVerfG NJW 2011, 909, 914). Bis zu einer Neuregelung ist eine Änderung des Personenstands unabhängig von den verfassungswidrigen Voraussetzungen vorzunehmen und eine Aussetzung laufender Verfahren nicht angezeigt (BVerfG NJW 2012, 600, 601). 4. Schutz der Person. Die Person wird mit Bezug auf gewisse Ausstrahlungen durch konkrete Einzelvorschrif- 7 ten geschützt, so in Bezug auf den Namen in § 12. Adelsprädikat ist Teil des Namens (§ 12 Rn 9). Vor der Anerkennung eines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BGHZ 13, 334 = BGH NJW 1954, 1404), die verfassungsrechtl geboten war, hatte die Rspr bereits für verschiedene spezielle Persönlichkeitsgüter einen Schutz über §§ 826, 1004 entwickelt, der sich heute, soweit nicht durch Sondergesetze geregelt, mehr auf Sondertatbestände des allg Persönlichkeitsschutzes stützt (näher im Anh § 12; insb zu den Wirkungen des Persönlichkeitsrechts über den Tod hinaus Anh § 12 Rn 69ff). Persönlichkeitsrechtl Elemente bestehen bei den Rechtsverhältnissen des Leichnams (auch bei grds Anerkennung seiner Sachqualität, § 90 Rn 6). Es handelt sich um ein Grenzgebiet von Recht, Sittlichkeit und Sitte, bestimmt nach den Vorstellungen der herkömmlichen Ordnung, ohne dass eine Rückführung auf eindeutige gesetzl Bestimmungen möglich oder erforderlich wäre. Für Art und Ort der Bestattung ist der ausdrückl kundgegebene oder aus den Umständen zu entnehmende Wille des Verstorbenen in erster Linie maßgebend (BGH FamRZ 1992, 657; KG ZEV 1998, 260). Beim Fehlen eines erkennbaren Willens entscheiden die nächsten Familienangehörigen und nicht diejenigen, welche die Kosten der Beerdigung zu tragen haben. Der Wille des überlebenden Ehegatten geht dem Willen der übrigen Angehörigen vor (RGZ 154, 269, 270ff). Die in einer Urnenhalle oder einem Urnenhain beigesetzten Aschenreste eines Verstorbenen genießen gleichen Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie ein in der Erde bestatteter Leichnam (RGZ 154, 269, 274). Zur Frage der Obduktion Becker JR 1951, 328. Ob der Inhaber des TotensorSaenger
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gerechts die Leiche der Anatomie überlassen darf, ist str (vgl dazu Bieler JR 1976, 224; ausf und mit Übersicht über die Lit und Rspr Zimmermann NJW 1979, 569; Strätz, Zivilrechtliche Aspekte der Rechtsstellung des Toten unter besonderer Berücksichtigung der Transplantationen, 1971; dazu H. P. Westermann FamRZ 1973, 614; Heil/Klümper MPR 2007, 141).
Titel 1 Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer (§§ 1–20)
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Beginn der Rechtsfähigkeit
Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt. 1. Beginn der Rechtsfähigkeit. Die Rechtsfähigkeit des Menschen und damit das Menschsein iSd Privatrechts beginnt mit der Vollendung der Geburt (anders im Strafrecht, wo der Beginn der Geburt entscheidet). Vollendet ist sie mit der Trennung des Kindes vom Mutterleib; Abnabelung nicht erforderlich (Mot I 28). Wesentlich ist, dass das Kind nach der Trennung gelebt hat; Lebensfähigkeit ist nicht erforderlich (LSG Nds NJW 1987, 2328). Den Lebensbegriff definiert das Gesetz nicht. § 31 PStV gibt Hinweise, ist aber keine verbindliche Definition. Der Begriff des Lebens ist den medizinischen Erkenntnissen zu entnehmen. Kennzeichen ist die Herz- und Atmungstätigkeit, der Fluss der Gehirnströme (vgl dazu Wolf/Naujoks, Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit des Menschen, 1955, 18ff; Becker FamRZ 1968, 409 m Nachw). Die Eintragung der Geburt in das Standesamtsregister beweist die Tatsache der lebenden Geburt, § 54 PStG; Gegenbeweis ist zulässig (Problemfelder und aktuelle Entwicklungen zu § 1 greift Hetterich, Mensch und „Person“ – Probleme einer allgemeinen Rechtsfähigkeit, 2016, 42ff, auf). 2. Nasciturus. Die ungeborene Leibesfrucht (nasciturus) ist als solche nicht rechtsfähig (vgl BSG FamRZ 1963, 232 m Anm Fabricius), für den Fall der Geburt aber durch Sonderbestimmungen geschützt, § 844 II 2, § 1782 I, § 1923 II, § 2043, § 2108 I, § 2178 (wobei im Unterschied zu Unterhaltsansprüchen nach § 844 II 2 einem ungeborenen Kind mangels besonderem persönlichen Näheverhältnisses kein Hinterbliebenengeld nach § 844 III zusteht, München FamRZ 2021, 1839). Auch können ihr durch Vertrag zugunsten Dritter Rechte zugewandt werden, § 331 II; zur Wahrung ihrer späteren Rechte kann insoweit nach § 1810 ein Pfleger bestellt werden; Schleswig NJW 2000, 1271 nimmt für eine Klage auf Vaterschaftsfeststellung und Unterhalt durch einen vorgeburtlichen Beistand (§§ 1712, 1713) Rechts- und Parteifähigkeit eines nasciturus an (s auch München NJW-RR 2016, 902). Verbreitet ist daher von einer beschränkten Rechtsfähigkeit des nasciturus die Rede (Grü/ Ellenberger Rn 7; Staudinger/Kannowski Rn 15). Darüber hinaus ist die Bestellung eines Pflegers etwa zur Wahrung eines künftigen Unterhaltsanspruchs unzulässig (KGJ 22, 30). Auch gibt es keine Klage gegen die Leibesfrucht (Dresden DJZ 1903, 227). Wird einem Ungeborenen ein Kommanditanteil geschenkt, kann vor der Geburt kein entspr Eintrag im Handelsregister erfolgen (Celle FamRZ 2018, 1091). Dass die Leibesfrucht Schutzobjekt ist, so dass wegen schädigender Handlungen dem krank geborenen Kind Schadensersatzansprüche zustehen können, ist aber nicht zu bestreiten, näher § 823 Rn 22. Der Schutz setzt mit der Verschmelzung der Keimzellen ein. Hinzu kommt, dass nach § 218 StGB der Schwangerschaftsabbruch für die ganze Dauer der Schwangerschaft grds als Unrecht angesehen wird, das auch unter Strafe gestellt werden kann (BVerfGE 39, 1, 44 = BVerfG NJW 1975, 573, 576; NJW 1993, 1751). Zur Frage, ob das Dasein eines Kindes für seine Eltern eine Schadensquelle sein kann, sowie zu den Ansprüchen des geschädigt geborenen Kindes („wrongful life“) s Anh § 12 Rn 223; § 249 Rn 58ff; Rspr-Übersicht bei Rehborn MDR 2002, 1281, 1285f. 3. Nondum Conceptus. Der nicht erzeugten Nachkommenschaft (nondum conceptus, ausf Neuner JuS 2019, 1) können ebenfalls für den Fall der Geburt durch Vertrag zugunsten Dritter, § 331 II, durch Einsetzung als Nacherbe, § 2101 I, § 2106 II, oder durch Vermächtnis, § 2162 II, § 2178, Rechte zugewendet werden. Die Eintragung einer Hypothek für sie ist möglich (RGZ 61, 355, 356; 65, 277, 279), die Einbeziehung in den Schutz einer Unfallversicherung für Folgen einer von seiner Mutter vor der Zeugung erlittenen Berufskrankheit hingegen nicht (BVerfG FamRZ 1987, 899). Die Rechte nimmt ein nach § 1913 bestellter Pfleger wahr. In § 1 konnte der Gesetzgeber zw der Erzeugung und der Vollendung der Geburt als maßgeblichem Zeitpunkt für den Beginn der Rechtsfähigkeit wählen. Die Entscheidung in § 1 ist in Praktikabilitätserwägungen (Beweisermöglichung) begründet; sie beruht nicht etwa darauf, dass der Gesetzgeber die Leibesfrucht schutzlos lassen wollte. 4. Ende der Rechtsfähigkeit. Die Rechtsfähigkeit des Menschen endet mit dem Tod. Sein Vermögen geht als Ganzes auf den oder die Erben über (§ 1922). Der Tod eines Menschen kann jedoch auch – unabhängig vom Erbrecht – das Entstehen selbständiger Forderungsrechte Dritter auslösen (§§ 844ff). Nach RGZ 167, 85, 89 finden diese Vorschriften in gewissem Umfang beim Auftrag und bei der Geschäftsführung ohne Auftrag entspr Anwendung. Vom Ende der Rechtsfähigkeit mit dem Tode gibt es keine Ausnahme; alle bestehenden Rechte und Pflichten gehen auf den Erben über (daher zwingend überall im Erbrecht die Rückwirkung auf den Erbfall, um die Subjektlosigkeit von Rechten und Pflichten zu vermeiden). Neue Rechte und Pflichten können für den Verstorbenen nicht mehr entstehen; wird in seinem Namen gehandelt oder weist der Entstehungstatbestand sonst auf einen Verstorbenen hin, können uU die Rechtsverhältnisse in der Person des Erben entstehen (vgl zB für die nach dem Erbfall auf den Namen des Erblassers eingetragene Hypothek RG JW 1926, 1955). Wegen des 4
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§7
Zugehens von Willenserklärungen nach dem Tod des Erklärenden s § 130 II, wegen Vertragsentstehung vgl § 153. Zum postmortalen Persönlichkeitsschutz Anh § 12 Rn 69ff. 5. Todeszeitpunkt. Eine dem § 1 entspr gesetzl Bestimmung des Todeszeitpunktes gibt es nicht. Der BGB- 5 Gesetzgeber hielt den Todesbegriff und auch den Todeszeitpunkt für einen feststehenden medizinisch-biologischen Tatbestand, der unbesehen aus der medizinischen Wissenschaft in die Jurisprudenz übernommen werden könne. Die Fortschritte der Medizin haben dazu geführt, dass die Grenze zw Leben und Tod fließend geworden ist (sog Reanimation, Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs und der Lungentätigkeit durch die Herz-Lungen-Maschine usw). Ohne einen feststellbaren Zeitpunkt des Todes ist aber in der Rechtspraxis nicht auszukommen: Der Todeszeitpunkt kann maßgebend sein für die Erbfolge (zB Unfalltod von Eheleuten, der – wenn auch nur um Sekunden – überlebende Ehegatte beerbt den Vorverstorbenen, dann Anfall gem der Erbfolge nach dem zuletzt Verstorbenen). Bedeutsamer noch ist der Zeitpunkt des Todes, wenn es um die rechtl Notwendigkeit oder Erlaubnis zum ärztlichen Handeln geht. So ist zB die Organentnahme zu Transplantationszwecken erst nach dem Tod des Spenders erlaubt; ferner endet die ärztliche Pflicht zur Lebenserhaltung auf jeden Fall mit dem Tod des Patienten. Nach dem TransplantationsG v 5.11.1997 (BGBl I 1997, 2631) muss vor Organentnahme der Tod bzw der endgültige, irreversible Ausfall der Gehirnfunktionen des Spenders festgestellt sein, was nach dem jew letzten Stand der medizinischen Erkenntnis durch zwei unabhängige Ärzte erklärt worden sein muss (§ 3 I 1 Nr 2, II Nr 2, § 5 I 1 TPG). Wenn der endgültige irreversible Stillstand von Herz und Kreislauf vor mehr als drei Stunden eingetreten ist, genügt die Feststellung durch einen Arzt (§ 5 I 2 TPG). Außerhalb der Frage nach der Organentnahme wurde früher von der hM ausschließlich auf den Eintritt des Gehirntodes abgestellt (Geilen FamRZ 1968, 121; Geilen JZ 1971, 41ff; Lang ZRP 1995, 457; Heun JZ 1996, 213; zu den Zweifeln hieran aber Wagner/ Brocker ZRP 1996, 226; abl Rixen ZRP 1995, 461); inzwischen können auch insoweit die Maßstäbe des TransplantationsG übernommen werden (BeckOK/Poseck Rn 21; NK/Ring Rn 24f; s auch bereits Medicus/Petersen AT Rn 1052; Schreiber JZ 1983, 593), was auch für die Feststellung des Todeszeitpunkts aus erbrechtl Sicht, die jedenfalls auf einer ärztlichen Feststellung beruht, herangezogen werden kann. 6. Todeserklärung. Die Todeserklärung hat auf die Rechtsfähigkeit keinen Einfluss. Sie begründet lediglich 6 die Todesvermutung; Gegenbeweis ist zulässig, § 9 I VerschG.
§2
Eintritt der Volljährigkeit
Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein. 1. Allgemeines. § 2 ist durch das Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters v 31.7.1974 (BGBl I 1974, 1731; in Kraft getreten am 1.1.1975) geändert worden. Die Vorverlegung des Volljährigkeitsalters vom 21. auf das 18. Lebensjahr wurde als problematisch empfunden (s etwa Beitzke AcP 172, 240; Schwab AcP 172, 266). Da die Regelung wie alle diesbzgl Normen schematisch wirkt, muss mangelnder Erfahrung jugendlicher Rechtsinhaber im Umgang mit großen oder schwierig zu verwaltenden Vermögensgütern außerhalb der Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens durch vorsorgende Maßnahmen Rechnung getragen werden (zB durch lebzeitige Zuwendungen unter Befristung, Testamentsvollstreckung bei Zuwendungen von Todes wegen). Gefährliche oder lebenslang belastende Verträge, die sehr unerfahrene, aber volljährige Personen abgeschlossen haben, vor allem Bürgschaften, können im Einzelfall einer schweren wirtschaftl Überforderung als sittenwidrig angesehen werden, eingehend § 138 Rn 90, 47. 2. Bedeutung des Lebensalters. Das Alter eines Menschen ist im Privatrecht wichtig, ua für die Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff), für die Deliktsfähigkeit (§ 828), für die Ehemündigkeit (§ 1303) und für die Testierfähigkeit (§ 2229 I). 3. Lebensalter und Volljährigkeit. Die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit tritt grds mit der Volljährigkeit ein (vgl § 106). Volljährig wird der Mensch mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. Das Lebensalter wird nach § 187 II berechnet; der Geburtstag wird mitgerechnet (§ 187 II 2). Eine Verlängerung wie eine Verkürzung des Zustandes der Minderjährigkeit ist nicht zulässig. 4. Wirkungen der Volljährigkeit. Die Volljährigkeit hat außer der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit die Ehefähigkeit nach § 1303, die Beendigung der elterlichen Sorge nach § 1626 und der Vormundschaft nach §§ 1806, 1773 sowie die Fähigkeit zur Führung einer Vormundschaft (§ 1784) zur Folge. Der Volljährige, nicht auch der Minderjährige, kann ein Testament in ordentlicher Form durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten (§ 2247 I, IV). Zur Testierfähigkeit s aber auch § 2229 I.
§§ 3–6 §7
(weggefallen)
Wohnsitz; Begründung und Aufhebung
(1) Wer sich an einem Orte ständig niederlässt, begründet an diesem Orte seinen Wohnsitz. (2) Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. (3) Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben. Saenger
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Personen
1. Definition des Wohnsitzes. Wohnsitz ist ein Zustandsverhältnis, welches durch die Verknüpfung der Lenkung und Leitung der Angelegenheiten einer Person mit einem Ort hergestellt wird (RGZ 67, 191, 193). Vielfach bezeichnet man im Anschluss an die in dieser Entscheidung gegebene Definition den Wohnsitz als „Mittelpunkt des gesamten Lebens einer Person“. Diese Begriffsbestimmung dürfte nicht zutreffen, weil sie begrifflich den nach § 7 II zugelassenen doppelten Wohnsitz ausschließt. Sie verkennt auch, dass ein Wohnsitz noch dann vorliegen kann, wenn aus dem Gesamtkreis der Lebensbeziehungen ein bestimmt begrenzter, wesentlicher Teil ausgesondert wird und seine laufende Erledigung an einem anderen Ort findet (s den Fall Hamm FamRZ 1989, 1331). Näher liegt es daher, den Wohnsitz als den „räumlichen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse einer Person“ zu kennzeichnen (so Soergel/Fahse Vor § 7 Rn 2; MüKo/Spickhoff Rn 14; vgl auch BVerwGE 28, 193 = BVerwG NJW 1968, 1059; Staudinger/Kannowski Vor §§ 7–11 Rn 7). Der Wohnsitzbegriff des bürgerlichen Rechts (§ 7) ist maßgebend auch für § 7 BVG (BSG NJW 1957, 728), für § 11 LAG (BVerwG NJW 1955, 1044), für § 36 I Nr 3 ZPO (Hamm BeckRS 2016, 3253) und für §§ 1, 2 BVFG (BVerwG NJW 1957, 1488; BVerwG 24.1.1989 – 9 B 356/88; BVerwG 19.6.2013 – 5 B 87/12; erg vgl BVerwG NJW 1960, 835; 1960, 1922; MDR 1960, 346), ferner für § 2 V BKGG (BSG NJW 1968, 719). Daran ist auch der Begriff des ständigen Wohnsitzes iSv § 5 I BAföG angelehnt (OVG Lüneburg 20.6.2013 – 4 LC 240/11), ohne dass es anders als in § 7 auf einen Willen zur ständigen Niederlassung ankommt (OVG Münster 27.8.2012 – 12 B 822/12). Der im Wehrpflichtgesetz an verschiedenen Stellen mit einheitlichem Sinngehalt verwendete Begriff des ständigen Aufenthalts entspricht weitgehend dem Wohnsitzbegriff des § 7 (BVerwG NJW 1968, 859; 1968, 1059; vgl auch BayObLG NJW 1968, 513, 515; Celle NJW 1967, 1670). Der ständige Aufenthalt muss sich jedoch nicht unbedingt in einer politischen Gemeinde befinden (MüKo/Spickhoff Rn 20); er ist auch nicht mit dem dienstlichen Wohnsitz des Soldaten zu verwechseln (vgl zu diesem VG Stuttgart NJW 1969, 858, aber auch VG Arnsberg NJW 1969, 1317 sowie § 9). Zum Wohnsitzbegriff des Steuerrechts vgl § 8 AO. Der Begriff baut auf der bisherigen Rspr auf, folglich ist das tatsächliche Innehaben der den Wohnsitz bestimmenden Wohnung entscheidend. 2. Begründung des Wohnsitzes. Die Wohnsitzbegründung kann auf dem Willen einer Person (gewillkürter Wohnsitz, §§ 7, 8) oder auf gesetzl Vorschriften (gesetzl Wohnsitz, §§ 9, 11) beruhen. Der gewillkürte Wohnsitz wird nach § 7 durch ständige Niederlassung begründet, die mit dem Willen erfolgt, den gewählten Ort zum Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Die Begründung ist kein Rechtsgeschäft, weil nicht der Rechtserfolg des Wohnsitzes gewollt sein muss, sondern geschäftsähnliche Handlung (BGHZ 7, 104; ebenso noch Larenz/Wolf AT9 § 7 Rn 17f; für Realakt mit verselbständigtem Willensmoment dagegen Flume AT § 9 2. a) cc) und ähnlich Neuner AT § 14 Rn 35). Jedenfalls sind die für Rechtsgeschäfte geltenden Vorschriften entspr anwendbar (MüKo/Spickhoff Rn 24), so dass Wohnsitzbegründung und -aufgabe durch Stellvertreter (etwa BVerwG NJW 1959, 1053; BGH NJW-RR 1988, 387) oder durch vorläufigen Vormund (BayObLG FamRZ 1984, 886) erfolgen kann, nicht aber durch Pfleger, zu dessen Aufgabenkreis die Aufenthaltsbestimmung gehört (BayObLG FamRZ 1990, 647). Zur Frage, inwieweit Wohnsitz und Aufenthaltsbestimmung von der Personensorge nach dem Betreuungsgesetz umfasst sind, s Klüsener/Rausch NJW 1993, 617; s auch § 8 Rn 2. 3. Definition der Niederlassung. Niederlassung iSd § 7 ist der tatsächliche Aufenthalt an einem bestimmten, frei gewählten Ort mit dem Willen (auch konkludent zum Ausdruck gebracht, BGH NJW 2006, 1808), diesen zum Mittelpunkt (Schwerpunkt) der persönlichen Existenz zu machen; Strafhaft reicht daher nicht aus (BGH NJW-RR 1996, 1217). Nicht erforderlich ist, dass der Ort zum Mittelpunkt der gesamten Lebensverhältnisse gemacht wird, doch ist Verweilen für längere Zeit erforderlich (BGH NJW 1983, 2771), nicht notwendig Festlegung für immer (Köln NJW 1972, 394). Es kommt nicht darauf an, ob eine eigene Wohnung benutzt wird; Unterkunft zusammen mit anderen reicht aus (BGH NJW 1984, 971; BVerwG FamRZ 1963, 441; NJW 1986, 674). Verlässt eine Frau unter Abmeldung ihre Ehewohnung und zieht sie, ohne dies von vornherein auf einen überschaubaren Zeitpunkt zu beschränken, in ein Frauenhaus, so begründet sie regelmäßig einen Wohnsitz (Karlsruhe NJW-RR 1995, 1220; Nürnberg NJW-RR 1997, 514), nicht so bei einem unter drei Wochen liegenden Aufenthalt (BGH NJW 1995, 1224); zum Wohnsitz von Kindern in diesen Fällen § 11 Rn 4. Das der Benutzung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist ohne Bedeutung (Celle NdsRpfl 1949, 213). In Betracht kommt auch die Wohnsitzbegründung durch nicht nur vorübergehendes oder urlaubsbedingtes Beziehen eines Hotelzimmers (MüKo/Spickhoff Rn 26). Hausangestellte oder Kellner begründen an ihrem Tätigkeitsort regelmäßig keinen Wohnsitz (Köln JMBl NW 1960, 188, 189). Bei Studierenden kommt es auf die Intensität bestehen bleibender Bindung an den Heimatort an (s auch Brandenburg 19.8.2020 – 4 U 23/20, juris), ferner auf Lebensalter und berufliche Perspektiven; danach kann nicht regelmäßig Wohnsitzbegründung am Studienort verneint werden (im Grundsatz gegen Wohnsitz am Studienort BVerfG NJW 1990, 2193, 2194; BVerwG JR 1961, 113; Hamm FamRZ 1989, 1331; MüKo/Spickhoff Rn 33; Ausnahmen sind aber möglich, wenn der Hochschulort für längere Zeit zum Mittelpunkt aller Lebensverhältnisse gemacht wird). Der einen Wohnsitz Begründende muss (abgesehen vom Fall der Vertretung) hinfort persönlich anwesend sein wollen (BVerwG FamRZ 1963, 441). Wer an einem Ort nur seine Familie unterbringt, selbst aber fernbleibt, begründet dort keinen Wohnsitz; ebenso wenig derjenige, der einen Ort nur zum Mittelpunkt seiner beruflichen Beziehungen macht. Die Weiterführung eines Betriebes reicht aus. 4. Zeitmoment. Maßgeblich ist die ständige Niederlassung. Ständig ist nicht gleichbedeutend mit endgültig oder unabänderlich. Ausgeschaltet wird dadurch zunächst der von vornherein auf kurze Zeit bemessene Aufenthalt. Studienaufenthalt, vorübergehender Aufenthalt in einer Heil- und Pflegeanstalt, Beziehen eines Wochen6
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endhauses zu nur vorübergehendem Freizeitaufenthalt sind idR nicht als ständige Niederlassung am Aufenthaltsort anzusehen. So ist zB der Aufenthalt in einem Erziehungsheim im Rahmen der Fürsorgeerziehung seiner Natur nach vorübergehend (Düsseldorf NJW-RR 1991, 1411, LG Duisburg FamRZ 1968, 85: zeitbedingte Umstände können eine besondere Beurteilung rechtfertigen); zur Strafhaft Rn 5. Die polizeiliche Anmeldung, das Fehlen einer solchen oder die Unterlassung einer Abmeldung können Rückschlüsse auf den Wohnsitz zulassen, sind aber nicht entscheidend (vgl BVerfG NJW 1990, 2193, 2194; BGH NJWRR 1990, 506; NJW 1983, 2771; BayObLG FamRZ 1989, 526; Karlsruhe Rpfleger 1957, 308, 309). Zur Fortdauer des Wohnsitzes bedarf es nicht – wie zu seiner Begründung – des Zusammentreffens einer tatsächlichen Niederlassung mit dem Wohnsitzwillen (Karlsruhe Rpfleger 1957, 308 mwN). Ist der Aufenthaltswechsel bereits vollzogen, genügt für die Aufhebung des Wohnsitzes ein darauf gerichteter Wille (BayObLG FamRZ 1984, 886). 5. Aufgabe des Wohnsitzes. Die Aufhebung des Wohnsitzes erfordert die beabsichtigte Aufgabe der tatsächlichen Niederlassung, die allerdings anhand des gesamten Verhaltens für einen mit den Umständen vertrauten Beobachter erkennbar sein muss (BGH NJW 1988, 713). Vorübergehende (auch längere) Abwesenheit hebt allein den Wohnsitz nicht auf (BayObLG OLG 12, 238, 239). Wer das Staatsgebiet in der Annahme verlassen hat, er tue dies nur vorübergehend, dem fehlt im Zweifel der Wille, den Wohnsitz aufzugeben (BVerwG MDR 1969, 872). Wer sich an einen anderen Ort begibt, um von dort aus auszuwandern, will idR den bisherigen Wohnsitz nicht aufgeben, sondern ihn – jedenfalls bis zum tatsächlichen Antritt der Reise – beibehalten (BayObLG 1964, 109). Antritt dauernder Strafhaft bedeutet nicht schon Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes (BayObLG 1901, 762, anders für endgültige Unterbringung von Geisteskranken in einer Heil- und Pflegeanstalt Karlsruhe Rpfleger 1970, 202). Mit der Wohnsitzaufgabe braucht nicht die Begründung eines neuen Wohnsitzes verbunden zu sein. Andererseits setzt die Begründung eines neuen Wohnsitzes die Aufgabe des bisherigen nicht voraus, § 7 II. 6. Gleichzeitiger Wohnsitz an mehreren Orten. Mehrfacher Wohnsitz ist gesetzl zulässig (Abs II) und gegeben, wenn die Wohnsitzvoraussetzungen für mehrere Orte gleichzeitig zutreffen (vgl BGH MDR 1962, 380; OVG Münster 19.3.2018 – 11 A 2563/16). So ist doppelter Wohnsitz bei jemandem anzunehmen, der sich eine Jahreshälfte auf dem Lande bzw „im Süden“ und während der anderen in seiner Stadtwohnung aufhält und an beiden Orten ständige Wohnungen hat (München FamRZ 2022, 40, 41); ebenso bei einem Arzt, welcher im Sommer in einem Badeort und im Winter in einer Stadt wohnt und praktiziert. In diesen Fällen sind stets gleichzeitig beide Orte und nicht etwa abwechselnd der eine oder der andere Wohnsitz (s auch BVerwG 9.9.2020 – 2 AV 4/20, juris; 28.11.2019 – 2 AV 2/19, juris). Grds ist jedoch davon auszugehen, dass eine Person nur einen Wohnsitz hat, zum Doppelwohnsitz eines Kindes nach Trennung der Eltern § 11 Rn 4. Doppelter Wohnsitz liegt idR nicht vor, wenn die Niederlassung an dem einen Ort lediglich einen bestimmten abgesonderten Bereich der Lebensverhältnisse betrifft (BGH MDR 1962, 380); besonders dann nicht, wenn die Niederlassung an diesem einen Ort ausschließlich gewerblichen oder dienstlichen Zwecken dient, ohne dass damit eine eingerichtete Wohnung verbunden ist (RGZ 30, 347, 349f; Karlsruhe OLG 13, 307, 308; s auch BAG DB 1985, 2693 für Montagearbeiter [im Zusammenhang mit dem arbeitsrechtl Begriff der „Wohnung“] sowie BVerwG NJW 1986, 674 zu dreimonatiger beruflicher Tätigkeit). „Pendler“, die an einem längerfristigen Arbeitsort für die Wochentage eine Wohnung unterhalten, können also einen doppelten Wohnsitz haben. Soll mehrfacher Wohnsitz mit der Wirkung angenommen werden, dass die Person an beiden Orten als Angehöriger der Gemeinde zur Zahlung bestimmter Steuern herangezogen werden kann, müssen die Voraussetzungen für diese Fälle als Ausnahmefälle mit aller Deutlichkeit erwiesen werden (Celle NdsRpfl 1949, 213). Bei einem Wohnsitzwechsel, der sich allmählich – in Teilabschnitten – vollzieht und über einen längeren Zeitraum erstreckt (dazu BVerwG DÖV 1962, 870; FamRZ 1963, 441), kann für eine gewisse Zeit ein doppelter Wohnsitz bestehen. 7. Freiheit der Wohnsitznahme. Das Recht, den Wohnsitz frei zu bestimmen, ist verfassungsrechtl gesichert (Art 11 I GG) und unverzichtbar. Vertragl Beschränkungen sind grds nichtig. Doch ist die Verpflichtung, einen bestimmten Wohnsitz aufzugeben, uU zulässig, etwa im Rahmen eines gültigen Rückkehrverbots nach Praxistausch (MüKo/Spickhoff Rn 40). 8. Abgrenzung. Zu unterscheiden vom Wohnsitz des § 7 sind der bloße Aufenthalt (dazu BayObLG 1957, 311, 313), der gewöhnliche Aufenthalt des § 122 FamFG und der steuerliche Wohnsitz (dazu Staudinger/Kannowski Vor §§ 7–11 Rn 10), der dienstliche Wohnsitz iSd Besoldungsrechts bei Beamten (BayObLG 1957, 193) und die gewerbliche Niederlassung. 9. Ort. Ort iSd § 7 ist nicht der Platz der Wohnung, sondern die kleinste örtliche, dh räumliche Verwaltungseinheit, zu der dieser Platz gehört; bei Teilung einer solchen in mehrere Gerichtsbezirke der Gerichtsbezirk (RGZ 67, 191, 195). Hat jemand innerhalb dieses Bezirks mehrere selbständige Wohnungen, hat er nur einen Wohnsitz. 10. Sachlicher Anwendungsbereich. Der Wohnsitz ist in vielfacher Hinsicht rechtl bedeutsam. Er bestimmt ua den allg Gerichtsstand (§ 13 ZPO), die Zuständigkeit für das Aufgebotsverfahren nach § 15 VerschG (dazu KG NJW 1958, 104), die Zuständigkeit des Standesamts für die Eheschließung (§ 12 PStG); zur Zuständigkeit für Insolvenzverfahren s §§ 2, 3 InsO. Zum Erfüllungsort für Verpflichtungen s § 269. Nach Änderung des § 25 I StAG hat ein inl Wohnsitz keinen Einfluss mehr auf den Verlust der deutschen nach Erwerb einer ausl Staatsangehörigkeit. Im öffentlichen Recht hat der Wohnsitz Bedeutung ua für das Wahlrecht (dazu BVerfG NJW 1956, 905f) und die Gemeindeangehörigkeit; im Verkehrsrecht für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 68 II StVZO (dazu OVG Münster NJW 1958, 1605). Saenger
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11. Persönlicher Anwendungsbereich. Die §§ 7ff beziehen sich nur auf nat Personen. Dem Wohnsitz der nat Person entspricht der Sitz der jur Person, das ist der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird, § 24.
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Wohnsitz nicht voll Geschäftsfähiger
Wer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben. 1. Wohnsitz nicht voll Geschäftsfähiger. Die Regelung folgt aus der Rechtsnatur der Wohnsitzbegründung und Aufhebung als einer geschäftsähnlichen Handlung (vgl § 7 Rn 4). Allerdings muss die Parallele zw geschäftsähnlicher und rechtsgeschäftlicher Handlung hier insofern eingeschränkt werden, als die Wohnsitzbegründung durch einen Geschäftsunfähigen, wenn er den tatsächlichen Willen zeigt und durchführt, sich an einem bestimmten Ort ständig niederzulassen, nicht schlechthin nichtig und genehmigungspflichtig ist. Vielmehr kann der Geschäftsunfähige, wenn der gesetzl Vertreter zustimmt, insoweit voll wirksam handeln. Wenn der gesetzl Vertreter handelt, müssen die tatsächlichen Voraussetzungen in der Person des Vertretenen erfüllt sein; auf den Willen des Vertretenen kommt es nicht an. Gegen die Regelung von § 8 unter rechtspolitischen Gesichtspunkten Jürgens ZRP 1993, 129. Auf einen Betreuten ist die Regelung nur anwendbar, wenn er geschäftsunfähig ist, zu den Rechten des Betreuers Rn 2. § 8 gilt entspr für die Aufgabe eines Wohnsitzes (MüKo/Spickhoff Rn 10). 2. Gesetzliche Vertretung. Die gesetzl Vertretung bestimmt sich nach Maßgabe der familienrechtl Vorschriften. Der Wohnsitz des Geschäftsunfähigen braucht nicht identisch zu sein mit dem Ort, an dem sein Vermögen verwaltet wird. Auch kann für ein minderjähriges Kind ein vom Wohnsitz des gesetzl Vertreters verschiedener Wohnsitz begründet werden (KG DR 1939, 246, 247; Näheres bei § 11). Beim Wohnsitzwechsel gilt dasselbe; die Zustimmung eines später bestellten Pflegers wirkt nach § 184 I auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Ortsveränderung zurück (BayObLG FamRZ 1981, 400, 401; zuvor BayObLG FamRZ 1959, 372; aA Schwoerer NJW 1962, 2038, 2040 Fn 22). Ein Betreuer mit dem Wirkungskreis „Aufenthaltsbestimmung“ kann den Betreuten auch bei Aufhebung und Begründung eines Wohnsitzes vertreten (BayObLG NJW-RR 1993, 460). Ist der Betreute geschäftsfähig, entscheidet er selbst, Zustimmung des Betreuers nur im Falle des § 1825 (MüKo/Spickhoff Rn 2). 3. Wohnsitzbegründung durch Vertreter. Der Begründungswille des Vertreters bedarf keiner ausdrückl Erklärung, sondern kann aus den Umständen folgen (BGHZ 7, 104 betr Wohnsitzänderung eines Kindes); vgl erg die Erl zu § 11. Endgültige Unterbringung eines Geisteskranken in eine Heil- und Pflegeanstalt lässt idR auf den Willen schließen, den Ort der Anstalt zum Wohnsitz des Kranken zu machen (Karlsruhe Rpfleger 1970, 202; s für einen dauerhaft in einem Heim wohnenden behinderten Schüler OVG Lüneburg DVBl 2019, 1417). Im Verfahren über die Zuständigkeit im Entmündigungsverfahren war selbst bei Zweifeln die Geschäftsfähigkeit bei der (Begründung oder) Aufgabe des Wohnsitzes zu unterstellen (BGH NJW-RR 1988, 387); ebenso für die Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts BayObLG FamRZ 1990, 301 (LS). 4. Doppelter Wohnsitz. § 8 schließt doppelten Wohnsitz nicht aus (Rostock OLG 32, 329); doch müssen beide Wohnsitze auf dem Willen des gesetzl Vertreters beruhen. 5. Minderjährige Ehegatten. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl I 2017, 2429) wurde die Ausnahmeregelung des § 1303 II aF aufgehoben und ist eine Eheschließung von Minderjährigen nicht mehr möglich. In der Folge wurde auch der frühere § 8 II über die Wohnsitzwahl minderjähriger Ehegatten entbehrlich und aufgehoben.
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Wohnsitz eines Soldaten
(1) Ein Soldat hat seinen Wohnsitz am Standort. Als Wohnsitz eines Soldaten, der im Inland keinen Standort hat, gilt der letzte inländische Standort. (2) Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Soldaten, die nur aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten oder die nicht selbständig einen Wohnsitz begründen können. 1 1. Historie. Die jetzige Fassung hat § 9 durch § 68 SG v 19.3.1956 (BGBl I 1956, 114) erhalten. 1a 2. Gesetzlicher Wohnsitz. Nach § 9 I haben Soldaten unter bestimmten Voraussetzungen einen gesetzl Wohnsitz. Unter Berücksichtigung der Begriffsbestimmung des Soldaten in § 1 I 1 SG bezieht sich § 9 auf Personen, die aufgrund freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis stehen und selbständig einen Wohnsitz begründen können. Das sind Berufs- und Zeitsoldaten. Ärzte, Beamte sowie Zivilangestellte der Bundeswehr sind keine Soldaten iSd SG, so dass sie nicht in den Geltungsbereich von § 9 fallen. Auf Wehrpflichtige und Personen, die nicht selbständig einen Wohnsitz begründen können (s die Erl zu § 8), ist § 9 nach Abs II nicht anwendbar. Die Bedeutung dieser Bestimmung ist durch die Aussetzung der Wehrpflicht (vgl § 2 WPflG) zurückgegangen (MüKo/Spickhoff Rn 11). 2 3. Anknüpfung an Standort. Gesetzl Wohnsitz iSd § 9 ist der Standort des Soldaten. Das ist grds der Ort, wo der Wehrdienst von ihm im Allg geleistet wird, idR also der Garnisonsort des Truppenteils, dem der Soldat angehört. Bei Teilnahme an kurzfristigen Übungen außerhalb des Garnisonsorts des Truppenteils erfolgt kein Wechsel des gesetzl Wohnsitzes. Im Falle eines langfristigen Kommandos hat der Soldat seinen gesetzl Wohnsitz idR am Ort des Kommandos (Dresden SeuffA 69 Nr 209; RG JW 1938, 234); anders bei vorübergehender Ab8
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kommandierung (MüKo/Spickhoff Rn 8). Soldaten, die keinem Truppenteil angehören, haben unter den Voraussetzungen des § 9 ihren gesetzl Wohnsitz grds an dem Ort, wo sich ihre militärische Dienststelle befindet. Hat der Soldat im Inland keinen Standort, so bestimmt sich der gesetzl Wohnsitz des § 9 nach dem letzten inl Standort des Soldaten (Abs I S 2). 4. Absolute Geltung. Die Regelung des § 9 ist zwingend; doch kann der Soldat neben dem gesetzl Wohnsitz 3 des § 9 einen weiteren gewillkürten Wohnsitz haben (RGZ 126, 8; LVG Oldenburg MDR 1958, 875; BVerwG MDR 1960, 1041 [auch zu § 1 I 2, 3 BVFG]; OVG Münster v 27.8.2012 – 12 B 822/12); für die Besoldung s § 15 II BBesG.
§ 10
(weggefallen)
§ 11
Wohnsitz des Kindes
Ein minderjähriges Kind teilt den Wohnsitz der Eltern; es teilt nicht den Wohnsitz eines Elternteils, dem das Recht fehlt, für die Person des Kindes zu sorgen. Steht keinem Elternteil das Recht zu, für die Person des Kindes zu sorgen, so teilt das Kind den Wohnsitz desjenigen, dem dieses Recht zusteht. Das Kind behält den Wohnsitz, bis es ihn rechtsgültig aufhebt. 1. Wohnsitz des Kindes und Personensorge. § 11 gilt einheitlich für eheliche und nichteheliche Kinder. Der Text ist insofern irreführend, als er zunächst einseitig auf den Wohnsitz der Eltern abzustellen scheint, während in Wirklichkeit Wohnsitz und Personensorge zusammen den Wohnsitz des Kindes bestimmen. Diese Regelung beruht im Wesentlichen darauf, dass das Recht, den Wohnsitz des Kindes zu bestimmen, Ausfluss des Rechts zur Personensorge ist. IÜ ist davon auszugehen, dass in aller Regel das Recht zur Personensorge beiden Eltern, und zwar zu gleichem Recht zusteht. 2. Anknüpfung an elterlichen Wohnsitz. Der Wohnsitz des ehelichen Kindes ist automatisch durch den gemeinsamen Wohnsitz der Eltern, denen die Personensorge zusteht, bestimmt; auf den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes kommt es nicht an (vgl aber Rn 5). Die automatische Wohnsitzbegründung aufgrund von S 2 ist Folge des Rechts der Personensorge, die mindestens einem der Elternteile zustehen muss. Bei doppeltem Wohnsitz der Eltern hat das Kind ebenfalls doppelten Wohnsitz. Hat nur einer der Elternteile doppelten Wohnsitz, ist anzunehmen, dass auch das Kind doppelten Wohnsitz hat (ebenso MüKo/Spickhoff Rn 5). Lebt nur noch ein Elternteil, ist dessen Wohnsitz maßgebend. Geben beide Elternteile den Wohnsitz auf, ohne einen neuen zu begründen, wird auch das Kind wohnsitzlos (aA BGHZ 48, 228, 236f; BeckOK/Hau Rn 7, wonach das Kind den bisherigen Wohnsitz der Eltern behält). 3. Personensorge bei einem Elternteil. Bei unterschiedlichem Wohnsitz der Eltern trifft § 11 S 1 eine Regelung nur für den Fall, dass nur einem Elternteil die Personensorge zusteht, was für den Fall des Getrenntlebens zutrifft. Das Kind teilt in diesem Fall den Wohnsitz des zur Personensorge berechtigten Elternteils, wiederum ohne Rücksicht auf seinen tatsächlichen Aufenthalt. Aus welchem Grunde der andere Elternteil das Recht der Personensorge verloren hat (Entziehung, Entscheidung nach der Scheidung), ist gleichgültig. Maßgebend ist das Recht zur Personensorge, die tatsächliche Ausübung ist gleichgültig. 4. Personensorge bei beiden Elternteilen. Für den Fall des verschiedenen Wohnsitzes von (auch getrennt lebenden) Eltern, denen beiden das Recht zur Personensorge zusteht, trifft § 11 keine Regelung. Entspr den zum früheren Rechtszustand entwickelten Grundsätzen hat das Kind am Wohnsitz jedes Elternteils einen Wohnsitz (für Doppelwohnsitz des Kindes getrennt lebender Eltern BGH NJW-RR 1992, 258; NJW-RR 1993, 130; Naumburg FamRZ 2000, 545; für ein Kind einer während des Getrenntlebens in einem Frauenhaus wohnenden Ehefrau ebenso BGH NJW-RR 1993, 4; so auch für Begründung eines neuen Wohnsitzes allein durch einen Elternteil Karlsruhe FamRZ 2009, 1768; FamRZ 1969, 657, Köln MDR 1971, 581; s auch Staudinger/Kannowski Rn 6f und zur vormundschaftsgerichtlichen Zuständigkeit BayObLG FamRZ 1989, 526; zu Haupt- und Nebenwohnsitz nach Einwohnermelderegister OVG Sachsen NJW 2006, 1306). Haben sich allerdings die Eltern bei der Trennung ausdrückl oder stillschw geeinigt, dass das Kind auf Dauer bei einem von ihnen bleiben soll, hat es nur dort seinen Wohnsitz (BGH NJW-RR 1992, 578; Koblenz FamRZ 1983, 201; Düsseldorf FamRZ 1978, 621; KG KGRp 1999, 131). Ein bestehender Wohnsitz des Kindes wird durch den Tod eines Elternteils nicht automatisch aufgehoben (Hamm OLG 1971, 243). Es behält ihn nach S 3. Demggü setzt § 11 S 1 Hs 2 das Vorhandensein eines nicht (mehr) personensorgeberechtigten Elternteils voraus. Ein nach der Trennung der Eltern geborenes Kind hat demgemäß idR vom Zeitpunkt der Geburt an einen von beiden Eltern abgeleiteten Doppelwohnsitz (KG NJW 1964, 1577; Karlsruhe NJW 1963, 1252; Nürnberg FamRZ 1961, 450). 5. Geltungsbereich. Da § 11 jedoch nicht zwingend ist, können die Eltern oder der Elternteil, dem das Recht zusteht, für die Person des Kindes zu sorgen, gem §§ 7, 8 für das Kind einen Wohnsitz begründen und aufheben oder einer vom Kinde vorgenommenen Wohnsitzbegründung (Wohnsitzaufhebung) zustimmen, ohne dass damit notwendig eine Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes verbunden ist (BayObLG FamRZ 1989, 526, 527). Begründung und Zustimmung bedürfen auch insoweit keiner ausdrückl Erklärung, können sich vielmehr aus den Umständen ergeben (BGHZ 7, 104, 109ff; BGH FamRZ 1958, 178, 179; Köln NJW 1972, 590; Koblenz FamRZ 1983, 201). Allerdings ändert sich, wenn Eltern getrennt leben, nicht allein dadurch, dass sich das Kind (zeitweiSaenger
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lig) bei einem Elternteil mit Duldung des anderen Elternteils aufhält, etwas an dem von beiden Eltern abgeleiteten Wohnsitz des Kindes. Es bedarf in diesen Fällen eines über den geduldeten Aufenthalt beim anderen Elternteil hinausgehenden Anhalts (Karlsruhe NJW 1961, 271; aA Brandenburg FamRZ 2009, 798, welches einen Duldungszeitraum von zwei Jahren ausreichen lässt). Ein solcher weiterer Anhalt wird möglicherweise als gegeben angesehen werden können, wenn der Vater, der die Unterbringung des Kindes bei der Mutter duldet, die Ehelichkeit des Kindes bestreitet und die Sorge für das Kind vollständig der Mutter überlässt (so Stuttgart HEZ 3, 1, wo darauf hingewiesen wird, dass sich daraus uU die Unzuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Vaters für dessen Ehelichkeitsanfechtungsklage ergibt). Begründet eine Witwe aus Anlass ihrer Wiederverheiratung einen neuen Wohnsitz, lässt sie aber ihr Kind am bisherigen Wohnsitz zurück, ohne sich weiter darum zu kümmern, so dass dieses eigenmächtig Entschließungen fasst, ist uU anzunehmen, dass das Kind mit Willen der Mutter einen von deren Wohnsitz unabhängigen eigenen Wohnsitz hat (Düsseldorf MDR 1957, 607). 6. Personensorge bei keinem Elternteil. Nach S 2 teilt das Kind, wenn keinem Elternteil die Personensorge zusteht, den Wohnsitz desjenigen, dem dieses Recht zusteht (Vormund oder Pfleger), auch wenn es tatsächlich bei den Eltern wohnt. Haben die beiden nicht personensorgeberechtigten Eltern nicht denselben Wohnsitz, behält das Kind nach S 3 den Wohnsitz, den es hatte, bevor auch der zweite Elternteil das Recht, für die Person des Kindes zu sorgen, verlor, und zwar so lange, bis der Vormund oder Pfleger (§ 8) oder, nach erreichter Volljährigkeit, das Kind selbst diesen Wohnsitz rechtsgültig aufhebt (vgl Maßfeller DNotZ 1957, 342, 363f). 7. Wohnsitz des nichtehelichen Kindes. Das Recht, für die Person eines Kindes, dessen Eltern nicht verheiratet sind, zu sorgen, steht der Mutter zu, wenn die Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben (§ 1626a III). Dementspr teilt das nichteheliche Kind den Wohnsitz der Mutter. Für nichteheliche Kinder kann in gleicher Weise wie für eheliche Kinder in Anwendung der §§ 7, 8 ein von der gesetzl Regelung des § 11 abw Wohnsitz bestimmt werden. Zur Rechtslage in Fällen, in denen der Wohnsitz der Mutter für den maßgeblichen Zeitpunkt nicht festzustellen ist, vgl Köln JMBl NW 1960, 188, 189. 8. Wohnsitz des Kindes bei Adoption. Ein an Kindes statt angenommenes Kind erlangt ebenfalls die rechtl Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden (§ 1754); es teilt daher den Wohnsitz des Annehmenden. Auch hier sind abw Regelungen nach §§ 7, 8 zulässig. Bei Findelkindern bestimmt der gem § 1773 I Nr 3 zu benennende Vormund den Wohnsitz (vgl § 1789). Wird später der wirkliche Familienstand ermittelt, tritt ohne Rückwirkung der gesetzl Wohnsitz des § 11 ein (Staudinger/Kannowski Rn 4). Das Kind behält in allen Fällen des § 11 – auch nach erreichter Volljährigkeit – den abgeleiteten Wohnsitz des § 11, bis es ihn rechtsgültig aufgibt, S 3. Das gilt auch für den willkürlich vom gesetzl Vertreter begründeten Wohnsitz. Begründet das Kind keinen eigenen Wohnsitz, nimmt es nach wie vor an dem Wohnsitzwechsel der Person teil, von der es seinen Wohnsitz ableitet (Karlsruhe JZ 1955, 341). Doch ist zu beachten, dass die eigene Wohnsitzbegründung durch das Kind nicht ausdrückl erklärt zu werden braucht. Selbst durch Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes kann stillschw ein eigener Wohnsitz begründet werden (RGRK/Krüger-Nieland Rn 10).
§ 12
Namensrecht
Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen. Schrifttum: Bücking/Angster, Domain-Recht, 2. Aufl. 2010; Klippel, Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985 (dazu Luig FamRZ 1989, 1148); Kienemund, Neuere Entwicklungen im Namensrecht (regelmäßige Berichte, zuletzt für 2020/2021 NZFam 2022, 530); Koos, Der Name als Immaterialgut, GRUR 2004, 808; Nägele, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Internet-Domains, WRP 2002, 138; Schmitt-Gaedke/Arz, Der Namensschutz politischer Parteien, NJW 2013, 2729; Trentmann, Die (un)geklärte Rechtslage bei Altberichten in Online-Archiven – Kritischer Überblick zum aktuellen Entwicklungsstand der Rechtsprechung, MMR 2016, 731.
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I. Name. 1. Funktion. Der Name ist ein sprachliches Merkmal zur ständigen Bezeichnung einer Person oder eines Unternehmens zwecks Unterscheidung von anderen Personen und Unternehmen (RGZ 91, 350, 352; 137, 213, 215). Er dient darüber hinaus als individualisierende Kennzeichnung des Namensträgers (vgl Siebert NJW 1958, 1369, 1370; Hefermehl FS Hueck, 1959, 519, 520f; BVerfG NJW 2004, 1155; JZ 1982, 798; BGH NJW 1959, 525). Der Name hilft bereits dem Kind, seine Identität zu entwickeln und ggü anderen zum Ausdruck zu bringen (BVerfG NJW 2004, 1155; zum Familiennamen als Identitätsmerkmal aus psychologischer Sicht Salzgeber/ Stadler/Eisenhauer FPR 2002, 133). Das Recht am Namen ist – soweit es das Privatsphären- und Identitätsinteresse von Einzelpersonen schützt – ein dem Privatrecht angehörendes absolutes Persönlichkeitsrecht (BGHZ 8, 318, 319, 322; 24, 72, 78; 32, 103, 109; BGH NJW 2000, 2195, BVerfGE 97, 391, 399; BVerfG StAZ 2001, 207; NJW 2004, 1155; Staudinger/Fritzsche Rn 19) und als solches durch Art 1 I, 2 I GG garantiert. Es ist jedoch, soweit es sich um die Bezeichnung (Benennung) eines Unternehmens handelt und dessen Identitätsinteresse im Wettbewerb schützt, immaterielles Güterrecht (Staudinger/Fritzsche Rn 19; dort im Anschluss [Rn 20] auch zum Wesen des Namensrechts einer jur Person, bei der es sich nicht um ein Unternehmen handelt). § 12 regelt den Schutz des Namens. Erwerb, Änderung 10
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und Verlust des Namens sind in anderen Vorschriften insb des Familienrechts geregelt. Zu Begriff und Schutz des Namens im internationalen Privatrecht vgl J. F. Baur AcP 167, 535. Zur Bildung von Vereinsnamen § 57 Rn 2. 2. Erwerb des Namens. Für den Erwerb des Namens gilt Folgendes (allg zur Bestimmung des Kindesnamens Campbell NJW-Spezial 2020, 132): Das Kind erlangt mit der Geburt den Familiennamen der Eltern (§ 1616). Führen die Eltern keinen Ehenamen und steht ihnen die Sorge für das Kind gemeinsam zu, so bestimmen sie gem § 1617 I 1 den Geburtsnamen des Kindes. Steht ihnen die Sorge nicht gemeinsam zu, sondern nur einem der Eltern, erhält das Kind als Geburtsnamen dessen Namen (§ 1617a I), doch kann der sorgeberechtigte Elternteil auch dem Kind den Namen des anderen Elternteils erteilen (§ 1617a II). Zur Neubestimmung des Namens bei nachträgl gemeinsamer Sorge bzw bei Namensänderung der Eltern s §§ 1617b, 1617c. Durch Adoption erhält das Kind den Namen des Adoptierenden (näher § 1757 I; zur Namensführung bei Volljährigenadoption BGH NZFam 2020, 712). Vor- und Zuname eines Findelkindes bestimmt nach § 24 II 1 PStG die Verwaltungsbehörde. Zum Ehenamen vgl § 1354f. IÜ ist auf die zum 1.1.2025 vorgesehene Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts hinzuweisen, die insb die Möglichkeit erweitert, Doppelnamen zu führen; der RefE eines entspr Gesetzes wurde am 11.4.2023 veröffentlicht (https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Do kumente/RefE_Namensrecht.html). 3. Zweifel am Namen. Ist der Familienname zweifelhaft, so kann nach § 8 G v 8.1.1938 (RGBl I 9, 10) der Name von Amts wegen festgestellt werden (zu den dabei anzuwendenden Kriterien BVerwG NJW 1982, 299). 4. Vorname. Den Vornamen eines Kindes bestimmt der personensorgeberechtigte gesetzl Vertreter oder nach §§ 24, 25 PStG die Behörde. Das Wahlrecht des Personensorgeberechtigten ist dabei nur dadurch beschränkt, dass das Kindeswohl nicht verletzt werden darf (BVerfG NJW 2004, 1586) und willkürliche, ganz ungewöhnliche und zur Kennzeichnung ungeeignete Bezeichnungen ausgeschlossen sind (BGHZ 29, 256, 259). Eine Kindeswohlgefährdung wird nicht bereits dadurch begründet, dass das Kind, welches den Familiennamen eines Elternteils trägt, den Nachnamen des anderen Elternteils als weiteren Vornamen erhält („Lütke“, BGH NJW 2008, 2500). Jungen dürfen mit Ausnahme des Beivornamens Maria keine weiblichen Vornamen erhalten (BGHZ 30, 132). Ausl Vornamen, die das Geschlecht nicht erkennen lassen, hat BGHZ 73, 239 zugelassen, wenn der Junge einen weiteren eindeutig männlichen Vornamen erhält. Darüber hinaus hat KG MDR 1991, 54 einen im Heimatland der Eltern bekannten (weiblichen) Namen, der in Deutschland das Geschlecht des Kindes nicht erkennen lässt, bei Vorliegen sachlicher Gründe ohne dieses Erfordernis ebenso anerkannt wie Frankfurt MDR 1995, 607. So mag sich auch der abstrus begründete Name „Bastian Samandu“ (BayObLG NJW 1984, 1362 m Anm Gernhuber), kaum aber noch die Stigmatisierung durch den Namen „Philipp Pumuckl“ (Zweibrücken NJW 1984, 1360) rechtfertigen lassen (zu der Großzügigkeit der Gerichte in der Zulassung ungewöhnlicher Namen Dörner StAZ 1980, 170). In diesem Bereich muss das Interesse des Kindes stärker berücksichtigt werden (zweifelhaft daher die Annahme von Bremen NJW-RR 1996, 1029, ein in Südafrika rechtmäßig erworbener Vorname „Frieden mit Gott allein durch Jesus Christus“ müsse ins deutsche Personenstandsbuch eingetragen werden). Die Eintragung in das Geburtsregister (§§ 21, 22 PStG) hat zur Folge, dass die Berechtigten die von ihnen gewählten Vornamen des Kindes nicht mehr ändern können. Die Frage, ob bei mehreren Vornamen einer von ihnen (durch Unterstreichung im Geburtsbuch) als Rufname gekennzeichnet werden darf (dazu BGHZ 30, 132, 136; KG FamRZ 1964, 516; Kraft NJW 1963, 237), ist für § 12 ohne Bedeutung, weil der Rufname iÜ jedenfalls rechtl keine Sonderbehandlung vor den anderen Vornamen erfährt (BGHZ 30, 132, 136). Auch wenn bei der Vornamensgebung ein Vorname als Rufname bezeichnet wird, ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Namensträger später einen anderen ihm rechtmäßig zukommenden Vornamen als Rufnamen gebraucht (BGHZ 30, 132, 137). Die unzulässige Namensgebung wird durch die Eintragung in das Geburtsregister nicht wirksam (BGHZ 29, 256, 257, die Entscheidung betrifft den Fall, dass entspr einem Landesbrauch einem Kind der Zuname eines Vorfahren als Vorname gegeben wird). 5. Namensänderung. Änderungen des Vor- und Zunamens, auch ihr Widerruf, erfolgen nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (Namensänderungsgesetz – NamÄndG) idF der Bekanntmachung v 26.3.2021 (BGBl I 2021, 738), zuletzt geändert durch Art 15 XVII G v 4.5.2021 (BGBl I 2021, 882); dazu DVO v 7.1.1938 (RGBl I 12), zuletzt geändert durch Art 4 XLVII G v 18.7.2016 (BGBl I 2016, 1666), ferner Allg Verwaltungsvorschrift zum NamÄndG v 11.8.1980 (zu Reformüberlegungen s zuletzt die Stellungnahme des BMJ v 17.9.2022, https://www.bmj.de/DE/Themen/FamilieUndPartner schaft/Namensrecht/Namensrecht_node.html, und bereits das frühere Eckpunktepapier des BMJ v 11.2.2020, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/eckpunkte-namensrecht.pdf?__ blob=publicationFile&v=4 ,beides 19.2.2023. sowie Gössl ZRP 2020, 183). Eine bei der Einbürgerung vorgenommene Eindeutschung des Familiennamens kann im Einzelfall eine Namensänderung sein (BayObLG NJW-RR 1987, 965). Ändert die Verwaltungsbehörde einen Namen unter Abweichung von den zwingenden gesetzl Vorschriften, verletzt sie die Rechtsposition eines legitimen Namensträgers, der sich privatrechtl gegen die unbefugte Namensführung durch einen anderen wehren könnte; dagegen ist Klage im Verwaltungsstreitverfahren möglich (VGH Kassel DÖV 1957, 222). Zur Klagebefugnis anderer Namensträger vgl BVerwG MDR 1960, 250; von Familienangehörigen OVG Münster MDR 1970, 174; nach Scheidung Klage bzgl des Namens des Kindes (vgl VGH Mannheim NJW 1970, 1205; Frankfurt FamRZ 2020, 591 m Anm Opris). Im Verfahren zur Änderung des Vornamens eines minderjährigen Kindes muss im Namen des Kindes geklagt werden (BVerwG NJW 1988, 2400). Saenger
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Nach § 3 I NamÄndG setzt eine Namensänderung das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus (weil die Führung des überkommenen Namens die grds verbindliche Regel ist; vgl OVG Lüneburg FamRZ 1958, 418). Anzunehmen ist ein wichtiger Grund nur, wenn auch ein schutzwürdiges Interesse an der Namensänderung besteht (dazu BVerwG NJW 2015, 1321). So kann in Scheidungshalbwaisen- und Stiefkinderfällen als wichtiger Grund das dringliche Bedürfnis des Kindes nach Namensgleichheit in einer neuen Familie in Betracht kommen (BVerwGE 100, 148 = BVerwG NJW 2002, 2406; VGH BW FamRZ 2001, 1551). Allg liegt bei fehlender Einwilligung des anderen Elternteils ein wichtiger Grund nicht schon vor, wenn die Namensänderung für das Wohl des Kindes förderlich ist, sondern nur, wenn sie für das Kindswohl erforderlich ist (BVerwGE 100, 148 = BVerwG NJW 2002, 2406 m Anm Wittinger NJW 2002, 2371; s OVG Münster, NJW 2001, 2565; OVG Lüneburg NJW 2000, 3151; zur Änderung der Rspr des BVerwG vgl insb BVerwGE 95, 21 = BVerwG NJW 1994, 1425; 1997, 207). Das Interesse des Kindes an Namenskontinuität mit dem damit verbundenen Persönlichkeitsprozess wird durch die verschärfte Rspr gestärkt (Wittinger NJW 2002, 2371, 2373). Ein wichtiger Grund für die geringfügige Änderung der Schreibweise eines Vornamens kann auch vorliegen, wenn die damit herbeigeführte Übereinstimmung mit der Schreibweise des Vornamens in Reisedokumenten eines anderen Wohnsitzlandes erforderlich ist, um Schwierigkeiten bei der wiederholten Einreise zu vermeiden (BVerwG NJW 2017, 101, 102: amerikanische Schreibweise Joseph statt Josef). 6. Adelsprädikat. Das frühere Adelsprädikat gilt als Teil des Namens (Art 109 III 2 WRV); eine Adelsbezeichnung darf danach nicht mehr verliehen werden. Vor dem 14.8.1919 erworbene Adelsprädikate bleiben als Namensbestandteile bestehen (RGZ 103, 190), doch gilt dies nicht, wenn die Adelsbezeichnung bis zum Inkrafttreten der WRV etwa zwei Generationen im Rechtsverkehr nicht mehr geführt worden war (KG StAZ 1999, 38; Düsseldorf FamRZ 1997, 1479; Hamm FGPrax 2007, 120, einheitliche Handhabung über mindestens eine Generation). Eine Adelsbezeichnung, die beim Inkrafttreten der WRV nur einem vor den anderen Familienangehörigen bevorrechtigten Mitglied einer Adelsfamilie zustand (Primogenituradel), ist mit dessen Tod erloschen (OVG Münster DÖV 1963, 345, BVerwGE 23, 344 = BVerwG MDR 1966, 872). Adelsbezeichnungen, die zum Ehenamen der Eltern gehören, gehören auch zum Geburtsnamen des Kindes, bei weiblichen Personen in weiblicher Form („Edle“ nach „Ritter und Edler“), Düsseldorf FamRZ 1997, 1554. Transsexuelle führen die Adelsbezeichnung nach einer Vornamensänderung in einer dem neuen Vornamen entspr Form (BayObLG NJW-RR 2003, 289). Zum Übergang des Adelsprädikats auf Adoptivkinder RGZ 38, 202; OVG Lüneburg NJW 1956, 1172; zu Missbräuchen hierbei BGH NJW 1997, 47. Für eine Änderung des Namens durch Hinzufügung des Adelsprädikats sind die Vorschriften des NamÄndG maßgebend (BVerwG MDR 1959, 693 betr Adelsverleihung durch einen auswärtigen Souverän); zurückhaltend nach Aberkennung eines Adelsprädikats im früheren Heimatstaat (auch eines Vorfahren) OVG Münster NWVBl 2001, 33; BayVGH VGHE 42, 7; bei seit Generationen nicht mehr geführten Adelsnamen ebenso BVerwG NJW 1997, 1594; Festhaltung OVG Hamburg DVBl 2006, 720. Die Annahme einer deutschsprachigen Adelsbezeichnung im Wege einer unter ausländischem Recht erfolgten isolierten Namensänderung kann gegen den materiellen ordre public verstoßen (Art 48 S 1 Hs 2 EGBGB, s BGH FamRZ 2019, 613, 614). II. Schutzbereich. 1. Natürliche Personen. § 12 schützt nach seinem Wortlaut nur den Namen (Vor- und Zunamen) einer natürlichen Person. Das Anwendungsgebiet der Vorschrift reicht aber schon bei nat Personen weiter. Bei Änderung des Geburtsnamens durch Eheschließung bleibt der Geburtsname geschützt (RG JW 1925, 363). Die Vorschrift erfasst darüber hinaus Namen und Bezeichnungen, welche innerhalb des Verkehrs, für den sie bestimmt sind, dieselbe Funktion ausüben wie der nach öffentlichem Recht zu führende Name für den allg bürgerlichen Verkehr. Ein Pseudonym (vom bürgerlichen Namen verschiedener Wahlname, der der Kennzeichnung innerhalb des Verkehrs dient, für den er bestimmt ist – etwa bei Künstlern, Schriftstellern, Sportlern) genießt wie ein bürgerlicher Name den Schutz aus § 12, wobei lediglich str ist, ob dies mit der Erlangung von Verkehrsgeltung (BGH NJW 2003, 2978 – maxem.de; i Erg zust Heyers JR 2006, 94; BGHZ 30, 7, 9; Düsseldorf GRUR-RR 2013, 384, 385; MüKo/Säcker Rn 11) oder schon vorher gilt (Fabricius JR 1972, 15, 16). Im Gegensatz zum Pseudonym liegt der Sinn eines Inkognitos gerade darin, die handelnde Person zu verschleiern (Soergel/ Heinrich Rn 122), so dass ein Schutz nicht in Betracht kommt. § 12 schützt auch den Vornamen als Teil eines Künstlernamens (BGHZ 30, 7, 9; München NJW 1960, 869), den gekürzten Namen (KG JW 1921, 348), nicht dagegen eine bloße Berufsbezeichnung oder einen akademischen Grad. Ein Spitzname kann, wenn er vom Namensträger gebraucht wird, durch eine unbefugte markenmäßige Verwertung beeinträchtigt werden (Hamburg GRUR-RR 2001, 308). § 12 und das allg Persönlichkeitsrecht können daher einen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von mit dem Namen versehenen Gegenständen begründen (BGHZ 81, 75; BGH NJW 1990, 1106 – Boris Becker), was für einen Vornamen auch in Alleinstellung ohne den Familiennamen gelten kann, wenn schon sein alleiniger Gebrauch beim Publikum die Erinnerung an einen bestimmten Träger weckt (BGH NJW 1983, 1184 – Uwe; GRUR 2008, 1124; München WRP 2013, 1257; für den Schutz des Nachnamens in Alleinstellung: Düsseldorf GRUR-RR 2013, 384, 386). Zum „Gebrauchmachen“ in solchen Fällen s Rn 22ff, zu InternetAdressen Rn 15. Schließlich können auch Kennzeichen dem Schutz des § 12 unterfallen, wenn sie Namensfunktion besitzen (Grü/Ellenberger Rn 10; Hamm 23.10.2013 – 14 U 17/139, BeckRS 2013, 21413: Sonnenblume als Objekt des Namensschutzes der Partei „Die Grünen“). 2. Namen aus dem Ausland. Das Recht eines Ausländers auf seinen Namen ist in Deutschland in gleicher Weise nach § 12 geschützt wie das Recht des Inländers (BGHZ 8, 318, 319f = BGH JZ 1953, 728 mwN; BGHZ 39, 220, 233f; BGH NJW 1968, 349; MDR 1969, 549); ebenso für den Firmenschutz ausl Unternehmen bei 12
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dauernder Geschäftstätigkeit in Deutschland (BGH NJW 1980, 522). Zu den besonderen Problemen, die sich aus dem Zusammentreffen von Firmenbezeichnungen aus den früher getrennten deutschen Staaten nach der Wiedervereinigung ergeben, s BGH DZWIR 1996, 23 – Altenburger Spielkartenfabrik m Anm Michalski, 29; s auch Stuttgart BB 1993, 382. Grds beanspruchen die vor der Wiedervereinigung bestehenden Kennzeichenund Firmenrechte heute Geltung im gesamten Bundesgebiet (BGH WRP 1997, 751). 3. Juristische Personen. § 12 bezieht sich außer auf nat Personen auch auf jur Personen, die als einheitliche 12 Rechtssubjekte im Rechtsleben anerkannt sind (RGZ 74, 114, 115; 100, 182; BGHZ 14, 155; 120, 103), desgl auf die unter einem bestimmten Namen zusammengefassten und im Rechtsleben auftretenden Personenvereinigungen, welche das Gesetz den jur Personen ganz oder teilw gleichstellt (zur Namensnutzung in Unternehmensgruppen, auch aus steuerlicher Perspektive Greil/Wargowske IStR 2017, 12; Krüger IStR 2016, 945). Das sind die OHG (KG JW 1928, 367; RGZ 114, 30, 93), die KG und der nicht rechtsfähige Verein (RGZ 78, 101, 102; LG Hamburg NJW 1959, 1927); diese Praxis muss nach der sonstigen Entwicklung (Vor § 705 Rn 43ff) wohl auch auf den Namen der GbR ausgedehnt werden (ebenso MüKo/Säcker Rn 20; Staudinger/Fritzsche Rn 76f). Namensschutz genießen auch eine politische Partei als solche (BGHZ 79, 265; Frankfurt NJW 1952, 792, 793 m Anm Lent; als selbstverständlich voraussetzend auch Hamm 23.10.2013 – 14 U 17/139; LG Hannover NJW 1994, 1356 für die „Statt“-Partei, wobei Grundlage eines Schutzes auch §§ 2, 4 PartG sein können, vgl auch Köln 24.1.2019 – 19 U 131/18, BeckRS 2019, 1420; ausf zum Namensschutz politischer Parteien Schmitt-Gaedke/Arz NJW 2013, 2729) sowie eine Gewerkschaft (BGHZ 43, 245 = BGH JZ 1965, 524 m Anm v Münch; vgl Rn 24). Zum Namensschutz von politischen Wählervereinigungen BGH MDR 2012, 727 – Freie Wähler. Die Persönlichkeitsrechte des Gründers einer jur Person, die seinen Namen trägt, leben in der jur Person aber nicht in der Weise fort, dass sie aus dem Recht des Gründers die Beeinträchtigung seines Namens hindern könnte (Koblenz HEZ 1, 260 = DRZ 1948, 175 m Anm Nipperdey); umgekehrt steht das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verwendung des Namens einer verstorbenen Person der Zeitgeschichte für die Bezeichnung einer neutralen, nicht kommerziellen Einrichtung nicht entgegen (Hamm NJW 2002, 609). Bedenken hinsichtl namensmäßig wirkender Unternehmensbezeichnungen bei Tilmann GRUR 1981, 621. Namensschutz genießen auch jur Personen des öffentlichen Rechts (BGH NJW 1963, 2267; BGHZ 119, 237; BVerwGE 44, 351, 353 = BVerwG NJW 1974, 1207), ebenso die katholische Kirche für die Bezeichnung ihr zugehöriger Einrichtungen als „römisch-katholisch“ und „katholisch“ (BGHZ 124, 173 = BGH NJW 1994, 245); dies ist auch verfassungsrechtl unbedenklich (BVerfG NJW 1994, 2346). Werden jedoch dem allg Sprachgebrauch dienende Wörter wie „katholisch“ als Sachaussage zur näheren Beschreibung eigener Tätigkeiten und Erzeugnisse verwendet, gewährt das Namensrecht hiergegen keine Ansprüche (BGH NJW 2005, 978 m Anm Renck 1470). Da jede Firma gleichzeitig ein Unternehmen benennt, genießt auch jede Firma, sofern sie unterscheidungskräf- 13 tig ist und der Inhaber sich ihrer befugterweise bedient, den Schutz des § 12 (BGHZ 14, 155 = BGH NJW 1954, 1681; LM 16 zu § 12 – Tabu); das gilt auch für durch Gesellschaftsvertrag gegründete, aber noch nicht eingetragene GmbH (BGH NJW 1993, 459 m Kurzkomm Demharter EWiR § 12 BGB 2/93). Bei jur Personen des Handelsrechts sowie GmbH & Co KG bedeutet dies allerdings nicht, dass ein Gesellschafter, dessen Name Bestandteil der Firma ist, beim Übergang des Handelsgeschäfts der Mitübertragung der Firma zustimmen müsste (BGHZ 85, 223; Düsseldorf NJW 1980, 1284; diff Riegger BB 1983, 786, 787); anders bei Familien-Personengesellschaft bzgl des ausscheidenden vollhaftenden Gesellschafters, der denselben Namen wie der Gründer trägt, sofern in der Gesellschaft kein anderer Träger des Familiennamens als persönlich Haftender verbleibt (Hamm ZIP 1983, 1198; BGHZ 92, 79 in Anwendung des § 24 II HGB). Wenn jedoch ein den Familiennamen tragender Erbe, der in die Fortführung der Firma eingewilligt hat, später aus der Gesellschaft ausscheidet, kann er nicht erneut über die Berechtigung der Gesellschaft zur Firmenfortführung entscheiden (BGH ZIP 1987, 778). Eine Erklärung des aus einer KG ausscheidenden Gesellschafters gem § 24 II HGB deckt nicht ohne Weiteres die Gründung einer GmbH, deren Firma den Namen des Ausgeschiedenen benutzt, durch die KG und einen ihrer Gesellschafter (Hamm BB 1991, 86). Nicht unbedenklich unter diesen Umständen die von der Rspr (Hamm ZIP 1981, 1356; Frankfurt ZIP 1982, 334; BGH ZIP 1983, 193) zugelassene Befugnis des Insolvenzverwalters zur Veräußerung einer GmbH & Co KG sowie Komplementär-GmbH mit der den Familiennamen eines Gesellschafters enthaltenden Firma. 4. Namensteile, Geschäftsbezeichnungen ua. Auch Namensteile, Firmenbestandteile, aus einem Namen 14 abgeleitete Kürzungen sowie besondere Geschäftsbezeichnungen können Namensschutz nach § 12 genießen, wenn sie Unterscheidungskraft (individualisierende Wirkung) haben und nicht nur die gattungsmäßige Zugehörigkeit des Unternehmens kennzeichnen (RGZ 171, 30, 32f; 171, 147, 154 – Salamander; BGHZ 4, 167, 169; 11, 214, 215; 43, 245; 21, 66, 69; 21, 85, 89; BGH NJW 1970, 1270; LM 16 zu § 12 – Tabu; NJW 1959, 2209 – Verwendung eines frei gewählten, nicht eingetragenen Firmenbestandteils als Firmenschlagwort beim Einzelkaufmann, dazu Harmsen MDR 1960, 281). Dabei schützt die Rspr Bezeichnungen wie „Commerzbank“ wegen ihrer hohen Verkehrsgeltung auch bei nur mittelbarer Branchennähe des Verletzers (BGH WM 1988, 429; 1989, 1584; Hamburg WM 1991, 648; Frankfurt WM 1991, 651; anders aber München WM 1993, 38 zum Verhältnis zur Baubranche); ähnlich zur Verletzung des Namensrechts einer GmbH durch Benutzung eines Firmenbestandteils als Warenzeichen BGH NJW 1968, 349. Branchennähe des Verletzers ist auch ggü einer berühmten Marke nicht gegeben, wenn sich der Verletzer auf einem entlegenen oder eng begrenzten Marktsegment betätigt (Frankfurt WM 1994, 1259 – Boss; München MDR 1995, 817 – Fast Food und T-Shirts). Generell gilt, dass auch bei bekannten Unternehmenskennzeichen eine gedankliche Verknüpfung der Vergleichszeichen vorliegen muss, Saenger
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§ 12
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Personen
wozu erforderlich ist, dass die jüngere Kennzeichnung bei den relevanten Verkehrskreisen die ältere in Erinnerung ruft (LG Hamburg 10.7.2018 – 406 HKO 27/18, BeckRS 2018, 18002 – Otto’s Burger). Zur Verwechslungsgefahr zw einem Firmenkennwort und einem Warenzeichen Hamm ZIP 1981, 1320 – Volksbank; Frankfurt GRUR 1989, 288 – „Help“ bei übereinstimmenden Namensbestandteilen von Vereinen; BGH NJW 1993, 2236 bei Unterscheidung lediglich durch Vornamen; Frankfurt DZWIR 1993, 166 – Ferrari. Zu den Anforderungen für die Behandlung bloßer Buchstabenzusammenstellungen als Name s BGHZ 43, 245, 252f; BGH NJW-RR 2009, 327 – „HM & A“ lässt bei Artikulierbarkeit und Akzeptanz im Geschäftsverkehr namensrechtl Schutz gem §§ 17, 18 HGB zu; Frankfurt OLG 1989, 108 – DBB; zur Schutzfähigkeit einer Buchstabenkombination als Bestandteil eines Vereinsnamens Düsseldorf MMR 2012, 563. Gleiches gilt für Firmenschlagworte und besondere Geschäftsbezeichnungen, die weder gleichzeitig Bestandteil des ungekürzten Firmennamens sind noch eigentümlichen und unterscheidenden Charakter haben, wenn sie Verkehrsgeltung in dem Sinne erworben haben, dass jedenfalls ein nicht unbeträchtlicher Teil des Verkehrs sie als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen und damit als dessen Namen (nicht nur als Kennzeichnung der Herkunft bestimmter Waren) ansieht (BGHZ 15, 107, 109f = BGH JZ 1955, 332 m Anm Bußmann; BGHZ 21, 85, 88f; LM 22 zu § 12; 43, 245, 252); allerdings muss die Bezeichnung einen ausreichenden Grad an individualisierender Gestaltung aufweisen (Bremen WRP 1999, 215), so dass ein bloß produktbeschreibender Firmenbestandteil ohne Verkehrsgeltung nicht genügt (BGH NJW 2005, 1503 – Literaturhaus; KG GRUR-RR 2009, 317 – Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V.; München CR 1999, 595); zurückhaltend für den Fall, dass ein gattungsmäßig bezeichnetes Produkt nur von einem einzigen Unternehmen am Ort geführt wird, BGH NJW-RR 1990, 1192. Betriebsteile sind schutzwürdig iSd § 12, wenn sie abgrenzbar und abgegrenzt sind (KG NJW 1988, 2892, 2893). Auch Gebäudenamen können im Einzelfall schutzwürdig sein (BGH NJW 1988, 2892, 2893 – Hotel „Esplanade“). Zum Schutz eines Namensteiles eines Vereins vgl BGH NJW 1970, 1270 sowie Bremen MDR 1984, 842 – Gattungsbezeichnung „Graue Panther“ im Vereinsnamen kann durch Verkehrsgeltung eine den Benutzer individualisierende Namensfunktion erlangen. 5. Schutz von Domains. Ein Namensschutz nach § 12 ist auch für die Domainadresse im Internet möglich (BGH NJW 2002, 2031 – shell.de; NJW 2002, 2096 – vossius.de; NJW 2003, 2978 – maxem.de, bestätigt durch BVerfG NJW 2007, 671; BGH NJW 2005, 1196 – mho.de; NJW 2007, 682 – solingen.info). Für diese kann auch wettbewerbsrechtl Schutz unter den Gesichtspunkten des § 4 UWG und der §§ 5, 15 MarkenG in Anspruch genommen werden (dazu BGH NJW 2002, 2031 – shell.de; zu „Tippfehler-Domains“ BGH NJW 2014, 1534 – wetteronlin.de). Freilich kann die Verwendung einer Domainadresse auch ihrerseits als wettbewerbswidrige Handlung angegriffen werden, allerdings nicht generell, sondern nur, wenn darin eine irreführende Alleinstellungsbehauptung liegt (BGHZ 148, 1 – Mitwohnzentrale.de; dazu auch Renck WRP 2000, 264; Jaeger-Lenz CR 2001, 780; BGH NJW 2003, 662 – presserecht.de; NJW 2003, 504 – rechtsanwaelte-notar.de, s. dazu auch Hansen ZGS 2003, 213). Auch kann die Verwendung einer Internet-Domain, die nicht lediglich beschreibender Natur ist (dazu LG München I MMR 2001, 545), sondern einen fremden Namen benutzt, hierdurch gegen § 12 verstoßen (LG Berlin MMR 2001, 630 – Oil of Elf; s auch LG Hannover NJW-RR 2001, 1620 für die Nutzung der Internet-Adresse „verteidigungsministerium.de“ für Anleitungen zur Wehrdienstverweigerung; Köln MMR 2018, 750 für die Nutzung der Internet-Adresse „www.wir-sind-afd.de“; ferner KG NJW-RR 2013, 1452 – berlin.com); zum Schutz einer Unternehmens-Domain Ullrich WM 2001, 1129. Indes muss bei ausländischen Domaininhabern das Angebot einen hinreichend (wirtschaftl) relevanten Inlandsbezug („commercial effect“) aufweisen (KG MMR 2019, 325 – berlin.com II, dazu Bettinger K&R 2018, 549). Des Weiteren geht der markenrechtl Schutz in seinem Anwendungsbereich dem Namensschutz aus § 12 vor (BGH NJW 2002, 2031 – shell.de; NJW 2002, 2096 – vossius.de; NJW 2005, 1196 – mho.de). Demnach findet § 12 grds keine Anwendung, wenn beide Parteien im geschäftlichen Verkehr handeln (anders aber, wenn wegen Branchenferne kein markenrechtl Schutz gegeben ist, BGH NJW 2005, 1196 – mho.de). Der Namensschutz aus § 12 bleibt aber insoweit neben dem Kennzeichenschutz anwendbar, als die Löschung der Domain begehrt wird (BGH MDR 2012, 296 – Basler Haar-Kosmetik; Hamm MMR 2013, 791, 793 m Anm Albrecht; Frankfurt WRP 2017, 240; vgl auch BGH GRUR 2016, 810, 811 – profitbricks.es). Die private Verwendung einer Internet-Domain kann Namensrechte verletzen, weil aufgrund der Einmaligkeit jeder second level-Domain unter einer top level-Domain (zu diesem Verhältnis bereits Köln NJW-RR 1999, 622; MüKo/Heine Rn 233ff) dem Namensträger die Möglichkeit genommen wird, Internet-Nutzer auf einfache Weise über sein Unternehmen zu informieren. Dabei weist ein Unternehmen mit regionalem Wirkungskreis mit seinem Internetauftritt nicht notwendig darauf hin, dass es nunmehr bundesweit agieren möchte (BGH NJW 2005, 1198 – soco.de). Zur vermehrten Begründung bzw Verstärkung des Namensschutzes von Domainnamen durch neue top level-Domains Leyendecker-Langner MMR 2014, 288. Im geschäftlichen Verkehr kann der Verletzer durch eine Unterwerfungserklärung, die die Wiederholungsgefahr beseitigt, eine weitere Inanspruchnahme abwenden (BGH WRP 1996, 199). Gegen die Verwendung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs greift der Namensschutz allerdings nur insoweit, als davon geschäftliche Beeinträchtigungen zu besorgen sind, wie es bei der Nutzung, und zwar schon durch die Registrierung (für die markenrechtl Lage anders BGH GRUR 2008, 912; Karlsruhe MMR 2002, 118; Frankfurt MMR 2010, 831) des geschützten Namens als Domainname geschieht (BGH NJW 2002, 2031 – shell.de; NJW 2003, 2978 – maxem.de; LG Köln GRUR-RS 2016, 14565 – fc.de; zur Benutzung im geschäftlichen Verkehr BGH GRUR 2016, 810 – profitbricks.es). Dies gilt jedoch nicht, wenn das Namensrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung durch den Nichtberechtigten entsteht (BGH NJW 2008, 3716 – afilias.de; anders die Konstellation Frankfurt GRUR-RR 2017, 107), selbst bei späterem Inhaberwechsel der Domain (Köln MMR 2019, 321, dazu Engels GRUR-Prax 2018, 505), ferner nicht, wenn der Berechtigte infolge einer eigenen Registrierung nicht schutzwürdig ist (Köln GRUR-RR 2010, 477 – dsds-news.de 14
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m Anm Gründig-Schnelle GRUR-Prax 2010, 220). Wenn auch grds unter Gleichnamigen vom Prioritätsprinzip (hierzu BGH NJW 2005, 1196 – mho.de) auszugehen ist, muss bei überragender Bekanntheit eines der Namen uU eine Person gleichen Namens trotz früherer Registrierung weichen. Ein besonders kennzeichnungskräftiger Vorname kann jedoch einem Nachnamen vorgehen (BGH NJW 2009, 1756 – raule.de). Zur Wahrung der Priorität genügt die Domainregistrierung durch einen Treuhänder in eigenem Namen, wenn Gleichnamige einfach und zuverlässig überprüfen können, dass die Registrierung im Auftrag eines anderen erfolgt ist (BGH NJW 2007, 2633 – grundke.de; fortgeführt durch BGH GRUR 2016, 1093 – grit-lehmann.de). Ähnlich kann ein inl Unternehmen beanspruchen, in dem Deutschland zugeordneten Teil des Internet mit einer seinem Kennzeichen entspr Domain aufzutreten und muss sich nicht auf andere, nicht allein Deutschland zugeordnete Domains verweisen lassen (Düsseldorf WRP 1999, 343). Wenn die Domainadresse namensmäßig zusammengesetzt ist, kommt ihr nicht nur Registrierungs-, sondern auch Kennzeichnungsfunktion zu, so dass gegen eine Namensanmaßung wie gegen eine Namensleugnung aus § 12 vorgegangen werden kann (München GRUR 2000, 519 – rollsroyce.de; s auch Düsseldorf WRP 1999, 343; Hamburg AfP 2001, 219; Hamm MMR 2016, 691 – polizei-jugend-schutz.de), ohne dass sich der Verletzer auf § 23 MarkenG berufen kann (zu den Zusammenhängen Nägele WRP 2002, 138). Auch bei Gleichnamigkeit hat der die Kennzeichnungskraft einer fremden Marke für seinen Auftritt im Internet Nutzende das Erforderliche und Zumutbare zu tun, um Verwechslungen zu vermeiden (Hamburg AfP 2001, 219, 223). Die für die Namensfunktion erforderliche Individualisierungskraft kann auch einer Gattungsbezeichnung zukommen (BGHZ 148, 1 – Mitwohnzentrale.de; Übersicht über die Rspr bei Ernst MMR 2001, 368), jedoch nicht der Bezeichnung eines Vereins als „Literaturhaus“ (BGH NJW 2005, 1503; aA München NJW 2002, 611; s ferner KG NJOZ 2013, 1294 zur mangelnden Unterscheidungskraft der Bezeichnung „Palästinensische Ärzte- und Apothekervereinigung Deutschland eV“); anders für die Verwendung eines Pseudonyms LG Düsseldorf ITRB 2002, 4; weitergehend für die Bezeichnung „Herstellerkatalog“ LG Stuttgart MMR 2001, 768, wobei die Verwendung in der Domain Namens- und Kennzeichnungsschutz begründet (so auch die Verwendung einer bekannten Biermarke in der Domain einer Textilfabrik, Hamm MMR 2001, 749; anders für ein englischsprachiges Firmenschlagwort Köln MMR 2002, 125). Der Namensschutz besteht nicht, wenn der Domainname vom Verkehr sogleich als Gattungsbegriff verstanden wird (Frankfurt MMR 2016, 756). In der Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domainnamen liegt idR keine sittenwidrige Schädigung nach § 826. Dies gilt auch, wenn es naheliegt, dass ein Unternehmen diesen Domainnamen für seinen Internetauftritt verwenden könnte (BGH NJW 2005, 2315 – weltonline.de). Die Bezeichnung „Deutschland“ in einer Domain genügt, um die Bundesrepublik zu kennzeichnen (LG Berlin MMR 2001, 57). Geschützt ist auch das Namensrecht von Gebietskörperschaften vor unberechtigter Benutzung als Domain (BGH NJW 2006, 146 – segnitz.de; NJW 2007, 682 – solingen.info). Zur Benutzung von Gebietsbezeichnungen in Domainadressen vgl auch Schmittmann K&R 1999, 510; Jäger K&R 2000, 304; München CR 2002, 56 m Anm Hoeren EWiR § 12 BGB 1/01; Johannisbauer MMR 2015, 154. Auch bei der Nutzung und dem Schutz von Internet-Adressen müssen die Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit vorliegen (Rn 26) und bei der Bestimmung der Rechtsfolgen stellen sich besondere Fragen hinsichtl der Störer-Eigenschaft (Rn 34). Zur Übertragung von Domain-Namensrechten Schließ ZUM 1999, 307; zur Übertragbarkeit und Pfändbarkeit BGH NJW 2005, 3353; LG Düsseldorf CR 2001, 468; Lwowski/Dahm WM 2001, 1135; weitergehend zur Drittschuldnereigenschaft der DENIC Stadler MMR 2007, 71. 6. Warenbezeichnungen. Warenbezeichnungen (zur Unterscheidung eigener von fremder Ware) genießen 16 als solche keinen Namensschutz, somit auch nicht der Titel einer Sendefolge eines Senders (BGH MDR 1995, 62; krit zum verbreitet bejahten Titelschutz für Softwareprodukte Zahrnt BB 1996, 1570). Anderes gilt jedoch für eine Bezeichnung, die zunächst nur als Warenkennzeichnung diente, vom Verkehr aber nach gewisser Zeit als Bezeichnung des Unternehmens selbst gewertet und von dem Unternehmen als besondere Geschäftsbezeichnung übernommen wird (dazu BGH NJW 1956, 1713 – Meisterbrand; s auch BGH NJW 1983, 1184 – „Uwe“). Zahlen haben regelmäßig keine Namensfunktion (BGHZ 8, 387, 389 betreffend eine Telefonnummer). Doch kann in besonders gelagerten Fällen auch eine Zahl als Unternehmensbezeichnung mit überragender Verkehrsgeltung namensrechtl nach § 12 geschützt sein (etwa „4711“, BGH MDR 1990, 793; dazu Hefermehl FS Hueck, 1959, 519, 526; zu Vanity-Rufnummern, also der Buchstabenwahl, vgl MüKo/Säcker Rn 33). Bildzeichen und bloße Farbkombinationen haben ebenfalls grds keine Namensfunktion. Anderes gilt möglicherweise für Bildzeichen, die auch durch Worte ausgedrückt werden können (RG 171, 147, 151f – Salamander; BGH GRUR 1957, 281 – Karo-As; GRUR 1957, 287 – Zwillingszeichen eines unter diesem Zeichen bekannten Unternehmens der Schneidwarenindustrie; GRUR 1958, 393 – Ankerzeichen; weitergehend erkennt BGH NJW 1994, 2820 für das Deutsche Rote Kreuz das Wahrzeichen in entspr Anwendung des § 12 als schutzfähig an). Wer einen Namen aus beschreibenden Bestandteilen gebildet hat, die einer besonderen Kennzeichnungskraft ermangeln, kann Ansprüche aus § 12 nur geltend machen, wenn sein Name Unterscheidungskraft gewonnen hat und nach allg Verkehrsauffassung für ihn gleichsam zum Begriff geworden ist (BGH LM 3 zu § 12). 7. Orts-, Kreis- und Ländernamen. Als Bezeichnungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts sind auch 17 Orts-, Kreis- und Ländernamen nach § 12 geschützt (BGH NJW 1963, 2267; zum Schutz geographischer Zeichenbestandteile von Rundfunkanstalten Karlsruhe NJW-RR 1989, 167; 1993, 620 – Südwestfunk). Führt eine Gebietskörperschaft, die die Eigenschaft einer „Stadt“ hat oder „Landeshauptstadt“ ist, neben der rein geographischen Bezeichnung den Zusatz „Stadt“ bzw „Landeshauptstadt“, gilt iSd § 12 die Gesamtbezeichnung (geographische Bezeichnung und Zusatz) als Name der Stadt (vgl Düsseldorf DB 1963, 1391); Gleiches gilt für „Universitätsstadt“. Selbständigen Namensschutz genießt regelmäßig aber als Teil des Namens auch die rein geoSaenger
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graphische Bezeichnung ohne den Zusatz, sofern sie nur für sich allein geeignet ist, auf die konkrete Gebietskörperschaft als jur Person des öffentlichen Rechts hinzuweisen und sie von anderen Personen gleicher Art deutlich zu unterscheiden (BGH NJW 1963, 2267; KG NJW-RR 2013, 1452, 1453: Namensrechte der Gebietskörperschaft Berlin; KG GRUR-RR 2013, 490, 492: Namensrechte des Staates Aserbaidschan als Gebietskörperschaft). Geschützt sind ggf auch Bezeichnungen wie Stadttheater, Stadtapotheke, Kreisblatt, so dass einem Privatmann für seinen Betrieb der Gebrauch dieser Bezeichnungen untersagt werden kann (RGZ 101, 169; JW 1927, 117). Nicht hierher gehören Bezeichnungen, bei denen jede Beziehung zur politischen Körperschaft fehlt, wie Stadtkeller, Ratskeller, Stadtkapelle, evtl auch Stadtküchen (RGZ 101, 169, 171). Namensschutz genießen Gebietskörperschaften auch im Verhältnis zu anderen Trägern hoheitlicher Gewalt oder Körperschaften, die nach Verwaltungsgrundsätzen öffentlichen Aufgaben dienen. Dabei findet ein öffentlich-rechtl Namensschutz analog § 12 statt, wenn der Name unbefugt bestr wird (so zum Anspruch einer Gemeinde, bei der Bahnhofsbezeichnung nicht einen unrichtigen Gemeindenamen zu verwenden BVerwG NJW 1974, 1207; OVG Lüneburg DVBl 1971, 515; Pappermann JuS 1976, 305, 307). Wenn der das Namensrecht Bestreitende hoheitlich handelt, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, in dessen Rahmen dann anstelle des § 12 der allg Ordnungsgrundsatz der Richtigkeit, Bestimmtheit und Klarheit des Verwaltungshandelns tritt (BVerwG NJW 1974, 120). Zur Behandlung der Namen von Gebietskörperschaften in Internet-Domains Rn 15. 8. Wappen. Als neben dem Namensrecht bestehendes selbständiges Persönlichkeitsrecht ist kraft Gewohnheit das Recht auf den Gebrauch eines Wappens anerkannt; es gelten die zu § 12 entwickelten Grundsätze entspr (vgl NK/Koos Rn 118ff; Soergel/Heinrich Rn 155). Auch das Wappen einer Gemeinde ist durch § 12 geschützt (BGH NJW-RR 2002, 1401; Schleswig SchlHA 1972, 168). Ebenso genießt das Signum einer politischen Partei den Schutz des § 12 (vgl Köln MMR 2018, 750); wird es auf einem zur Propaganda gegen sie bestimmten Plakat in einer Weise verwandt, die das Plakat im ersten Anschein als eines dieser Partei erscheinen lässt, kann die Partei aufgrund ihres Namensrechts dagegen vorgehen (Karlsruhe NJW 1972, 1810; vgl auch LG Köln GRUR-RS 2018, 17344). Zum Schutz von Farbbezeichnungen für politische Parteien Karlsruhe NJW 2014, 706; LG Köln BeckRS 2019, 633. Auch die Benennung eines Gebäudes oder eines Landguts ist namensrechtl schutzwürdig, wenn ein obj berechtigtes Interesse an der Benennung besteht und die Bezeichnung im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme im allg Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs üblich war (BGH GRUR 2012, 534 – Landgut Borsig; BGH MMR 2016, 616 – Landgut A. Borsig; zum Namensschutz von Gebäuden schon BGH MDR 1976, 998 – Sternhaus; zum Schutz eines Kirchengebäudes als weitere Bezeichnung einer Kirchengemeinde Schleswig GRUR-RS 2016, 119165; ausf zum Schutz von Immobiliennamen Eusani MDR 2017, 1276). 9. Ende des Namensschutzes. In zeitlicher Hinsicht endet das Namensrecht mit dem Tod seines Trägers (BGH NJW 2007, 684; aA Schack JZ 2019, 864, 865; 1990, 40, 41; s auch Sack WRP 1982, 615), genießt aber gem § 823 I bei Eingriffen in das Allg. Persönlichkeitsrecht postmortalen Schutz. In der Verwendung des Familiennamens eines Verstorbenen unter Hinzufügung seines Vornamens kann aber ein Gebrauch des Namens der Witwe (oder anderer naher Angehöriger) liegen (BGHZ 8, 318; Stuttgart NJW-RR 1997, 603). Angehörige eines im Kriege Vermissten können jedoch weder aus dem Gesichtspunkt des § 12 noch unter Berufung auf ein Allg Persönlichkeitsrecht verhindern, dass der Name des Vermissten in eine von dessen Heimatgemeinde öffentlich aufzustellende Ehrengedenktafel aufgenommen wird und die Familienangehörigen anderer, vom gleichen Schicksal betroffener Soldaten sich Nachbildungen dieser Tafel anfertigen lassen (BGH NJW 1959, 525, s auch Rn 23); ebenso im Grundsatz auch, wenn der Betrieb aufgelöst wird und der Name zum Gebäudenamen geworden ist (BGH NJW 1988, 2892 – Hotel „Esplanade“). III. Verletzungshandlung. 1. Bestreiten. Für ein Bestreiten genügt die Vornahme von Handlungen, die zu dem Namensrecht im Widerspruch stehen, zB Beilegung eines anderen Namens. Nicht erforderlich ist ein Bestreiten ggü dem Berechtigten selbst; ausreichend ist das Bestreiten ggü einem Dritten oder einer Behörde. Das Bestreiten muss, da die Klage aus § 12 auf Beseitigung der Beeinträchtigung geht, derart sein, dass sie zu einer Beeinträchtigung führt, Staudinger/Fritzsche Rn 263. 2. Unbefugter Gebrauch. Unbefugter Namensgebrauch durch einen anderen liegt vor, wenn der Name des berechtigten Namensträgers (ganz, teilw oder mit geringen Abweichungen oder Ergänzungen; vgl RG JW 1938, 858; BGHZ 8, 318, 320; LM 21 zu § 12 – Lego) von einem anderen, dem der Name nicht zukommt, als sein (Unterscheidungs-)Merkmal benutzt (RGZ 91, 350, 352) und hierdurch das Interesse des Berechtigten verletzt wird. a) Ein Namensgebrauch liegt nicht schon bei der Verwendung eines Firmenaufklebers auf einem Kfz vor (Hamm NJW-RR 1988, 1384; anders bei größeren Aufschriften KG BeckRS 2018, 37947), auch nicht bei Einkleidung mit einer veränderten Markenware seitens einer Privatperson (BGH NJW 1998, 2045). Allg geht es dabei nicht um Verhalten im geschäftlichen Wettbewerb. Da § 12 den Namen auch als individualisierende Kennzeichnung versteht (vgl Rn 1), kann eine Verletzung des Namensrechts vorliegen, wenn der berechtigte Namensträger dadurch, dass ein anderer seinen Namen gebraucht, in Beziehung zu bestimmten Einrichtungen, Gütern oder Erzeugnissen gebracht wird, mit denen er nichts zu tun hat (BGH NJW 1963, 2267; 1980, 280; LG Düsseldorf AfP 2014, 359). Entspr gilt bei Benutzung des Namens einer Gebietskörperschaft in Anzeigen, wenn der falsche Eindruck einer erteilten Verwendungserlaubnis entsteht (BGH GRUR 2006, 957 – Stadt Geldern). Die Voraussetzungen des § 12 können also gegeben sein, wenn jemand unbefugt den Namen eines anderen zur Bezeichnung seines Geschäfts (BGH LM 22 zu § 12 – Etablissementbezeichnung; GRUR 2012, 534 – Landgut Borsig), zur Kennzeichnung seiner Waren oder als Warenzeichen (RGZ 74, 308, 310 – Zeppelin; 100, 182, 186 – Gervais; BGH LM 21 zu § 12 – Lego; BGH BB 1969, 1410) oder auf Schildern (RGZ 108, 230, 232) verwendet. Es genügt mögli16
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cherweise auch, dass in schriftstellerischen Erzeugnissen einer vom Schriftsteller frei erfundenen Person der Name einer anderen Person (ganz oder gekürzt) beigelegt und der Eindruck erweckt wird, die dargestellte Person sei mit dem Träger dieses Namens identisch (RG JW 1939, 153, 154; Staudinger/Fritzsche Rn 281). Auch die Registrierung einer Domain ist Namensgebrauch (BGH NJW 2002, 2031 – shell.de), ebenso das Einstellen eines natürlichen Namens als Metatag in den Quellcode einer Website (München NJW-RR 2012, 947, 948). Hingegen stellt ein sog „framing“, also das Einbinden einer fremden Internet-Adresse über einen Link, der zum Öffnen der Seite auf der eigenen Seite eines Domain-Inhabers führt, jedenfalls dann keinen unzulässigen Namensgebrauch dar, wenn auf die Quelle ausdrückl hingewiesen wird (Celle NJW-RR 2012, 1325, 1326). Auch in der Anmeldung einer Wortmarke kann eine unbefugte Namensanmaßung zu sehen sein, wenn hierdurch eine Zuordnungsverwirrung ausgelöst wird (Düsseldorf GRUR-RR 2013, 384). § 12 ist jedoch nicht anwendbar, wenn es sich nicht um eine fingierte Person handelt und ohne Erweckung ei- 23 nes Identitätsirrtums von dem berechtigten Namensträger oder über ihn etwas Richtiges ausgesagt wird (Staudinger/Fritzsche Rn 281, 346; Hubmann JZ 1957, 521, 525; BGH NJW 1959, 525). Auch kommt eine unbefugte Benutzung nur in Betracht, wenn der Name selbst genannt wird, wobei der Eindruck genügt, als habe der Namensträger die Benutzung gestattet (BGH MDR 1995, 170). Entsprechendes gilt bei Nutzung des Namens eines bekannten Staatsmanns zur Bezeichnung einer parteinahen Stiftung, wenn im Verkehr der falsche Eindruck entstehen kann, der engste lebende Nachfahre einer Familie habe dem Benutzer ein Recht zur Verwendung des Familiennamens unter Hinzufügung des Vornamens des verstorbenen Familienangehörigen erteilt (LG Berlin 1.10.2019 – 52 O 164/18). Dagegen gewährt LG München I NJW-RR 2002, 617 Namensschutz auch, wenn die betreffende Person, ohne dass ihr Name ausdrückl genannt wird, von einem Teil des Adressatenkreises aus den Umständen identifiziert werden kann. Keinen unbefugten Gebrauch eines fremden Namens macht der Kunsthändler, der ein gefälschtes Kunstwerk mit dem Namen eines berühmten Künstlers anbietet; gegen § 12 verstößt der Fälscher (Schleswig NJW 1988, 339, 340). Auch genügt für § 12 nicht, dass im Zusammenhang mit einer Werbung der Name eines anderen genannt wird, wenn die Art des Hinweises auf die Person die Annahme ausschließt, die angepriesenen Leistungen oder Erzeugnisse seien dem Genannten zuzurechnen oder sollten unter seinem Namen in Erscheinung treten (BGHZ 30, 7; BGH NJW 1983, 1185 – Uwe). Der Verkehr muss außerhalb der bloßen Namensgleichheit Anlass haben, eine Beziehung zw dem Gebrauchenden und dem wahren Namensträger herzustellen. Der Schutz des § 12 wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass ein verwendeter Nachname häufig vorkommt, auch wenn die Häufigkeit ein Kriterium für den Schutzumfang der Namensbezeichnung darstellt (BGH NJW 2008, 2923 – Hansen-Bau). Zum unbefugten Namensgebrauch durch einen Namensdoppelgänger s Pietzko AfP 1988, 209, 212f, zur Doppelgängerwerbung in satirischer Form LG Düsseldorf AfP 2002, 64. Das Unbefugte eines konkreten Gebrauchs ist nicht so leicht festzustellen wie die Verwechslungsgefahr bei Gebrauch fremder Kennzeichen im wirtschaftlichen Wettbewerb. So kann Namensschutz bei Gefahr einer Identitätsverwirrung durch den Namensgebrauch eingreifen (etwa, wenn ein nicht dazu autorisiertes Kaufhaus T-Shirts mit Universitätssiegel-Aufdruck vertreibt, Karlsruhe NJW-RR 1986, 588), doch wird bei „unernstem“ Gebrauch gelegentlich eine Namensanmaßung verneint (so bei Scherzartikel mit dem Wort „Lusthansa“ Frankfurt NJW 1982, 648; zu weiteren Bsp s MüKo/Säcker Rn 122ff), auch ist uU das Grundrecht der Meinungsfreiheit zu beachten (s BGHZ 143, 199 m Anm Kübler JZ 2000, 622; BVerfG NJW 1998, 1386; BGH ZIP 1993, 1801). Neben dem Verstoß gegen § 12 kann es sich stets auch um einen Eingriff ins Persönlichkeitsrecht handeln. Der Schutz des mit dem Namen verbundenen Identitätsinteresses wird in diesem Zusammenhang häufig zu weit zurückgedrängt, indem die Wirkung satirisch verfremdeter Verwendungen unterschätzt oder mit Rücksicht auf falsch verstandene Äußerungsfreiheit vernachlässigt wird (s bspw BGH NJW 1984, 1956 – Marlboro – Mordoro; zust aber Hubmann JZ 1984, 942; Überbl über die Rspr bei Franz WRP 2019, 15). Str, ob es für Verstoß gegen § 12 genügt, wenn einer Person oder Sache der Name eines anderen beigelegt wird, um diesen lächerlich zu machen oder als Konkurrenten auszuschalten (dafür RG HRR 1939, 566; anders Staudinger/Fritzsche Rn 284ff). Stets hat eine Interessenabwägung stattzufinden (BGH GRUR 2008, 1124; Dresden GRUR-RR 2018, 532, 536); zu den dabei berücksichtigungsfähigen Belangen Rn 27. Zum Entfallen des Schutzes bei Gestattung des Namensgebrauchs s auch Rn 32. Der durch die Gestattung Berechtigte erwirbt zwar nicht die Priorität der Kennzeichnung seines Vertragspartners, kann sich aber (in entspr Anwendung des § 986 I 2) gegen den Angriff eines Dritten auf diese berufen (BGH MDR 1993, 1071; Stuttgart ZIP 1994, 1553). Eine Gewerkschaft, deren Namensabkürzung Verkehrsgeltung erlangt hat, kann in ihrem Interesse dadurch ver- 24 letzt werden, dass sie durch den Gebrauch derselben Namensabkürzung seitens einer politischen Partei zu dieser in Beziehung gebracht wird. Eine politische Partei genießt namensrechtl zumindest dann keine Vorzugsstellung, wenn sie bereits im Gründungsstadium wegen der Wahl der Namensabkürzung verwarnt worden ist (BGHZ 43, 245 = BGH JZ 1965, 524 m Anm v Münch). Darüber hinaus will LG Bremen NJW 1989, 1864 allein dem Adjektiv „republikanisch“ im Namen einer politischen Partei ebenso wie dem Begriff „demokratisch“ keine Unterscheidungskraft zubilligen. Unbefugter Namensgebrauch kann auch vorliegen bei der Bezeichnung eines anderen mit dem Namen eines 25 Dritten; so wenn eine Mutter, die mit dem Erzeuger des Kindes nicht verheiratet ist oder war, das Kind unter dem Namen des Erzeugers auftreten lässt und damit den Schein der Zugehörigkeit zu dessen Familie erweckt (RGZ 108, 230, 233); wenn ein Ehemann seine Freundin allg als seine Ehefrau bezeichnet oder mit dem Namen seiner Ehefrau in das Fremdenbuch eines Hotels einträgt (Soergel/Heinrich Rn 175; aA RGZ 108, 230, 233).
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§ 12 26
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Personen
b) Der Begriff „unbefugt“ in § 12 besagt dasselbe wie das Wort „widerrechtl“ in § 229. Widerrechtl ist die Reservierung und Nutzung in Behinderungsabsicht (Domain-Grabbing, OGH Wien K&R 2002, 52; Karlsruhe MMR 2002, 118), desgl die Reservierung einer Domain in der Absicht, von dem Namensträger ein Entgelt für die Freigabe zu verlangen (Frankfurt MMR 2001, 696; Hamburg WRP 2010, 298; ebenso BGH NJW 2009, 2388 – ahd.de“, freilich nur bei Behinderungsabsicht). Der Gebrauch eines fremden Namens kann nach Art 5 GG gerechtfertigt sein (so BGH NJW 1980, 280 für die Wiedergabe eines namensrechtl geschützten Emblems einer Zeitung am Kopf eines Artikels in einer anderen Zeitung, der sich mit einem Aufsatz in der das Emblem führenden Zeitung auseinandersetzt). Unbefugt kann der Gebrauch des Namens eines anderen auch dann sein, wenn rein namensrechtl keine Bedenken bestehen würden, der Name aber im geschäftlichen Verkehr benutzt wird und Verwechslungen mit einem Gleichnamigen zu besorgen sind (dazu Siebert BB 1959, 641, 643f, vgl auch BGH NJW 1968, 349, s aber auch BGH NJW 1983, 1184 – Uwe; ferner zum Wirkungsbereich eines Domaininhabers BGH NJW 2005, 1198 – soco.de); dies gilt auch bei Rufausbeutung des Namens eines berühmten Herstellers (selbst bei Unterschiedlichkeit der Vornamen) in einer ganz anderen Branche (Frankfurt DZWIR 1993, 166 – Ferrari). Bei Gleichnamigen muss uU derjenige, der den Namen später erworben hat, seinem Firmennamen einen unterscheidungskräftigen Zusatz anfügen (vgl Siebert BB 1959, 641, 643f); zur Rechtslage bei Domainadressen Rn 15. Möglicherweise ist aber auch dem älteren Benutzer des Namens zumutbar, seinerseits zur Eindämmung der Verwechslungsgefahr beizutragen (vgl Hefermehl FS Hueck, 1959, 519, 532); jedenfalls kann nicht immer von einer Nachrangigkeit der zeitl später aufgekommenen Bezeichnung ausgegangen werden (Köln NJW 1984, 1358 – Farina; BGH ZIP 1991, 465 für langjährige Duldung der Bezeichnung „Johanniter“ für ein alkoholisches Getränk). Bei frei gewählten Buchstabenabkürzungen als „Namen“ kommt es darauf an, ob die Verkehrsgeltung bereits bestand, als der Gegner eine verwechslungsfähige Bezeichnung wählte (BGHZ 43, 245, 255). Die Verhältnisse können auch so liegen, dass sämtliche Gleichnamigen die Pflicht zur Abgrenzung durch Zusätze haben (BGHZ 14, 155, 159 = BGH NJW 1954, 1681; GRUR 1960, 33, 36; DB 1985, 1935). Vielfach lässt sich jedoch bei Gleichnamigen auch durch Zusätze die Verwechslungsgefahr nicht ganz beseitigen; ein gewisser Rest wird daher uU in Kauf genommen werden müssen (RGZ 170, 265, 270; BGHZ 4, 96, 105; Siebert BB 1959, 641, 643; Hefermehl FS Hueck, 1959, 519, 532). Auch außerhalb des geschäftlichen Verkehrs kann sich in ganz besonders gelagerten Fällen aus § 12 mit Rücksicht auf eine Verwechslungsgefahr die Pflicht zur Zurückhaltung bei dem Gebrauch des eigenen vollen Namens ergeben (BGHZ 29, 256, 263f). Neue Unternehmen müssen bei der Wahl des Firmennamens auch auf bestehende abgekürzte Bezeichnungen und Firmenschlagworte, soweit diese den Schutz des § 12 genießen (vgl Rn 14, 15), Rücksicht nehmen, und selbst dann, wenn es sich um ein dem gewöhnlichen Sprachschatz entnommenes alltägliches Wort handelt, Abstand wahren, um eine Verwechslungsgefahr auszuschalten (vgl BGH NJW-RR 1988, 95). Kein Namensmissbrauch liegt beim Gebrauch eines ursprünglichen Familiennamens vor, der zur Beschaffenheitsangabe geworden ist (RGZ 69, 310; 100, 182, 187), sowie beim Gebrauch eines Namens zur Bezeichnung einer typischen Figur ohne Beziehung zu einem bestimmten Menschen (KG JW 1921, 1551). c) Als Interesse des Berechtigten genügt idR jedes verständliche persönliche und vermögensrechtl Interesse, auch das ideelle und das Affektionsinteresse (RGZ 74, 308, 310f; 114, 90, 93; BGHZ 8, 318, 322f; 43, 245, 255; BGH WM 1985, 95; Sack WRP 1984, 521; Hefermehl FS Hueck, 1959, 519, 533). Bei der Frage der Verletzung eines Interesses ist danach nicht nur auf die im Gebiet des Wettbewerbsrechts maßgebliche Verwechslungsgefahr abzustellen. Es reicht aus, dass der berechtigte Namensträger durch den unbefugten Gebrauch des Namens (oder der Abkürzung) seitens des anderen mit diesem anderen in irgendeine Beziehung gebracht wird, etwa falscher Schein einer Familienzugehörigkeit, der allerdings nicht entsteht, wenn bei den angesprochenen Verkehrskreisen Assoziationen an einen anderen Träger des nur mit normaler Kennzeichnungskraft ausgestatteten Namens nicht geweckt werden (München MDR 1996, 1033 – v Frankenberg). Auch kommt der Schutz nicht allen Familienangehörigen dieses Namens zugute (BGHZ 43, 245, 254). Die Schutzwürdigkeit kann richtig nur beurteilt werden, wenn auch entgegengesetzte Belange Berücksichtigung finden und beim Widerstreit abgewogen wird, welches Interesse größere Beachtung verdient und daher vorgehen muss (RG JW 1939, 153, 154; BGH LM 21 zu § 12 – Lego). Düsseldorf NJW-RR 1990, 293 hat eine Verletzung des Namensrechts und des Allg Persönlichkeitsrechts verneint, wenn bei der Lieferung von Waren auf den Frachtbriefen wahrheitswidrig der Firmenname eines Dritten als Absender angegeben wird, um aus Furcht vor dem Boykott arabischer Länder Lieferungen nach Israel nicht in Erscheinung treten zu lassen – kaum analogiefähige Ausnahmesituation. Für die Frage, ob berechtigte Interessen eines Namensträgers dadurch verletzt sind, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, ist die Priorität von entscheidender Bedeutung (vgl BGH NJW-RR 1988, 95, wonach der „Jüngere“ alles ihm Mögliche gegen die Verwechslungsgefahr tun muss); zur längeren Nichtbeanstandung s Rn 35. Ist der Tätigkeitsbereich des Unternehmens, um dessen Namensschutz es sich handelt, auf einen bestimmten Wirtschaftsraum beschränkt und daher auch die Kennzeichnungskraft seiner Bezeichnung raumgebunden, geht die Schutzwirkung des § 12 nicht über diesen Raum hinaus (BGH LM 16 zu § 12 – Tabu, 17 zu § 12 – Tabu-Betriebe). Anderes gilt jedoch, wenn das Unternehmen darauf angelegt ist, nach Art eines Filialbetriebes Gaststätten in den verschiedensten, über das gesamte Bundesgebiet verstreut liegenden Plätzen zu betreiben, und den Umständen nach mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass es diese Absicht verwirklichen wird (BGH LM 16 zu § 12 – Tabu; einschränkend BGH DZWIR 1994, 243). Auf § 12 wird seit BGHZ 28, 320, 328 auch der Rechtsschutz berühmter Marken (mit Namensfunktion) gegen Verwässerungsgefahr gestützt (zum Schutzbereich BGH MDR 2019, 561). Es handelt sich dabei um den Schutz 18
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Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer
§ 12
eines über die Abnehmerkreise hinaus allg bekannten Kennzeichens (mit Namensfunktion) gegen Beeinträchtigung der auf der Einmaligkeit beruhenden starken Werbewirkung. Schutzwürdigkeit wird in solchen Fällen auch angenommen, wenn wegen völliger Branchenverschiedenheit die Gefahr einer Täuschung des Publikums an und für sich ausscheidet, durch die Benutzung gleicher oder ähnlicher Zeichen aber in die Alleinstellung des bekannten Kennzeichens eingebrochen wird (BGHZ 19, 23, 27; vgl auch BGHZ 15, 107 = BGH JZ 1955, 332 m Anm Bussmann = JR 1955, 219 m Anm Reimer; BGH NJW 1956, 1713 – Meisterbrand; NJW 1966, 343 – Kupferberg; Hamburg WRP 1986, 407, 409f – Underberg; BGH WM 1988, 429; WM 1989, 1584; Hamburg WM 1991, 648; zu „shell“ und „rollsroyce“ als Domainadresse vgl Rn 15). Zu berücksichtigen ist auch, ob das die Unternehmenskennzeichnung tragende Unternehmen im Bereich des anderen Unternehmens mit der neuen, ähnlichen Bezeichnung tätig werden könnte (BGH WM 1988, 429, 431). Voraussetzung ist, dass im Publikum mit dem Markenzeichen eine allg Wertschätzung und Verkehrsgeltung verbunden ist, dies trifft nach Hamburg DB 1973, 326 zu, wenn ein Name ca 70–80 % der Bevölkerung als Kennzeichen der bestimmten Ware bekannt ist. Dieser Sonderschutz kann einer Marke jedoch nicht schon zugebilligt werden, wenn sie „auf dem Wege“ zur Berühmtheit ist (BGHZ 19, 23, 27f; LM 20 zu § 12). Er darf nur mit großer Vorsicht und nur in besonders gelagerten Ausnahmetatbeständen gewährt werden (BGHZ 28, 320, 327f; BGH MDR 1960, 901). Die Veränderung des Aussehens eines warenzeichenrechtl geschützten Gegenstandes durch einen privaten Eigentümer ist zeichenund namensrechtl frei (Köln NJW 1995, 1759 – Rolex). Einem geschiedenen Ehegatten steht gegen die Führung des Namens durch den früheren Partner die Klage nach § 12 wegen § 1355 V nicht mehr zu. Beide Ehegatten können den Ehenamen weiterführen und haben jeder für sich die Rechte aus § 12 bei unerlaubter Führung des Namens. Dass der Geburtsname weiterhin geschützt ist, ergibt sich aus dem unter Rn 10 Gesagten. Da die Ausübung des Wahlrechts nach § 1355 IV, die zum Verlust des Ehenamens für den Wählenden führt, einen freien Entschluss des Betroffenen darstellt, ist anzunehmen, dass der frühere Ehegatte auch für den früheren Ehenamen keine Schutzrechte mehr hat. In ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen, in denen der frühere Ehegatte trotz der Wahlausübung nach außen noch durch den früheren Ehenamen gekennzeichnet ist, lässt sich eine Fortwirkung des Namensschutzes als Ausfluss des Allg Persönlichkeitsrechts vertreten. Der Träger eines weit verbreiteten Namens hat idR kein schutzwürdiges Interesse, einem anderen den Gebrauch dieses Namens zu untersagen (RGZ 100, 182, 187). Doch kann ein solches vorliegen, wenn durch das unbefugte Benutzen des Namens aufgrund bestimmter Umstände der Eindruck erweckt wird, der andere gehöre zur Familie eines bestimmten berechtigten Namensträgers. Personen, welche im öffentlichen Leben stehen oder in Kunst und Wissenschaft ein allg Interesse wachrufen (Personen der Zeitgeschichte), müssen sich eine gewisse Einschränkung des Namensrechts gefallen lassen. Entspr den natürlichen Bedingungen sozialen und geschichtlichen Lebens ist ein gewisses Anrecht der Allgemeinheit an der freien Darstellung und Abbildung solcher Personen einzuräumen (dazu RGZ 74, 308, 311f). IV. Dispositionsmöglichkeiten. Das Namensrecht ist nicht übertragbar (krit Forkel GRUR 1988, 491). Zulässig ist jedoch die vertragl Einräumung der Befugnis zur Benutzung des Namens (RG JW 1927, 117; Karlsruhe BB 1991, 92 – Universität Heidelberg), ferner auch der Verzicht auf das Recht aus § 12 (RGZ 74, 308, 312). Es darf aber keine Täuschung der Allgemeinheit die Folge sein; zur gleichen Rechtslage beim Warenzeichen vgl BGHZ 1, 241, 246; auch § 37 HGB kann ein Hindernis bilden. Zur Übertragbarkeit und Pfändbarkeit der Rechte aus einer Domainadresse s Rn 15. Es ist auch möglich, dass nach Ausscheiden eines Mitglieds einer (Anwalts-)Sozietät diese seinen Namen im Briefkopf weiterführt, dies auch dann, wenn der Ausgeschiedene in einer anderen Sozietät seine Tätigkeit fortsetzt (München NJW-RR 1993, 621 m Kurzkomm Ring EWiR § 12 BGB 3/93; ebenso BGH NJW 2002, 2093). Bei entgeltlicher Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts sind eine solche Gestattung und ein weitgehender Verzicht idR anzunehmen, wenn das Geschäft im Ganzen übernommen wird, s dazu die Nachw in Rn 13. Zur Vereinbarung der Benutzung einer Firmenbezeichnung s BGH GRUR 1970, 528, 531; DB 1985, 1934, wo besonders hervorgehoben wird, dass der Rechtsgedanke des § 23 HGB nicht entgegensteht; einschränkend beim Kauf eines Geschäftsbetriebs aber BGH NJW 1996, 1672. Der Benutzungsberechtigte erlangt durch die Befugnis kein eigenes Recht, die Führung des Namens zu untersagen. Doch kann er berechtigt sein, selbständig als Prozesspartei aufzutreten und in den im Vertrag bestimmten Grenzen die Rechte aus dem Namen, wenn auch nicht als eigene, geltend zu machen (RGZ 87, 147, 150; Frankfurt NJW 1952, 792, 793 m Anm Lent). Auch kann derjenige, der aufgrund Lizenz des Namensträgers dessen Namen in Gebrauch nimmt und dafür Verkehrsgeltung erlangt, ggü einem späteren Lizenznehmer das frühere Recht durchsetzen (Zweibrücken OLG 1980, 31; s auch Forkel NJW 1983, 1764). Der durch eine Gestattung Berechtigte erwirbt zwar nicht die Priorität der Kennzeichnung seines Vertragspartners, kann sich aber (in entspr Anwendung des § 986 I 2) gegen den Angriff eines Dritten auf diese berufen (BGH MDR 1993, 1071; Stuttgart ZIP 1994, 1553). Innerhalb eines Konzerns kann die Registrierung von Domainnamen für die Konzernunternehmen zentral durch eine Holding oder eine Verwaltungsgesellschaft erfolgen; die Holdinggesellschaft, die die Unternehmenskennzeichnung einer Tochtergesellschaft mit deren Zustimmung als Domainname registrieren lässt, ist im Streit um den Domainnamen als Berechtigte anzusehen (BGH NJW 2006, 146, 147 – segnitz.de). Zum Sonderfall der gestatteten Verwendung eines Namensaufdrucks auf Waren ohne Herkunftshinweisfunktion BGH NJW 1993, 918 m Anm Schricker EWiR § 12 BGB 1/93. V. Rechtsfolgen der Verletzung. 1. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch. Der Anspruch aus § 12 geht nach S 1 auf Beseitigung der Beeinträchtigung, also etwa auf Entfernung des Namens auf dem Ladenschild, Saenger
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auf Löschung des Warenzeichens (RGZ 117, 215, 221), auf öffentlichen Widerruf oder Berichtigung in öffentlichen Anzeigen usw. Handelt es sich (etwa bei Gleichnamigen) um Beseitigung der Verwechslungsgefahr, muss grds demjenigen, gegen den sich der Beseitigungsanspruch richtet, überlassen bleiben, darüber zu entscheiden, durch welche Namensgestaltung er der Verwechslungsgefahr begegnen will (BGH LM 19 zu § 12). Bei Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen gibt S 2 einen Anspruch auf Unterlassung künftiger Namensanmaßung. Dies wird idR anzunehmen sein, wenn die Namensanmaßung bereits eine Beeinträchtigung zur Folge gehabt hat und dennoch fortgesetzt wird (Staudinger/Fritzsche Rn 352). Zur Unterlassungsklage gegen einen Gewerbetreibenden, der Erzeugnisse eines Dritten unter einer als rechtl unzulässig beanstandeten Herstellerfirma in den Verkehr bringt, BGH LM 15 zu § 12. Bei unbefugter Verwendung des Namens als Domainadresse steht dem berechtigten ggü dem nichtberechtigten Inhaber ein Anspruch auf Löschung, aber nicht auf Überschreibung zu (BGH NJW 2002, 2031 – shell.de; krit zum Löschungsanspruch Boecker GRUR 2007, 370). Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 12 steht dem Berechtigten zu, der als Betroffener hinreichend erkennbar sein muss (Köln NJW-RR 2019, 106, 107; BeckOK/Förster Rn 339). Der in Anspruch Genommene muss nach allg, auch zu § 1004 anerkannten Regeln Störer sein. Dies ist in Bezug auf die DENIC, welche die Registrierung von Domainnamen vornimmt, im Grundsatz zu verneinen. Denn diese ist grds nicht zur Prüfung verpflichtet, ob der angewendete Domainname Rechte Dritter verletzt (BGHZ 148, 13 = BGH NJW 2001, 3265 – ambiente.de; BGH NJW 2004, 1793 – kurt-biedenkopf.de; anders für Internet-Provider LG Köln CR 2001, 622 wegen des Kausalbeitrags des Vermittlers). Zwar hat der BGH hervorgehoben, die DENIC brauche in der Phase der Erstregistrierung auch auf eindeutige Verstöße nicht zu achten (BGH NJW 2004, 1793 – kurt-biedenkopf.de; krit Schieferdecker, Die Haftung der Domainvergabestelle, 2003, 209f). Bereits zuvor hatte das Gericht aber eingeräumt, eine Prüfungspflicht und im Verletzungsfall Störereigenschaft für die Zukunft könne zu bejahen sein, wenn die DENIC von einem Dritten auf eine offenkundige und ihr ohne Weiteres feststellbare Rechtsverletzung aufmerksam gemacht werde (BGHZ 148, 13 = BGH NJW 2001, 3265 – ambiente.de; ähnlich LG Hamburg MMR 2009, 708, das bei top level-Domains eine Störerhaftung der DENIC annimmt, wenn der Verstoß offenkundig und für den Sachbearbeiter ohne weitere Nachforschungen erkennbar war). Eine so offenkundige Namensrechtsverletzung liegt jedenfalls vor, wenn es sich bei dem Namen um die offizielle Bezeichnung der für die Verwaltung eines Regierungsbezirks zuständigen Behörde handelt und der beanstandete Domainname von einem in Panama ansässigen Unternehmen registriert worden ist (BGH MDR 2012, 793 – regierungoberfranken.de). Auch derjenige, der sich von einem ausl Anmelder eines Domainnamens ggü der DENIC als administrativer Ansprechpartner (Admin-C) benennen und registrieren lässt, haftet nur dann als Störer, wenn ihn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls eine besondere Prüfungspflicht trifft (BGH MDR 2012, 296 – Basler Haar-Kosmetik). Für die Entgegennahme von Anzeigenaufträgen in Telekommunikationsteilnehmerverzeichnissen besteht eine Prüfungspflicht; wegen des Gebots der raschen Entscheidung beschränkt sich die Prüfungspflicht auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße (BGH GRUR 2006, 429, 430f – SchlankKapseln; GRUR 2006, 957 – Stadt Geldern). Zur Störerhaftung von eBay bei Verletzung von Namensrechten durch registrierte Benutzer vgl BGH NJW 2008, 3714. 2. Verwirkung von Ansprüchen. Der Anspruch aus § 12 kann durch längeres Nichtgeltendmachen verwirkt werden, doch muss in der verspäteten Geltendmachung ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen. Der bloße Zeitablauf ist insoweit nicht ausreichend. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann aber anzunehmen sein, wenn der unbefugte Namensträger mit einer Duldung des Namensgebrauchs rechnen konnte und sich während der langen Untätigkeit des berechtigten Namensträgers einen wertvollen Besitzstand geschaffen hat, welcher nunmehr zerstört werden würde (vgl dazu RGZ 167, 184, 190; BGHZ 21, 66, 78ff; BGH NJW 1966, 343, 346; GRUR 1975, 69; 1981, 60 m Anm Schulze zur Wiesche; BGH ZIP 1991, 465). Der Verwirkungseinwand kann versagen, wenn der ältere berechtigte Namensträger rechtzeitig widersprochen hat (BGH BB 1957, 727) oder wenn der Verletzer durch zusätzl wettbewerbliche Maßnahmen die ursprünglich beschränkte Wirkung des Verstoßes fortlaufend verstärkt hat (BGH LM 19 zu § 12). VI. Verhältnis zu anderen Ansprüchen. 1. „Sonstiges Recht“. Das Namensrecht wird als „sonstiges Recht“ von der Bestimmung des § 823 I erfasst. Schuldhafte Verletzung verpflichtet demnach zum Schadensersatz. Hierzu und zum Persönlichkeitsrecht § 823 Rn 40, 48; zur Erstattung des Verletzergewinns auf der Grundlage eines Bereicherungsanspruchs § 818 Rn 18f, Anh § 12 Rn 321. 2. Zeichenrecht. Zum Namensrecht des § 12 im Verhältnis zum Firmen- und Warenzeichenrecht (insb zu § 37 II HGB; § 4 UWG; §§ 5, 15 MarkenG) vgl MüKo/Säcker Rn 189ff; BeckOK/Förster Rn 14ff; Nägele GRUR 2007, 1007. Die Annahme (Naumburg ZIP 1996, 2111), die Führung der Firma einer anderen GmbH führe zur Rechtsscheinhaftung in deren Insolvenz, erscheint bedenklich. Der zeichenrechtl Schutz der §§ 5, 15 MarkenG geht in seinem Anwendungsbereich grds dem Namensschutz des § 12 vor (s Rn 15; BGH NJW 2002, 2031, 2033 – shell.de; NJW 2002, 2096 – vossius.de; NJW 2005, 1996 – mho.de; aA NK/Koos Rn 16). VII. Prozessuales. 1. Feststellungsklage. Neben § 12 ist für eine Feststellungsklage, welche das Namensrecht zum Gegenstand hat, kein Raum (Staudinger/Fritzsche Rn 266). Das Recht zur Führung eines bestimmten Familiennamens kann jedoch unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des § 8 NamÄndG (vgl Rn 7f) auf Antrag (oder von Amts wegen) im Verwaltungswege festgestellt werden. 2. Unterlassung und Widerruf. Zur vorbeugenden Unterlassungsklage und der Klage auf Wiederherstellung (Widerrufsklage) bei Verletzung immaterieller Rechtsgüter, insb bei Ehrverletzung, welche in Verfolgung der 20
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
Anh § 12
den §§ 12, 823, 862, 1004 zugrunde liegenden Rechtsgedanken entwickelt worden sind, vgl Anh § 12 Rn 279ff, 292ff; § 249 Rn 10–12; dazu BGH NJW 1954, 1931; LG Frankenthal NJW 1955, 263 (mitwirkendes Verschulden des Verletzten). Zur Abgrenzung der sich unmittelbar aus § 12 ergebenden Ansprüche (Rn 33) ggü dem Herstellungsanspruch Rötelmann NJW 1954, 1222.
Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht A. Begriff und verfassungsrechtliche Verankerung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . .
I. Ehrenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
I. Begriff und Funktion des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . .
II. Schutz vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität . . . . . . . . . . . . . .
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1
II. Zivilrechtliches Allgemeines Persönlichkeitsrecht und die Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Schutz vor kommerzieller Verwertung . . . . . .
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V. Schutz vor Belästigungen . . . . . . . . . . . . .
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B. Entstehungsgeschichte und Entwicklung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . .
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I. Persönlichkeitsschutz im BGB . . . . . . . . . .
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VI. Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Freiheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Anerkennung eines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Leserbrief-Entscheidung und seine Weiterentwicklung . . . . . . . . . . .
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H. Berechtigte (Gegen-)Interessen und Rechtfertigungsgründe – Vorgaben für die Güterund Interessenabwägung . . . . . . . . . . . .
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I. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigungsgründe . .
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II. Rechtfertigende Einwilligung . . . . . . . . . . .
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10
III. Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 193 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240
11
IV. Kommunikationsfreiheiten und Allgemeines Persönlichkeitsrecht, insb Ehrenschutz . . . . .
244
V. Kunstfreiheit und Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
VI. Wissenschaftsfreiheit und Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . .
266
VII. Indemnitätsschutz . . . . . . . . . . . . . . . .
269
16
VIII. Äußerungen in privaten Vertrauensbeziehungen
270
III. Systematisierungsversuche der Rspr . . . . . . .
17
IV. Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX. Äußerungen in gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . .
271
33
E. Träger des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts .
51
I. Das Internationale Privatrecht des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . .
277 278
C. Struktur und dogmatische Herleitung des zivilrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Legitimation des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtscharakter des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Inhalt und Schutzbereiche des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . .
12
I. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und die besonderen Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . .
12
II. Die ideellen und kommerziellen Bestandteile des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . .
I. Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . .
51
J. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Persönlichkeitsrechtsschutz für Personenvereinigungen: Vom Persönlichkeits- zum Imageschutz .
I. Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . .
278
57
II. Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . .
279
III. Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz . . . .
69
III. Berichtigungsanspruch (Widerrufsanspruch) . .
292
IV. Aktivlegitimation: Individuelle Betroffenheit . .
84
IV. Gegendarstellungsanspruch . . . . . . . . . . .
300
85
V. Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . .
306 313 321
F. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . I. Störereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
VI. Geldentschädigungsanspruch . . . . . . . . . .
II. Behaupten und Verbreiten . . . . . . . . . . . .
86
VII. Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . .
G. Einzelne Schutzbereiche des zivilrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . .
94
Schrifttum: Ahrens, Die Verwertung persönlichkeitsrechtlicher Positionen, 2002; Amelung, Der Schutz der Privatheit im Zivilrecht, 2002; Balthasar, Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht, 2006; v Bar, Empfiehlt es sich, die Voraussetzungen der Haftung für unerlaubte Handlungen mit Rücksicht auf die gewandelte Rechtswirklichkeit und die Entwicklungen in Rechtsprechung und Lehre neu zu ordnen?, in Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, hrsg v Bundesminister der Justiz, Bd II 1983, 1753; Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, 1997; Becker, Das Recht auf Vergessenwerden, 2019; Beater, Öffentliches, inneres und produktives Selbst – der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, JZ 2018, 213; Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz vor und nach dem Tode, 2002; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz durch Persönlichkeitsgüterrechte, 1999; Brossette, Der Wert der Wahr-
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Personen
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1
A. Begriff und verfassungsrechtliche Verankerung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. I. Begriff und Funktion des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Den Begriff des allg Persönlichkeitsrechts (APR) allgemeingültig zu definieren, bereitet erhebliche Schwierigkeiten. So wie die Persönlichkeit nicht abschließend umschrieben werden kann, so lässt sich auch der Gehalt des Rechts, das ihrem Schutz dient, nicht absolut und universal beschreiben. Den bisherigen Definitionsversuchen in Lit und Rspr fehlt jedenfalls bislang die für einen Rechtsbegriff nötige Klarheit und Präzision. Schon Hubmann, 137ff, 155, wies frühzeitig darauf hin, dass der Versuch einer positiven inhaltl Bestimmung des Persönlichkeitsrechts am „geheimnisvollen Wesen der Persönlichkeit“ scheitern muss. Man könne daher den Inhalt des Persönlichkeitsrechts lediglich dahin umschreiben, dass es die wertvollen persönlichen Interessen umfasst, also die Personenwerte, die nicht durch die Verkehrsauffassung und Kulturanschauung verselbständigt und durch die Rechtsordnung zu selbständigen Rechten ausgebildet wurden. Der BGH, der das APR in seiner Leserbrief-Entscheidung (BGHZ 13, 334 – Leserbrief) als „sonstiges Recht“ iSd § 823 I anerkannt hat (vgl hierzu Erman/Ehmann12 Rn 1), definiert es als „das Recht des Einzelnen auf Achtung 22
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit, das sich nicht nur gegen den Staat und seine Organe richtet, sondern auch im Privatrechtsverkehr gegen jedermann gilt“ (BGHZ 24, 72, 76 – Krankenkassenpapiere). Mit dieser Definition bringt der BGH deutlich die zwei maßgeblichen individualrechtl Funktionen des APR zum Ausdruck: Zum einen die statische Funktion – die Achtung der Menschenwürde – und zum anderen die dynamische Funktion – die Entfaltung der Persönlichkeit –, welche den Persönlichkeitsrechtsschutz maßgeblich prägen. Zu beachten ist jedoch, dass das APR nach jüngster Rspr des BVerfG (BVerfG ZUM 2020, 58, 72 – Recht auf Vergessen sowie BVerfG NJW 2022, 680, 683 – Künast) nicht nur im Individualinteresse, sondern auch im öffentlichen Interesse gewährt wird. Das APR erhält mithin eine öffentliche demokratisch-funktionale Dimension, s ausf Rn 251b. II. Zivilrechtliches Allgemeines Persönlichkeitsrecht und die Verfassung. Der BGH schuf das APR in seiner Leitentscheidung (BGHZ 13, 334 – Leserbrief) unter Berufung auf Art 2 I iVm Art 1 I GG. Das Gericht kreierte hierbei im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung ein verfassungsrechtl Institut, um dieses sogleich im Wege der Drittwirkung zur Anwendung zu bringen (Wanckel, 88). Erst später leitete das BVerfG aus der allg Handlungsfreiheit des Art 2 I GG zahlreiche Selbstbestimmungsrechte ab, welche in der Eppler-Entscheidung (BVerfGE 54, 148, 153; einschränkend BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM) als „verfassungsrechtl allgemeines Persönlichkeitsrecht“ dem wortgleichen „bürgerlich-rechtl allgemeinen Persönlichkeitsrecht“ vorangestellt wurden (Erman/Ehmann12 Rn 91ff; Baston-Vogt, 120). 1. Die durch Schutzpflichten vermittelte Drittwirkung des verfassungsrechtl APR. Die Grundrechte, insb Art 2 I und Art 1 I GG, haben maßgeblichen Einfluss auf das bürgerl-rechtl APR. Allerdings sind sie historisch, inhaltlich und mit Blick auf ihre Reichweite auf das Verhältnis Staat-Bürger zugeschnitten und tragen gerade nicht der Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit des Privatrechts sowie dem Umstand Rechnung, dass sich im Konfliktfall stets zwei Grundrechtsträger gegenüberstehen. Eine unmittelbare Drittwirkung ist folglich angesichts der damit zwangsläufig verbundenen Freiheitsbeschränkungen und Reglementierungen abzulehnen. Daher besteht auch weitgehend Einigkeit in der Lit, dass die allg Handlungsfreiheit nicht über das zivilrechtl APR zum sonstigen Recht iSd § 823 I gemacht werden darf (Ehmann AcP 188, 307f; Baston-Vogt, 125 mwN), andernfalls würde jede die Freiheit und Interessen anderer beeinträchtigende Handlung zu einem rechtfertigungsbedürftigen Delikt (zutr Baston-Vogt, 128). Will man die Eigenständigkeit des Privatrechts wahren, können und dürfen verfassungsrechtl und zivilrechtl Rechtswidrigkeit nicht identisch sein. Die Grundrechte liefern jedoch Vorgaben für den Privatrechtsverkehr. Sowohl der Privatrechtsgesetzgeber als auch der Privatrechtsrichter, die ihrerseits beide unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind (Art 1 III GG), müssen ihrer grundrechtl Schutzpflicht nachkommen und die grundrechtl Werte im Zivilrecht umsetzen (Canaris AcP 184, 201, 212; Hager JZ 1994, 373, 374; BVerfGE 81, 242 – Handelsvertreter). Daher sind die Gerichte nicht nur zur Rechtsanwendung des zivilrechtl APR berufen, sondern auch zur Rechtsgestaltung (Rechtsfortbildung), sofern es die Wertungen des verfassungsrechtl APR erfordern. Privatrechtsgesetzgeber und Privatrechtsrichter haben hierbei jedoch einen erhebl Beurteilungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, weshalb es insb im Ermessen des Gesetzgebers steht, auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln (Straf-, Verwaltungs- oder Zivilrecht) den bestehenden verfassungsrechtl Verpflichtungen nachgekommen wird. Das gesetzgeberische Handeln muss sich jedoch stets am Grundsatz der Effektivität orientieren. Entscheidend ist im Erg, dass die Gesamtheit, der dem jew Rechtsgut dienenden Normen effizienten Schutz gewährleistet (Hermes NJW 1990, 1764, 1765f; sowie Hager JZ 1994, 373, 378) und das Untermaßverbot nicht verletzt wird (ganz hM, vgl statt vieler Canaris AcP 184, 201, 228; Zöllner RDV 1985, 3, 8ff; Jarass NJW 1989, 857, 861). 2. Das Verhältnis zw zivilrechtl und verfassungsrechtl APR. Das zivilrechtl APR soll die Grundbedingungen für die Selbstverwirklichung einer Person ggü den kollidierenden Freiheiten und Interessen Dritter sichern und dadurch die Grundentscheidungen der Verfassung in das Zivilrecht transportieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Zivilrichter Verfassungsrecht anzuwenden hätte, vielmehr muss er das Privatrecht unter Beachtung der verfassungsrechtl Vorgaben gestalten. Das zivilrechtl APR ist daher nicht mit dem verfassungsrechtl APR (Art 2 I iVm Art 1 I GG) identisch (so auch BVerfG NJW 2006, 3409 – Blauer Engel II, hierzu auch Helle AfP 2010, 531f; krit Staudinger/Hager § 823 Rn C 4), denn das zivilrechtl APR ist ein sonstiges Recht iSv § 823 I, das auf den Schutz von Privatrechtsverhältnissen zugeschnitten sowie maßgeblich durch die im Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzungen gegebene Zweiseitigkeit der Rechtsverhältnisse geprägt ist und lediglich im Wege der durch die Schutzpflichten vermittelten Drittwirkung vom verfassungsrechtl APR beeinflusst wird. Zu trennen ist das zivilrechtl APR zudem von der allg Handlungsfreiheit (Jarass NJW 1989, 857; Baston-Vogt, 119f). Der rechtl Unterschied zw zivilrechtl und verfassungsrechtl APR tritt im positiven Recht insb im Schutz der Ehre (Rn 94ff), der kommerziellen Interessen und im postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz (nur einfach-rechtl Schutz, ausf Rn 206 sowie Rn 72ff) in Erscheinung. Aufgrund der fehlenden Deckungsgleichheit ist es auch möglich, dass das zivilrechtl APR mehr Schutz vermittelt als das verfassungsrechtl APR (so auch Helle AfP 2010, 531, 532). 3. Maßgebliche Abwägungsgrundsätze. Die meisten durch das zivilrechtl APR geschützten Interessen (die kommerziellen Bestandteile sollen nach BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine nur einfach-rechtl Schutz genießen, vgl Rn 206) sind verfassungsrechtl abgesichert. Jedoch trifft dies auch auf die in Konfliktsituationen betroffenen „typischen Gegeninteressen“ zu, die zumeist einen Schutz durch die in Art 5 GG verankerten Kommunikationsfreiheiten, die Kunstfreiheit oder andere grundrechtl geschützte Werte (Art 12, 14 GG ua) erfahren. Die beteiligten Interessen müssen daher im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich gebracht werden (vgl Klass
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BVerfGE 7, 198, 215 – Lüth; 17, 306, 313; 65, 1, 44 – Volkszählung, 83, 130, 143 – Mutzenbacher ua). Dies bedeutet, dass die sich prinzipiell gleichwertig gegenüberstehenden Verfassungswerte (BGHZ 24, 72, 80 – Krankenkassenpapiere) in einem konfliktlösenden Abwägungsprozess zu einer möglichst optimalen Wirksamkeit gebracht werden müssen (Erman/Ehmann12 Rn 14). Einer Abwägung bedarf es jedoch nicht, sofern die unantastbare Menschenwürde tangiert ist, denn sie ist mit keinem Grundrecht abwägungsfähig (grundlegend Dürig AöR 81 (1956), 117). Stehen den in den Grundrechten zu verortenden Interessen und Freiheiten nur „einfach-rechtl“ geschützte Rechtspositionen ggü, müssen letztere aufgrund des dann geltenden Verdrängungsprinzips zurücktreten (vgl BVerfGE 7, 198 – Lüth; BGH NJW 2007, 689, 689 – Lafontaine; dazu auch Ehmann AfP 2007, 81ff; ebenso BGH ZUM 2013, 132, 136 Rn 29f, 38 – Playboy am Sonntag). Zu typischen Abwägungs- und Vorzugsregeln im Verhältnis APR und Kommunikationsfreiheiten, insb Meinungsfreiheit vgl Rn 249ff. 4. Grundrechtsschutz und Verfassungsbeschwerde: Die Intensität der verfassungsgerichtl Überprüfung. a) Grundregel: Die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. In den meisten str Persönlichkeitsrechtsfällen kann die unterlegene Partei nach Erschöpfung des Rechtsweges (im Fall einer einstw Vfg muss grds auch der Rechtsweg in der Hauptsache erschöpft sein, BVerfG AfP 2006, 550; NJW 2007, 2685; ebenso muss die Anhörungsrüge gem § 321a ZPO zuvor erhoben worden sein, BVerfG NJW 2007, 3054 – Presseschau) gem Art 93 I Nr 4a GG iVm § 90 BVerfGG Verfassungsbeschwerde mit der Begründung erheben, durch die öffentliche Gewalt in Form der Gerichtsbarkeit in ihren Grundrechten verletzt worden zu sein (s Erman/Ehmann12 Rn 15f). Die Verfassungsbeschwerde bedarf gem § 93a BVerfGG der Annahme zur Entscheidung, die abgelehnt werden kann, wenn ihr keine grds verfassungsrechtl Bedeutung zukommt (zB BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen). Nach der sog „Heck’schen Formel“ (hierzu Hähnlein NJW 1996, 3134) soll allerdings nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts die Verfassungswidrigkeit begründen können, hierzu heißt es in BVerfG NJW 1964, 1715, 1716 – Künstliche Bräunung: „Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das BVerfG entzogen; nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das BVerfG auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (vgl BVerfGE 1, 418, 420). Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, obj fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen.“ Zudem sei das BVerfG nicht befugt „seine eigene Wertung des Einzelfalls nach Art eines Rechtsmittelgerichts an die Stelle derjenigen des zuständigen Richters zu setzen“ (BVerfGE 30, 173, 197 – Mephisto). Ebenfalls könne es einer zivilgerichtl Entscheidung „nicht schon dann entgegentreten, wenn es bei der Beurteilung der widerstreitenden Grundrechtspositionen lediglich die Akzente anders gesetzt und daher selbst anders entschieden hätte“ (vgl BVerfGE 42, 143, 148; 120, 180, 210 sowie ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi). Das Argumentationsmuster der Heck’schen Formel wurde oft wiederholt, teils bestätigt (zB in BVerfG NJW 1991, 1475) und teils eingeschränkt; vgl BVerfGE 42, 143, 148; 43, 130, 138; 82, 43, 52 – Strauß-Transparent; 85, 1, 14 – Kritische Bayer-Aktionäre; 94, 1, 9; BVerfG NJW 1998, 2889; 2000, 1021 – CvM; ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi; s auch Erman/Ehmann12 Rn 15f. b) Ausnahmen. Das BVerfG beanspruchte jedoch in späteren Entscheidungen (insb BVerfGE 85, 1, 14 – Kritische Bayer-Aktionäre; ähnl auch BVerfG NJW 1992, 2013 – Nazi; NJW 1994, 2943 – Soldaten sind Mörder III; BVerfGE 54, 129, 135 – Kunstkritik ua) entgegen den Grundsätzen der Heck’schen Formel ebenfalls die Kompetenz zur Prüfung, ob eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil vorliegt, ob der Sinngehalt der Äußerung richtig erkannt ist, ob die Äußerung „eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage“ betrifft, und ob eine Schmähkritik vorliegt. Denn die Bedeutung der Grundrechte werde verkannt, wenn die Gerichte eine Äußerung unzutr als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik einstufen, mit der Folge, dass sie nicht in dem Maße am Schutz durch das GG teilnehmen wie Äußerungen, die als Werturteile ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (BVerfGE 82, 43, 51 – Strauß-Transparent; 82, 272, 281; 85, 1, 14 – Kritische Bayer-Aktionäre; 94, 1, 8f; BVerfG NJW 1992, 2013 – Nazi; NJW 1993, 1845 – Prinzessin Erna v Sachsen; BayObLG NJW 1995, 2501, 2502; vgl ferner BVerfGE 61, 1, 10 – NPD Europas). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich mithin auch auf die für den Grundrechtsschutz weichenstellende Deutung der im Streit stehenden Äußerung (BVerfG NJW 2010, 3501 – Gen-Milch). Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen wurde der Vorwurf laut, das BVerfG habe sich nicht bloß zur Superrevisions-, sondern gar zur Superberufungsinstanz aufgeschwungen (vgl Isensee JZ 1996, 1090; Starck JZ 1996, 1033; Erman/Ehmann12 Rn 17). In Reaktion auf die Kritik stellte das BVerfG jedoch fest (BVerfGE 94, 1, 9): „Dagegen ist es nicht Sache des BVerfG, den jew Rechtsstreit, der trotz des grundrechtl Einflusses seine Eigenart als Zivil- oder Strafverfahren nicht verliert, selbst zu entscheiden“; ebenso BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM; NJW 2006, 3266, 3267 – KZ-Arzt: „Das BVerfG überprüft nur, ob diese (die Fachgerichte) den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben“; anders aber BVerfG NJW 2002, 3315 (Rüge der unzureichenden Beweiserhebung und/oder Beweiswürdigung). B. Entstehungsgeschichte und Entwicklung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. I. Persönlichkeitsschutz im BGB. Das Erfordernis der Anerkennung eines umfassenden Persönlichkeitsschutzes wurde schon seit Mitte des 19. Jh verstärkt in der Lit thematisiert, und es wurde die Forderung laut, ein APR in das Zivilrecht zu integrieren (v Gierke, Deutsches Privatrecht Bd I, 702ff sowie Kohler, 129). Der erste Entwurf des BGB sah dann zwar auch in § 704 II einen Schutz der Ehre vor, dieser scheiterte jedoch aufgrund von Unstimmigkeiten, wenn auch nicht hinsichtl des Ehrenschutzes selbst (§ 704 II des Entwurfs wurde daher in den Beratungen der zweiten 24
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Kommission gestrichen; vgl hierzu Mugdan, Materialien zum BGB Bd H, 1077). Und auch in den Beratungen des Reichstages waren die Bemühungen, einen privatrechtl Schutz der Ehre zu erreichen, nicht von Erfolg gekrönt (Coing JZ 1958, 558, 559). Eine Übereinkunft war letztlich nicht zu erzielen, weil zu unterschiedl Positionen hinsichtl der konkreten Ausgestaltung des Rechtsschutzes, der Wahl der einzusetzenden Rechtsmittel sowie der anzudrohenden Rechtsfolgen bestanden. In der Folgezeit beschränkte sich der Schutz der Persönlichkeit daher lediglich auf bestimmte Persönlichkeitsgüter, wie zB auf den Namensschutz in § 12 oder den Schutz des § 823 für Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit; die Forderung nach einem Schutz der Gesamtpersönlichkeit blieb jedoch unerfüllt (Coing JZ 1958, 558, 559). Das Reichsgericht hielt sich zwar formal an die Vorgabe des BGB und vertrat den Standpunkt, ein allg subj Persönlichkeitsrecht sei dem geltenden bürgerlichen Recht fremd, es gebe nur besondere, gesetzl geregelte Persönlichkeitsrechte. Gleichwohl wurde der Persönlichkeit oftmals häufig gerade durch die Rspr des RG Schutz verliehen, denn das Gericht versuchte über eine extensive Auslegung der Generalklausel des § 826 und der gesetzl geregelten besonderen Persönlichkeitsrechte zu befriedigenden Ergebnissen zu gelangen (vgl bspw RGZ 72, 175ff). Daneben wurde auch über § 823 II auf die strafrechtl Schutznormen zurückgegriffen, sodass zumindest ein fragmentarischer Schutz gegeben war (Coing JZ 1947, 641, 641ff; JZ 1958, 558, 559). Erst nach der Ära des Nationalsozialismus entflammte in der Rechtswissenschaft erneut die Diskussion über eine Regelung des Persönlichkeitsschutzes. Vor allem vor dem Hintergrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre war man bemüht, Wert und Bedeutung der Person im Zivilrecht neu zu bestimmen (vgl Hubmann, 1967). Aber auch die Verfassungen der Länder und insb das neu geschaffene GG, in dem die Verfasser die Würde des Menschen und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit besonders betonten, übten einen starken Einfluss aus. II. Anerkennung eines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Leserbrief-Entscheidung und seine Wei- 9 terentwicklung. Als Vollender des privatrechtl Persönlichkeitsschutzes ist jedoch der BGH anzusehen, denn dieser erkannte in seiner bahnbrechenden Leserbrief-Entscheidung v 25.5.1954 (BGHZ 13, 334) in Abkehr von der bisherigen Rspr erstmals ein von jedermann zu achtendes Persönlichkeitsrecht an: „Nachdem nunmehr das Grundgesetz das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde (Art 1 GG) und das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auch als privates, von jedermann zu achtendes Recht anerkennt, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art 2 GG), muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angesehen werden“. Indem der BGH das APR als sonstiges Recht iSv § 823 I anerkannte, eröffnete er den Gerichten die Möglichkeit, die Gesamtpersönlichkeit vor rechtswidrigen und schuldhaften Verletzungen umfassend zu schützen. Die Jurisprudenz reagierte auf dieses Urt größtenteils euphorisch; Dürig bspw sah in der Anerkennung des APR den „fraglos kühnsten und im Prinzip den gelungenste(n) Wurf des Privatrechts während der letzten Jahre“ (Dürig/Herzog/Scholz/Herdegen Art 1 I Rn 38). Es wurde jedoch auch Kritik laut, insb mit Blick auf die Unbestimmtheit des Rechts (vgl Hubmann, 6ff, Fn 12 mwN). Der BGH wiederholte und bekräftigte seine Auffassung jedoch in weiteren Entscheidungen. Zudem gewährte er im Jahr 1958 trotz des in § 253 aufgezählten Enumerativprinzips in einem weiteren Fall Geldersatz für Nichtvermögensschäden (BGHZ 26, 349 – Herrenreiter) und verstärkte dadurch den persönlichkeitsrechtl Schutz erheblich. Diese Konstruktion gab der BGH später allerdings auf, mittlerweile leitet er den Anspruch auf Geldentschädigung für immaterielle Schäden direkt aus dem Grundgesetz (Art 2 I iVm Art 1 I GG) her, denn aus diesem ergebe sich unmittelbar die Notwendigkeit, das Prinzip des § 253 zu durchbrechen und bei besonders schweren Fällen Ersatz zu leisten (st Rspr seit BGHZ 35, 363, 367 – Ginseng). Das BVerfG billigte wenig später ausdrückl sowohl die Rspr des BGH zum APR als auch zur Zuerkennung eines Ausgleichs für Nichtvermögensschäden (BVerfGE 34, 269, 281f – Soraya). Trotz verschiedener Versuche, das APR gesetzl zu normieren (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des zivilrechtl Persönlichkeits- und Ehrenschutzes, 1959 – hierzu Kochel JZ 1959, 513; Weitnauer DB 1959, 45, 46ff; RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtl Vorschriften, 1967 – hierzu Kübler JZ 1968, 542, 542f; zu weiteren Vorstößen insb des DJT s Baston-Vogt, 170ff mwN), ist es bis heute nicht zu einer umfassenden Kodifikation des Persönlichkeitsrechtsschutzes gekommen. C. Struktur und dogmatische Herleitung des zivilrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. I. Legiti- 10 mation des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das APR legitimiert sich aus der Anerkennung der Gesamtpersönlichkeit als verfassungsrechtl zu schützendes Rechtsgut und somit letztlich aus der Schutzgebotsfunktion der Art 2 I und 1 I GG (Baston-Vogt, 15; Wenzel/Burkhardt/Peifer Rn 5.7f; Canaris JuS 1989, 161, 169; AcP 184, 201, 231; MüKo/Rixecker Rn 2; BVerfGE 35, 202, 221 – Lebach). Art 2 I und 1 I GG haben die Aufgabe, die Würde des Menschen, seine engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten. Sie schützen mithin jenen inneren Persönlichkeitsbereich, der stets nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht. Das Gebot, diesen Bereich zu achten, richtet sich dabei nicht nur gegen den Staat, sondern gegen jedermann, weshalb die Persönlichkeit auch zivilrechtl umfassend zu schützen ist (vgl auch BGHZ 13, 334, 338 – Leserbrief). II. Rechtscharakter des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der BGH schuf mit dem APR kein fest umrisse- 11 nes Recht, vielmehr schuf er eine Rechtsfigur generalklauselartigen Charakters (BGHZ 13, 333, 338 – Leserbrief; zur Anerkennung bestimmter Fallgruppen s Rn 24, 26ff), die der Umsetzung grundrechtl Werte diente und dient (Baston-Vogt, 85; krit und für die Ausprägung einzelner besonderer Persönlichkeitsrechte plädierend: Larenz NJW 1955, 523f; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 8ff). Aus diesem Grund war und ist der Charakter dieses Rechts bis heute umstritten. Der BGH erkennt das APR in st Rspr als sonstiges Recht iSd § 823 I an Klass
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(seit BGHZ 13, 334, 338 – Leserbrief). Dies wird jedoch zT kritisiert, insb wird es abgelehnt, einem derart konturenlosen Konstrukt den Charakter eines subj Rechts zuzubilligen (vgl zum Meinungsstreit Baston-Vogt, 85f). Trotz aller Kritik und Konturenlosigkeit bleibt jedoch festzuhalten, dass ein subj Recht, wie Baston-Vogt treffend feststellt, „zum Schutz der Persönlichkeit geradezu prädestiniert“ ist (aaO, 87, Fn 367 mwN), denn ein solches ermöglicht dem Einzelnen individuellen Schutz und verleiht ihm die Befugnis und Macht zur aktiven Durchsetzung seiner Interessen. Zudem hat das Rechtsgut der Persönlichkeit keinen statischen Charakter, vielmehr ist der Schutz auf Dynamik angelegt und stark vom Individuum abhängig. Persönlichkeitsschutz muss daher mehr sein als passiver Integritätsschutz (Klass, Rechtliche Grenzen des Realitätsfernsehens, 2003, 241 mwN). Der Schutz durch eine Generalklausel bietet zudem die Möglichkeit, schnell und flexibel auf neue Gefährdungspotentiale zu reagieren, während eine Tatbestandsbildung im Wege der Analogie meist schwerfälligeren Schutz bietet. Das APR ist ein Rahmenrecht, was bedeutet, dass die Rechtswidrigkeit nicht wie bei den klassischen Gütern und Rechten des § 823 I durch einen Eingriff indiziert ist, sondern erst aufgrund einer umfassenden Güterund Interessenabwägung festgestellt werden kann (BGHZ 13, 334, 338 – Leserbrief; BGHZ 24, 72, 80 – Krankenkassenpapiere; BGHZ 31, 308, 312 – Abgeordneten-Bestechung; BGH NJW 1966, 1617, 1619 – Höllenfeuer; BGHZ 50, 133, 143 – Mephisto ua; Wenzel/Burkhardt/Peifer Rn 5.12). Allerdings werden immer wieder neue Versuche unternommen, die Abwägung zu verdrängen und die Rechtswidrigkeit stattdessen aus der Tatbestandsmäßigkeit abzuleiten (ausf Rn 25). D. Inhalt und Schutzbereiche des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. I. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und die besonderen Persönlichkeitsrechte. 1. Verhältnis zw Allgemeinem Persönlichkeitsrecht und besonderen Persönlichkeitsrechten. Als besondere Persönlichkeitsrechte werden allg diejenigen Rechte bezeichnet, die schon vor Anerkennung des APR gesetzl normiert wurden und mithin im Gegensatz zum APR nicht auf richterl Rechtsfortbildung beruhen, wie bspw das Namensrecht, § 12, und das Recht am eigenen Bild, §§ 22ff KUG (Götting/Schertz/Seitz § 11 Rn 1; vgl ausf Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 37ff). Uneinigkeit herrscht hinsichtl ihres Verhältnisses zum APR. Der BGH geht davon aus, dass es sich um spezielle Ausprägungen des APR handelt, die nach dessen Anerkennung zu integralen Bestandteilen wurden (BGH NJW-RR 1987, 231 – Nena: Klassifizierung des Rechts am eigenen Bild als „Ausschnitt, eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“; NJW 2005, 215, 217). Ein bestehender Spezialschutz entfaltet daher keine Sperrwirkung, denn er soll das APR stärken und keinesfalls schwächen (Götting/Schertz/Seitz § 11 Rn 9: Wortlaut bildet „keine starre Grenze“; diff Baston-Vogt, 112f). 2. Die besonderen Persönlichkeitsrechte. a) Recht am eigenen Bild. Das Recht am eigenen Bild wurde lange vor Anerkennung des APR (als Reaktion auf RGZ 45, 170 – Bismarcks Leiche) mit dem KUG v 9.1.1907 eingeführt. Zweck des Gesetzes ist es, Personen vor der Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung ihrer Bildnisse zu schützen. Zuwiderhandlungen können zivil-, aber auch strafrechtl Konsequenzen nach sich ziehen (§ 33 KUG). Das Recht am eigenen Bild (ausf Rn 167ff) ist als sog besonderes Persönlichkeitsrecht zu qualifizieren und wird durch das APR ergänzt (hierzu Rn 167, 143, 145). b) Namensrecht. Der Name ist die sprachliche Kennzeichnung einer Person. Er dient zum einen als Unterscheidungs- sowie Zuordnungsmerkmal (BGH NJW 1959, 525 – Ehrengedenktafel) und hat Ordnungsfunktion (BVerfG NJW 1988, 1577; hierzu ausf § 12), zum anderen ist er aber auch Ausdruck von Identität und Individualität. Das Namensrecht ist ein absolutes Recht (BGHZ 8, 318, 321 – Pazifist; BGH GRUR 2006, 957) und kann – soweit es dem Schutz der Persönlichkeitssphäre des Einzelnen dient – als besonderes Persönlichkeitsrecht (vgl Rn 12) angesehen werden (BGHZ 17, 209, 214; 143, 214, 218 – Marlene Dietrich). Es schützt den Einzelnen sowohl vor der unbefugten Namensanmaßung als auch vor dem Bestreiten des Namens (Götting/ Schertz/Seitz § 11 Rn 1, 12). Die Vorschrift des § 12 bezweckt den Schutz des Namens in seiner Funktion als Identitätsbezeichnung; verboten sind daher solche Verwendungen, die geeignet sind, eine namensmäßige Zuordnungsverwirrung hervorzurufen (BGH ZUM 2022, 914 – Reizdarmsyndrom: Bezugnahme auf Fachaussagen eines Arztes in einer Werbeanzeige). Die Benutzung eines Namens in einer Veröffentlichung oder der eigenmächtige namentl Hinweis auf eine Person bspw in einer Werbeanzeige verletzt daher idR nicht das Namensrecht; insofern wird jedoch erg Schutz über das APR gewährt (BGHZ 30, 7 – Caterina Valente: Nennung in einer Werbeanzeige, ohne dass unbefugter Namensgebrauch nach § 12 vorliegt; BGH ZUM 2022, 914). Das Namensrecht, das den Schutz von Künstlernamen einschließt (BGHZ 30, 7, 9 – Caterina Valente), erlischt mit dem Tod des Namensträgers (BGH NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de; vgl auch 107, 384, 390 – Emil Nolde; BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen). Dennoch entsteht hier keine Schutzlücke, denn ein postmortaler Schutz soll insoweit bestehen bleiben, als durch die Verwendung des Namens nach dem Tod das postmortale APR des Verstorbenen verletzt wird (BGH NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de, s Rn 74). Zur Problematik der Verletzung von Firmennamen s Rn 64. c) Urheberpersönlichkeitsrecht. Die ideellen Interessen des Urhebers eines Werkes werden durch das Urheberpersönlichkeitsrecht geschützt, welches ebenfalls als besondere Erscheinungsform des APR verstanden werden kann (BGH GRUR 1971, 525 – Petite Jacqueline; Dreier/Schulze vor § 12 UrhG Rn 5) und diesem als Spezialregelung vorgeht, soweit sein Anwendungsbereich reicht. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt die geistigen und persönl Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk und ist damit klar werkbezogen. Vom Urheberpersönlichkeitsrecht ieS werden folgende zentrale Rechte umfasst: das Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG), das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) sowie das Recht, Entstellungen oder Beeinträchtigungen des Werkes zu verbieten (§ 14 UrhG). Daneben finden sich im UrhG noch eine Vielzahl von Regelungen, die ei26
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nen starken persönlichkeitsrechtl Kern aufweisen und als Urheberpersönlichkeitsrecht iwS verstanden werden können (bspw die Befugnisse der §§ 25, 29 I, §§ 34, 39, 42, 62, 63 und 113ff UrhG). Soweit kein konkreter Werkbezug besteht, ist der Urheber zudem ergänzend durch das APR geschützt, bspw vor Herabwürdigungen und Erniedrigungen im Kontext seines urheberrechtl Schaffens, aber auch, sofern dem Schöpfer Werke untergeschoben werden, die er nicht geschaffen hat (BGHZ 107, 384, 390 – Emil Nolde). Das Urheberpersönlichkeitsrecht wirkt grds über den Tod des Urhebers hinaus, es ist vererblich (§ 28 UrhG) und endet erst mit Ablauf der urheberrechtl Schutzfrist, dh 70 Jahre post mortem (§ 64 UrhG). Der Urheber selbst muss bei seinem Werkschaffen das APR anderer Personen beachten, wenn er bspw auf Biografien zurückgreift, Bildnisse erschafft oder sog „Schlüsselromane“ verfasst (vgl insofern BVerfG NJW 2008, 39 – Esra; ausf hierzu Rn 132ff). II. Die ideellen und kommerziellen Bestandteile des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das APR wurde 16 vom BGH zunächst vor dem Hintergrund der Gefährdung rein ideeller Interessen (Ehrenschutz, Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Identität etc) entwickelt (vgl BGHZ 13, 334 – Leserbrief). Aber schon frühzeitig (BGHZ 20, 345 – Dahlke; 26, 349 – Herrenreiter; 50, 133, 137 – Mephisto) zeichnete sich ab, dass das APR auch dem Schutz kommerzieller Interessen zu dienen bestimmt ist. Die Entwicklung dieses „kommerziellen APR“ fand ihren bisherigen Höhepunkt mit BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen wie das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht dienen dem Schutz nicht nur ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit“ (LS). Der BGH erkennt mit dieser Entscheidung „vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte“ zum Schutz der kommerziellen Interessen an (vgl Rn 201ff). Diese Bestandteile sind – anders als die ideellen Bestandteile des APR, welche unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden sind – übertragbar und vererbbar (Rn 74, 201ff). Die Erben als Träger der postmortalen Bestandteile können nach Rspr des BGH (NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de) zudem bis zum Ablauf von zehn Jahren alle Verletzungen der vermögenswerten Bestandteile als Schadensersatzanspruch im eigenen Namen geltend machen, allerdings sind stets die ausdrückl oder mutmaßlichen Interessen des Verstorbenen zu berücksichtigen, wodurch eine zu starke Marktgängigkeit und Kommerzialisierung des APR verhindert werden soll (vgl auch BVerfG NJW 2000, 1023 – CvM: „Der verfassungsrechtl Privatsphärenschutz aus Art 2 I iVm Art 1 I GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet“). Nach BGH NJW 2007, 689, 691 – Lafontaine (allerdings mit recht knappem Verweis auf die Urteilsgründe in BVerfG NJW 2006, 3409 – Blauer Engel II, die explizit nur die postmortalen vermögenswerten Bestandteile betreffen: „Das Grundgesetz gebietet einen postmortalen Schutz der Persönlichkeit gegen Angriffe auf die Menschenwürde. Einen Schutz vor einer kommerziellen Ausbeutung, die nicht mit einer Menschenwürdeverletzung verbunden ist, kennt das Grundgesetz im Bereich des postmortalen Schutzes nicht“; auch, wenn zugegebenermaßen eine generelle Beschränkung zumindest anklingt) erfahren die vermögenswerten Bestandteile des APR jedoch keinen grundrechtl Schutz, sondern sind nur einfach-rechtl geschützt, weshalb sie im Konflikt mit verfassungsrechtl geschützten Interessen und Freiheiten aufgrund des Verdrängungsprinzips zurücktreten müssen. III. Systematisierungsversuche der Rspr. 1. Sphärentheorie. a) Schutzbereiche der Sphären. Schon in der 17 Leserbrief-Entscheidung verwandte der BGH den Begriff der Sphäre („Geheimsphäre“ BGHZ 13, 334, 339). In späteren Entscheidungen findet sich dann die Unterscheidung zw der Sozial- bzw Individualsphäre, der Privatsphäre und der Geheim- sowie Intimsphäre (zu den Sphären s auch Rn 122ff; zur Dogmatik der Sphärentheorie Epping/Hillgruber Art 2 GG Rn 37f). Während in der Privat- und Sozialsphäre Eingriffe in einem abgestuften Maß, je nach Bedeutung der in einer Einzelfallabwägung zu prüfenden Interessen, möglich sein sollen, wird im Bereich der Intimsphäre, da der Person am nächsten zugeordnet, ein absoluter unantastbarer Schutz gewährt (BVerfGE 35, 202 – Lebach; BVerfG NJW 2000, 2189 – Ehebruch; BGHSt 57, 71: Unverwertbarkeit eines in einem Kfz mittels akustischer Überwachung aufgezeichneten Selbstgesprächs eines Beschuldigten). Die einzelnen Sphären sind jedoch nicht strikt voneinander zu trennen, sondern überlappen sich im Einzelfall (Rn 23), weshalb es nicht selten ist, dass die von den Gerichten etablierten Fallgruppen zugleich mehrere Sphären berühren (Rn 23; krit diesbzgl auch Staudinger/Kannowski, Vor § 1 Rn 25; Baston-Vogt, 191ff; Martini JA 2009, 839, 844). Der Bereich der Intimsphäre (hierzu BVerfGE 6, 389, 432 sowie ausf Rn 122ff) umfasst dabei die innere Gedan- 18 ken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen, wie vertraulichen oder tagebuchartigen Aufzeichnungen und Briefen (BVerfGE 80, 367 – Tagebuch; BGHSt 19, 325) sowie Vorgänge aus dem Sexualbereich, insb das Gebiet des Geschlechtlichen (BVerfGE 119, 1 – Esra; 6, 389 – Homosexuelle; BVerfG NJW 2011, 909: zum Verstoß des § 8 TSG gegen das APR). Geschützt wird daher das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem Partner nicht offenbaren zu müssen, sondern selbst darüber befinden zu können, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird; erfasst wird insoweit auch die Funktionsherrschaft über intime Aufnahmen (BGH AfP 2016, 243, 245 – Beziehungsende). Geschlechtliche Handlungen können jedoch vereinzelt auch einen starken „Sozialbezug“ aufweisen, BGH GRUR 2012, 422, 422 – Pornodarsteller; zur Bedeutung des Vorverhaltens in diesem Kontext s Rn 121; BayObLGSt 1978, 152, 156 – Prostituierte; BVerfG NJW 2009, 3357 – Fußballspieler: Berichterstattung über Vergewaltigung; BGH NJW 2013, 1681 – Kachelmann: Äußerungen über sexuelle Vorlieben im Rahmen einer nichtöffentl Einlassung im Strafverfahren; deutlich auch BGH GRUR 2019, 1084, 1087 – Star Anwalt: Begehung einer Sexualstraftat zählt nicht zur Intimsphäre; s auch KG ZUM 2011, 570, 571: Belange eines außerehelich gezeugten Kindes; zum Sozialbezug beruflicher Verfehlungen Frenz ZUM 2012, 282. Von der Intimsphäre erfasst werden aber auch sonstige Belange, die von Natur aus einen Anspruch auf Geheimhaltung und Diskretion beanspruchen, zB der GesundKlass
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heitszustand (abl insoweit Dürig/Herzog/Scholz/Di Fabio Art 2 GG Rn 158; einschränkend BGH NJW 2012, 3645: Erkrankung einer bekannten Entertainerin = Privatsphäre; ebenso Hamburg ZUM-RD 2019, 593; BGH GRUR 2017, 304 – Angaben über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher = Privatsphäre). Maßgeblich für die Einordnung eines Sachverhalts zum Kernbereich ist damit letztlich, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt, BGH AfP 2016, 243, 245 – Beziehungsende. Ist die Instimsphäre betroffen, kann die Persönlichkeit in diesem Bereich für alle Lebensvorgänge Schutz beanspruchen, die zur Wahrung und Entwicklung von Identität und Individualität vor Einblicken und dem Einwirken der Öffentlichkeit abgeschirmt werden müssen (BGH NJW 1981, 1366 – Der Aufmacher II). Unerheblich ist dabei auch, ob die geschilderten Vorgänge wahr oder unwahr sind, da sie „wegen Berührung des Kernbereichs der Persönlichkeit überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören“ (BGH ZUM 2008, 683; Karlsruhe ZUM 2012, 490, 492). Dem Bereich der Geheimsphäre/Vertraulichkeitsphäre (s auch ausf Rn 125) unterfällt zunächst alles, was der Einzelne durch besondere Maßnahmen vor der Kenntnisnahme durch Dritte bewahren möchte (BVerfGE 54, 148 – Eppler; BVerfG NJW 1972, 1123). Geschützt wird in diesem Bereich also primär die ungenehmigte Kenntnisnahme oder Veröffentlichung privater Kommunikation (BGH ZUM-RD 2015, 83, 86 – Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen: Schutz des Interesses daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt; LG Köln ZUM-RD 2009, 349, 351 – Veröffentlichung fremder persönlicher E-Mails auf einer Homepage; Stuttgart ZUM-RD 2011, 617; Köln AfP 2012, 66; KG ZUM 2011, 570, 571: Privatsphärenschutz, Missachtung des Geheimhaltungswillens verstärkt Eingriff in das APR). Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse werden dabei grds nicht erfasst. Sie fallen unter Art 12 bzw Art 14 GG. Anderes gilt jedoch, wenn sie einen personalen Bezug aufweisen (BVerfGE 113, 29, 46f). Der Bereich der Privatsphäre (s ausf Rn 126ff) hingegen umfasst zum einen die familiären Verhältnisse und Verbindungen des Einzelnen (Auseinandersetzungen und vertrauliche Kommunikation innerhalb der Familie, Eheprobleme, Scheidungsabsichten etc). Zum anderen wird von der Privatsphäre auch das Leben im häuslichen Bereich (Wohnung, umfriedetes Grundstück, jedenfalls, sofern es dem Nutzer die Möglichkeit gibt, frei von öffentlicher Beobachtung zu sein, BGH NJW 2004, 762 – Luftbildaufnahme; KG NJW 2005, 2320; LG Köln ZUMRD 2013, 146 – Hotelterrasse) geschützt. Unter Beachtung der Vorgaben des EGMR (NJW 2004, 2647 – CvH/ Deutschland I) erkannte das BVerfG (NJW 2008, 1793, 1797 – CvH IV) zudem ausdrückl einen Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts auch außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit an (BVerfG NJW 2000, 1021, 1022ff – CvM; vgl hierzu auch Erman/Klass14 Rn 39), bspw, wenn die Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst. In diesem Kontext stellte das Gericht fest, dass es keine verfassungsrechtl Gewährleistung gebe, Personen von zeitgeschichtlichem Interesse „bei Aufenthalten außerhalb einer Situation räumlicher Abgeschiedenheit stets und ohne Beschränkung für die Zwecke medialer Verwertung“ zu fotografieren (BVerfG NJW 2008, 1793, 1797 – CvH IV). Der Privatsphärenschutz gewährt dem Einzelnen – wenn auch in schwächerer Form – mithin ebenfalls einen autonomen Bereich eigener Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität unter Ausschluss der Öffentlichkeit entfalten kann. Besonderen Schutz erfährt der innere Bereich der Privatsphäre, der eine besondere Nähe zur Intimsphäre hat (BGH GRUR 2019, 1092, 1094 – Erpressung mit Nackt-Fotos). Hierzu zählt nach jüngerer Rspr wohl auch der Gesundheitszustand, BGH GRUR 2017, 304 – Michael Schumacher, s Rn 18; Hamburg ZUM-RD 2019, 593. Zu einer Verstärkung des Privatsphärenschutzes durch Art 6 I und II GG kommt es im Bereich der Berichterstattung über Kinder und Jugendliche (BGH AfP 2014, 325, 326 – Kindschaftsverhältnis: denn deren Persönlichkeitsentfaltung kann empfindlicher gestört werden) sowie in Fällen, die die spezifisch elterliche Hinwendung zu diesen zum Gegenstand haben (BVerfG NJW 2000, 1021, 1026 – CvM; 2005, 1857 – Carolines Tochter; BGH GRUR 2018, 964, 969 – Tochter von Prinzessin Madeleine; NJW 2005, 215 – Alexandra von Hannover; NJW 2010, 1454 – Sohn von Franz Beckenbauer; ZUM 2010, 262, 263 – Tochter von Franz Beckenbauer; GRUR 2013, 1065 – Eisprinzessin Alexandra; zurückhaltender mit Blick auf ein bewusstes Hinwenden zur Öffentlichkeit allerdings BVerfG NJW 2012, 1500, 1502 – Ochsenknecht-Söhne: Es gibt keine Regelvermutung, wonach das APR eines Minderjährigen grds Vorrang vor der Meinungsfreiheit habe, vielmehr ist stets eine Abwägung vorzunehmen; BGH ZUM 2014, 139 – Tochter von Günther J; ZUM-RD 2016, 292 – „Möchtegernüberspringerin“: Recht auf ungestörte kindgemäße Entwicklung; s hierzu auch Stender-Vorwachs GRUR-Prax 2012, 286; Schertz NJW 2013, 721, 725 sowie ausf Rn 183). Tritt ein minderjähriger Sportler bei einem öffentlichen Wettkampf auf, muss er es jedoch hinnehmen, dass auch über seine Körpersprache und seinen Gemütszustand berichtet bzw. spekuliert wird, Hamburg ZUM-RD 2018, 345. Die Sozialsphäre (s ausf Rn 127) hingegen schützt den Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt und seinem beruflichen, wirtschaftl oder sonstigen öffentlichen Wirken (BGH ZUM-RD 2015, 151, 152 – PromiFriseur: Erwähnung als ArbG fällt in den Bereich der Sozialsphäre; ZUM-RD 2018, 327, 330 – Bilder des ehemaligen Bundespräsidenten auf dem Parkplatz eines Supermarktes betreffen die Sozialsphäre, da kein Moment der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Alltags vorliegt; s auch BGH GRUR 2017, 302 – Misstrauensvotum Wowereit: Bilder, die den amtierenden Bürgermeister von Berlin am Vorabend einer Misstrauensabstimmung entspannt in einer Berliner Bar zeigen, sind eher der Sozialsphäre als der Privatsphäre zuzuordnen). Die Sozialsphäre umfasst mithin den Bereich des menschlichen Le28
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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bens, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann und evtl auch soll (zum Bezug von Adresse und Abbildung eines Wohnhauses zur sozialen Realität LG Köln MMR 2010, 278 – Stadt-Bilderbuch; KG MMR 2011, 414; Hamburg AfP 2012, 165; LG Berlin ZUM-RD 2011, 418, 419 – Street View: Das bloße Aufnehmen von Häuserzeilen oder Straßenzügen verletzt weder das APR noch das Recht am eigenen Bild; zur Zulässigkeit von Geodatendiensten s Rn 171f). Berichte aus dem Bereich der Sozialsphäre sind aufgrund des schwachen Persönlichkeitsbezugs meist zulässig (BVerfG NJW 2016, 3362; 2006, 3406 – Uschi-Glas-Rivalin; BGH NJW 2012, 771, 772 – Berichterstattung über Parteizugehörigkeit eines Vereinsvorstandes; NJW 2012, 763, 765 – INKA-Story; s hierzu Rn 117ff). Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn eine schwerwiegende Auswirkung auf das Ansehen und die Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen zu befürchten ist, die außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, BVerfG AfP 2010, 465, 466 – personalisierte Darstellungsweise; BVerfG GRUR 2010, 544, 545 – Zitat aus Anwaltsschreiben, bspw. in Fällen der Stigmatisierung, Ausgrenzung und Prangerwirkung (zur Prangerwirkung s Rn 127). b) Bedeutung der Sphärenbildung. Ausgehend von der Idee eines unterschiedl starken Persönlichkeitsschutzes 23 in Abhängigkeit von der jew betroffenen Sphäre, gliederte sich die Prüfung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung in den Anfangsjahren zunächst in folgende Schritte: Erstens war festzustellen, ob ein Eingriff in eine schützenswerte Sphäre festzustellen war, und zweitens musste geprüft werden, ob hierfür eine Rechtfertigung vorlag. Aufgrund der existierenden Abgrenzungsschwierigkeiten sowie der fließenden Übergänge zw den einzelnen Sphären gingen die Gerichte aber zunehmend dazu über, sofort eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer die betroffene Sphäre allenfalls noch bei der Gewichtung der Interessen Bedeutung erlangte (so auch Halfmeier, 62). Unumstritten ist jedenfalls, dass die Ausbildung der einzelnen Sphären keinen hinreichend begrifflich klaren Unrechtstatbestand bildet. Vielmehr konnte und kann die Rechtswidrigkeit der Verletzung des APR (Erfolgsunrecht) erst im Zusammenwirken mit dem Verhaltensunrecht festgestellt werden (Erman/Ehmann12 Rn 7). Die Sphärentheorie ist folglich für sich allein unbrauchbar zur Bestimmung des Unrechtstatbestands einer Persönlichkeitsrechtsverletzung (Erman/Ehmann12 Rn 30ff; Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 623; Baston-Vogt, 184ff). Ebenfalls führt auch die Unterordnung unter eine von der Rspr anerkannte Fallgruppe oder die Zuordnung zu einem anerkannten Schutzbereich (vgl Rn 24, 94ff) nicht zur Indikation der Rechtswidrigkeit, sie kann jedoch im Einzelfall eine Vermutungswirkung haben (zB Eingriff in das Recht am geschriebenen oder gesprochenen Wort etc). Eine umfassende Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall bleibt jedoch mit Ausnahme jener Konstellationen, welche die Menschenwürde als unantastbares Gut tangieren, unumgänglich (anders Erman/Ehmann12 Rn 7, der eine Abwägung nur dann für erforderlich hält, soweit die Zurechnung der Tathandlung zu einem Schutzbereich und einer Untergruppe die Vermutung der Rechtswidrigkeit der APR-Verletzung noch nicht hinreichend zu begründen vermag). 2. Fallgruppenbildung: Strukturierung des Fallrechts. Zwar betont der BGH immer wieder, dass sich der In- 24 halt des Persönlichkeitsrechts nicht abschließend festlegen lasse (vgl BGHZ 24, 72, 78 – Krankenkassenpapiere), zugleich versucht das Gericht jedoch eine Systematisierung durch Fallgruppen zu erreichen. Dies führt zwar zu einer gewissen Übersichtlichkeit, gibt jedoch keinen Aufschluss über den genauen Schutzumfang, denn es handelt sich hierbei nur um strukturiertes Fallrecht. Das BVerfG hat in der Eppler-Entscheidung (BVerfGE 54, 148, 154) ebenfalls acht Ausprägungen zusammengefasst, die bisher von der Rspr anerkannt wurden. Dabei handelt es sich um die Intim-, Privat- und Geheimsphäre, die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort sowie das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben. Diese Ausformungen müssen entspr beachtet werden, wenn es sich um gerichtl Entscheidungen über kollidierende Interessen nach den Vorschriften des Privatrechts handelt. Später fügte das BVerfG im sog Volkszählungsurteil (65, 1) das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinzu, welches aufgrund eines real existierenden Schutzbedürfnisses zunächst auch als Bestandteil des zivilrechtl Persönlichkeitsrechts angesehen wurde (str; bejahend BGH AfP 2014, 325, 326 – Kindschaftsverhältnis; BGH NJW 1991, 1532, 1533 – Bekanntgabe des Notfallarztes; krit BGH GRUR 2011, 261 – Party-Prinzessin; vgl ausf Rn 128f), nach der Neubestimmung des Schutzbereichs durch das BVerfG (BVerfG ZUM 2020, 58) nunmehr aber „primär als Gewährleistung zu verstehen (ist), die – neben der ungewollten Preisgabe von Daten im Rahmen privater Rechtsbeziehung (…) – insbesondere vor deren intransparenter Verarbeitung und Nutzung durch Private schützt“ (BGH ZUM 2020, 337, 340 – Anwaltsschreiben; BGH ZUM 2022, 308, 310), jedoch keinen „gesamthaften Anspruch hinsichtl jederlei Umgangs mit Informationen“ enthalte, s ausf Rn 129. In seinem Urt v 27.2.2008 (NJW 2008, 822) begründete das BVerfG zudem ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (Recht auf private Datensphäre; hierzu Kutscha NJW 2008, 1042ff; Roßnagel/Schnabel NJW 2008, 3534ff), das Systeme erfasst, die allein oder aufgrund technischer Vernetzung personenbezogene Daten eines Einzelnen enthalten können und bei denen ein Zugriff auf das jew System einen Einblick in die Lebensgestaltung des Nutzers ermöglicht, wie bspw Laptops, Mobiltelefone, Navigationsgeräte uÄ. 3. Normative Leitung durch Systematisierung? Offener Tatbestand vs Indikation der Rechtswidrigkeit. Das 25 BVerfG (BVerfGE 66, 116, 138 – Wallraff) fordert für Persönlichkeitsrechtsverletzungen eine normative Leitung der Rspr, die von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung befreit. Maßgebliche Funktion einer solchen Schutzbereichsbildung ist vor allem die Konkretisierung und bessere Handhabbarmachung des APR, dessen Grenzen aufgrund seines Charakters als Rahmenrecht nicht fest umrissen sind. Hierfür wäre es jedoch erforderlich, eine überschaubare Zahl von klar definierten Schutzbereichen als Unrechtstatbestände zu bilden, die zum Klass
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einen alle wesentlichen Gefährdungskonstellationen erfassen und bei deren Einschlägigkeit zum anderen die Vermutung der Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlungen begründet werden kann (s hierzu auch Erman/Ehmann12 Rn 4). Im Interesse der Gebote der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erscheint eine solche Forderung durchaus angemessen, wenn nicht gar notwendig; die bisherigen Versuche in Lit (Baston-Vogt, 152ff) und Rspr (BVerfGE 54, 148, 154 – Eppler) führen jedoch die Grenzen der Umsetzbarkeit deutlich vor Augen, denn jede Schutzbereichsbildung muss zwangsläufig nicht nur das APR als geschütztes Rechtsgut (Erfolgsunrecht), sondern zugleich auch die unterschiedl gegenläufigen Freiheiten und Interessen des Störers einbeziehen und zumindest in den Untergruppen auch die Form der Eingriffshandlung und sonstige Umstände mitberücksichtigen (vgl hierzu Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 626f). Nur auf diese Weise kann unabhängig vom konkreten Einzelfall für die allg gebildeten Unrechtstatbestände ein allg Urt über die Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlung gebildet werden. Eindeutigkeit lässt sich dabei angesichts des umfassenden Schutzbereichs und der Vielfältigkeit möglicher Gegeninteressen jedoch nicht erzielen. Allerdings kann die Bildung von Fallgruppen zu einer größeren Überschaubarkeit führen und je nach Konkretisierungsgrad auch eine Vermutungswirkung mit Blick auf die vorzunehmende Güter- und Interessenabwägung in sich tragen. 26 4. Systematisierung anerkannter Ausprägungen des zivilrechtl APR. Angesichts des bisher konkretisierten Fallrechts sowie des aktuell bestehenden Schutzbedürfnisses erscheint folgende Systematisierung des Persönlichkeitsrechtsschutzes angebracht: 27 a) Recht der persönlichen Ehre (Rn 94ff). 28 b) Schutz vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität (Rn 117ff), der ua folgende Fallgruppen/Schutzbereiche umfasst: Diskretionsschutz durch Sphärenschutz (Intim- und Geheimsphäre; (innere) Privatsphäre und Sozialsphäre, Rn 122ff), Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Rn 128f), Schutz des geschriebenen Worts (Rn 130), Schutz des gesprochenen Worts (Rn 131), Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbilds (Rn 132ff), Schutz vor der Herstellung von Bildaufnahmen (Rn 143ff), Anonymitätsschutz im Kontext der Kriminalberichterstattung (Rn 146ff), Schutz vor der unberechtigten Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung von Bildnissen (Recht am eigenen Bild, Rn 167ff). 29 c) Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung (Rn 193ff), der ua folgende Fallgruppen/ Schutzbereiche umfasst: Schutz vor erfundenen Interviews (Rn 195), Schutz vor der Wiedergabe unrichtiger Zitate und der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen (Rn 196), Schutz vor der fälschlichen Zuschreibung von Mitgliedschaften (Rn 197), Schutz gegen Veränderungen von Bild und Stimme (Rn 198), Schutz gegen Verfälschungen des Lebensbildes (Rn 199). 30 d) Schutz vor kommerzieller Verwertung (Rn 201ff), der ua folgende Fallgruppen/Schutzbereiche umfasst: Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung von Stimme und Namen (Rn 207f) sowie Schutz vor der unberechtigten Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung von Bildnissen zu kommerziellen Zwecken (Rn 209, 184). 31 e) Schutz vor Belästigungen (Rn 216ff). 32 f) Freiheitsschutz (Rn 223ff). Zum (Grund-)Recht auf informationelle Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten, insb zu den durch das BVerfG kreierten (Grund-)Rechten auf informationelle, sexuelle, individuelle und wirtschaftl Selbstbestimmung und den im Wege der durch Schutzpflichten vermittelten Drittwirkung abgeleiteten Rechten auf Kenntnis der eigenen Abstammung, auf Beschäftigung und Weiterbeschäftigung ua s Erman/Ehmann12 Rn 273ff. 32a g) Verhältnis zur DSGVO. Das APR wird im Kommunikationskontext, insb bei Datenverarbeitungen zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Zwecken, nach überwiegender Ansicht nicht durch die DSGVO verdrängt, denn das Rechtsinstitut stellt ein geeignetes Regelungsinstrumentarium dar, um den Ausgleich zwischen dem Schutz personenbezogener Daten einerseits und den Kommunikationsfreiheiten andererseits herzustellen – insofern passt es sich in das durch die Öffnungsklauseln der DSGVO (insb Art 85 II DSGVO, Medienprivileg) vorgegebene Gefüge ein (Lauber-Rönsberg/Hartlaub, UFITA 2018, 395, 427; LauberRönsberg/Hartlaub in Götting/Schertz/Seitz, § 22; Köln ZUM-RD 2018, 549 Rn 9); s zur Stärkung des Medienprivilegs mit Blick auf den deliktischen Persönlichkeitsrechtsschutz auch BVerfG ZUM 2020, 58 Rn 91f – Recht auf Vergessen I. Darin betonen die Verfassungsrichter den bestehenden Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten und kommen zu dem Ergebnis, dass journalistisch-redaktionelle Beiträge in Online-Archiven auch im Anwendungsbereich von Art 85 DSGVO künftig allein am Maßstab der kollidierenden Grundrechte aus Art 2 I iVm Art 1 I GG einerseits und Art 5 I GG andererseits zu beurteilen sind (zum Verhältnis des deliktischen Persönlichkeitsrechtsschutzes zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung s Rn 128). Zum umstrittenen Verhältnis zwischen DSGVO und KUG, zu möglichen Grenzen der in Art 85 DSGVO vorgesehenen Öffnungsklauseln, insb bei Veröffentlichungen zu anderen Zwecken (bspw iRv Öffentlichkeitsarbeit oder sonstigen kommerziellen Nutzungen) sowie zu Art 6 DSGVO s ausf Rn 167a. IV. Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention Schrifttum: Dörr, EMRK: Recht auf Achtung des Privatlebens, Freiheit der Meinungsäußerung, JuS 2012, 1046; Engels/Jürgens, Auswirkungen der EGMR-Rechtsprechung zum Privatsphärenschutz, NJW 2007, 2517; Frenz, Konkretisierte Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz, NJW 2012, 1039; Gersdorf, Caroline-Urteil des EGMR: Bedrohung der nationalen Medienordnung AfP 2005, 221; Halfmeier, Privatleben und Pressefreiheit: Rechtsvereinheitlichung par ordre de Strasbourg, AfP 2004, 417; Heldrich, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, NJW 2004, 2634; Klass, Der Schutz der Privatsphäre durch den EGMR im Rahmen von Medienberichterstattungen, ZUM 2014, 261;
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Klass, Zu den Grenzen der Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens – Die Urteilsserie des BGH v. 6.3.2007 im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR, AfP 2007, 517; Mann, Auswirkungen der CarolineEntscheidung des EGMR auf die forensische Praxis, NJW 2004, 3220; Müller, Persönlichkeitsrecht und Medienfreiheit auf der „europäischen Waagschale“ – Hoffnung auf den deutschen „Mittelweg“, ZRP 2011, 93; Ohly, Harmonisierung des Persönlichkeitsrechts durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte? – Rechtsvergleichende Anmerkungen zum Urteil in der Sache Hannover/Deutschland, GRURInt 2004, 902; Stürner, Caroline-Urteil des EGMR – Rückkehr zum richtigen Maß, AfP 2005, 213.
1. Persönlichkeitsrechtsschutz in der EMRK. Der Schutz der Persönlichkeit und des Privatlebens wird nicht 33 nur über das GG, sondern auch durch die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v 4.11.1950 (BGBl II 1952, 686, 953, mit Änderungen, abgedr in Sartorius II, Nr 130) gewährleistet. Diese bestimmt in Art 8: „Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.“ 2. Relevanz der EMRK und Rechtswirkung von Urteilen des EGMR. Die EMRK ist ein völkerrechtl Vertrag, 34 der von der BRD ratifiziert wurde und dem daher gem Art 59 II GG der Rang eines einfachen Gesetzes zukommt. Die Konvention ist mithin kein unmittelbarer verfassungsrechtl Prüfungsmaßstab, der Konventionstext und seine Auslegung durch den EGMR dienen nach BVerfG NJW 2004, 3407, 3408 – Görgülü-Beschl (dazu Klein JZ 2004, 1171; ferner KG NJW 2005, 605; dazu Gersdorf AfP 2005, 221, 226; Stürner AfP 2005, 213, 217; BGH ZUM 2007, 382 m krit Anm Helle AfP 2007, 192) jedoch auf der verfassungsrechtl Ebene als Auslegungshilfen (BVerfG NJW 2008, 1793, 1797 – CvH IV). Entscheidungen des EGMR können folglich nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb sowohl eine fehlende Auseinandersetzung wie auch eine schematische Anwendung gegen Grundrechte iVm mit dem Rechtsstaatsprinzip verstößt. Daher sind letztlich alle Organe des Staates einschl der Gerichte verpflichtet, die Urt des EGMR zu berücksichtigen. Eine Pflicht, den völkerrechtl Vorgaben nachzukommen, besteht nach Ansicht des BVerfG jedoch nur, wenn diese nicht in Widerspruch zu tragenden Prinzipien des dt Verfassungsrechts stehen. Einer konventionskonformen Auslegung ist mithin nur insofern der Vorrang zu geben, als dies im Rahmen geltender Auslegungs- und Abwägungsmaßstäbe möglich ist. Anderes gelte aber, wenn dadurch gegen eindeutig entgegenstehendes nationales Gesetzesrecht oder gegen Verfassungsrecht verstoßen wird (BVerfG NJW 2004, 3407, 3411 – Görgülü-Beschl). Jedenfalls bestehe auch für die bei der Auslegung der dt Grundrechte bedeutsamen Vorgaben der EMRK ein eigenständiger Beurteilungsspielraum der nationalen Gerichte (BVerfG NJW 2008, 1793, 1797 – CvH IV mit Verweis auf EGMR NJW 2009, 971, 974 Rn 77ff – Dickson/Vereinigtes Königreich). Zur Bedeutung und Bindungswirkung der EMRK in der innerstaatl Rspr Deutschlands und Frankreichs ausf Mellech, Die Rezeption der EMRK sowie der Urteile des EGMR in der französischen und dt Rspr, 2012. 3. Schutz des Privat- und Familienlebens durch Art 8 EMRK. Nach Art 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf 35 Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Begriff des „Privatlebens“ beschränkt sich dabei nicht auf einen „inneren Bereich“, in dem eine Person ihr eigenes persönliches Leben so führen kann, wie sie es möchte. Unmittelbar geschützt ist vielmehr auch das Recht des Einzelnen, seine Persönlichkeit in den Beziehungen zu seinen Mitmenschen ohne Einmischung von außen zu entwickeln (EGMR NJW 1993, 718 – Niemitz/Deutschland), weshalb es auch einen „Bereich wechselseitiger Beziehungen“ zw dem Einzelnen und Dritten gibt, der selbst dann zum geschützten Bereich des Privatlebens gehört, wenn er in den öffentlichen Raum hineinreicht. Daher kann bspw auch die Veröffentlichung von Fotos, die im öffentl Raum entstanden sind, in das Privatleben einer Person eingreifen (EGMR NJW 2012, 1053 Rn 95 – CvH/Deutschland II). Berufliche und geschäftliche Tätigkeiten fallen ebenfalls darunter (EGMR NJOZ 2009, 4606, 4609 – Kyriakides/Zypern). Auch wenn sich der Begriff des Privatlebens nach Ansicht des EGMR einer erschöpfenden Definition entzieht, betont das Gericht doch stets, dass er jedenfalls weit zu verstehen ist. Vom Schutzbereich des Art 8 EMRK sind daher jedenfalls Elemente der persönlichen Identität einer Person wie ihr Name oder das Recht am eigenen Bild, die körperliche, geistige sowie die moralische und psychische Integrität (EGMR NJW 2012, 1053 Rn 95f – CvH/Deutschland II; NJW 2004, 2647, 2648 – CvH/Deutschland I; NJOZ 2009, 4606, 4609 – Kyriakides/Zypern; EGMR 13.9.2018 – 58170/13: Britisches System zur massenhaften Internetüberwachung verstößt gegen Recht auf Privatleben), aber auch die geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung einer Person umfasst. Zudem fallen unter den Begriff der Privatsphäre auch persönliche Informationen, von denen der Einzelne erwarten kann, dass sie nicht ohne seine Einwilligung veröffentlicht werden (EGMR GRUR 2012, 741 Rn 83 – Axel Springer/Deutschland; EGMR 12.1.2021, AfP 2021, 218: L.B./Ungarn: Veröffentlichung persönlicher Daten auf der Website einer Steuerbehörde). Mit Blick auf das Recht am eigenen Bild weist der EGMR zudem auf die besondere Bedeutung des Art 8 EMRK in diesem Kontext hin, da Bilder oftmals sehr persönliche und intime Informationen über eine Person enthalten und nicht selten unter ständiger Belästigung oder gar Verfolgung entstehen (EGMR NJW 2012, 1053 Rn 102 – CvH/Deutschland II mwN). Anerkannt ist zudem ein Schutz der Ehre und des guten Rufs (EGMR AfP 2019, 142 – Eva Herman-Bischoff/Deutschland: Schutz vor Unterschiebung nicht getätigter Äußerungen sowie ungenauer oder entstellt wiedergegebener Zitate; AfP 2014, 430, 431f – Lavric/Rumänien; NJW-RR 2010, 1483, 1485 – A./Norwegen mwN; NJW-RR 2008, 1218, 1219 – Pfeifer/Österreich; EGMR 4.10.2007 – 12148/03 Rn 38 – Sanchez Cardenas/Norwegen bzgl der Ehre), wobei sich der Betroffene nicht über eine Verletzung seines guten Rufs beschweren kann, wenn die eingetretene Verletzung vorhersehbare Folge seines Handelns ist (zB Folge einer Straftat, s EGMR GRUR 2012, 741 Rn 83 – Axel Springer/Deutschland); zudem bestehe grds eine „Erheblichkeitsschwelle“, EGMR AfP 2019, 142 – Eva Herman-Bischoff/Deutschland. Im Erg bedeutet dies, dass die Konventionsstaaten grds ihrer Schutzpflicht Klass
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nach Art 8 EMRK nachkommen und einen gerechten Ausgleich zw dem Recht auf Schutz des guten Rufs auf der einen Seite und dem in Art 10 EMRK garantierten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung auf der anderen Seite herstellen müssen (EGMR NJW-RR 2008, 1218, 1219 – Pfeifer/Österreich; zur Kasuistik Rn 37). 4. Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit, Art 10 EMRK. Art 10 EMRK schützt die Meinungs- und Pressefreiheit, denen auf der Ebene des Konventionsrechts ebenfalls eine herausgehobene Position zukommt. Sie sind sowohl wesentl Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft und wesentl Bedingungen für den Fortschritt einer Gesellschaft als auch für die Entwicklung jedes Individuums, weshalb Art 10 EMRK Tatsachen- und Meinungsäußerungen (Werturteile) umfasst und ohne Rücksicht auf den Inhalt der geäußerten Meinung schützt (EGMR NJW 1999, 1315, 1316 – Fressoz u Roire/Frankreich; NJW 1987, 2143, 2144 – Lingens; NJW 2006, 591f – Karhuvaara und Iltalehti/Finnland). Die Garantie des Art 10 EMRK gilt daher – vorbehaltlich Abs II – nicht nur für Nachrichten oder Ideen, die ein positives Echo haben – oder, die als unschädlich angesehen werden können, sondern auch für solche, die provozieren, schockieren oder stören (EGMR 30.1.2018 – 69317/14 – Sekmadienis Ltd/Lithuania; NJW 2012, 1053 Rn 101 – CvH/Deutschland II; 7.12.1976 – 5493/72 – Handyside/ Vereinigtes Königreich; NJW 1987, 2143, 2144 – Lingens); ebenso umfasst die Meinungsfreiheit auch die Veröffentlichung von Fotos (EGMR NJW 2012, 1053 Rn 103 – CvH/Deutschland II mwN), wobei die Art der Verbreitung unerheblich ist – umfasst werden alle Kommunikationsformen, also insb die Verbreitung durch Presse, Funk und Fernsehen sowie durch Bücher (EGMR 19.10.2017 – 35030/13 – Droemer Knaur GmbH & Co KG/Deutschland) und in Vorträgen. Die Freiheit der Meinungsäußerung unterliegt Einschränkungen, welche jedoch grds eng auszulegen sind und deren Notwendigkeit nachgewiesen werden muss (EGMR NJW 2012, 1053 Rn 101 – CvH/Deutschland II). Das Gewicht, welches der Pressefreiheit im Einzelfall zukommt, hängt zudem maßgeblich davon ab, ob es sich um eine Berichterstattung über Tatsachen handelt, die einen „Beitrag zu einer Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft leisten und Personen des politischen Lebens betreffen“, oder ob es sich um eine Berichterstattung über Einzelheiten und Aspekte des Privatlebens einer Persönlichkeit handelt, die keine derartigen Aufgaben wahrnimmt (EGMR NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I). Kein Beitrag von öffentlichem Interesse, wenn Karikatur darauf abzielt, Holocaust als historisches Ereignis lächerlich zu machen bzw in Frage zu stellen, EGMR 24.2.2022 – 35364/19, s auch dt Zusammenfassung in AfP 2022, 117 – Bonnet/Frankreich. Ein Eingriff in die nach Art 10 EMRK geschützten Kommunikationsfreiheiten ist nach Ansicht des EGMR in einer demokratischen Gesellschaft nur „notwendig“ iSv Art 10 II EMRK, wenn er einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht, verhältnismäßig zu dem verfolgten berechtigten Ziel ist, und wenn die Gründe, mit denen die Behörden und Gerichte ihn rechtfertigen, stichhaltig und ausreichend sind. Die Staaten haben insoweit einen gewissen Ermessensspielraum, doch entscheidet letztlich der Gerichtshof, ob die genannten Voraussetzungen gegeben sind (EGMR NJW-RR 2010, 1487 – Egeland und Hanseid/Norwegen). Wird mit der Presseveröffentlichung ein berechtigtes Ziel verfolgt, das in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (so EGMR NJW 2004, 2653 – Perna/Italien), gebührt der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit idR der Vorrang. Ein Eingriff in Art 10 EMRK ist bspw nicht gerechtfertigt, wenn Journalisten ihre Rolle als „öffentliche Wachhunde“ in Übereinstimmung mit ihrem Berufsethos wahrnehmen und ihre verletzenden Tatsachenbehauptungen sorgfältig überprüfen (EGMR NJW 2006, 1645 – Das blinde Auge der Polizei); zudem weist das Gericht stets darauf hin, dass die Grenzen zulässiger Kritik bei Privatpersonen enger sind als bei Polizeibeamten oder Politikern (vgl EGMR AfP 2014, 430, 432 – Lavric/Rumänien, NJOZ 2009, 2203, 2208 sowie NJW 1987, 2143, 2144 – Lingens; EGMR 27.6.2017 – 17224/11: Beamte und andere öffentliche Bedienstete, die in amtl Eigenschaft handeln, stehen insofern „zwischen“ gewöhnlichen Personen und Politikern). Besondere Bedeutung misst der EGMR auch der Presse als „public watchdog“ bei, welche grds die Pflicht habe, über alle Fragen von öffentlichem Interesse zu unterrichten. Der Gerichtshof betont in diesem Kontext daher, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sei, an Stelle der Presseorgane über die „anzuwendende Art der Berichterstattung“ zu urteilen (EGMR NJW 2012, 1053 Rn 102 – CvH/Deutschland II mwN). Nichtregierungsorganisationen (NGO) üben nach Ansicht des EGMR ebenfalls öffentliche Überwachungsfunktion aus und erfahren daher ähnl Schutz unter Art 10 EMRK wie die Presse, EGMR 27.6.2017 – 17224/11 – Medzlis Islamske Zajednice Brcko/Bosnien Herzegowina. Der Schutz von Art 10 EMRK erstreckt sich auch auf öffentlich-rechtl und private Arbeitsverhältnisse (vgl zu den Schranken des Whistleblowings EGMR 16.2.2022, NJW 2021, 2343 – Gawlik/Liechtenstein). 5. Die Entscheidung Caroline v Hannover gegen Deutschland I als Triebfeder deutscher Rechtsprechungsänderungen. a) Verstoß gegen Art 8 EMRK. Im Jahr 2004 entschied der EGMR auf der Grundlage von Art 8, 10 EMRK (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I), dass die Interpretation und Auslegung der Vorschriften zum Schutz am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) durch die dt Gerichte (speziell von BGH NJW 1996, 1128 und BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM) – wonach Aufnahmen von absoluten Personen der Zeitgeschichte, die diese auf öffentlichen Plätzen zeigen, im Grunde zulässig sind (BVerfG NJW 2000, 1021, 1023 – CvM) – Prominenten, die kein politisches Amt bekleiden, keinen ausreichenden Schutz ihrer Privatsphäre bieten. Der Begriff der absoluten Person der Zeitgeschichte in seiner Auslegung und Anwendung durch die dt Gerichte wurde daher als unvereinbar mit Art 8 und Art 10 EMRK betrachtet. Nach Ansicht des EGMR verstießen dt Gerichte gegen geltendes Konventionsrecht, indem sie es für zulässig erklärten, dass Bilder von CvH (vormals: CvM), die sie an „nicht abgeschiedenen Orten“ in „Szenen ihres Alltagslebens“ zeigten, also „bei Tätigkeiten rein privater Art“, ohne ihre Einwilligung verbreitet werden durften. Dies verletze Art 8 EMRK, denn jede Person, auch dann, wenn sie in der Öffentlichkeit bekannt ist und sich die Medien für sie interessieren, könne eine „berechtigte Erwartung“
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auf Schutz und Achtung ihres Privatlebens haben (EGMR NJW 2004, 2647, 2650 – CvH/Deutschland I). Zu den Urteilsgründen im Einz vgl Erman/Klass14 Rn 39. b) Reaktion des BGH. In mehreren Urt v 6.3.2007 (NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover) modifizierte der BGH daraufhin seinen bisherigen Maßstab und legte ein abgestuftes Schutzkonzept an, welches in noch stärkerem Maße sowohl der abgebildeten Person als auch den von den Medien wahrgenommenen Informationsinteressen Rechnung trägt. Hierdurch relativierte das Gericht zugleich die absolute Person der Zeitgeschichte (hierzu ausf Klass AfP 2007, 517; zur Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte s ausf Rn 176). Auch bei dieser Gruppe von Personen dürfe nicht außer Betracht bleiben, ob die Veröffentlichung und Berichterstattung einen Informationswert enthalte oder nur die Neugier befriedige. Daher sei stets zu prüfen, ob der konkreten Abbildung an sich eine Information über ein zeitgeschichtliches Ereignis zu entnehmen ist, oder ob die Abbildung an sich einen Beitrag zu einer Diskussion von allg Interesse leistet. Allerdings müsse mit Blick auf den erforderlichen Informationswert ebenfalls die dazugehörige Wortberichterstattung in die Beurteilung einfließen (s auch Rn 180). Zudem zeigte der BGH ganz in der Manier des BVerfG eine Präferenz für ein weites Verständnis der Kommunikationsfreiheiten, indem er betont, dass die Presse selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden dürfe, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. c) Urteil des BVerfG v 26.2.2008. Die Abkehr des BGH von früheren Maßstäben und der damit verbundene Verzicht auf die Rechtsfigur der absoluten Person der Zeitgeschichte wurde sodann auch vom BVerfG (NJW 2008, 1793, 1797 – CvH IV) akzeptiert und für mit dem GG vereinbar erklärt. Unter Beachtung der Entsch des EGMR (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I) differenziert das BVerfG nunmehr zw Politikern (politicians), Personen des öffentlichen Lebens (public figures) sowie gewöhnlichen Privatpersonen (ordinary persons) und stellt klar, dass die Zuordnung einer Person zur Gruppe der Personen des öffentl Lebens die Möglichkeit eröffnet, bei einem öffentl Informationsinteresse an dem Bericht Bilder dieser Person zu veröffentlichen, selbst dann, wenn sie dem Bereich des öffentl Alltagslebens entstammen. Dies sei schon vor dem Hintergrund der öffentl Kontrolle auch des privaten Gebarens einflussreicher Personen aus Wirtschaft, Kultur oder Medien erforderlich (BVerfG NJW 2008, 1793, 1800 – CvH IV unter Verweis auf EGMR 1.3.2007 – 510/04 – Tønsbergs Blad ua/ Norwegen; EGMR 14.12.2006 – 10520/02 Rn 35ff – Verlagsgruppe News-GmbH/Österreich; EGMR 14.6.2005 – 14991/02 – Minelli/Schweiz). Zudem sei in diesem Fall auch der Einsatz kontextfremder oder kontextneutraler Aufnahmen möglich, denn dies könne dazu beitragen, dass belästigende Auswirkungen für die betroffenen Personen vermieden werden, die einträten, wäre eine Bebilderung nur mit im Kontext des Geschehens gefertigten Aufnahmen zulässig (BVerfG NJW 2008, 1793, 1797 – CvH IV; auch BGH NJW 2010, 3025, 3027 – Charlotte Casiraghi). d) Fazit: Der BGH als Diener zweier Herren. Die in der Entscheidung CvH/Deutschland I angelegten Maßstäbe und Grundsätze des EGMR sind nunmehr fest im dt System des Persönlichkeitsrechtsschutzes etabliert. Jedoch wurden sie nicht eins zu eins übertragen, sondern in einer modifizierten und am dt Grundrechtsverständnis orientierten Form (s Rn 34) ins nationale Recht integriert: Die Gerichte haben sich insb von den Kategorien der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte verabschiedet. Zwar verwenden sie noch den Begriff des Zeitgeschehens, jedoch wird dieser einzelfallbezogen und nicht schematisch angewandt. Eine Bildberichterstattung über eine Person des öffentl Lebens ist nach der modifizierten Rspr nur noch zulässig, wenn eine ernsthafte und sachorientierte Erörterung einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse erfolgt. Wird lediglich die reine Neugier der Leserschaft befriedigt und bietet auch die Wortberichterstattung keinen Nachrichtenwert, der zu einer die Allgemeinheit interessierenden Sachdebatte Anlass geben könnte, ist die Meinungsäußerungsfreiheit eng auszulegen (BGH NJW 2013, 793, 796 – Playboy am Sonntag) und verstößt die Veröffentlichung des Bildnisses idR gegen § 22 KUG (vgl ausf Rn 180f). Zur Bewertung der Entscheidung CvH/Deutschland s Erman/Klass14 Rn 40. Zur Kasuistik s Rn 180b. e) Reaktion des EGMR CvH/Deutschland II. Der EGMR akzeptierte die von BGH und BVerfG vorgenommene differenzierte Abwägung und stellte fest, dass die dt Gerichte ihren grds bestehenden Ermessensspielraum nicht überschritten hätten, weshalb Art 8 EMRK im Erg nicht verletzt sei (NJW 2012, 1053). Insofern akzeptierte er die vom BGH auf der Basis seines abgestuften Schutzkonzepts vorgenommene Bewertung von Bildnissen. Mit Blick auf seine eigene Überwachungspflicht stellte der EGMR fest, dass es nicht seine Aufgabe sei, sich an die Stelle der staatl Gerichte zu setzen, er vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen habe, ob die von ihnen im Rahmen ihres Ermessensspielraums getroffenen Entscheidungen mit den Vorschriften der EMRK vereinbar sind. Haben die staatl Gerichte ihre Entscheidung unter Beachtung der Rspr des EGMR getroffen, müsse es gewichtige Gründe für eine Abänderung geben (EGMR NJW 2012, 1053 Rn 105f – CvH/Deutschland II mwN). f) Wortveröffentlichungen und Herstellen von Bildnissen. Über Wortveröffentlichungen trifft der EGMR in NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I keine Entscheidung, und es wäre auch verfehlt, die zur Bildveröffentlichung entwickelten Grundsätze einfach auf die Wortberichterstattungen zu erstrecken (so auch Erman/Ehmann12 Rn 17h; BGH NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover; zur notwendigen Differenzierung zw Wortund Bildberichterstattung vgl auch Rn 180b sowie BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi; NJW 2012, 1500 – Ochsenknecht-Söhne; BGH GRUR 2018, 964, 969 – Tochter von Prinzessin Madeleine; EGMR NJOZ 2012, 335 – Naomi Campbell). Gleichwohl wird die Wortberichterstattung durch die vom EGMR aufgestellten Maßstäbe zur Abwägung von Persönlichkeitsrechtsschutz und Meinungsäußerungs- sowie Informationsbeschaffungsfreiheit im Kontext der Bildberichterstattung zumindest beeinflusst. Mit Blick auf die Herstellung von Bildern Klass
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Personen
stellt der EGMR fest, dass im Einzelfall ein Veröffentlichungsverbot in Betracht kommt, sofern die Herstellung in übermäßig belästigender Art und Weise erfolgte. Diesen Aspekt greift auch das BVerfG NJW 2008, 1793, 1797 – CvH IV auf und unterstreicht, dass das beharrliche Nachstellen oder das Ausnutzen von Heimlichkeit bei der Gewichtung der Persönlichkeitsbelange zu beachten ist. 43 6. Zentrale Grundsätze für die Interessenabwägung nach der Rechtsprechung des EGMR: Folgende Grundsätze für die Interessenabwägung zw Art 8 und Art 10 EMRK sind nach der aktuellen Rspr des EGMR mithin zu beachten: 44 a) Der Beitrag muss zur Diskussion über eine Frage von allg Interesse beitragen. Hierbei ist kein enger Maßstab anzuwenden, insb ist das öffentl Interesse nicht nur dann zu bejahen, wenn es sich um politische Fragen, Verfehlungen oder um die Berichterstattung über Straftaten handelt (EGMR NJOZ 2012, 330, 333 – Wizerkaniuk/ Polen; NJOZ 2009, 2203, 2208 – Le Pen; NJW 2006, 591 Rn 45 – Karhuvaara und Iltalehti/Finnland); vielmehr können bspw auch Sport- und Kunstereignisse das öffentliche Interesse begründen (EGMR 16.1.2014 – 13258/09 – Lillo-Stenberg and Saether/Norway; EGMR ZUM 2018, 179 – Hochzeit eines bekannten Moderators). Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn die Veröffentlichung lediglich dem Zweck dient, die Neugier des Publikums zu befriedigen. Verneint wurde das öffentliche Interesse bzgl finanzieller Schwierigkeiten eines berühmten Sängers (EGMR 16.1.2014 – 13258/09 – Lillo-Stenberg and Saether/Norway), vermuteter Eheprobleme eines Präsidenten, gesundheitlicher Probleme sowie Details aus dem Sexualleben (EGMR 14.1.2014 – 73579/10 – Ruusunen/ Finnland). 45 b) Bekanntheitsgrad, Rolle und Funktion des Betroffenen sowie Gegenstand des Berichts müssen Berücksichtigung finden. Handelt es sich um Politiker oder sonstige Personen des öffentl Lebens (public figures), müssen diese weitergehende Beschränkungen ihrer Privatsphäre hinnehmen als Personen, die bisher nicht in der Öffentlichkeit standen (EGMR – 45543/04 – Somesan and Butiuc/Romania; EGMR 9.2.2021 – 9142/16 – Sagdic/ Türkei: hochrangiger Offizier der Streitkräfte) und kein Amt ausüben, denn mit Blick auf sog „public figures“ nimmt die Presse ihre wesentl Rolle als „Wachhund“ in der demokratischen Gesellschaft wahr und trägt dazu bei, Ideen und Informationen zu Fragen allg Interesses zu vermitteln (vgl EGMR EuGRZ 1995, 16 Rn 59 – Observer u Guardian/Vereinigtes Königreich). 46 c) Das Vorverhalten des Betroffenen und mögliche frühere Veröffentlichungen sind in die Bewertung einzubeziehen (EGMR NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I). Hat der Betroffene sein Privatleben ggü der Presse schon zuvor geöffnet, ist die „berechtigte Erwartung“, dass seine Privatsphäre wirksam geschützt werde, „reduziert“ (EGMR GRUR 2012, 741 – Axel Springer/Deutschland). Allerdings führt die Tatsache, dass der Betroffene bereits mit der Presse zusammengearbeitet hat, nicht zu einer vollständigen Versagung von Schutz (EGMR 16.1.2014 – 13258/09 – Lillo-Stenberg and Saether/Norway; NJW 2012, 1053 – CvH/Deutschland II). 47 d) Inhalt (Art und Weise der Darstellung), Form (Ausmaß der Verbreitung) und Folgen der Veröffentlichung sind zu bewerten. Relevant ist daher, ob die Veröffentlichung eine negative Wirkung hat, die Reputation schädigt oder es sich um grundlose oder abschätzige Behauptungen handelt. Maßgeblich ist zudem, ob es sich um ein Foto oder eine Wortberichterstattung handelt, welches Medium genutzt wurde und welche Reichweite es hat (EGMR NJW 2012, 1053 – CvH/Deutschland II). 48 e) Von Bedeutung ist zudem, wie die Fotos entstanden sind (Zusammenhang und Begleitumstände der Aufnahme). So sind im Abwägungsprozess zugunsten des Schutzes des Privatlebens auch Belästigungen (durch Paparazzi) und sonstige Umstände, unter denen die veröffentlichten Fotos gemacht wurden, und die von den Betroffenen oft als Verfolgung empfunden werden, zu berücksichtigen. Relevanz kann zudem erlangen, wo die Aufnahmen entstanden sind, vgl EGMR GRUR 2012, 741 – Axel Springer/Deutschland: spektakulärer Ort der Festnahme (Bierzelt des Münchener Oktoberfests), ob sie ohne Kenntnis des Betroffenen oder sogar mit illegalen Mitteln aufgenommen wurden (EGMR NJW 2012, 1053 – CvH/Deutschland II). 49 f) Im Fall einer Berichterstattung ist ferner relevant, wie die Information erlangt wurde, ob sie vertraulicher Natur ist (EGMR 29.3.2016 – 56925/08 – Bedat/Schweiz) und welches Vertrauen die Presse in die Richtigkeit der Information haben konnte. Wurde die Identität bspw schon vor der Berichterstattung von der Staatsanwaltschaft und damit von einer öffentl, privilegierten Quelle offengelegt, besteht nach Ansicht des EGMR idR eine ausreichende Tatsachengrundlage, EGMR GRUR 2012, 741 – Axel Springer/Deutschland. S auch EGMR 19.10.2017 – 35030/13 – Droemer Knaur GmbH & Co KG/Deutschland: bzgl. Zuverlässigkeit und Herkunft der Quelle ist zu unterscheiden zw öffentl amtl Berichten bzw amtl Pressemitteilungen sowie internen amtl Berichten; nur auf die ersten können sich Journalisten nach Ansicht des EGMR ohne weitere Nachforschungen verlassen. 49a g) Steht ein Eingriff in Art 10 EMRK im Raum, muss auch die Schwere der verhängten Sanktion bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs Berücksichtigung finden. 49b Auch die Prüfung des Informationsgehalts von Fotos unter Berücksichtigung des Begleitartikels wird vom EGMR nicht beanstandet. Sollte der Begleittext nur als Vorwand für die Veröffentlichung der Bilder dienen, bestehe die Möglichkeit, in Verfahren vor den nationalen Gerichten derartige Alibi-Zusammenhänge zu beanstanden (EGMR NJW 2012, 1053 Rn 119 – CvH/Deutschland II). 50 7. Ausgewählte Kasuistik zum Spannungsverhältnis zw Art 8 und Art 10 EMRK: EGMR 17.1.2023 – 8964/18 – Axel Springer/Deutschland; EGMR 22.6.2021 – 5869/17, AfP 2021, 398 – Erkizia Almandoz/Spanien: unzuläs34
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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sige Verurteilung eines früheren Politikers wegen behaupteter Hassrede; 22.6.2021 – 57292/16, AfP 2021, 297 – Hurbain/Belgien: Recht auf Vergessenwerden eines Unfallverursachers; 2.9.2021 – 45581/15, AfP 2021, 511 – Sanchez/Frankreich: unterlassene Löschung der Hassrede Dritter auf öffentlichem Facebook-Profil eines Politikers; 14.1.2021 – 281/15 und 34445/15, AfP 2021, 112 – Société Editrice de Mediapart ua/Frankreich: Veröffentlichung unerlaubter Aufzeichnungen von Privatgesprächen; 23.4.2019 – 37898/17, AfP 2019, 405 – Grasser/Österreich: satirische Namensverwendung in Brettspiel; 20.9.2018 – 3682/10, 3687/10, 9765/10 u. 70693/11, AfP 2019, 305 – Annen/Deutschland II–V: „Babycaust“; 4.12.2018 – 62721/13, 62741/13 – Bild GmbH & Co KG und Axel Springer AG/Deutschland: unzulässige Fotoveröffentlichung eines Inhaftierten im Gefängnishof (Kachelmann); 19.10.2017 – 35030/13 – Droemer Knaur GmbH & Co KG/Deutschland: Verdachtsberichterstattung auf der Basis interner BKA-Berichte; 30.8.2016 – 55442/12 – Medipress Sociedade Journalìstica Lda/Portugal: zur Zulässigkeit scharfer und polemischer Kritik an Premierminister; 24.5.2016 – 68273/10 – Hochzeit eines bekannten Moderators; 17.3.2016 – 16313/10 – Kahn/Deutschland: Veröffentlichung von Bildern der Kinder eines prominenten Fußballers; 15.3.2016 – 52205/11 – Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH & Co KG/Deutschland: satirische Fotomontage; 2.12.2014, NJW 2016, 785 – Kieser und Tralau-Kleinert/Deutschland: Vorwurf von „Arisierungsprofit“ bei Käufen von Liegenschaften; 24.11.2015 – 72966/13 – Wlodzimierz Kucharczyk/Polen: Zulässigkeit eines negativen Postings auf Anwaltsbewertungsportal; 10.11.2015 – 40454/07 – Couderc and Hachette Filipacchi Associés/Frankreich: Berichterstattung über nicht-eheliches Kind von Fürst Albert; 17.9.2015 – 14464/11 – Langner/Deutschland: falscher Vorwurf der Rechtsbeugung; 12.3.2015 – 25790/11 – Almeida Leitao Bento Fernandes/Portugal: Diffamierung einer Familie in literarischem Werk; 19.2.2015 – 53495/09 – Dieter Bohlen/Deutschland: humorvolle Zigarettenwerbung; ebenso NJW 2016, 781 – Ernst August v Hannover/Deutschland; 14.1.2014 – 69939/10 – Ojala and Etukeno Oy/Finnland und 73579/10 – Ruusunen/Finnland: Buch über die Beziehung zu einem Politiker, „Kiss and Tell“-Journalismus; 7.1.2014 – 21666/09 und 37986/09 – Ringier Axel Springer/Slovakia: namentl Berichterstattungen über Unfallverursacher und über Betrugsverdacht; 14.10.2014 – 48723/07 – Stankiewicz ua/Polen: Zeitungsbericht über korrupte Praktiken eines hohen Beamten; 16.1.2014 – 13258/09 – Lillo-Stenberg und Saether/Norwegen: Veröffentlichung von Hochzeitsfotos einer Schauspielerin und eines Rockmusikers; AfP 2014, 430 – Lavric/Rumänien: Bezeichnung einer Staatsanwältin als „Fälscherin und Trickserin“; 8.11.2012, NJW 2014, 137 – Peta/Deutschland: Kampagne und Plakataktion mit Bildern von KZ-Insassen und Schlachttieren als Verletzung der Menschenwürde; 10.10.2013, AfP 2014, 46 – Delfi AS/Estland: beleidigende Äußerungen in Internetforum gegen Betreiber eines Fährunternehmens; 19.9.2013, NJW 2014, 1645 – CvH/Deutschland III: Veröffentlichung eines Fotos der Beschwerdeführerin zur Illustration eines Presseartikels über die von ihr vermietete Villa; 16.7.2013, AfP 2014, 517 – Wegrzynowski und Smolczewski/Polen: Antrag auf Löschung eines ehrverletzenden Artikels aus Internetarchiv einer Zeitung; 17.1.2012, NJW 2013, 771 – Kurier Zeitungsverlag und Druckerei GmbH/Österreich: Preisgabe der Identität eines minderjährigen Opfers sexuellen Missbrauchs; 4.12.2012 – 6490/07 – Rothe/Österreich: Veröffentlichung von im privaten Rahmen aufgenommener Fotos im Kontext einer Berichterstattung über homosexuelle Beziehungen in Priesterseminar; 7.2.2012, NJW 2012, 1053 – CvH/Deutschland II: Veröffentlichung von Bildnissen von C. und E. A. v Hannover im Skiurlaub im Kontext einer Berichterstattung über die schwere Krankheit des damaligen Staatsoberhaupts von Monaco (s hierzu auch BGH NJW 2007, 1977; BVerfG NJW 2008, 1793); 7.2.2012, GRUR 2012, 741 – Axel Springer/Deutschland: Veröffentlichung eines Berichts über strafrechtl Verfehlungen (Kokainfund) eines Fernsehserienstars; NJOZ 2012, 335 – MGN Limited/Vereinigtes Königreich: Verurteilung zu Schadensersatz und Erstattung eines hohen Erfolgshonorars wegen Pressebericht – Naomi Campbell; 18.1.2011, NJOZ 2012, 330 – Wizerkaniuk/Polen: Verurteilung wegen Veröffentlichung eines Interviews ohne Zustimmung des Interviewten; 10.5.2011, NJW 2012, 747 – Mosley/Vereinigtes Königreich: keine Verpflichtung der Medien zu einer Vorabinformation über geplante Veröffentlichungen; 13.1.2011, NJW 2011, 3353 – Hoffer und Annen/Deutschland: Beleidigung eines Abtreibungsarztes, Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht im historischen und sozialen Zusammenhang; 4.5.2010 – 38059/07 – Effecten Spiegel AG/Deutschland: Verbot der Verbreitung bestimmter Teile eines Artikels; 21.9.2010 – 34147/06 – Polanco Torres und Movilla Polanco/Spanien: Berichterstattung über vermutete Schwarzgeld-Geschäfte der Frau des Präsidenten; 16.4.2009, NJW-RR 2010, 1487 – Egeland und Hanseid/Norwegen: Veröffentlichung des Fotos einer verwirrten und wegen Mordes verurteilten Frau nach Verlassen des Gerichts; 4.6.2009, NJW 2010, 751 – Standard Verlags GmbH/Österreich: Berichterstattung über das Privatleben eines Politikers; 22.10.2007, NJOZ 2009, 2203, 2208 – Le Pen: Veröffentlichung eines Buches über einen Politiker („Chef einer Bande von Totschlägern“); 17.12.2004, NJW 2006, 1645 – Das blinde Auge der Polizei: Beleidigung eines Polizisten; 16.11.2004, NJW 2006, 591 – Karhuvaara und Iltalehti/Finnland: Bericht über die Verurteilung des Ehemanns einer Politikerin; 24.6.2004, NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I: Verbreitung von Bildnissen Prominenter; 8.7.1986, NJW 1987, 2143 – Lingens: Meinungskampf zw Journalisten und Politiker. E. Träger des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. I. Natürliche Personen. 1. Grundregel. Träger des APR 51 ist jede nat Person (BaRo/Bamberger § 12 Rn 156), nicht hingegen die virtuelle Persönlichkeit (Geis/Geis CR 2007, 721, 724; Klickermann MMR 2007, 766, 769; s auch Meyer, 179f: allerdings kann eine Verletzung im Einzelfall auf die dahinterstehende Person „durchschlagen“). Der Schutz besteht unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Rasse, geistigen Fähigkeiten oder dgl. Geschützt sind mithin auch Personen, die sich ihrer Persönlichkeit nicht bewusst sind oder bestimmte Eingriffe nicht als Verletzung empfinden (BGHZ 120, 29, 35; MüKo/ Rixecker Rn 44; Staudinger/Hager § 823 Rn C 19). Die persönlichkeitsrechtl Interessen von Kindern erfahren gar eine Schutzverstärkung durch Art 6 I, II GG (BVerfG NJW 2000, 1021, 1026 – CvM; NJW 2005, 1857 – CaroliKlass
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nes Tochter; BGH NJW 2005, 215 – Alexandra von Hannover; NJW 2010, 1454 – Sohn von Franz Beckenbauer; GRUR 2013, 1065, 1067 – Eisprinzessin Alexandra; s auch Rn 21, 183). Auch der nasciturus wird, sofern er verletzt werden kann, durch das APR geschützt (Staudinger/Hager § 823 Rn C 19; Grü/Sprau § 823 Rn 88; zur Menschenwürde von Embryonen Taupitz GRUR 2012, 1), wobei der Schadensersatzanspruch erst mit Vollendung der Geburt entsteht. 2. Sonderproblem: Kollektivbezeichnungen. a) Grundsatz. Kollektive sind keine eigenständigen Träger des APR (MüKo/Rixecker Rn 45), allerdings kann das APR tangiert sein, wenn der Einzelne als Teil eines Kollektivs (Anwälte, Polizisten, Soldaten) betroffen ist, insb wenn die Äußerungen an rassische, körperliche, ethnische oder geistige Merkmale anknüpfen, aus denen die Minderwertigkeit des Kollektivs und damit zugleich jedes einzelnen Angehörigen abgeleitet wird (BVerfG NJW 1995, 3303, 3307 – Soldaten sind Mörder IV). Nach früherer Rspr des BGH, welcher insofern weitgehend die für den strafrechtlichen Ehrenschutz entwickelten Grundsätze heranzog (im Grundsatz anerkannt auch in BVerfG NJW 2006, 3769 – Babycaust), führte die Beleidigung einer ganzen Gruppe dann zu einer Verletzung der individuellen Persönlichkeitsrechte einer Person, wenn sich die vom Äußernden bezeichnete Personengruppe aufgrund bestimmter Merkmale so deutlich von der Allgemeinheit oder anderen Bevölkerungsteilen abhob, dass der Kreis der betroffenen Personen klar erkennbar und begrenzt war (BGHZ 75, 160, 163; BGHSt 11, 207, 208 mwN). Zumindest in der Theorie musste mithin feststellbar sein, welche Personen zu der genannten Gruppe gehörten und wodurch sie sich von anderen unterschieden (BayObLG NJW 1953, 554 – Patentanwälte) – der Angreifer musste die konkreten Personen jedoch nicht kennen (BGH NJW 1989, 1365). Ebenfalls keine Rolle spielte, welches konkrete Abgrenzungsmerkmal dabei einschlägig war – die Abgrenzung konnte auf dem sozialen Status, einem ethnischen Merkmal, Weltanschauungen, gesetzl Normen oÄ beruhen. In der jüngeren Zeit sind Rspr und Lit jedoch deutlich zurückhaltender (Karlsruhe ZUM-RD 2007, 411; LG Karlsruhe NJW-RR 2008, 63, 64; Damm/Rehbock Rn 394; Arzt JZ 1989, 647). Folgende Kriterien zeichnen sich dabei ab: Der Kreis möglicher Betroffener muss zahlenmäßig begrenzt sein, weshalb die Abgrenzbarkeit umso eher verneint wird, je größer die Gruppe ist und je mehr Fluktuation mit Blick auf ihre Mitglieder vorliegt, denn in diesen Fällen „verliert sich die Beleidigung in der Unbestimmtheit“ (Karlsruhe ZUM-RD 2007, 411; Brändel/Schmitt in Götting/Schertz/Seitz, § 30 Rn 4; Damm/Rehbock Rn 394). Eine Verletzung des APR ist daher idR nur in jenen Fällen zu bejahen, in denen der Einzelne (allenfalls eine kleinere Gruppe) erkennbar Ziel des Angriffs ist, wenn es dem Angreifer also um eine persönliche Diffamierung und nicht um eine allg Kritik an bestimmten Zuständen oder der sozialen Funktion einer bestimmten Gruppe geht (MüKo/Rixecker Rn 45; Staudinger/Hager § 823 Rn C 21ff; Karlsruhe ZUM-RD 2007, 411). Ausnahmen sind allenfalls bei besonders kleinen und zahlenmäßig stark beschränkten Gruppen denkbar. Eine Verletzung einzelner Personen ist zudem ausgeschlossen, wenn an Merkmale angeknüpft wird, die offenkundig nicht auf alle Mitglieder des Kollektivs zutreffen (MüKo/Rixecker Rn 45). Insg ist die Kasuistik jedoch nach wie vor uneinheitlich. b) Kasuistik. Verletzung bejaht (allg zum Ehrenschutz s Rn 94ff; speziell zur Schmähkritik s Rn 254ff): BGHSt 11, 207; BGHZ 75, 160; BVerfG NJW 90, 241 – Auschwitzlüge: Die in Deutschland lebenden Juden, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen waren, sind kollektiv beleidigungsfähig, da das ihnen vom Nationalsozialismus auferlegte Schicksal sie zu einer Einheit verbinde, die sie aus der Allgemeinheit hervortreten lasse (bei der Rspr zur Beleidigung von Juden handelt es sich jedoch um eine Ausnahme, die in dieser Form nicht verallgemeinert werden kann; dazu auch Huster NJW 1996, 487). S auch BGH ZUM 2022, 717 – „Die Sau von Wittenberg“: „Durch eine Darstellung, die das jüdische Volk und seine Religion, mithin das Judentum als Ganzes verhöhnt und verunglimpft, wird der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen.“ Frankfurt NJW 1977, 1353: Beleidigungsfähigkeit „der Polizei“, sofern die der Beleidigung zugrunde liegenden Vorwürfe erkennen lassen, dass nur eine in einen bestimmten Geschehensablauf verwickelte, also örtlich und persönlich abgrenzbare Gruppe von Polizisten gemeint ist (s jüngst zur Beleidigungsfähigkeit der Polizei Karlsruhe 19.7.2012 – 1 (8) Ss 64/12-AK 40/12; Jäger JA 2013, 232; Zöller ZJS 2013, 102; Klas/Blatt HRRS 2012, 388). BGH NJW 1989, 1365: Beleidigungsfähigkeit der aktiven Soldaten der Bundeswehr. Verletzung verneint: BVerfG NJW 2015, 2022: keine Beleidigung durch Tragen eines Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“ sowie BVerfG 16.1.2017 – 1 BvR 1593-16 und BVerfG AfP 2017, 44: Aufdruck „ACAB („all cops are bastards“); BayObLG NJW 1953, 554 – Patentanwälte. Düsseldorf (St) NJW 1981, 1522: „die Polizei“ als solche – in ihrer Gesamtheit und als Inbegriff aller polizeilichen Einrichtungen in Bund und Ländern (keine beleidigungsfähige Personengesamtheit). Nürnberg 1.10.2012 – 1 St OLG Ss 211/2012: straflose Kollektivbeleidigung der Polizei durch Tragen eines T-Shirts mit Aufdruck „all cops are bastards“ auf einem Volksfest. LG Darmstadt NJW 1990, 1997f: keine Beleidigungsfähigkeit älterer Damen durch den Ausdruck „Altweibersommer“; aber auch Frauen (LG Hamburg NJW 1980, 56), Katholiken, Protestanten und Akademiker sind nicht kollektiv beleidigungsfähig (vgl hierzu BGH NJW 1989, 1365 sowie NJW 1980, 56, 57); ebensowenig (mehr als 40 000) niedergelassene Ärzte, die durch „Streik“ ihre Patienten „in Geiselhaft“ nehmen (Karlsruhe NJW-RR 2007, 1342). BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV: keine Beleidigungsfähigkeit, sofern alle Soldaten der Welt angesprochen werden, allerdings soll die Gruppe der (aktiven) Soldaten der Bundeswehr eine überschaubare Gruppe sein, sodass eine auf sie bezogene Äußerung auch den Einzelnen kränken kann, wenn sie an ein Merkmal anknüpft, das ersichtlich oder zumindest typischerweise auf alle Mitglieder des Kollektivs zutrifft – der Vorwurf sei jedoch nicht, dass alle Soldaten der Welt einen Menschen iSd § 211 StGB getötet haben, sondern, dass alle Soldaten ein mörderisches Handwerk betreiben. 36
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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c) Der Schutz von Personenvereinigungen. Zudem kann sich im Einzelfall auch eine Personenvereinigung auf 55 den Schutz durch das APR berufen (zum APR von Personenvereinigungen Rn 57ff). d) Abgeleitete Betroffenheit. Gegen eine verletzende Berichterstattung kann jedoch nicht vorgehen, wer nur 56 mittelbar belastet ist (BGH NJW 1980, 1790): Anspruchsberechtigt ist stets nur der unmittelbar Betroffene. Beeinträchtigungen einzelner Familienmitglieder betreffen weder andere Familienmitglieder noch die Familie als solche, mögen sie auch als kränkend empfunden werden. Keine Beleidigung der Ehefrau liegt daher vor, sofern behauptet wird, der Ehemann habe mit einer anderen Frau die Ehe gebrochen, BGH NJW 1970, 1599. Ebenfalls ist keine Beleidigung des Vaters gegeben aufgrund der Behauptung, seine Söhne seien homosexuell, BGH NJW 1969, 1110. Wenn wegen eines schweren Verbrechens der Familienname des Täters in der Zeitung genannt wird, ist dies keine Beleidigung und idR auch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Bruders des Täters (BGH NJW 1980, 1790). Eine Beleidigung des Vaters (Verdächtigung als Mörder) soll grds auch nicht die Ehre der Tochter (BGH GRUR 1974, 797, 880 – Fiete Schulze) verletzen. Unklar ist jedoch, ob es eine eigenständige Familienehre gibt (Erman/Ehmann12 Rn 325 spricht sich angesichts der Anerkennung eines APR für Personenvereinigungen für einen solchen Schutz aus; BGH NJW 1951, 531 verneint eine eigenständige Familienehre; offengelassen allerdings in BGH NJW 1969, 1110: die Familie C. führe ein sittlich verfehltes Leben sowie in BGH NJW 1970, 1599). Nach BGH NJW 1970, 1599 qualifizieren sich aber selbst bei Anerkennung einer Familienehre nur solche herabsetzenden Äußerungen als deren Verletzung, die sich gegen sie als eine eigenständige Gemeinschaftsehre richten; ein Anspruch der zu diesem Kreis gehörenden Personen auf eine Geldentschädigung ist jedenfalls ausgeschlossen (BGH GRUR 1974, 797, 880 – Fiete Schulze). II. Persönlichkeitsrechtsschutz für Personenvereinigungen: Vom Persönlichkeits- zum Imageschutz Schrifttum: Born, Gen-Milch und Goodwill – Äußerungsrechtlicher Schutz durch das Unternehmenspersönlichkeitsrecht, AfP 2005, 110; Brauer, Das Persönlichkeitsrecht der juristischen Person, 1962; Cronemeyer, Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht in der gerichtlichen Praxis, AfP 2014, 111; Fellner, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen, 2007; Gostomzyk, Äußerungsrechtliche Grenzen des Unternehmenspersönlichkeitsrechts – Die Gen-Milch-Entscheidung des BGH NJW 2008, 2082; Kau, Vom Persönlichkeitsschutz zum Funktionsschutz, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen des Privatrechts in verfassungsrechtlicher Sicht, 1989; Klippel, Der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz von Verbänden, JZ 1988, 625; Koreng, Das „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ als Element des gewerblichen Reputationsschutzes, GRUR 2010, 1065; Leßmann, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen, AcP 170 (1970), 266; Lilienfeld-Toal, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht juristischer Personen des Zivilrechts, 2003; Meissner, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen im deutschen und US-amerikanischen Recht, eine rechtsvergleichende Untersuchung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts juristischer Personen, 1998; Quante, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 1999; Wronka, Das Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 1972; Ziegelmayer, Die Reputation als Rechtsgut, GRUR 2012, 761.
1. Persönlichkeitsrechtsschutz für Personenvereinigungen. Juristische Personen des Privatrechts (zur Beur- 57 teilung jur Personen des öffentl Rechts vgl Rn 67), nicht rechtsfähige Vereine (BGH NJW 1971, 1655; 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung; LG Hamburg 19.2.2010 – 325 O 316/09) sowie Personengesellschaften (BGH NJW 1980, 2807), die einen Namen (Firma) führen, denen Rechte zugeordnet werden und die rechtl Pflichten begründen können, genießen nach überwiegender Ansicht in der Rspr (BGH ZUM 2020, 331 Rn 34 – Fitnessstudio; NJW 2018, 2877, 2879 – Bio-Hühnerstall; ZUM 2015, 244, 246 – Hochleistungsmagneten; NJW 2008, 2110, 2112 – Gen Milch; NJW 2009, 3580 – unsaubere Geschäfte; NJW 2011, 155, 156; 1984, 1956, 1957 – Mordoro; NJW 1975, 1882, 1883 – Geist von Oberzell; BVerwG NVwZ 2008, 1371, 1372; Hamm 9.12.2013 – 6 W 56/13; Brandenburg ZUM-RD 2011, 169, 170; Hamburg NJW 2009, 1510, 1511 – Contergan; Frankfurt NJW 1982, 648 – Lusthansa; LG Hamburg ZUM-RD 2003, 48, 49 – Bundeskanzleramt; LG Hamburg NJW-RR 2006, 844, 845 – Vereinspersönlichkeitsrecht; LG Köln BeckRS 2013, 08478 – Online-Portal) Schutz durch das APR (Unternehmenspersönlichkeitsrecht), wobei der konkrete Umfang durch das Wesen der jur Person, ihre satzungsmäßigen Funktionen sowie durch ihren sozialen Geltungsanspruch beschränkt wird. Diese inhaltliche und thematische Begrenzung (sog Funktionsschutz) wird von den Gerichten in folgender Formel zusammengefasst: „Eine Ausdehnung der Schutzwirkung dieses Rechts über natürliche Personen hinaus auf juristische Personen ist nur insoweit gerechtfertigt, als sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsbereich als ArbG oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden“ (BGH NJW 1994, 1281, 1282 – Jahresabschluss; NJW 1986, 2951, 2951f – BMW Bumms Mal Wieder; NJW 1975, 1882, 1884 – Geist von Oberzell). Das BVerfG hat bisher allerdings die Frage nach einer möglichen verfassungsrechtl Anerkennung (s hierzu Rn 59) eines Unternehmenspersönlichkeitsrechts unbeantwortet gelassen (s BVerfG NJW 2010, 3501, 3502 – Gen-Milch). In der Lit ist die Anerkennung eines APR für Personenvereinigungen ebenfalls nicht unumstritten (zust: Erman/Ehmann12 Rn 290; BaRo/Bamberger § 12 Rn 156, 165ff; Grü/Sprau § 823 Rn 91; Born AfP 2005, 110, 111; Wegner in Götting/Schertz/Seitz (1. Aufl), § 32 Rn 173; Brändel/Schmitt in Götting/Schertz/Seitz, § 31 Rn 1; krit: Kau, 42ff; Brauer, 40; Quante, 130; Raue AfP 2009, 1, 5; Jarass NJW 1989, 857, 860; MüKo/Rixecker Rn 46; Lettl WRP 2005, 1045, 1050; Schramm GRUR 1972, 348, 351; Koreng GRUR 2010, 1065, 1068ff, der das Unternehmenspersönlichkeitsrecht für eine falsa demonstratio hält; s auch Ziegelmayer GRUR 2012, 761, 762, der ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht ablehnt, aber einen Reputationsschutz in Art 2 I, 12 I, 19 III GG verorten will). Der Schutz des APR soll zudem auch politischen Parteien zugutekommen (Erman/Ehmann12 Rn 290; BaRo/Bamberger § 12 Rn 98; Grü/Sprau § 823 Rn 91; München NJW 1996, 2515; LG Mainz NJW 2001, 761, 762 – NPDBoykott).
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2. Schutzumfang und dogmatische Herleitung. Der genaue Schutzumfang sowie die dogmatische Herleitung eines solchen APR von Personenvereinigungen (oft auch schlagwortartig als Unternehmenspersönlichkeitsrecht bezeichnet, BGH ZUM 2022, 907 – Bewertung eines Ferienparks; Hamburg NJW 2009, 1510 – Contergan; BGH NJW 2008, 2110, 2112 – Gen-Milch spricht vom „Persönlichkeitsrecht des Unternehmens“) sind jedoch unklar (s hierzu auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, 2001, 502 sowie Staudinger/Hager § 823 Rn C 27ff). Mit Blick auf die Schutzgewährleistung wird zum einen betont, dass jedenfalls rein ideelle Belange bei Personenvereinigungen, insb bei Wirtschaftsunternehmen, zurücktreten müssten und erst dann Bedeutung erlangen könnten, wenn sie sich in einem geschäftlichen Interesse niederschlagen (Frankfurt NJW 1982, 648 – Lusthansa). Zum anderen ist weitgehend anerkannt, dass der soziale Geltungs- und Achtungsanspruch der Personenvereinigungen als ArbG oder Wirtschaftsunternehmen und damit insb die wirtschaftl Betätigungsfreiheit von Unternehmen geschützt ist (BGH NJW 1994, 1281, 1282 – Jahresabschluss). Auffällig ist zudem, dass die Gerichte sehr oft „zweifüßig“ agieren und zugleich das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb heranziehen, vgl bspw BGH ZUM 2015, 244, 246 – Hochleistungsmagneten sowie Rn 61. a) Kein Schutz durch verfassungsrechtl APR. Es ist jedoch durchaus fragwürdig, ob das APR mit Blick auf seine enge Verflechtung mit der Menschenwürde und der nach Art 2 I GG geschützten persönl Lebenssphäre überhaupt auf Personenvereinigungen übertragbar ist, insb ist unklar, ob ein verfassungsrechtl abgesicherter Schutz durch das APR angezeigt ist (erneut offengelassen in BVerfG NJW 2010, 3501, 3502 – Gen-Milch). Dies erscheint insb vor dem Hintergrund dogmatisch bedenklich, dass das APR seine Berechtigung zu gleichen Teilen aus der verfassungsrechtl geschützten Menschenwürde, und damit aus Art 1 I GG, sowie aus Art 2 I GG zieht (krit insofern auch Raue AfP 2009, 1; Schramm GRUR 1972, 348, 351; Dürig/Herzog/Scholz/Di Fabio Art 2 GG Rn 224; Born AfP 2005, 110, 111). Mit der Menschenwürde jedenfalls hat die Betätigung von Unternehmen nichts zu tun (so auch Raue AfP 2009, 1, 5 mit Blick auf die Unternehmensdarstellung). Letztlich scheint eine Berufung auf das verfassungsrechtl geschützte APR auch schon mit Blick auf Art 19 III GG zu scheitern, denn ein solchermaßen aus beiden Normen gespeistes Recht (Dürig/Herzog/Scholz/Di Fabio Art 2 GG Rn 224: das APR erhält gerade aufgrund seiner „Bereichsüberschneidung mit Art 1 I GG konkrete Konturen und hebt sich hierdurch qualitativ von der allgemeinen Handlungsfreiheit ab“) ist seinem Wesen nach nicht auf Personenvereinigungen anwendbar. Jur Personen können nicht Träger der Menschenwürde sein, denn diese bezieht sich ausschließlich auf Angehörige der menschlichen Gattung (Dürig/Herzog/Scholz/Herdegen Art 1 I GG Rn 72; Jarass NJW 1989, 857, 860; das BVerfG lässt diese Frage ausdrückl offen: NJW 1994, 1784 sowie NJW 2010, 3501, 3502 – Gen-Milch; unklar auch BVerfG NJW 2007, 2464, 2471: Es lasse sich nicht allg angeben, ob das APR seinem Wesen nach auf jur Personen anwendbar ist; dies sei differenziert zu betrachten). Im Erg spricht daher viel dafür, einen Schutz durch das verfassungsrechtl APR zu verneinen. b) Schutz von Personenvereinigungen durch zivilrechtl APR. Einfacher, wenn auch nicht vollends überzeugend zu konstruieren, ist ein persönlichkeitsrechtl Schutz von jur Personen über das zivilrechtl APR, denn wie schon aus anderen Bereichen des APR (zB postmortaler Schutz kommerzieller Aspekte, hierzu ausf Rn 74) anerkannt, können die Zivilgerichte umfassenderen Schutz gewähren (BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Blauer Engel II; hierzu auch Helle AfP 2010, 531, 532), insb auch in Fällen, in denen eine Berufung auf Art 1 I GG scheitert (so auch Jarass NJW 1989, 857, 860). Jedoch würde ein solches zivilrechtl APR dann zwangsläufig einen geringeren Schutz aufweisen, Brandenburg ZUM-RD 2011, 169, 170, da die verfassungsrechtl Verstärkung durch die Menschenwürde fehlt (BVerfG NJW 2005, 883; Hamburg NJW 2009, 1510, 1513; Gostomzyk NJW 2008, 2082, 2084). Allenfalls könnten Art 2 I GG (allg Handlungsfreiheit) bzw Art 12 GG der Position im Einzelfall Gewicht verleihen (LG Köln NJOZ 2010, 1233, 1234; Degenhart PharmR 2010, 261, 263; für eine Verortung in Art 2 I iVm 12 I GG plädiert auch Koreng GRUR 2010, 1065, 1070). Grds ist jedoch zu beachten, dass die Teilnahme von Unternehmen am Marktgeschehen, aber auch die Tätigkeit von Vereinen und Parteien in der Öffentlichkeit und im Bereich der Sozialsphäre stattfindet, sodass hier auch insofern ein deutlich schwächerer Schutz bestehen würde, insb besteht typischerweise kein Privatsphärenschutz. Letztlich kann aber auch auf zivilrechtl Ebene vor dem Hintergrund, dass sich sowohl der Tätigkeitskreis als auch die schützenswerten Interessen nat Personen stark von jenen jur Personen unterscheiden, eine pauschale Übertragung der für den Persönlichkeitsschutz nat Personen entwickelten Grundsätze nicht stattfinden (so auch Leßmann AcP 170, 266, 267). Jur Personen sind wesensmäßig von dem personenrechtl Bereich, soweit dieser nat Personen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen bzw die Entfaltung der geistig-sittlichen Individualität einzelner Menschen betrifft, ausgeschlossen (BGH GRUR 1976, 379, 380f – KSB). Unternehmen selbst haben keine Persönlichkeit (ähnl auch MüKo/Rixecker Rn 47) – bei jur Personen findet sich allenfalls „ein blasser Anklang“ (Jarass NJW 1989, 857, 860) dessen, was Persönlichkeit bei nat Personen bedeutet. Aus dogmatischer Sicht sprechen daher insg die überwiegenden Gründe gegen einen Schutz durch das APR, wie es von der Rspr in Umsetzung der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte entwickelt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Personenvereinigungen in den bisher über das APR geschützten Konstellationen schutzlos bleiben sollen – jedoch muss der Schutz im Interesse eines auch in der Zukunft starken APR und auch vor dem Hintergrund der Gefahr der Verwässerung der Begrifflichkeiten auf tragfähigere Füße gestellt werden. Der Begriff des Unternehmenspersönlichkeitsrechts sollte daher aufgegeben werden, ähnl auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, 2001, 507 sowie Helle AfP 189, 697, 699; Kau, Vom Persönlichkeitsschutz zum Funktionsschutz, 101 (insb Fn 34). Stattdessen sollte man dazu übergehen, die bisher anerkannten einzelnen Schutzbereiche konkret zu benennen. Ein Recht generalklauselartiger Weite wie das APR, das offen und unbestimmt ist, weil dies 38
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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auch auf das Rechtsgut (Persönlichkeit) zutrifft, dessen Schutz es dient, ist im Bereich des Unternehmensschutzes insb auch vor dem Hintergrund existierender Verhaltensnormen des Delikts-, des Kennzeichen- und Wettbewerbsrechts nicht erforderlich (s auch Koreng GRUR 2010, 1065, 1069f: ein Rückgriff auf ein eigenständiges Unternehmenspersönlichkeitsrecht für wirtschaftl Unternehmen sei vollständig entbehrlich; einschränkend, insb vor dem Hintergrund der erhöhten Gefährdungspotentiale für die Reputation eines Unternehmens im Bereich Social Media Ziegelmayer GRUR 2012, 761, 762f). Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Rechtsordnung bislang stets mit Blick auf Wesen und Gehalt des betroffenen Schutzbereichs des APR entscheidet, ob dieses auch auf Unternehmen übertragbar ist (so auch Brauer, 65). Zudem beschränkt sich der Schutz in der Praxis bislang primär auf den Schutz der wirtschaftl Betätigungsfreiheit, welche als Teil der allg Handlungsfreiheit geschützt wird (BVerfG NJW 1994, 1784 – Jahresabschluss, mit Blick auf das zivilrechtl APR; Hamburg 18.11.2008 – 6 W 50/08; LG Mainz NJW 2001, 761, 762 – NPD-Boykott; mit Blick auf politische Parteien). Darüber hinaus lassen sich zumindest mit Blick auf den Unternehmensschutz keine wesentl Unterschiede zum Recht am Gewerbebetrieb erkennen – der Schutzzweck scheint nahezu identisch (zumindest überschneidend) zu sein; s hierzu sowie zu bestehenden kleineren Schutzlücken Hamm 9.12.2013 – 6 W 56/13 sowie die Entscheidung BGH ZUM 2015, 244, 246f – Hochleistungsmagneten, in welcher neben der Betroffenheit des Unternehmenspersönlichkeitsrechts (Schutz des sozialen Geltungsanspruchs) auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art 12 iVm Art 19 III GG) als einschlägig angesehen wird: Betroffen ist insofern zudem das „Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftl Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden“. Jedenfalls verwenden die Gerichte beide Rechtsinstitute unter der einschränkenden Voraussetzung des betriebsbezogenen Eingriffs (Born AfP 2005, 110, 112; Köln NJW-RR 2007, 698, 701 – Gen-Milch). Nicht zuletzt ist der Schutz von Personenvereinigungen über das APR auch subsidiär zu einem im Einzelfall bestehenden spezialgesetzl Schutz, zB nach dem MarkenG oder dem UWG (Köln NJW-RR 2007, 698, 701 – Gen-Milch). Unternehmen sollen mithin nicht schutzlos gestellt werden – auch sofern es um ihren sozialen Geltungsanspruch geht –, allerdings gibt es dogmatisch bessere Wege, um den insb mit Blick auf die zahlreichen neuen Gefährdungspotentiale im Web 2.0 durchaus erforderlichen Image- bzw Reputationsschutz zu garantieren, als auf das APR zu rekurrieren und es in einer „entkernten“ Form anzuwenden. 3. Anerkannte Schutzbereiche. Trotz fehlender dogmatischer Begründung haben die Gerichte in der Vergan- 62 genheit verschiedene Schutzbereiche anerkannt. a) Recht am gesprochenen Wort. Nach überwiegender Ansicht (BVerfG NJW 2002, 3619, 3622; 2007, 2464, 2471; BAG NJW 2010, 104, 106; Brändel/Schmitt in Götting/ Schertz/Seitz, § 31 Rn 4; abl: MüKo/Rixecker Rn 47: jur Personen sprechen kein Wort) können sich jur Personen auf das durch das APR geschützte Recht am gesprochenen Wort als Ausprägung des APR berufen (s Rn 62, 131). Dem stehe auch die dogmatische Fundierung in Art 1 GG nicht entgegen, da der Schutz dieses Rechts nicht von einem besonderen personalen Kommunikationsinhalt abhänge, vielmehr soll sichergestellt werden, dass sich die Beteiligten in der Kommunikation eigenbestimmt und situationsangemessen verhalten können (BVerfG NJW 2002, 3619, 3622). Jur und nat Personen befänden sich mithin in einer vergleichbaren grundrechtstypischen Gefährdungslage (BVerfG NJW 2002, 3619, 3622; BAG NJW 2010, 104, 106). b) Recht am eigenen Bild. Ob für jur Personen auch ein Recht am eigenen Bild (s dazu Rn 167ff) anzuerkennen 63 ist, hat das BVerfG offengelassen (NJW 2005, 883), der BGH scheint jedenfalls einen Schutz des Emblems zu gewähren, sofern das Unternehmen durch die unberechtigte Nutzung in seinem sozialen Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen betroffen ist (BGH NJW 1986, 2951, 2951f – BMW Bumms Mal Wieder). Die bildliche Aufnahme einer Betriebsstätte soll jedenfalls keinen verfassungsrechtl gewährleisteten Persönlichkeitsrechtsschutz genießen (Brändel/Schmitt in Götting/Schertz/Seitz, § 31 Rn 4). Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht gewährt nach Stuttgart AfP 2015, 450, jedoch Schutz, wenn es sich um heimliche Filmaufnahmen in einer Sphäre handelt, die dem Hausrecht des Unternehmens unterliegt. Im Rahmen dieser Fallgruppe zeigt sich erneut die Ungeeignetheit personaler Rechte zum Schutz von Personenvereinigungen – denn zu klären, was das einem Bildnis einer nat Person vergleichbare Bild eines Unternehmens sein soll, erscheint äußerst problematisch; auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, 2001, 508, betont, dass der Schutz der natürlichen Rechtsgüter Bildnis oder Stimme denknotwendig eine nat Person als Rechtsträger voraussetze. c) Schutz vor unbefugter Namensnutzung. Die unbefugte Verwendung des Namens einer Personenvereini- 64 gung, insb zu Werbezwecken, kann deren „Persönlichkeitsrecht“ verletzen (BGH NJW 1981, 2402; Düsseldorf NJW-RR 1990, 293, 293f; Erman/Ehmann12 Rn 297; zum Namensschutz einer Universität nach § 12 s Karlsruhe GRUR 1986, 479, 480f – Universitätsspiegel). Wird der Name oder das Emblem auf einem Scherzartikel verwandt, kann neben dem Namensschutz auch der Schutz des wirtschaftl Rufs (s Rn 65) betroffen sein – allerdings werden die Grenzen hier recht weit gezogen (BGH NJW 1986, 2951, 2952 – BMW Bumms Mal Wieder; Frankfurt NJW 1982, 648 – Lusthansa; BGH NJW 1984, 1956, 1957 – Mordoro; Hamburg NJW-RR 1999, 1060, 1062 – Bild Dir keine Meinung), denn rein ideelle Interessen können bei Wirtschaftsunternehmen nicht ausgemacht werden, weshalb sie bei einer satirisch-spöttischen Anspielung auf ihren Namen nur dann rechtl Schutz beanspruchen können, wenn die Darstellung nach Inhalt und Form geeignet ist, die jur Per in ihrem Ansehen als Wirtschaftsunternehmen oder ArbG vor der Öffentlichkeit – und damit geschäfts- oder betriebsbezogen – herabzusetzen (Frankfurt NJW 1982, 648 – Lusthansa).
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d) Schutz des wirtschaftlichen Rufs („wirtschaftliche Ehre“). aa) Ehrenschutz für jur Personen? Ebenfalls als Teil des „Unternehmenspersönlichkeitsrechts“ soll die „wirtschaftliche Ehre“ geschützt sein (BGH ZUM 2015, 244, 246 – Hochleistungsmagneten: Betroffen ist der durch Art 2 I iVm Art 19 III GG, Art 8 I EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen, welcher Schutz vor Beeinträchtigungen des unternehmerischen Ansehens in der Öffentlichkeit bietet; BGH NJW 2018, 2877, 2879 – Bio-Hühnerstall; NJW 2009, 1872, 1873 – Fraport; NJW 2009, 3580 – Unsaubere Geschäfte; BVerwG NVwZ 2008, 1371, 1372; Brandenburg ZUM-RD 2011, 169, 170; Bamberg NJOZ 2005, 1475, 1476 mit Blick auf einen Idealverein; Erman/Ehmann12 Rn 293). Gesichert werden soll damit das wirtschaftl Ansehen jur Personen und mithin ihr guter Ruf, welcher sowohl durch Tatsachenbehauptungen als auch durch Werturteile verletzt werden kann (zur Abgrenzung s Rn 98ff, insb 101). Zwar wird Ehrenschutz schon weitgehend durch vorrangig anwendbare Spezialregelungen wie § 823 II iVm § 185 StGB sowie durch § 824 (aber kein Schutz vor abwertenden Meinungsäußerungen, BGH ZUM 2015, 244, 247) und lauterkeitsrechtl Normen, insb § 4 Nr 1 UWG (Schmähkritik) gewährleistet, allerdings wird ein darüber hinausgehender, mit Blick auf den Aufgaben- und Funktionsbereich begrenzter zivilrechtl Ehrenschutz als Ausfluss des sog Unternehmenspersönlichkeitsrechts für erforderlich gehalten (Kort NJW 2006, 1098, 1099f; aA Koreng GRUR 2010, 1065, 1069). Diesem komme insofern eine Auffangfunktion zu (Verunglimpfung bekannter Marken in Fällen fehlender markenmäßiger Benutzung, zB in Form von Markenparodien, öffentlicher Kritik an Waren und Unternehmen, Boykottaufrufen sowie Veröffentlichungen krit Warentestergebnisse außerhalb von Wettbewerbsverhältnissen). Nicht überzeugend dargelegt und begründet wird jedoch, inwiefern jur Personen überhaupt in der eigenen Ehre – die ja primär als der Achtungsanspruch des Menschen vor sich selbst (innere Ehre) verstanden wird – verletzt werden können, zumal sich der Ehrbegriff in dieser Form aus der Menschenwürde ableitet, die jedoch auf Personenvereinigungen nicht anwendbar ist (Dürig/Herzog/Scholz/Herdegen Art 1 I GG Rn 72; Jarass NJW 1989, 857, 860). Eine Beeinträchtigung kommt insofern allenfalls nur mit Blick auf die „äußere Ehre“ verstanden als Anrecht auf Wahrung des Geltungsanspruchs innerhalb der Gesellschaft („guter Ruf“) in Betracht (ähnl auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, 2001, 515; Ziegelmayer GRUR 2012, 761, 763f, der sich zu Recht für einen Reputationsschutz von Unternehmen ausspricht). Jedoch fehlen auch insofern klare dogmatische Grenzziehungen. Inhaltlich geht es in diesen Fällen jedenfalls um den Schutz des etablierten Images eines Produkts oder Unternehmens – und mithin um Image- und nicht Ehrenschutz. bb) Anerkannte Schutzbereiche im Einzelnen. Im Rahmen der Fallgruppe des „wirtschaftlichen Ehrenschutzes“ sollen sich jur Personen gegen unwahre Tatsachenbehauptungen zur Wehr setzen können, soweit diese eine gewisse Eingriffsschwelle überschreiten. Denn die jur Person hat ein Interesse daran, dass „ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden“ (BGH ZUM 2015, 244, 246). Werturteile, insb in Form von Gewerbekritik, müssen sich Unternehmen jedoch idR gefallen lassen, selbst wenn sie überzogen, plakativ oder polemisch sind (so auch Gostomzyk NJW 2008, 2082, 2084; BGH NJW 2009, 3580, 3581f – Unsaubere Geschäfte; Dresden BeckRS 2011, 27291: Äußerung, die Zustände in einem Unternehmen „grenzen an Sklavenarbeit“, ist unternehmensbezogene Meinungsäußerung, nicht Schmähkritik; Köln ZUM 2012, 493 – Restaurantkritik); dies gilt auch für die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik, BGH ZUM-RD 2020, 186, 191 – Bewertung eines Fitnessstudios; ZUM 2020, 331, 336, GRUR 2020, 435, 186; Dresden ZUM-RD 2021, 633, 634f); erst wenn die gezielte Herabsetzung im Vordergrund steht, sei eine Grenze erreicht (BGH NJW 1984, 1956, 1957 – Mordoro; bejaht bspw vom LG Hamburg GRUR 2000, 514, 515 – Deutsche Pest). Zudem ist auch Schmähkritik im Kontext unternehmensbezogener Äußerungen unzulässig (Wanckel in Götting/Schertz/Seitz, § 19 Rn 95; Höch in Götting/Schertz/Seitz, § 21 Rn 23; LG Hamburg GRUR 2000, 514, 515 – Deutsche Pest; Frankfurt NJW 1990, 2002 – Restaurantkritik: „wie eine Portion Pinscherkot“ in den Teller „hineingeschissen“), jedoch ist in den meisten Fällen aufgrund eines oftmals bestehenden Wettbewerbsverhältnisses ohnehin § 4 Nr 1 UWG einschlägig (BGH NJW 1987, 1082: Bejahung der Wettbewerbsabsicht bei einer Restaurantkritik). Verbraucheraufklärung sowie generelle Produkt- oder Branchenkritik sind idR mangels eines betriebsbezogenen Eingriffs zulässig (vgl hierzu die GenMilch-Entscheidungen BVerfG NJW 2010, 3501; BGH NJW 2008, 2110 – Gen-Milch; Born AfP 2005, 110, 114). Zulässig ist auch die der Wahrheit entspr Berichterstattung über eine intensive Abmahntätigkeit einer Kanzlei, Köln ZUM-RD 2011, 411 – insofern liegt keine das Unternehmenspersönlichkeitsrecht beeinträchtigende Äußerung vor. Wird zum Boykott gegen ein Unternehmen aufgerufen, ist dieser in erster Linie nach § 4 Nr 4 UWG zu beurteilen, ein Schutz durch das APR in Form des Unternehmenspersönlichkeitsrechts soll jedoch neben dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Auffangtatbestand außerhalb von Wettbewerbsverhältnissen zur Anwendung gelangen (Born AfP 2005, 110, 115; LG Mainz NJW 2001, 761, 762 – NPD-Boykott: Schmähung der Marke und des Unternehmens; Frankfurt NJW 1990, 2002 – Restaurantkritik). Aussagen über die persönlichen Verhältnisse einzelner Unternehmensmitarbeiter, die in exponierter Stellung tätig sind, zB als Vorstand, Aufsichtsrat oder Gesellschafter, sollen das Persönlichkeitsrecht des Unternehmens hingegen unberührt lassen, da es an einem betriebsbezogenen Eingriff mangele (Damm/Rehbock Rn 446; vgl auch BGH NJW 2009, 3580, 3582 – Unsaubere Geschäfte, zur Grenze der zulässigen Kritik ggü Führungskräften). S jedoch BGH ZUM 2018, 527, 530 – Meinungsäußerung iR eines Gesellschafterstreits: Eine Kapitalgesellschaft kann sich gegen ehrverletzende Kritik an einem Gesellschafter wenden, die die Gesellschaft selbst unmittelbar betrifft (BGHZ 78, 24, 25f); der soziale Geltungsanspruch einer jur Person kann aber auch beeinträchtigt sein, 40
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wenn ihre Gesellschafter in dieser Eigenschaft oder wegen Tätigkeiten angegriffen werden, mit denen die Verkehrsauffassung auch die Gesellschaft identifiziert. cc) Ehrenschutz für jur Personen des öffentlichen Rechts. Neben privaten Personenvereinigungen sollen auch 67 jur Personen des öffentl Rechts zivilrechtl Ehrenschutz beanspruchen können, sofern ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird (BGH NJW 1983, 1183 – Unterlassungsklage Bundesanstalt für Arbeit; Düsseldorf BeckRS 2007, 06187; Celle AfP 2022, 168– Veterinäramt) – allerdings soll der Schutz in diesem Fall nicht dem APR, sondern allenfalls § 185 StGB iVm § 823 II entspringen (Heller/Goldbeck ZUM 2007, 628, 635; vgl insofern auch BGH NJW 2009, 915, 916; Celle BeckRS 2021, 18102 – Veterinäramt). Zudem darf die Schutzgewährung nicht dazu führen, sachliche Kritik an der öffentlichen Verwaltung und ihren Amtsträgern zu verhindern (BGH NJW 2008, 2262, 2265; s auch Rn 271ff sowie 251a), vielmehr soll ein Mindestmaß an öffentl Anerkennung gewährleistet werden, das erforderlich ist, damit die öffentl Stelle oder Einrichtung ihre Funktion erfüllen kann und das „unerlässliche Vertrauen in die Integrität öffentlicher Stellen nicht infrage gestellt wird“ (BGH NJW 2009, 915, 916). 4. Besonderheiten im Sanktionensystem: Kein Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden. Die Verlet- 68 zung des APR einer Personenvereinigung kann Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf, Gegendarstellung und Schadensersatz auslösen. Str ist jedoch, ob auch ein Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden besteht. Im Grundsatz befürwortend EGMR NJW 2006, 591, 594 – Karhuvaara und Iltalehti/Finnland (Anspruch einer Handelsgesellschaft auf Ersatz des Nichtvermögensschadens unter bestimmten Voraussetzungen), jedoch im konkreten Fall abl; BGH NJW 1981, 675, 676 – Scientology: unzulässige Berichterstattung über eine Weltanschauungsgemeinschaft. Zu Recht abl, insb da der im Persönlichkeitsrechtsschutz anerkannte Geldentschädigungsanspruch unmittelbar aus Art 2 I iVm Art 1 I GG abgeleitet wird und mit einer Geldentschädigung nicht der Personen- oder Kapitalgesellschaft Genugtuung verschafft wird, sondern allenfalls den in ihr verbundenen nat Personen: Brändel/Schmitt in Götting/Schertz/Seitz, § 31 Rn 20; MüKo/Rixecker Rn 46; Ricker NJW 1990, 2097, 2099; aber auch BGH NJW 1980, 2807, 2810 – Medizin Syndikat I. III. Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz Schrifttum: Ahrens, Postmortales Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit: Anmerkung zum BGH-Urteil v 16.9.2008 – VI ZR 244/07, JZ 2009, 214; Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz vor und nach dem Tode, 2002; Brost, Postmortaler Persönlichkeitsschutz – Eine Systematisierung der zivilrechtlichen Ansprüche, AfP 2015, 510; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2003; Helle, Dissonanzen des postmortalen Persönlichkeitsrechts, AfP 2015, 216; Hillgruber, Das Vor- und Nachleben von Rechtssubjekten, JZ 1997, 975; 26; Luther, Postmortaler Schutz nichtvermögenswerter Persönlichkeitsrechte, 2009; Schack, Das Persönlichkeitsrecht der Urheber und ausübenden Künstler nach dem Tode, GRUR 1985, 352; Schönberger, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, Diss 2011; Schulze Wessel, Die Vermarktung Verstorbener, 2001 (dazu Bspr von Müller AfP 2002, 182); Seifert, Postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts und Schadensersatz, NJW 1999, 1889.
1. Verfassungsrechtl postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz. a) Grundlage des Schutzes. Träger des aus 69 Art 2 I iVm Art 1 I GG abzuleitenden APR kann nur eine lebende Person sein; der Schutz der Persönlichkeit eines Menschen endet dennoch nicht plötzlich mit dem Tod, vielmehr wird der allg Achtungsanspruch, der jedem Menschen kraft seines Personenseins zusteht, sowie der sittliche, personale und soziale Geltungsanspruch, den eine Person durch ihre Leistungen erworben hat, auch nach dem Tod geschützt (BVerfGE 30, 173, 194 – Mephisto; BVerfG NJW 1993, 1462 – Heinrich Böll; NJW 2001, 2957, 2958f – Kaisen; ZUM 2008, 323, 324 – Ehrensache; GRUR 2023, 360 – Kohl-Protokolle I; BGHZ 15, 249, 259 – Cosima Wagner; BGHZ 50, 133, 136ff – Mephisto; BGH NJW 1996, 593, 594 – Willy Brandt; BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich; NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de; jüngst BGH ZUM 2022, 196, 205 – Kohl-Protokolle I; Karlsruhe 25.3.2011 – 14 U 158/09; Dürig/Herzog/Scholz/Herdegen Art 1 GG I Rn 57; MüKo/Leipold § 1922 Rn 162; ausf hierzu Staudinger/Hager § 823 Rn C 34ff). Rechtsgrundlage dieses Schutzes ist Art 1 I GG, nicht jedoch Art 2 I GG, da dieser die Existenz einer wenigstens potenziell und zukünftig handlungsfähigen Person voraussetzt (BVerfG ZUM 2008, 323, 324 – Ehrensache). Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz auf der Basis von Art 1 I GG wird mithin in erster Linie gewährt, um den Einzelnen auch nach seinem Tod vor einer Ausgrenzung, Verächtlichmachung, Verspottung, Erniedrigung oder Herabwürdigung zu verschonen (BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen, m Anm Zacharias NJW 2001, 2950). Die Gewährung eines solchen postmortalen Schutzes erscheint aber auch erforderlich, um das APR zu Lebzeiten abzusichern, denn müsste der Einzelne befürchten, dass seine Würde und seine Person nach dem Tod schutzlos gestellt sind, könnte ihn dies schon zu Lebzeiten in seiner Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen (BGHZ 50, 133, 138f – Mephisto, sowie Staudinger/Hager § 823 Rn C 35 mwN, der zudem eine Analogie zu § 22 S 3 KUG zieht). Allerdings reicht der Achtungsanspruch nicht weiter als der Ehrschutz lebender Personen (BVerfG GRUR 2023, 360 – Kohl-Protokolle I). 70 b) Schutzumfang. Allerdings ist der postmortale Schutz der Persönlichkeit nicht identisch mit der Schutzwirkung des verfassungsrechtl APR zu Lebzeiten, denn eine solche Annahme liefe auf eine Gleichsetzung der Menschenwürde mit dem APR hinaus, welche der normativen Bedeutung der Menschenwürdeverbürgung nicht gerecht würde (BVerfG NJW 2001, 594 – Willy Brandt). Der Verstorbene genießt daher einen reduzierten und mit zunehmendem Zeitablauf abnehmenden Schutz. Der maßgebliche Grund hierfür liegt darin, dass die Menschenwürde nicht mit der Meinungsfreiheit oder einem anderen Grundrecht abwägungsfähig ist, der Schutz also nicht im Zuge einer Güterabwägung relativiert werden kann, während es im Fall eines Konflikts zw dem APR und der Meinungsfreiheit regelmäßig zu einer Abwägung kommt (BVerfG NJW 2001, 2957, 2959 – Kaisen). Es genügt daher nicht, wenn der geltend gemachte „Eingriff“ die Menschenwürde nur „berührt“, vielmehr muss eiKlass
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ne „Verletzung“ der Menschenwürde zu konstatieren sein, welche wiederum vor dem Hintergrund, dass sämtliche Grundrechte Konkretisierungen der Menschenwürde sind, nur nach sorgfältiger Begründung angenommen werden darf (BVerfG NJW 1995, 3303, 3304 – Soldaten sind Mörder IV). Der Schutzbereich des Art 1 I GG kann postmortal nicht größer sein als er es prämortal ist, die Verletzung postmortaler Persönlichkeitsrechte unterliegt mithin denselben verfassungsrechtl Vorgaben wie die Verletzung der Menschenwürde zu Lebzeiten. Zudem nimmt auch das praktisch bestehende Schutzbedürfnis mit zunehmendem Zeitablauf und dem Verblassen der Erinnerungen an den Verstorbenen ab. Die dogmatische Fundierung des postmortalen Schutzes führt daher letztlich dazu, dass die Gewährung verfassungsrechtl Persönlichkeitsrechtsschutzes nach dem Tod „nur“ der Absicherung ideeller Interessen des Verstorbenen dient. Primär geschützt werden mithin der allg Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personenseins zusteht, sowie der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Leistung erworben hat (BVerfG GRUR 2023, 360 – Kohl-Protokolle I; ZUM 2008, 323, 324 – Ehrensache; BGH ZUM 2022, 196, 205 – Kohl-Protokolle I (Schutz vor der schwerwiegenden Entstellung des Lebensbildes durch qualitativ und quantitativ erhebliches Ausmaß an Fehlzitaten); NJW 1990, 1987 – Emil Nolde: Fälschung von Bildern kann postmortales APR verletzen; VGH München NVwZ-RR 2010, 630 – Meiser-Straße; BayVfGH NVwZ-RR 2013, 1 – Meiser-Straße: Aber kein Schutz vor einer sachlichen, nicht entehrenden Diskussion über Bedeutung und Lebensleistung einer in herausgehobener Position tätig gewesenen Person; das bloße Infragestellen des durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruchs ist insoweit nicht ausreichend – erforderlich ist eine grobe Entstellung, BVerfG GRUR 2023, 360 – Kohl-Protokolle I; s auch BGH ZUM 2022, 196, 205f – Kohl-Protokolle I: ebenfalls kein Schutz vor der inhaltlich zutreffenden, aber weisungswidrigen Veröffentlichung im Vertrauen getätigter, nicht ehrbeeinträchtigender Äußerungen des Verstorbenen – Veröffentlichung sog „Sperrvermerkszitate“). Kommerzielle Interessen werden hingegen verfassungsrechtl nicht geschützt, es sei denn, dass sie gleichzeitig mit einer Menschenwürdeverletzung verbunden sind (BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Blauer Engel II). Dies ist jedoch nur der Fall, wenn Persönlichkeitsbestandteile eines Verstorbenen so ausgenutzt werden, dass sein Achtungsanspruch beeinträchtigt wird, etwa durch eine erniedrigende oder entstellende Werbung. Die kommerzielle Ausbeutung der Persönlichkeit jenseits dieser Konstellationen tastet die Menschenwürde hingegen regelmäßig nicht an, da eine solche Werbung unter den heutigen sozialen und wirtschaftl Rahmenbedingungen die Anerkennung des unfreiwilligen Werbeträgers nicht schmälert. Das insofern allenfalls betroffene Selbstbestimmungsrecht über die kommerzielle Nutzung und der hierdurch betroffene Aspekt der Persönlichkeitsentfaltung unterliegen jedoch nicht der verfassungsrechtl Menschenwürdegarantie (BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Blauer Engel II). Allerdings bestehen gegen die bürgerlich-rechtl Anerkennung eines postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutzes und damit gegen die Anerkennung vererblicher vermögenswerter Bestandteile auf der Ebene des Zivilrechts keine verfassungsrechtl Bedenken (BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Blauer Engel II). Gesetzgeber und Zivilgerichte sind nicht gehindert, den Schutz der Persönlichkeit weiter auszubauen als dies verfassungsrechtl geboten ist, denn verfassungsrechtl und zivilrechtl APR sind nicht identisch (s Rn 4). 2. Zivilrechtl Schutz des postmortalen APR. a) Unterscheidung zw ideellen und kommerziellen Bestandteilen. Der BGH (BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich) unterscheidet im zivilrechtl Persönlichkeitsrechtsschutz zw dem Schutz ideeller Interessen und dem Schutz kommerzieller Interessen durch die „vermögenswerten Bestandteile“ des APR, zB Recht am eigenen Bild, am Namen oder an der Stimme (BGHZ 143, 214, 220; Hamburg NJW 1990, 1995 – Heinz Erhardt); s auch Rn 167ff, 201ff. Geschützt ist mithin auch die freie Entscheidung des Einzelnen, ob und unter welchen Voraussetzungen sein Bildnis, sein Name oder sonstige ihn kennzeichnende Persönlichkeitsmerkmale im geschäftlichen Interesse genutzt werden dürfen. Mit Blick auf den postmortalen Schutz kommt der Unterscheidung zw ideellen und kommerziellen Bestandteilen erhebliche Bedeutung zu. b) Postmortaler Schutz der kommerziellen Bestandteile. Nach BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich sind die vermögenswerten Bestandteile des zivilrechtl APR – anders als die dem Schutz ideeller Interessen dienenden höchstpersönlichen Bestandteile – vererblich, mit der Konsequenz, dass bei einer Verletzung dieser Bestandteile des APR ihren neuen Trägern (den Erben) neben Abwehransprüchen auch Schadensersatzansprüche zustehen. Der Erbe als Inhaber der „vermögenswerten Bestandteile“ des APR hat mithin im Fall einer unbefugten Nutzung grds dieselben Ansprüche wie der lebende Träger des APR (BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel; NJW 2002, 2317 – Marlene II). Dies ist erforderlich, um einen wirksamen Schutz des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen ggü der unbefugten kommerziellen Nutzung seines Lebensbildes sicherzustellen, denn zum einen nützen bloße Abwehransprüche nichts, wenn die Rechtsverletzung bereits abgeschlossen ist, zum anderen erscheint es unbillig, den durch die Leistung des Verstorbenen geschaffenen und in seinen Persönlichkeitsmerkmalen verkörperten Vermögenswert dem ungehinderten Zugriff Dritter preiszugeben, statt ihn den Erben und Angehörigen des Verstorbenen zukommen zu lassen. Anerkannt ist daher ein „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“, dessen vorsätzliche Verletzung in der Person des Erben einen Bereicherungsanspruch auf angemessene Vergütung (Rn 321) und nach BGHZ 143, 214, 232 – Marlene Dietrich im Fall fahrlässiger Verletzung auch einen Schadensersatzanspruch im Wege der Lizenzanalogie (Rn 310) begründet; zur Berechnung des Schadens wird zudem ein Auskunftsanspruch (Rn 278) zuerkannt (BGH aaO). Da im Einzelfall aber auch ein Schutz des Verstorbenen gegen seinen Erben erforderlich sein kann, darf die kommerzielle Nutzung der vermögenswerten Bestandteile den mutmaßlichen Interessen des Verstorbenen nicht zuwiderlaufen; zudem dürfen keine nachwirkenden Grundrechte verletzt werden (BGH aaO; NJW 2007, 684, 685 – kinski-klaus.de; krit Götting NJW 2001, 586; Beuthien, 86). Mit der Befugnis des Erben, gegen eine unbefugte Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen einzuschrei42
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ten, ist mithin kein uneingeschränktes positives Nutzungsrecht verbunden (BGHZ 143, 214, 232 – Marlene Dietrich). Allerdings muss die Vermarktung der „vermögenswerten Bestandteile“ nicht schon durch den Verstorbenen eingeleitet worden sein (so Ullmann WRP 2002, 1052), die Nutzung vermarktungsfähiger Persönlichkeitsmerkmale (zB Bild, Name, Stimme etc) kann sich vielmehr auch erst nach dem Tod ergeben (Erman/Ehmann12 Rn 306; Beuthien, 87). Berührt die wirtschaftl Verwertung auch die ideellen Interessen und damit Befugnisse, die den Angehörigen (§ 22 S 3, 4 KUG) oder sonstigen Wahrnehmungsberechtigten zustehen, kann sie nur mit Einwilligung (ausf Rn 229ff) dieser Personen erfolgen (BGHZ 143, 214, 232 – Marlene Dietrich). Darüber hinaus ist es den Erben ebenfalls nicht erlaubt, die öffentl Auseinandersetzung mit dem Leben und Wirken des Verstorbenen zu kontrollieren oder zu steuern (BGH NJW 2007, 684, 685 – kinski-klaus.de). Der Schutz der postmortalen kommerziellen Interessen findet seine Grenze mithin – ebenso wie der Schutz ver- 75 mögenswerter Bestandteile lebender Personen – an den Rechten anderer, insb der Kunstfreiheit sowie der Freiheit der Meinungsäußerung (BGH NJW 2007, 684, 685 – kinski-klaus.de: die Gewinnerzielungsabsicht allein begründet jedoch noch keine Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung des postmortalen Persönlichkeitsrechts; ebenso BGH ZUM 2012, 474, 477 – Bildveröffentlichung einer Unfalltoten). Allerdings ist der Schutz der vermögenswerten Bestandteile zeitl befristet und endet nach BGH (NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de) in entspr Anwendung der Schutzfrist des § 22 S 3 KUG bereits 10 Jahre nach dem Tod. Diese starre Grenze von 10 Jahren wird zu Recht überwiegend krit gesehen (Schmitt in Götting/Schertz/Seitz, § 29 Rn 73f; Beuthien in Götting/Schertz/ Seitz, § 17 Rn 44), denn eine derart kurze Frist trägt den aktuellen Bedürfnissen sowie dem „digitalen Langzeitgedächtnis“ (Götting/Schertz/Seitz § 2 Rn 37) der ubiquitären Medienwelt nicht ausreichend Rechnung. Es erscheint unangemessen, dass die individuellen Persönlichkeitsmerkmale einer Person und ihr zu Lebzeiten (meist durch Leistung) aufgebautes Image und ihr Publizitätswert schon nach einer Frist von 10 Jahren jedermann zur freien Verfügung stehen und mithin zum Allgemeingut werden sollen. Ob die in der Lit in Anlehnung an das Urheberrecht vorgeschlagene Frist von 70 Jahren post mortem angemessen ist, oder ob eine Frist von 30 oder 50 Jahren den Bedürfnissen der Beteiligten am besten gerecht wird, kann hier dahinstehen (s hierzu ua Jung AfP 2005, 317, 322f; Wenzel/Burkhardt/Peifer Rn 5.123f; Reber GRURInt 2007, 492, 493) – der Rückgriff auf § 22 S 3 KUG jedenfalls ist nicht zwingend, da die Wertungen des Bildnisschutzes als ein besonderes Persönlichkeitsrecht durch die Entwicklung des APR längst überwunden sind (Götting/Schertz/Seitz § 2 Rn 37). c) Postmortaler Schutz der ideellen Bestandteile. Die ideellen Bestandteile des APR sind „unauflöslich an die 76 Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererblich“ (BGHZ 143, 214, 220 – Marlene Dietrich). Sie müssen daher nach dem Tod des Betroffenen entspr §§ 189, 194 II StGB, § 22 KUG durch von ihm zu Lebzeiten ernannte Bevollmächtigte, sog Wahrnehmungsberechtigte, oder durch seine Angehörigen iSv § 22 S 3, 4 KUG wahrgenommen werden (BGHZ 15, 249, 259 – Cosima Wagner; 50, 133, 137 – Mephisto; 107, 384, 389 – Emil Nolde; 143, 214, 224 – Marlene Dietrich; dazu Beuthien, 84). Den Angehörigen stehen zur Wahrung des Lebensbilds des Verstorbenen lediglich Abwehransprüche, nicht aber Geldentschädigungsansprüche zu (s zur Frage der Vererblichkeit ausf Rn 320) – die Berechtigten sind mithin auf die Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungs-(Widerrufs-)Ansprüchen beschränkt, denn ein Verstorbener kann keinen durch eine Geldzahlung auszugleichenden Schaden erleiden (BGHZ 143, 214, 224 – Marlene Dietrich). Diese Beschränkung stößt jedoch zT auf Kritik – so wird argumentiert, dass dem Präventionsgedanken bei der Sanktion von Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts größeres Gewicht beigemessen werden müsse, da die Medien die fehlende Sanktionsmöglichkeit andernfalls als einen „Freibrief für Rechtsverletzungen“ missverstehen könnten (Schmitt in Götting/Schertz/ Seitz, § 29 Rn 80; ähnl Schmelz ZUM 2006, 214; auch München GRUR-RR 2002, 341 – Nacktfotos, will der Erbin von Marlene Dietrich eine Geldentschädigung wg Veröffentlichung von Nacktfotos gewähren, da nur so der aus Art 1 I GG resultierende Schutzauftrag zu verwirklichen sei). Diesem Ansatz hat der BGH (ZUM 2006, 211 – Mordkommission Köln; BGH GRUR 2014, 702 – Berichterstattung über trauernden Entertainer) jedoch eine klare Absage erteilt und festgestellt, dass eine Verletzung von ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung nur zu Lebzeiten des Trägers rechtfertigen kann; Angehörigen und Wahrnehmungsberechtigten daher lediglich Abwehr-, aber keine Schadensersatzansprüche zustehen. Alles andere wäre „systemwidrig“, da mit den maßgeblichen Funktionen eines Geldentschädigungsanspruchs – Genugtuung des Opfers und Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung – nicht zu vereinbaren und zudem geeignet, der Kommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts im nicht kommerziellen Bereich Vorschub zu leisten. Auch der Gedanke der Prävention könne zu keinem anderen Ergebnis führen, da dieser allein nicht in der Lage sei, die Gewährung einer Geldentschädigung nach dem Tod einer Person zu tragen (BGH aaO). Ideeller Persönlichkeitsrechtsschutz unterliegt keiner festen zeitl Schranke (München AfP 2001, 68 – NS- 77 Kriegsverbrecher; Frankfurt ZUM 2009, 952, 954 – Romy Schneider). Maßgeblich ist insofern der Einzelfall, wobei es darauf ankommen soll, welche Intensität die Beeinträchtigung aufweist, welche Bekanntheit der Betroffene hat bzw welche Bedeutung dem durch sein künstlerisches Schaffen geprägten Persönlichkeitsbild zukommt. Jedenfalls schwindet das Schutzbedürfnis in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen und seine Lebensleistung verblassen und das Interesse an einer Nichtverfälschung des Persönlichkeitsbildes abnimmt, denn Schutzgut ist das Lebensbild und der Würdeanspruch einer in der Erinnerung der Lebenden noch präsenten Persönlichkeit (vgl BGHZ 107, 384, 392f – Emil Nolde, für den auch rund drei Jahrzehnte nach seinem Tod noch das Bestehen eines Schutzbedürfnisses bejaht wurde; krit dazu Schack JZ 1990, 40f). Die Zeiträume, für die postmortaler Persönlichkeitsschutz gewährt wird, können mithin unterschiedl lang ausfallen (Frankfurt ZUM Klass
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2009, 952, 954 – Romy Schneider). S auch LG Dessau-Roßlau GRUR-RS 2014, 04821, das sich an der Schutzfrist von § 64 UrhG orientiert. d) Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz Minderjähriger. Die zu Lebzeiten stattfindende Verstärkung des Persönlichkeitsrechtsschutzes von Kindern und Jugendlichen durch Art 6 I, II GG findet ihren maßgeblichen Grund in dem Bedürfnis, Minderjährigen eine ungestörte Persönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten. Dieses Schutzbedürfnis ist im Bereich des postmortalen Schutzes nach Ansicht der Rspr ohne Belang (BGH NJW 2009, 751, 752 – Ehrensache; Hamm ZUM 2010, 453, 455; krit hierzu Staudinger/Hager § 823 Rn C 34a). Zur Frage der Verfügungsgewalt über den digitalen Nachlass einer 14-Jährigen und der Vererbbarkeit von Nutzerkonten sozialer Netzwerke s BGH GRUR 2019, 100, 101 – digitaler Nachlass: weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Minderjährigen noch das APR der Kommunikationspartner steht dem Übergang des Nutzungsvertrages nach § 1922 entgegen. S hierzu auch BGH ZUM 2021, 159 – Zugang zu Benutzerkonto. 3. Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Angehörigen. Von der Frage nach dem postmortalen Schutz des Verstorbenen zu trennen sind Konstellationen, in denen bspw durch schwere Verunglimpfungen eines Verstorbenen die Persönlichkeitsrechte naher Angehöriger verletzt werden (vgl BGH GRUR 1974, 794 – Todesgift; LG Heilbronn ZUM 2002, 160: Schadensersatzansprüche der Eltern wegen eines Berichts über ihren verstorbenen Sohn – hirnloser Säufer; ähnl Jena NJW-RR 2005, 1566; BGH ZUM 2006, 211, 212f – Mordkommission Köln, verneint eine Persönlichkeitsrechtsverletzung eines Mannes, dessen geistesgestörte Schwester von einem Kamerateam gefilmt wurde, kurz nachdem sie die 80-jährige Mutter erschlagen hatte und zudem Bilder der teils entkleideten Leiche aufgenommen und ausgestrahlt wurden). Jedoch führt die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts eines Verstorbenen nicht per se dazu, dass die Würde der Angehörigen verletzt wird und diesen ein Anspruch auf Geldentschädigung zuzugestehen ist – erforderlich ist vielmehr, dass das Persönlichkeitsrecht der Angehörigen unmittelbar tangiert wird (Staudinger/Hager § 823 Rn C 36: „eigenständig und individuell“; mittelbare Belastungen durch „Fernwirkungen“ nicht ausreichend, BGH ZUM-RD 2022, 613 – Pressebericht über Todesumstände der prominenten Ehefrau; es sei denn, diese sind zugleich als Verletzung des eigenen APR zu qualifizieren). Hierfür genügt nicht, dass sich der Dritte wegen seiner engen Beziehung zum Betroffenen durch die Berichterstattung „persönlich“ betroffen fühlt; ebensowenig ist es ausreichend, dass Leser oder Zuschauer den beanstandeten Bericht über eine Straftat zum Anlass nehmen, Angehörige anzufeinden oder zu belästigen. Auch die Fotoveröffentlichung eines offenen Grabes stellt keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der trauernden Angehörigen dar, Hamburg ZUM-RD 2018, 78. Bloße Reflexwirkungen bleiben mithin schutzlos (BGH ZUM-RD 2022, 613 – Pressebericht über Todesumstände der prominenten Ehefrau; ZUM 2006, 211, 214 – Mordkommission Köln; ZUM 2012, 474, 476 – Ansprüche bei Persönlichkeitsrechtsverletzung wegen Bildveröffentlichung einer Unfalltoten; OVG Berlin-Brandenburg AfP 2010, 621). 4. Kein postmortaler Schutz des Namensrechts. Das Namensrecht – das den Schutz von Künstlernamen einschließt – soll nach BGH NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de mit dem Tod des Namensträgers erlöschen. Der Betroffene ist jedoch nach dem Tod nicht schutzlos gestellt, vielmehr soll ein postmortaler Schutz insoweit bestehen bleiben, als durch die Verwendung des Namens nach dem Tod das postmortale APR des Verstorbenen verletzt wird. Zur postmortalen Nutzung des Namens einer Person und möglichen markenrechtl Implikationen s BPatG GRUR-RS 2013, 06657 – Willi Ostermann; 11.6.2012 – 27 W (pat) 533/12 – Adolf Loos Preis; GRUR 2012, 1148 – Robert Enke. Zur zulässigen Verwendung personenbezogener Daten eines Verstorbenen in einer virtuellen Todesanzeige s LG Saarbrücken NJW 2014, 1395. 5. Hinterlassenschaft von Briefen und Tagebüchern sowie digitalem Nachlass Das Recht des Verstorbenen, über die Veröffentlichung und Nichtveröffentlichung von (vertraulichen) Briefen und Tagebüchern zu entscheiden, geht auf die nächsten Angehörigen oder diejenigen über, die der Urheber vor seinem Tod ausdrückl bestimmt hat (BGHZ 15, 249 – Cosima Wagner; Wiese, FS Herschel, 1982, 483, 492; Schack GRUR 1985, 355). Zur Herausgabe von Stasi-Akten nach dem Tod des Betroffenen s Roß LKV 2015, 59. Allerdings besteht kein dem Erbrecht vorgehendes Recht der nächsten Angehörigen am digitalen Nachlass; das postmortale APR steht der Vererbbarkeit digitaler höchstpersönlicher Inhalte nicht entgegen, BGH GRUR 2019, 100, 101 – digitaler Nachlass. 6. Weitere gesetzl Regelungen zum Schutz des Verstorbenen. Neben dem postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz existieren weitere Regelungen, die dem Schutz des geistigen Weiterlebens einer Person dienen. Nach § 189 StGB bspw ist die Verunglimpfung des Andenkens eines Verstorbenen strafbar; umstr ist jedoch, ob damit die Ehre des Verstorbenen oder das Pietätsempfinden der Hinterbliebenen geschützt wird. Grds vererblich ist das Vermögen einer Person, das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergeht (§ 1922). Ebenfalls vererblich sind die Urheberrechte (§ 28 I UrhG). Der Urheber kann durch letztwillige Verfügung die Ausübung der Urheberrechte einem Testamentsvollstrecker übertragen (§ 28 II UrhG) – allerdings erlöschen sie 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG); kein postmortaler Schmerzensgeldanspruch für Erben des Urhebers, s Düsseldorf GRUR-RR 2013, 278. Das Recht am eigenen Bild geht auf die nächsten Angehörigen über und erlischt 10 Jahre nach dem Tod (§ 22 S 3 und 4 KUG), dazu Hamburg AfP 2005, 76. 7. Schutz des Körpers und seiner Teile nach dem Tod. Auch die physische Integrität des Leichnams wird von der Rechtsordnung geschützt (zum Verbot unbefugter Organentnahme LG Bonn JZ 1971, 56, 58; s auch Staudinger/Hager § 823 Rn C 44 zum Schutz durch das TPG sowie die Neuregelungen zur Organspende im 2019 geänderten TPG; zu den Rechtsfolgen der Nichtbeteiligung des Patienten an der kommerziellen Nutzung seiner 44
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Körpersubstanzen Taupitz AcP 191, 201; zur Vernichtung deponierten Spermas BGH NJW 1994, 127; Taupitz NJW 1995, 745; zur Zulässigkeit von Leichenversuchen Pluisch/Heifer NJW 1994, 2377; zur Exhumierung eines Verstorbenen zwecks Vaterschaftsfeststellung s BGH NJW 2014, 3786; München NJW-RR 2000, 1603 sowie die Entsch des EGMR 15.5.2006 – 1338/03: Exhumierung zum Zweck der Probenentnahme stellt keinen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens iSd Art 8 I EMRK dar; zur Wegnahme von Zahngold, welches als künstliches Körperteil ebenso vom besonderen Persönlichkeitsrecht am Körper wie die natürlichen Körperteile umfasst wird, BGH NStZ 2016, 92, 93; s München NJW-RR 2000, 1603). Erman/Ehmann12 Rn 302 begreift die Leiche als „Rückstand der Persönlichkeit“, weshalb sich eine Einordnung als Sache vor dem Hintergrund der Menschenwürdeverbürgung verbiete (zur Frage, ob von Lebenden oder Toten abgetrennte Körperteile „Sachen“ sind oder das „Sacheigentum“ vom APR überlagert wird, s BGH NJW 1994, 127) und sich zudem Art und Ort der Bestattung im Rahmen der öffentlichen Ordnung (dazu BGH NJW 1959, 525 – Ehrengedenktafel) nach dem Willen des Verstorbenen (RGZ 100, 173; Hubmann, 342 mwN) richten sollen. Jedoch können sich die nächsten Angehörigen einvernehmlich über den Willen des Verstorbenen hinwegsetzen (Schack JZ 1989, 610); findet sich keine ausdrückl Bestimmung des Erblassers, hat das Bestimmungsrecht des Ehegatten grds Vorrang vor dem der Verwandten, Schleswig NJW-RR 1987, 72; Frankfurt NJW-RR 1989, 1159. Auch für eine Obduktion, eine Sektion oder die Freigabe der Leiche an die Anatomie ist im Grundsatz der Wille des Verstorbenen maßgeblich, allerdings wird auch hier den nächsten Angehörigen ein Widerrufsrecht zugebilligt (Erman/Ehmann12 Rn 302; Schack JZ 1989, 610 mwN; München NJW 1976, 1805). Organtransplantationen bedürfen nach §§ 3, 4 TPG grds der Einwilligung des Verstorbenen oder des nächsten Angehörigen, sofern der Verstorbene nicht widersprochen hatte. Zur Frage, ob die Darbietung eines Körpers in der Ausstellung „Körperwelten“ gegen Bestattungsgesetze und/oder die Menschenwürde des Einzelnen verstoßen, s VGH München NJW 2003, 1618 – Körperwelten; dazu Ahrens GRUR 2003, 850; vgl zudem hinsichtl der Zuordenbarkeit der Einwilligung der Verstorbenen zu den Exponaten OVG Berlin-Brandenburg LKV 2016, 139 – Ausstellung menschlicher Plastinate. IV. Aktivlegitimation: Individuelle Betroffenheit. Voraussetzung, um sich gegen einen Angriff auf das APR 84 zur Wehr setzen zu können, ist individuelle Betroffenheit. Hierfür ist erforderlich, dass die konkrete Person erkennbar und für einen Teil der Leserschaft aufgrund der mitgeteilten Umstände identifizierbar ist (BVerfG NJW 2004, 3619 – Erkennbarkeit des Betroffenen; Hamburg ZUM 2020, 522, 523: eingeschränkter Leserkreis ausreichend; s auch Frankfurt ZUM-RD 2022, 648 – Berichterstattung über bekannten Medienanwalt: ausreichend, wenn Person, über die berichtet wird, für kleinen Kreis aus ihrem Umfeld identifizierbar ist); Beurteilungsgrundlage: angegriffener Pressebericht, Berichterstattungen Dritter unerheblich, KG ZUM-RD 2021, 470 sowie ZUM-RD 2021, 475 (Ausnahme: Teaser). Erkennbarkeit ist unstr gegeben, wenn eine Person mit Namen genannt oder ihr Bild gezeigt wird (zum Namen als Identifikationsmittel Lüthy, 75ff; LG Köln ZUM 2012, 900, 902). Diese Merkmale sind meistens eindeutig und identifizieren den Betroffenen zweifelsfrei. Eine Identifikation ist aber auch ohne Namensnennung möglich, wenn bspw Merkmale wie der Berufsstand, der konkrete Wohnort, der ArbG, besondere Herkunftsmerkmale oder Wohnverhältnisse, besondere Positionen auf kommunaler Ebene, in Vereinen und Verbänden oder sonstige die Person charakterisierende Details genannt werden (BGHZ 143, 199 – Schleimerschmarotzerpack: Beschreibung der Tätigkeit im Straßenbauamt und als Vorsitzende eines Vereins; BGH NJW 1981, 1366, 1367 – Der Aufmacher II; Frankfurt ZUM 1992, 361, 363; Hamm NJW-RR 1993, 735; Saarbrücken NJW-RR 2010, 346). Zur Erkennbarkeit in einem Kunstwerk s BVerfG ZUM 2007, 829 – Esra: Erkennbarkeit in einem mehr oder minder großen Bekanntenkreis bzw in der näheren persönlichen Umgebung ist ausreichend; BGH ZUM 2005, 735; Karlsruhe ZUM 2012, 490, 491. Eine individuelle Betroffenheit kann selbst dann zu bejahen sein, wenn die Person nicht im Mittelpunkt der Berichterstattung steht und/oder ein Rückschluss nur durch die sich äußernde Person möglich ist (München NJW 1986, 1260, 1261; einschränkend LG Berlin AfP 2013, 71 – Nachfahre des Hauses Hohenzollern: bloße Reflexwirkungen bleiben schutzlos). Ein Unternehmen kann daher nicht die Persönlichkeitsrechte seiner Mitarbeiter als eigenes Recht geltend machen (keine individuelle Betroffenheit), Hamburg ZUM-RD 2019, 320, 324 – Team Wallraff. Allerdings kann ein Chefredakteur von, den Ruf „seines“ Magazins beeinträchtigenden Äußerungen betroffen sein (BGH NJW 2010, 760, 762f). Nach Karlsruhe ZUM 2012, 490 steht im Fall eines unzulässigen Angriffs auf die Geschlechtsehre der Frau zudem auch dem Ehemann ein eigener Unterlassungsanspruch zu. F. Passivlegitimation. I. Störereigenschaft. Die Frage der Verantwortlichkeit und mithin die Bestimmung 85 der Person oder Stelle, die als Adressat persönlichkeitsrechtl Ansprüche in Betracht kommt, weil ihr die Berührung des Schutzbereichs des APR zugerechnet werden kann, ist von besonderer praktischer Relevanz. Störer iSd § 1004 ist insofern ohne Rücksicht darauf, dass ihn ein Verschulden trifft, jeder, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt (BGH NJW 2016, 56, 59; 1986, 2503, 2504 – Ostkontakte). Erfasst wird dabei „sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat kausal verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat“, wobei die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der in Anspruch Genommene die rechtl Möglichkeit zur Verhinderung der Handlung hatte (BGH NJW 2016, 56, 59). Insoweit kommen im Bereich der Medienberichterstattung eine Vielzahl von Personen in Betracht: der Autor eines Beitrags (BGHZ 39, 124, 129 – Fernsehansagerin; 66, 182, 188 – Panorama); der journalistisch tätig gewordene sowie der verantwortliche Redakteur (Staudinger/Hager § 823 Rn C 52, 54; BGH NJW 1974, 1762 – DeutschKlass
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Personen
land-Stiftung; BGHZ 1977, 626 – Editorial; 75, 160); der Moderator einer Rundfunksendung (BGHZ 66, 182, 188 – Panorama); der Verleger (BGHZ 3, 270, 275 – Constanze I; 14, 163, 174 – Constanze II; 39, 124, 125 – Fernsehansagerin; BGH GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze; Köln NJW-RR 2001, 1196); der Herausgeber (BGH GRUR 1974, 794, 797 – Fiete Schulze; NJW 1980, 994 – Wahlkampfillustrierte); der Chefredakteur (Köln AfP 1985, 293, 295) aber auch Informanten als mittelbare Täter, Gehilfen oder Anstifter (BGH NJW 1964, 1181 – Weizenkeimöl; NJW 1967, 675 – Spezialsalz; BGHZ 50, 1 – Pelzversand; BGH NJW 1973, 1460 – Kollo-Schlager). Zudem haftet auch der Verbreiter einer Äußerung (zB Inhaber von Vertriebsstellen und Buchhandlungen, hierzu ausf Rn 86ff), sofern er sich diese zu eigen macht (ausf Rn 89). Störer ist aber auch der Betreiber einer Internetplattform (BGH NJW 2007, 2558; ZUM-RD 2012, 82; ZUM 2012, 566; LG Köln ZUM 2012, 900, 902); vgl zu den speziellen Haftungsfragen im Internet, insb zur Verantwortlichkeit von Betreibern von Bewertungsportalen, Meinungsforen und zur Verantwortlichkeit von Suchmaschinen Rn 89a ff; keine Störer sind jedoch Hilfspersonen (zB Boten, Bildzulieferer, Briefträger, Prospektverteiler), die trotz ihres Beitrags zur Erstellung oder Verbreitung einer rechtsverletzenden Veröffentlichung auf deren Inhalt keinen Einfluss haben, Hamburg AfP 2018, 249 – keine Unterlassungspflicht des Fotografen als Hilfsperson des Verbreiters. II. Behaupten und Verbreiten. 1. Grundsätze der Verbreiterhaftung. Im Rahmen der Medienberichterstattung werden oftmals Meinungen Dritter verwendet oder es werden Drittaussagen weitergegeben. Sich und andere auch über Stellungnahmen Dritter zu informieren, ist dabei Teil des durch Art 5 I 1 GG geschützten meinungsbildenden Diskussionsprozesses. Eine Wiedergabe ist daher selbst dann von der Meinungsfreiheit geschützt, wenn die fremde Äußerung weder kommentiert noch auf andere Weise in eine Stellungnahme eingebaut ist (BVerfG NJW-RR 2010, 470 – Presseschau). Die §§ 186, 187 StGB sowie § 824 knüpfen insoweit an das Behaupten und Verbreiten unwahrer Tatsachenbehauptungen dieselben Rechtsfolgen, dh, dass sich eine Äußerung prinzipiell zurechnen lassen muss, wer sie aufgestellt und damit behauptet oder wer sie verbreitet hat. Das bedeutet, dass selbst der Verbreiter einer Aussage als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann (BGH NJW 1993, 525, 526 – Ketten-Mafia). Ergibt sich dies für die genannten Tatbestände der §§ 186, 187 StGB und § 824 schon aus dem Wortlaut der jew Norm, so ist die sog Verbreiterhaftung iÜ allg anerkannt (Damm/Rehbock Rn 646ff mwN), denn auch in der bloßen Verbreitung einer unzulässigen Aussage kann eine erhebliche Beeinträchtigung des Betroffenen liegen; so kann die persönl und wirtschaftl Ehre durch das weitere Verbreiten ebenso verletzt werden wie durch das erstmalige Aufstellen (BVerfGE 71, 206, 216 – Anklageschriftveröffentlichung; BGHZ 31, 308 – Abgeordneten-Bestechung; BGH NJW 1993, 525 – Ketten-Mafia; Hamburg GRUR-RS 2020, 13587). Und auch die Wiedergabe einer Fremdäußerung „zwischen den Zeilen“, welche sich der Äußernde zu eigen macht, verunglimpft ebenso wie die Äußerung selbst (Köln NJW 1979, 1562 – Buback-Nachruf). Verbreiter ist grds jeder, der an der Verbreitung einer Behauptung mitwirkt (so ist zB auch in der Einfuhr/dem Vertrieb einer Zeitschrift ein Verbreiten zu sehen; das Ausmaß des Tatbeitrags ist dabei unerheblich; der Betroffene muss jedoch die Möglichkeit haben, den Vertrieb der Schriften zu stoppen, BGH NJW 1976, 799, 800 – Alleinimporteur). Grds ist zw intellektuellem und technischem Verbreiter zu differenzieren (BGH NJW 1976, 799, 800 – Alleinimporteur; NJW 1986, 2503, 2504 – Ostkontakte). Während der intellektuelle Verbreiter zu der von ihm verbreiteten Behauptung eine gedankliche bzw intellektuelle Beziehung hat, ist der technische Verbreiter lediglich (technisch) mit dem Verbreitungsvorgang befasst (zB Zeitungsausträger, die Deutsche Post und die in den Vertrieb des Produktes eingebundenen Akteure wie bspw Buchhändler und Kioskbesitzer). Da der technische Verbreiter keinerlei gedankliche Verbindung mit dem Inhalt der Äußerung hat, ist sein Agieren meist gerechtfertigt oder schuldlos (Erman/Ehmann12 Rn 44). Aber auch, wenn der technische Verbreiter, den idR keine Nachprüfungspflicht trifft, nicht mit Schadensersatzpflichten rechnen muss – jedenfalls solange ihm die Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit seines Handelns weder bekannt sind noch bekannt sein müssten –, kann er dennoch als Störer zur Unterlassung (§ 1004) verpflichtet sein. Zur Verbreiterhaftung von Bibliotheken Wenzel/Burkhardt/Peifer Rn 10.225; zur Weitergabe eines Drehbuchs Hamburg NJW-RR 2007, 1268, 1269 – Contergan: die Aufnahme von Äußerungen in ein Drehbuch begründet keine Erstbegehungsgefahr, da dieses nicht zur Verbreitung bestimmt, sondern nur als Arbeitsgrundlage gedacht ist. Bei Sachverhalten im Internet ist eine klare Trennung zw intellektuellem und technischem Verbreiter oft kaum möglich (Soehring/Hoene Presserecht, Rn 16.30); zur Verantwortlichkeit des Betreibers eines Internetforums exemplarisch BGH NJW 2007, 2558: Verantwortlichkeit neben dem Ersteller des Beitrags. S zur Haftung im Internet ausf Rn 89a ff. 2. Einschränkungen der Verbreiterhaftung. Allerdings erfährt der Grundsatz der Verbreiterhaftung (insb im Bereich des Rundfunks) diverse Einschränkungen. So tritt bspw das Medium als Veranlasser oder Verbreiter zurück, wenn das Verbreiten Teil der Dokumentation des Meinungsstandes ist (BGHZ 66, 182 – Panorama; BGH NJW 1996, 1131, 1132 – Lohnkiller; Köln NJW 1993, 1486, 1487 – Lindenstraße; einschränkend LG Hamburg NJW 1998, 3650; hierzu Waldenberger AfP 1998, 373). Dies ist der Fall, wenn Erklärungen und Stellungnahmen unterschiedl Personen und verschiedener Seiten zusammen- und gegenübergestellt werden, alle Aspekte gleichermaßen Berücksichtigung finden, die Streitteile annähernd gleichwertig zu Wort kommen und das Medium nur als Forum, als sog „Markt der Meinungen“ fungiert, bspw wenn eine Sendung Vertretern der Wissenschaft die Möglichkeit gibt, eigenständige Äußerungen zu ihrem Fachgebiet wiederzugeben (BGH NJW 1970, 187, 189 – Hormocenta). Jedoch müssen Fernseh- und Rundfunkanstalten auch bei der Dokumentation des Meinungsstands im Interesse der Objektivität der Sendungen prüfen, ob die Erkenntnisquellen zuverlässig und umfassend 46
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sind. Jedenfalls ist bei der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen, welche auf eine unzureichende Prüfung zurückzuführen sind, die Wahrnehmung berechtigter Interessen ausgeschlossen (BGH NJW 1966, 2010, 2011 – Teppichkehrmaschine). Inwieweit sich ein Moderator bei Live-Sendungen von Äußerungen seiner „Gäste“ distanzieren oder diese unterbrechen muss, ist eine Frage des Einzelfalls (Wenzel/Burkhardt Rn 4.106). Eine ausdrückl Distanzierung ist jedenfalls nicht stets notwendig, da für den Zuschauer idR erkennbar ist, dass keine Identifizierung stattfindet (vgl aber Hamburg AfP 2006, 564 – Verbreiterhaftung bei Presseinterview; vgl zur Privilegierung von Interviews im Rahmen der Verbreiterhaftung auch Mensching/Waschatz AfP 2009, 441). Für Zeitungsinterviews gilt Entspr (Hamburg AfP 1983, 412). So trifft bspw den Verleger einer Zeitung (FAZ) beim Abdruck eines Interviews einer „Sachkundigen“ (Alice Schwarzer) nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht hinsichtl einer ehrverletzenden Tatsachenbehauptung; ein Zueigenmachen liegt aufgrund des Abdrucks jedenfalls nicht vor (München AfP 2007, 229 m Anm Rehbock). Anderes gilt, wenn die Kundgabe der Missachtung unter dem Deckmantel der Kunstform des Fernsehspiels geschieht (Köln NJW 1993, 1486, 1487 – Lindenstraße). 3. Behaupten durch Zueigenmachen. Eine Behauptung liegt vor, wenn die Darstellung eines bestimmten Tat- 89 bestands als eigene Feststellung oder Überzeugung zu verstehen ist (Wenzel/Burkhardt Rn 4.96; Damm/Rehbock Rn 635; Soehring/Hoene, Presserecht, Rn 16.4). Ein Behaupten ist aber auch dann zu bejahen, wenn sich die Meinung zu eigen gemacht wird (Erman/Ehmann12 Rn 45; Staudinger/Hager § 823 Rn C 52; Damm/Rehbock Rn 635). Ein solches „Zueigenmachen“ liegt vor, wenn man sich derart mit der Fremdäußerung identifiziert, dass diese als eigene Äußerung erscheint (BGH NJW 2014, 2029, 2031 Rn 19 – Sachsensumpf; ZUM 2012, 566; GRUR 2013, 312, 313; BGHZ 66, 182 – Panorama; zur Frage, ob im „Teilen“ oder „Liken“ eines Facebook-Postings ein Zueigenmachen liegt s Rn 89e), insb wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung des Erklärenden fehlt (BVerfG NJW 2004, 590, 591; BGH ZUM 2012, 566; NJW 1997, 233, 235 – Gynäkologe; NJW 1996, 1131, 1132 – Lohnkiller; Saarbrücken NJW 1997, 1376, 1377 – Rotlichtfürst). Die Distanzierung darf allerdings nicht nur zum Schein geschehen oder die Berufung auf einen anderen oder ein Gerücht nur als Vorwand dienen, um eine beleidigende Behauptung weiterzuverbreiten (zu den Kriterien für eine ausreichende Distanzierung LG Düsseldorf AfP 1999, 518). Zudem setzt eine wirksame Distanzierung idR voraus, dass der unwahren Behauptung die Gegenansicht gegenübergestellt wird (BGH GRUR 1997, 233, 235 – Gynäkologe; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller; Hamburg NJW-RR 1993, 734 – Stasi-Verdacht; LG Hamburg AfP 1993, 678, 679 – López; Wenzel/Burkhardt Rn 4.111); nicht ausreichend ist daher bspw der Hinw, dass eine veröffentlichte IM-Namensliste nicht vollständig fehlerfrei ist und die Liste nicht ohne diese Bemerkung verwendet werden darf (BGH GRUR 1994, 913 – Namensliste; ähnl auch NJW 1993, 525, 526 – Ketten-Mafia). Hier ist zu beachten, dass an Gerüchten und Vermutungen aus zweifelhafter Quelle meist schon kein Informationsinteresse besteht (Saarbrücken NJW 1997, 1376, 1378; Wenzel/Burkhardt/Peifer Rn 10.209; Gounalakis AfP 1998, 10, 20f; LG Hamburg AfP 2017, 83: Verbreitung eines unzutreffenden Gerüchts auf Basis von Informationen aus Facebook-Profil). Selbst wenn sich aus einem Bericht ergibt, dass die darin enthaltenen Behauptungen unwahr und unberechtigt sind, dürfen nach LG München I ZUM 1998, 576, 577 m Anm Schneider böswillige Verleumdungen nicht in reißerischer Aufmachung und detailliert in der Bild-Zeitung verbreitet werden. Zudem kann auch im Aufwerfen von Fragen und der Äußerung eines Verdachts ein verdecktes Verbreiten ehrenrühriger Tatsachen liegen (BGH NJW 1978, 2151 – Fehlmeldungen; NJW 1980, 2801 – Medizin-Syndikat III; Hamburg ZUM 1996, 685f; Stuttgart 8.2.2017 – 4 U 166/16 – Panama Papers; Wenzel/Burkhardt Rn 4.97 mwN); auch darf etwas Fragwürdiges nicht als Verlässliches geäußert werden (Hamburg NJW-RR 1993, 734 – Stasi-Verdacht). Selbst der Anstoß, einer bestimmten Frage nachzugehen, kann im Einzelfall als ein Verbreiten angesehen werden (BGH NJW 1978, 2151 – Fehlmeldungen). Nicht erforderlich für ein Zueigenmachen ist eine ausdrückl Billigung, vielmehr reicht es aus, wenn dem Leser eine solche Billigung „zwischen den Zeilen“ vermittelt wird. Ein Zueigenmachen kann daher bspw in einer Anmoderation liegen, wenn sich der Moderator auf im Rahmen eines Hörfunkberichts aufgestellte Tatsachenbehauptungen bezieht (BGH NJW 1985, 1621, 1622 – Türkenflug I); ebenfalls kann die dramaturgische Einbindung der Äußerung in eine eigene krit Stellungnahme der Autoren (BGHZ 66, 182 – Panorama) zu einem Zueigenmachen führen; ebenso die Einbindung eines Zitats, um dadurch eigene Aussagen zu unterstreichen (BVerfG NJW 2004, 590, 591); s aber Frankfurt aM ZUM 2017, 245, 247: eindeutige Kenntlichmachung als Zitat (Kursivdruck und Anführungszeichen) kann hinreichende Distanzierung sein. Ein Zueigenmachen ist idR auch zu bejahen, wenn die Fremdäußerung zur alleinigen Grundlage des Beitrags gemacht wird (BGH NJW 1997, 233, 235 – Gynäkologe) oder die Fremdäußerung (insb ein Zitat) geradezu unterstrichen wird (BGH NJW 1996, 1131, 1132 – Lohnkiller). Keine ausreichende Distanzierung liegt auch vor, wenn der Äußernde einen Verdacht durch die Art der Darstellung – trotz formaler Vorbehalte – zu einer mit Sicherheit bzw hohen Wahrscheinlichkeit zutr Nachricht verfestigt (München NJW-RR 1996, 1493, 1494 – Focus). Ein Zueigenmachen kann auch durch die Wahl der Schlagzeile erfolgen (Saarbrücken NJW 1997, 1376, 1377 – Rotlichtfürst; ebenso LG Oldenburg NJW-RR 1995, 1427, 1428 – Anzeigenblatt), oder wenn es dem Äußernden nur darum geht, jemanden abzuwerten (Bezeichnung als „allergrößte Pfeife“, LG Oldenburg aaO); s auch LG Köln AfP 2016, 280: Die bloße Bezugnahme/Zustimmung zu einer Äußerung, die als bekannt vorausgesetzt und nicht erneut wiedergeben wird, stellt kein Zueigenmachen dar. 4. Haftung im Internet. Bzgl der Haftung für originär eigene Inhalte gilt in der virtuellen Welt grds nichts an- 89a deres als in der realen Welt: Derjenige, der im Internet originär eigene Inhalte verbreitet, haftet vollumfänglich. Schwierigkeiten ergeben sich bei Internet-Sachverhalten allerdings hinsichtl der Frage, welche Inhalte originär eigene sind. Klass
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Personen
a) Haftungsprivilegierung im Internet. Der Aspekt der Verantwortlichkeit weist im Internet besondere Probleme auf. Die Frage, wer für im Internet verfügbare, das APR verletzende Inhalte haftet, regelt weitgehend das TMG v 26.2.2007 (BGBl I 2007, 179, wesentlich geändert zum 1.12.2021 durch Art 3 TTDSGEG, BGBl I 2021, 1982: insb Zusammenführung der Datenschutzvorschriften des TMG und des TKG). Es enthält ein abgestuftes Modell der Verantwortlichkeit (§§ 7–10 TMG) für rechtswidrige Informationen im Internet, wobei die Verantwortlichkeit des einzelnen Providers umso größer ist, je näher der Diensteanbieter den konkreten Inhalten steht (Hilgendorf/Frank/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht Rn 293ff; vgl auch Spindler/Schuster/Hoffmann §§ 7–10 TMG), s hierzu auch Art 12ff E-Commerce-RL. Während ein Content-Provider (wer eigene Informationen zur Nutzung bereithält, § 7 I TMG) nach allg Gesetzen voll verantwortlich ist, haftet der Host-Provider (wer fremde Informationen für Nutzer speichert), dann nicht, wenn er keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information hat, § 10 S 1 Nr 1 TMG, bzw unverzüglich nach Kenntniserlangung tätig wird, um die Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, § 10 S 1 Nr 2 TMG (zur Frage, in welchem Umfang einem Hosting-Anbieter aufgegeben werden kann, rechtswidrige Inhalte zu löschen, s EuGH 3.10.2019 – C-18/18); der Access-Provider, dessen Tätigkeit sich auf die rein technischen Vorgänge des Datentransfers bezieht, ist grds nicht verantwortlich (§§ 8f TMG). S jedoch BGH GRUR 2016, 268: Nachrangige Pflicht, den Zugang zu Internetseiten zu sperren, die urheberrechtl geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich machen, sofern zuvor der entsprechende Webseiten-Betreiber und Host-Provider in Anspruch genommen wurden. Der Access-Provider verfolgt ein von der Rechtsordnung gebilligtes und hinsichtl der Rechtsverletzung Dritter neutrales Geschäftsmodell (BGH GRUR 2016, 268, 278 Rn 83). Etwaige Umgehungsmöglichkeiten stehen der Zumutbarkeit einer Sperrung nicht entgegen (BGH GRUR 2016, 268, 274 Rn 48; vgl dazu auch EuGH GRUR 2014, 468 – kino.to m Anm Marly und Hamburg GRUR-RR 2014, 140 – 3dl.am; ebenso BGH ZUM-RD 2016, 156). Das TMG begründet dabei keine Haftung – diese richtet sich nach den allg strafrechtl und zivilrechtl Voraussetzungen; die Regelungen des TMG fungieren vielmehr wie ein Filter, der sich privilegierend vor eine mögliche Haftung schiebt (Leupold/Glossner Müchener Anwaltshdb IT-Recht Teil 2 Rn 138). Nach st Rspr des VI. Zivilsenats finden die Privilegierungen allerdings keine Anwendung auf Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben, sog Störerhaftung (NJW 2012, 148, 150 – Blog-Eintrag; NJW 2012, 2345 – RSS-Feed; BGH ZUM 2022, 907, 909 – Bewertung eines Ferienparks: kein Widerspruch zu Art 14 III E-Commerce-RL; dieser lässt die Möglichkeit zu, dass Gerichte der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangen, Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern; zust mit Blick auf Unterlassung und Beseitigungsanspruch Staudinger/Hager § 823 Rn C 62b, krit mit Blick auf die bestehenden Begründungsansätze BeckOK InfoMedienR/Paal/Hennemann § 7 TMG Rn 54–57a); zur uU entstehenden Divergenz zur unter Einfluss der EuGH-Judikatur bestehenden Rspr des I. Zivilsenats (vgl bspw BGH NJW 2015, 3443, 3445 – Hotelbewertungsportal) s Paal NJW 2016, 2081, 2083 sowie Krüger ZUM 2016, 335; s auch Spindler MMR 2011, 703 zu den europarechtl Rahmenbedingungen der Störerhaftung im Internet nach EuGH in Sachen L’Oréal/eBay, GRUR 2011, 1025. Zur Störerhaftung im Internet im Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzungen s Rn 90. Zur Statuierung spezifischer Prüfpflichten im Zusammenhang mit dem durch das NetzDG eingeführten Beschwerdemanagement für Netzwerkbetreiber s Spindler, GRUR 2018, 365ff. 89c b) Haftung für zu eigen gemachte Inhalte im Internet. Macht sich ein Internetanbieter fremde Inhalte zu eigen, haftet er nach den allg Vorschriften, also bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen (Verschulden) auch auf Schadensersatz oder Geldentschädigung (vgl BGH MMR 2010, 556 – marions-kochbuch.de; vgl auch GRUR 2016, 209, 211 – Akupunktur). Voraussetzung für ein Zueigenmachen ist auch hier eine mehr oder weniger aktive Einbeziehung des fremden Inhalts in den eigenen Aussagekontext, dh für einen verständigen Durchschnittsnutzer muss auf der Basis einer Gesamtbetrachtung eine erkennbare und zurechenbare Identifizierung mit den Aussagen erfolgen oder es muss die inhaltliche Verantwortung übernommen werden. Dabei kann eine inhaltlich-redaktionelle Kontrolle auf Vollständigkeit und Richtigkeit oder die Einbindung in das eigene redaktionelle Angebot der von Dritten hochgeladenen fremden Inhalte für ein Zueigenmachen sprechen (BGH ZUM-RD 2020, 186, 190 – Fitnessstudio; ZUM 2015, 893, 895 Rn 25 – Hotelbewertungsportal; MMR 2010, 556, 557 Rn 25f – marions-kochbuch.de: Hinweis für ein Zueigenmachen kann auch in der umfassenden Einräumung von Nutzungsrechten liegen; ZUM-RD 2017, 515 – Klinikbewertung: Ein Portalbetreiber, der eine eingestellte Äußerung auf die Rüge des Betroffenen inhaltlich prüft und auf sie Einfluss nimmt, indem er selbstständig entscheidet, welche Angaben er abändert oder entfernt und welche er beibehält, macht sich die Äußerung zu eigen). Nicht ausreichend ist die Auslobung einer Prämie für abgegebene Bewertungen (BGH ZUM 2022, 907 – Bewertung eines Ferienparks) sowie die Ermittlung von Durchschnittswerten oder ein vorgeschalteter Filter, um etwa Formalbeleidigungen, Eigenwerbung oder sonstige Unregelmäßigkeiten auszuschließen (BGH ZUM-RD 2020, 186, 190 – Fitnessstudio; ZUM 2015, 893, 896 Rn 28 – Hotelbewertungsportal; Düsseldorf ZUM-RD 2017, 98 – Bewertungsportal; s auch Dresden ZUM-RD 2019, 210, 211: kein Zueigenmachen durch Aufnahme von Inhalten in Suchindex): Bewertungsportale erfüllen eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion; dies gilt auch für eine Vorab-Kontrolle und Bewertung von Nutzerbeiträgen, um die Funktionsfähigkeit des Portals zu schützen und zu unterstützen (ZUM-RD 2020, 186, 190 – Fitnessstudio). 89d aa) Internetgästebücher. Bei Internetgästebüchern besteht nach der Rspr eine Kontrollpflicht des Betreibers, deren Verletzung zu einem „Zueigenmachen“ führen kann, jedenfalls dann, wenn mit Einträgen ehrverletzenden Inhalts gerechnet werden musste (LG Düsseldorf MMR 2003, 61; ebenso LG Trier MMR 2002, 694, 695; aA hin-
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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sichtl eines Internetforums offensichtlich LG Köln MMR 2003, 601, 602 m Anm Gercke; s außerdem BGH MMR 2010, 556 – marions-kochbuch.de). Auch die erkennbare redaktionelle Bearbeitung von Fremdinhalten ist geeignet, ein Zueigenmachen zu begründen, wenn die Inhalte bspw vor ihrer Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden oder wenn der inhaltlich Verantwortliche sich umfassende Nutzungsrechte an den fremden Inhalten einräumen lässt und Dritten anbietet, diese Inhalte kommerziell zu nutzen (BGH MMR 2010, 556 – marions-kochbuch.de; VG Hamburg ZUM-RD 2013, 92, 98f). bb) Veröffentlichung von Forenbeiträgen und kontextloses Einstellen. Bei der bloßen Veröffentlichung von Forenbeiträgen geht es idR nicht um die Wiedergabe der Meinung des Betreibers, weshalb ihm derartige Äußerungen nicht als eigene zuzurechnen sind (Hamburg MMR 2009, 479, in Abgrenzung zu Hamburg MMR 2008, 781 – chefkoch.de; BGH GRUR 2010, 616 – marions-kochbuch; vgl aber auch EGMR MMR 2014, 35 – Delfi m Anm Milstein zur Verurteilung eines Host-Providers als Täter; s auch EGMR AfP 2021, 511 – Sanchez/ Frankreich zur Verurteilung eines Politikers wegen unterlassener Löschung der Hassnachricht eines Dritten auf öffentlichem Facebook-Profil). Kein Zueigenmachen daher auch beim kontextlosen Einstellen von WikileaksDokumenten in das Online-Archiv einer Zeitung, Köln 19.11.2013 – 15 U 53/13 oder der Anwendung eines automatischen Wortfilters sowie der statistischen Auswertung von Weiterempfehlungsraten, BGH ZUM 2015, 893. cc) Linken, Liken, Teilen. Wird ein Hyperlink auf eine Homepage gesetzt, welche das APR verletzende Inhalte enthält, kommt eine Haftung des Linksetzers nach allg Regeln in Betracht; das TMG regelt die Frage der Verantwortlichkeit für Hyperlinks nicht (BGH GRUR 2016, 209, 211 Rn 12 – Akupunktur; Hamm NJW-RR 2004, 919, 922 – Lisa Loch; Spindler NJW 2002, 924; BVerfG MMR 2009, 459 hat die Frage mit Blick auf die strafrechtl Verantwortlichkeit für Hyperlinks offengelassen; zur Haftung bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild durch Hyperlinks s Petershagen NJW 2011, 705); eine Haftung kommt dabei nicht stets, aber dann in Betracht, wenn der Benutzer des Links den ehrverletzenden Inhalt kennt und sich den Inhalt der Seite des anderen Anbieters zu eigen macht (Hamm NJW-RR 2004, 919, 922 – Lisa Loch; LG Hamburg MMR 2012, 554; Staudinger/Hager § 823 Rn C 62c; zu den Anforderungen an eine ernsthafte Distanzierung BGHZ 132, 13; zu den Prüfungspflichten München CR 2009, 191, 193 – Online-Archiv; keine Haftung für Link auf Wikipedia-Inhalte, LG Hamburg MMR 2008, 550: Funktionsweise von Wikipedia ist der eines Forums vergleichbar; zum Zueigenmachen eines verlinkten Inhalts durch Einbetten in einen Blog LG Hamburg MMR 2012, 554; anhängig Hamburg 7 U 51/12). Von Bedeutung kann ferner sein, ob es sich um einen sog Deeplink handelt, der direkt zu der verletzenden Aussage führt, oder ob der Link nur auf eine zunächst unbedenkliche Startseite führt, von der sich der Nutzer selbst bis zu der in Frage stehenden Aussage „durchklicken“ muss (vgl BGH GRUR 2016, 209, 211 Rn 19 – Akupunktur). Zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Backlinks s LG Amberg CR 2012, 825; iÜ keine Übertragbarkeit der Rspr, wonach das „Verlinken“ zu einem Zueigenmachen des verlinkten Beitrages führen kann, auf die Facebook-Funktion „Teilen“, Frankfurt aM ZUM-RD 2016, 225, da dieser keine über die Verbreitung des Postings hinausgehende Bedeutung beizumessen ist; anders bei der Funktion „Gefällt mir“; einschränkend auch Dresden ZUM-RD 2018, 544, 546 – Facebook-Postings, wenn die Weiterverbreitung mit einer positiven Bewertung verbunden wird oder zugleich eine Leseempfehlung ausgesprochen wird, Dresden AfP 2017, 257, 258. c) Weiterverbreitung durch Dritte (internettypische Gefahr). Werden rechtswidrige Inhalte zwar vom Verfasser gelöscht, aber von Dritten weiterverbreitet, ist dies dem Verfasser des Ursprungsbeitrags ebenfalls zuzurechnen, da es für das Internet typisch ist, dass Inhalte von Dritten verlinkt bzw kopiert werden (BGH NJW 2016, 56, 60 Rn 37; vgl auch NJW 2015, 1246, 1248 Rn 21 – RSS-Feed). Das selbständige Dazwischentreten Dritter unterbricht den Zurechnungszusammenhang daher nicht (BGH GRUR 2019, 862; NJW 2016, 56, 60 Rn 37; vgl auch NJW 2015, 1246, 1248 Rn 21 – RSS-Feed). Da eine originäre Löschung vom Verfasser jedoch in diesem Fall nicht verlangt werden kann (BGH NJW 2016, 56, 60 Rn 38), richtet sich der Anspruch lediglich darauf, dass er im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren auf eine Löschung hinwirkt (BGH NJW 2016, 56, 60 Rn 37, 40; zur Frage der Ersatzfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten in Fällen des Uploads s Rn 308 sowie BGH GRUR 2019, 862). Dies führt letztlich zu einer Entlastung des Verletzten und etwaiger Portalbetreiber und stellt die Täterhaftung stärker in den Fokus (Peifer NJW 2016, 23, 25). Vgl auch die Entscheidung des EGMR MMR 2014, 35 – Delfi m Anm Milstein, in welcher dieser die Verurteilung eines Nachrichtenportals, welches Beiträge erst nach Hinweis des Betroffenen löschte, nicht als Verstoß gegen Art 10 EMRK wertete, da der Betreiber drastische Reaktionen hätte erwarten müssen und er technisch in der Lage war, bestimmte Begrifflichkeiten herauszufiltern. d) Die Störerhaftung im Internet. Besondere Bedeutung erlangt in Internetkonstellationen die aus den allgemein-zivilrechtl Vorschriften §§ 862, 1004 entwickelte Störerhaftung, da sie „ohne subj Verschuldensvorwurf eine obj Verkehrspflichtenhaftung erzeugt, die nur negatorisch, nicht aber schadensersatzbegründend wirkt“ (Peifer AfP 2015, 193, 196; s hierzu auch BeckOK InfoMedienR/Paal/Hennemann § 7 TMG Rn 54ff und insofern den Besonderheiten des Mediums Internet Rechnung trägt. Um eine Ausuferung der Störerhaftung auf Dritte zu vermeiden, verlangt die Rspr jedoch die Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten, deren Umfang einzelfallabhängig ist und die sich nach der Funktion und Aufgabenstellung des potenziellen Störers richtet (BGH GRUR 2011, 1038, 1039). Zur Ergänzung der Grundsätze der Störerhaftung durch spezifische Verkehrspflichten s BGH NJW 2009, 1960 – Halzband: Verkehrspflicht zur Vermeidung des Missbrauchs von eBay-Zugangsdaten sowie Frankfurt ZUM 2016, 875: Haftung für die missbräuchliche Nutzung eines Facebook-Accounts für persönlichkeitsrechtl Postings.
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aa) Bewertungsportale, Meinungsforen, Online-Archive und die Störerhaftung. Allerdings trifft die Betreiber von Bewertungsportalen oder sonstigen Angeboten mit Bewertungsmöglichkeit grds keine Vorab-Prüfpflicht (BGH MMR 2016, 418 – Ärztebewertung III; ZUM 2015, 893 – Hotelbewertungsportal; BGH ZUM 2022, 907, 910 – Bewertung eines Ferienparks). Erst ab Kenntnis des Rechtsverstoßes (BGH MMR 2016, 418 – Ärztebewertung III) bzw im Rahmen des nachträgl Beanstandungsverfahrens nach Vorbild des BGH (ZUM-RD 2012, 82, 85) greifen die Grundsätze der Störerhaftung ein (BGH ZUM 2015, 893; 9.8.2022 – VI ZR 1244/20 – Bewertung eines Ferienparks; Stuttgart MMR 2014, 203 – Hühnerstall; KG ZUM-RD 2013, 374; zum uneinheitl Störerbegriff des BGH s Staudinger/Hager § 823 Rn C 62e). Die Verantwortlichkeit eines entspr Host-Providers tritt daher ein, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt (BGH MMR 2016, 418, 420 Rn 23 – Ärztebewertung III; GRUR 2012, 311– Blog-Eintrag). Zur Frage, ob ein Hosting-Anbieter verpflichtet werden kann, die von ihm gespeicherten Informationen, die den wortgleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, s EuGH 3.10.2019 – C-18/18. Die Bestimmung, welchen Überprüfungsaufwand ein Host-Provider betreiben muss, erfordert dabei nach Ansicht des BGH MMR 2016, 418 grds eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte (nach BGH GRUR 2018, 636, 640 – jameda, kann sich der Betreiber jedoch nur eingeschränkt auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art 5 I GG, Art 10 EMRK) berufen, wenn er sich zugunsten von Werbeangeboten in seiner Stellung als „neutraler Informationsvermittler“ zurücknimmt), wobei nicht nur dem Gewicht der Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers Bedeutung zukommt, sondern auch Funktion und Aufgabenstellung des Dienstes zu berücksichtigen sind, BGH ZUM 2022, 907, 910 – Bewertung eines Ferienparks: Bewertungsportale erfüllen grds eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion. Verfahren: Ist der Host-Provider mit einem von dem Betroffenen vorgenommenen, hinreichend konkret gefassten Hinweis konfrontiert, aufgrund dessen ein Verstoß unschwer bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (BGH MMR 2016, 418 – Ärztebewertung III bzgl Prüfpflichten im Fall des behaupteten fehlenden Behandlungskontaktes sowie BGH ZUM 2022, 907, 910 – Bewertung eines Ferienparks, zu Prüfpflichten bei Rüge des fehlenden Gästekontaktes: Vorbringen, dass kein Gästekontakt stattgefunden habe, löst selbst dann Prüfpflichten aus, wenn beschreibende Angaben und Vorname vorhanden sind, da dennoch regelmäßig keine Möglichkeit zur Überprüfung besteht (Grenze: Rechtsmissbrauch); s auch BGH ZUM-RD 2012, 82, 84f Rn 25ff – Blog-Eintrag). Dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil zu qualifizieren ist, sofern der Betroffene schlüssig behauptet, dass dem Werturteil jegliche Tatsachengrundlage fehle, BGH ZUM 2022, 907, 910 – Bewertung eines Ferienparks). Nach Saarbrücken GRUR 2023, 91, 94 besteht jedoch keine Prüfpflicht, wenn bewusst falscher Tatsachenvortrag erfolgt. Um die Persönlichkeitsrechte der Bewerteten hinreichend zu wahren, ist es daher erforderlich, dass der Portalbetreiber eine gewissenhafte – nicht lediglich „formale“ – Prüfung der Beanstandung vornimmt (BGH MMR 2016, 418, 421 Rn 40, 42 – Ärztebewertung III). Der Portalbetreiber ist dahingehend darlegungsverpflichtet (LG Frankfurt/M ZD 2015, 278 Rn 30). Dh er muss ggf aufzeigen, ob und wie mit dem Bewertenden in Kontakt getreten wurde. Liegt eine Stellungnahme vor, ist der Portalbetreiber zur Weiterleitung von Informationen verpflichtet (BGH MMR 2016, 418, 421 Rn 43 – Ärztebewertung III; krit mit Blick auf die praktische Umsetzbarkeit Paal NJW 2016, 2081, 2082f). Auch wenn die Etablierung gesteigerter Prüfpflichten mit Blick auf den Schutz des APR grds zu begrüßen ist, muss das Übertragen komplexer, grundrechtsrelevanter Abwägungsprozesse auf private Unternehmen, wie auch im Bereich des Rechts auf Vergessenwerden (EuGH MMR 2014, 455 m Anm Sörup – Google Spain) durchaus krit betrachtet werden. Prüfpflichten der Anbieter von Bildportalen im Internet bestehen ebenfalls nur insoweit, als Rechtsverstöße erkennbar sind (BGH NJW 2011, 753). Auch hier wird es also auf die Beanstandung und Darlegung des Betroffenen ankommen. Wer als Host-Provider die Infrastruktur für die von einzelnen Internetusern erstellten Beiträge in Online-Enzyklopädien wie Wikipedia bereithält, ist ebenfalls erst nach Eingang eines konkreten Hinweises auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zur Prüfung verpflichtet (LG Hamburg ZUM 2019, 65; Stuttgart NJW-RR 2014, 423; LG Tübingen ZUM-RD 2013, 345, 348; LG Schweinfurt BeckRS 2012, 25162; LG Köln MMR 2008, 768). Gleiches gilt für denjenigen, der ein nicht moderiertes Meinungsforum bereithält, auch er fungiert lediglich als Host-Provider und kann sich auf die Haftungsprivilegierung des § 10 S 1 TMG berufen (Koblenz MMR 2008, 54, 55; Düsseldorf CR 2006, 482, 483; zur Haftungsprivilegierung durch die E-Commerce-RL für Internetforen, s EuGH MMR 2011, 596 m Anm Hoeren); zudem setzt auch hier die Störerhaftung die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus, welche grds erst durch Kenntnis der Persönlichkeitsrechtsverletzung begründet werden (so bzgl der Haftung eines Host-Providers eines Blogs BGH ZUM-RD 2012, 82; bzgl der Haftung der Online-Enzyklopädie Wikipedia als Host-Provider Stuttgart NJW-RR 2014, 423). Der BGH schlägt zudem auch hier ein besonderes Verfahren zw Host-Provider, Beitragsersteller und Betroffenem bei der Beanstandung von Inhalten in Blogs vor (grundlegend zur Haftung in Blogs Ladeur/Gostomzyk NJW 2012, 710), durch welches sich der Host-Provider von einer Haftung befreien kann: Zunächst muss der Provider die Beanstandung an den Beitragsersteller weiterleiten und auf Antwort warten; erklärt sich der Ersteller nicht, muss der Beitrag gelöscht werden; gibt der Ersteller eine begründete Stellungnahme ab, sind vom Betroffenen substantiierte Darlegungen zum Verletzungssachverhalt zu erfragen; unterbleibt dies, besteht keine Löschungspflicht (BGH ZUM-RD 2012, 82, 85 – Blog-Eintrag). Dies gilt nach Ansicht des LG Köln auch für den Domain-Registrar (LG Köln AfP 2015, 356). S auch Anm Bertermann MMR 2015, 523, 524 mit deutlicher Kritik an der Gleichstel50
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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lung, da der Domain-Registrar die Domain nur vollständig dekonnektieren könne und keinen Zugriff auf einzelne Inhalte habe, aaO 525. Er sei deshalb – soweit man eine Störerhaftung überhaupt bejahen wolle – eher mit einem Access-Provider zu vergleichen, aaO 525 aE. Vgl auch KG ZUM-RD 2015, 216. Auch der Betreiber eines Online-Archivs ist nicht zur ständigen anlassfreien Überprüfung der Beiträge auf Rechtmäßigkeit verpflichtet (Hamburg MMR 2015, 770, 772 Rn 17 m Anm Verweyen/Ruf). Es bedarf vielmehr auch hier eines qualifizierten Hinweises des Betroffenen (Hamburg MMR 2015, 770, 772 Rn 17; krit hierzu Holznagel/Hartmann MMR 2016, 228, 232 sowie Sajuntz GRUR-Prax 2016, 280, 283). bb) Haftung von Suchmaschinenbetreibern. Auch Suchmaschinenbetreiber sind nicht verpflichtet, die von ih- 90b nen in einer Suchanfrage verlinkten Inhalte generell auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu untersuchen (BGH GRUR 2018, 642 – Internetforum; Hamburg MMR 2010, 141). Den Betreiber treffen aber dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt, wie bspw im Fall von Hassrede, eindeutiger Schmähkritik oder offensichtlichen Personenverwechslungen (BGH GRUR 2018, 642, 645 – Internetforum; LG Heidelberg MMR 2015, 348, 349 Rn 38, 350 Rn 42: Die Verantwortlichkeit sei nicht anders zu beurteilen als bei ergänzenden Suchvorschlägen, allerdings setze die Störerhaftung auch hier die Verletzung einer Prüfpflicht voraus). Zur Problematik der Erkennbarkeit einer offensichtlichen Rechtsverletzung im Fall von Schmähkritik, deren abschließende Bewertung ohne verifizierbare Erkenntnisse zum sachlichen Hintergrund oftmals nicht möglich ist sowie im Fall von herabsetzenden Tatsachenbehauptungen oder Werturteilen mit Tatsachenkern s BGH GRUR 2018, 642, 645 – Internetforum; ZUM-RD 2019, 203, 207f – Prozessberichterstattung: Der Maßstab der „offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung“ wird nur in Ausnahmefällen zu einem eindeutigen Ergebnis für den Suchmaschinentreiber führen (Dresden ZUM-RD 2019, 210, 211 – „Erpresser“ und „Kinderschänder“). Zu den Anforderungen an den Auslistungsantrag EuGH GRUR-RS 2022, 34883: Suchmaschinen müssen Einträge löschen, wenn sie nachweislich falsch sind; eine vorherige gerichtliche Entscheidung ist insoweit nicht erforderlich. Daneben können Suchmaschinenbetreiber auch verpflichtet werden, die Verknüpfung des Namens eines Betroffenen mit einem bestimmten Suchergebnis aufzuheben; sog De-Listung oder Auslistung (vgl EuGH MMR 2014, 455 m Anm Sörup – Google Spain; EuGH 24.9.2019 – C-136/17 – Recht auf Vergessenwerden II). Die Auslistung hat dabei in allen mitgliedstaatl Versionen zu erfolgen; zudem muss der Suchmaschinenbetreiber Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass Nutzer von einem EU-Staat aus auf die entsprechenden Links anderer nicht-mitgliedstaatl Versionen der Suchmaschine zugreifen können (EuGH 24.9.2019 – C-507/17 – Recht auf Vergessenwerden III). Dies folgt der Annahme, dass die Tätigkeit von Suchmaschinen die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten erheblich beeinträchtigen kann (EuGH MMR 2014, 455, 458 Rn 38, 463 Rn 97 m Anm Sörup – Google Spain) und datenschutzrechtl Verpflichtungen mit Blick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten auch von den Suchmaschinen zu beachten sind (EuGH 24.9.2019 – C-136/17 – Recht auf Vergessenwerden II). Zu den konkreten Vorgaben bzgl. der Auslistung von Suchtreffern im Zusammenhang mit strafrechtl Verfahren s ausf EuGH 24.9.2019 – C-136/17 Rn 77 – Recht auf Vergessenwerden II: Danach trifft den Suchmaschinenbetreiber eine anspruchsvolle Abwägungsaufgabe. Gewichtet werden müssen nämlich die Schwere der Straftat, der Verlauf und der Ausgang des Verfahrens, die verstrichene Zeit, die Rolle der betroffenen Person im öffentl Leben sowie deren Verhalten in der Vergangenheit, das Interesse der Öffentlichkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung, Inhalt und Form der Veröffentlichung sowie die Auswirkungen der Veröffentlichung für die betroffene Person. Zudem trifft den Betreiber auch eine „Aktualisierungspflicht“, denn Suchergebnislisten sind so auszugestalten, dass das daraus für den Internetnutzer entstehende Gesamtbild die aktuelle Rechtslage widerspiegelt, was voraussetzt, dass Links zu Websites mit entsprechenden Informationen auf dieser Liste an erster Stelle stehen müssen. Zu den Voraussetzungen eines Auslistungsanspruchs gegen den Suchmaschinenbetreiber s auch BGH ZUM 2022, 652ff. Besonderheiten ergeben sich bei sog Snippets, kurzen Textausschnitten, die im Suchergebnis angezeigt werden und bei denen es sich um fragmentarische Auszüge der von der Suchmaschine gefundenen Seiten handelt. Diese automatisch erstellten Fragmente können für sich genommen oder im Kontext persönlichkeitsbeeinträchtigend sein (Staudinger/Hager § 823 Rn C 62c, da möglicherweise unvollständige Tatsachenbehauptungen), weshalb sich die Frage stellt, ob ein möglicherweise persönlichkeitsrechtsverletzender Inhalt dem Suchmaschinenbetreiber zuzurechnen ist (so München ZUM-RD 2015, 666; KG ZUM-RD 2010, 224). Nicht selten wird eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers jedoch unter Hinweis auf die offensichtliche Unvollständigkeit und erkennbar automatische Erstellung eines Snippets abgelehnt (Hamburg MMR 2010, 490; KG MMR 2012, 129; Stuttgart MMR 2009, 190 sowie München MMR 2012, 108, zumeist mit der Begründung, dass Nutzer einem Snippet keine eigene Aussagekraft beimessen und kein Zueigenmachen vorliegt; anders KG MMR 2006, 817, einen Unterlassungsanspruch bejahend, weil eine Schauspielerin mit dem Begriff „nackt“ in Verbindung gebracht wurde; vgl auch LG Mönchengladbach ZUM-RD 2014, 46, keine Haftung eines Suchmaschinenbetreibers als Störer aufgrund bloßen Generierens und Bereitstellens von Suchergebnissen). Haftung für automatisiert erstellte Suchergänzungsvorschläge. Automatisch generierte Suchergänzungsvor- 90c schläge können ebenfalls im Einzelfall das APR verletzen, insb wenn die Suggestionen keinen Wahrheitsgehalt haben und offensichtlich rufschädigend sowie ehrverletzend sind, denn in diesen Fällen können sie zu einer epidemieartigen Verbreitung von Gerüchten und zu einer erheblichen Denunziation des Betroffenen führen (s hierzu Klass ZUM 2013, 553, 554). Bzgl der Google-Autocomplete-Funktion entschied der BGH (ZUM 2013, 550; Klass
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s hierzu auch Anm Peifer/Becker GRUR 2013, 751; Staudinger/Hager § 823 Rn C 62c) daher, dass Google als Suchmaschinenbetreiber zwar nicht verpflichtet ist, die automatisiert erstellten Suchvorschläge im Vorfeld mittels einer Filtersoftware auf eventuelle Rechtsverletzungen hin zu überprüfen – jedoch treffe den Suchmaschinenbetreiber eine Prüfpflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt, insb müsse er in einem solchen Fall Vorkehrungen treffen, um derartige Verletzungen künftig zu verhindern. Das Gericht hebt hervor, dass mögliche Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts Google unmittelbar zuzurechnen sind, da das Unternehmen mittels eines Computerprogramms das Nutzerverhalten ausgewertet und dem Nutzer entspr Vorschläge unterbreitet hat. Das Gericht weist insb darauf hin, dass die Tätigkeit von Google in dieser Konstellation eben „nicht nur rein technischer, automatischer und passiver Art“ und nicht nur „auf die Bereitstellung von Informationen für den Zugriff durch Dritte beschränkt ist“ (Rn 26); abl zuvor LG Köln 19.10.2011 – 28 O 116/11 sowie Köln ZUM 2012, 987 m Anm Seitz, 994, mit dem Argument, dass den Suchergänzungsvorschlägen kein eigener Aussagegehalt beizumessen sei. S in diesem Zusammenhang auch Hamburg ZUM-RD 2011, 670; zur Verbreitung von Gerüchten Härting K&R 2012, 633; Meyer K&R 2013, 221; zum Schutz von Suchmaschinenergebnissen durch die Meinungsfreiheit Milstein/Lippold NVwZ 2013, 182. Zu einem möglichen Haftungsausschluss durch Disclaimer Seitz in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht Teil 8 Rn 29. 90d cc) Zur Haftung von entfernteren Vermittlern oder sonstigen Beteiligten s BGH GRUR 2018, 1044 – Dead Island (weiterführend hierzu Nordemann GRUR 2018, 1016 und Spindler GRUR 2018, 1012) sowie BGH GRUR 2022, 1812 – DNS-Sperre (weiterführend hierzu Leistner GRUR 2023, 142). 90e e) Das „datenschutzrechtl Dilemma“ – Erforderlichkeit eines starken Drittauskunftsanspruchs: Das Internet birgt neben den „klassischen“ Gefährdungspotentialen, die aufgrund der Speicherung und Verwendung der eingegebenen Daten für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entstehen, erhebliche Gefahren für das Persönlichkeitsrecht, insb, weil der sorglose Umgang mit Daten, Informationen und Bildern in der digitalen Welt auch Dritte schädigt und insb die Anonymität des Netzes – nach BGH MMR 2015, 106, 109 Rn 41und BGH MMR 2009, 608, 612 Rn 38 – spickmich.de ist die anonyme Nutzung dem Internet „immanent“ – geradezu ein „Nährboden für Persönlichkeitsrechtsverletzungen“ zu sein scheint, da sie ganz offensichtlich zu einem Absinken von Hemmschwellen führt, s hierzu auch Spindler GRUR 2018, 365ff; Pille NJW 2018, 3545ff (ausf zum Schutz anonymer Meinungsäußerungen Rn 103a). Dies führt zu einem Dilemma, denn während Datenschützer eine verstärkte Anonymität im Netz fordern, müssen Äußerungen und Handlungen vor dem Hintergrund des Persönlichkeitsschutzes zurechenbar bleiben (vgl Kühling NJW 2015, 447, 448). Auch ist die Erkennbarkeit des Gegenübers sowie der Austausch identitätsstiftender Informationen für eine funktionierende Kommunikation essenziell (s Heckmann Vorgänge Nr 184, 2008, 20, 28; zum Schutz von anonymen Meinungskundgaben s Rn 103a sowie Rn 245). Das Recht muss daher einen gerechten und angemessenen Ausgleich zw der Anonymität der Nutzung auf der einen und der Verbindlichkeit in der Netz-Kommunikation auf der anderen Seite herstellen. Zentral hierfür ist insb das Bestehen eines eigenständigen und umfassenden Drittauskunftsanspruchs für Persönlichkeitsrechtsverletzungen. An einem solchen fehlt es aber nach wie vor, denn aus § 21 II TTDSG ergibt sich nunmehr zwar ein Auskunftsanspruch bzgl Bestandsdaten zur Durchsetzung zivilrechtl Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte (s hierzu auch BGH ZUM 2022, 480; Taeger/Gabel/Ettig § 21 TTDSG Rn 3–5), nicht jedoch bzgl der Nutzerdaten (anders noch § 14 III–V TMG aF, auf dessen Grundlage man, bezogen auf die in § 1 III NetzDG genannten Delikte und beschränkt auf Einzelfälle, Auskunft des Telemediendienstanbieters über Bestands- und Nutzungsdaten für eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten verlangen konnte, s hierzu auch Spindler GRUR 2018, 365ff). Auch eine analoge Anwendung des § 21 II TTDSG kommt nach Schleswig NJW RR 2022, 770 mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht (zust insofern BeckOK-StPO/Ferner § 22 TTDSG Rn 8). Der Gesetzgeber sollte daher im Interesse eines effektiven Persönlichkeitsrechtsschutzes dringend einen eigenständigen und umfassenden zivilrechtl Drittauskunftsanspruch für Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Gesetz etablieren (ausf hierzu Berger, Der Drittauskunftsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Diss 2022 sowie BGH MMR 2014, 704 – Ärztebewertung II und BR-Empfehlung 440/1/15, 9f.) In einem früheren Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des TMG (s Rn 90d) wurde die Problematik zwar einmal aufgegriffen (vgl exemplarisch BT-Plenarprotokoll 18/173, 17062), hat aber letztlich keinen Eingang in das Änderungsgesetz gefunden. Vielmehr hat der BT in seiner Beschlussfassung die BReg aufgefordert, bis Ende 2016 „Art und Umfang von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Verletzungen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der letzten zwei Jahre durch Inhalte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle auf Plattformen im Internet“ empirisch zu erheben (vgl BT-Drs 18/8645, 5). Ein eigenständiger Auskunftsanspruch für Persönlichkeitsrechtsverletzungen besteht jedoch trotz eines erheblichen Bedürfnisses nach wie vor nicht (s zu diesem Themenkomplex auch Paschke/Halder MMR 2016, 723ff). Vor diesem Hintergrund sollte auch über Registrierungspflichten, zumindest bei gefahrgeneigten Diensten nachgedacht werden. Eine auf das Innenverhältnis beschränkte Identifizierungspflicht und ein wirksamer Auskunftsanspruch würden nicht nur der wirksamen Durchsetzung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und dem Gedanken der Waffengleichheit zuträglich sein, vielmehr wäre sie auch nach Stellungnahme der Art 29-Datenschutzgruppe ebenfalls mit Art 6 I lit c DatenschutzRL vereinbar (WP 01189/09/DE 163, S 13); so auch Lauber-Rönsberg MMR 2014, 10, 12. Zur Frage, welche Auswirkungen das Inkrafttreten des Digital Services Act, der einerseits zwar selbst keinen dem § 21 II TTDSG vergleichbaren Auskunftsanspruch vorsieht, andererseits aber den Begriff der „rechtswidrigen Inhalte“ deutlich weiter fasst als das NetzDG, mit Blick auf die bestehenden Regelungen hat, s ausf Wiedemann/Nasr LRZ 2023, Rn 200, 241ff. 52
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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5. Die schlichte Veröffentlichung eines Zitats, mit dem sich der Äußernde erkennbar nicht identifiziert, ist hin- 91 gegen kein haftungsrechtl Tatbeitrag (Celle AfP 2015, 438; KG AfP 2001, 65; BVerfG NJW 2004, 590, 591); ebenso weist die Verwendung von Anführungszeichen deutlich auf die Äußerung eines Dritten hin (BVerfG NJW 2004, 590, 591, ebenso LG Stuttgart NJW-RR 2001, 834, 835; Köln 14.2.2012 – 15 U 131/11). Nach Hamburg NJW-RR 1993, 734 – Stasi-Verdacht soll jedoch die Darstellung als erkennbares Zitat nicht zur Distanzierung ausreichen, da Zitate regelmäßig die Aufgabe haben, eine eigene Darstellung zu belegen; zudem müsse einer Behauptung stets die Gegenansicht gegenübergestellt werden, sodass keine Parteilichkeit zu erkennen ist – unzumutbar sei bei der Vielzahl der Äußerungen und des erheblichen öffentlichen Informationsinteresses aber bspw die Prüfung/Recherche, ob die in der Stasi-Akte wiedergegebenen Äußerungen richtig sind (vgl auch Rn 151). Im Rahmen eines Interviews, das sich durch eine typische Frage-Antwort-Situation auszeichnet, ist der Fragende nicht gehalten, sich von den Antworten zu distanzieren. Ein Zueigenmachen liegt in diesen Konstellationen ausnahmsw nur dann vor, wenn eine fremde Äußerung so in den Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint oder der Fragende Tatsachenbehauptungen in den Raum stellt und die Antworten des Interviewten nur noch als Beleg für deren Richtigkeit dienen (BGH NJW 2010, 760, 761). Auch die bloße Wiedergabe einer Beschimpfung eines anderen (Biermann über Diestel in der Bild-Zeitung) ist noch kein Zueigenmachen, KG AfP 2001, 65; s zu beleidigenden Suchmaschinenvorschlägen uÄ Rn 90b. Die anonyme Verbreitung eines verleumderischen ausl Zeitungsartikels kann grds nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt werden (BGH NJW 1966, 1213, 1215 – Luxemburger Verleger); sie kann jedoch durch das Informationsinteresse daran, dass eine solche Behauptung (insb durch oder über eine bekannte Persönlichkeit) aufgestellt wurde oder als Gerücht existiert, gerechtfertigt werden (Erman/Ehmann12 Rn 45; BGH ZUMRD 2011, 290 – AnyDVD; vgl auch Brandenburg NJW-RR 2002, 1269: Wer ein ehrenrühriges Gerücht ohne hinreichende Distanzierung per E-Mail verbreitet, haftet für den Inhalt). In derartigen Konstellationen muss sich der Verbreiter jedoch von der Behauptung distanzieren (BGH NJW 1997, 233 – Gynäkologe; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller; NJW 1970, 187 – Hormocenta; NJW 1966, 2010 – Teppichkehrmaschine; BGHZ 31, 308 – Abgeordneten-Bestechung; Frömming, FS Engelschall, 1996, 47, 60). Grds dürfen jedoch die Anforderungen an eine ausreichende Distanzierung im Interesse der Meinungsfreiheit nicht zu hoch gesetzt werden. So ist es bspw nicht mit der Aufgabe der Presse vereinbar, dass sich Journalisten regelmäßig und förmlich vom Inhalt eines Zitats distanzieren müssen, welches Dritte beleidigen bzw provozieren oder ihren Ruf schädigen kann (EGMR NJW 2006, 1645, 1648 – Das blinde Auge der Polizei). 6. Verantwortlichkeit für Anzeigen und Leserbriefe. Der Verleger einer Publikation ist nicht nur für den re- 91a daktionellen, sondern auch für den Anzeigenteil verantwortlich, weshalb ihn bestimmte Sorgfaltspflichten treffen (zur Haftung der Presse für Wettbewerbsverstöße in gewerbl Anzeigen BGH GRUR 1973, 203 – Badische Rundschau; Wenzel/Burkhardt/Peifer Rn 10.213). So ist er bspw gehalten, durch adäquate Schutzmaßnahmen die Veröffentlichung von Falschmeldungen, die Persönlichkeitseingriffe beinhalten, so weit wie möglich zu verhindern (Saarbrücken NJW 1978, 2395 – Verlobungsanzeige; BGH NJW 1972, 1658, 1659 – Baumaschinen). Allerdings besteht keine umfassende Prüfungspflicht, sondern nur dann, wenn der Inhalt der Anzeige erkennbar eine Verletzung geschützter Rechtsgüter darstellt, oder, wenn eine Anzeige aus sonstigen Gründen auffällig erscheint (BGH NJW 1972, 1658, 1659 – Baumaschinen: „Verkaufe wegen Geschäftsaufgabe sämtliche Baumaschinen und Baugeräte Fa. K. Sch.“; Koblenz AfP 1989, 753 – Sexanzeigen: „Mache tabulos alles“; Saarbrücken NJW 1978, 2395, 2396 – Verlobungsanzeige: erhöhte Vorsicht bei Familienanzeigen, da besondere Missbrauchsgefahr). Eine völlige Freizeichnung für den Inhalt von Anzeigen ist jedenfalls nicht möglich (zur Haftung des Verlags für fehlerhafte Anzeigen Hecker AfP 1993, 717). Gleiches gilt für den Inhalt von Leserbriefen. Auch hier greift der pauschale Verweis darauf, dass keine Haftung übernommen werde, jedenfalls dann nicht durch, wenn es sich um Leserbriefe mit ehrverletzendem oder kreditgefährdendem Inhalt handelt und keine ausreichende Distanzierung erfolgt (Erman/Ehmann12 Rn 47; Celle AfP 2002, 506). Insb darf die Distanzierung nicht lediglich formal abgegeben werden, um dann bspw aus einem Leserbrief stammende ehrverletzende Äußerungen wiederzugeben (wie bspw die Äußerung, eine Fernsehansagerin sehe aus wie eine ausgemolkene Ziege, BGHZ 39, 124 – Fernsehansagerin). Allerdings dürfen die Nachprüfungspflichten angesichts der zu bewältigenden Masse und des oftmals bestehenden Zeitdrucks nicht überspannt werden (zutr Wenzel/Burkhardt/Peifer Rn 10.212 mwN). 7. Rechtsfolgen. Ein Verbreiter kann grds als Störer zur Unterlassung (§ 1004) verpflichtet sein. Auf ein etwai- 92 ges Verschulden kommt es mit Blick auf den Unterlassungsanspruch nicht an (BGH NJW 1976, 799, 800 – Alleinimporteur; ZUM 2013, 550; Staudinger/Hager § 823 Rn C 51), dieses erlangt jedoch bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sowie von Ansprüchen auf Geldentschädigung Relevanz. Passivlegitimiert ist in erster Linie die Person, die die Persönlichkeitsrechtsverletzung begangen hat. Können mehrere Verantwortliche ausgemacht werden, kann Klage (mit Blick auf den jew Tatbeitrag) gegen jeden Einzelnen von ihnen erhoben werden. Für Verrichtungsgehilfen bzw Organe wird nach §§ 831, 31 gehaftet (BGHZ 3, 270, 275 – Constanze I). Handelt es sich bei dem Verantwortlichen um einen Beamten, haftet der Staat (OVG Rh-Pf NJW 1987, 1660), jedenfalls sofern nicht bloß eine persönliche Erklärung abgegeben wurde (BGHZ 34, 99 – Sportanlagenbau; Erman/Ehmann12 Rn 326; s hierzu VGH BW AfP 1991, 669: wertendes Urt eines Professors). Äußert sich ein Anwalt auf Anweisung seines Mandanten zur Sache, ist die Erklärung dem Mandanten zuzurechnen (KG NJW 1997, 2390 – Presseerklärung; Staudinger/Hager § 823 Rn C 51). Verbreitet jemand eine fremde Äußerung – ohne sich diese zu eigen zu machen, – kann nur das Abrücken von der gemachten Äußerung, nicht aber ein Wi-
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derruf verlangt werden. Anderes gilt, wenn sich der Verbreiter mit der Äußerung des Dritten identifiziert, sodass diese als eigene erscheint (BGHZ 66, 182 – Panorama). 8. Äußerungsformen. Äußerungsdelikte werden idR verbal begangen (durch Behaupten und Verbreiten, s Rn 86ff). Sie können aber auch durch wortersetzende Gesten (zB Tippen an die Stirn, Düsseldorf NJW 1960, 1072; Stinkefinger, BayObLG NJW 2000, 1584; oder „Scheibenwischer“), bildlich bspw durch eine Zeichnung oder Karikatur und selbst durch das Aufstellen sog Frustzwerge, die ehrverletzend und beleidigend gestikulieren (AG Grünstadt NJW 1995, 889), oder das Abspielen eines Videobandes (Stuttgart NJW-RR 2004, 619, 622) begangen werden. Ebenfalls kommen bestimmte Arten von Tätlichkeiten in Betracht (BGH NStZ-RR 2009, 172 – Anspucken). Grds muss die Äußerung jedoch an andere gerichtet (vgl LG Regensburg NJW 2008, 1094, 1095 – Vogel zeigen) und „in den Verkehr gebracht“ worden sein. Das Selbstgespräch oder der in den Papierkorb geworfene Brief ist noch keine (vorsätzliche) Äußerung – zivilrechtl kann jedoch uU eine fahrlässige Äußerung vorliegen (Erman/Ehmann12 Rn 44). G. Einzelne Schutzbereiche des zivilrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. I. Ehrenschutz. 1. Rechtsgrundlagen. Der Schutz der Ehre ist ein traditioneller Grundpfeiler des Persönlichkeitsrechtsschutzes (Baston-Vogt, 411; Hubmann 1967, 288ff; BGHZ 39, 124 – Fernsehansagerin; zur persönlichen Ehre als Bestandteil des verfassungsrechtl APR BVerfGE 54, 208, 217f – Heinrich Böll; BGHZ 54, 148, 154 – Eppler; zum grundrechtl Schutz der Ehre im Internetzeitalter Glaser NVwZ 2012, 1432). Seit Anerkennung des APR sind auch fahrlässige Ehrverletzungen in den Schutzbereich des § 823 I einbezogen – der Ehrschutz nach § 823 II iVm §§ 185ff StGB ist daneben unberührt geblieben (BGHZ 95, 212, 214 – Wehrmachtsoffizier; Helle, 28f). Die iSd § 185 StGB geschützte Ehre ist lediglich ein Aspekt der Personenwürde, der nicht mit dem vom APR umfassten Bereich identisch ist (BGH NJW 1989, 3028). Bei Vorliegen einer Beleidigung iSd § 185 StGB kann zugleich eine Verletzung des APR angenommen werden (Köln NJW-RR 2012, 1187, 1188 – Winkeladvokat). Darüber hinaus schützt § 824 vor Beeinträchtigungen der „wirtschaftlichen Wertschätzung“ (MüKo/Rixecker Rn 123; BGH NJW 1985, 1621, 1622f – Türkeiflug). Ungeachtet der Tatsache, dass bis heute keine eigenständige zivilrechtl Definition des Ehrbegriffs existiert (Baston-Vogt, 414), vielmehr nach wie vor idR auf den umstr strafrechtl Ehrbegriff (zu dessen Unzulänglichkeiten Tenckhoff JuS 1988, 199 mit einer Aufzählung 60 verschiedener Ehrbegriffe; Otto NJW 2006, 575) zurückgegriffen wird, ist anerkannt, dass der zivilrechtl Ehrenschutz der Sicherung eines jeden Menschen auf Achtung seiner mit der Menschenwürde eng verbundenen „inneren Ehre“ sowie seiner „äußeren Ehre“, verstanden als das Anrecht auf Wahrung seines sozialen Geltungsanspruchs innerhalb der Gesellschaft, dient (Baston-Vogt, 419; Tettinger JZ 1983, 317, 319; Klass, Rechtliche Grenzen des Realitätsfernsehens, 2003, 290f; MüKo/Rixecker Rn 124 nennen in diesem Kontext den Ruf, das Ansehen einer Person in den Augen anderer, den sozialen Geltungsanspruch sowie die äußere Ehre als vor der Missachtung geschützte Bereiche). 2. Umfang. a) Innere Ehre. Eine Beeinträchtigung der inneren Ehre ist stets dann gegeben, wenn eine Verletzung der Menschenwürde zu konstatieren ist, denn die Anerkennung eines Menschen in seiner Personenwürde durch andere ist unverzichtbare Bedingung seiner Existenz. Zudem ist die innere Ehre auch dann betroffen, wenn eine Person in ihrem Ehr- oder Selbstgefühl (Ehrbewusstsein) verletzt oder zu einem Verhalten gezwungen wird, das ihrem Gewissen, ihren moralischen oder religiösen Überzeugungen widerspricht (Baston-Vogt, 420f; Tettinger JZ 1983, 317, 319; Siebrecht JuS 2001, 337; grundlegend BGHSt 11, 67). Zum insofern maßgeblichen normativ-faktischen Ehrbegriff Rn 97. b) Äußere Ehre. Unter der äußeren Ehre wird das Ansehen des jew Rechtsträgers im Urt seiner Mitmenschen, sein Wert in den Augen der anderen und damit letztlich seine soziale Geltung innerhalb der Gemeinschaft verstanden. Schutzgut ist mithin der „gute Ruf“ (Tettinger JZ 1983, 317, 319; Siebrecht JuS 2001, 337; BVerfG NJW 1989, 3269, s auch BVerfG AfP 2010, 560, 561 – Deutschland Archiv, wonach das APR selbst vor Äußerungen schützt, die – ohne ieS ehrverletzend zu sein – geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken). Dieser soziale Achtungsanspruch kommt dem Einzelnen nicht schon kraft seines Menschseins zu, sondern wird durch Leistung, soziales Verhalten und Charakter geprägt, weshalb der Schutzumfang im Laufe der Zeit Veränderungen unterliegen kann (nach Tettinger JZ 1983, 317, 319 erfährt der rechtschaffende und moralisch integre Bürger mithin stärkeren Schutz als der notorische Rechtsbrecher und jener, der anerkannten sittlichen Grundnormen und Werten gleichgültig gegenübersteht). Verletzt werden kann der Achtungsanspruch durch Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen (zur Unterscheidung Rn 98, insb 101). Tatsachenbehauptungen, die der Wahrheit entsprechen, verletzen die Ehre grds nicht, jedoch kann eine Verletzung des APR aus anderen Gründen gegeben sein (s insb Rn 117ff zum Schutz des Einzelnen vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität). Meinungsäußerungen sind im Grundsatz nach Art 5 I GG frei, verletzen die Ehre jedoch, sofern die Menschenwürde tangiert ist, es sich um eine Schmähkritik (Rn 254ff) oder eine Formalbeleidigung (Rn 257f) handelt (hierzu im Einz Rn 254ff). c) Der normativ-faktische Ehrbegriff. Ein guter Ruf (äußere Ehre) kann verdient oder unverdient (sog falscher guter Ruf) sein; ein Ehrgefühl (innere Ehre) kann übersteigert oder zu gering ausgeprägt sein. Die unrichtige Beurteilung kann ihren Grund dabei in der Zugrundelegung unrichtiger tatsächlicher Voraussetzungen finden oder auf einer falschen Bewertung beruhen. Im Erg bleibt nach überwiegender Ansicht der faktische Ruf jedoch ungeschützt – vielmehr erfährt nur der verdiente gute Ruf Schutz (Baston-Vogt, 419; Tettinger JZ 1983, 317, 319; Brosette, Wert der Wahrheit, 113; BVerfG NJW 1989, 3269f), denn niemand kann mehr Achtung beanspruchen als er tatsächlich verdient (Ehrschutz muss mehr sein als reiner Fassadenschutz, Baston-Vogt, 416), weshalb das Rechtsgut „Ehre“ nicht durch wahre Behauptungen verletzt werden kann (zur Verletzung anderer 54
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Aspekte des APR, zB der schützenswerten Privat- und Intimsphäre, s Rn 122ff, zum Schutz vor ungewollter Indiskretion s Rn 117ff). Ehrverletzungen können mithin nicht damit begründet werden, dass der selbst definierte soziale Geltungsanspruch missachtet oder verletzt worden sei (BVerfG NJW 1989, 3269). Der angemessene Geltungswert muss vielmehr rechtl (normativ) festgestellt werden. 3. Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. a) Definitionen und Kriterium der Abgrenzbarkeit. Im Rahmen des Ehrenschutzes ist zw Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen zu differenzieren, da diese unterschiedl Schutz erfahren (s BVerfG NJW 2013, 217). Meinungen sind grds durch einen subj Bezug zw dem sich Äußernden und der Aussage geprägt, es handelt sich meist um Beurteilungen von Tatsachen und Vorgängen sowie deren Bewertung. Nach BVerfGE 61, 1, 8 – NPD Europas sind Meinungen durch „das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung“ geprägt; auf den Wert, die Richtigkeit, die Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an (vgl auch BGH NJW 1982, 2246, 2247 – Klinikdirektoren; NJW 1998, 3047 – Stolpe). Auch Suchmaschinenergebnisse können Meinungsäußerungen nach Art 5 I 1 Hs 1 GG und Art 10 I 1 EMRK sein (Milstein/Lippold NVwZ 2013, 182, 185). Für die Einordnung als Tatsachenbehauptung ist hingegen wesentlich, ob die Äußerung einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH NJW 1998, 3047 – Stolpe; NJW 1996, 1131, 1133 – Lohnkiller; NJW 1997, 233, 235 – Gynäkologe); Tatsachenbehauptungen sind mithin Äußerungen, die etwas Bestehendes beinhalten oder etwas Geschehenes schildern – ihr Inhalt ist beweisbar, wobei Internetäußerungen grds gleich zu behandeln sind. Diese obj Beziehung zw Aussage und Realität, die dem Empfänger die Distanz erschwert, führt zu einem anderen Gefährdungspotential und rechtfertigt damit letztlich die unterschiedl Behandlung durch die Rspr. b) Funktion der Unterscheidung. Die Unterscheidung zw APR-relevanten ehrenrührigen Tatsachen und (Un-)Werturteilen ist im Hinblick auf die Rechtsfolgen relevant; so können Widerruf (Rn 292ff) und Gegendarstellung (Rn 300ff) nur mit Blick auf Tatsachenbehauptungen verlangt werden (BVerfG NJW 2002, 356 – Gysi). Ungeklärt bleiben kann die Einordnung daher nur, wenn die rechtl Beurteilung als Tatsachenbehauptung oder als Meinung dieselben Rechtsfolgen hat, BVerfG AfP 2006, 550; 31.1.2017 – 1 BvR 2454/16. Zu beachten ist zudem, dass die Meinungsäußerungsfreiheit des Art 5 I GG zwar auch Tatsachenbehauptungen erfasst, weil und soweit diese Voraussetzung für das Bilden einer Meinung oder mit Werturteilen verbunden sind (BVerfGE 90, 1, 15 – Weltkriegsschuldfrage/jugendgefährdende Schriften; BVerfGE 61, 1, 8 – NPD Europas; BVerfG NJW 2004, 1942; AfP 2000, 272); nicht umfasst ist jedoch die Behauptung oder Verbreitung bewusst unrichtiger Tatsachen (Rn 100; ausf zum Schutzumfang Rn 244ff). Hat der Äußernde die Unwahrheit nicht erkannt, muss er sorgfältig recherchiert haben. Ehmann (in Erman12 Rn 30) weist zu Recht darauf hin, dass die Unterscheidung erkenntnistheoretisch zwar problematisch ist, weil schlechthin keine Tatsachenbehauptung völlig wertfrei ist, dass jedoch derjenige, der die Abgrenzung scheut, das gesamte Rechtsfolgensystem neu ordnen müsse (vgl insoweit auch Grimm NJW 1995, 1697). c) Schutz durch Art 5 I GG. Art 5 GG schützt die Freiheit der Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung (ausf Rn 244ff). Primäres Schutzgut ist mithin die „Meinung“, welche geprägt ist durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens (BVerfGE 61, 1, 8 – NPD Europas; 85, 1, 14 – Kritische BayerAktionäre). Tatsachenbehauptungen fallen, auch wenn sie keine Meinungsäußerungen darstellen, wegen ihrer geistigen Wirkung unter den Schutz des Art 5 I GG, „weil und soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen“ sind (BVerfGE 90, 1, 15 – Weltkriegsschuldfrage/jugendgefährdende Schriften; BVerfGE 61, 1, 8 – NPD Europas; BVerfG NJW 2004, 1942; NJW 1999, 3326, 3328 – Stasi-Gehaltsliste). Keinen Schutz erfahren jedoch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen sowie falsche Zitate (BVerfG AfP 2004, 48; BVerfGE 54, 208, 219 – Heinrich Böll; 85, 1, 14 – Kritische Bayer-Aktionäre; BVerfG NJW 2004, 354; 2003, 1855; 1999, 1322 – Scientology/Helnwein; BGH NJW 1997, 2679, 2681 – Die Besten I, zum Schutz vor der Wiedergabe unrichtiger Zitate s auch Rn 196), denn diese können nichts zum Meinungsbildungsprozess beitragen. Eine unrichtige Information ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit auch dann kein schützenswertes Gut, wenn sie in einem satirischen Kontext eingebunden ist, Hamburg ZUM 2016, 626. Als bewusst unwahr sollen auch bewusst unvollständige Angaben gewertet werden, die beim Leser einen falschen Eindruck erwecken (Rn 104), BGH NJW 2000, 653, 656; München AfP 2001, 63; zudem dürfen auch günstige Tatsachen nicht verschwiegen werden, wenn dadurch eine Fehlbeurteilung des Betroffenen beim Publikum verursacht wird, BGH NJW 2006, 601, 603 – Schwangerschaftsabbruch II. Dresden ZUM-RD 2020, 121: keine bewusst unvollständige Berichterstattung, wenn Wiedergabe einer wissenschaftlichen Position des Betroffenen nur vergröbert erfolgt und nicht alle Differenzierungen der Position nachgezeichnet werden. Irrtümlich unwahre Tatsachenbehauptungen sollen jedoch unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen, weil sonst der Kommunikationsprozess verkümmern würde (Grimm NJW 1995, 1697 mwN; vgl auch Seyfahrt NJW 1999, 1287). d) Abgrenzung im Einzelnen. aa) Kriterium der Beweisbarkeit. Primäres Abgrenzungsmerkmal soll nach der Rspr die Beweisbarkeit sein. Maßgeblich ist mithin, ob die Äußerung einer Überprüfung ihrer Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH NJW 1998, 3047 – Stolpe; NJW 1997, 233, 235 – Gynäkologe; NJW 1996, 1131, 1133 – Lohnkiller; NJW 1994, 2614, 2615 – Pleite gehen; vgl auch EGMR NJW 2006, 1645, 1648 Rn 76 – Das blinde Auge der Polizei: „Das Erfordernis, ein Werturteil zu beweisen, lässt sich nicht erfüllen und verletzt schon für sich das Recht auf freie Meinungsäußerung.“). Die Abgrenzung zw Tatsachenbehauptungen und Werturteilen ist im konkreten Einzelfall nicht selten sehr schwierig, weil beide Äußerungsformen oftmals miteinander verbunden werden und erst im Zusammenspiel den Sinn einer Äußerung ausmachen oder Klass
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Anh § 12
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Personen
weil Fälle vorliegen, in denen Tatsachenbehauptungen in Werturteilen oder Fragen versteckt (zu verdeckten Behauptungen Rn 103; zu Fragen Rn 106) werden, der sich Äußernde juristische Begrifflichkeiten verwendet (Rn 108) oder ein Verdacht (Rn 105) bzw eine sachverständige Wertung geäußert wird (Rn 109). Ob der Tatrichter rechtl einwandfrei zw Tatsachenbehauptungen und Werturteilen unterschieden hat, unterliegt der revisionsrechtl Nachprüfung (BVerfGE 82, 272, 281 – Zwangsdemokrat; BVerfG NJW 2012, 3712, 3713; BGH NJW 1996, 1131, 1133 – Lohnkiller). 102 bb) Schwerpunktsuche im Einzelfall am Maßstab eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Nach der Rspr des BVerfG (NJW 1993, 1845 – Prinzessin Erna von Sachsen) ist der Begriff der Meinung im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes weit zu verstehen; bei gemischten Äußerungen soll es darauf ankommen, ob der Schwerpunkt eher im Tatsächlichen oder in der Bewertung liegt (BVerfGE 90, 241, 248 – Auschwitzlüge; BVerfGE 85, 1, 15 – Kritische Bayer-Aktionäre; BVerfGE 61, 1, 9 – NPD Europas). Nicht zulässig ist es daher, Sätze oder Satzteile aus einer komplexen Äußerung herauszulösen und als unrichtige Tatsachenbehauptungen zu untersagen, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen kann (BGH NJW 2009, 1872, 1873 – Fraport; NJW 2009, 3580 – unsaubere Geschäfte). Substanzarme oder substanzlose Behauptungen werden im Zweifel auch als (freie) Meinungsäußerungen betrachtet (BVerfGE 61, 1, 9 – NPD Europas; BVerfG NJW 2010, 3501, 3502 – Gen-Milch; BGH NJW 2008, 2110, 2111f – Gen-Milch; NJW 1966, 1617, 1618 – Höllenfeuer; zur grds Abgrenzung auch BGH NJW 1996, 1131; NJW 2009, 3580, 3582 – unsaubere Geschäfte). Zudem kann sich auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, so BGH NJW 1982, 2246, 2248 – Klinikdirektoren; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller; Köln AfP 2003, 267. Vgl insoweit auch die Entscheidung BGH NJW 1993, 525, 526 – Ketten-Mafia, in welcher einer Äußerung, die für sich betrachtet als subj Werturteil eingeordnet werden konnte, im Erg die Qualität einer Tatsachenbehauptung bescheinigt wurde, da der schlagwortartigen Verwendung des Begriffs in der Überschrift ein Text folgte, welcher die Äußerung durch das Behaupten konkreter und einem Beweis zugänglicher Vorgänge inhaltlich ausfüllte. Primär ist daher im Wege der Auslegung zu klären, was Inhalt der Äußerung und wie diese einzuordnen ist. Hierbei muss grds auf den Empfängerhorizont geachtet werden, zudem sind der sprachliche Kontext (die Formulierung allein liefert idR kein entscheidendes Abgrenzungskriterium, BVerfG NJW 1995, 3303, 3305 – Soldaten sind Mörder IV), die Eigengesetzlkeit des Übermittlungsmediums (BGH NJW 2018, 2877, 2879 – Bio-Hühnerstall) sowie sonstige Begleitumstände bei der Sinnermittlung heranzuziehen. Es besteht daher grds kein Anlass, Äußerungen, die im Zusammenhang wahrgenommen werden und so einen Sinn ergeben, in nicht aufeinander bezogene Einzelangaben zu teilen (Karlsruhe ZUM 2016, 53, 54: Schockgeständnis; ZUM 2015, 400, 403). Ziel der Auslegung muss es sein, den obj Sinn einer Äußerung festzustellen, weshalb weder die subj Absicht des sich Äußernden noch die Wahrnehmung des Betroffenen maßgeblich sind – vielmehr muss die Sichtweise eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums (BGH NJW 1998, 3047 – Stolpe; Seyfarth NJW 1999, 1287; Wenzel/Burkhardt Rn 4.4f; BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV), dh eines unbefangenen Durchschnittshörers oder Durchschnittslesers (BGH NJW 1987, 2225 – Chemiegift; NJW 1996, 1131, 1132 – Lohnkiller) zugrunde gelegt werden. Ausgefüllt wird dieser Maßstab aber letztlich durch das Verständnis des erkennenden Gerichts, welches oftmals funktional mit Blick auf die Rechtsfolgen unterscheidet (Erman/Ehmann12 Rn 33; in Fällen von Widerruf, Rn 292 und Gegendarstellung, Rn 300 neigt die Rspr etwa eher zur Annahme einer Tatsachenbehauptung, während iÜ im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes im Zweifel für die Meinungsfreiheit entschieden wird). Aufgrund der zT schwierigen Differenzierung zw Tatsachenbehauptungen und Werturteilen und der im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist die Rspr zT widersprüchlich (vgl bspw BGH NJW 1993, 930 – illegal; Hamm NJW-RR 1996, 538 – belogen und betrogen). Zur Bewertung mehrdeutiger Aussagen s Rn 111ff. 103 cc) Verdeckte Aussagen. Bei der Sinnermittlung ebenfalls zu beachten – wenn auch mit Blick auf den durch Art 5 I GG geschützten freien Kommunikationsprozess mit einer gewissen Zurückhaltung (BGH NJW 1980, 2801, 2805 – Medizin-Syndikat III; NJW 1987, 2225, 2227 – Chemiegift; AG München ZUM-RD 2013, 213, 215) – sind „verdeckte Behauptungen“, bei denen ein Tatsachenkern in ein Werturteil eingebettet ist (BGH AfP 1994, 295, 297; NJW 1987, 2225, 2227 – Chemiegift). Hierbei ist zu unterscheiden zw der Mitteilung von Fakten, aus denen der Empfänger der Aussage eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der eigentlichen „verdeckten Aussage“ des Mitteilenden, mit der dieser eine zusätzl Sachaussage macht oder sie dem Adressaten zumindest als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt (BGH AfP 1994, 295, 297; NJW 1980, 2801, 2803 – Medizin-Syndikat III). Nur in letzterem Fall liegt eine „verdeckte Aussage“ vor, die einer „offenen Aussage“ gleichgestellt werden kann. Zur Kasuistik s Staudinger/Hager § 823 Rn C 69. 103a Anonyme Meinungsäußerungen (s auch Rn 245) sind nach bisheriger Rspr ebenfalls vom Schutzbereich des Art 5 I GG umfasst (BVerfGE 95, 28; vgl auch BGH NJW 2009, 2888, 2892f – spick-mich: „Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art 5 I 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentl zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde nicht nur im schulischen Bereich die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern.“). Ähnl auch Hamm ZUM-RD 2011, 684; Hamburg CR 2012, 183, 185 – Anonyme Bewertung in einem Hotelbewertungsportal: Urlaubermeinungen, Bewertungen und Kommentare sind vom Schutz der Meinungs- und 56
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Kommunikationsfreiheit erfasst, auch wenn diese anonym erfolgen; Frankfurt NJW 2012, 2896, 2897 – Anonyme Arztbewertung. Es ist allerdings fraglich, ob anonyme Meinungsäußerungen einen identischen Schutz erfahren sollten. Anonyme Meinungsäußerungen bringen ein geringeres Maß an Authentizität und Glaubhaftigkeit (so auch Dürig/Herzog/Scholz/Grabenwarter Art 5 GG Rn 86; BVerfG ZUM 1998, 561, 563) mit sich und sind weniger geeignet, gemeinschaftl Kommunikationsprozesse anzustoßen, da ihre Wirkkraft geringer ist und sich kein Kommunikationspartner ausmachen lässt. Dies sollte im Rahmen der Abwägung dazu führen, dass anonyme Äußerungen jedenfalls jenseits von Unter- bzw Überordnungsverhältnissen und Situationen, in denen eine spezifische Gefahr der Selbstzensur oder von Repressalien besteht, einen geringeren Schutz erfahren. Zu einer schwächeren Gewichtung anonymer Meinungsäußerungen im Rahmen der Interessenabwägung auch Kühling NJW 2015, 447, 448, der darüber hinaus zu Recht auf das höhere Missbrauchspotential und die damit verbundene höhere Gefährdungslage für das APR verweist; Bernreuther AfP 2011, 218; Greve/Schärdel MMR 2008, 644, 648f; Wiese JZ 2011, 608, 612ff; ähnl auch Ziegelmayer GRUR 2012, 761, 765. Zum Spannungsverhältnis zw dem datenschutzrechtl Postulat der anonymen bzw pseudonymen Meinungskundgabe und dem APR s auch Rn 90e. dd) Unvollständige Berichterstattung. Eine bewusst unvollständige Äußerung wird vom BGH wie eine unwahre Tatsachenbehauptung bewertet (BGH NJW 2000, 656 – Schmiergeld; NJW 2006, 601, 603 – Schwangerschaftsabbruch II), sie ist unzulässig (so Staudinger/Hager § 823 Rn C 70: die Regeln der Verdachtsberichterstattung gelten entspr), zumindest dann, wenn durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Anschein entstehen kann (vgl auch BVerfG GRUR 2010, 544, 545: „Werden dem Leser Tatsachen mitgeteilt, aus denen er erkennbar eigene wertende Schlussfolgerungen ziehen soll, so dürfen dabei keine wesentlichen Umstände verschwiegen werden, die geeignet sind, den Vorgang in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.“). ee) Verdachtsäußerungen/Äußerungen über innere Tatsachen. Äußerungen eines Verdachts, Motivs oder von Absichten, Charaktereigenschaften und Einstellungen eines Dritten (s hierzu KG ZUM 2019, 438: „Der Jurist, der es mag, wenn er als „Prominentenanwalt“ bezeichnet wird“) können unabhängig von der gewählten Art der Formulierung als Tatsachenbehauptungen verstanden werden, insb sofern Gegenstand der Äußerung ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des Dritten ist und die Klärung seiner Motivlage anhand äußerer Indiztatsachen möglich erscheint (BVerfG NJW 2007, 2686, 2688; s KG ZUM 2019, 438; KG 9.3.2015 – 10 U 123/14 – wissentlich „falsch informiert“: Behauptung einer inneren Tatsache; BGH NJW 1951, 352); s auch zur Verdachtsberichterstattung Rn 148ff. Zum Verdacht über „unsaubere Geschäfte“ BGH NJW 2009, 3580. Zur Wiedergabe einer Vermutung Hamburg AfP 2020, 235. ff) Fragen. Im Grundsatz treffen Fragen keine Aussage, sondern sind auf Antworten gerichtet und können daher nicht mit den Kategorien wahr oder unwahr, richtig oder falsch bewertet werden, weshalb sie weder als Werturteile noch als Tatsachenbehauptungen klassifiziert werden können. Echte Fragen bilden vielmehr eine eigene semantische Kategorie (BVerfG NJW 1992, 1442, 1443 – Altenheim; dazu Grimm NJW 1995, 1700; Erman/Ehmann12 Rn 36; Staudinger/Hager § 823 Rn C 76a; BGH NJW 2004, 1034 – Bild-Schlagzeile), die jedoch ebenfalls dem Schutzbereich des Art 5 I GG unterfällt. Allerdings ist nicht jeder in Frageform gekleidete Satz als Frage zu betrachten. Fragesätze oder Teile davon, die nicht auf Antworten gerichtet oder für solche offen sind (insb rhetorische Fragen), bilden vielmehr Aussagen (BGH GRUR 2017, 298, 300 – mal PR-Agent, mal Reporter; NJW 2004, 1034, 1035 – Bild-Schlagzeile „Udo im Bett mit Caroline? In einem Playboy-Interview antwortet er eindeutig zweideutig“: Vermittlung eines tatsächlichen Eindrucks, daher Äußerung mit einem tatsächlichen Substrat; s auch LG München I AfP 2014, 173: „Ehebruch und Unfalldrama“ – „Was hat er damit zu tun?“), die sich entweder als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung darstellen und rechtl wie solche zu behandeln sind (BVerfG NJW 1992, 1442, 1443 – Altenheim; ebenso BVerfG NJW 2003, 660), weshalb vom Ergebnis der Zuordnung ebenfalls das Maß des Grundrechtsschutzes abhängt. Für die Unterscheidung zw echten und rhetorischen Fragen kommt es letztlich darauf an, ob der Kontext, die Begleitumstände (BGH NJW 2004, 1034, 1035 – Bild-Schlagzeile) sowie die konkrete Formulierung (beachte: ein hoher Konkretisierungsgrad einer Frage allein reicht für sich genommen nicht aus, um diese als rhetorisch auszuweisen, BVerfG NJW 1992, 1442, 1444 – Altenheim) erkennen lassen, dass der Fragesatz auf eine noch nicht feststehende Antwort zielt, oder ob der Fragende den Zweck seiner Äußerung bereits mit dem Stellen der Frage erreicht hat (BVerfG NJW 1992, 1442, 1444 – Altenheim; ZUM 2014, 580 – Sterbedrama). Im Zweifel ist im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes von einem weiten Fragebegriff auszugehen (BVerfG NJW 2003, 660, 661; ZUM 2014, 580 – Sterbedrama, GRUR 2018, 631 – Sterbedrama II). Mit Blick auf den Rechtsschutz ist festzustellen, dass echte Fragen nicht gegendarstellungsfähig sind (BGH ZUM 2014, 580, 581; Zweibrücken ZUM-RD 2015, 551, 554; Hamburg ZUM-RD 2020, 126). IÜ gilt, dass es sich um eine Äußerung mit so viel tatsächlichem Gehalt handeln muss, dass dieser einer Richtigstellung zugänglich ist (BGH NJW 2004, 1034, 1035 – Bild-Schlagzeile). Bei Fragen auf Titelseiten kann die Gegendarstellung nur begründet sein, wenn die Formulierung nicht nur als Neugier erweckende Aufmacherfrage verstanden, sondern mit hinreichender Deutlichkeit als Tatsachenbehauptung qualifiziert werden kann (BVerfG ZUM 2014, 580 – Sterbedrama). Allein der Eindruck, dass für das Aufwerfen einer inhaltlich offenen Aufmacherfrage irgendein Anlass bestehen müsse, genügt zur Annahme einer gegendarstellungsfähigen Tatsachenbehauptung jedoch nicht, BVerfG GRUR 2018, 631, 633 – Sterbedrama II. gg) Testberichte, Produktkritik und sonstige Bewertungen. Bei einem Testbericht kann es sich grds sowohl um Meinungsäußerungen (Wertungen) als auch um Tatsachenbehauptungen handeln (BGH NJW 1976, 620, Klass
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621 – Warentest II mwN). Grds setzt die zutreffende Einordnung der Äußerung eine kontextbezogene Erfassung ihres Sinns voraus (BGH ZUM 2015, 244, 246; München ZUM-RD 2015, 312, 313). Die zusammenfassenden Ergebnisse vergleichender Warentests (insb die Vergabe plakativer Noten, zB „gut“) sind jedoch idR als Werturteile anzusehen (BGH NJW 1976, 620 – Warentest II; ebenso BGH NJW 1987, 2222 – DIN-Normen: Veröffentlichungen von Ergebnissen vergleichender Warentests, die nicht Wettbewerbszwecken, sondern allein der Verbraucheraufklärung dienen, sind idR wertende Meinungsäußerungen; vgl auch BGH NJW 1989, 1923 – Warentest V, in welcher der BGH ausnahmsw in einem vergleichenden Warentest eine Tatsachenbehauptung gesehen hat, „soweit die Aussagen auch bei voller Berücksichtigung ihres Wertungsbezuges zum Testergebnis als solches zu qualifizieren sind und vom Leser der Testzeitschrift maßgeblich mit zur Bildung seines eigenen Qualitätsurteils über das Produkt herangezogen werden“; dem folgend München AfP 2015, 48); auch Einordnung eines Beitrags als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ auf Internetbewertungsportal ist Meinungsäußerung, BGH ZUM 2020, 331, 336 – www.yelp.de. Entspr gilt für Vergleichstests von Versicherungspolicen oder anderen Finanzprodukten (Frankfurt GRUR 2003, 85 – FINANZtest). Kommt den tatsächlichen Feststellungen aber bspw eigenständige Bedeutung zu, weil der Durchschnittsleser die Mitteilung als Aussage über nachprüfbare Fakten versteht und diese zur Grundlage seines eigenen Urteils macht (München AfP 2015, 48), kann auch eine Tatsachenbehauptung vorliegen. Beruhen die Werturteile auf mitgeteilten Tatsachenbehauptungen und spiegelt ein Werturteil eine zugrunde liegende tatsächliche Feststellung derart wider, dass beide zusammen „stehen und fallen“ (München ZUM-RD 2015, 594, 595), kann nicht nur Unterlassung der unwahren Tatsachenbehauptung, sondern auch der darauf beruhenden Werturteile verlangt werden. S hierzu auch BGH NJW 1989, 1923 – Warentest IV; zu den Grenzen der rechtl Überprüfung eines Warentests (allerdings nicht bzgl APR) München AfP 2015, 48: „Es kann durchaus sein, dass ein Testbericht je nach seinem schwerpunktmäßigen Inhalt und der Verselbstständigung seiner zugrunde gelegten Umstände – jedenfalls überwiegend – rechtl als tatsächliche Behauptung zu behandeln ist“ sowie Düsseldorf GRUR-RR 2012, 297: „Testurteile stellen dann Meinungsäußerungen und keine Tatsachenbehauptung dar, wenn eine Anknüpfungstatsache für ein Testergebnis von einer Wertungsfrage abhängig ist“. Auch wenn im gewerblichen Bereich idR dem tatsächlichen Kern einer Äußerung stärkeres Gewicht beigelegt wird (Erman/Ehmann12 Rn 37), kann man festhalten, dass die Grenze zulässiger Kritik im Einzelfall recht weit zugunsten der Meinungsäußerung gezogen wird (BGH NJW 2002, 1192: auch scharfe und überzogene Kritik an gewerblichen Leistungen ist möglich; BGH ZUM 2015, 244, 247 – Hochleistungsmagneten: „Scharlatanerieprodukt“, „Betrug“, „groß angelegter Schwindel“; zur unlauteren Herabsetzung von Mitwettbewerbern Frankfurt GRUR-RR 2012, 392; zum Persönlichkeitsrechtsschutz wirtschaftl tätiger Unternehmen Rn 57ff). 108 hh) Verwendung rechtl Begriffe. Grds. ist festzustellen, dass die Fachgerichte in Fällen, in denen die beanstandete Äußerung einen Rechtsbegriff enthält, nicht das eigene Fachwissen zugrunde legen dürfen – stattdessen müssen sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln des Prozessrechts den Tatsachenkern ermitteln, wie er sich nach dem Verständnis des der deutschen Sprache mächtigen Durchschnittspublikums darstellt, BVerfG ZUM 2019, 330f – „B. verpfändete auch das Haus seiner Mutter“: dem verwendeten Rechtsbegriff der „Verpfändung“ fehlt ein hinreichend tatsächlicher Gehalt, der seine Verwendung für schuldrechtl Sicherungen ausschlösse. IdR stellt die Verwendung rechtl Begrifflichkeiten und Kategorien sowie die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtl relevanter Tatbestand eine subj Äußerung und damit eine Meinungsäußerung (persönl Rechtsauffassung) und keine Tatsachenbehauptung dar (Karlsruhe ZUM 2015, 400, 404: Vorwurf, Parteimitglied der AfD sei „Betrüger“ und „Rechtsbrecher“: nach Sinn und systematischem Kontext handelt es sich um „eine das beanstandete Geschehen zusammenfassende bewertende Stellungnahme“). BVerfG NJW 1992, 1439, 1441f; BGH NJW 2009, 1872, 1874 – Fraport: Vorwurf der „Korruption“; NJW 2005, 279, 282: enthält eine Äußerung einen rechtl Fachbegriff, „Vertragsstrafe“, spricht dies für eine Rechtsauffassung/Meinungsäußerung; LG Köln NJW 1988, 2894, 2897: „Die Bezeichnung des Klägers als ‚Schreibtischtäter‘ ist weder direkt noch nur sinngemäß eine, als wahr oder unwahr feststellbare Tatsachenbehauptung iSd Beteiligung oder Mitwirkung des Klägers am Tod des Pianisten K“; LG Berlin ZUM-RD 2014, 32, 34, „Erpressung“); die Bezeichnung als Dieb oder Betrüger ist nur im Ausnahmefall, insb bei Schilderung konkreter Begebenheiten als Tatsachenbehauptung zu klassifizieren, BGH NJW 1982, 2246, 2248 – Klinikdirektoren: Tatsachenmitteilung liegt vor, „wenn und soweit das Urt nicht als Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind“; BGH NJW-RR 1999, 1251: Unterlassungsanspruch bei Bestechungsvorwurf, da Tatsachenkern bejaht; NJW 1993, 930, 931 zum Vorwurf der Illegalität als Tatsachenbehauptung; zur Beurteilung eines Geldwäsche- und Veruntreuungsvorwurfs auch BVerfG NJW 2012, 1643, 1644; BGH ZUM 2013, 550, 551: Mit der Verwendung des Begriffs „Betrug“ wird zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen impliziert, was ihm einen hinreichend konkreten Aussagegehalt verleiht; zum Begriff des „Betrugs“ auch BGH NJW 2002, 1192; Hamburg AfP 1992, 364: Unterschlagung als Tatsachenbehauptung; Celle AfP 2002, 508 stuft den Vorwurf „Prozessbetrug“ als Tatsachenbehauptung ein, sofern er mit Tatsachen belegt wird, die dem Beweis zugänglich sind; nach BGH NJW 2002, 1192, 1193 soll ein Betrugsvorwurf jedoch Meinungsäußerung und nicht Schmähkritik sein, da im alltagssprachlichen Sinne verwandt. Ähnl auch BGH ZUM 2015, 244, 247 – Hochleistungsmagneten: zugleich Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens und damit subj Wertung; „Betrug“ wird erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern im alltagssprachlichen Sinn gebraucht, weshalb der Leser darunter nicht die Verwirklichung eines rechtl präzisen Straftatbestands, sondern den weiter gefassten Vor58
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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wurf der Verbrauchertäuschung versteht. Zur unzulässigen Schmähkritik Koblenz 25.3.2013 – 3 W 178/13: „Amts-, Rechtsmissbrauch“, „Skrupellosigkeit“ etc. ii) Gutachten von Sachverständigen. Sachverständigengutachten können sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Werturteile enthalten; gutachterl Tätigkeit ist jedoch zuvorderst geprägt durch subj Wahrnehmung und Wiedergabe des daraus gewonnenen Urt; idR ist der Schluss, den der Sachverständige aus seinem Gutachten zieht, daher ein Werturteil und nicht die Behauptung einer Tatsache, denn es liegt im Wesen des Gutachtens, dass es auf der Grundlage bestimmter Verfahrensweisen zu einem Urt kommen will, das, selbst wenn es äußerlich als Tatsachenbehauptung formuliert worden ist, auf Wertungen beruht (BGH NJW 1978, 751, 752 – Graphologisches Gutachten; NJW 1999, 2736f – Verdachtsdiagnose; LG Köln NJOZ 2009, 4788, 4791 – Psychotherapeutische Diagnose; LG Köln 25.2.2013 – 24 O 374/12; BGH NJW 1989, 774 – Ärztliche Diagnose ist Bewertung und nicht Behauptung einer Tatsache; KG ZUM-RD 2011, 666, 667; LG Köln NJOZ 2009, 4788). Ausnahmen können im Fall der leichtfertigen Erteilung eines unrichtigen Attestes bestehen (BGH NJW 1989, 2941, 2942 – Attest Nervenarzt), oder wenn „die der Schlussfolgerung vorausgehende methodische Untersuchung oder die zum Ergebnis führende Anwendung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten nur vorgetäuscht oder grob leichtfertig vorgenommen worden ist“ (BGH NJW 1978, 751 – Graphologisches Gutachten; vgl des Weiteren BGH NJW 1989, 774 – Ärztliche Diagnose; NJW 1989, 2941 – Attest Nervenarzt; NJW 1999, 2736 – Verdachtsdiagnose). Die einem Sachverständigengutachten zugrunde liegenden tatsächlichen Voraussetzungen sind idR jedoch Tatsachenbehauptungen und damit grds einer gerichtlichen Prüfung zugänglich (BGH NJW 1966, 647, 648 – Reichstagsbrand: kein absoluter Schutz wissenschaftl Veröffentlichungen vor negatorischen Ansprüchen – der Beklagte musste die Behauptung widerrufen, der Kläger habe den Reichstag angezündet; vgl auch BVerfG NJW 1998, 1391 – Rechte Professoren: Eine in Anführungszeichen gesetzte Übersetzung ist mangels eines Interpretationsvorbehalts Tatsachenbehauptung). Grds nicht geschützt ist zudem die Aufstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen (vgl Rn 100). Zur Haftung gerichtlicher Sachverständiger nach § 839a s ausf Rn 274. Ebenfalls sind durch Zahlen repräsentierte Bonitätsprüfungen keine Tatsachenbehauptungen, denn sie geben nur die Meinung desjenigen wieder, welcher die Bonität der Firma prüft (BGH AfP 2011, 259). Auch hier gilt jedoch, dass die Beurteilung unrichtig ist, wenn die tatsächliche Grundlage unwahr ist. 4. Deutung einer Äußerung: Bestimmung des Erklärungsinhalts. Die Entscheidung, ob eine Aussage zulässig oder als Ehrverletzung verboten ist, setzt neben der Einordnung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung die Feststellung ihres Inhalts voraus. Dies erfolgt im Wege der Auslegung/Deutung der Aussage. Ziel der Deutung ist die Ermittlung des obj Sinns einer Äußerung. Hierbei ist weder das subj Verständnis des sich Äußernden noch das des Betroffenen ausschlaggebend, vielmehr ist der Sinn maßgeblich, den die Äußerung unter Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeit des Übermittlungsmediums (BGH NJW 2018, 2877, 2879 – BioHühnerstall) nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (BVerfG NJW 1995, 3303, 3305 – Soldaten sind Mörder IV; AfP 2010, 142, 143 – Ausländerkritisches Plakat; BGH GRUR 2017, 308 – Die Anstalt; ZUM 2013, 550, 551; Köln NJW-RR 2012, 1187, 1188 – Winkeladvokat), die Ausnahmen bestehen insoweit nur bzgl Zitaten, denn dem Zitierten darf nichts unterstellt werden, was der Betroffene nicht sagen wollte (so BVerfGE 54, 208 – Heinrich Böll; zu angeblichem Falschzitat BVerfG NJW 2013, 774); zudem gelten auch spezielle Auslegungsmaßstäbe in Fällen sog Schlüsselromane (BVerfG NJW 2008, 39 – Esra; hierzu auch Rn 134). Bei der Ermittlung des konkreten Erklärungsinhalts einer Äußerung ist grds vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Jedoch legt dieser den Sinn nicht abschließend fest (BVerfG NJW 1995, 3303, 3305 – Soldaten sind Mörder IV). Einzubeziehen sind ebenso der sprachliche Kontext sowie die Begleitumstände der Äußerung (BVerfG NJW 2013, 217, 218: zum Gesamtzusammenhang bei mehrdeutigen Äußerungen). Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung zudem stets in dem Gesamtkontext beurteilt werden, in dem sie gefallen ist – sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden, BGH GRUR 2017, 308 – Die Anstalt; zur Feststellung des Aussagegehalts von Internetäußerungen Seitz in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht Teil 8 Rn 14ff. Keinesfalls darf eine isolierte Betrachtung einzelner Äußerungsteile erfolgen; dies gilt auch für Artikelüberschriften, die nicht eine in sich abgeschlossene und aus sich heraus interpretierbare Tatsachenbehauptung enthalten, sondern den Leser mehr oder weniger plakativ zur Detaildarstellung im Text lenken wollen, Hamburg ZUM-RD 2015, 591, 593. Die Inhaltsbestimmung im Wege der Auslegung ist zwar grds Sache des Tatrichters, und eine falsche Auslegung verletzt nicht notwendig spezifisches Verfassungsrecht (BVerfG NJW 1964, 1715 – Künstliche Bräunung) – allerdings beansprucht das BVerfG entgegen der Heck’schen Formel (Rn 6) idR die Kompetenz zur Auslegung/Deutung einer Äußerung, da diese für den Grundrechtsschutz weichenstellend ist und insoweit begangene Fehler regelmäßig eine intensive Grundrechtsbeeinträchtigung darstellen (BVerfGE 43, 130, 136f – Flugblatt; BVerfG NJW 2010, 3501 – Gen-Milch; krit hierzu Ossenbühl ZUM 1999, 505, 511f). 5. Beurteilung mehrdeutiger Äußerungen. a) Mehrdeutigkeit. Mehrdeutige Äußerungen sind Äußerungen, deren Inhalt auch nach einer Auslegung durch ein Gericht noch mehrdeutig ist, deren Aussagegehalt mithin nicht durch eine Interpretation des Gesagten eindeutig festgelegt werden kann. b) Variantenlehre. Im Grundsatz ist in diesen Fällen eine in der Lit als „Variantenlehre“ (seit Seitz NJW 1996, 1518, 1519) bezeichnete spezielle Auslegungsmethode des BVerfG heranzuziehen (BVerfGE 82, 43, 52 – StraußTransparent; BVerfG ZUM 2014, 965, 966; krit hierzu Starck JZ 1996, 1033, 1037; Helle AfP 2006, 110, 111). Danach ist die Meinungsfreiheit verletzt, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen, die zu einer VerurteiKlass
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Personen
lung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen. In Fällen, in denen die gewählten Formulierungen oder die Umstände der Äußerung eine nicht das Persönlichkeitsrecht verletzende Deutung zulassen, verstößt nach Ansicht des BVerfG ein Strafurteil oder ein die Verurteilung zum Schadensersatz, zum Widerruf oder zur Berichtigung aussprechendes zivilgerichtliches Urt gegen Art 5 I 1 GG (st Rspr seit BVerfGE 82, 43, 52 – StraußTransparent; keine Anwendung findet die Variantenlehre jedoch seit BVerfG NJW 2006, 207 – IM-Sekretär/Stolpe auf Unterlassungsansprüche, hierzu Rn 113; anders noch BVerfGE 82, 272, 280f – Zwangsdemokrat; BVerfGE 85, 1, 13f – Kritische Bayer-Aktionäre; erstreckt wurde die Variantenlehre jedoch auf den Bereich des Wettbewerbsrechts, BVerfGE 102, 347, 367 – Benetton I und 107, 275, 282 – Benetton II). Bei mehreren Deutungsvarianten ist mithin diejenige zugrunde zu legen, die dem sich Äußernden am günstigsten ist und eine Verurteilung vermeidet, es sei denn, diese günstigere Deutung ist sehr fernliegend oder kann unter Angabe besonderer Gründe ausgeschlossen werden. Helle AfP 2006, 110, 111 fasst die Methode anschaulich mit drei Komponenten zusammen: (1) Zunächst besteht ein Begründungszwang, wonach alle möglichen Deutungen (mit Ausnahme entfernt liegender) zu prüfen und, wenn sie der rechtl Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden sollen, mit qualifizierten Gründen auszuschließen sind; (2) danach kommt das Günstigkeitsprinzip zum Tragen, wonach unter den Deutungen, die nicht (überzeugend) ausgeschlossen werden können, diejenige zugrunde zu legen ist, die dem Äußerer am günstigsten ist; (3) zuletzt ist das Eindeutigkeitsprinzip zu beachten, wonach es grds nur eine Deutung geben darf, die als rechtl relevant zu betrachten ist. Diese Herangehensweise soll nach Ansicht des BVerfG negative Auswirkungen auf die generelle Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit und mithin einen Einschüchterungseffekt auf die freie Rede, die freie Information sowie die freie Meinungsbildung verhindern, denn müsste der Äußerungswillige selbst wg fernliegender oder unhaltbarer Deutungen seiner Äußerungen Sanktionen befürchten, würde die Bereitschaft, sich zu äußern, abnehmen (BVerfGE 94, 1, 9 – DGHS). 113 c) Ausnahme im Bereich von Unterlassungsansprüchen: Die „Stolpe-Doktrin“. Eine wichtige Ausnahme besteht jedoch seit der Entscheidung BVerfG NJW 2006, 207 – IM-Sekretär/Stolpe (ihr folgend bspw Stuttgart ZUM 2015, 1009; krit hingegen bzgl verdeckter Äußerungen LG Hamburg AfP 2011, 394; s auch Düsseldorf ZUM-RD 2014, 628; grds zu den Konsequenzen und einer Beurteilung dieser Rspr Mann AfP 2011, 326; Gomille JZ 2012, 769; Specht/Müller-Riemenschneider NJW 2015, 727) im Rahmen der Prüfung von Unterlassungsansprüchen – hier soll nunmehr statt der Variantenlehre die „Stolpe-Doktrin“ zum Einsatz kommen (anders noch BVerfGE 82, 272, 280f – Zwangsdemokrat; 85, 1, 13f – Kritische Bayer-Aktionäre). Danach sollen bei der vorzunehmenden Abwägung alle nicht entfernt liegenden Deutungsvarianten, die das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, zugrunde gelegt werden mit der Konsequenz, dass im Rahmen von Unterlassungsansprüchen von der für den sich Äußernden ungünstigeren Deutungsvariante auszugehen ist. Das Gericht stützt diese Differenzierung auf den Gedanken, dass ein Unterlassungsanspruch im Gegensatz zu den anderen zivilrechtl Ansprüchen oder strafrechtl Sanktionen nicht Vergangenes bestraft, sondern zukunftsgerichtet ist. Der Äußernde habe stets die Möglichkeit, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtl Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugrunde zu legen ist (BVerfG NJW 2006, 207 – IM-Sekretär/Stolpe). Sei der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, bestehe kein verfassungsrechtl tragfähiger Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsrechtsverletzung führen. Hiervon sei auch kein Einschüchterungseffekt zu erwarten, da der Äußernde eine auf Unterlassung zielende Verurteilung des Zivilgerichts vermeiden könne, wenn er eine ernsthafte und inhaltlich ausreichende Erklärung abgebe, die mehrdeutige Äußerung nicht oder nur mit geeigneten Klarstellungen zu wiederholen (s Stuttgart ZUM 2015, 1009, 1011: Wiederholungsgefahr entfällt, wenn eine nicht nur entfernt liegende Deutungsvariante ggü dem Betroffenen klargestellt wird, s hierzu auch Schippan ZUM 2015, 974). Das Selbstbestimmungsrecht des sich Äußernden bleibe gewahrt, da er sein Anliegen in freier Selbstbestimmung in einer das APR nicht verletzenden Art und Weise weiterverfolgen könne. 114 Das BVerfG führte diese Rspr im Babycaust-Urt (BVerfG NJW 2006, 3769, 3773) fort, indem es sie auch auf Werturteile übertrug – mithin kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der mehrdeutigen Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handelt. Nach BVerfG NJW 2010, 3501, 3502 – Gen-Milch fehlt es jedoch an einer konkreten, einen Unterlassungsanspruch begründenden Tatsachenbehauptung, wenn die Äußerung in einem Maße vieldeutig erscheint, dass sie nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden, sondern ohne Weiteres als in tatsächlicher Hinsicht unvollständig und ergänzungsbedürftig erkannt werden kann (zB Verwendung von Slogans und schlagwortartigen Äußerungen). In einem solchen Fall stehe die Meinungsfreiheit, die auch das Recht umfasse, aufmerksamkeitserregende Zuspitzungen und polemisierende Pointierungen zu verwenden, einer Untersagung der Äußerung wegen ihrer Mehrdeutigkeit entgegen. Zum Interpretationsvorbehalt bei der Wiedergabe mehrdeutiger Äußerungen BVerfG NJW 2013, 774: Zu berücksichtigen sind Süffisanz der Darstellung, Mittel der verkürzenden oder ironisch pointierten Zusammenfassung; s auch Frankfurt ZUM-RD 2021, 198. Nach Hamburg ZUM-RD 2021, 484 gelten die Grds der Rspr zu mehrdeutigen Äußerungen zudem auch für Aussagen auf der Titelseite. 115 Keine Anwendung soll die Stolpe-Rspr jedoch im Fall von Gegendarstellungsansprüchen des Presserechts finden, da dies erhebliche Risiken für die Presseberichterstattung mit sich bringen würde und im Erg nicht mit der Pressefreiheit zu vereinbaren sei (BVerfG ZUM 2008, 325 – Spiegel; zum Rechtsschutz gegen verdeckte oder mehrdeutige Aussagen Sedelmeier AfP 2012, 451). Mit Blick auf einen möglichen Hemmungseffekt muss nach 60
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Ansicht des BVerfG zudem sichergestellt sein, dass für die Klarstellung und damit für die Abwendung der Unterlassungsverpflichtung ein einfacher Weg eröffnet ist, denn auf die Ausübung der Meinungsfreiheit wären nachteilige Wirkungen zu erwarten, wenn eine hohe Kostenlast auf den zukäme, der eine mehrdeutige Äußerung getroffen hat, auch wenn er nach Erkennen der Mehrdeutigkeit und des persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalts einer Deutungsalternative eine Klarstellung vorgenommen hat (BVerfG ZUM 2008, 325, 327 – Spiegel). Das BVerfG scheint damit einen Kostenerstattungsanspruch im Fall einer Abmahnung abzulehnen, wenn der Äußernde seine Aussage unverzüglich klarstellt (Mann AfP 2008, 6, 13). Die Reaktionen auf das Stolpe- und das Babycaust-Urt waren gespalten, s hierzu Helle AfP 2006, 110; Hochhuth NJW 2006, 189, 191; Erman/Ehmann12 Rn 41; Mann AfP 2008, 6, 9; Gas AfP 2006, 428, 430; Teubel AfP 2006, 20, 21; Erman/Klass14 Rn 115; Specht/ Müller-Riemenschneider NJW 2015, 727. 6. Das Recht der persönlichen Ehre als Schranke der Kommunikationsfreiheiten (dazu ausf Rn 244ff, insb 116 248). II. Schutz vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität. 1. Indiskretionsschutz. Der Schutz 117 vor Indiskretionen hat in der dt Rspr zum APR eine lange Tradition – schon früh stellten die Gerichte fest, dass der Persönlichkeit Schutz vor unberechtigter Informationsveröffentlichung gewährt werden müsse (BGHZ 24, 200 – Spätheimkehrer; 36, 77 – Waffenhandel). Ausgangspunkt der Schutzgewährung war dabei zunächst die Überlegung, dass sich das Leben in unterschiedl Sphären vollzieht, weshalb auch der Schutz der Persönlichkeit je nach betroffener Sphäre unterschiedl stark ausgeprägt sein müsse. Später wurde der Indiskretionsschutz maßgeblich aus dem Selbstbestimmungsgedanken hergeleitet (BVerfGE 35, 202 – Lebach), und es wurde anerkannt, dass jedem Einzelnen ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung gewährt werden müsse, in welchem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehöre auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Zwar hat das BVerfG diesen Ansatz in jüngerer Zeit relativiert, in dem es feststellte, dass das APR dem Einzelnen keinen Anspruch gibt, nur so dargestellt zu werden, wie er sich selber sieht oder gesehen werden möchte (BVerfG NJW 2000, 1021, 1022 – CvM), gleichwohl zeigt eine Analyse der Rspr, dass ein Schutz gegen die Verbreitung wahrer Tatsachen im Sinne eines Schutzes gegen ungewollte Diskretionen als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts durchaus anerkannt ist (s auch Rn 118). Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen absoluten Schutz – vielmehr muss das betroffene APR stets mit konfligierenden Rechten Dritter oder anderen Verfassungsgütern in Ausgleich gebracht werden. Die von der Rspr entwickelten Schutzsphären (Intimsphäre, Geheimsphäre, Privatsphäre und Sozialsphäre, vgl Rn 122ff) dienen dabei in jüngster Zeit meist nur auf der Ebene der Güter- und Interessenabwägung als Orientierungspunkte und tragen eine gewisse Vermutungswirkung für oder gegen die Zulässigkeit einer Veröffentlichung von Informationen in sich. S auch BVerfG ZUM-RD 2016, 630 – Öffentliche Verbreitung unwahrer Tatsachen in Internetportal. 2. Recht, in gewählter Anonymität zu verbleiben. Neben dem Indiskretionsschutz, der die inhaltliche Kom- 118 ponente einer ungewollten Informationsveröffentlichung betrifft, hat der Einzelne auch ein Recht darauf, selbst darüber zu bestimmen, ob er als Person mit seinem Namen (LG Berlin ZUM 2005, 406, 407; zur Veröffentlichung des Namens einer Privatperson auf der Gegnerliste einer Kanzlei LG Essen ZUM 2013, 411; dazu Schmitt-Gaedke/ Arz WRP 2012, 1492), seinem Bild oder in sonstiger identifizierbarer Weise in die Öffentlichkeit treten und so seine bestehende Anonymität aufheben will (BGH NJW-RR 2007, 619, 620 mwN; ferner GRUR 1965, 256, 258 – Gretna Green; GRUR 1974, 794, 795 – Todesgift; LG Berlin AfP 1997, 938, 939 – Scientology-Anwalt; KG NJW 1989, 397, 398 – Buchpassage; LG Berlin AfP 2010, 290, 291 – Hochzeit; KG AfP 2010, 376, 378 – Stasi-Vergangenheit; befürwortend auch Wanckel in Götting/Schertz/Seitz, § 19 Rn 76ff; Prinz/Peters Medienrecht Rn 102ff; zurückhaltend BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi: Ob es ein Recht gibt, nicht gegen den eigenen Willen zum Objekt bestimmter medialer, die selbst gewählte Öffentlichkeit verbreiternde Erörterung gemacht zu werden, ist jedoch fraglich; abl München AfP 2011, 275 zur Namensnennung eines ehemaligen IM unter www.stasi-….de; einschränkend BGH GRUR 2014, 200, 201f – Tochter von Günther J.: „So kann sich auf das Recht, gegen seinen Willen nicht zum Objekt einer öffentlichen Berichterstattung gemacht zu werden, jedenfalls nicht derjenige Grundrechtsträger berufen, der sich in freier Entscheidung der Medienöffentlichkeit aussetzt“; dies bestätigend BVerfG ZUM 2016, 983; s zum Recht auf Namensanonymität auch das Urt des österr OGH ZUM-RD 2012, 652). Grds beinhaltet das Recht, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob der mitzuteilende Umstand den Tatsachen entspricht, weil das Persönlichkeitsrecht auch eine solche Mitteilung der Disposition der betroffenen Person unterstellt (BGH GRUR 1965, 256, 258 – Gretna Green; LG Berlin ZUM 2005, 406, 407; LG Berlin AfP 2010, 290, 291 – Hochzeit). Insb im Kontext von Berichterstattungen über familiäre Auseinandersetzungen und Verhältnisse habe der Einzelne ein Recht darauf, nicht in das Licht der Öffentlichkeit gezogen zu werden (BGH GRUR 1965, 256, 258 – Gretna Green). Eine rechtswidrige Verletzung der Person liegt nur dann nicht vor, wenn für die Mitteilung über die Person ein berechtigtes Interesse besteht, das dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes vorgeht (KG MMR 2009, 478 – Gerichtsverfahren; LG Berlin ZUM 2005, 406, 407 – Schauspielerkind). Zudem wird das Recht des Einzelnen, anonym zu bleiben, ebenfalls im Bereich der Verdachtsberichterstattung (Rn 148ff) weitgehend anerkannt – Eingriffe sind hier nur insoweit möglich, als ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht (ausf hierzu BVerfGE 35, 202, 231f – Lebach). Auch aus dem Interesse an bestimmten zeitgeschichtlichen oder aktuellen Ereignissen kann nicht stets das Recht abgeleitet werden, die betroffenen Personen aus ihrer Anonymität herauszuheben (BGH NJW 1966, 2353, 2355 – Vor unserer eigeKlass
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nen Tür). Nicht zu verwechseln ist diese Fallgruppe des APR mit dem im Bereich des Datenschutzes diskutierten Recht auf anonyme Kommunikation (s Rn 245) bzw anonyme Nutzung informationstechnischer Systeme (zum Recht auf Anonymität im Internet Brunst, Anonymität im Internet – rechtl und tatsächliche Rahmenbedingungen, 2009), welches insb vor dem Hintergrund existierender Zurechenbarkeitsdefizite im Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzungen äußerst problematisch ist. Zum Spannungsverhältnis zw Persönlichkeitsrecht und Datenschutz im Internet s auch Rn 90e. 119 Der Anonymitätsschutz gilt jedoch nicht absolut, sondern muss Einschränkungen insb im Interesse des öffentlichen Informationsinteresses sowie sonstiger Gemeinwohlinteressen hinnehmen (BGH AfP 2014, 325, 326 – Kindschaftsverhältnis); ein diensthabender Notfallarzt muss daher bspw die Veröffentlichung seines Namens, seiner Dienstadresse und seiner dienstl Telefonnummer in der Lokalpresse tolerieren, selbst wenn seine Erreichbarkeit über die Rettungsleitstelle organisatorisch sichergestellt ist, BGH NJW 1991, 1532, 1533f – Bekanntgabe des Notfallarztes; Bericht über Parteizugehörigkeit muss hingenommen werden BGH NJW 2012, 771 – Babyklappen; s zur namentl Berichterstattung über das Privatleben eines Politikers BGH ZUM-RD 2012, 130 – INKA-Story; zur namentl Nennung der Tochter eines Moderators bei vorheriger Bekanntheit BGH BeckRS 2013, 20409 – Tochter von Günther J.; zur Veröffentlichung einer E-Mail trotz Identifikation Braunschweig ZUM 2013, 78; zur Mitteilung über ein Zwangsversteigerungsverfahren München ZWE 2011, 260; s auch KG MMR 2009, 478 – Gerichtsverfahren; Hamburg ZUM-RD 2022, 22 – Berichterstattung über Kaufpreis einer durch Bundesminister erworbenen Immobilie. Umfang und Reichweite des Anonymitätsschutzes hängen zudem von den subj Einstellungen, dem konkreten (Vor-)Verhalten der betroffenen Person (Frankfurt AfP 2021, 249 – Berichterstattung über Pick-up-Artist), vom Kontext der konkreten Berichterstattung sowie von der im Einzelfall betroffenen Sphäre ab (Wanckel in Götting/Schertz/Seitz, § 19 Rn 76ff). Zudem können nach Ansicht des BGH auch anderweitige Vorveröffentlichungen den Anonymitätsschutz aufheben (BGH AfP 2014, 325, 326 – Kindschaftsverhältnis. Zu Recht kritisch insb mit Blick auf das Prinzip „einmal öffentlich, für immer öffentlich“ Gounalakis LMK 2014, 359831: Begründung macht „Wiedergewinnung des Persönlichkeitsschutzes faktisch unmöglich“). Namensnennungen, die den Bereich der Sozialsphäre betreffen (insb Namensnennungen im beruflichen Umfeld; vgl BVerfG AfP 2010, 465, 466 – personalisierte Darstellungsweise; BGH NJW 2009, 2888 – spickmich.de, die berufliche Tätigkeit des Lehrers betreffend; BGH NJW 1991, 1532, 1533f – Bekanntgabe des Notfallarztes; ZUM-RD 2015, 151, 152 – Promi-Friseur; ZUM 2021, 590, 592: Berichterstattung über wissenschaftliches Plagiat; ZUM 2021, 594, 597 – Kirchenkreis) sind daher eher zulässig als die Offenlegung der Identität im Bereich der Privatsphäre. Nach BVerfG NJW 2016, 3362 wird die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung im Bereich der Sozialsphäre bspw erst dann überschritten, wenn ein Persönlichkeitsschaden zu befürchten ist, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Allerdings berühren Berichte unter Namensnennung die persönl Sphäre des Betroffenen sehr viel stärker als eine anonymisierte Berichterstattung über persönl Belange (BGH NJW 1980, 1790, 1791), weshalb stets geprüft werden sollte, ob ein anerkennenswertes Informationsinteresse nur mit Blick auf den konkreten Vorgang oder auch gerade an der Person und der damit verbundenen namentl Nennung besteht (Hamburg NJW-RR 1991, 98 – Intime Beziehungen). Unzulässig ist eine Namensnennung jedenfalls immer dann, wenn mit ihr eine Stigmatisierung, Prangerwirkung (vgl auch Rn 127), soziale Ausgrenzung verbunden ist oder eine Isolierung droht (BVerfG NJW 2012, 3712, 3713 – rechtsextremer Anwalt; GRUR 2010, 544, 545 – Zitat aus Anwaltsschreiben; AfP 2000, 445, 447 – Stasi-Listen, dazu Libertus ZUM 2010, 221; BGH AfP 2022, 337, 338 – Zahnarzt; München ZUM-RD 2018, 402 – BILD stellt Hetzer an den Pranger). Nach BVerfG (AfP 2010, 465, 466 – Personalisierte Darstellungsweise) muss jedoch bei der Würdigung der möglichen Prangerwirkung beachtet werden, dass die Wahl der personalisierten Darstellungsweise Teil der grundrechtl geschützten Meinungsfreiheit ist (s hierzu auch BVerfG NJW 2012, 1500, 1501 – Ochsenknecht-Söhne: „Die Presse kann (jedoch) nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden“; Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien, BGH AfP 2022, 337, 338 – Zahnarzt; vgl auch BVerfG ZUM-RD 2011, 147, 150: „Es bleibt daher im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, welches Gewicht den durch die Anprangerung ausgelösten Rechtsbeeinträchtigungen im Verhältnis zu der Einbuße an Meinungsfreiheit zukommt, die ein Verbot personalisierter Darstellungsweise mit sich bringen würde.“; vgl auch München AfP 2013, 154, 155 – Bühnenprogramm), denn derartige Veröffentlichungen können aufgrund gesellschaftlicher Einschätzungs- und Verhaltensmechanismen einen „Entzug der sozialen Anerkennung, eine soziale Isolierung und eine grundlegende Verunsicherung und Selbstentwertung des Betroffenen“ in zahlreichen Lebensbereichen zur Folge haben, wodurch die freie und ungestörte Entwicklung der Persönlichkeit nachhaltig erschwert wird (BVerfGE 97, 391, 403 – Missbrauch). 120 3. Allgemeine Kriterien für die Schutzbereichsbestimmung sowie für die Güter- und Interessenabwägung. a) Besondere Wirkkraft und potenzierte Öffentlichkeit der Massenmedien. Bei der im Rahmen des Indiskretions- und Anonymitätsschutzes vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung, aber auch bei der Schutzbereichsbestimmung ist zudem maßgeblich, ob die jew Information im privaten Freundes- oder Familienkreis, im Verein, im Unternehmen oder in sonstigen geschlossenen Systemen offenbart und durch einzelne Personen verbreitet wird, oder ob sich dafür eines Massenmediums bedient wird, dessen Reichweite und Wirkkraft mit der einer persönlichen Weitergabe in Nichts zu vergleichen ist (ähnl auch BGH NJW 1981, 1366, 1367 – Der Aufmacher II; Hamburg AfP 1992, 376, 377; SpuRt 2010, 159). Form und Begleitumstände der Kommunikation sind mithin für die Abwägung von zentraler Bedeutung, BVerfG NJW 2022, 680, 683 – Künast. Persönl Indiskretionen in der Familie, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz sind zu tolerieren, weil der Einzelne nicht zu62
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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rückgezogen und ohne soziale Kontakte leben kann. Die Informationsweitergabe in den Massenmedien hat jedoch eine andere Qualität, denn die Öffentlichkeit der Medien ist eine für den Einzelnen nicht einschätzbare und damit eine anonyme Größe, da der Betroffene nicht weiß, wer den Bericht gesehen hat und wem ggü eventuell eine Erklärung, Rechtfertigung oder Entschuldigung angebracht ist. Auch ist zu beachten, dass sich der Einzelne heutzutage in unterschiedlichsten Rollen bewegt und unterschiedlichste fragmentarische Beziehungsgeflechte bestehen, weshalb ihm meist daran gelegen ist, dass Informationen über die eigene Person und das eigene Leben mit Blick auf die jew einzunehmende Rolle gefiltert werden. Informationsveröffentlichungen in den Medien laufen diesem Interesse strikt entgegen, denn eine adressatenbezogene Steuerung ist hier nicht möglich (vgl hierzu Klass, Realitätsfernsehen, 2003, 310ff). Die erhebliche Breitenwirkung der Medien darf daher nicht nur bei der Feststellung der Schwere des Eingriffs Bedeutung erlangen, sondern muss schon im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung sowie im Rahmen der Abwägung Gewicht erhalten. b) Vorverhalten. Maßgeblich für die konkrete Reichweite des Indiskretionsschutzes ist zudem das Vorverhalten 121 der betroffenen Person, denn niemand kann sich auf Diskretionsschutz hinsichtl solcher Aspekte berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat (EGMR NJW 2012, 1053, 1056 – CvH/Deutschland II: Allerdings ist die Tatsache, dass „der Betroffene bei früheren Gelegenheiten mit der Presse zusammengearbeitet hat“, allein kein Grund „ihm jeden Schutz vor der Veröffentlichung von Fotos zu nehmen“; BVerfG ZUM-RD 2009, 574 – Kannibale von Rotenburg; BGH GRUR 2012, 422, 424 – Pornodarsteller; zurückhaltender Dresden ZUM-RD 2012, 275, 278; vgl auch BGH ZUM-RD 2007, 397, 400 – Lebensgefährtin von Grönemeyer; krit hierzu Klass ZUM 2007, 818, 826f; s auch Köln AfP 2017, 70 – Dating-Coach). Selbstöffnung: Wer sich in freier Entscheidung der Medienöffentlichkeit aussetzt, indem er bspw Veranstal- 121a tungen besucht, die erkennbar auf ein so großes Interesse von Teilen der Öffentlichkeit stoßen, dass mit einer Berichterstattung durch die Medien gerechnet werden muss, kann sich daher nicht auf ein entspr Selbstbestimmungsrecht über die mediale Darstellung berufen, denn es kann keine umfassende Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person iS einer ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers auch über den Umgang der Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhaltensweisen geben, deren er sich öffentlich entäußert hat (BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi; BGH ZUM 2022, 820 – Sex-Bloggerin). Ein Schutz entfällt daher jedenfalls in dem Maße, in dem sich jemand damit einverstanden zeigt, dass bestimmte Angelegenheiten und Informationen öffentl gemacht werden; die selbstbestimmte Öffnung der Privatsphäre unterliegt allerdings stets einer gewissen Zweckbindung, was bedeutet, dass im Einzelfall sorgfältig zu prüfen ist, ob auch mit Blick auf die konkrete Berichterstattung eine Öffnung angenommen werden kann (so auch Wanckel in Götting/ Schertz/Seitz, § 19 Rn 47). Der Diskretionsschutz entfällt nur bzgl der konkret geöffneten Teile der Privatsphäre; zudem führt eine Öffnung der Privatsphäre nicht zu einer generellen Verwirkung des Privatsphärenschutzes, BGH GRUR 2012, 422, 424 – Pornodarsteller; vgl auch KG ZUM-RD 2012, 260, 262 sowie BGH VI ZR 102/12 [Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen]; München AfP 2013, 154 – Bühnenprogramm (keine Öffnung der Intimsphäre durch öffentl Auftritte mit neuer Freundin); LG Berlin ZUM-RD 2016, 303: aus dem Umstand, dass sich eine Person zu ihrem aktuellen Beziehungsstand äußert, kann nicht auf eine Selbstöffnung hinsichtl allerkünftigen Beziehungen geschlossen werden. Keine Selbstöffnung liegt daher vor, wenn durch die Berichterstattung ein neuer, eigenständiger Bereich der Privatsphäre betroffen ist, s auch KG ZUM-RD 2011, 333; LG Köln AfP 2012, 584; ZUM-RD 2013, 146, 148; zur „thematischen Korrespondenz“ und „Intensität der Selbstbegebung“ s BGH GRUR 2018, 1077, 1079 – der verlorene Bruder; GRUR 2005, 76, 78. S auch BGH GRUR 2019, 1092, 1094 – Erpressung mit Nackt-Fotos: übliches Posen in Bekleidung auf Instagram-Account führt nicht zu Selbstöffnung mit Blick auf ungewollte Veröffentlichung von Nacktbildern; Gleiches gilt für Weitergabe der Nacktbilder an den Freund; auch Wissen um Gefahren des Datendiebstahls führt zu keiner anderen Beurteilung; keine Selbstöffnung auch bei Beerdigung auf öffentlich zugänglichem Friedhof (Friedhofszwang) – BGH ZUM 2021, 530. Ebenfalls ist zu beachten, ob sich der Einzelne nur unter Druck, bspw aufgrund vorangegangener Berichterstattungen oder durch das Informationsverhalten Dritter, der öffentl Diskussion privater Sachverhalte stellt und Details preisgibt, die er grds lieber für sich behalten hätte (BGH GRUR 2005, 76, 78). Ein verringerter Schutz soll zudem dann gelten, wenn bereits bekannte Informationen verbreitet werden – dies selbst dann, wenn „die vorhergehenden Veröffentlichungen teilw gegen den Willen der Klägerin bzw den Willen der für sie verantwortlichen sorgeberechtigten Eltern erfolgt wären“, s BeckRS 2013, 20409 – Tochter von Günther J.; zu Recht krit hier Gounalakis LMK 2014, 359831. Zudem muss sich der Einzelne uU auch eine Selbstbegebung Dritter zurechnen lassen, mit denen eine enge Beziehung besteht (bspw (Ehe-)Partner, minderjährige Kinder) oder deren Verhalten konkludent gebilligt oder freiwillig mitveranlasst wurde (bspw Vertreter oder Bevollmächtigte), BGH GRUR 2018, 1077, 1079 – der verlorene Bruder; GRUR 2017, 304, 307 – Michael Schumacher: Selbstöffnung durch Aussagen der Managerin. S hierzu auch BGH ZUM 2022, 308 – unzulässiger Pressebericht über „Sex-Flaute“ nach Interview mit Partnerin. Die Selbstöffnung wirkt jedoch nicht fort, wenn die berechtigte Erwartung, dass die Öffentlichkeit bestimmte Umstände und Angelegenheiten nicht zur Kenntnis nehmen soll, konsequent und situationsübergreifend zum Ausdruck gebracht wird (BVerfG NJW 2000, 1021, 1023; AfP 2006, 448, 452; BGH ZUM-RD 2018, 327, 330 – ehemaliges Staatsoberhaupt beim Einkauf). 4. Diskretionsschutz durch Sphärenschutz. a) Informationen aus der Intimsphäre (s auch Rn 18). Grds kann 122 die Persönlichkeit für alle Lebensvorgänge Schutz beanspruchen, die zur Wahrung und Entwicklung von Identität und Individualität vor Einblicken und dem Einwirken der Öffentlichkeit abgeschirmt werden müssen (BVerfGE 79, 256, 268; BVerfG FamRZ 2010, 1621: Nichteintragung der Elternschaft in ein PersonenstandsKlass
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Anh § 12
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Personen
dokument ist jedoch kein Eingriff in die Intimsphäre; BGH NJW 1981, 1366 – Der Aufmacher II). Lebensvorgänge, die hierbei einen absoluten, weil im Bereich des Menschenwürdeschutzes angesiedelten, und damit unantastbaren Schutz erfahren, werden gemeinhin unter dem Begriff der Intimsphäre zusammengefasst. Diese umfasst ganz allg die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen, Vorgänge aus dem Sexualbereich und sonstige Belange, die von Natur aus einen Anspruch auf Geheimhaltung und Diskretion beanspruchen (s Rn 18f). Darstellungen und Erörterungen, die den Intimbereich betreffen, sind grds nur mit Einwilligung (s ausf Rn 229ff) des Betroffenen zulässig. Der Bereich der Intimsphäre umfasst mithin den letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit und schafft die im Einzelfall erforderliche Distanz zu Mitmenschen (BVerfG NJW 1957, 865, 867f; BayObLGSt 1978, 152, 156 – Prostituierte). Für die Frage, ob ein Sachverhalt diesem absolut geschützten Kernbereich zugeordnet werden kann, ist daher in erster Linie maßgeblich, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlicher Art ist und in welcher Art und Weise er die Belange der Gemeinschaft berührt (BGHSt 57, 71: Unverwertbarkeit eines heimlich mitgeschnittenen Selbstgesprächs eines Beschuldigten, s hierzu Warg NStZ 2012, 237; anders noch BVerfGE 80, 367: Verwertbarkeit tagebuchartiger Aufzeichnungen, s zu der insoweit vorgenommenen „Relativität der Sphärentheorie“ auch Dürig/Herzog/Scholz/Di Fabio Art 2 GG Rn 161; BVerfG NJW 2009, 3357, 3359 – Berichterstattung über Vergewaltigung; BVerfGE 89, 69, 82f – Cannabis). Nach überwiegender Ansicht gehört dem besonders geschützten Kernbereich der Intimsphäre insb das Sexualleben an (BVerfG NJW 2009, 3357, 3359 – Berichterstattung über Vergewaltigung; NJW 1997, 1769; LG Hamburg MMR 2015, 61 – Sex-Fotos), nicht jedoch das Küssen in der Öffentlichkeit, Köln NJW-RR 2014, 1069, 1071. Geschützt wird die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und unbehelligt zu erleben (unzulässig ist daher bspw die Berichterstattung über das Outing eines homosexuellen Mannes, LG München I 21.7.2005 – 7 O 4742/05). 123 Allerdings ist selbst das Gebiet des „Geschlechtlichen“ dem (staatl) Zugriff nicht vollends entzogen. Weist die Handlung einen starken Sozialbezug auf, kann im Einzelfall doch eine Abwägung mit entgegenstehenden Interessen erforderlich werden (BVerfG NJW 1957, 865, 867f; NJW 2009, 3357, 3359: Berichterstattung über eine Vergewaltigung – wobei auch die Beziehung des Täters zu seinem Opfer dann nicht zur absolut geschützten Intimsphäre gehört; BayObLGSt 1978, 152, 156: geschlechtliche Handlungen mit einer Prostituierten; ähnl auch BGH NJW 2013, 1681, 1682 – Kachelmann: Äußerungen im Strafverfahren über sexuelle Vorlieben gehören nicht dem absolut geschützten Kernbereich des APR an; KG NJW-RR 2010, 622 – HIV-Infektion: Mitteilung des Tatvorwurfs, eine mit HIV-infizierte Betroffene habe ungeschützten Geschlechtsverkehr mit anderen Personen gehabt, berührt lediglich die Privatsphäre). Hier wird deutlich, dass mit Blick auf den Aspekt der Sexualität (aber auch mit Blick auf den Bereich der Berichterstattung über Krankheiten, vgl BGH NJW 2009, 754) durchaus Überschneidungen (BVerfG NJW 2000, 1021, 1022 – CvM) mit dem Bereich der (inneren) Privatsphäre (vgl Rn 126 sowie BGH GRUR 2019, 1092, 1094) bestehen. So sind detailarme Berichte sexueller Begebenheiten nicht per se verboten (vgl BGH NJW 1999, 2893 – Ehebruch; BVerfG NJW 2000, 2189; ebenso nicht über Krankheiten, vgl BGH NJW 2009, 754; NJW 2012, 3645 – Comedy-Darstellerin). Neben Darstellungen von sexuellen Vorgängen fallen in den Schutzbereich der Intimsphäre insb Aufnahmen und Abbildungen des nackten Körpers einer Person (BGH GRUR 2019, 1092, 1094 – Berichterstattung über Erpressung mit Nackt-Fotos verletzt den Bereich der inneren Privatsphäre; NJW 1985, 1617ff – Nacktaufnahme; Dresden ZUM 2010, 597 – Werbung für Welterbe/Nacktdarstellung auf einem Gemälde; Hamburg AfP 2013, 65; Zweibrücken 21.2.2013 – 4 U 123/12; OVG Münster ZUM-RD 2013, 348) sowie Berichterstattungen, die den Bereich der Gesundheit betreffen, insb Berichte über Krankheiten (nach KG NJW-RR 2010, 622 soll die bloße Mitteilung einer Erkrankung – hier mögliche HIV-Infektion – noch keine Verletzung der Intimsphäre darstellen; zur Zulässigkeit der Berichterstattung über die Erkrankung einer Entertainerin ohne aktuellen Anlass BGH NJW 2012, 3645 – ComedyDarstellerin; krit hierzu Schertz NJW 2013, 721, 726; s auch EGMR NJW 2012, 1053, 1057f; krit dazu Frenz NJW 2012, 1039, 1040) und Verletzungen. 124 Die Intimsphäre erfährt dabei nicht nur im Bereich der Medienberichterstattung absoluten Schutz, vielmehr billigen die Gerichte dem Einzelnen auch mit Blick auf künstlerische Werke einen unantastbaren Bereich des Indiskretionsschutzes zu. Ist dieser betroffen, liegt idR auch die im Spannungsverhältnis zur Kunstfreiheit erforderliche schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor (BVerfG NJW 2008, 39 – Esra; Karlsruhe ZUM 2012, 490). In der Entscheidung Esra sahen BGH (NJW 2005, 2844 – Esra I; NJW 2008, 2587 – Esra II) und BVerfG (NJW 2008, 39, 40 – Esra) bspw die Schilderung intimer Begebenheiten, die Mitteilung eines Abtreibungsversuchs und Details über den Gesundheitszustand des Kindes der betroffenen Protagonistin als schwerwiegende Verletzungen des APR an, welche nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden konnten. Unerheblich ist auch, ob die geschilderten Vorgänge wahr oder unwahr sind, da sie „wegen Berührung des Kernbereichs der Persönlichkeit überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören“ (BGH ZUM 2008, 683; Karlsruhe ZUM 2012, 490, 492). 125 b) Informationen aus dem Bereich der Geheimsphäre/Vertraulichkeitssphäre (s auch Rn 19). Im Rahmen des Indiskretionsschutzes genießt der Einzelne auch Geheimnisschutz (BVerfGE 54, 148 – Eppler; BVerfG NJW 1972, 1123). Dem Schutz der „Geheimsphäre“ unterfällt dabei alles, was der Einzelne durch besondere Maßnahmen vor der Kenntnisnahme durch Dritte bewahren möchte, insb erfährt die ungenehmigte Veröffentlichung oder Kenntnisnahme privater Kommunikation Schutz. Kennzeichnend für den Geheimnisschutz, der sich in der dt Rechtsordnung in vielfältiger Art und Weise niederschlägt (zB §§ 201, 201a StGB sowie insb GeschGehG ua), ist primär der Geheimhaltungswille des Betroffenen. Schutz erfahren daher insb persönl Aufzeichnungen und Notizen, Krankenunterlagen (BGH NJW 1957, 1146, 1147; zum Einsichtsrecht des Patienten in die Kranken64
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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unterlagen BGH NJW 2014, 298; zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Patienten bei Weitergabe seiner Krankendaten an die Krankenkassen Harks NZS 2013, 247, 249f); Ehescheidungsakten (BVerfGE 27, 344, 350f); Informationen, die die Vermögens- und Einkommensverhältnisse betreffen, aber auch geschäftl Unterlagen, soweit sie nicht dem Bereich des öffentl Wirkens eines Unternehmens zugeordnet werden können oder müssen (zur Veröffentlichung von E-Mails Köln AfP 2012, 66; KG ZUM 2011, 570; zur Offenbarung wirtschaftl Schwierigkeiten einer Person Brandenburg NJW-RR 2013, 415: Das Wirken eines Menschen im Berufs- und Erwerbsleben vollzieht sich nicht in der Geheimsphäre) sowie private E-Mails (BGH ZUM-RD 2015, 83, 86 – Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen, zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung s Rn 128). Die Art bzw Form der Aufzeichnung ist dabei unerheblich (LG Köln ZUM-RD 2009, 349, 351 – Veröffentlichung fremder persönlicher E-Mails auf Homepage). Allerdings bestehen auch hier Überschneidungen sowohl mit dem Bereich der Intim- als auch der Privatsphäre (vgl zur Abgrenzung Wanckel in Götting/Schertz/Seitz, § 19 Rn 66). c) Informationen aus der Privatsphäre (s auch Rn 20). Die Privatsphäre entfaltet Schutz in thematischer wie 126 auch in räumlicher Hinsicht. aa) Der thematische Schutzbereich. Nach der Rspr des BVerfG (NJW 2000, 1021, 1022 – CvM) umfasst der Privatsphärenschutz in thematischer Hinsicht alle „Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als ‚privat‘ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst“. Dies sei etwa der Fall bei der Auseinandersetzung mit sich selbst in Tagebüchern, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten und im Kreis der Familie, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten (BGH NJW 2009, 754 – Ernst August v Hannover: Die eigene Erkrankung gehört auch bei einer Person des öffentl Interesses grds zur Privatsphäre), Während Ausnahmen bisher nur mit Blick auf einen besonderen Personenkreis wie bspw wichtige Politiker, Wirtschaftsführer oder Staatsoberhäupter gemacht wurden, erweiterten BGH und BVerfG den Kreis nunmehr auch auf sonstige Personen der Zeitgeschichte, an denen ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit besteht (s hierzu Jahn GRURPrax 2012, 512; Mäsch JuS 2013, 650, 652, spricht insoweit von B-Promis; BGH NJW 2012, 3645, 3647 – Comedy-Darstellerin; BVerfG NJW 2012, 756 sowie EGMR NJW 2012, 1053 – CvH/Deutschland II: Einordnung des Gesundheitszustandes des Fürsten Rainier III. von Monaco und das Verhalten der Familienmitglieder während seiner Erkrankung als zeitgeschichtlich relevantes Ereignis durch die dt Gerichte ist angemessen; krit dazu Lehr GRUR 2012, 745; Schertz NJW 2013, 721, 727; Köln AfP 2016, 289: Krankenhausbesuch der Ehefrau eines ehemaligen Rennfahrers nach dessen Skiunfall). Insoweit bestehen durchaus Überschneidungen mit dem Bereich der Intimsphäre, vgl Rn 122ff. Vom Schutzbereich umfasst werden zudem Informationen über familiäre Verhältnisse und Verbindungen des Einzelnen (Familienstreitigkeiten, Hochzeits- und Scheidungsabsichten, s hierzu Hamburg AfP 2016, 546: Hochzeit eines bekannten Politikers), aber auch Glaubensfragen (Trauer, Religionsausübung), Bekenntnisse, Überzeugungen und Informationen über finanzielle Fragen (Eigentumsfragen, Einkommen etc). Auch das Vorliegen einer Schwangerschaft ist eine rein private und höchstpersönliche Angelegenheit (Köln ZUM 2016, 443, 444; KG ZUM-RD 2022, 143); ebenso die geheim gehaltene Liebesbeziehung eines Popsängers, BGH GRUR 2017, 850ff (s aber auch BGH ZUM 2022, 820, 823 – Sex-Bloggerin zur spekulativen Berichterstattung über eine Liebesbeziehung); der Urlaub eines Fußballbundestrainers, KG ZUM-RD 2019, 625, oder Situationen großer emotionaler Belastung, wie bei der Trauer um einen Angehörigen oder eine nahestehende Person, BGH ZUM 2021, 530 – Beerdigung, sowie in Fällen des Bangens um das Leben eines nahen Angehörigen, BGH ZUM-RD 2022, 613, 617 – Bericht über Todesumstände der prominenten Ehefrau; s auch LG Frankfurt/O ZUM-RD 2014, 701 – Trauerfeierlichkeiten sowie Frankfurt ZUM-RD 2021, 196 – Verbringung eines Sarges in eine Moschee. Im Einzelfall kann auch die Mitgliedschaft in einer weltanschaulich-religiösen Gemeinschaft der Privatsphäre zuzuordnen sein – jedenfalls dann, wenn der Betroffene nicht von sich aus mit der Mitgliedschaft und deren Lehren in die Öffentlichkeit getreten ist (BGH NJW 2012, 771, 772 – Babyklappen). Zur Berichterstattung über private Angelegenheiten BGH NJW 2012, 763, 764f – INKA-Story; zur unterschiedl Reichweite des Persönlichkeitsrechtsschutzes bei Wort- und Bildberichterstattungen BGH NJW 2011, 744. Besonders geschützt ist der innere Bereich der Privatsphäre, der eine besondere Nähe zur Intimsphäre hat (BGH GRUR 2019, 1092, 1094 – Erpressung mit Nackt-Fotos). Hierzu zählt nach jüngerer Rspr. wohl auch der Gesundheitszustand, BGH GRUR 2017, 304 – Michael Schumacher, s Rn 18. bb) Der räumliche Schutzbereich. Darüber hinaus erstreckt sich der Schutz der Privatsphäre auch auf einen 126a räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder gehen lassen kann (EGMR ZUM 2012, 551, 554 – CvH/Deutschland II; BVerfG NJW 2000, 1021, 1022 – CvM; BVerfGE 27, 1; BGH GRUR 2008, 1024, 1026f – Shopping mit der Putzfrau auf Mallorca). Geschützt ist insofern in erster Linie der häusliche Bereich, die eigenen vier Wände (Wohnungen, Privathäuser, Gärten); erfasst werden aber auch temporär genutzte Räumlichkeiten wie Hotelzimmer und Ferienwohnungen (BGH GRUR 2004, 438, 439; ZUM 2013, 132, 135 – Playboy am Sonntag, Jacht in öffentlich einsehbarem Hafen; LG Köln ZUM-RD 2013, 146, Hotelterrasse; der Balkon kann nicht zum häuslichen Bereich gehören, KG NJOZ 2008, 168, 171f; zum Schutz von Angaben zur unmittelbaren Wohnumgebung s AG Charlottenburg 5.12.2013 – 205 C 252/13). Derartige Rückzugsbereiche sind nach der Rspr des BVerfG erforderlich, da der Einzelne psychisch überfordert würde, müsste er permanent darauf achten, wie er auf andere wirkt und ob er sich richtig verhält. Auch im Rahmen eines Aufenthalts in einer Justizvollzugsanstalt muss ein privater Rückzugsbereich gewährleistet sein (Köln ZUM 2012, 703, 704; LG Köln ZUM-RD 2012, 40, 42f). Ein derartiges Schutzbedürfnis besteht nach BVerfG NJW 2000, 1021, Klass
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Personen
1022 – CvM auch bei Personen, die aufgrund ihres Rangs oder Ansehens, ihres Amts oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentl Beachtung finden, denn eine Person, die gewollt oder ungewollt zur Person des öffentl Lebens geworden ist, verliert nicht grds ihr Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt. Daher muss ein Prominenter es auch nicht hinnehmen, wenn Luftbildaufnahmen seines Wohnhauses unter Überwindung bestehender Hindernisse (Flugzeuge, Teleobjektiv etc) angefertigt und diese kommerziell verwendet werden (BGH GRUR 2004, 438, 440; vgl auch BVerfG NJW 2006, 2836, 2837; zur besonderen Gewichtung der Heimlichkeit und der Ausnutzung technischer Mittel bei der Aufnahme von nahegelegenem Hochhaus im Rahmen der Abwägung Köln ZUM 2012, 703, 705; ZUM-RD 2012, 675, 678f: Trotz öffentl Interesses an einer prominenten Person darf nicht jedes Detail aus dem Leben der Person ausspioniert und veröffentlicht werden; LG Köln ZUM-RD 2012, 40 sowie Rn 171). Geschützt sind aber nicht nur Abbildungen, sondern auch die Wohnadresse, weshalb deren Veröffentlichung sowie die Angabe von Wegbeschreibungen zum Auffinden eines Wohnhauses vom Schutzbereich der Privatsphäre erfasst werden. Der Schutz der Privatsphäre eines umfriedeten Grundstücks entfällt auch nicht etwa dadurch, dass zufällig vorbeikommende Passanten Grundstücksteile einsehen können (BGH GRUR 2004, 438, 439). Der Rückzugsbereich einer Person darf nicht an den Hausmauern oder Grundstücksgrenzen enden – der Einzelne muss vielmehr die Möglichkeit haben, sich auch in der „freien, gleichwohl abgeschiedenen Natur oder an Örtlichkeiten, die von der breiten Öffentlichkeit deutlich abgeschieden sind, in einer von öffentlicher Beobachtung freien Weise zu bewegen“ (BVerfG NJW 2000, 1021, 1022 – CvM). Dies muss nach Ansicht des BVerfG insb ggü solchen Aufnahmetechniken gelten, die die räumliche Abgeschiedenheit überwinden, ohne dass der Betroffene dies bemerken kann. Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen, lasse sich jedoch nicht generell und abstrakt festlegen, sondern müsse vielmehr aufgrund der jew Beschaffenheit des Orts bestimmt werden, den der Betroffene aufsucht. Entscheidend sei, ob der Einzelne eine Situation vorfindet oder schafft, in der er „begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein“. Ob diese Voraussetzungen der Abgeschiedenheit erfüllt sind, könne und müsse dabei situativ beurteilt werden. Der EGMR übte an dem Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit Kritik (s ausf Rn 39), weshalb BGH (NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover) und BVerfG (NJW 2008, 1793 – CvH, IV) den räumlichen Schutzbereich in den jüngsten Entscheidungen noch weiter fassten: So sei für die vorzunehmende Interessenabwägung ua von Belang, ob der Betroffene typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, insb einem besonders geschützten Raum, aufhält (vgl BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM; BVerfG GRUR 2017, 844 – Innenhof: ein vom öffentl Raum nur eingeschränkt einsehbarer privater Innenhof kreiert eine durch räumliche Privatheit geprägte Situation, in der der Betroffene die berechtigte Erwartung haben darf, nicht in den Medien abgebildet zu werden; anders jedoch bei alltäglichem Gehweg-Foto eines prominenten Angeklagten auf dem Weg zur Hauptverhandlung, BVerfG GRUR 2017, 842ff); zudem muss nach Köln NJW-RR 2014, 1069, 1070 auch in der Öffentlichkeit (hier Diskothek) nicht damit gerechnet werden, dass von Dritten (Leser-Reportern) gemachte Fotos über einen „beschränkten Umfang (Verbreitung über Twitter/Facebook) hinaus in bundesweit verbreitetem Presseorgan verfügbar gemacht werden. Dem Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts könne zudem „auch außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit ein erhöhtes Gewicht zukommen, so wenn die Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst“ (BVerfG NJW 2008, 1793, 1797 – CvH, IV; LG Köln ZUM-RD 2013, 668). 127 d) Informationen aus dem Bereich der Sozialsphäre (s auch Rn 22). Unter die Sozialsphäre wird der Bereich des menschlichen Lebens gefasst, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann und evtl auch Kenntnis nehmen soll. Geschützt wird die Eigenart des Menschen in seiner Beziehung zur Umwelt, sein berufliches, wirtschaftl oder sonstiges öffentliches Wirken und mithin all jene Aspekte menschlichen Handelns, welche der Öffentlichkeit zugewandt sind (vgl BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi: zur Sozialsphäre zählen auch Verhaltensweisen, die auf Veranstaltungen gezeigt werden, welche erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in diese ausstrahlten, zB eine Aids-Gala; ebenfalls fällt die anonyme Bewertung von Lehrern durch ihre Schüler in einem Onlineportal in den Bereich der Sozialsphäre, BGH NJW 2009, 2888 – spickmich.de; ebenso die Bewertung von Ärzten, BGH GRUR 2018, 636, 638 – jameda sowie BGH ZUM 2022, 229; ZUM-RD 2022, 132; Informationen zur beruflichen Betätigung s BGH ZUM-RD 2015, 151, 152 – Promi-Friseur: Nennung als ArbG im Kontext einer Verdachtsberichterstattung über angestellten Geschäftsführer; Düsseldorf ZUM-RD 2014, 628; LG Berlin ZUM-RD 2014, 32; Hamburg ZUM-RD 2022, 473: Taschenpfändung bei Rechtsanwalt). Das kommerzielle Mitwirken in einem Pornofilm ist der Sozialsphäre zuzurechnen, BGH GRUR 2012, 422 – Pornodarsteller. Zur Einordnung der Zugehörigkeit zu einer politischen Vereinigung in die Sozialsphäre BGH NJW 2012, 771 – Babyklappen. Aufgrund des geringen Persönlichkeitsbezugs sind wahre Berichte aus dem Bereich der Sozialsphäre idR zulässig, BVerfG AfP 2016, 430ff: Bericht über schleppende Zahlungsmoral in einem Online-Bewertungsportal; LG Hamburg ZUM-RD 2012, 98, wobei im Einzelfall auch hier ein Interesse an Diskretion und Anonymität bestehen kann (s Rn 22 und 117ff; krit zur Sphäreneinordnung in Internet Glaser NVwZ 2012, 1432, 1435: Die schematische Trennung von Privat- und Sozialsphäre wird der Realität der Kommunikation im Internet nicht gerecht; vgl auch Spindler in Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, F 41f; Bruns AfP 2011, 421, 426; zum Persönlichkeitsschutz im Internet Peifer JZ 2012, 851; Ohly AfP 2011, 428; Heckmann NJW 2012, 2631). Zudem kann selbst die Äußerung einer wahren Tatsache aus dem Bereich der Sozialsphäre das APR verletzen, wenn eine schwerwiegende Auswirkung auf das Ansehen und die Persönlichkeits66
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
Anh § 12
entfaltung des Betroffenen zu befürchten ist, die außer Verhältnis zum Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, BVerfG NJW 2016, 3362; LG Hamburg ZUM-RD 2012, 98, bspw im Falle einer Stigmatisierung, sozialen Ausgrenzung oder Prangerwirkung (zum „virtuellen Pranger“ Celle MMR 2008, 180; Wieczorek AfP 2012, 14; verneinend im konkreten Fall BGH ZUM-RD 2015, 151, 152 – Promi-Friseur; zum Internetpranger s auch München, ZUM-RD 2018, 402 – BILD stellt Hetzer an den Pranger), wenn also „eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen“ (BVerfG GRUR 2010, 544, 545 – Zitat aus Anwaltsschreiben; AfP 2010, 465, 466 – Personalisierte Darstellung; BGH GRUR 1994, 913 – Namensliste; LG Köln ZUM 2011, 84 – Veröffentlichung eines Gerichtsurteils im Internet, Cyberstalking). Eine anprangernde Wirkung kann sich daher bspw aus der „außergewöhnlichen Art und Weise und der Hartnäckigkeit einer Berichterstattung ergeben oder daraus, dass eine einzelne Person aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle herausgegriffen und zum Gesicht einer personalisierten und individualisierenden Anklage für ein damit verfolgtes Sachanliegen gemacht wird“, BGH ZUM 2021, 590, 592. Verneinend im konkreten Fall BGH ZUM 2021, 594, 597 – Kirchenkreis (Wiedergabe der diffamierenden Meinung eines Dritten); ZUM 2021, 590, 592 – Berichterstattung über wiss Plagiat. Zur Problematik der Abgrenzung zw privater und öffentlicher Kommunikation in sozialen Netzwerken Ohly AfP 2011, 428, 429. Zum Anonymitätsschutz vgl Rn 119. 5. Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches 128 von Art 2 I und Art 1 I GG umfasst ist und vom BVerfG (65, 1, 43 – Volkszählungsurteil) im Jahr 1983 anerkannt wurde, gewährt dem Einzelnen die Befugnis, grds selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönl Daten zu bestimmen. Zunächst nur für das Verhältnis Bürger-Staat bedeutsam, wurde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung später aufgrund ähnl Gefahrenlagen vereinzelt auch in das Zivilrecht übernommen (BGH AfP 2014, 325, 326 – Kindschaftsverhältnis; ZUM-RD 2015, 83, 86: Schutz von Telekommunikationsverbindungsdaten einschließlich der jew Kommunikationsinhalte, auch mit Blick auf die persönl Ausdrucksweise; NJW 1991, 1532ff – Notfallarzt, wenn auch noch in Kombination mit dem Sphärenmodell; AfP 1994, 306, 307 – Stasi-Liste III; s ferner Hamburg AfP 1992, 376, 377; München AfP 1997, 636, 637; Naumburg DtZ 1994, 73, 74 – Stasi-Listen I; BAG NJW 1990, 2272, 2273), denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weise auch auf der bürgerlich-rechtl Ebene dem Schutzbedürfnis des Einzelnen einen entspr hohen Rang ggü Eingriffen zu, welche ihn gegen seinen Willen für die Öffentlichkeit „verfügbar“ machen (BGH NJW 1991, 1532ff – Notfallarzt; AfP 1994, 306, 307 – Stasi-Liste III, einschränkend BVerfG AfP 2000, 445, 447 – Stasi-Liste IV; BVerfGE 78, 77, 84 – Entmündigung; BVerfGE 17, 469: Eingriff durch Anfertigung von Bildaufnahmen mittels einer Identifizierungskamera). Die Übernahme eines solchen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen des zivilrechtl Diskretionsschutzes stieß jedoch in der Vergangenheit auch auf Kritik (Brossette, Der Wert der Wahrheit, 237; Halfmeier AfP 2000, 449; krit auch BGH GRUR 2011, 261 – Party-Prinzessin: ein von dem Kommunikationsinhalt unabhängiger Schutz ist im Bereich der Textberichterstattung nur unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort anerkannt), weil seine Anerkennung letztlich einem Informationsverbot mit Erlaubnisvorbehalt gleichkomme; auch das BVerfG nahm eine gewisse Korrektur vor (BVerfG AfP 2000, 445, 447 – Stasi-Liste IV; GRUR 2010, 544, 545) und stellte fest, dass ein zivilrechtl Verbot wahrer Informationen nur in bestimmten Ausnahmesituationen in Betracht kommt, bspw, wenn die Folgen der Darstellung für die Persönlichkeitsentfaltung schwerwiegend sind, zu einer Stigmatisierung führen und insoweit Schutzbedürfnisse überwiegen, oder auch, wenn die Aussagen die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre betreffen und nicht durch ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt sind (Halfmeier AfP 2000, 449 sah darin eine Absage an ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf der Ebene des Zivilrechts). Durch die Entscheidung „Recht auf Vergessen“ (BVerfG ZUM 2020, 58) nahm das BVerfG jüngst eine vollstän- 129 dige Neubestimmung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Verhältnis zu den äußerungsrechtl Schutzgehalten vor, welchen sich der BGH auch für den zivilrechtl Gehalt des APR anschloss (BGH ZUM 2020, 337, 340 – Anwaltsschreiben sowie ZUM 2021, 1037, 1039 – Blogeintrag als Nötigungsmittel). So ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung „primär als Gewährleistung zu verstehen, die – neben der ungewollten Preisgabe von Daten im Rahmen privater Rechtsbeziehung (…) – insbesondere vor deren intransparenter Verarbeitung und Nutzung durch Private schützt“ (BGH ZUM 2020, 337, 340 – Anwaltsschreiben sowie ZUM 2022, 308, 310). Es enthalte aber keinen „gesamthaften Anspruch hinsichtlich jederlei Umgangs mit Informationen“, vielmehr biete es lediglich Schutz davor, dass „Dritte sich individueller Daten bemächtigen und sie in nicht nachvollziehbarer Weise als Instrument nutzen, um die Betroffenen auf Eigenschaften, Typen und Profile festzulegen, auf die sie keinen Einfluss haben und die dabei aber für die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind“, BGH ZUM 2020, 337, 340 – Anwaltsschreiben I; BVerfG ZUM 2020, 58 – Recht auf Vergessen I. Hiervon zu differenzieren ist jedoch der „Schutz vor der Verarbeitung personenbezogener Berichte und Informationen als Ergebnis eines Kommunikationsprozesses“, BGH ZUM 2020, 337, 340 – Anwaltsschreiben. Gefährdungen des APR ergeben sich insoweit aus Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst, nicht aber aus der intransparenten Zuweisung von Persönlichkeitsmerkmalen und Persönlichkeitsprofilen durch Dritte. Werden Informationen im Rahmen einer gesellschaftlichen Kommunikation mitgeteilt, findet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mithin nach aktueller Rspr keine Anwendung (s auch BVerfG ZUM 2020, 532 – Kindschaftsverhältnis). Für derartige Nutzungen streiten allein die äußerungsrechtl Schutzgehalte des Persönlichkeitsrechts (BVerfG ZUM 2020, 58 Rn 91f – Recht auf Vergessen I; BGH ZUM 2021, 1037, 1039 – Blogeintrag als Nötigungsmittel). Klass
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Anh § 12
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Personen
6. Schutz des geschriebenen Wortes. Bestandteil eines Rechts auf Selbstdarstellung und Selbstbestimmung ist auch das Bestimmungsrecht über die Weitergabe und Veröffentlichung schriftlicher Aufzeichnungen, das der BGH schon in der „Leserbrief“-Entscheidung aus dem Jahr 1954 (BGHZ 13, 334, 338f – Leserbrief; s auch BVerfG NJW 1991, 2339, 2339f – Chefarztbrief; GRUR 2010, 544, 545 – Zitat aus Anwaltsschreiben; BGH GRUR 2020, 313, 317– Anwaltsschreiben I; Hamm NJW-RR 1995, 1114, 1115 – Liebesbriefe; zur Verletzung des urheberrechtl Erstveröffentlichungsrechts nach § 12 UrhG s auch KG NJW 1995, 3392 sowie BGH AfP 2020, 320, 326f – Reformistischer Aufbruch II) anerkannte. Danach steht grds allein dem Verfasser einer Aufzeichnung die Befugnis zu, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form er seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich macht. Insb eine veränderte oder gekürzte Wiedergabe von Aufzeichnungen, die als sprachl Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers sind, trägt stets die Gefahr in sich, dass ein falsches Persönlichkeitsbild von diesem vermittelt wird; geschützt wird aber auch das Interesse daran, dass die persönliche Ausdrucksweise nicht in die Öffentlichkeit gelangt, weil dies Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zulassen kann, BGH GRUR 2020, 313, 317– Anwaltsschreiben I; GRUR 2015, 92, 94 – Innenminister unter Druck. Zulässig ist die Veröffentlichung jedoch, wenn der zitierte Inhalt Teil einer Auseinandersetzung ist, an deren Kenntnisnahme ein Interesse der Öffentlichkeit besteht – dies gilt selbst dann, wenn der Absender des Schreibens Zitate explizit verbietet; auch kann eine einseitige Erklärung, dass Einlassungen nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind, kein absolutes Recht über die Weitergabe der Informationen begründen, BGH GRUR 2020, 313, 317– Anwaltsschreiben I sowie GRUR 2020, 319 – Anwaltsschreiben II. 131 7. Schutz des gesprochenen Wortes. Nach der Rspr des BVerfG und des BGH ist ein vom Kommunikationsinhalt unabhängiger Schutz unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort anerkannt (BVerfGE 54, 148, 154f – Eppler; 106, 28, 41 – Mithörvorrichtung; BGH NJW-RR 2010, 1289, 1292 – Telefoninhalt; vgl auch LG Berlin MMR 2014, 563, zur Rechtswidrigkeit einer AGB-Klausel über Gesprächsaufzeichnung). Er garantiert die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation, wie bspw über die Herstellung einer Tonbandaufnahme oder die Zulassung eines Dritten zu einem Gespräch (BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi; BVerfGE 54, 148, 154f – Eppler; 106, 28, 41 – Mithörvorrichtung) und gewährt dem Einzelnen mithin die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis von Leuten oder der breiten Öffentlichkeit zugänglich sein sollen (BVerfGE 54, 148, 154 – Eppler; vgl auch BGH NJW 1958, 1344 – Tonband; Karlsruhe NJW-RR 2003, 410 – Anti-Aggressionstraining; Düsseldorf ZUM-RD 2012, 137, 144: zur Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 I Nr 1 StGB sowie des Rechts am eigenen Wort durch eine verdeckte Aufnahme eines Interviews). Das BVerfG geht dabei von folgender Überlegung aus: Wort und Stimme eines Menschen sind auf einem Tonträger von ihm losgelöst und in einer verfügbaren Gestalt verselbständigt. Das Recht am gesprochenen Wort schützt mithin nicht die Privatsphäre, sondern „die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation“ (BVerfG ZUM-RD 2010, 657, 661 – Charlotte Casiraghi; BGH NJW-RR 2010, 1289, 1292 – Telefoninhalt). Dürften Dritte über das gesprochene Wort nach Belieben verfügen, würde die Unantastbarkeit der Persönlichkeit erheblich geschmälert und die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation erheblich beeinträchtigt (BVerfGE 34, 238 – Tonbandaufnahme; s zum Wahrnehmungs- und Fixierungsschutz auch BGHZ 73, 120 – Kohl/Biedenkopf). Daher ist für das Anfertigen und Abspielen einer Aufnahme des gesprochenen Wortes grds die Einwilligung (s ausf Rn 229ff) des Betroffenen einzuholen (BVerfGE 34, 238 – Tonbandaufnahme; BGH NJW 1982, 277). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Anfertigung der heimlichen Aufnahme zur Feststellung der Identität eines anonymen Anrufers oder zur Feststellung erpresserischer Drohungen erforderlich ist, bspw im Fall eines auf andere Weise nicht abwehrbaren Angriffs auf die berufliche Existenz (BVerfGE 106, 28, 49f; BGH NJW-RR 2010, 1289, 1292 – Telefoninhalt). Grds besteht ein absolutes Veröffentlichungsverbot im Fall des vertraulich gesprochenen Wortes nur dann, wenn die Intimsphäre betroffen ist, iÜ ist eine Gesamtabwägung unter sorgfältiger Würdigung der involvierten Interessen vorzunehmen (LG Köln AfP 2014, 545 – Kohl-Protokolle; Dresden ZUM-RD 2020, 23). Ob das nichtöffentlich gesprochene Wort nur dem relativ geschützten Bereich des APR angehört oder ob der absolut geschützte Kernbereich betroffen ist, ist dabei unter Abwägung aller Gesamtumstände (Äußerungssituation, Eindimensionalität des Gesprächs, Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken, die Unbewusstheit der Äußerung im Selbstgespräch) festzustellen (BGH NJW 2012, 945f – Selbstgespräch); s auch Rn 18f. 132 8. Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbildes. a) Kontext Kommunikationsfreiheiten. Das APR sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Dazu gehört auch das Recht, in diesem Bereich „für sich zu sein“, „sich selbst zu gehören“ und ein Eindringen oder einen Einblick durch andere auszuschließen. Hiervon umfasst ist auch das Verfügungsrecht über die Darstellung der Person. Dieses Recht gewährt jedermann die Befugnis, grds selbst und allein zu bestimmen, ob und inwieweit andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentl darstellen dürfen (BVerfG NJW 1973, 1226, 1227 – Lebach I; NJW 1999, 1322, 1324 – Helnwein; München 25.5.2010 – 18 U 1604/10 – Katzenhexe; LG Koblenz NJW 2007, 695, 695 – Gäfgen, hierzu v Becker NJW 2007, 662 sowie KG AfP 2010, 376 – Stasi-Vergangenheit; ähnl Mann in Spindler/Schuster, § 823 Rn 35. Gleiches gelte für das Lebensbild eines Verstorbenen, BGH NJW 1990, 1986, 1988 – Emil Nolde; LG Berlin GRUR 1980, 187, 188 – Der eiserne Gustav). Allerdings steht nicht der gesamte Bereich privaten Lebens unter einem absoluten Schutz – tritt der Einzelne in Kommunikation mit anderen, wirkt er auf diese ein oder berührt er Gemeinschaftsbelange, können sich Einschränkungen seines ausschließlichen Bestimmungsrechts ergeben. 130
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Insb das Informationsinteresse der Allgemeinheit, aber auch Belange Dritter können hier im Einzelfall Bedeutung erlangen (BVerfG NJW 1973, 1226, 1227 – Lebach I; BGH NJW 1981, 1366 – Der Aufmacher II); deutlich insoweit BVerfG ZUM-RD 2010, 657, 661f – Charlotte Casiraghi sowie BGH GRUR 2012, 422, 423f: Das APR gewährt seinem Träger allerdings nicht das Recht, nur so dargestellt zu werden, wie es seinem Selbstbild entspricht oder es ihm selbst gefällt; insb gewährt es „keine umfassende Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne einer ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers über den Umgang der Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhaltensweisen, deren er sich … öffentlich entäußert hat.“ Auch der Straftäter hat daher bspw keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden (BVerfG NJW 2000, 1859, 1860 – Lebach II; BGH ZUM 2013, 399, 400f), denn wer den Rechtsfrieden bricht, muss grds auch dulden, dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gesellschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird, wobei der Umfang und die Intensität der erlaubten Berichterstattung von den Umständen des Einzelfalls, wie bspw der Bedeutung der Tat für die Öffentlichkeit, abhängt (zu den Grundsätzen der Kriminalberichterstattung Rn 146ff). b) Kontext Kunstfreiheit. Ein Werk, ob Roman, Film, Theaterstück oder Drehbuch, dessen wesentliche Grund- 133 lage die Darstellung einer wirklich existierenden Person ist, muss als ein Kunstwerk angesehen werden (zur Kunstfreiheit Rn 259ff), wenn der Anspruch des Autors deutlich wird, diese Wirklichkeit künstlerisch zu gestalten (BGHZ 50, 133 – Mephisto; Frankfurt ZUM 2009, 952, 954 – Romy Schneider; LG Frankfurt ZUM 2009, 308, 309 – Ende einer Nacht m Anm Becker und Ladeur; ähnl BVerfG NJW 2008, 39, 40 – Esra; BGH GRUR 2021, 1222 – Die Auserwählten; Hamburg ZUM 2005, 79 – Das Ende des Kanzlers; LG Münster NJW-RR 2003, 692, 693 – Wilsberg und der tote Professor; zum Fehlen eines erkennbar künstlerisch-literarischen Gestaltungswillens Karlsruhe NJW-RR 2012, 820, 822). Aus der Anerkennung als Kunstwerk folgt die Pflicht, eine kunstspezifische Betrachtung anzulegen (BVerfG NJW 2008, 39, 42 – Esra; ZUM 2008, 323 – Ehrensache; BGH GRUR 2021, 1222 – Die Auserwählten; Frankfurt ZUM 2008, 793, 794 – Kannibale von Rotenburg; ZUM 2009, 952, 955 – Romy Schneider), weshalb sich der Einzelne im Erg nicht in gleichem Maße auf ein Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbildes berufen kann. Dies bedeutet, dass die Spannungslage zw dem Schutz des APR und der Kunstfreiheit nicht allein auf die Wirkungen eines Kunstwerks im außerkünstlerischen Sozialbereich abheben kann, sondern auch kunstspezifischen, ästhetischen Gesichtspunkten Rechnung tragen muss. Zur Einzelfallabwägung zw Kunstfreiheit und APR s auch Rn 262. aa) Vermutung für die Fiktionalität. Nach BVerfG NJW 2008, 39, 42 – Esra verlangt die Gewährleistung der 134 Kunstfreiheit, den Leser eines literarischen Werks für mündig zu halten, dieses von einer Meinungsäußerung zu unterscheiden und zw der Schilderung tatsächlicher Gegebenheiten und einer fiktiven Erzählung zu differenzieren. Vor diesem Hintergrund ist ein literarisches Werk zunächst als eine Fiktion anzusehen, die keinen Faktizitätsanspruch erhebt (s auch BVerfG NJW 2009, 751 – Ehrensache; Frankfurt ZUM 2009, 952, 954 – Romy Schneider). Dies gilt selbst dann, wenn hinter den Roman- oder Filmfiguren real existierende Personen als Urbilder erkennbar sind (BVerfG NJW 2008, 39, 42 – Esra; Frankfurt ZUM 2009, 952, 955 – Romy Schneider; Karlsruhe ZUM 2012, 490 – Internetveröffentlichung in Romanform; LG Köln NJW-RR 2011, 1492; LG Frankfurt ZUM 2009, 308, 310 – Ende einer Nacht m Anm Becker und Ladeur; Lenski NVwZ 2008, 281, 282; zum Theaterstück BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache; Hamm ZUM 2010, 453; zum Film LG Köln ZUM 2009, 324, 330 – Baader Meinhof Komplex, s hierzu auch Luther AfP 2009, 215; Riedel, Vermutung des Künstlerischen, 2011; Neumeyer, Person-Fiktion-Recht, Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch Werke der fiktionalen Kunst, 2010; Loschelder GRUR 2013, 14), denn Kennzeichen für ein künstlerisches Werk (insb ein literarisches Werk, das an reale Geschehnisse anknüpft) ist, dass eine Vermengung von tatsächlichen und fiktiven Schilderungen erfolgt (BVerfG NJW 2008, 39, 42 – Esra; ZUM 2008, 323 – Ehrensache; BGH NJW 2009, 751, 753 – Ehrensache; LG Frankfurt ZUM 2009, 308, 310 – Ende einer Nacht m Anm Becker und Ladeur). Diese Fiktionalitätsvermutung, die nicht nur für Romane Geltung beansprucht, liegt bei anderen Kunstgattungen sogar noch klarer auf der Hand – so wird sich bspw bei einem Theaterstück der Zuschauer allein wegen der räumlichen Gegebenheiten idR bewusst machen, ein Schauspiel zu beobachten und nicht mit der Realität konfrontiert zu werden (Köln GRUR-RR 2009, 324, 326 – Ehrensache). Anders liegt der Fall bei biographischen Werken – hier ist die Vermutung der Fiktionalität regelmäßig als widerlegt anzusehen, da die dargestellten Ereignisse als tatsächlich geschehen gelten (LG Frankfurt ZUM 2009, 308, 310 – Ende einer Nacht m Anm Becker und Ladeur). bb) Kein Recht, nicht zur Vorlage einer Romanfigur zu werden. Da sich die Kunstfreiheit typischerweise an 135 der Lebenswirklichkeit orientiert, reale Vorbilder nutzt, sich mit diesen im Rahmen des Werks auseinandersetzt und so Wirklichkeit künstlerisch gestaltet, kann es nach BVerfG NJW 2008, 39, 42 – Esra kein parallel zum Recht am eigenen Bild verstandenes Recht am eigenen Lebensbild geben, wenn dies als Recht verstanden würde, nicht zum Vorbild einer Romanfigur zu werden (auch ist die bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler kein Bildnis der dargestellten Person iSd § 22 S 1 KUG, BGH GRUR 2021, 1222 – Die Auserwählten). Dies könne jedoch nur gelten, wenn es sich bei der in Rede stehenden Publikation tatsächlich um Literatur handelt, die für den Leser erkennbar keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Ein fälschlicherweise als Roman etikettierter bloßer Sachbericht kann daher nicht in den Schutz einer kunstspezifischen Betrachtung kommen (s hierzu Karlsruhe ZUM 2012, 490 – keine kunstspezifische Betrachtung mangels künstlerischer Gestaltung bei Internetveröffentlichung von Indiskretionen in „Romanform“, die ersichtlich darauf abzielten, Geldzahlungen zu erpressen). Klass
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cc) Erkennbarkeitsmaßstab. Während das BVerfG in der Mephisto-Entscheidung (GRUR 1971, 461, 465) noch darauf abstellte, ob ein nicht unbedeutender Leserkreis das Urbild erkenne, akzeptiert es im Interesse auch nicht prominenter Betroffener in der Esra-Entscheidung (NJW 2008, 39, 41) den vom BGH angelegten Maßstab einer Erkennbarkeit durch einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis, denn gerade die Erkennbarkeit einer Person durch deren näheren Bekanntenkreis kann für diese besonders nachteilig sein. Allerdings kann nicht allein die Möglichkeit der Entschlüsselung zur Annahme einer Erkennbarkeit der als Vorbild dienenden Person ausreichen, vielmehr muss sich die Identifizierung jedenfalls für den mit den Umständen vertrauten Leser aufdrängen, was regelmäßig eine hohe Kumulation von Identifizierungsmerkmalen voraussetzt (BVerfG aaO; Karlsruhe ZUM 2012, 490 – Internetveröffentlichung in Romanform). dd) Bewertung im Einzelfall. (1) Allgemeines Persönlichkeitsrecht. Bei der Frage, ob ein Kunstwerk das APR beeinträchtigt, kommt es auf den Aussagegehalt dieses Werkes an; bei der Interpretation sind, wie gezeigt, die Besonderheiten der künstlerischen Ausdrucksform zu berücksichtigen. Grds hat im Einzelfall eine Abwägung stattzufinden, die sowohl dem APR als auch der Kunstfreiheit gerecht wird. Angesichts der Bedeutung der Kunstfreiheit ist jedoch anerkannt, dass eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des APR nicht ausreichen, um die Kunstfreiheit einzuschränken (zu Einschränkungen bei der Gewährung von Geldentschädigungsansprüchen im Zsh mit fiktionalen Werken s Rn 316). Lässt sich jedoch eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann diese auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG NJW 2008, 39, 42 – Esra; BVerfGE 67, 213, 228 – Anachronistischer Zug; München AfP 2013, 154). Die Schwere der Beeinträchtigung des APR hängt dabei zum einen davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Rezipienten nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Personen zu beziehen, zum anderen ist aber auch die Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Rezipient diesen Bezug herstellt, ausschlaggebend. Grds gilt nach wie vor die im Mephisto-Urt (BVerfG GRUR 1971, 461, 466) geprägte Urbild-Abbild-Formel: Je stärker der Autor eine Romanfigur von ihrem Urbild löst und zu einer Kunstfigur verselbständigt, umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugutekommen. Es kommt mithin entscheidend darauf an, ob sich das Abbild von seinem Urbild durch die künstlerische Gestaltung des Stoffes und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Romans so verselbständigt und in der Darstellung künstlerisch transzendiert, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figur als genügend objektiviert erscheint (BVerfG NJW 2008, 39, 42 – Esra; GRUR 1971, 461, 466 – Mephisto; Frankfurt ZUM 2009, 952 – Romy Schneider; LG Münster NJW-RR 2003, 692, 693 – Wilsberg und der tote Professor; LG Koblenz NJW 2007, 695 – Gäfgen; LG Köln NJW-RR 2011, 1492, 1494; Frankfurt ZUM-RD 2020, 61– Skylines; BGH GRUR 2021, 1222, 1225 – Die Auserwählten). Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt daher idR vor, wenn die namentl genannte Person nur als Kunstfigur oder Abbildung eines bestimmten Typs dargestellt und beschrieben wird (LG Berlin GRUR 1980, 187, 188 – Der eiserne Gustav). Je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer wiegt jedoch die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Je mehr die künstlerische Darstellung die besonders geschützten Dimensionen des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muss die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen. Keinesfalls darf nach Ansicht des BVerfG auf eine Verletzung des APR jedoch bereits aufgrund der Erkennbarkeit als Vorbild einerseits und der Angabe bestimmter negativer Züge der Figur andererseits geschlossen werden (BVerfG NJW 2008, 39, 43 – Esra; ZUM 2008, 323 – Ehrensache). Insb hat der Einzelne auch kein Recht darauf, nicht negativ dargestellt zu werden (Frankfurt ZUM 2009, 952, 956 – Romy Schneider) oder nur so dargestellt zu werden, wie er sich selber sieht oder von anderen gesehen werden möchte (BVerfG NJW 1999, 1322, 1324 – Helnwein; Köln NJW-RR 2006, 126; VG Sigmaringen NJW 2001, 628, 629). Auch eine wertneutrale Tatsachenbehauptung führt nicht zu einer Verzeichnung des Lebensbildes des Betroffenen (Köln NJW-RR 2006, 126, 127). Im Einzelfall kann selbst die Wiedergabe von Details aus dem Intimleben zulässig sein – nämlich dann, wenn die Informationen der breiten Öffentlichkeit bereits bekannt und aktuell bewusst sind und/oder der Betroffene die Öffentlichkeit gesucht und bspw namentl sowohl an einem Buchprojekt sowie einer Fernsehsendung über seine Tat mitgewirkt hat (BVerfG ZUM-RD 2009, 574, 575 – Kannibale von Rotenburg; anders noch Frankfurt ZUM 2008, 793, 796 – Kannibale von Rotenburg; BGH GRUR 2021, 1222, 1225 – Die Auserwählten). Voraussetzung für die Beeinträchtigung der Intimsphäre (vgl auch Rn 122) durch ein literarisches Werk ist vielmehr, dass sich durch den Text die naheliegende Frage stellt, „ob sich die geschilderten Handlungen als Berichte über tatsächliche Ereignisse begreifen lassen, bspw deshalb, weil es sich um eine aus vom Autor unmittelbar Erlebtem stammende, realistische und detaillierte Erzählung entsprechender Geschehnisse und die genaue Schilderung intimster Details einer Frau handele, die deutlich als tatsächliche Intimpartnerin des Autors erkennbar ist“ (BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache; NJW 2008, 39, 46 – Esra). Dies bedeute keine „Tabuisierung des Sexuellen“, denn die Schilderung von Intimbeziehungen bleibe unbenommen, wenn dem Leser nicht nahegelegt wird, sie auf bestimmte Personen zu beziehen (BVerfG NJW 2008, 39, 44 – Esra). (2) Postmortales Allgemeines Persönlichkeitsrecht. Auch über den Tod hinaus bleibt der sittliche, personale und soziale Geltungswert erhalten, den der Verstorbene zu Lebzeiten erworben hat; daher wird er auch nach seinem Tod gegen schwerwiegende Entstellungen seines Lebensbildes geschützt (BVerfG GRUR 1971, 461 – Mephisto; Köln GRUR-RR 2009, 324, 326 – Ehrensache). Die Schutzwirkungen des verfassungsrechtl postmortalen
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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APR sind jedoch nicht mit denen identisch, die sich aus Art 2 I GG iVm Art 1 I GG für lebende Personen ergeben (BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache, vgl zum postmortalen APR ausf Rn 69ff). ee) Fazit. Die neue Linie des BVerfG, insb die Vermutungswirkung für die Fiktionalität in Kombination mit der Absage an ein Verfügungsrecht über die eigene Person im Bereich künstlerischer Werke, stärkt die Kunstfreiheit ggü dem APR enorm. Sie weist jedoch Schwächen auf. Zum einen kann die Auffassung, Romane hätten nichts mit der Wirklichkeit zu tun und sie könnten per se nicht beleidigen (LG Münster NJW-RR 2003, 692, 695 – Wilsberg und der tote Professor), nicht überzeugen, denn wie Grimm (ZRP 2008, 29, 30) zu Recht feststellt, macht der Roman die Wirklichkeit nur mit der Sprache der Kunst sichtbar. Zum anderen ist aus Sicht des Persönlichkeitsrechtsschutzes nicht überzeugend, dass eine ausreichende Verfremdung trotz Erkennbarkeit aufgrund des Hinzufügens negativer Attribute, Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften bejaht werden kann, denn diese Betrachtungsweise führt dazu, dass allein der Betroffene das Risiko der Fehlinterpretation trägt. Zudem ist nicht einsichtig, dass die Zunahme an eigentlichen Verletzungen des APR letztlich zu ihrer Rechtfertigung führen soll (so auch MüKo/Rixecker Rn 283). Darüber hinaus neigen Zuschauer und Leser dazu, insb im Bereich von realitätsnahen bzw halbdokumentarischen Formaten, wie bspw dem Dokumentarspiel, aber auch bei autobiografischen Romanen, eine realistische Darstellung mit der Wirklichkeit gleichzusetzen und die Interpretation des Geschehens als richtige, obj Bewertung zu übernehmen. Hinzu kommt, dass insb das Dokumentarspiel auch bei noch so enger Anlehnung an die Wirklichkeit nicht ohne dichterisches Beiwerk auskommen kann, ohne dass der Zuschauer dies immer erkennen könnte (BVerfG NJW 1973, 1226, 1230 – Lebach I; LG Koblenz NJW 2007, 695, 697 – Gäfgen). Wird das Lebensbild einer erkennbaren Person bewusst durch frei erfundene Zitate grundlegend negativ entstellt und ist die negative Verfremdung nicht aufgrund ihrer Darstellung oder Übertreibung als solche zu erkennen, muss sich die Kunstfreiheit Einschränkungen im Interesse des Persönlichkeitsrechtsschutzes gefallen lassen (so auch BGH NJW 1958, 1773, 1777 – Mephisto). Neben diesen Aspekten erscheinen auch die Auswirkungen der Versagung eines Rechts, nicht zum (erkennbaren) Gegenstand eines Romans zu werden, auf das alltägliche Miteinander und damit das APR von Personen, die Künstlern nahestehen, bedenklich, denn es entsteht der Eindruck, deren Lebensdaten würden in gewisser Weise „gemeinfrei“ – was es zu verhindern gilt (ähnl auch MüKo/Rixecker Rn 284). Jede andere Beurteilung trägt die Gefahr eines Hemmungseffekts im Umgang mit Künstlern und damit einen möglichen Verzicht auf Persönlichkeitsrechte in sich. Will sich ein Künstler von realen Personen und tatsächlichen Ereignissen inspirieren lassen, ist ihm zuzumuten, so viel Fantasie aufzubringen, dass die Person für andere nicht erkennbar ist (das Bestehen einer Entschlüsselungsmöglichkeit bleibt ohnehin unbeachtlich). Wird in identifizierender Art und Weise dargestellt, ist die Person also ohne Weiteres erkennbar, soll sie es vielleicht sogar sein und wird ihr Leben und ihre Persönlichkeit „ausgebeutet“, muss das Dargestellte jedoch auch der Wahrheit entsprechen (ähnl auch Seitz ZRP 2005, 141: „Die großen Künstler sind kreativ genug, um Dinge zu erfinden. Nur die Ausbeuter unter den Künstlern haben nicht genug Fantasie oder sie sind zu faul, sich etwas einfallen zu lassen.“). Einer eindeutig erkennbar beschriebenen Person muss daher das Recht zustehen, sich dagegen zur Wehr zu setzen, dass ihr negative Attribute angedichtet werden oder sie (auch jenseits sexueller Schilderungen) mit sonstigen tatsächlich in dieser Weise nicht erlebten Lebensdetails in Verbindung gebracht wird. 9. Schutz vor der Herstellung von Bildaufnahmen. a) Kein Schutz durch das KUG. Die Herstellung eines Bildnisses fällt nicht unter §§ 22ff KUG, da diese nicht die Anfertigung, sondern lediglich die Verbreitung und öffentl Zurschaustellung eines Bildnisses zum Gegenstand haben (ausf dazu Rn 167ff); auch kommt angesichts der Strafbewehrung in § 33 KUG keine analoge Anwendung in Betracht, Dresden ZUM 2018, 785 – Anfertigung einer Fotografie. Schutz gegen die ungenehmigte Herstellung bieten jedoch zum einen § 201a StGB zum anderen das APR (BGH GRUR 1957, 494, 497 – Spätheimkehrer; GRUR 1967, 205, 208 – Vor unserer eigenen Tür; Schertz AfP 2005, 421, 423). Zum zivilrechtl Bildnisschutz im Vorfeld von Weitergabe und Veröffentlichung s Golla/Herbort GRUR 2015, 648. b) Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs, § 201a StGB. § 201a StGB, der dem Schutz des höchstpersönl Lebensbereichs dient, sieht u.a. vor, dass jeder, der von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönl Lebensbereich verletzt (§ 201a I Nr 1 StGB), mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird. § 201a I Nr 4 StGB erfasst zudem die unbefugte Weitergabe von Selbstaufnahmen des Tatopfers, BGH ZUM 2021, 359. Aus einer Verletzung des § 201a StGB können zudem Ansprüche auf Schadensersatz aus § 823 II folgen, MüKo/Rixecker Rn 6. Schutz gegen Aufnahmen in der Öffentlichkeit bietet die Norm jedoch nicht, Ernst NJW 2004, 1277, 1278. c) Schutz durch das APR. Das Recht am eigenen Bild stellt nur eine teilweise Ausformung des APR dar und schließt einen weitergehenden Bildnisschutz nicht aus, ein Rückgriff auf das APR ist daher nicht durch § 22 KUG verwehrt, BGH AfP 2016, 243, 245 – Beziehungsende. Inwieweit das bloße Anfertigen eines Bildnisses vom Schutz des APR umfasst wird, ist nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht dahingehend, dass jedenfalls die unbefugte Aufnahme eines Bildnisses aus dem Bereich der Intimsphäre bzw Aufnahmen, welche die Menschenwürde des Einzelnen tangieren, das APR verletzen (KG NJW-RR 2007, 1196, 1198 – Paparazzo; LG München I NJW 2004, 617 – Nacktaufnahmen: Abbildung des nackten Körpers als besonders schwerer Eingriff; OVG Münster ZUM-RD 2013, 348, 350). Gleiches gilt in Fällen der Bildniserschleichung (zB Einsatz versteckter Kameras oder Paparazzi-Überwachungen; vgl hierzu Schertz AfP 2005, 421, 422f), also immer dann, wenn die Festlegung der äußeren Erscheinung einer Person heimlich, dh ohne Wissen und gegen ihren Willen sowie Klass
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Personen
in der Absicht vorgenommen wird, das Bild der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Ernst NJW 2004, 1277, 1278; Frankfurt GRUR 1958, 508, 509 – Verbrecherbraut). Nur in Einzelfällen kann eine Bildniserschleichung im Interesse der Allgemeinheit zulässig sein (verneint: BGH GRUR 1957, 494, 497 – Spätheimkehrer; GRUR 1967, 205, 208 – Vor unserer eigenen Tür). Aber auch darüber hinausgehend wurde vereinzelt im Herstellen von Bildnissen, bspw durch Kameraüberwachung und Videoaufzeichnungen (BGH NJW 1995, 1955 – Videoüberwachung; NZM 2010, 373; LG München I ZWE 2012, 233; AG Tempelhof-Kreuzberg 1.3.2012 – 25 C 84/12), ein Eingriff in das APR bejaht, sog vorbeugender Bildnisschutz (BVerfG NJW 2000, 1021, 1022 – CvM; KG NJWRR 2007, 1196, 1198 – Paparazzo), selbst dann, wenn keine Verbreitungsabsicht bestand (BGH NJW 1995, 1955, 1956 – Videoüberwachung; Dresden ZUM 2018, 785 – Anfertigung einer Fotografie: Der Verletzte muss beweisen, dass es tatsächlich zur Herstellung eines Bildnisses gekommen ist; das Erwecken eines solchen Eindrucks reicht nicht aus). Nach KG NJW-RR 2007, 1196, 1198 – Paparazzo, ist bspw die Anfertigung eines Fotos durch Journalisten jedenfalls dann unzulässig, wenn auch eine Verbreitung desselben in jedem nur denkbaren Kontext unzulässig wäre, oder wenn die Aufnahme so überraschend ist, dass sich der Betroffene nicht mehr darauf einstellen kann. Grds gilt jedoch, dass der Schutz keinesfalls weiter reichen darf als derjenige gegen eine Veröffentlichung, weshalb die von §§ 23f KUG geschützten Informationsinteressen analog zu berücksichtigen sind (Wandtke/Bullinger/Fricke § 22 KUG Rn 9; Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider § 22 KUG Rn 12). Ob im Einzelfall ein rechtswidriger Eingriff anzunehmen ist oder ein berechtigtes Interesse für die Bildaufnahme vorliegt (bspw kann ein schützenswertes Interesse bei Bildaufnahmen zu Beweiszwecken bestehen), ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer die (verfassungs-)rechtl geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigenden Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln. Nach Ansicht des BGH kommt ein Löschungsanspruch in Betracht, wenn bereits durch die Anfertigung das APR des Abgebildeten verletzt wurde, der Besitz an den Fotos Folge dieser Verletzung ist und der hierdurch hervorgerufene Störungszustand aufrechterhalten wird, BGH AfP 2016, 243, 245 – Beziehungsende, unter Verweis auf BGHZ 177, 119 Rn 30; BGH NJW 1966, 2353, 2354. Ungeklärt ist ebenfalls, ob und inwieweit die permanente Verfolgung, bspw durch Paparazzi, eine Verletzung des APR darstellt (Ausfluss des Rechts, in Ruhe gelassen zu werden) bzw ob diese Art der Belästigung durch das GewSchG erfasst wird (hierzu ausf Walter ZUM 2002, 886, die sich im Erg für eine Einbeziehung „lästiger, nicht zu tolerierender Presseobservation“ ausspricht). Der BGH weist jedenfalls in seiner neueren Rspr darauf hin, dass es eine erhebl Einschränkung des APR darstellen würde, wenn sich eine Person des öffentl Interesses nicht unbefangen in der Öffentlichkeit bewegen könnte, weil sie auch bei privaten Gelegenheiten jederzeit widerspruchslos fotografiert und mit solchen Fotos zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht werden dürfte (BGH GRUR 2009, 665, 666 – Lebensgefährte von Sabine Christiansen); und auch BVerfG (NJW 2008, 1793) sowie BGH (NJW 2010, 3025 – Charlotte Casiraghi II: erhöhtes Schutzbedürfnis im Bereich der Bildberichterstattung) betonen ähnl wie der EGMR (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I), dass im Abwägungsprozess zugunsten des Schutzes des Privatlebens ebenfalls die Belästigungen (durch Paparazzi) und sonstige Umstände (bspw Ausnutzen von Heimlichkeit, beharrliches Nachstellen) berücksichtigt werden müssen, unter denen die veröffentlichten Fotos gemacht wurden (vgl auch BGH ZUM 2013, 132, 135 sowie EGMR NJW 2012, 1053 – CvH/ Deutschland II). 146 10. Schutz der Anonymität im Kontext der Kriminalitätsberichterstattung. a) Allgemeine Grundsätze der Kriminalitätsberichterstattung. aa) Die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Zunächst ist festzustellen, dass die Gewährleistung der Menschenwürde auch für Personen gilt, die einer Straftat verdächtigt werden (BGHZ 24, 72 – Krankenkassenpapiere). Tatverdächtige und Beschuldigte sind daher grds Beteiligte und nicht Gegenstand eines Strafverfahrens, weshalb die Persönlichkeit der Betroffenen nicht – jedenfalls nicht über die bereits bestehenden gesetzl Beschränkungen hinaus – für die Verbrechensbekämpfung aufgeopfert werden darf (BGH NJW 1954, 649 – Lügendetektor). 147 bb) Die Unschuldsvermutung. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung nach Art 6 EMRK (auch ein Geständnis beseitigt die Unschuldsvermutung während des Gerichtsverfahrens nicht, EGMR 21.9.2017 – 51405/12 Axel Springer SE und RTL Television GmbH/Deutschland; nach München AfP 2022, 349, 350 – Wirecard sowie Köln AfP 2019, 74 Rn 30ff verliert sie allerdings an Gewicht, wenn die Beteiligung an der Tat aufgrund des Geständnisses „nicht mehr in Zweifel steht und auch nicht zu befürchten ist, dass sich dies im weiteren Verlauf des Strafverfahrens noch ändern wird“; zur Relevanz eines „Teilgeständnisses“ s München AfP 2022, 349, 352 – Wirecard Kronzeuge; ZUM-RD 2023, 31). Der Begriff des „Angeklagten“ ist zudem nicht rechtstechnisch zu verstehen, auch der Angeschuldigte/Beschuldigte wird erfasst. Art 6 EMRK hat zwar als strafprozessuales Grundrecht keine unmittelbare, wohl aber mittelbare Drittwirkung (BGH GRUR 2019, 1084, 1089 – Star Anwalt; Bornkamm NStZ 1983, 102, 104) und strahlt insofern auch auf das APR aus, welches sodann der Berichterstattung über Strafverfahren im Einzelfall Grenzen setzen kann (s hierzu Trüg NJW 2011, 1040). Die Unschuldsvermutung gebietet eine entspr Zurückhaltung, mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung und führt idR dann zu einer Einschränkung der Medienberichterstattung, wenn die maßgebl Grundsätze der Verdachts- und Strafberichterstattung sowie die insofern bestehenden Sorgfaltspflichten nicht eingehalten wurden (BGH NJW 2000, 1036, 1037: Einhaltung der Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung; s auch BGH GRUR 2014, 693 – Sächsische Korruptionsaffäre; Köln 14.2.2012 – 15 U 132/11; Dresden NJW 2004, 1181, 1182; Köln NJW 1987, 2682, 2683; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; LG Berlin AfP 2008, 216; Müller NJW 2007, 1617, 1618) oder die Berichterstattung zu einer Stigmatisierung führt oder Nachteile zufügt, die 72
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen (BGH GRUR 2019, 1084, 1087 – Star Anwalt). S zur Unschuldsvermutung auch EGMR NJW 2016, 3225 – Cleve/Germany; NJW 2015, 37 – Karaman/Deutschland sowie zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens, insb bei feindseliger Pressekampagne EGMR NJW 2016, 3147 – Abdulla Ali/Vereinigtes Königreich, aber auch iÜ EGMR 29.3.2016 – 56925/08 – Bedat/Schweiz. b) Verdachtsberichterstattung/Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren. aa) Allg Grundsätze der 148 Verdachtsberichterstattung (s auch Rn 105). Die Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat gehört zum Zeitgeschehen (BVerfGE 35, 202 – Lebach; BVerfG NJW 2009, 350, 351 – Holzklotzfall; NJW 1993, 1463; BGH GRUR 2019, 1084, 1086 – Star Anwalt; BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; BGH NJW 2013, 1681, 1682; ZUM 2013, 399, 400 – Apollonia-Prozess; GRUR 2013, 94, 97 – Gazprom-Manager; Müller NJW 2007, 1617, 1618). Den Medien kommt insoweit die Aufgabe zu, die Öffentlichkeit über Straftaten und ihre Umstände umfassend zu informieren. Dies resultiert zum einen aus der Informationsfreiheit, Art 5 I 1 Hs 2 GG, und zum anderen aus dem legitimen demokratischen Bedürfnis nach Kontrolle der für die Sicherheit und Ordnung zuständigen Staatsorgane und Behörden (Braunschweig NJW 1975, 651, 652). Vor diesem Hintergrund darf die Presse insb der Aktualität wg auch Informationen verbreiten, an deren Zuverlässigkeit Zweifel bestehen, da sie sonst ihre durch Art 5 I GG verfassungsmäßig gewährleisteten Aufgaben nicht erfüllen kann (BGHZ 143, 199, 203 – Schleimerschmarotzerpack; NJW 1977, 1288 – Abgeordneten-Bestechung). Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn schon entspr Verdächtigungen in die Öffentlichkeit gedrungen sind. Mit Blick auf die Unschuldsvermutung (Rn 147) muss jedoch stets die Gefahr berücksichtigt werden, „dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt“, BGH ZUM 2022, 224, 227 – Dieselskandal. Erforderlich ist daher zunächst, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt, die der Information den erforderlichen Öffentlichkeitswert verschaffen (BGH ZUM-RD 2013, 323, 327; NJW 1977, 1288, 1289 – Abgeordneten-Bestechung; BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; BGH ZUM 2022, 224, 227 – Dieselskandal; s hierzu auch Molle ZUM 2010, 331, 333; Lehr NStZ 2009, 409, 412 und NJW 2013, 728, 730; Gounalakis NJW 2012, 1473, 1475; Neuling HRRS 2006, 94, 98). Nicht ausreichend ist insofern der Umstand, dass Strafanzeige oder Strafantrag gestellt wurde; auch die Aufnahme von Ermittlungen oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sind nicht per se ausreichend (BGH ZUM 2022, 664 Rn 34: Staatsanwaltschaft muss schon bei Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufnehmen; die Schwelle hierfür liegt sehr niedrig, s auch Dresden ZUM-RD 2019, 529, 532, Klass ZUM 2022, 1, 6); bei Fortschreiten des Verfahrens oder Erlass eines Haftbefehls kann sich dies jedoch ändern. Zudem muss stets mitgeteilt werden, dass die Behauptungen noch nicht hinreichend nachgewiesen sind, Karlsruhe NJW-RR 2003, 688, 690; Gleiches gilt für entlastende Gesichtspunkte, damit der Leser sich selbst ein zutr Urt bilden kann (BGH NJW 2000, 656, 657 – Schmiergeld; Molle ZUM 2010, 331, 333; Hohmann NJW 2009, 881, 882). Nicht zuletzt soll – abgesehen von Fällen dringenden Tatverdachts (Celle NJW 2004, 1461 – Pressekonferenz; einschränkend insoweit Trüg NJW 2011, 1040) – bei bloßem Anfangsverdacht auch eine identifizierende Namensnennung unterbleiben (Gounalakis NJW 2012, 1473, 1475). Darüber hinaus muss die Berichterstattung den Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden zutr wiedergeben 149 und den Hinweis enthalten, dass dem Verdacht mit pressemäßigen Mitteln nicht rechtzeitig auf den Grund zu kommen war (auch ein Boulevard-Blatt darf die Dinge nicht verzerrt darstellen, Düsseldorf NJW 1980, 599, 600f), wobei erhöhte Anforderungen an die publizistische Sorgfaltspflicht hinsichtl Wahrheit, Inhalt und Herkunft eines Verdachts bestehen (zur Pflicht, überholte Altmeldungen über einen Verdacht im Internet zu aktualisieren vgl Düsseldorf GRUR-RR 2011, 21; BGH GRUR 2013, 94, 97 – Gazprom-Manager; zur Verantwortlichkeit für urspr rechtmäßige Archivberichte s Rn 166); Sorgfaltspflichten bestehen auch dann, wenn sich die Berichterstattung auf die Wiedergabe dessen beschränkt, was bereits in anderen Medien zu lesen war, Dresden ZUM-RD 2019, 529, 532. Die Sorgfaltspflichten sind umso höher, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird bzw je schwerer der Verdacht wiegt (BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; BGH NJW 1977, 1288, 1289 – Abgeordneten-Bestechung; NJW-RR 1988, 733, 734; ZUM-RD 2013, 323, 327; Hamburg ZUM 2010, 606, 607; München NJW-RR 1996, 1493, 1494 – Focus; Lehr NStZ 2009, 409, 412; Hohmann NJW 2009, 881, 882; Müller NJW 2007, 1617). Wird offenbar, dass die Wahrheit sich nicht erweisen lässt, ist es zumutbar, kenntlich zu machen, dass die verbreiteten Behauptungen durch das Ergebnis eigener Nachforschungen nicht gedeckt sind oder kontrovers beurteilt werden (BVerfG GRUR-Prax 2016, 412 – Doping-Vorwurf). Allerdings darf sich die Presse idR nach einer kritischen Prüfung auf die Wahrheit einer Behauptung verlassen, wenn diese aus einer sog privilegierten Quelle herrührt, die keine Zweifel an ihrer Richtigkeit aufkommen lässt (namhafte Nachrichtenagenturen, offizielle amtl Auskünfte, vgl bspw BGH ZUM-RD 2013, 323, 327: hierzu ausf Rn 163, 165; aber keine privilegierte Quelle bei Äußerungsexzess, so Lehr in Müller/Schlothauer/Knauer, MAH Strafverteidigung, § 21 Rn 25ff). Des Weiteren muss dem Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnet werden (BGH ZUM 2022, 224, 227 – Dieselskandal; GRUR 2022, 735, 739 – Traumfrau gesucht; BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; KG AfP 2007, 576 – Rütli-Schule; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Lehr NStZ 2009, 409, 412; Hohmann NJW 2009, 881, 882). Dies setzt voraus, „dass der Betroffene nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, sondern dass seine etwaige Stellungnahme auch zur Kenntnis genommen und der Standpunkt des Betroffenen in der Berichterstattung sichtbar wird“, BGH GRUR 2022, 735, 739 – Traumfrau gesucht. Nicht erforderlich ist die Einholung einer Stellungnahme jedoch, wenn der mutmaßliche Täter erklärt hat, sich grundsätzlich nicht äußern zu wollen, Köln ZUM 2012, 337 – Verdachtsberichterstattung über Vergewaltigungsprozess, oder sein Aufenthaltsort unKlass
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Personen
bekannt ist, weil er sich ins Ausland abgesetzt hat, KG ZUM-RD 2021, 470, 475. Die Anhörung kann aber nicht allein deshalb entfallen, weil der Betroffene inhaftiert und die Person des Strafverteidigers oder Medienrechtsanwalts unbekannt ist (BGH ZUM 2022, 224) oder eine vernünftige Prognose erwarten lässt, dass der Betroffene lediglich ein Dementi abgeben wird, denn auch die „Information über ein Dementi ist grundsätzlich geeignet, der Gefahr einer Vorverurteilung zu begegnen“, BGH ZUM 2022, 224, 227 – Dieselskandal. Auch ist ein bloßes Interview-Angebot nicht ausreichend (BGH NJW-RR 1988, 733, 734; Hamburg ZUM 2010, 606, 607; Dresden NJW 2004, 1181, 1182; Molle ZUM 2010, 331, 333); vielmehr ist erforderlich, dass dem Betroffenen substantiiert der den Verdacht begründende Sachverhalt zur Stellungnahme vorgelegt wird. Wird eine zu kurze Frist für die Stellungnahme gesetzt und bittet der Betroffene um eine Verlängerung, erfolgt die Veröffentlichung jedoch ohne weitere Absprache mit den Betroffenen, so wurde keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt (BGH ZUM 2022, 664). Erfolgt eine Entgegnung, so muss diese in die Berichterstattung aufgenommen werden (Lehr in Müller/Schlothauer/Knauer, MAH Strafverteidigung, § 21 Rn 33). Grds muss jedoch in jedem Einzelfall eine Abwägung der involvierten Interessen stattfinden. Dabei sind der Umstand und das Maß des Unerwiesenseins der Behauptungen, die Schwere des Eingriffs, die Stellung und das Verhalten des Betroffenen in der Öffentlichkeit und der Stand des Ermittlungsverfahrens zu berücksichtigen (Strafanzeige allein hat idR kaum Aussagekraft; je weiter das Ermittlungsverfahren vorangeschritten ist, desto eher geht das Informationsinteresse dem Geheimhaltungsinteresse vor, Dresden NJW 2004, 1181, 1182; BVerfG NJW 2007, 2686, 2687). Die Grenzen der Berichterstattung sind dabei umso enger, je größer das Risiko ist, dass sich die Beschuldigung als unwahr erweisen könnte (BGH NJW 1977, 1288, 1289 – Abgeordneten-Bestechung; BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; Dresden NJW 2004, 1181, 1182; München NJW-RR 1996, 1493, 1494 – Focus; Frankfurt NJW-RR 1996, 1490, 1491 – Monika Haas; Müller NJW 2007, 1617) und je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Bei der Beurteilung, ob ein öffentl Interesse besteht, ist jedoch maßgeblich das Selbstbestimmungsrecht der Presse zu beachten, welches das Recht umfasst, den Gegenstand der Berichterstattung frei zu wählen (BVerfG NJW-RR 2010, 1195). 150 Die konkrete Darstellung darf keine Vorverurteilung enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutr Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen bereits überführt (BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; Frankfurt NJW-RR 1990, 989, 990; Hamburg ZUM 2010, 606, 607; München NJW-RR 2002, 186; Hohmann NJW 2009, 881, 882). Ebenfalls dürfen keine Details aus der Ermittlungsakte preisgegeben werden, die zu einer Stigmatisierung des Verdächtigen führen könnten, da die Rehabilitation im Fall eines Freispruchs erheblich gefährdet ist, denn Ermittlungsakten erwecken typischerweise den Anschein, dass ein erhebliches Maß an Authentizität vorliegt (Ratio des § 353d Nr 3 StGB; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; s in diesem Kontext auch Hamburg, ZUM-RD 411ff zur Veröffentlichung von durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Tagebüchern). Die bis zur Verurteilung geltende Unschuldsvermutung legt der Presse daher angesichts der Prangerwirkung einer solchen Mitteilung besondere Zurückhaltung auf (München NJW-RR 1996, 1493, 1494 – Focus; Braunschweig NJW 1975, 651, 652; Köln 14.2.2012 – 15 U 131/11; LG Berlin NJW-RR 2003, 552; AfP 2008, 530; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Müller NJW 2007, 1617, 1618). 151 Unzulässig ist ebenfalls eine auf Sensation ausgehende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung (München NJW-RR 2002, 186 mwN; LG Köln ZUM-RD 2013, 143, 144; ZUM-RD 2013, 402; Köln ZUM-RD 2016, 30 – Kachelmann). Äußerungen Dritter, insb auch Zitate (vgl auch Rn 90), dürfen im Kontext einer Verdachtsberichterstattung verbreitet werden, sofern an ihrer Verbreitung ein öffentl Interesse besteht (Frankfurt NJW-RR 1996, 1490, 1492 – Monika Haas), für den Rezipienten deutlich ist, dass das verbreitete Zitat bzw die verbreitete Einschätzung nur ein Element eines ansonsten als offen dargestellten Verdachts ist (Hamburg ZUM 2010, 606, 607) und der Durchschnittsrezipient erkennen kann, dass es sich um eine Fremdäußerung handelt. Weitere ausdrückl Distanzierungen sind nicht erforderlich (München NJW-RR 1996, 1487, 1489; 1996, 1493, 1494 – Focus). Verfestigt sich jedoch der mitgeteilte Verdacht durch die Art der Darstellung zu einer mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit zutr Nachricht, so wird – trotz formaler Vorbehalte – keine fremde Mitteilung verbreitet, sondern eine eigene Tatsachenbehauptung aufgestellt (München NJW-RR 1996, 1493, 1494 – Focus). Wurden die Sorgfaltsanforderungen eingehalten, genießt die aktuelle Berichterstattung idR Vorrang; stellt sich später die Unwahrheit der Äußerung heraus, ist diese als im Äußerungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen, sodass weder Widerruf noch Schadensersatz in Betracht kommen (BVerfG NJW 1993, 1463; BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; Dresden NJW 2004, 1181, 1182; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; ZUM-RD 2013, 143, 145; Molle ZUM 2010, 331, 334; Neuling HRRS 2006, 94, 98; Müller NJW 2007, 1617, 1618; Hohmann NJW 2009, 881, 882); eine zulässige Erstveröffentlichung begründet keine Wiederholungsgefahr (Molle ZUM 2010, 311, 334). Der Betroffene kann bei späterer Ausräumung des Verdachts und Fortwirken der Beeinträchtigung nur eine nachträgl Mitteilung (Nachtrag) verlangen (BVerfG GRUR 2018, 963f), s ausf Rn 156a. Zur rückblickenden Beurteilung einer Berichterstattung im Unterlassungsklageverfahren nach Wahrheitsbeweis für eine Straftat durch rechtskräftiges Urt s Rn 161a. 152 bb) Namensnennung des mutmaßlichen Täters im Rahmen eines Verdachts/Ermittlungsverfahrens. Dem allg Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird idR auch ohne Namensnennung entsprochen (Frankfurt NJW-RR 1990, 989, 990; Bornkamm NStZ 1983, 102, 106), weshalb eine identifizierende Berichterstattung grds nur bei Fällen schwerer Kriminalität und bei Straftaten, die die Öffentlichkeit besonders berühren, in Betracht kommt (Braunschweig NJW 1975, 651, 652; Rostock AfP 2015, 350; Karlsruhe AfP 2015, 173, 176; Bran74
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
Anh § 12
denburg NJW-RR 2003, 919, 920; München NJW-RR 2002, 404; Müller NJW 2007, 1617, 1618; LG Hamburg AfP 2010, 185, 186 – Ochsenknecht Söhne). Die Frage, ob es sich um einen Fall schwerer Kriminalität handelt, ist nicht abschließend durch die abstrakte Betrachtung des Strafrahmens der Delikte und ihre Einteilung in die Deliktskategorien Vergehen und Verbrechen determiniert, sondern ist auch von den Informationsinteressen der Öffentlichkeit abhängig; ein Fall schwerer Kriminalität kann daher auch dann bejaht werden, wenn mit erhebl Freiheitsstrafen zu rechnen ist (Karlsruhe AfP 2015, 173, 176). Allerdings ist zu beachten, dass die Gefahr einer Stigmatisierung (BVerfG NJW 2009, 350, 352 – Holzklotz) des nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten gerade bei Taten schwerer Kriminalität sehr hoch ist. Ob und inwieweit die Namensnennung oder eine sonstige Identifizierung des Täters zulässig ist, kann daher stets nur durch Interessenabwägung im Einzelfall entschieden werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters regelmäßig eine erhebl Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters darstellt, weil sein Fehlverhalten öffentl bekannt gemacht und er in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (BVerfGE 35, 202 – Lebach; BVerfG NJW 1993, 1463). Im Rahmen der Abwägung sind insb zu beachten: die Schwere und die Art der Tat (LG Berlin AfP 1999, 524 – Schweres Sexualdelikt; KG AfP 2006, 561 – WM-Hooligan; BGHZ 143, 199 – Schleimerschmarotzerpack; Braunschweig NJW-RR 2005, 195 für einen NPD-Schläger; nach BVerfG NJW 2010, 1195, 1197 – Hanfpflanze sowie NJW 2009, 350, 352 – Holzklotz, kann die Schwere der Tat dabei nicht nur für das öffentl Informationsinteresse, sondern auch bei der Gewichtung der entgegenstehenden Belange des APR Bedeutung erlangen; so wird bei sehr schweren Taten zwar einerseits ein hohes Informationsinteresse bestehen, andererseits aber auch eine besondere Gefahr der Stigmatisierung), die zeitl Distanz zur Straftat, die öffentl Bekanntheit und das Öffentlichkeitsinteresse (idR gegeben bei Person der Zeitgeschichte, vgl BGH NJW 2006, 599 – Ernst August v Hannover: 81 km/h zu schnell im Straßenverkehr; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann, denn sie stehen für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltungen, geben Orientierung und erfüllen eine Leitbild- oder Kontrastfunktion BGH NJW 2009, 757, 758; rein private Verfehlungen Prominenter begründen jedoch ein öffentl Berichterstattungsinteresse nur, wenn die Straftat in einem funktionellen Zusammenhang steht, so Lehr in Müller/Schlothauer/Knauer, MAH Strafverteidigung, § 21 Rn 20), die Motivation der Berichterstattung (Befriedigung der Neugier oder Information über gesellschaftlich relevante Taten), die Vorgeschichte und das Vorverhalten des Betroffenen (s auch BGH ZUM 2022, 664 – Rosenkavalier) sowie allg die Stellung des Täters im gesellschaftlichen Leben (BVerfG NJW 2006, 2835; ebenso BGH NJW 2006, 599, 600 – Ernst August v Hannover). S hierzu auch KG AfP 2022, 352 – Gangster-Rapper zum Interesse der Öffentlichkeit an der Information über Gewaltvorwürfe. Bei dürftiger Tatsachen- und Recherchegrundlage ist grds eine Anonymisierung vorzunehmen oder gänzlich 153 von einer Berichterstattung abzusehen (BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; LG Köln 5.12.2012 – 28 O 403/12; Gounalakis NJW 2012, 1473, 1475); bei Kleinkriminalität (hierzu BVerfG NJW 2009, 350, 352 – Holzklotz: die Geringfügigkeit eines Tatvorwurfs kann die Bedeutung einer Persönlichkeitsbeeinträchtigung mindern; Hamburg ZUM-RD 2012, 462; LG Münster BeckRS 2014, 01253) und bei Straftaten von Jugendlichen ist eine identifizierende Berichterstattung nur ausnahmsw zulässig (BVerfGE 35, 202 – Lebach; allerdings besteht keine Regelvermutung dahingehend, dass das Informationsinteresse bei Jugendlichen stets hinter dem Anonymitätsinteresse zurücksteht, BVerfG NJW 2012, 1500 – Ochsenknecht-Söhne: Berichterstattung über strafrechtl relevantes Verhalten zweier „Jungstars“ zulässig; BVerfG ZUM 2010, 961 – Berichterstattung über die Hanfpflanze eines Politikersohnes zulässig; Müller NJW 2007, 1617, 1619), sofern der Beschuldigte eine herausgehobene Stellung einnimmt oder die Art der Straftat aus dem Rahmen fällt (BGH NJW 2006, 599, 600 – Ernst August v Hannover; NJW 2009, 757, 759; BGHZ 143, 199, 201ff – Schleimerschmarotzerpack; Braunschweig NJW 1975, 651, 652; Dresden NJW 2004, 1181, 1182; LG Berlin NJW-RR 2003, 552; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Molle ZUM 2010, 331, 333; Müller NJW 2007, 1617, 1618). Dies gilt auch iÜ, zB Tatbegehung als Rechtsanwalt/Organ der Rechtspflege (München NJW-RR 2003, 111 – Rechtsanwalt, der wg Strafvereitelung angeklagt ist, darf mit abgekürztem Namen genannt werden) oder schwerwiegendem Verkehrsverstoß eines Prominenten (BGH NJW 2006, 599 – Ernst August v Hannover). Zulässig ist eine identifizierende Berichterstattung auch, sofern der Betroffene im öffentl Bereich tätig ist, denn dann handelt es sich um einen Vorgang aus der Sozialsphäre (zB gewerblicher und politischer Betätigungsbereich); grds ist zudem das Interesse der Öffentlichkeit zu beachten (BGH NJW-RR 1995, 301, 304; Müller NJW 2007, 1617, 1618). Hat sich die Öffentlichkeit des Namens bereits bemächtigt oder wurde bereits in anderen Medien unter voller Namensnennung berichtet (Frankfurt NJW-RR 1990, 989, 990), kann dies ebenfalls für die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung sprechen. Nach LG Berlin NJW-RR 2003, 552, 553 entfällt der Schutz der Privatsphäre und der Betroffene muss eine (grds nicht gerechtfertigte) identifizierende Berichterstattung hinnehmen, wenn er sich einverstanden zeigt, dass sein Anwalt ggü der Presse zum Prozessgeschehen Stellung nimmt. S auch BVerfG NJW 1998, 2889 zu identifizierenden Äußerungen seitens des Opfers: Eine inzwischen 41-jährige Frau darf ihren Namen, der nach wie vor ihr Geburtsname ist, im Zusammenhang mit der öffentl Behauptung nennen (bei „Schreinemakers live“, „Emma“), ihr Vater habe sie als Kind sexuell missbraucht, denn der Verzicht auf die Nennung des Namens lasse die Persönlichkeit nicht unbeeinträchtigt und nehme am Schutz der Meinungsfreiheit teil. cc) Identifizierende Bildberichterstattung im Rahmen eines Verdachts/Ermittlungsverfahrens. Ob neben der 154 Namensnennung auch eine Bildberichterstattung zulässig ist, richtet sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22ff KUG (ausf Rn 167ff). Eine Veröffentlichung des Bildnisses einer Person ohne Einwilligung ist daKlass
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Personen
nach nur zulässig, wenn über ein Ereignis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, § 23 I Nr 1 KUG, berichtet wird und der Betroffene insofern eine Person der Zeitgeschichte ist (KG NJW-RR 2007, 345, 346 – Unterweltkönig: die Festnahme eines Tatverdächtigen, der durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit das Informationsinteresse auf sich gezogen hat, ist ein zeitgeschichtlich berichtenswertes Ereignis iSd § 23 I Nr 1 KUG; aber: die Bildberichterstattung über einen Inhaftierten beim Hofgang ist unzulässig, Köln ZUM 2012, 703, 704; ähnlich auch EGMR NJW 2019, 741 – Gefängnishof; nicht vollends überzeugend insoweit München AfP 2022, 349, 350: Unzulässigkeit der Bildberichterstattung über Wirecard-Kronzeugen). Die betroffene Person muss eine Veröffentlichung ihres Bildnisses jedoch nur in zeitl und sachl Zusammenhang mit dem Ereignis, durch das sie bekannt geworden ist, hinnehmen (München NJW 1963, 658, 659 – Lebensmittelskandal; ggf anders, wenn es vorrangig um die Täterin als Person und nicht um die Tat geht, Hamburg NJW-RR 1986, 933). Beschuldigte und Straftäter sind idR dann als Person der Zeitgeschichte einzustufen, wenn die Schwere der begangenen Tat, die Person des mutmaßlichen Täters oder sonstige besondere Umstände die Tat deutlich aus der alltäglichen Kriminalität herausheben und die Straftat nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung für die Öffentlichkeit ist (Dresden NJW 2004, 1181, 1182; München NJW 1963, 658, 659 – Lebensmittelskandal; Hamburg NJW-RR 1986, 933; zB Straftat eines Polizisten, sexueller Missbrauch von Minderjährigen, LG Halle AfP 2005, 188, 190). Die bloße Gerichtsberichterstattung für sich allein macht ein Strafverfahren jedoch noch nicht zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis (München GRUR 1964, 42; NJW 1963, 658, 659 – Lebensmittelskandal). Grds ist Zurückhaltung angebracht. Dies gilt in besonderem Maße für die Ausstrahlung von Fernsehbildern. Für die öffentl Fahndung mithilfe der Massenmedien bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität. Eine Unterstützung der polizeilichen Ermittlungen durch eine Berichterstattung/Sendung mit Namensnennung und Bildveröffentlichungen ist grds nur zulässig, wenn eine schwerwiegende Straftat und die strafprozessualen Voraussetzungen eines Haftbefehls und einer steckbrieflichen Fahndung (§§ 112ff, 131 StPO) vorliegen und eine entscheidende Ermittlungsförderung gerade durch die öffentl Fahndung erwartet wird (vgl Hamburg NJW 1980, 842); zu weitgehend daher BGH ZUM-RD 2020, 637 sowie ZUM 2021, 50: Zulässigkeit bebilderter Fahndungsaufrufe der Presse im Zusammenhang mit Ausschreitungen während des G 20-Gipfels; krit insofern auch Schork ZUM 2021, 57. Zur Zulässigkeit einer eingeschränkt identifizierenden Verdachtsberichterstattung s Saarbrücken AfP 2017, 65. Zur Fernsehserie Aktenzeichen XY – ungelöst vgl München NJW 1970, 1745 m Anm Schmitt, 2026. 155 c) Berichte über Strafverfahren. aa) Grundsätze für die Medienberichterstattung. Auch nach Zulassung der Klage kann eine identifizierende Berichterstattung über einen Angeklagten zu erhebl Beeinträchtigungen führen, weshalb die Medien auch in diesem Stadium des Verfahrens einseitige, tendenziöse oder präjudizierende Stellungnahmen vermeiden müssen. Insb muss streng zw einem Verdacht, der Anklage und der erwiesenen Schuld unterschieden werden (s insofern auch die Richtlinien des Deutschen Presserats v 29.4.1958). Auch in diesem Stadium ist die Presse daher verpflichtet, genau und obj zu berichten und die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten zu wahren (BGH NJW 1979, 1041 – Exdirektor; AfP 2022, 337, 339 – Zahnarzt: Unschuldsvermutung sowie Grundsätze der Verdachtsberichterstattung gelten grds auch für identifizierende Berichterstattung über öffentliche Hauptverhandlung des Strafverfahrens). Aber keine Stellungnahme erforderlich, wenn sich Berichterstattung auf Wiedergabe dessen beschränkt, was Gegenstand und Inhalt der öffentlichen Hauptverhandlung war, BGH AfP 2022, 337, 340 – Zahnarzt. S auch München NJW-RR 2003, 111 – Rechtsanwalt: Einholung einer Stellungnahme nicht erforderlich, da das Gericht einen hinreichenden Tatverdacht bejaht hat. Zur identifizierenden Berichterstattung über ein verwaltungsgerichtliches Verfahren s BGH 17.12.2019 – VI ZR 504/18 – Medizintouristen; krit hierzu Klass JZ 2020, 693. 156 bb) Namensnennung des mutmaßlichen Täters bei Bericht über Strafverfahren. Auch nach Zulassung der Klage gilt grds die Unschuldsvermutung, und es besteht die Gefahr der öffentl Anprangerung und Vorverurteilung (Frankfurt NJW-RR 1990, 989; Brandenburg NJW-RR 2003, 919, 920), weshalb auch vor Verkündung eines Urt stets eine sorgfältige Prüfung erforderlich ist, ob das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Recht des Angeklagten auf Schutz seiner Persönlichkeit und Wahrung seiner Ehre (Geheimhaltungsinteresse) derart überwiegt, dass eine Berichterstattung in identifizierbarer Weise zulässig ist (München NJW-RR 2003, 111 – Rechtsanwalt; AG Charlottenburg AfP 2006, 595). Das ist insb dann anzunehmen, wenn es sich um einen Fall schwerer Kriminalität oder um eine die Öffentlichkeit besonders berührende Straftat handelt (BGH NJW 1994, 1950, 1952); außerhalb von Fällen der schweren Kriminalität kann eine Namensnennung jedoch zulässig sein, wenn eine „Verbindung von staatlichem Handeln mit dem strafbaren Verhalten von Amtsträgern“ besteht (LG Köln ZUM-RD 2013, 143, 145), oder wenn die Informationen nur und gerade im Zusammenhang mit dem Namen des Betroffenen ihren Informationswert erhalten (AG Charlottenburg AfP 2006, 595; KG AfP 2011, 76; Soehring GRUR 1986, 518, 522), das Informationsbedürfnis sich also gerade auf die Identität des mutmaßlichen Täters erstreckt; oder aber, wenn der Angeschuldigte die Begehung einer Straftat von öffentl Interesse einräumt bzw schwerwiegende Beweismittel vorliegen. Zu bedenken ist stets, dass der identifizierbare Angeklagte durch die Gerichtsberichterstattung in seinem Persönlichkeitsrecht erheblich beeinträchtigt und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert wird (München NJW-RR 2003, 111 – Rechtsanwalt); die Rücksichtnahmepflichten sind mithin besonders groß, wenn Fähigkeiten und der Charakter des Betroffenen zur öffentl Erörterung stehen (BGH NJW 1979, 1041 – Exdirektor; LG Berlin AfP 2008, 530; Soergel/Beater Anh IV § 823 Rn 179). Eine absolute Grenze der Berichterstattung ist auch hier die Intimsphäre. Nach BGH NJW 2013, 1681 unterliegen Äußerungen über sexuelle Vorlieben, die im Rahmen einer nichtöffentl Einlassung im Strafverfahren 76
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
Anh § 12
getätigt wurden, bei einer prominenten Person, die einer Sexualstraftat angeklagt wird, nicht dem absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts (s auch BGH GRUR 2019, 1084, 1087 – Star Anwalt: Begehung einer Sexualstraftat zählt nicht zur Intimsphäre). Ihre Verbreitung ist jedoch unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung auch angesichts des erheblichen öffentl Interesses an einem Strafverfahren unzulässig; s auch Köln ZUM-RD 2012, 206 m Anm Gostomzyk AfP 2012, 122; Ladeur ZUM 2012, 336. Nach BGH NJW 1988, 1984 (sexuelle Äußerungen am Arbeitsplatz) sind Presseorgane daher – jedenfalls bei Gerichtsverfahren ohne strafrechtl Einschlag – verpflichtet, alle ihnen möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um eine Identifizierung des Betroffenen durch die Leser auszuschließen. S zur Gerichtsberichterstattung bspw Hanske/LauberRönsberg ZUM 2013, 264, 267f; Gostomzyk AfP 2012, 122. cc) Nachtrag im Fall einer zulässigen Verdachtsberichterstattung: Im Fall einer zulässigen Verdachtsbericht- 156a erstattung kann der Betroffene bei späterer Ausräumung des Verdachts und Fortwirken der Beeinträchtigung keine Richtigstellung, sondern nur eine nachträgl Mitteilung (Nachtrag) verlangen, in welcher nach einer kurzen Zusammenfassung der angegriffenen Berichterstattung klargestellt wird, dass das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Die abverlangte Erklärung muss sich auf eine distanzierte Mitteilung der geänderten Umstände in ihrem obj Gehalt beschränken. Nach Ansicht des BVerfG besteht insb keine Pflicht des Presseorgans, eine eigene Stellungnahme abzugeben und zu erklären, dass der Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werde (so noch BGH ZUM 2015, 248, 251), BVerfG GRUR 2018, 963f. Sofern in der Mitteilung weitere Personen genannt werden, sind deren Rechte zu wahren. dd) Ton- und Bildaufnahmen aus dem Sitzungssaal. Ton- und Fernseh-, Rundfunkaufnahmen sowie Film- 157 aufnahmen über und während Gerichtsverhandlungen aus dem Sitzungssaal sind gem § 169 I S 2 GVG verboten. Nicht umfasst sind das Fotografieren und Zeichnen während der mündlichen Verhandlung. Ob vor, zw oder nach der Verhandlung fotografiert oder gefilmt werden darf, obliegt gem § 176 GVG ausschließlich der Disposition des Vorsitzenden im Rahmen seiner Sitzungsgewalt (BVerfG NJW 2001, 1633, 1636). § 169 I S 2 GVG ist verfassungsgemäß (BVerfG NJW 2001, 1633; dazu Dieckmann NJW 2001, 2451; Huff NJW 2001, 1622; Stürner JZ 2001, 699; Zuck NJW 2001, 1623; Gostomzyk JuS 2002, 228; BVerfG NJW 1996, 581 – n-tv; dazu Dörr NJW 1997, 1341, 1345), insb liegt in dieser Begrenzung kein Grundrechtseingriff – vielmehr ist die Informationsquelle der „Gerichtsverhandlung“ von vornherein nur in dieser Form eröffnet (BVerfG NJW 2001, 1633, 1634). Zu den Voraussetzungen einer sitzungspolizeilichen Anordnung zur Beschränkung der Medienberichterstattung, insb zur Begründungs- und Abwägungspflicht s BVerfG AfP 2019, 512. Allerdings sind Aufnahmen vor Beginn und nach Schluss der Verhandlungen sowie in den Verhandlungspausen (vgl BGH NJW 1970, 63 zu Aufnahmen im Fall der Abwesenheit der Angeklagten) vom Schutz der Presse- und Rundfunkfreiheit umfasst – der Vorsitzende hat daher im Einzelfall diese Grundrechte mit dem gebotenen Persönlichkeitsschutz abzuwägen (zur Beschränkung der Berichterstattung im „Schlecker-Prozess“ s BVerfG AfP 2017, 405f). In der Honecker-Entscheidung (JZ 1995, 295 – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal) hat das BVerfG erstmals das gänzliche Verbot der Fernsehberichterstattung aus dem Sitzungssaal außerhalb der Hauptverhandlung als unverhältnismäßigen Eingriff in die Rundfunkfreiheit angesehen und für verfassungswidrig erklärt. In jüngerer Zeit wird insb bei aufsehenerregenden Prozessen die sog Pool-Lösung angewandt. Danach werden idR einem Fernsehteam von drei Personen Fernsehaufnahmen im Sitzungssaal erlaubt, welches diese dann wiederum anderen Anstalten unter angemessenen Bedingungen zur Verfügung stellen muss (zu den Anforderungen an die Anordnung einer Anonymisierungspflicht vor Weitergabe der Bilder s BVerfG AfP 2019, 512). Zur Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen anlässlich eines Strafverfahrens an den Verhandlungstagen außerhalb der Sitzungen BVerfG NJW 2012, 2178. Bzgl der Zugänglichkeit zu Gerichtsverhandlungen und der Verteilung knapper Sitzplätze s BVerfG NJW 2013, 1293, 1295. Zur Kritik an § 169 S 2 GVG s zB Mitsch ZRP 2014, 137; Fromm NJOZ 2015, 1193; Walther NStZ 2015, 383. Das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Sprach- und Hörbehinderte (EMöGG) hat die bisherigen Regelungen vereinzelt und zurückhaltend an die technischen und gesellschaftlichen Anforderungen der heutigen Zeit angepasst, s BT-Drs 18/10144 v 26.10.2016 sowie Trentmann, MMR 2018, 441; Loubal/Hofmann, MMRE 2016, 669. Die Anordnung der Anonymisierung durch das Gericht (sitzungspolizeiliche Anordnung auf der Grundlage 158 des § 176 GVG) ist eine Beschränkung der Informationsmöglichkeit der Öffentlichkeit (BVerfG NJW 2009, 350, 351 – Holzklotzfall; BGH ZUM-RD 2011, 538). Sie ist idR gerechtfertigt, bspw wenn die Gefahr besteht, dass sich der Angeklagte ansonsten von dem Vorwurf der besonderen Verwerflichkeit des ihm vorgeworfenen Handelns selbst im Fall eines Freispruchs nur schwer befreien könnte (BVerfG NJW 2009, 350, 352 – Holzklotzfall; vgl auch NJW 2002, 2021 – El Kaida; NJW 2003, 2523 – Magnus G; EGMR 21.9.2017 – 51405/12 Axel Springer SE und RTL Television GmbH/Deutschland: Anordnung der Unkenntlichmachung keine Verletzung von Art. 10 EMRK). Zu den Grundsätzen der Platzverteilung im Gerichtssaal für Journalisten s BVerfG NJW 2003, 500 – El Kaida II – sowie NJW 2013, 1293: Verpflichtung zur Bereitstellung einer angemessenen Anzahl von Sitzplätzen im Gerichtssaal für Vertreter ausl Medien, die einen besonderen Bezug zu den Opfern der sog NSU-Morde haben. Die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung (§ 169 I S 1 GVG) berechtigt zudem nur die im Gerichtssaal Anwesenden zur vollständigen Information über den Gang der Verhandlung. Sie gibt der Presse nicht die Befugnis, auch die nicht anwesende Öffentlichkeit über alle Einzelheiten zu unterrichten (Frankfurt NJW-RR 1990, 989, 990; Bornkamm NStZ 1983, 102, 105) – diese von der Presse geforderte Rücksicht findet ihren Ausdruck besonders im nahezu uneingeschränkten Verbot der Namensnennung. Opfer und Zeugen müssen die Berichterstattung in gewissem Umfang hinnehmen, weil anders ein faires Verfahren nicht gewährleistet werden kann Klass
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Personen
(Grundgedanke des § 169 GVG; hierzu auch Rn 162). Es lässt sich nicht vermeiden, dass im Strafverfahren auch intime Dinge zur Sprache kommen können (Hamburg NJW 1975, 649, 651). Richter und Schöffen haben die Berichterstattung ebenfalls grds hinzunehmen (BVerfG NJW 2000, 2890, 2891 – Krenz; BVerwG ZUM 2016, 72; NJW 2015, 807), allerdings besteht ein Anspruch auf Schutz, der das Veröffentlichungsinteresse überwiegt, wenn die Veröffentlichung von Abbildungen eine erhebl Belästigung oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter bewirken könnte (BVerfG AfP 2008, 156; AfP 2007, 117). Zur Anonymisierung einer ursprünglich unzulässigen identifizierenden Berichterstattung in einem Online-Archiv s BGH GRUR 2016, 532 Rn 31. ee) Berichterstattung und Namensnennung des Täters nach Verurteilung. Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens erlangt das Persönlichkeitsrecht wieder die Oberhand und der Wunsch des Straftäters, „allein gelassen zu werden“, setzt dem Wunsch der Massenmedien sowie dem Bedürfnis des Publikums, seinen individuellen Lebensbereich zum Gegenstand der Erörterung oder gar der Unterhaltung zu machen, Grenzen – es besteht allerdings kein Anspruch auf „vollständige Immunisierung“ (BVerfG NJW 2000, 1859, 1860 – Lebach II; BGH NJW 2010, 2728, 2729 – Sedlmayr; anders noch BVerfGE 35, 202, 232 – Lebach: „Recht darauf, allein gelassen zu werden“; zum Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbildes vgl grds Rn 132ff; zur Namensnennung in Urt Frenz ZUM 2012, 453; zur Verantwortlichkeit für Beiträge in Online-Archiven s Rn 166). Jedoch bleibt auch der schwere Straftäter ein Mitglied der Gemeinschaft mit dem verfassungsrechtl Anspruch auf Schutz seiner Individualität (BVerfGE 35, 202, 232 – Lebach). Eine zeitl Grenze ist allerdings nicht einheitlich fixiert, sondern muss im Einzelfall ermittelt werden (BVerfGE 35, 202, 232 – Lebach; BVerfG NJW 1993, 1463, 1464; BGH NJW 2009, 757, 760; KG NJW-RR 2008, 1625, 1628 – RAF; NJW-RR 2008, 492, 493), denn das berechtigte Informationsinteresse kann je nach Art und Schwere der Tat noch nachwirken – zudem kann es im Einzelfall eine gewisse Zeit dauern, um eine schwere Straftat, etwa in rechtl, kriminologischer, soziologischer oder ethischer Sicht hinreichend zu würdigen (Köln NJW 1987, 1418) und historisch aufzuarbeiten (etwa Taten der RAF, vgl KG NJW-RR 2008, 1625, 1628 – RAF; Frankfurt NJW-RR 2007, 988f; Berichterstattung unter Namensnennung fünf Jahre nach rechtskräftigem Urt zulässig; ebenso Bericht und Fotos aus der Sozialsphäre acht Jahre nach Verbüßung der Haft und vollzogener Wiedereingliederung, nicht aber Abbildung des aktuellen Wohnhauses, KG NJW-RR 2008, 1625, 1628 – RAF; unzulässig ebenfalls Bericht über Schwerverbrecher nach 13 1/2 Jahren, Hamburg NJW-RR 1986, 933). Sofern ein besonderes öffentl Informationsinteresse besteht, soll im Einzelfall sogar über Details aus der aktuellen Lebenssituation (Sozialsphäre) berichtet werden dürfen (KG NJW-RR 2008, 1625, 1627 – RAF). Im Grundsatz ist eine identifizierende Berichterstattung aber nur zulässig, sofern an der namentl Nennung ein aktuelles berechtigtes öffentl Interesse besteht (BGH NJW 1962, 32; 1980, 1790, 1791; Frankfurt AfP 2016, 167, 169; LG Berlin AfP 1998, 418; s Mann AfP 2016, 119). In jedem Einzelfall ist der Gedanke der Resozialisierung zu beachten und zu prüfen, ob die Berichterstattung eine neue erhebl oder zusätzl Beeinträchtigung des Täters zu bewirken geeignet ist und ob die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und die Sicherung der privaten Existenz und Freiheit erschwert zu werden drohen (BVerfGE 35, 202, 232 – Lebach; BGH NJW 2009, 757, 760; Hamburg AfP 2010, 270, 271 – Ehemalige Terroristin; Köln 22.6.2017 – 15 U 171/16 – unzulässige erneute Berichterstattung über Sedlmayr-Mord 25 Jahre nach Tat). Bei länger zurückliegenden Taten (Hamburg AfP 1994, 232), insb bei bereits verbüßten oder getilgten Strafen ist die Prangerwirkung der Namensnennung jedoch idR zu vermeiden (BVerfGE 35, 202, 232 – Lebach; deswegen bedenklich insofern Frankfurt NJW-RR 1996, 1490 – Monika Haas; die neuere Verfilmung der Lebach-Morde trägt dem Rechnung, weshalb die Verfassungsbeschwerde der Täter erfolglos blieb, BVerfG NJW 2000, 1899 – Lebach II), dies gilt ebenso bei getilgten Vorstrafen (BVerfG NJW 1993, 1463). Zu einem möglichen „Recht auf Rückzug aus der Öffentlichkeit“ Alexander ZUM 2011, 382. ff) Berichterstattung und Namensnennung nach Freispruch. Das Recht der Medien zur Berichterstattung entfällt, sobald der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen ist, denn der Freigesprochene hat grds ein Recht auf Anonymität, also einen Anspruch darauf, „in Ruhe gelassen zu werden“ (Brandenburg NJW-RR 2003, 919). Er kann sich daher auch dagegen wehren, dass über die Ausräumung des Tatverdachts und die Beendigung des Strafverfahrens berichtet wird, da hierbei zwangsläufig auch der Anklagevorwurf wiedergegeben würde (Brandenburg NJW-RR 2003, 919, 920). Nach BGH NJW 1972, 431 – Freispruch hat ein periodisch erscheinendes Presseorgan, das vor Rechtskraft über die erstinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung unter Namensnennung berichtet hat, auf Verlangen des Betroffenen den das Strafverfahren abschließenden Freispruch mitzuteilen. Die Verpflichtung des Presseorgans kann sich dabei auf die Veröffentlichung einer entspr Erklärung des Betroffenen beschränken. gg) Rückblickende Beurteilung einer Berichterstattung im Unterlassungsklageverfahren nach Wahrheitsbeweis für eine Straftat durch rechtskräftiges Urteil: Tatsachenbehauptungen sind in diesem Fall als von Anfang an wahr anzusehen (Wahrheitsbeweis gem § 190 S 1 StGB mit rechtskräftigen Strafurteil), weshalb für die Zeit vor Rechtskraft des Strafurteils rückblickend keine Beurteilung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung stattfindet (insb keine Berufung darauf, dass Recherchepflichten nicht eingehalten wurden oder kein Mindestbestand an Beweistatsachen bestand). Für die rückblickende Beurteilung der rechtl Zulässigkeit der strafverfahrensbegleitenden, identifizierenden Wortberichterstattung gelten vielmehr folgende Voraussetzungen: Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, insb keine präjudizierende Darstellung, zudem ist eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen und es muss sich um einen Vorgang von 78
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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solchem Gewicht handeln, dass ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit gerade auch an der Offenlegung der Identität des Betroffenen besteht (BGH GRUR 2019, 1084, 1089f – Star Anwalt; ZUM 2020, 472, 476). d) Namensnennung von Opfern und Zeugen. Opfer von Straftaten, aber auch von Unglücksfällen und Katastrophen, sowie Zeugen sind in erhöhtem Maße schutzwürdig (Müller NJW 2007, 1617, 1618), weshalb die Medien bei der Berichterstattung äußerst sorgfältig und zurückhaltend vorgehen müssen. Nicht erlaubt ist eine auf Sensationen ausgelegte identifizierende Berichterstattung, welche die Opfer erneut in eine Opferrolle drängt. Dies gilt in besonderem Maße für Sexualstraftaten (Köln NJW 1987, 1418); aber auch in anderen Fällen kann eine nicht identifizierende Berichterstattung angebracht sein (Stuttgart NJW 1967, 1422: eine betrogene Bank muss zwar die Nennung ihres Namens dulden – aber nur in Ausnahmefällen darf auch der volle Name des Bankdirektors genannt werden; anders BGH NJW 1980, 1790: Der Träger eines seltenen Namens, dessen Bruder sieben seiner acht Kinder umgebracht hat, soll keinen Anspruch darauf haben, dass der Name bei der Berichterstattung über die Tat nicht genannt wird). e) Informationsverhalten von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Behörden. Eine organisierte und professionalisierte Informationspolitik der staatl Einrichtungen, insb der Strafjustiz, ist taugliches und unverzichtbares Mittel, um eine Vorverurteilung durch die Medien und damit verbundene Verletzungen des APR der Beteiligten zu verhindern (so auch Hassemer NJW 1985, 1921, 1928). aa) Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte. Die Pflicht zur Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte ergibt sich aus dem Rechtsstaatlichkeitsgebot unter Einschluss der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot sowie aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung (BVerfG NJW 2015, 3708 Rn 20; vgl BVerwG NJW 1997, 2694 mwN; s zur Medienarbeit der Strafjustiz auch Trüg NJW 2011, 1040). Wesentlicher Bestandteil dieser Informationsverpflichtung ist die Pflicht zur Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen. Es handelt sich dabei um eine öffentl, verfassungsunmittelbare Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt und damit eines jeden Gerichts (BVerwG NJW 1997, 2694). Gerichtliche Entscheidungen konkretisieren bestehende Gesetzesnormen und bilden das Recht fort (BVerwG NJW 1997, 2694; Huff NJW 2004, 403) – die Öffentlichkeit soll daher auch erfahren, wie das durch die Gerichte ausgefüllte und belebte Recht aussieht. Daher obliegt allen Gerichten kraft Verfassungsrechts die Aufgabe, der Öffentlichkeit diejenigen Entscheidungen zugänglich zu machen, an deren Veröffentlichung ein Interesse besteht oder bestehen könnte. Diese Pflicht bezieht sich nicht ausschließlich auf bereits rechtskräftige Entscheidungen, sie kann auch vor Rechtskraft greifen (BVerfG NJW 2015, 3708 Rn 20; vgl Putzke/Zenthöfer NJW 2015, 1777, 1778). Die Gerichte sind verpflichtet, eine herausgabefähige, dh insb anonymisierte und neutralisierte Fassung der zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen bereitzuhalten, auf welche sowohl die Presse als auch Fachverlage zugreifen können (zur Neutralitätspflicht der Gerichte BVerwG NJW 1997, 2694; zum Zugang der Medien zu Gerichtsentscheidungen s Coelln AfP 2016, 308). Problematisch erscheint allerdings, dass insb im Bereich des APR selbst eine anonymisierte Veröffentlichung der Entscheidung (zur Namensnennung in Urt Frenz ZUM 2012, 453) zu einer erneuten Rechtsverletzung des Betroffenen führen oder bestimmte Vorgänge der Öffentlichkeit erneut zugänglich machen kann (vgl hierzu bspw die Entscheidung BVerfG NJW 2008, 39 – Esra, durch welche nach Erlass eines Buchverbots die Kenntnis einzelner Aspekte dieses Werkes ermöglicht wurden). Zur Problematik der Mitteilungen der StA an die Presse s Schnoor/Giesen/Addicks NStZ 2016, 256. Ausf hierzu auch Aschner, Grenzen strafverfolgungsbehördlicher Medienarbeit im Ermittlungsverfahren, Diss 2018. bb) Presseauskünfte der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaften sind nach den Pressegesetzen der Länder (bspw § 4 NWPresseG, der Auskunftsanspruch ist über Art 5 I 1 GG verfassungsrechtl abgesichert, Lorz NJW 2005, 2657, 2658; Becker-Toussaint NJW 2004, 414, 417) berechtigt und verpflichtet, die Presse über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu informieren (s auch Gounalakis NJW 2012, 1473 zur „Verdachtsberichterstattung durch den Staatsanwalt“ sowie Lehr NJW 2013, 728). Dabei hat stets eine Abwägung zw dem Informationsrecht der Presse und dem APR (Geheimhaltungsinteresse) des Betroffenen (Düsseldorf NJW 2005, 1791, 1799 – Mannesmann/Vodafone; BGH NJW 1994, 1950, 1951) zu erfolgen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine solche Information seitens der Staatsanwaltschaft erhebl Wirkungen zeitigen kann – und dies, obwohl die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bereits auf Verdacht hin geschieht (BGH NJW 1959, 35, 36; 1994, 1950, 1952; Düsseldorf NJW 2005, 1791, 1799 – Mannesmann/Vodafone). Die Staatsanwaltschaften müssen daher besonders sorgfältig agieren, insb da juristische Laien allzu leicht geneigt sind, die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens mit dem Nachw der zur Last gelegten Tat gleichzusetzen (BGH NJW 1994, 1950, 1952; Braunschweig NJW 1975, 651, 652; Neuling HRRS 2006, 94, 99) und ein unkritisches Vertrauen der Bevölkerung in Mitteilungen der Staatsanwaltschaft besteht (ähnl auch BVerfG NJW 2010, 1195, 1197 – Hanfpflanze, sowie VG Wiesbaden AfP 2010, 416, 418 – Claudia Pechstein mit Blick auf eine Pressemitteilung des BKA). Zur zulässigen Verwendung der Begriffe „Apothekenlobbyist“ und „Datenklau“ iRd Pressemitteilung s VG Berlin ZUMRD 2014, 256. Es muss daher stets geprüft werden, welchen Eindruck die Veröffentlichung in der Presse bei den Adressaten hinterlässt (BGH NJW 1959, 35, 36). Unnötige Bloßstellungen des Beteiligten oder anderer Betroffener, insb die Veröffentlichung intimer oder anprangernder Details sind zu vermeiden (BGH NJW 1994, 1950, 1952). Grds gilt, je detaillierter die Information durch die Ermittlungsbehörden ist, desto intensiver ist auch der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen (Lehr NStZ 2009, 409, 411). Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit genügt idR eine Auskunft ohne Namensnennung (entspricht § 23 I RiStBV, Hamm NJW-RR 2015, 936, 937). Eine namentl Identifizierung im Ermittlungsstadium soll allenfalls bei Person der Zeitgeschichte gerechtfertigt sein, Düsseldorf NJW 2005, 1791, 1799 – Mannesmann/Vodafone; Neuling HRRS 2006, 94, 99. Klass
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Personen
Zum Auskunftsanspruch hinsichtl der bei einem Strafverfahren Mitwirkenden s BVerwG ZUM 2016, 72; NJW 2015, 807. Zur zulässigen Mitteilung von Informationen, welche eine Identifizierung unschwer ermöglichen s Karlsruhe NJW-RR 2015, 670 Rn 28. Grds ist jedoch der Einzelfall maßgeblich. In die vorzunehmende Abwägung sollten insb einfließen: Art der Straftat, Öffentlichkeitsinteresse an der Tat, Person des mutmaßlichen Täters sowie Ausmaß des Tatverdachts. IÜ gelten die dargelegten Grundsätze der Verdachtsberichterstattung (Rn 148ff) auch für die Ermittlungsbehörden, welche unmittelbar an den Grundsatz der Unschuldsvermutung gebunden sind (s Hamm NJW-RR 2015, 936 – Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren; Bornkamm NStZ 1983, 102, 108; Lehr NStZ 2009, 409, 411). Eine Pflicht zur entspr Anwendung der Grundsätze ergibt sich zudem auch daraus, dass die presserechtl Rspr den Ermittlungsbehörden die Qualität einer sog privilegierten Quelle zuspricht (Auskünfte der Polizei und StA); KG GRUR-RS 2020, 36923: Behörde als qualifizierte Quelle; allerdings nur, wenn es sich um eine offizielle Verlautbarung und nicht um ein internes Dokument handelt; s auch Lehr NStZ 2009, 409, 411). Presse und Rundfunk dürfen in diesem Fall auf weitere Nachprüfung verzichten, wenn keine besonderen Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen (auch BVerfG NJW 2010, 1195, 1197 – Hanfpflanze betont, dass Verlautbarungen amtl Stellen, wie insb der Staatsanwaltschaft, ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf). Nach EGMR 19.10.2017 – 35030/13 – Droemer Knaur GmbH & Co KG/Deutschland ist allerdings zw öffentl amtl Berichten bzw. amtl Pressemitteilungen und internen amtl Berichten (interne Berichte des BKA) zu unterscheiden; nur auf die ersten können sich Journalisten ohne weitere Nachforschungen verlassen. Zudem ist die Art der Quelle anzugeben und Informationen dürfen nicht übertrieben dargestellt werden. Vor einer Pressemitteilung ist der Betroffene über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens zu informieren (hierzu Düsseldorf NJW 2005, 1791, 1800 – Mannesmann/Vodafone) und den Verteidigern ausreichend Zeit zur Lektüre der Anklageschrift einzuräumen, s VG Regensburg 23.7.2019 – RO 4 K 17.1570, da ansonsten ggf das Gebot des fairen Verfahrens verletzt sein kann, weil bspw die Verteidigungsbereitschaft eingeschränkt ist; Lehr NStZ 2009, 409, 413; anders Becker-Toussaint NJW 2004, 414, 415f. Unrichtige Auskünfte über den Stand des Ermittlungsverfahrens können eine Amtspflichtverletzung begründen (Staudinger/Wöstmann § 839 Rn 662; vgl auch BVerwG NJW 1992, 62 – unrichtige Presseerklärungen eines Leitenden Oberstaatsanwalts). Aber auch der Pressesprecher der StA darf auf die Informationen aus dem Ermittlungsverfahren vertrauen und muss keine eigenen Ermittlungen anstellen, Hamm GRUR-RR 2015, 312 Rn 42. Zur presserechtl Beurteilung der Pressemitteilung einer Staatsanwaltschaft Hamm NJW-RR 2015, 936. 166 f) Online-Archive. In Online-Archiven von Zeitungen, Rundfunkanstalten und Radiosendern finden sich zahlreiche Meldungen über – teilweise weit zurückliegende – Ermittlungs- oder Strafverfahren bzw Verfehlungen teils prominenter, teils unbekannter Personen, bei denen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung die identifizierende Namensnennung zulässig war. Mit Wegfall des aktuellen Bezugs stellt sich immer häufiger die Frage, ob diese Beiträge zulässigerweise in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil eines Internetportals („Online-Archiv“) zum Abruf bereitgehalten werden. Nach EGMR 28.6.2018 – 60798/10 und 65599/10 – M.L. und W.W./ Deutschland sowie BGH ZUM 2010, 247 – Online-Archiv, war dies grds aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit dem Recht der Meinungs- und Medienfreiheit des Medienunternehmens zu entscheiden, wobei zu berücksichtigen war, ob die Veröffentlichung der Meldung urspr zulässig war, ob eine Selbstöffnung der Täter ggü der Öffentlichkeit vorlag und welche Relevanz der Straftat zukommt (zur Aufgabe der Medien, das Zeitgeschehens zu vermitteln, wozu auch aufsehenerregende Straftaten gehören, s BGH ZUM 2019, 855 Rn 22f; ZUM 2013, 399 – Apollonia-Prozess m Anm Himmelsbach K&R 2013, 82; Kirchberg GRUR-Prax 2013, 237; zur Zulässigkeit des Bereithaltens von Archivmeldungen zum Stand des Ermittlungsverfahrens über eine namentl bekannte Person s auch BGH ZUM-RD 2013, 63 – Gazprom-Manager sowie Krüger/Backer WRP 2012, 1211). Die Gerichte betonten in diesem Kontext, dass sich die Medien an dem Prozess demokratischer Willensbildung beteiligten, indem sie der Öffentlichkeit auch Archivnachrichten zur Verfügung stellten (EGMR 28.6.2018 – 60798/10 und 65599/10 – M.L. und W.W./Deutschland), weshalb sich grds kein Recht auf Anonymisierung allein aufgrund des Zeitablaufs ergebe – dies müsse selbst dann gelten, wenn die Beiträge durch Suchmaschinen wie Google auffindbar seien (zust Dörre GRUR-Prax 2011, 171, der auf die Passivität der Plattform und die geringe Breitenwirkung verweist; krit hingegen Hamburg ZUM-RD 2008, 69 sowie Mann AfP 2014, 210; Verweyen/Schulz AfP 2012, 442; Kirchberg GRUR-Prax 2013, 237). Für die Zulässigkeit eines Angebots spreche jedenfalls, wenn die Meldung nur durch gezielte Suche auffindbar ist und erkennen lässt (zB aufgrund der Art und Weise der Bereitstellung und der URL), dass es sich um eine frühere Berichterstattung handelt. Dies sei insb der Fall, wenn die Meldung nicht in sonstiger Weise den Anschein der Aktualität oder der erneuten Berichterstattung aufweist (diff jedoch BGH ZUM 2019, 585, 588 – Strafverfahren gegen Steuerberater: die Möglichkeit, die Auffindbarkeit technisch zu beschränken und den Verbreitungsgrad zu verringern, ist iRd Abwägung zu berücksichtigen). 166a Diese Rechtsprechungslinie des BGH, welcher die Annahme einer nur geringen Eingriffsintensität und Breitenwirkung selbst im Falle der Auffindbarkeit durch Suchmaschinen zugrunde lag, wurde jüngst durch das BVerfG korrigiert (BVerfG ZUM 2020, 58 – Recht auf Vergessen I; BVerfG ZUM-RD 2020, 1 – Recht auf Vergessen II), indem nicht nur die Ubiquität der Informationen, ihre leichte Zugänglichkeit sowie Kombinierbarkeit, sondern insb auch der Zeitablauf und ein verändertes Nutzerverhalten deutlich stärkere Berücksichtigung fanden und die Verfassungsrichter betonten, dass die Möglichkeit zu „vergessen“ im digitalen Zeitalter eine neue Bedeutung erlangt: So wie es zur Freiheit gehöre, „persönliche Überzeugungen und das eigene Verhalten im Austausch mit Dritten auf der Basis gesellschaftlicher Kommunikation zu bilden, fortzuentwickeln und zu ver80
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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ändern“, so bedarf es nach Ansicht der Verfassungsrichter eines rechtl Rahmens, der dem Einzelnen einen uneingeschränkten Gebrauch seiner Freiheit ermöglicht und die Chance eröffnet, Irrtümer und Fehler hinter sich zu lassen (BVerfG ZUM 2020, 58 Rn 105 – Recht auf Vergessen I). Aus diesem Grund muss die Rechtsordnung davor schützen, „dass sich eine Person frühere Positionen, Äußerungen und Handlungen unbegrenzt von der Öffentlichkeit vorhalten lassen muss“, denn nur dann bestehe eine „Chance zum Neubeginn in Freiheit“; insofern gehöre die „Möglichkeit des Vergessens (…) zur Zeitlichkeit der Freiheit“ (BVerfG ZUM 2020, 58 Rn 105 – Recht auf Vergessen I). Konsequenz dieser Rspr ist, dass im Rahmen der Bewertung der Zulässigkeit einer archivierten Berichterstattung künftig eine neue einzelfallbezogene Abwägung unter Berücksichtigung des Zeitablaufs vorgenommen werden muss – unabhängig davon, ob die ursprüngliche Berichterstattung rechtmäßig war; jedenfalls kann aus dieser nicht schematisch das Recht abgeleitet werden, dass Berichte dauerhaft und in jeder beliebigen Form weiterhin verbreitet werden dürfen, s bspw BVerfG ZUM 2020, 532 – Kindschaftsverhältnis. Ganz im Sinne eines dynamischen Persönlichkeitsrechtsschutzes muss vielmehr künftig die Chance eines InVergessenheit-Geratens belastender Informationen bestehen (s hierzu BVerfG ZUM-RD 2020, 1 Rn 133 – Recht auf Vergessen II). Das Gericht etabliert mithin ein persönlichkeitsrechtl abgesichertes „Recht auf Vergessen“. S in diesem Kontext auch die aktuelle Rspr der Zivilgerichte: BGH ZUM 2021, 157 – Apollonia II; ZUM 2022, 652 – Auslistungsanspruch; ZUM 2020, 961 – Regionalverband ASB m Anm Klass S 696; Hamburg ZUM-RD 2022, 211. Das BVerfG beurteilt die Gefährdungspotentiale des digitalen Zeitalters und insb die erhebliche Verstär- 166b kungswirkung von Suchmaschinen mit Blick auf die schnelle und zufällige Auffindbarkeit sowie Kombinierbarkeit von Informationen über eine Person daher ähnl wie der EuGH (ZUM 2014, 559 – Google Spain und Google sowie ZUM 2019, 813 – GC ua/CNIL): Dieser hatte bzgl der erheblichen Breitenwirkung des Einsatzes von Suchmaschinen eine Pflicht zur Löschung personenbezogener Daten in der Suchtrefferliste (De-Listing) etabliert. Allerdings verneint das BVerfG – anders als der EuGH – einen generellen Vorrang des Persönlichkeitsrechts im Kommunikationskontext und verweist insofern auf die dem EuGH-Verfahren zugrundeliegende „spezifische Konstellation“ (konkret: eine behördliche Verlautbarung), s BVerfG ZUM-RD 2020, 1 Rn 141 – Recht auf Vergessen II. Mit Blick auf die Verantwortlichkeit des Inhalteanbieters stellt das BVerfG fest, dass es zwar grds keine pro- 166c aktive Pflicht zur regelmäßigen Prüfung der Rechtsmäßigkeit sämtlicher in das Netz gestellter Beiträge gibt – verpflichtende Schutzmaßnahmen seien jedoch dann zumutbar, wenn der Betroffene sich an den Inhalteanbieter gewandt und seine Schutzbedürftigkeit näher dargelegt hat (BVerfG ZUM 2020, 58 Rn 118ff – Recht auf Vergessen I; s in diesem Kontext auch EGMR M.L. und W.W./Deutschland [2018] 60798/10 und 65599/10, Rn 104 sowie Hurbain/Belgien [2021] 57292/16, Rn 134: keine Pflicht zur systematischen und ständigen Kontrolle). Nach einer qualifizierten Beanstandung muss der Inhalteanbieter daher eine individuelle Bewertung vornehmen und eine Lösung finden, die sich zw einer vollständigen Löschung individualisierender Angaben einerseits und deren uneingeschränkter Hinnahme andererseits bewegen kann. Beiträge müssen folglich nicht komplett verschwinden oder geschwärzt werden – möglich sind vielmehr auch Zwischenlösungen wie bspw eine Beschränkung der Zugangsmöglichkeiten über die Suchalgorithmen großer Suchmaschinen. Insofern etabliert das BVerfG ein „notice and review“-Verfahren, das es den Inhalteanbietern ermöglicht, Einzelfallentscheidungen zu treffen und gleichzeitig den komplexen Zugangsstrukturen im Online-Bereich Rechnung trägt. Der Betroffene muss sich jedoch nicht primär an den Inhalteanbieter wenden, sondern kann auch unmittelbar gegen den Suchmaschinenanbieter vorgehen – ein Subsidiaritätsverhältnis besteht insofern nicht. Wendet sich der Betroffene an den Suchmaschinenanbieter, ist zu beachten, dass dieser sich nicht auf das Medienprivileg nach Art 85 DSGVO berufen kann und daher mit Blick auf das unionsrechtl vollständig harmonisierte Datenschutzrecht allein die Grundrechte der Europäischen Grundrechtecharta maßgeblich sind. Zu beachten ist zudem, dass sich Suchmaschinenbetreiber mangels journalistisch-redaktioneller Tätigkeit zwar nicht auf Art 11 GRCh berufen können, allerdings sind die mglw unmittelbar betroffenen Grundrechte Dritter, wie bspw die Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter, ebenso zu berücksichtigen wie die Informationsfreiheit der Nutzer. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung ggü betroffenen Dritten gehört daher nach Ansicht des BVerfG zu den „obj Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Einschränkungen der Unternehmensfreiheit, die unter Berufung auf das eigene Grundrecht aus Art 16 GRCh geltend gemacht werden können“ (BVerfG ZUM-RD 2020, 1 Rn 107 – Recht auf Vergessen II). Grds ist auch in diesen Verfahren stets eine eigenständige Abwägung vorzunehmen: Dies bedeutet, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Bereithaltens des Beitrags nicht in der Frage der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung des Beitrags seitens des Inhalteanbieters aufgeht und es „keinen automatischen Gleichklang zwischen der Zulässigkeit der Bereitstellung eines Beitrags im Netz und der Zulässigkeit des Nachweises durch eine Suchmaschine“ gibt (BVerfG ZUM-RD 2020, 1 Rn 115 – Recht auf Vergessen II). S hierzu auch Hamm ZD 2022, 42. War die Ursprungsmeldung nicht zulässig, ist auch das Bereithalten der Beiträge zum Abruf in einem Online- 166d Archiv grds unzulässig, soweit der Beschuldigte weiterhin identifizierbar bezeichnet bzw dargestellt ist; ebenfalls gilt offenbar kein Regelschluss von der Zulässigkeit der Erstmitteilung auf die Zulässigkeit des Bereithaltens im Fall einer Einstellung nach § 170 II StPO, BGH ZUM-RD 2016, 434 Rn 31, 39; krit Sajuntz GRUR-Prax 2016, 280. S auch Stuttgart NJW-RR 2014, 423 zur Einordnung eines Wikipedia-Eintrags nicht als archivierte Altmeldung, sondern als „aktuelle“ Biografie, deren Zulässigkeit sich nach den Grundsätzen zur Verdachtsberichterstattung Klass
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richtet und wofür keine Archivprivilegierung greift. Nach BGH ZUM 2011, 239 muss der Betreiber eines kommerziell genutzten Bildarchivs vor der Weitergabe archivierter Fotos an die Presse grds nicht die Zulässigkeit der beabsichtigten Presseberichterstattung nach Maßgabe der §§ 22, 23 KUG prüfen. Zur Frage der urheberrechtl Zulässigkeit des Einstellens von Artikeln in ein Online-Portal s Brandenburg MMR 2013, 260. Zur Frage der Zulässigkeit des Bereithaltens einer Gegendarstellung bei unzulässiger Erstmitteilung s BGH ZUM 2022, 48. 11. Schutz vor unberechtigter Verbreitung und öffentlicher Zurschaustellung von Bildnissen: Das Recht am eigenen Bild Schrifttum: Alexander, Persönlichkeitsschutz und Werbung mit tagesaktuellen Ereignissen, AfP 2008, 556; Beuthien/Hieke, Unerlaubte Werbung mit dem Abbild prominenter Personen, AfP 2001, 353; Eickmeier/Eickmeier, Die rechtlichen Grenzen des Doku-Dramas, ZUM 1998, 1; Engels/Schulz, Das Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, AfP 1998, 574; Ernst-Moll, Das Recht am eigenen Bildnis – vor und vor allem nach dem Tode, GRUR 1996, 558; Frömming, Die Einwilligung im Medienrecht, NJW 1996, 958; Haug, Bildberichterstattung über Prominente, 2011; Klass, Bildberichterstattung über das Privat- und Alltagsleben Prominenter, ZUM 2008, 432; Klass, Zu den Grenzen der Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens, AfP 2007, 517; Klass, Die neue Frau an Grönemeyers Seite – Ein zeitgeschichtlich relevantes Ereignis?, ZUM 2007, 818; NeumannDuesberg, Bildberichterstattung über absolute und relative Personen der Zeitgeschichte, JZ 1960, 114; Schertz, Die Verfilmung tatsächlicher Ereignisse, ZUM 1998, 757; Schertz, Die wirtschaftliche Nutzung von Bildnissen und Namen Prominenter, AfP 2000, 495; Schulz/Jürgens, Das Recht am eigenen Bild, JuS 1999, 664; Thalmann, Die Gemeinfreiheit der Prominenz: Werbung mit Abbildern von Personen des öffentlichen Interesses im Spannungsfeld von Individual- und Allgemeininteressen, GRUR 2018, 476; Unland, Die Verfilmung tatsächlicher Ereignisse – Persönlichkeitsrechtliche Grenzen, 2000; Wanckel, Foto- und Bildrecht, 2012.
a) Rechtsgrundlage und Rechtsnatur. Das Recht am eigenen Bild ist das ausschließliche Recht des Einzelnen, über die Verbreitung und öffentl Zurschaustellung seines Bildnisses zu entscheiden. Es wird umfassend durch das KUG v 9.1.1907 geschützt, welches in Reaktion auf RGZ 45, 170 – Bismarcks Leiche geschaffen wurde. Das Recht am eigenen Bild, das mithin schon lange vor der Anerkennung des APR durch den BGH (BGHZ 13, 334 – Leserbrief) im Jahr 1954 anerkannt war, wird heute als eine unter Sonderschutz (§ 22 KUG) gestellte besondere Erscheinungsform des APR angesehen und gewährt dem Einzelnen die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob, wann und wie er sich ggü der Öffentlichkeit oder Dritten darstellen will (BGH GRUR 1996, 227, 228). Das besondere Schutzbedürfnis ergibt sich nach Ansicht des BGH insb aus den real existierenden technischen Möglichkeiten, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, es datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren (BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM). Das Recht am eigenen Bild schützt grds sowohl den Wert- und Achtungsanspruch der Persönlichkeit als auch kommerzielle Interessen (BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich; ZUM 2013, 132 – Playboy am Sonntag; eine kommerzielle Verwertung abl BGH ZUM 2012, 474). Die §§ 22ff KUG gehen dem APR vor, soweit ihr Regelungsbereich reicht (BGHZ 30, 7, 11 – Caterina Valente). Das APR findet jedoch neben dem Recht am eigenen Bild Anwendung, wenn es im Kontext einer Bildnisveröffentlichung nicht nur um eine vom Schutzbereich der §§ 22ff KUG erfasste Persönlichkeitsrechtsverletzung geht (Götting/Schertz/Seitz § 12 Rn 2). Dies ist idR der Fall, wenn besondere, das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Umstände hinzutreten, wenn der Bildberichterstattung bspw ein beleidigender oder verfälschender Begleittext beigefügt ist (BGH NJW 1962, 1004: Bildnis eines unbescholtenen Seemanns mit dem Text „Lebenslänglich für Doppelmörder“; Koblenz NJW 1997, 1375: Abbildung eines unbeteiligten Priesters im Kontext eines Berichts über sexuellen Missbrauch von Kindern), der Betroffene herabgewürdigt, angeprangert oder sonst verächtlich gemacht wird (Götting/Schertz/Seitz § 12 Rn 189), es sich um eine Wahrheitsverletzung handelt, bspw weil das Bildnis bearbeitet wurde und der Eindruck entsteht, es bilde ein wahres Geschehen ab (BGH NJW 2006, 603 – Fotomontage; Hamburg ZUM 2013, 581; s auch Hamburg ZUM 2013, 582, das feststellt, dass insoweit eine unrichtige Information vorliege, welche unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut ist; s zum zivilrechtl Schutz der Persönlichkeit vor der Anfertigung manipulierter Fotografien auch Lüder, 2012), oder weil dem Bild falsche Bildunterschriften beigefügt werden. In diesen Fällen liegt neben der Verletzung des APR zugleich eine Verletzung berechtigter Interessen nach § 23 II KUG (Rn 188) vor, die einer nach § 23 I KUG bestehenden Abbildungsfreiheit grds entgegenstehen. Darüber hinaus kann das APR den Einzelnen auch vor der Herstellung eines Bildnisses schützen (ausf Rn 143ff). 167a b) Verhältnis der DSGVO zu den Regelungen des KUG. aa) Ausgangssituation: Die Nutzung von Personenbildnissen fällt sowohl in den Anwendungsbereich des KUG als auch in den Anwendungsbereich des Datenschutzrechts. Aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 1 III BDSG und des Medienprivilegs richtete sich die Zulässigkeit der Nutzung von Bildnissen in der Vergangenheit zumeist nach dem KUG (ausf hierzu Lauber-Rönsberg/Hartlaub UFITA 2018, 398ff; Lauber-Rönsberg/Hartlaub NJW 2017, 1057; Lauber-Rönsberg/Hartlaub in Götting/Schertz/ Seitz, § 22). Unklar war jedoch, inwieweit der umfassende Anwendungsbereich des KUG durch die seit dem 25.5.2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingeschränkt wird. Die Frage ist insb vor dem Hintergrund unterschiedl Regelungsansätze im Bereich der Einwilligung (Art 7 III DSGVO sieht eine jederzeitige freie Widerrufbarkeit vor) sowie mit Blick auf die umfassend ausgestalteten Betroffenenrechte (Informationspflichten, Art 13, 14 DSGVO; Auskunftsansprüche, Art 15 DSGVO, Löschungsansprüche, Art 17 DSGVO) von unmittelbarer praktischer Relevanz. 167b bb) Anwendungsbereich des KUG. Unstrittig ist, dass das KUG im Bereich der sog Haushaltsausnahme nach Art 2 II lit c DSGVO weiterhin Anwendung findet, denn Datenverarbeitungen im Rahmen ausschließlich per167
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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sönl oder familiärer Tätigkeiten – wie bspw privater Schriftverkehr, das Führen privater Adressbücher oder die Nutzung sozialer Netzwerke sowie private Online-Tätigkeiten (vgl ErwGr 18 der DSGVO) – werden von der DSGVO nicht erfasst (s auch Lauber-Rönsberg/Hartlaub UFITA 2018, 395, 411; Lauber-Rönsberg/Hartlaub NJW 2017, 1057, 1060; Klein Personenbilder im Spannungsfeld von Datenschutzgrundverordnung und Kunsturhebergesetz, 251). Die Ausnahme ist allerdings nicht weit genug, um auch privat motivierte Veröffentlichungen im Internet, die einem unbegrenzten Empfängerkreis zugänglich gemacht werden, zu erfassen – ein eigenständiger Anwendungsbereich für das KUG wird insoweit also nicht eröffnet. Der Anwendungsbereich für die Normen des KUG bleibt daher mit Blick auf Veröffentlichungen in den Medien grds nur insoweit bestehen, wie den Mitgliedstaaten eine Gestaltungskompetenz durch Öffnungsklauseln eingeräumt wird (der Anwendungsbereich der DSGVO ist zudem insofern beschränkt, als kein postmortaler Schutz gewährt wird). Eine solche Ausgestaltungskompetenz und zugleich auch Ausgestaltungsverpflichtung ergibt sich aus Art 85 DSGVO. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Öffnungsklausel zur Lösung des Spannungsverhältnisses zw dem Schutz personenbezogener Daten (Art 8 GRCh) und der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Art 11 GRCh). Nach Art 85 II DSGVO können die Mitgliedstaaten für Datenverarbeitungen zu journalistischen (der Begriff „Journalismus“ ist insofern weit auszulegen, vgl ErwGr 153 der DSGVO sowie EuGH 16.12.2008 – C-73/07, EuZW 2009, 108: das in Art 9 der Datenschutz-RL verankerte Medienprivileg gilt nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden, der journalistisch tätig ist), wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken Abweichungen oder Ausnahmen von den Kapiteln II bis VII und IX der DSGVO vorsehen, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung sowie der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen (der Regelungsauftrag erstreckt sich jedoch nicht auf Abweichungen zu Kapitel VIII, das bspw Rechtsbehelfe und Sanktionen betrifft: unklar war vor diesem Hintergrund, ob sich der Anspruch auf materiellen und immateriellen Schaden daher künftig – auch – nach Art 82 DSGVO richtet, s hierzu ausf Lauber-Rönsberg/Hartlaub UFITA 2018, 395, nach BGH GRUR 2022, 735, 737 – Traumfrau gesucht, greift Art 82 I DSGVO jedoch im Geltungsbereich des Medienprivilegs nicht, s hierzu auch Rn 313). Art 85 II DSGVO wird vor diesem Hintergrund auch als „Medienprivileg“ bezeichnet. Ein solches war bis zum 25.5.2018 in § 41 BDSG aF verankert (basierend auf der Vorgängerregelung des Art 9 Datenschutz-RL); aufgrund des Wegfalls der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse enthält das BDSG 2018 jedoch keine Regelung des Medienprivilegs mehr – dieses ist vielmehr in den §§ 12, 23 MStV sowie in den meisten Landespresse- und Landesdatenschutzgesetzen geregelt und stellt die journalistische Datenverarbeitung weitgehend von der Anwendung der Datenschutzgesetze frei. Zu beachten sind folglich die Bestimmungen des zivilrechtl Äußerungsrechts, insb das im Rahmen von § 823 I, § 1004 geschützte APR, § 193 StGB sowie die §§ 22, 23 KUG, die mithin Anwendung finden, wenn Bildnisse für journalistische, wissenschaftl, künstl oder literarische Zwecke genutzt werden (s auch Lauber-Rönsberg/Hartlaub NJW 2017, 1057, 1062; Specht MMR 2017, 577 sowie Köln ZUM-RD 2018, 549: Öffnungsklausel erfasst nicht nur neue Gesetze, sondern auch bestehende Regelungen; im obiter dictum wird zudem ausgeführt, dass auch das APR iRd Öffnungsklausel weiterhin Anwendung finde). Zur Stärkung des Medienprivilegs mit Blick auf den deliktsrechtl Persönlichkeitsrechtsschutz s auch die Entscheidung BVerfG ZUM 2020, 58 Rn 91f – Recht auf Vergessen I, in welcher die Verfassungsrichter den bestehenden Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten betonen und zum Ergebnis kommen, dass journalistisch-redaktionelle Beiträge in Online-Archiven auch im Anwendungsbereich von Art 85 DSGVO künftig allein am Maßstab der kollidierenden Grundrechte aus Art 2 I iVm Art 1 I GG einerseits und Art 5 I GG andererseits zu beurteilen sind (zum Verhältnis des deliktsrechtl Persönlichkeitsrechtsschutz zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung s Rn 128). Umstritten ist jedoch die Frage, ob das KUG auch im Rahmen von Art 85 I DSGVO Anwendung finden kann, 167c die Öffnungsklausel mithin auch Veröffentlichungen zu anderen Zwecken erfasst (bspw im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit oder sonstigen kommerziellen Nutzungen, wie etwa der Werbung von Unternehmen, der Veröffentlichung durch Vereine oder auch rein privat motivierte Kommunikation bspw. in sozialen Netzwerken). ZT wird vertreten, dass es sich bei Art 85 I DSGVO um eine eigenständige Öffnungsklausel handele, die den Mitgliedstaaten eine zusätzl Regelungsbefugnis eröffne. Demnach sollen die Mitgliedstaaten für Zwecke, die über die in Art 85 II DSGVO genannten Zwecke hinausgehen, weitere Abweichungen und Ausnahmen von datenschutzrechtl Bestimmungen vorsehen können (s Ziebarth/Elsaß ZUM 2018, 578, 582; Lauber-Rönsberg/Hartlaub NJW 2017, 1057, 1061; Cornils ZUM 2018, 561, 570). Allerdings gibt es auch Stimmen in der Lit, die Art 85 I DSGVO als bloße Anpassungsklausel auslegen und betonen, dass die Mitgliedstaaten aufgrund dieser Bestimmung verpflichtet sind, ihre nationalen Regelungen zur Meinungsfreiheit mit den Regelungen der DSGVO in Einklang zu bringen (Kühling/Martini et al., Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, 287f; Benecke/Wagner DVBl 2016, 600, 602; Paal/Pauly/Pauly Art 85 DS-GVO Rn 4). Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der EuGH zu dieser Frage positionieren wird. Findet die DSGVO Anwendung, stehen in Art 6 DSGVO jedoch ebenfalls Erlaubnistatbestände zur Verfügung: Zum einen besteht bspw eine Einwilligungsmöglichkeit nach Art 6 I lit a DSGVO, zum anderen kann die Verarbeitung personenbezogener Daten auch rechtmäßig sein, wenn berechtigte Interessen wahrgenommen werden, Art 6 I lit f DSGVO (s hierzu Lauber-Rönsberg, in Götting/Schertz/Seitz, § 22 Rn 53ff; Frankfurt/M GRUR, 2020, 1106). S hierzu auch BGH ZUM 2022, 468 – Tribute Show mit Blick auf die Verwendung eines Bildnisses in der Werbung: Eine am Maßstab des Art 6 I UAbs 1 Buchst f DSGVO vorzunehmende Interessenabwägung muss zum gleichen Ergebnis führen wie eine solche am Maßstab der §§ 22, 23 KUG. Klass
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c) Das abgestufte Schutzsystem der §§ 22ff KUG. Die §§ 22ff KUG enthalten ein abgestuftes Schutzsystem, welches „sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person als auch den Informationswünschen der Öffentlichkeit und den Interessen der Medien, die diese Wünsche befriedigen, ausreichend Rechnung“ trägt (BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM). In § 22 I KUG findet sich zunächst ein allg Verbotstatbestand, wonach Bildnisse grds nur mit Einwilligung (vgl ausf Rn 229ff) des Abgebildeten verbreitet und öffentl zur Schau gestellt werden dürfen (Stufe 1). § 23 I und § 24 KUG enthalten jedoch – primär im Interesse der Öffentlichkeit an Information – Einschränkungen von dieser Grundregel (Stufe 2). Kommt eine der dort genannten Ausnahmen in Betracht, ist jedoch zu prüfen, ob nicht dennoch „berechtigte Interessen des Abgebildeten“ iSd § 23 II KUG verletzt werden, welche die Abbildungsfreiheit aufheben (Stufe 3). 169 d) Der Verbotstatbestand des § 22 I KUG. aa) Bildnis. Ein Bildnis iSd § 22 KUG ist die erkennbare Wiedergabe des äußeren Erscheinungsbildes eines Menschen (Personenbildnis). Dabei ist es gleichgültig, auf welche (technische) Art und Weise das Bildnis hergestellt wurde, um welche Art von Bildnis es sich handelt und wie es verbreitet wird. Erfasst werden daher zB Fotografien, Zeichnungen (BGHZ 143, 214, 228 – Marlene Dietrich; LG München I AfP 1997, 559 – Pumuckl-Zeichentrickfigur), Karikaturen, Medaillen (BGH NJW 1996, 593 – Willy Brandt), Plastiken und Puppen, Film-, Fernseh- und Videoaufnahmen, Phantombilder, Fotomontagen (BGH NJW 2004, 596 – T-Sommer); umfasst ist aber auch die Darstellung durch Schauspieler, Doubles bzw. Doppelgänger (BGH ZUM 2022, 468, 470 – Tribute Show; NJW 2000, 2201, 2202 – Blauer Engel; Köln ZUMRD 2015, 521, 523 – Quizshow) oder Look-Alikes (BGHZ 26, 52, 67 – Sherlock Holmes; LG Hamburg NJW-RR 2011, 1677; zum Einsatz von Doppelgängern und Look-Alikes s auch Gerecke GRUR 2014, 518). Grds entscheidet die Erkennbarkeit für Dritte darüber, als wessen Bildnis die Darstellung einer Person anzusehen ist (BGH NJW 2000, 2201, 2202 – Blauer Engel); ausreichend insoweit, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums glaubt, es handele sich um die dargestellte Person, BGH ZUM 2022, 468, 470 – Tribute Show. Die Erkennbarkeit, die ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Bildnisschutzes ist, muss sich dabei nicht notwendig aus der Abbildung der Gesichtszüge ergeben, vielmehr genügt es, wenn andere besondere Merkmale (Bekleidung, Frisur, Mimik, Gestik), die Umgebung oder sonstige Einzelheiten zur Erkennbarkeit führen (BGH ZUM 2022, 468, 470 – Tribute Show; NJW 2000, 2201 – Blauer Engel; Stuttgart AfP 2014, 352 – Vater eines Amokläufers; KG AfP 2015, 250: nicht ausreichend ist es jedoch, wenn sich Erkennbarkeit aufgrund des Sonderwissens einer Zeugin ergibt). Zu berücksichtigen ist hierbei auch die dazugehörige Textberichterstattung (BGH GRUR 2019, 1084, 1087 – Star Anwalt). Erkennbarkeit kann daher auch trotz gepixeltem bzw „verkacheltem“ Gesicht gegeben sein (LG Frankfurt NJW-RR 2007, 115 – Pornofilm: zurückgekämmte, blonde Haare, Ohren mit Ohrschmuck, Gesichtsform, Kleidung, auffällige Statur des Oberkörpers; München AfP 1982, 230 – Liebesschule; Saarbrücken NJW-RR 2010, 346 – Drückerkolonne; Karlsruhe AfP 2015, 55: Erkennbarkeit zB aufgrund Körperform und Konstitution; keine Erkennbarkeit jedoch bei bloßer Veröffentlichung des Kfz-Kennzeichens, AG Kerpen 4.11.2010 – 102 C 108/10). Erkennbarkeit ist grds zu bejahen, wenn ein mehr oder weniger großer Bekanntenkreis die abgebildete Person erkennt, wobei nach der Rspr bereits dann eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung vorliegt, wenn der Abgebildete begründeten Anlass hat, anzunehmen, er könne durch die Art der Abbildung erkannt werden (zu alledem BGH NJW 1979, 2205 – Fußballtorwart mwN; KG AfP 2015, 250ff). Der Nachw, dass der Abgebildete tatsächlich erkannt worden ist, ist nicht erforderlich, BGH NJW 1962, 1004 – Doppelmörder. 170 Nicht von §§ 22f KUG umfasst ist jedoch der Schutz des Lebensbildes, weshalb bspw der Anwendungsbereich der §§ 22f KUG nicht eröffnet ist, wenn in einem Film nicht das Bildnis einer Person veröffentlicht wird, sie also nicht erkennbar in ihrer wirklichen, dem Leben entspr äußeren Erscheinung wiedergegeben, sondern durch eine Schauspielerin dargestellt wird, ohne dass große äußerliche Ähnlichkeiten bestehen (BGH ZUM 2021, 849 – Die Auserwählten; LG Berlin ZUM 2008, 880 – Baader Meinhof; KG ZUM-RD 2009, 181), und ihre Identifizierung lediglich auf der Ähnlichkeit der Handlung und der Ereignisse beruht (LG Köln ZUM 2009, 324 – Der Baader Meinhof Komplex; aA Götting/Schertz/Seitz, § 12 Rn 70ff, der die Darstellung eines Lebensbildes einer Person dem Anwendungsbereich des § 23 I Nr 4 KUG unterstellen will). Der Schutz des Lebensbildes wird mithin nicht von §§ 22ff KUG, sondern vom APR gewährleistet (Rn 132ff). 171 bb) Abbildungen von Grundstücken, Häusern und sonstigen Sachen. Das Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG) schützt grds nur das Bildnis einer Person, nicht hingegen Abbildungen von deren Sachen (auch gibt es kein „Recht am Bild der eigenen Sache“ in Anlehnung an § 22 KUG, Köln NJW 2004, 619; zum partiellen Schutz s Wanckel NJW 2011, 1779; Flöter/Königs ZUM 2012, 383 zur Verletzung des „Rechts am grundstücksinternen Bild der eigenen Sache“ sowie BGH GRUR 2013, 623 m Anm Elmenhorst; ZUM 2011, 333; MMR 2011, 466 – Sanssouci), daher soll auch das Fotografieren eines Hauses grds frei sein (BGH NJW 1989, 2251 – Friesenhaus; LG Berlin ZUM-RD 2011, 418), wenn die Aufnahme von einer allg zugänglichen Stelle aus angefertigt wurde und die Abbildung des Anwesens nur das wiedergibt, was auch für den vor Ort anwesenden Betrachter ohne Weiteres zu Tage tritt; insofern liegt auch keine Beeinträchtigung des APR vor (BGH NJW 1989, 2251, 2253; Brandenburg NJW 1999, 3339, 3340; LG Köln ZUM-RD 2010, 233); anderes gilt jedoch, wenn in die durch die Umfriedung des Grundstücks geschaffene Privatsphäre eingedrungen und das Recht der betroffenen Person auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung ihrer persönlichen Lebensumstände beeinträchtigt wird (BGH NJW 2009, 3030 – Joschka Fischer; insoweit sind Aufnahmen für Google Street View (s auch Rn 172) zulässig, wenn keine Fotos unter Überwindung einer Umfriedung aufgenommen werden, KG MMR 2011, 414). Nach Düsseldorf (ZUMRD 2008, 469 – Motoryacht) kann ebenfalls eine Beeinträchtigung des APR vorliegen, sofern ein falsches Bild über den Sachherrn vermittelt wird – jedoch muss sich eine bestimmte Interpretation des Bildes geradezu auf168
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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drängen. Das Veröffentlichen und Verbreiten von Luftbildaufnahmen der Anwesen Prominenter unter Namensnennung ist nach BGH (NJW 2004, 762, 763 – Luftbildaufnahmen) zulässig, solange weder der Kernbereich der Privatsphäre noch ihr räumlich gegenständlicher Schutzbereich nachhaltig beeinträchtigt werden; anders BVerfG (NJW 2006, 2836, 2837): Schutz des APR kann auf die Veröffentlichung von Abbildungen erstreckt werden, die Einblick in die räumliche Privatsphäre als einen von öffentl Kontrolle und Beobachtung freien Rückzugsbereich ermöglichen; eine Beeinträchtigung des APR liegt daher jedenfalls dann vor, wenn zugleich die Identität der Bewohner offengelegt und der Weg zu dem Anwesen beschrieben wird (so auch KG ZUM 2001, 236, 238; s ebenfalls KG NJW 2005, 2321, das einen Unterlassungsanspruch gegen die Ablichtung und Verbreitung des Bildes eines Hauses von G. J. gewährte; nach Hamburg AfP 2006, 182 muss die Abbildung des Domizils eines Prominenten im Fernsehen, welche noch keine Identifizierung der Adresse ermöglicht, jedoch als geringer Eingriff der Rundfunkfreiheit weichen; Hamburg AfP 2012, 165 – KiK, betont zwar das schützenswerte Interesse des Einzelnen an einem Rückzugsort individueller Lebensgestaltung, bejaht jedoch im konkreten Fall ein überwiegendes Berichterstattungsinteresse). Nach der Luftbild-Rspr des BGH liegt jedenfalls dann ein Eingriff vor, wenn gegen den Willen des Betroffenen und unter Überwindung bestehender Hindernisse oder mit geeigneten Hilfsmitteln die Privatsphäre ausgespäht wird, um daraus ein Geschäft zu machen (BGH NJW 2004, 762 – Luftbildaufnahmen). Insg ist trotz noch uneinheitlicher Rspr eine Tendenz der Gerichte erkennbar, Rechtschutz gegen die Abbildungen von Häusern zu gewähren, wenn die Verbreitung dieser geeignet ist, die Privatheit, das Rückzugsbedürfnis und die Sicherheit ihrer insb prominenten Eigentümer zu beeinträchtigen bzw zu gefährden (so auch Erman/Ehmann12 Rn 145). Das Berichterstattungsinteresse ist jedoch idR vorrangig, wenn der Betroffene sein privates Anwesen zuvor durch eine von ihm gebilligte Berichterstattung dem Anblick der Allgemeinheit geöffnet hat, so BVerfG NJW 2006, 2838 zu BGH NJW 2004, 762. Das ungenehmigte Fotografieren in einer Wohnung kann einen Eingriff in das APR darstellen, Düsseldorf NJW 1994, 1971; ebenso unerlaubte Aufnahmen mit versteckter Kamera in einem Zug der DB, KG NJW 2000, 2210. Das Filmen ausschließlich des eigenen Grundstücks mit einer Videokamera löst keinen Anspruch des Nachbarn auf Unterlassung aus; ein Schutz vor der Anfertigung zulässiger Abbildungen besteht insoweit nicht (BVerfG NJW-RR 2006, 1200 – Überwachungskamera). Anders liegt der Fall aber bei der bildlichen Aufzeichnung eines öffentl Wegs zw Nachbargrundstücken, auch, wenn keine Verbreitungsabsicht besteht (BGH NJW 1995, 1955, 1956), oder wenn die ernsthafte Befürchtung besteht, die auf einem Grundstück installierte Kamera zeichne benachbarte Privatgrundstücke, gemeinsame Zugänge oder öffentl Bereiche auf, wobei die Befürchtung schon dann gerechtfertigt ist, wenn sie aufgrund konkreter Umstände nachvollziehbar und verständlich erscheint (zB Nachbarschaftsstreit) – in diesem Fall kann das APR schon aufgrund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein (BGH GRUR 2010, 949, 950 – Überwachungskamera). Die Speicherung der Ablichtung von Häusern mit Straßennamen und Hausnummern auf Disketten kann da- 172 tenschutzrechtl unzulässig sein, wenn die Eigentümer ohne großen Aufwand (aus Adressbüchern, Tel-Disketten) ermittelt werden können (Erman/Ehmann12 Rn 145). Zur datenschutzrechtl und persönlichkeitsrechtl Zulässigkeit von Google Street View s Forgó/Krügel/Müllenbach CR 2010, 616; Lindner ZUM 2010, 292; Caspar DÖV 2009, 965; Hoffmann CR 2010, 514; Holznagel/Schumacher JZ 2011, 57; Weber NJOZ 2011, 673; sowie allg Dreier/Spiecker, Die systematische Aufnahme des Straßenbildes, 2010; zu urheberrechtl Fragen der Abbildung von Gebäuden, Denkmälern etc durch Google Street View Ernst CR 2010, 178. Grds ist bei der rechtl Beurteilung dieses Angebotes zu differenzieren zw der bloßen Zugänglichmachung von Aufnahmen, die lediglich den Bereich betreffen, der ohnehin der Öffentlichkeit zugewandt ist, Aufnahmen, die geeignet sind, ein falsches Bild über den Sachherrn zu vermitteln (Düsseldorf ZUM-RD 2008, 469 – Motoryacht), Aufnahmen, die Einblick in den Innenraum einer Wohnung oder eines umfriedeten Grundstücks gewähren und Aufnahmen, auf denen Personen erkennbar abgebildet werden (ausf Rn 169). Zudem kann sich eine Persönlichkeitsrechtsrelevanz aus einer möglichen Verknüpfung mit der Identität der Bewohner ergeben (zB Angabe von Namen, Adresse und Wegbeschreibung). cc) Verbreiten und öffentliches Zurschaustellen. Als relevante Handlungsformen nennt § 22 I KUG das Ver- 173 breiten und öffentliche Zurschaustellen – nicht umfasst ist das Herstellen eines Bildnisses (Rn 143ff). Ein Verbreiten erfasst grds jede Art der Weitergabe körperlicher Exemplare, aber auch digitaler Kopien (BGH GRUR 2018, 757, 760 – Kindeswohlgefährdung), auf ein Verbreiten an die Öffentlichkeit kommt es nicht an – schon ein Verbreiten im privaten Bereich wird erfasst (keine Verbreitungshandlung jedoch bei Abruf von Bildnissen durch Presseunternehmen aus Bildarchiv von Drittunternehmen, BGH ZUM 2011, 239, 240 – Bildarchiv) – der Begriff des Verbreitens iSd § 22 I KUG ist mithin weiter als der des § 17 I UrhG, welcher eine öffentl Verbreitung verlangt. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Betroffene selbst bei einer Verbreitung an nur eine Person die Kontrolle und Verfügungsgewalt über das Bildnis verliert und hierdurch in seinem Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt wird (Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider § 22 KUG Rn 9). Unbeachtlich ist auch, ob das Verbreiten unentgeltlich oder mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt; auch das Verschenken fällt unter § 22 I KUG. Ob ein Verbreiten iSd § 22 KUG anzunehmen ist, ist im Gesamtkontext der Verwendung der Bilder zu beurteilen, (BGH GRUR 2018, 757, 760 – Kindeswohlgefährdung). Ein öffentl Zurschaustellen liegt hingegen in den Fällen der unkörperlichen Wiedergabe von Bildnissen, bspw in Filmen oder im Internet, vor. Maßgeblich ist damit letztlich nur, ob eine Möglichkeit geschaffen wird, das Bildnis wahrzunehmen (Götting/Schertz/Seitz, § 12 Rn 32; aber kein öffentl Zurschaustellen beim Hochladen von Bildern in eine „Cloud“, da es an einer Öffentlichkeit fehlt, der das Bildnis angeboten wird, LG Heidelberg ZUM-RD 2016, 385). Das Einstellen eines (Belegschafts-)Bildes Klass
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auf einer Homepage im Internet kommt dem öffentl Zurschaustellen iSd § 22 S 1 KUG gleich, LAG Rh-Pf ZUM 2013, 699. Krit zum „öffentl Zurschaustellen“ bei Bildnissen in sozialen Netzwerken Ohly AfP 2011, 428, 429f. Auch diese Tatbestandsalternative erfordert weder Entgeltlichkeit noch Gewerbs- oder Geschäftsmäßigkeit (Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider § 22 KUG Rn 9; Götting/Schertz/Seitz § 12 Rn 32). dd) Der Einwilligungsvorbehalt. Soweit keine Ausnahmetatbestände (§§ 23, 24 KUG) eingreifen, ist das Verbreiten und öffentl Zurschaustellen nur mit Einwilligung des Abgebildeten zulässig (zur Rechtsnatur und der damit zusammenhängenden Frage, inwiefern die Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre auf die Einwilligung Anwendung finden, ausf Rn 229ff). Die Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trägt grds der Einwilligungsempfänger, es sei denn, der Abgebildete hat dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhalten; in diesem Fall gilt nach § 22 S 2 KUG die Einwilligung im Zweifel als erteilt (Ablehnen der Vermutung bei Veröffentlichung eines Nacktbildes eines Modells: Lohn als Gegenleistung für Modellarbeit, nicht für Anfertigung von Fotografien, LG Düsseldorf ZUM-RD 2012, 407, 409). Die Vermutung entbindet jedoch nicht von der Prüfung des Umfangs und Zwecks der Einwilligungserteilung (München ZUM 2006, 937, 939 – Fotomodell; hierzu auch ausf Rn 232). Nach dem Tod des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten – § 22 S 3 KUG normiert insoweit ausdrückl einen postmortalen Bildnisschutz, beschränkt die Geltendmachung des Schutzes jedoch auf die in § 22 S 4 KUG bezeichneten Angehörigen. Eine Geldentschädigung der Angehörigen abl BGH ZUM 2012, 474 (s auch Rn 320). e) Ausnahmetatbestand: Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, § 23 I Nr 1 KUG. Vorbehaltlich der Einschränkung durch die berechtigten Interessen des Abgebildeten gem § 23 II KUG ist nach § 23 I Nr 1 KUG das Verbreiten und öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte auch ohne eine Einwilligung des Betroffenen zulässig. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass das legitime Informationsinteresse der Allgemeinheit an einer Berichterstattung aus dem Bereich des Zeitgeschehens und damit die Unterrichtung über soziale, wirtschaftl, politische, aber auch kulturelle und gesellschaftl Fragen angemessen befriedigt werden kann (Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider § 23 KUG Rn 3; Götting/Schertz/Seitz § 12 Rn 47). Umfasst sind hierbei auch Veranstaltungen, die allein regional oder lokal von Bedeutung sind (BGH ZUM-RD 2014, 480 – Mieterfest). aa) Aufgabe der Kategorien „absolute“ und „relative“ Person der Zeitgeschichte (s auch Rn 37ff). Im Rahmen der Auslegung dieser Normen bediente sich die Rspr in den vergangenen Jahrzehnten in Anlehnung an Neumann-Duesberg (JZ 1960, 114) der Rechtsfiguren der „absoluten“ und „relativen“ Person der Zeitgeschichte, zw denen es jedoch keine starre Grenze gab. Als absolute Person der Zeitgeschichte wurden dabei Personen angesehen, die selbst Zeitgeschichte machten und die sich aufgrund ihrer Stellung, ihrer Leistungen oder Nichtleistungen, ihrer Taten oder ihrer Geburt aus der Gruppe der Mitmenschen abhoben und im Blickfeld der Öffentlichkeit standen (Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider § 23 KUG Rn 5; vgl BGH NJW 1997, 1152 – Bob Dylan; NJW 2002, 2317 – Marlene II). Zu den absoluten Personen der Zeitgeschichte zählten insb Persönlichkeiten des politischen Lebens, vor allem Staatsoberhäupter und Politiker (BVerfGE 91, 125, 138 – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BGH NJW 1996, 593 – Willy Brandt; bestätigt BVerfG NJW 2001, 594 – Willy Brandt; KG ZUM-RD 2006, 552 – Ministerpräsidentin), aber auch Mitglieder regierender Königs- und Fürstenhäuser, wie bspw Caroline v Hannover, sowie Repräsentanten aus Wirtschaft (BGH NJW 1994, 124 – Alle reden vom Klima) und Wissenschaft sowie Künstler, Entertainer (BGH GRUR 1992, 557 – Talkmaster-Foto, Joachim Fuchsberger; München AfP 1995, 658, 660 – Anne-Sophie Mutter;), Schauspieler (BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich), Sänger (BGH NJW 1997, 1152 – Bob Dylan) und Sportler (Frankfurt NJW 1989, 402 – Boris Becker; LG Hamburg ZUM 2003, 689 – Oliver Kahn), die über einen längeren Zeitraum im Licht der Öffentlichkeit standen. Absolute Personen der Zeitgeschichte waren nach der bisherigen Rspr mithin Personen, bei denen ein zeitgeschichtliches Interesse allein schon aufgrund ihres Status, ihrer Herkunft und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft angenommen wurde, Personen also, die allein aufgrund ihrer Prominenz und unabhängig von einem zeitgeschichtlichen Ereignis Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit fanden und auch finden durften. Eine Zuordnung zu dieser Gruppe führte in der Praxis üblicherweise dazu, dass eine am Informationsinteresse orientierte Einzelfallabwägung unterlassen wurde; der prominente Status einer Person reichte in der Vergangenheit daher meist aus, um sie abzubilden (so auch Götting/Schertz/Seitz, § 12 Rn 64; Teichmann NJW 2007, 1917, 1918). Als relative Personen der Zeitgeschichte hingegen wurden Personen eingestuft, die lediglich in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis vorübergehend in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind. Ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit an diesen Personen bestand daher nur im Zusammenhang mit einem konkreten Anlass und nur für eine begrenzte Zeit. Folgende Fallgruppen wurden im Laufe der Zeit gebildet: Zeitl begrenzte berufl/gesellschaftl Prominenz (Schauspieler, Entertainer, Sportler, deren Wirken in der Öffentlichkeit nur für kurze Zeit wahrgenommen wurde, LG Berlin AfP 1999, 91 – Gute Zeiten, schlechte Zeiten); Beteiligte an spektakulären Kriminalprozessen, die sich aufgrund der Tatbegehung, der Schwere der Tat oder der Person des Täters deutlich von alltäglichen Kriminalfällen abgehoben haben (Angeklagte, sonstige Verfahrensbeteiligte, idR jedoch nicht die Opfer; vgl Wenzel/v Strobl-Albeg/Peifer, Rn 8.43f; Götting/Schertz/Seitz, § 12 Rn 76ff, 80. Familienangehörige, langjährige Lebensgefährten und vertraute Begleiter absoluter Personen der Zeitgeschichte wurden ihrerseits ebenfalls als relative Personen der Zeitgeschichte qualifiziert – Berichterstattungen über die Begleitperson waren idR zulässig, da die Begleitsituation selbst als ein Ereignis der Zeitgeschichte iSd § 23 I Nr 1 KUG angesehen wurde (Hamburg NJW-RR 1990, 1000 – Vertraute Begleiterin sowie BVerfG NJW 2001, 1921 – Ernst August v Hannover); in diesen Fällen bestand ein „abgeleitetes Interesse der Öffentlichkeit, 86
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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das nicht um der abgebildeten Person willen, sondern wegen des Interesses an der absoluten Person der Zeitgeschichte“ bestand, welches aber insofern auf die abgebildete Begleitung ausstrahle. Das Verhalten der Begleitperson könne im Einzelfall aber auch dazu führen, dass ein eigenständiges Interesse an ihr entstand und sich die Berichterstattung verselbständige, weshalb die Grenzen zw einer relativen und einer absoluten Person der Zeitgeschichte fließend waren (BVerfG NJW 2001, 1921, 1923 – Ernst August v Hannover; zur aktuellen Rspr s Rn 182). bb) Relativierung der absoluten Person der Zeitgeschichte (abgestuftes Schutzkonzept). Infolge des EGMRUrteils (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I, s hierzu Rn 38ff) entwickelte der BGH (NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover) ein modifiziertes abgestuftes Schutzkonzept (s auch Rn 41f), welches in noch stärkerem Maße sowohl der abgebildeten Person als auch den von den Medien wahrgenommenen Informationsinteressen Rechnung trägt. Insb veränderte der BGH die Konturen der Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte erheblich, indem er das Absolute relativierte und damit die Person der absoluten Zeitgeschichte in der Form, in der sie die Rspr-Praxis über viele Jahre hinweg dominierte, abschaffte. Wenn neben dem prominenten Status stets ein besonderes Ereignis und damit eine zusätzl zeitgeschichtliche Relevanz für eine zulässige Berichterstattung erforderlich ist, unterscheidet sich die absolute fast nicht mehr von der relativen Person der Zeitgeschichte (hierzu ausf Klass AfP 2007, 517; zur aktuellen Kasuistik Rn 50). cc) Der Informationswert der Berichterstattung/Einbeziehung der Wortberichterstattung. Nach der Rspr des BGH (NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover; bestätigt durch BVerfG NJW 2008, 1793, 1797 – CvH IV; des Weiteren BGH NJW 2008, 3134 – Heide Simonis; NJW 2008, 3141 – Kenia-Bilder; NJW 2008, 3138 – Sabine Christiansen) kommt eine Ausnahme nach § 23 I Nr 1 KUG nur noch in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft, wobei nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern allg das Zeitgeschehen erfasst ist (BGH GRUR 2021, 643, 645f – Urlaubslotto, GRUR 2019, 1084, 1087 – Star Anwalt; GRUR 2010, 549 – Spiegel-Dossier; BVerwG NJW 2012, 2676: Polizeieinsatz als zeitgeschichtliches Ereignis). Es ist daher stets zu prüfen, ob der konkreten Abbildung an sich eine Information über ein zeitgeschichtliches Ereignis zu entnehmen ist, oder ob die Abbildung an sich einen Beitrag zu einer Diskussion von allg Interesse leistet. Dies gilt selbst dann, wenn ein kontextneutrales Foto verwendet wird, Frankfurt ZUM-RD 2021, 341, 343. S jedoch BVerfG ZUM-RD 2015, 504: Die Interessen von Personen, die zufällig abgebildet werden, müssen hierbei nicht stets zurücktreten, vielmehr ist grds eine Interessenabwägung erforderlich. Das BVerfG (ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi) betont ebenfalls, dass im Bereich der Berichterstattung über Prominente auch Darstellungen von Umständen aus dem Alltagsleben dieser Personen geeignet sein können, die Veröffentlichung eines Fotos zu rechtfertigen, jedenfalls sofern die Veröffentlichung der Meinungsbildung zu Fragen von allg Interesse dient. Insbesondere kann auch Unterhaltung Realitätsbilder vermitteln und Gesprächsgegenstände zur Verfügung stellen, an welche sich Diskussionsprozesse anschließen, die bspw auf Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster einzelner Menschen Einfluss nehmen können, weshalb auch unterhaltenden Beiträgen eine wichtige gesellschaftliche Funktion zukommt. Vor diesem Hintergrund umfasst der Schutzbereich der Pressefreiheit auch unterhaltende Beiträge über das Privat- und Alltagsleben von Prominenten und ihres sozialen Umfeldes (BVerfG NJW 2008, 1793, 1796 – CvH IV; ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi), denn diese können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen, BGH GRUR 2018, 1077, 1080 – der verlorene Bruder. Selbst ein Fehlverhalten, das keinen Straftatbestand darstellt (Verwaltungsverfahren), kann nach BGH ZUM 2020, 468 – Medizintouristen, zum Zeitgeschehen gehören und eine Bildberichterstattung rechtfertigen; krit hierzu Klass JZ 2020, 690. Grds steht es den Medien zudem frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren – eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet daher nicht statt, BGH ZUM-RD 2018, 327, 329 – ehemaliges Staatsoberhaupt beim Einkauf. Mit Blick auf den erforderlichen Informationswert hat zudem stets die dazugehörige Wortberichterstattung in die Beurteilung einfließen (zum Zurückstehen des APR hinter der Meinungsfreiheit BVerfG NJW 2012, 756; s auch EGMR NJW 2012, 1053 – CvH/Deutschland II: Einordnung des Gesundheitszustandes des Fürsten Rainier III. von Monaco und das Verhalten der Familienmitglieder während seiner Erkrankung als zeitgeschichtlich relevantes Ereignis angemessen; krit dazu Lehr GRUR 2012, 745; Schertz NJW 2013, 721, 727, beide insb auf die Manipulations- und Missbrauchsgefahr dieser Rspr verweisend). Beschränkt sich der Bericht jedoch darauf, einen beliebigen Anlass für die Abbildung zu schaffen, und lässt die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentl Meinungsbildung nicht erkennen, muss das Veröffentlichungsinteresse hinter dem Schutz der Privatsphäre zurücktreten (BGH ZUM-RD 2009, 517 – Wer wird Millionär: Bebilderung eines Rätselheftes mit einem Titelfoto von Günther Jauch; GRUR 2011, 261 – Party-Prinzessin; ähnl auch BGH NJW 2013, 793 – Playboy am Sonntag; abgelehnt im Fall BGH GRUR 2013, 1065, 1066 – Eisprinzessin Alexandra v Hannover, da trotz Konzentration des Berichts auf die Klägerin noch ausreichender Bezug zum Ereignis bestand; LG München I ZUM-RD 2014, 172). Aber: Bild- und Wortberichterstattung unterliegen unterschiedl Maßstäben, da schutzwürdige Interessen bei der Wortberichtertstattung erst durch eine Güterabwägung zu bestimmen sind. Zudem stellt eine Bildberichterstattung zumeist einen ungleich stärkeren Eingriff in die persönl Sphäre dar, da das Erscheinungsbild einer Person fixiert, verfügbar gemacht und der Allgemeinheit vorgeführt wird. Die Intensität eines Eingriffs in das APR ist jedenfalls geringer, wenn es sich um die Behauptung zutreffender Tatsachen handelt, die entweder belanglos sind oder sich allenfalls oberflächlich mit der Person beschäftigen, ohne einen tieferen Einblick in die persönlichen Lebensumstände des Betroffenen zu vermitteln und ohne herabsetzend oder gar ehrKlass
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verletzend zu sein. Anders aber bspw, wenn der Text eine Dichte von Einzelinformationen aufweist, die eine fotografische Darstellung nicht vermitteln kann, BGH GRUR 2018, 964, 969 – Tochter von Prinzessin Madeleine. S hierzu auch Köln ZUM-RD 2019, 371 – Fußballnationalspieler im Urlaub: Rechtswidrigkeit einer Bildberichterstattung führt nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit der mit ihr verbundenen Wortberichterstattung. S hierzu auch KG AfP 2021, 363 – Stadtbummel. 180c Kasuistik: S hierzu bspw BGH NJW 2008, 3134 – Heide Simonis: Zurückweisung eines Anspruchs auf Unterlassung der Veröffentlichung von Bildern, welche Heide Simonis am Tag nach ihrem Amtsverlust bei privaten Einkäufen zeigen; BGH NJW 2008, 3141 – Kenia-Bilder: Zurückweisung einer Klage von Caroline v Hannover gegen die Veröffentlichung eines Bildes, welches sie und ihren Ehemann auf einer belebten Straße in Kenia zeigt und das zur Bebilderung einer Wortberichterstattung über Vermietungsangebote prominenter Personen diente; BGH NJW 2008, 3138 – Shopping mit der Putzfrau auf Mallorca: Verbot der Veröffentlichung eines Bildes, das sie und ihre Putzfrau bei Einkäufen auf einem Markt in Mallorca zeigt; BGH GRUR 2009, 665 – Lebensgefährte von Sabine Christiansen: Verbot der Veröffentlichung von Fotos, die eine Person des öffentl Interesses mit einem neuen Partner zwar in der Öffentlichkeit, aber in einer erkennbar privaten Situation zeigen, sofern kein zu berücksichtigendes Informationsinteresse besteht; BGH NJW 2009, 757 – Karsten Speck: Eine Bildberichterstattung über den Strafvollzug kann durch ein Bedürfnis nach demokratischer Kontrolle der Strafvollstreckungsbehörden gestattet sein; BGH NJW 2009, 1499 – Andrea Casiraghi: Zulässigkeit der Veröffentlichung von Bildern des potentiellen Thronfolgers Andrea Casiraghi, die diesen kurz nach der Beisetzung des Fürsten Rainier v Monaco im Rahmen eines Portraits zeigen; BGH GRUR 2011, 259 – Rosenball in Monaco: Zulässigkeit der Veröffentlichung kontextbezogener Fotos von Charlotte Casiraghi: der Rosenball ist ein zeitgeschichtliches Ereignis; BGH ZUM 2012, 140 – Charlotte Casiraghi: Veröffentlichung von Fotos anlässlich des Besuchs einer Vernissage sind zulässig; BGH GRUR 2013, 1065 – Eisprinzessin: Teilnahme von Alexandra v Hannover an einem Eislaufturnier in Toulon ist zeitgeschichtliches Ereignis; BGH GRUR 2014, 804: Zulässige Bildberichterstattung über Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in einer an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre; Köln ZUM 2016, 290: Bildberichterstattung über Krankenhausbesuch mit Bezug zu zeitgeschichtlichem Ereignis (Michael Schumacher) kann zulässig sein; Stuttgart AfP 2014, 352: Kontextneutrale Abbildung des Vaters eines Amokläufers kann gerechtfertigt sein; Köln ZUM 2016, 443, 444: Unzulässige Darstellung einer Schauspielerin mit „Babybäuchlein“ im privaten Rückzugsort (Trailerpark) bei Dreharbeiten; Köln NJWRR 2014, 1069: Unzulässige Berichterstattung über küssende Moderatorin; Hamburg AfP 2016, 546ff – Sigmar Gabriel: Die Hochzeit eines Kanzlerkandidaten und Vorsitzenden der SPD stellt ein bedeutendes zeitgeschichtliches Ereignis dar; BGH GRUR 2017, 302 – Misstrauensvotum Wowereit: Zulässigkeit von Bildberichterstattung, die den amtierenden Berliner Bürgermeister am Abend vor einer Misstrauensabstimmung entspannt in einer Berliner Bar zeigen; BGH GRUR 2019, 866ff – Eine Mutter für das Waisenkind: Zulässige kontextgerechte Bildberichterstattung über frühere Vormundschaft unter Verwendung eines aktuellen Bildes von der Fashion Week sowie altem – bei Presseevent aufgenommenem – Familienfoto; Köln AfP 2019, 242ff: unzulässige Bildberichterstattung über Prominente und minderjährige Tochter bei privatem Einkauf; ZUM-RD 2018, 327, 330 – zulässige Veröffentlichung von Bildern des ehemaligen Bundespräsidenten auf dem Parkplatz eines Supermarktes; Köln ZUM-RD 2019, 371ff: unzulässige Bildberichterstattung über einen Fußballnationalspieler mit einer unbekannten Frau im Urlaub; Köln ZUM-RD 2019, 396: unzulässige Bildberichterstattung über Besuch eines Hockeyspiels – Johannes B Kerner und Tochter; KG ZUM-RD 2019, 625: unzulässige Bildberichterstattung über Urlaubsgestaltung des Fußballbundestrainers; BGH ZUM 2020, 468 – Medizintouristen: zulässige identifizierende Bildberichterstattung über Verwaltungsverfahren; Dresden AfP 2020, 408: zulässige identifizierender Berichterstattung über Lokalpolitikerin; Frankfurt AfP 2021, 437, 439: zulässige Bildberichterstattung im Kontext eines Plagiatsvorwurfs ggü Vizepräsidentin einer Fachhochschule; Frankfurt ZUM-RD 2021, 541, 543: unzulässige Nutzung des Bildnisses einer Polizeibeamtin in Musikvideo; BGH ZUM-RD 2020, 642: unzulässige Bildberichterstattung über Scheidungsverfahren einer bekannten dt Schauspielerin; BGH GRUR 2021, 643 – Urlaubslotto: unzulässige Bebilderung eines Presseartikels mit Prominentenfoto (Symbolbild); Frankfurt ZUMRD 2020, 439: zulässige kontextneutrale Bebilderung eines Artikels über Heilungsverlauf von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma mit dem Foto eines berühmten Sportlers und seiner Ehefrau; BGH NJW 2021, 1303, 1307 – Clickbaiting: unzulässige Nutzung des Portraitbilds eines Prominenten als „Klickköder“; KG ZUM-RD 2022, 149: unzulässige Bildberichterstattung über privaten Einkaufsbummel eines prominenten Fernsehmoderators. BGH GRUR 2022, 1848: zulässige Bildberichterstattung über Bundespolizisten mit Aufnäher an der Uniform; LG Köln AfP 2022, 553f: zulässige Abbildung des Lkw-Fahrers, der die ersten Corona-Impfstoffdosen lieferte. 181 dd) Abwägung der verfassungsrechtl gewährleisteten Rechte und Interessen. Letztlich erfordert also schon die Beurteilung, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte iSv § 23 I Nr 1 KUG vorliegt, eine Abwägung zw den Rechten des Abgebildeten aus Art 1 I iVm Art 2 I GG, Art 8 I EMRK einerseits und den Rechten von Presse und Rundfunk aus Art 5 I 2 GG, Art 10 I EMRK andererseits, wobei die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit und des Schutzes der Persönlichkeit ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet sind und von den Art 8, 10 EMRK beeinflusst werden (BGH GRUR 2011, 259 – Rosenball in Monaco; ZUM 2009, 1499, 1500 – Andrea Casiraghi; NJW 2008, 3141; 2008, 3138). Der Begriff des Zeitgeschehens umfasst dabei alle Fragen von allg gesellschaftl Interesse (BGH GRUR 2010, 549 – Spiegel-Dossier; ZUM 2012, 140, 140f; Köln ZUM-RD 2012, 675, 678f; LG Köln AfP 2022, 553). Zudem können die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen 88
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Kriterien entscheiden, was sie des öffentl Interesses für wert halten und was nicht; auch unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagsleben prominenter Personen nehmen am Grundrechtsschutz des Art 5 GG teil, denn gerade prominente Personen „können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen. Auch die Normalität ihres Alltagslebens kann der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen.“ (BGH ZUM 2009, 1499, 1500 – Andrea Casiraghi; ZUM 2012, 140, 141; BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi). Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönl Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (BGH ZUM 2009, 1499 – Andrea Casiraghi; LG Köln ZUM-RD 2013, 473 – Prozess-Urlaub). Maßgeblich ist insb, ob die Medien eine Angelegenheit von öffentl Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern und insofern den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentl Meinung beitragen, oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (EGMR NJW 2012, 1053, 1056 – CvH/Deutschland II; BVerfGE 34, 269; 101, 361; BVerfG NJW 2006, 3406; BGH GRUR 2019, 1084, 1087 – Star Anwalt; GRUR 2018, 964 – Tochter von Prinzessin Madeleine; ZUM 2009, 1499, 1500 – Andrea Casiraghi). Bei der Beurteilung des Informationswerts einer Bildberichterstattung ist grds die zugehörige Textberichterstattung zu berücksichtigen (s hierzu BGH NJW 2010, 3025 – Charlotte Casiraghi II). Für die Gewichtung der Persönlichkeitsbelange ist neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung, auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (s BGH NJW 2013, 793, 796 – Playboy am Sonntag), wobei das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts erhöht ist, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt (BGH NJW 2013, 793, 796 – Playboy am Sonntag). ee) Auswirkungen der Relativierung der absoluten Person der Zeitgeschichte auf die „Begleiterrechtspre- 182 chung“. Da die absolute Person der Zeitgeschichte als eigenständiger Gegenstand der Zeitgeschichte faktisch abgeschafft wurde (Rn 179), ist der BGH auch im Kontext einer Begleitsituation dazu übergegangen, eine eigenständige Beurteilung und Bewertung von Fotos anhand des konkreten Informationswertes vorzunehmen (BGH ZUM-RD 2007, 397 – Lebensgefährtin von Grönemeyer; NJW 2008, 749 – Lebensgefährtin von Oliver Kahn; NJW 2009, 1502 – Lebensgefährte von Sabine Christiansen). Das Vorliegen einer „Begleitsituation“ oder eines prominenten Status des Ehepartners (Köln ZUM-RD 2019, 382: kein reflexartiges Informationsinteresse) allein reicht mithin nicht mehr aus, um eine einwilligungsfreie Berichterstattung zu rechtfertigen. Ein berechtigtes Informationsinteresse an der Veröffentlichung von Bildern einer Begleitperson kann vielmehr nur noch dann bejaht werden, wenn eine prominente Person begleitet wird, über die im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlich relevanten Ereignis berichtet wird. Die Verstärkung des Privatsphärenschutzes mit Blick auf die Gruppe der absoluten Personen der Zeitgeschichte führt mithin auch zu einer Verstärkung des Schutzes ihrer Begleiter (zu dieser Rspr-Änderung ausf Klass ZUM 2007, 818). Besteht hinsichtl der Begleitperson selbst ein zeitgeschichtliches Interesse, ist eine Berichterstattung ebenfalls zulässig – in diesem Fall ist die Begleitsituation aber ohnehin nebensächlich (Hamburg ZUM 2009, 65 – Hochzeit G. Jauch). ff) Abbildung von Kindern sowie elterliche Hinwendung zum Kind. Nach st Rspr des BVerfG (BVerfG NJW 183 2000, 1021, 1026 – CvM; NJW 2005, 1857 – Carolines Tochter) sollen sich Kinder ungestört in der Öffentlichkeit bewegen und frei von öffentlicher Beobachtung entfalten dürfen; aus diesem Grund haben sie auch schon vor der im Zuge der EGMR-Entscheidung (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland I) vorgenommenen Rspr-Änderung einen verstärkten Schutz erfahren und wurden nicht als Person der Zeitgeschichte angesehen (BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM; NJW 2000, 2191; BGH NJW 2005, 215 – Baby von CvM und Ernst August v Hannover; NJW 2004, 1795 – Charlotte Casiraghi; München AfP 1995, 658 – Anne Sophie Mutter; KG ZUM-RD 2006, 549 – Enkel von Fürst Rainier von Monaco). Wort- und Bildberichterstattungen über das Privat- und Alltagsleben von Kindern und Jugendlichen ohne aktuellen zeitgeschichtlichen Kontext waren und sind daher idR nicht zulässig (BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi), denn es findet eine Verstärkung des Privatsphärenschutzes durch Art 6 I und II GG im Bereich der Berichterstattung über Kinder statt (BVerfG NJW 2000, 1021, 1026 – CvM; NJW 2005, 1857 – Carolines Tochter; BGH NJW 2005, 215 – Alexandra v Hannover; NJW 2010, 1454 – Sohn von Franz Beckenbauer m Anm Peifer GRUR 2010, 173, 175; GRUR 2010, 262, 263 – Tochter von Franz Beckenbauer; s hierzu auch Stender-Vorwachs NJW 2010, 1414 sowie Seiler WRP 2011, 526), da es zur ungestörten Entwicklung der Persönlichkeit gehört, „sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen, ohne dadurch das Risiko einer Medienberichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen“ (BGH aaO, 263; GRUR 2013, 1065 – Eisprinzessin Alexandra v Hannover). Diese Grundsätze gelten auch für Kinder prominenter Eltern (BGH GRUR 2013, 1065, 1067 – Eisprinzessin Alexandra v Hannover; BGH AfP 2014, 325 – Kindschaftsverhältnis, hierzu auch Rn 119; im konkreten Fall zurückhaltender: BVerfG NJW 2012, 1500, 1502 – Ochsenknecht-Söhne: Schutzwürdigkeit kann sich durch öffentlichkeitsrelevantes Vorverhalten verringern; ähnlich Frankfurt AfP 2020, 238 – Reitturnier: kein Anspruch auf gänzliche Freiheit der öffentlichen Beobachtung; s hierzu auch Schertz NJW 2013, 721, 725). Das Recht eines jeden Kindes auf ungestörte Entwicklung umfasst insofern sowohl die Privatsphäre (Recht auf ungestörte kindgemäße Entwicklung, BGH ZUM-RD 2016, 292 – „Möchtegernüberspringerin“) als auch die „kindgemäße Entfaltung im öffentlichen Raum“. Das besondere Schutzbedürfnis entfällt jedoch, wenn sich die Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, Klass
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indem sie bspw an öffentl Veranstaltungen teilnehmen oder in deren Mittelpunkt stehen (BGH GRUR 2013, 1065, 1067 – Eisprinzessin Alexandra v Hannover; s auch Hamburg ZUM-RD 2018, 345 – Bericht über Gemütszustand, sowie Rn 21). Zur Zulässigkeit des Einstellens von Kinderfotos ins Internet Karlsruhe ZUM-RD 2011, 348, 349; AG Menden NJW 2010, 1614; Gutknecht FK 2011, 2, 12. In Fällen der elterlichen Hinwendung zum Kind findet zudem eine Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes der abgebildeten Eltern durch Art 6 I, II GG statt (nicht lediglich reflexartiger Schutz, da diese primär für die kindliche Persönlichkeitsentwicklung verantwortlich sind), BGH GRUR 2018, 964, 967 – Tochter von Prinzessin Madeleine; nach Köln AfP 2019, 242ff wird der Schutz selbst in Bezug auf ein Foto aus einer Eltern-Kind-Situation verstärkt, auf welchem das Kind nicht abgebildet ist. 184 gg) Abbildung zu Werbezwecken und das Informationsinteresse. Bildnisse insb prominenter Personen werden vielfach auch in der Werbung verwendet und stellen eine kommerzielle Verwertung des Betroffenen dar (vgl zu Rechtfertigungsmöglichkeiten bei der kommerziellen Ausnutzung von Persönlichkeitsmerkmalen Rn 211f). Schon vor der Rspr-Änderung im Zuge der Entscheidung EGMR NJW 2004, 2647, 2648 – CvH/Deutschland I (hierzu ausf Rn 44ff) war anerkannt, dass die durch § 23 I Nr 1 KUG im Interesse der Informationsfreiheit der Öffentlichkeit gewährleistete Abbildungsfreiheit ausgeschlossen ist, wenn die Verwendung des Bildnisses lediglich Werbezwecken oder sonstigen geschäftl Interessen dient (BGHZ 20, 345, 350 – Dahlke; 26, 349 – Herrenreiter; 35, 363 – Ginseng; BVerfG NJW 2001, 594 – Willy Brandt, verneint jedoch für die Edition einer Münze durch einen Privatunternehmer). Eine Abbildungsfreiheit wurde jedoch zT bejaht, wenn das Bildnis im Rahmen einer redaktionellen Veröffentlichung verwendet wurde (BGH NJW-RR 1995, 363 – Wepper/Schlecker; Frankfurt NJW 1989, 402 – Boris Becker; kritisch Helle, 188; s hierzu auch Frankfurt AfP 2018, 437, 438: zulässige Abbildung des Torhüters der Nationalmannschaft auf einer dem Schutz der Pressefreiheit unterfallenden Sammelkarte (hoher sachlicher Informationsgehalt); BGH NJW 1979, 2203 – Franz Beckenbauer/Wandkalender; s in diesem Kontext auch NJW-RR 2011, 1132 – Markt & Leute: Zulässigkeit einer Werbung für eine geplante Zeitung mit der Titelseite einer sog Nullnummer, sofern Öffentlichkeit über Inhalt und Gestaltung informiert werden soll; ähnl auch BGH NJW-RR 2010, 855 – Der strauchelnde Liebling; zur Frage, ob die Abbildung der Titelseite einer schon erschienenen Zeitung zulässig ist, Köln ZUM 2011, 504); allerdings kein Beitrag zur öffentl Meinungsbildung, wenn Berichterstattung nur dazu dient, einen Anlass für die Abbildung einer prominenten Person zu schaffen (BGH GRUR 2021, 643, 645 – Urlaubslotto; NJW 2021, 1303, 1307 – Clickbaiting; ZUM 2013, 132, 136 – Playboy am Sonntag; GRUR 2009, 1085 – Wer wird Millionär, LG Köln AfP 2010, 406, 407). Verfolgt der Werbende nicht ausschließlich Geschäftsinteressen, sondern dient der Beitrag auch einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, kann jedoch der Anwendungsbereich des § 23 I Nr 1 KUG eröffnet sein (BGH NJW 2013, 793, 795 – Playboy am Sonntag; GRUR 2010, 546 – Der strauchelnde Liebling; GRUR 2011, 647 – Markt & Leute). Insb wenn sich die Werbung in satirisch-spöttischer Form mit einer die Öffentlichkeit wesentl interessierenden Frage auseinandersetzt, mithin die Meinungs- und/oder die Kunstfreiheit für den Werbenden streitet, kann den kommerziellen Interessen des Betroffenen jedenfalls dann kein Vorrang eingeräumt werden, sofern die Werbung keine berechtigten ideellen Interessen verletzt (BVerfG ZUM-RD 2020, 423 – Mitarbeiter des Monats: zulässige Sixt-Werbung mit dem Portrait des Gewerkschaftsvorsitzenden der GdL im Zusammenhang mit flächendeckenden Streiks bei der Deutschen Bahn; BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine: Werbung, 14 Tage nach dem Rücktritt von Lafontaine, mit einem Bild der Minister des damaligen Bundeskabinetts, auf welchem der Kopf von L. durchgekreuzt war, verbunden mit dem Text: „Sixt verleast seine Autos auch an Mitarbeiter auf Probe!“; s auch Dresden GRUR-RR 2018, 532ff – Mitarbeiter des Monats: keine Beschränkung der Rspr auf Politiker; Hamburg ZUM-RD 2010, 469; dazu Alexander AfP 2008, 556; Ehmann AfP 2007, 81ff; Balthasar NJW 2007, 664; Schubert AfP 2007, 20). S auch die Rspr zum Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung des Namens in satirisch spöttischem Kontext (EGMR 19.2.2015 – 53495/09 – Dieter Bohlen/Deutschland, s BGH AfP 2008, 598; ebenso NJW 2016, 781 – Ernst August v Hannover/Deutschland; ebenso EGMR 23.4.2019 – 37898/17, AfP 2019, 405 – Grasser/Österreich: satirische Namensnennung in Brettspiel; s auch Rn 208, 212 sowie Rn 50). Krit zu dieser Rspr-Linie Götting GRUR Int 2015, 657. 185 f) Abbildungsfreiheit als Beiwerk einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit. Gem § 23 I Nr 2 KUG dürfen im Interesse der Abbildungsfreiheit auch Bilder, auf denen Personen als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, ohne Einwilligung verbreitet oder öffentl zur Schau gestellt werden (BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM; Hamburg AfP 2006, 471). Die Personendarstellung muss dabei jedoch derart untergeordnet sein, dass ihr Entfallen den Bildcharakter nicht verändern würde (Karlsruhe GRUR 1989, 823 – Unfallfoto), dh für den Betrachter darf nicht die abgebildete Person, sondern muss die übrige Bildaussage Hauptgegenstand des Bildes sein (Helle, 164 mwN). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Betroffene im Vordergrund oder in der Bildmitte zentral als Blickfang fungiert (Frankfurt NJW-RR 1986, 1118 – Ferienprospekt; Oldenburg NJW 1989, 400, 401 – Oben-ohne-Aufnahme; LG Frankfurt/O ZUM-RD 2005, 568 – Musikvideo; BGH ZUM-RD 2015, 504: Vorschrift nur dann anwendbar, wenn Landschaft oder Örtlichkeit das Bild prägt und nicht selbst „Beiwerk“ ist.). 186 g) Abbildungsfreiheit im Rahmen von Versammlungen, Aufzügen uÄ. Ohne Einwilligung dürfen gem § 23 I Nr 3 KUG ebenfalls verbreitet und öffentl zur Schau gestellt werden: Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnl Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. Allerdings ist nicht jede beliebige Personenmehrheit abbildungsfrei, vielmehr muss es sich um eine öffentl Ansammlung (nicht private Veranstaltungen, Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider § 23 KUG Rn 39) von Menschen handeln, die ein gemein90
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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sames Ziel verbindet (insb Demonstrationen, Umzüge und sonstige Massenveranstaltungen; nicht: eine Gruppe von Nackten im Englischen Garten, München NJW 1988, 915, oder eine familiäre Trauergemeinde am Grab, LG Köln NJW 1992, 443; dem folgend LG Frankfurt/O ZUM-RD 2014, 701). Zudem muss auch hier die Abbildung der Menschenansammlung im Vordergrund stehen. Nicht abbildungsfrei sind daher einzelne Vorgänge, sofern sie nicht einen repräsentativen Eindruck von dem Gesamtgeschehen vermitteln (Celle NJW 1979, 57: nicht zulässig ist die Abbildung von Zusammenstößen zw Polizeibeamten und Demonstranten am Rande der Demonstration; vgl auch Bremen NJW 1977, 158) oder Aufnahmen einzelner Personen aus der Menge. S auch Dresden ZUM-RD 2020, 28, 30 – Berichterstattung über Demonstration. h) Abbildungsfreiheit für Kunst und Wissenschaft. § 23 I Nr 4 KUG hält eine weitere Ausnahme im Interesse der Kunstfreiheit bereit. Danach dürfen Bildnisse veröffentlicht werden, die nicht auf Bestellung angefertigt sind (hierauf kann sich jedoch nur die tatsächlich, nicht aber die vermeintlich abgebildete Person berufen, denn nur in diesem Verhältnis entsteht ein Vertrauensverhältnis, BGH ZUM 2022, 468, 473 – Tribute Show), wenn die Verbreitung oder Zurschaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Dies ist jedoch nicht gegeben, sofern die Abbildung überwiegend der Befriedigung kommerzieller oder sonstiger nicht künstlerische Zwecke, wie bspw Sensationslust oder Unterhaltung, dient (Frankfurt ZUM-RD 2021, 541, 543 – Musikvideo; LG Berlin MMR 2008, 758; LG Mannheim GRURInt 2010, 75 – King of Pop; LG Berlin ZUM-RD 2009, 277); unschädlich ist allerdings, wenn neben den künstlerischen auch wirtschaftl Interessen verfolgt werden (BGH ZUM 2022, 468, 473 – Tribute Show; Düsseldorf MMR 2013, 740). Die hier geregelte Abbildungsfreiheit, die jedoch in der Praxis nur geringe Bedeutung hat (krit insofern Schertz, FS Raue, 2006, 665), bezieht sich insb auf künstlerische Bildstudien, Zeichnungen, Gemälde, Statuen sowie nach hM auch auf künstlerische Fotografien (vgl Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider § 23 KUG Rn 43; Schack, FS Raue, 2006, 673 sowie Helle, 169 mwN). Zur fotografischen Wiedergabe einer Person auf einem für eine Kunstausstellung werbenden Plakat s BVerfG GRUR 2018, 633ff – Straßenfotografie sowie LG Berlin AfP 2015, 177. Darüber hinaus wird die Ausnahmeregelung des § 23 I Nr 4 KUG in entspr Anwendung auch auf Bildnisveröffentlichungen zu wissenschaftl Zwecken angewandt, wobei sich der wissenschaftl Charakter aus Inhalt und Zweck der Darstellung ergeben muss (vgl Helle, 169; Wenzel/v Strobl-Albeg/Peifer Rn 8.91; aA Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider § 23 KUG Rn 45). i) Schranken-Schranke: Ausschluss der Abbildungsfreiheit. Die Abbildungsfreiheit nach § 23 I Nr 1-4 KUG ist gem § 23 II KUG aufgehoben, wenn „berechtigte Interessen“ des Abgebildeten bzw – im Fall seines Todes – seiner Angehörigen entgegenstehen. Im Rahmen des § 23 II KUG ist grds eine umfassende Einzelfallabwägung der involvierten Interessen und Umstände vorzunehmen, wobei auch die Wortberichterstattung einzubeziehen ist (BGH NJW 2007, 1981 – Ernst August von Hannover, abgestuftes Schutzkonzept; GRUR 2007, 527 – Winterurlaub; ZUM-RD 2007, 397 – Lebensgefährtin von Grönemeyer; krit zur Bedeutung des § 23 II KUG als Schranken-Schranke Köln ZUM 2013, 684, 687 – Horror-Unfall: Relevanz einer eigenständigen Prüfung von § 23 II KUG rein akademischer Natur, da sich voneinander abw Ergebnisse einer alle Aspekte erfassenden Abwägung im Rahmen v § 23 I KUG einerseits und einer zusätzl vorzunehmenden Prüfung von § 23 II KUG andererseits „nicht denken“ lassen). Eine Verletzung berechtigter Interessen iSd § 23 II KUG ist jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn die Verbreitung der Bildnisse nicht bloß das Recht am eigenen Bild, sondern auch das APR verletzt, zB Verletzung der Ehre (BGH GRUR 1974, 794 – Todesgift), des Rechts auf Selbstbestimmung, insb bei Eingriffen in die Intim- (LG Hamburg ZUM-RD 2006, 251 – versehentlich entblößte Brustwarze; LG München I ZUM-RD 2005, 38, 40 – Aktfotos) bzw Privatsphäre (s hierzu Köln ZUM 2013, 684, 687 – Horror-Unfall: Fotos enthalten eigenständigen Verletzungsgehalt, da Abbildung in emotionaler Ausnahmesituation; s auch BVerfG GRUR 2018, 633ff – Straßenfotografie sowie KG ZUM 2016, 383 – Straßenfotografie: Selbst wenn das Ausstellen von Fotos unter § 23 I Nr 4 KUG fällt, können berechtigte Interessen entgegenstehen, zB wenn Präsentation auf einer großformatigen Stelltafel am Straßenrand erfolgt und die Betroffene dem Blickfang der breiten Masse ausgesetzt ist; zum aktuellen Privatsphärenkonzept nach der Entscheidung EGMR NJW 2004, 2647, 2648 – CvH/ Deutschland I ausf Rn 126f); sofern Verfälschungen des Persönlichkeitsbildes vorliegen (BVerfG NJW 2005, 3271 – Fotomontage II; KG AfP 2007, 569, 570 – Fotomontage); aber auch in Fällen übermäßiger Anprangerung (BGH NJW 1994, 124 – Alle reden von Klima); zum Schutz von Gesundheit und Leben (München NJW-RR 1990, 1364 – Berichterstattung über Aufenthalt einer gefährdeten Person; BVerfG NJW 2000, 2194: Angst vor Entführung, Flick-Tochter), oder wenn eine kommerzielle Verwendung im Raum steht, diese jedoch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt (ausdrückl BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine). Nach § 23 II KUG kann auch ein berechtigtes Interesse der Angehörigen bis zum Ablauf von 10 Jahren ein Veröffentlichungsverbot begründen. j) Postmortaler Schutz. § 22 S 3 KUG sieht als einzige sondergesetzl Normierung einen 10-jährigen postmortalen Schutz des Rechts am eigenen Bild vor, wobei die Geltendmachung des Schutzes auf die in § 22 S 4 KUG bezeichneten Angehörigen beschränkt ist. Zum Umfang des gewährten Schutzes s Rn 320, insb wird den Angehörigen kein Geldentschädigungsanspruch gewährt, BGH NJW 2012, 1728. k) Öffentlich-rechtl Eingriffsrecht (§ 24 KUG). § 24 KUG enthält eine weitere Ausnahme vom grds erforderlichen Einwilligungserfordernis und wurde in das Gesetz aufgenommen, um die Befugnisse der Polizei, der Staatsanwaltschaft und sonstiger Behörden zur Ermittlung und Überführung von Straftätern durch das mit dem KUG geschaffene Recht am eigenen Bild nicht einzuschränken. Zugunsten der Rechtspflege und öffentl Sicherheit, insb zum Zwecke der Strafverfolgung und Strafverhütung soll das Vervielfältigen, Verbreiten und öffentl Zurschaustellen von Bildnissen, insb von Steckbriefen und anderen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zulässig Klass
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bleiben (Erman/Ehmann12 Rn 192; § 24 KUG ersetzt jedoch nicht die Anordnung der Maßnahme selbst; zum Verhältnis KUG und StPO vgl daher Helle, 201ff mwN). Zulässig sind mithin die öffentl Fahndung mittels eines Bildnisses und im Einzelfall auch die Ausstrahlung von Bildern Beschuldigter im Fernsehen zu Fahndungszwecken (Hamm NJW 1982, 458; vgl auch Berg AfP 1989, 416), nicht aber die Verhaftung zur Unterhaltung des Publikums, LG Köln AfP 2004, 459; zur Fernsehserie Aktenzeichen XY ungelöst, in welcher in Zusammenarbeit mit der Polizei Bildnisse und Fahndungsaufrufe ausgestrahlt werden, Frankfurt NJW 1971, 47; München NJW 1970, 1745; dazu Schricker/Loewenheim/Götting § 60 UrhG/§ 24 KUG Rn 11; Helle, 205f mwN. l) Rechtsgeschäftliche Übertragungsmöglichkeiten. Zur Möglichkeit, über das Recht am eigenen Bild als „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“ zu verfügen, s Rn 203ff. m) Rechtsfolgen. Wird das Recht am eigenen Bild verletzt, stehen dem Betroffenen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche (Rn 279ff) zu; sofern der Betroffene durch das Verbreiten oder öffentl Zurschaustellen des Bildnisses herabgewürdigt wird oder sonstige ideelle Interessen des Betroffenen schwer verletzt sind, kann er auch einen Anspruch auf Geldentschädigung (Rn 313ff) geltend machen. Zudem kann der Betroffene im Fall einer unberechtigten Nutzung eine angemessene Vergütung aufgrund Eingriffskondiktion verlangen (Rn 321). Nach BGHZ 143, 214, 232 – Marlene Dietrich kann im Fall fahrlässiger Verletzung auch Schadensersatz nach der Lizenzanalogie verlangt werden (Rn 306ff, insb 310); nicht zuletzt steht dem Betroffenen zur Schadensberechnung ein Auskunftsanspruch (Rn 278) zu, BGH aaO, 232. Zum Anspruch auf Herausgabe und Vernichtung der Bilder gem § 37 KUG s Helle, 222f; zur Strafbarkeit gem § 33 KUG s Helle, 225 sowie LG Nürnberg-Fürth ZUMRD 2022, 445, 449: zur Strafbarkeit der Veröffentlichung von Aufnahmen eines Lokalpolitikers. III. Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung. 1. Recht auf Selbstdarstellung. Zwar lässt sich ein Recht auf selbstbestimmte und unverfälschte Darstellung in dieser Terminologie nicht als in Lit und Rspr allg anerkannt ausmachen, jedoch versuchen die Gerichte auf unterschiedlichsten Wegen, die Selbstbestimmung des Einzelnen effektiv zu gewährleisten und ihn vor Entstellungen seiner Identität zu bewahren, indem ihm hinsichtl der Darstellung seiner Person und der Steuerung der Informationen seine Person betreffend weitgehende Befugnisse eingeräumt werden. Der Schutz bezieht sich nicht primär auf Darstellungen oder Zuschreibungen von Verhaltensweisen, die ihn verächtlich machen oder ihn in sonstiger Form in seiner Ehre missachten – vielmehr soll der Einzelne davor geschützt werden, dass er in einem „falschen Licht“ dargestellt wird (so auch MüKo/Rixecker Rn 132). Der Schutz, der hierbei von der Rspr gewährt wird, lässt sich insb durch folgende Fallgruppen, die als Ausprägungen eines Rechts auf selbstbestimmte und unverfälschte Darstellung angesehen werden können, konkretisieren: Schutz vor erfundenen Interviews, vor der Wiedergabe unrichtiger Zitate, vor der fälschlichen Zuschreibung von Mitgliedschaften, Schutz gegen die Unterschiebung nicht getaner Äußerungen, gegen Veränderungen von Bild und Stimme sowie Schutz des Lebensbildes. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass es zwar kein Recht auf Selbstdarstellung in dem Sinne geben kann, dass jede Veröffentlichung und jeder Kommunikationsbeitrag unzulässig ist, der der gewählten Selbstdarstellung zuwiderläuft – niemand hat das Recht, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er dies gern hätte (so auch BVerfGE 97, 391, 403 – Missbrauch) – es zeigt sich aber auch, dass Kommunikationsschranken erforderlich sind, die die Selbstdarstellung des Einzelnen gegen relevante Gefährdungen von außen sichern (Wellbrock, 26). 2. Geschütze Interessen: Identität und Authentizität. Beim Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung steht primär ein Schutz der eigenen Identität und Authentizität im Vordergrund (so auch MüKo/ Rixecker Rn 132). Der Einzelne soll Einfluss auf den Inhalt der Informationen sowie den Kreis der Empfänger der von ihm abgegebenen Informationen haben, denn eine rollenmäßig differenzierte Selbstdarstellung, die in unserer ausdifferenzierten Gesellschaft zunehmend wichtiger wird, kann nur durch eine gesteuerte Abgabe von Informationen über die eigene Person an die verschiedenen sozialen Lebensfelder und die Öffentlichkeit erfolgen. Das Gelingen der eigenen Selbstdarstellung hängt daher ua davon ab, ob der Einzelne die Abgabe seiner Selbstdarstellung widersprechender Informationen an seine verschiedenen sozialen Lebensbereiche und die Öffentlichkeit unterbinden kann (Klass, Realitätsfernsehen, 2003, 338; ebenso auch Wellbrock, 25). 3. Anerkannte Fallgruppen. a) Schutz vor erfundenen Interviews. Wird ein erfundenes Interview abgedruckt, liegt unzweifelhaft ein Eingriff in das APR vor (BGH NJW 1995, 861 – CvM I; NJW 1965, 685ff – Soraya I; BVerfGE 34, 269 – Soraya II; LG Hamburg Schadenpraxis 2003, 432 – Alfred Biolek). Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen klassischen Eingriff in die Privatsphäre, denn es liegt idR keine Verletzung des Privatlebens vor, da die Informationen über die jew betroffenen Personen frei erfunden sind. Betroffen ist in diesen Fällen vielmehr die Selbstbestimmung des Einzelnen und das Recht auf Selbstdarstellung, weil bei der Veröffentlichung erfundener Interviews in erster Linie ein Eingriff in das Bestimmungsrecht über die Darstellung der eigenen Person vorliegt (Klass, Realitätsfernsehen, 2003, 327). Da kein schutzwürdiges Interesse an der Verbreitung derartiger verfälschender Informationen besteht, ist die Rechtswidrigkeit in diesen Fällen indiziert, weshalb kein Raum mehr für eine Güter- und Interessenabwägung bleibt (MüKo/Rixecker Rn 132). b) Schutz vor der Wiedergabe unrichtiger bzw. ungenauer Zitate und der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen (Recht am eigenen Wort). Zum Recht des Einzelnen, selbst darüber zu bestimmen, ob und wie er sich Dritten ggü darstellen will, gehört auch die Entscheidung darüber, ob und wie er mit einer eigenen Äußerung in Erscheinung treten will. Das APR ist daher verletzt, wenn jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht oder nicht in dieser Form getan hat und die seinen selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen (BVerfGE 54, 148, 155 – Eppler; BGH GRUR 2020, 313 – Fragenkatalog; NJW 1998, 92
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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1391 – Rechte Professoren; NJW 1982, 635 – Böll/Walden II; zu angeblichem Falschzitat und dem Interpretationsvorbehalt bei der Wiedergabe mehrdeutiger Äußerungen s EGMR AfP 2019, 142 – Eva Herman-Bischoff/ Deutschland: Interpretationsvorbehalt ergibt sich aus der Süffisanz und dem Gesamtzusammenhang; zuvor: BVerfG NJW 2013, 774 – Das Prinzip Arche Noah; dazu auch BGH NJW 2011, 3516 m Anm Muckel JA 2013, 236 sowie Köln ZUM 2011, 69). Der maßgebliche Grund für diesen Schutz liegt darin, dass mit dem Zitat eine obj Tatsache über den Betroffenen behauptet wird, weshalb das Zitat, das bspw als Beleg für Kritik verwendet wird, eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf ist (so auch BGH NJW 2011, 3516). Ist es unrichtig, verfälscht oder entstellt, so greift dies in das Persönlichkeitsrecht des Kritisierten umso tiefer ein, als er hier sozusagen als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt wird (LG Köln NJOZ 2010, 1233, 1234). Unrichtige Zitate unterfallen grds nicht dem Schutzzweck des Art 5 I GG, denn an der Wiedergabe von erwiesen unwahren Tatsachen gibt es kein schutzwürdiges Interesse (s Rn 100). Die Wiedergabe von unrichtigen Zitaten (die so nicht gefallen sind, die durch Auslassungen oder Hinzufügungen in ihrer Aussage verändert werden) verletzt folglich die Befugnis des Einzelnen zur selbstbestimmten Darstellung und mithin das APR (EGMR AfP 2019, 142 – Eva Herman-Bischoff/Deutschland; MüKo/Rixecker Rn 134). Was den eigenen sozialen Geltungsanspruch im Einz ausmacht, kann dabei nur Sache der Person selbst sein – der Inhalt des APR wird daher insoweit maßgeblich durch das Selbstverständnis und die Selbstdefinition des Trägers geprägt (BVerfGE 54, 148, 156 – Eppler). Vor diesem Hintergrund darf dem Zitierten auch grds nicht die Entscheidung über sein eigenes Wort genommen werden, indem die mögliche Beurteilung Dritter zum Maßstab gemacht wird (BVerfGE 54, 208, 217 – Heinrich Böll; BGH NJW 2011, 3516, 3516). Auch darf das Zitat nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden (BGH ZUM-RD 2008, 117 – Bauernfängerei). Der Zitierte hat vielmehr einen „Anspruch darauf, dass seine Aussage an seinem Selbstverständnis, also daran gemessen wird, wie und in welchem Kontext er die Äußerung gemacht hat, und nicht daran, wie ein Teil der Leser die Äußerung (miss-)verstehen könnte, solange das Zitat als eindeutige, einer Interpretation nicht bedürftige Erklärung des Zitierten ausgegeben wird“ (BGH NJW 2006, 609 – Rechtsanwalt der Aktionäre; unter Verweis auf BVerfGE 54, 148, 155 – Eppler; 54, 208, 217 – Heinrich Böll; BVerfG NJW 1993, 2925, 2926 – BKA-Präsident). Wer den Eindruck vermittelt, er zitiere, während er tatsächlich interpretiert, handelt rechtswidrig (MüKo/Rixecker Rn 134; BGH NJW 1998, 1391 – Rechte Professoren; NJW 1982, 635 – Böll/Walden II). S in diesem Kontext auch Frankfurt ZUM-RD 2021, 198 – mehrdeutige Äußerung: Verpflichtung zur Kenntlichmachung der eigenen Deutung durch Interpretationsvorbehalt. Festgehalten werden kann mithin, dass der Einzelne sich im Erg auch bei einer unrichtigen, entstellten oder verfälschten Wiedergabe einer Äußerung auf das APR berufen kann (BVerfGE 54, 208, 219ff – Heinrich Böll). c) Schutz vor der fälschlichen Zuschreibung von Mitgliedschaften. Das APR entfaltet auch ggü der Zuschrei- 197 bung von Gruppenmitgliedschaften Schutz, sofern diese Zuschreibung Bedeutung für die Persönlichkeit und deren Bild in der Öffentlichkeit hat (insb weltanschauliche Gruppen und Vereinigungen: BVerfG NJW 1999, 1322 – Scientology/Helnwein; NJW 2002, 3458 – Chick Corea; Celle NJW-RR 1999, 1477 – Sektenmitglied; vgl auch Köln AfP 1993, 759f; München AfP 1993, 762ff; LG Berlin NJW-RR 1997, 1245 – Scientology-Anwalt). Auch wenn der Einzelne keinen Anspruch darauf hat, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden will, so ist er jedoch vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen seiner Person geschützt, welche nicht ganz unerheblich für seine Persönlichkeitsentfaltung sind (BVerfG NJW 1999, 1322 – Scientology/Helnwein); selbst ein etwaiges verändertes Selbstverständnis sei insoweit zu respektieren. Auch wenn das BVerfG in seiner Begründung auf eine nachteilige Beeinflussung in der Öffentlichkeit abstellt und sich so dem Bereich des Ehrenschutzes oder des Schutzes vor unwahren nachteiligen Behauptungen nähert, zeigen die Ausführungen doch, dass in gewissen Grenzen ein Recht auf Selbstdarstellung und damit ein Schutz der eigenen Identität anerkannt wird (so auch MüKo/Rixecker Rn 108). d) Schutz gegen Veränderungen von Bild und Stimme. Das APR schützt auch vor Veränderungen des fotogra- 198 fischen Abbildes einer Person, insb vor der Verbreitung technisch manipulierter Bilder, die den Anschein erwecken, ein authentisches Abbild der Person zu sein (BVerfG NJW 2005, 3271, 3273 – Fotomontage II; vgl auch KG AfP 2007, 569, 570 – Fotomontage; Hamburg ZUM 2013, 581: Verstärkung des Lidschattens; Hamburg ZUM 2013, 582: Manipulation der Gesichts- und Halspartie eines Fotos auf einem Buchcover; Kutschke EWiR 2005, 427, 428; s hierzu auch Lüder, Der zivilrechtliche Schutz der Persönlichkeit vor der Anfertigung manipulierter Fotografien, 2012), denn die Fotografie übermittelt ohne Verwendung von Worten Informationen über die abgelichtete Person, suggeriert Authentizität, und die Betrachter gehen davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussieht. Werden Veränderungen vorgenommen, so ist die selbstbestimmte Darstellung des Einzelnen erheblich beeinträchtigt. Bildmanipulationen berühren das Persönlichkeitsrecht dabei unerheblich davon, ob sie in guter oder in verletzender Absicht vorgenommen werden, oder ob Betrachter die Veränderungen als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerten (BGH NJW 2005, 3271, 3273 – Fotomontage II). Verdeckte oder geringfügige Bildmanipulationen sind selbst dann nicht zulässig, wenn das Foto in einen satirischen Kontext gesetzt wird und die übrige Darstellung einen erkennbar fiktiven Charakter hat (BVerfG NJW 2005, 3271, 3273 – Fotomontage II; Kutschke EWiR 2005, 427, 428, s in diesem Kontext auch EGMR 15.3.2016 – 52205/11 Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH & Co KG/Deutschland: Rufschädigende Fotomontage ohne satirischen Gehalt), denn jede nicht sofort erkennbare Manipulation, die über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinausgeht, stellt eine unwahre, nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit geschützte Tatsachenbehauptung dar. Zudem erfährt der Einzelne auch Schutz vor Veränderungen der Stimme, denn auch diese transportiert Informationen über seine PerKlass
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sönlichkeit. Unberechtigte und nicht erkennbare Manipulationen tangieren ebenfalls die selbstbestimmte Darstellung des Einzelnen, denn die mitschwingenden Tatsachenbehauptungen vermitteln ein falsches Bild von der Realität (so verletzt bspw die Nachsynchronisation mit der Stimme eines anderen das APR, da es zu einer Verzerrung der Persönlichkeit kommt, München NJW 1959, 388, 389). 199 e) Schutz gegen Verfälschungen des Lebensbildes. Das APR garantiert dem Einzelnen – mit gewissen Einschränkungen – ein Verfügungsrecht über die Darstellung seiner eigenen Person (ausf Rn 132ff). Dieses Recht gewährt jedermann die Befugnis, grds selbst und allein zu bestimmen, ob und inwieweit andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentl darstellen dürfen (BVerfG NJW 1973, 1226, 1227 – Lebach I; NJW 1999, 1322, 1324 – Scientology/Helnwein; München 25.5.2010 – 18 U 1604/10 – Katzenhexe; LG Koblenz NJW 2007, 695 – Gäfgen, s hierzu auch v Becker NJW 2007, 662). Der Einzelne wird dabei auch vor verfälschenden Darstellungen seines Lebensbildes, insb des Lebenswerkes oder der Lebensgeschichte geschützt. Eine Identitätsverzerrung kann sich bspw daraus ergeben, dass in einer Schilderung wesentl biografische Details ausgelassen werden oder durch die einseitige Auswahl von Fakten ein bestimmter Gesamteindruck erzeugt und gleichzeitig ein Anspruch auf Wirklichkeitstreue erhoben wird (MüKo/Rixecker Rn 137; Köln ZUMRD 2015, 462, 468: das Wort im Mund verdreht). Eine Verfälschung liegt aber auch vor, wenn einem Autor Werke untergeschoben werden und dadurch der Eindruck seines schöpferischen Wirkens verzerrt wird (zum Verhältnis des APR zum Urheberpersönlichkeitsrecht Rn 15). Auch das fortwirkende Lebensbild wird gegen grobe Beeinträchtigungen geschützt – das postmortale APR (vgl ausf Rn 69ff) ist mithin verletzt, wenn das Lebensbild des Verstorbenen schwerwiegend entstellt oder verfälscht wird (BVerfG GRUR 2023, 360 – Kohl-Protokolle I; BGH ZUM 2022, 196, 207 – Kohl-Protokolle I; LG Köln ZUM 2009, 324, 329 – Baader Meinhof Komplex; Hamburg ZUM 2005, 168). 200 f) Schutz gegen die unbefugte werbende Verwendung. Werden Persönlichkeitsmerkmale des Einzelnen unbefugt für kommerzielle Zwecke genutzt, ist zwar primär der Schutz vor der kommerziellen Verwertung und Ausnutzung betroffen (Rn 201ff); es kann jedoch in solchen Konstellationen zugleich auch eine Identitätsbeeinträchtigung vorliegen, nämlich immer dann, wenn der Eindruck vermittelt wird, die werbende Person identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt. IV. Schutz vor kommerzieller Verwertung Schrifttum: Ahn, Der vermögensrechtliche Zuweisungsgehalt des Persönlichkeitsrechts, 2009; Beuthien, Was ist vermögenswert, die Persönlichkeit oder ihr Image?, NJW 2003, 1220; Beuthien/Meik (Hrsg), Persönlichkeitsgüterschutz vor und nach dem Tode, 2002; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz durch Persönlichkeitsgüterrechte, 1999; Büchler, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsgütern, AcP 206 (2006), 300; Ehmann, Die Nutzung des kommerziellen Wertes von Politikern zu Werbezwecken, AfP 2005, 237; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsrechtsschutz bei unerlaubter Vermarktung, 2003; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1995; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2003; Klüber, Persönlichkeitsschutz und Kommerzialisierung, 2007; Helle, Privatautonomie und kommerzielles Persönlichkeitsrecht – Abschied von der „Herrenreiter-Doktrin“ des BGH?, JZ 2007, 444; Helle, Das kommerzielle Persönlichkeitsrecht und das Grundgesetz, AfP 2010, 531; Magold, Personenmerchandising, 1994; Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, 2008; Unseld, Die Übertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten, GRUR 2011, 982.
1. Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsmerkmalen. Persönlichkeitsmerkmale wie Bildnis, Stimme oder Name können in der heutigen Medienlandschaft einen erheblichen Marktwert haben, insb Schauspieler, Musiker, Sportler und andere Personen der aktuellen oder vergangenen Zeitgeschichte werden von der Wirtschaft als Werbeträger für ihre Produkte und Dienstleistungen eingesetzt. Diese Entwicklung brachte für den Einzelnen einerseits die Gefahr mit sich, ungefragt für derartige Zwecke missbraucht zu werden, sie eröffnete bekannten und berühmten Persönlichkeiten aber zugleich die Möglichkeit, aus ihrer Popularität Kapital zu schlagen. 201a Auch wenn in diesem Kontext durchaus ideelle Aspekte des APR eine Rolle spielen können (zB bei der Inanspruchnahme für anrüchige Produkte oder umstr Dienstleistungen), stehen doch primär kommerzielle Interessen im Vordergrund. In den Entscheidungen Marlene I und Blauer Engel hat der BGH ein insoweit bestehendes Schutzbedürfnis vor kommerzieller Ausbeutung (BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich und BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel, Abschlussentscheidung München NJW-RR 2003, 767: Zuerkennung von 70.000 t) und den Schutz des Einzelnen vor der unbefugten kommerziellen Verwertung seiner Persönlichkeit grds anerkannt: „Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen wie das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht dienen dem Schutz nicht nur ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit“. Zwar war auch schon zuvor das Recht des Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, „ob, wann und unter welchen Umständen sein Bildnis der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden darf“, als „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“ bezeichnet worden (BGHZ 20, 345 – Dahlke; ebenso 81, 75, 80 – Carrera), nunmehr wurde aber auch die Vererblichkeit der kommerziellen Bestandteile des APR anerkannt. Dem Erben steht mithin grds das Recht zu, darüber zu entscheiden, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zu Werbezwecken benutzt werden dürfen (zum Schutz der postmortalen kommerziellen Interessen s auch Rn 74), wobei die vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts „dem Erben trotz ihrer Vererblichkeit nicht in gleicher Weise wie die urheberrechtl Verwertungsrechte bestimmte Nutzungshandlungen vorbehalten. Das zivilrechtl APR ist ein sog offener oder Rahmentatbestand, bei dem der Eingriff nicht die Rechtswidrigkeit indiziert, sondern in jedem Einzelfall durch eine Güterabwägung ermittelt werden muss“ (BGH NJW 2007, 684, 685 – kinski-klaus.de). Da sich die Befugnisse des Erben vom Träger des APR ableiten, dürfen sie zudem nicht gegen dessen mutmaßlichen Willen eingesetzt werden (BGHZ 143, 214, 226 – Marlene 201
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Dietrich). Auch sollen sie es dem Erben nicht ermöglichen, „die öffentliche Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Verstorbenen zu kontrollieren oder gar zu steuern“, BGH NJW 2007, 684, 685 – kinski-klaus.de). Eine Verletzung dieses sonstigen Rechts iSd § 823 I löst – unabhängig von der Intensität des Eingriffs – Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche aus (BGHZ 143, 214, 228 – Marlene Dietrich; BGH NJW 2013, 793, 795 – Playboy am Sonntag), wobei der Erbe den entstandenen materiellen Schaden entweder konkret oder nach den von der Rspr zur Verletzung von Urheber- und Patentrechten entwickelten Grundsätzen der sog Lizenzanalogie (BGH aaO) geltend machen kann. Als vermögenswerte Bestandteile werden vom BGH aaO das Recht am eigenen Bild (s hierzu bspw BGH ZUM 2022, 468, 470 – Tribute Show; GRUR 2021, 643, 644 – Urlaubslotto; NJW 2021, 1303, 1306 – Clickbaiting; ZUM-RD 2009, 517 – Wer wird Millionär?; ZUM 2013, 132, 136 – Playboy am Sonntag) und das Namensrecht (BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel: die Abbildung einer berühmten Person durch ein Double; vgl auch LG Köln AfP 2014, 360 sowie LG Hamburg GRUR-RR 2012, 42 – „Typus“-Werbung, eine Ausnutzung der Bekanntheit im konkreten Fall jedoch abl) angesehen; zudem wird die Stimme genannt (BGHZ 143, 214, 219 – Marlene Dietrich; vgl hierzu auch Hamburg NJW 1990, 1995 – Heinz Erhardt sowie Rn 207). Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend, vielmehr können unterschiedlichste Merkmale, wie bspw besondere Leistungen auf „sportlichem oder künstlerischem Gebiet“ (so BGHZ 143, 214, 219 – Marlene Dietrich), aber auch sonstige Aspekte und Ausformungen der Persönlichkeit einen Marktwert bekommen (so auch Erman/Ehmann12 Rn 246). Es gilt daher ganz allg, dass der Einzelne selbst bestimmen darf, ob und in welcher Art und Weise er seine Persönlichkeitsmerkmale den Geschäftsinteressen Dritter dienstbar machen will. Eine Verletzung des APR liegt daher immer dann vor, wenn Bildnis (zB BGH NJW-RR 1995, 789 – Chris Revue; ZUM 2013, 132 – Playboy am Sonntag), Name (zB BGH NJW 1981, 2402), Stimme (Hamburg NJW 1990, 1995 – Heinz Erhardt) oder andere die Person kennzeichnende Merkmale unbefugt zu Werbezwecken verwendet werden (Eingriff in die vermögenswerten Bestandteile des APR daher bspw zu bejahen, wenn der unzutr Eindruck erweckt wird, das prominente Original unterstütze eine Tribute-Show oder wirke an ihr mit, BGH ZUM 2022, 468, 470 – Tribute Show). 2. Nebeneinander von ideellen und vermögenswerten Bestandteilen des APR. Bei den vermögenswerten und ideellen Bestandteilen (s auch Rn 16) handelt es sich nicht um getrennte Rechte, sondern um verschiedene Schutzbereiche desselben Rechts (im Einz jedoch str, vgl Götting/Schertz/Seitz, § 10 Rn 1ff), die untrennbar miteinander verflochten sind (Götting NJW 2001, 585, 586; Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 218ff; ähnl auch Forkel GRUR 1988, 492; Schubert AfP 2007, 20, 24). Lediglich im Todesfall können ideelle und kommerzielle Bestandteile getrennte Wege gehen, denn während die „vermögenswerten Bestandteile“ auf den oder die Erben übergehen, sind die höchstpersönl Bestandteile zum Schutz der ideellen Interessen unübertragbar sowie unvererblich und können nur von nahen Angehörigen oder Wahrnehmungsberechtigten geltend gemacht werden (BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich; s ausf Rn 73ff). Allerdings bleiben die ideellen und kommerziellen Bestandteile des APR – ähnl wie die urheberrechtl Verwertungsrechte und das Urheberpersönlichkeitsrecht – zu einem gewissen Maße miteinander verbunden, insb muss der Erbe den mutmaßlichen Willen des Trägers des APR beachten (BGHZ 143, 214, 226 – Marlene Dietrich) – zudem sind den Erben auch nicht bestimmte Nutzungshandlungen vorbehalten (BGH NJW 2007, 684, 685 – kinski-klaus.de). Zum insofern maßgeblichen monistischen Modell s Götting/Schertz/Seitz, § 10 Rn 12, 20f; Helle RabelsZ 60 (1996), 448, 459; Ahn, 131; Forkel, FS Neumayer, 229, 244; Friedrich, 66f mwN (anders die Vertreter des dualistischen Ansatzes, die von einer immaterialgüterrechtsähnl Abspaltung der vermögenswerten Aspekte und mithin von selbständigen Bestandteilen ausgehen, hierzu bspw Beuthien/Schmölz, 29; Beuthien NJW 2003, 1220ff; Heitmann, 76; Fikentscher, Wirtschaftsrecht Bd II, 112, 132). 3. Übertragbarkeit der kommerziellen Bestandteile. In seiner Entscheidung 143, 214 – Marlene Dietrich erkannte der BGH ausdrückl die Vererblichkeit der „vermögenswerten Bestandteile“ zum Schutz kommerzieller Interessen an (bestätigend: BGH NJW 2000, 2201 – Der blaue Engel; s auch BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 sowie BGH NJW 2012, 1728 – Veröffentlichung von Fotos nach dem Unfalltot: Ausübung entspr dem ausdrückl oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen). Die Frage, inwieweit die als vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte qualifizierten vermögenswerten Bestandteile des APR unter Lebenden übertragbar sind, ist jedoch nach wie vor offen, da einschlägige Fälle insoweit bisher keiner Entscheidung bedurften (s hierzu auch BGH JZ 1987, 158 – Nena, in welcher die Übertragbarkeit eine gewisse Anerkennung erfahren hat, indem der Senat dem „Lizenznehmer“ als Einwilligungsempfänger einen Bereicherungsanspruch gegen den unbefugten Nutzer zusprach; auch schon Hamm NJW-RR 1987, 231, 232 – Nena hatte dem Einwilligungsempfänger eines „Exklusivvertrags“ einen Unterlassungsanspruch gegen einen unbefugten Nutzer zugesprochen; vgl zudem BGHZ 143, 214, 221f – Marlene Dietrich). Das BVerfG (NJW 2006, 3409, 3411 – Blauer Engel II) hat jedenfalls angedeutet, dass die unverzichtbaren und unveräußerlichen Persönlichkeitsrechte zum Schutz „ideeller Interessen“ als maßgeblicher Kern des verfassungsrechtl gewährleisteten APR beim Rechtsträger bleiben müssen. In der Lit wird die Frage der Übertragbarkeit kontrovers behandelt. Während zT vertreten wird, dass sowohl eine freie als auch eine gebundene Übertragung von Persönlichkeitsmerkmalen aufgrund ihres Rechtscharakters grds ausgeschlossen sind (Krneta GRURInt 1996, 298, 306; vgl auch Peifer GRUR 2002, 495 sowie Individualität im Zivilrecht, 326) und dementspr lediglich die Möglichkeit der schuldrechtl Gestattung (als Instrument hierzu soll die Einwilligung dienen) der Benutzung bestehe (Peifer GRUR 2002, 495, 497ff; Schack AcP 195, 594f; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 28: Die Rechtsordnung müsse nicht die max Kommerzialisierung der Persönlichkeit durch die Schaffung eines neuen marktgängigen Immaterialgüterrechts absichern; s hierzu Klass
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auch ausf Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, 836f, der sich für eine Vermarktung der kommerziellen Teile des APR mithilfe schuldrechtl Lizenzen ausspricht), wird vereinzelt auch eine gebundene Übertragbarkeit für zulässig gehalten (s Rn 205) bzw sogar eine Abspaltung und Verselbständigung der vermögenswerten Bestandteile und damit die Anerkennung „persönlichkeitsbezogener Immaterialgüterrechte“ gefordert (Beuthien/ Schmölz, 34; Ullmann AfP 1999, 209, 214; abl Peukert ZUM 2000, 710, 715 mit Verweis auf Art 1 I GG, der eine „Objektivierung von Persönlichkeitssplittern verbietet“). Betont wird in diesem Kontext, dass die Einräumung eines lediglich obligatorisch wirkenden Rechts eine schwache Rechtsposition des Vertragspartners bewirke und daher nicht weitreichend genug sei; auch wird darauf hingewiesen, dass das in der Praxis bestehende Interesse bekannter Persönlichkeiten, ihre durch Leistung erworbene Popularität und ein damit verbundenes Image wirtschaftl verwerten zu können, faktisch zu einer Anerkennung der Möglichkeit einer Rechtseinräumung, die eine dingliche bzw quasi-dingliche Wirkung hat, zwinge (Wenzel/v Strobl-Albeg5, Rn 7.61 mwN). Zudem setze Vererblichkeit jedenfalls eine Verdinglichung der vermögenswerten Bestandteile zu einem „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrecht“ voraus (Erman/Ehmann12 Rn 261), weshalb die Anerkennung der Übertragbarkeit nur eine logische Folge wäre (so Erman/Ehmann12 Rn 261; Ullmann WRP 2000, 1053; Beuthien/Hieke AfP 2001, 355; Wagner GRUR 2000, 719; Seitz NJW 2000, 2168). Insofern ist jedoch anzumerken, dass dieser Rückschluss keinesfalls zwingend ist, da bspw das UrhG selbst die Übertragbarkeit ausschließt, aber eine Vererblichkeit akzeptiert, §§ 28, 29 UrhG (so auch Unseld GRUR 2011, 982, 984; ähnl auch MüKo/Rixecker Rn 51ff, der jedoch bei Annahme der Unveräußerlichkeit im Fall der Vererblichkeit eine besondere Begründung für erforderlich hält). 205 Festgehalten werden kann mithin zunächst, dass in der Praxis durchaus ein erhebliches Interesse an einem marktgängigen (Persönlichkeits-)Gut besteht, welches dem Einzelnen rechtssichere Dispositionen über die kommerziellen Bestandteile des APR bspw im Rahmen von Merchandising-Vereinbarungen oder Exklusivverträgen ermöglicht. Zugleich ist jedoch zu konstatieren, dass sich die beiden Schutzbereiche des APR, also der ideelle und der kommerzielle Interessenkreis, in vielen Bereichen überschneiden und jedenfalls nicht klar voneinander trennen lassen (so auch Götting NJW 2001, 585, 587). Aus diesem Grund ist trotz möglicher Einschränkungen oder gerade wegen möglicher Einschränkungen der Verkehrsfähigkeit im Interesse des Trägers im Erg an einem einheitlichen Persönlichkeitsrecht festzuhalten, denn die Anerkennung von selbständigen „Personalgüterrechten“ und damit eine strikte und ungebundene Aufspaltung zw ideellen und kommerziellen Bestandteilen wird zum einen dem Ziel eines umfassenden Schutzes der Gesamtpersönlichkeit nicht gerecht, zum anderen erscheint diese Trennung nicht praktikabel, denn auch bei der kommerziellen Verwertung können wichtige ideelle Belange berührt sein – niemand sollte jedoch auf das Selbstbestimmungsrecht bzgl seiner öffentlichen Darstellung verzichten können (Götting/Schertz/Seitz, § 10 Rn 18). Vorzugswürdig erscheint mithin der Weg, in Anlehnung an das dt monistische Urheberrechtsmodell und insb unter Bezugnahme auf die Regelung in § 31 UrhG, dem Rechtsinhaber zu gestatten, Dritten ausschließliche oder einfache Nutzungsrechte einzuräumen, die zeitl oder inhaltl beschränkt werden können, die jedoch immer untrennbar mit der Persönlichkeit verbunden sind und durch ein einheitl Persönlichkeitsrecht abgesichert werden (so Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 279ff; ähnl auch Forkel GRUR 1988, 492; Schubert AfP 2007, 20, 24; MüKo/Rixecker Rn 51ff). Der Inhaber von Persönlichkeitsrechten kann insofern anderen Nutzungsrechte etwa an seinem Namen oder Bildnis einräumen – diese bleiben mit Blick auf die unverzichtbaren ideellen Interessen jedoch als Tochterrechte untrennbar mit dem beim Rechtsinhaber verbleibenden Stammrecht verbunden („gebundene Rechtsübertragung“). Konsequenz einer solchen Konstruktion wäre bspw, dass dem Träger entspr § 42 UrhG ein Widerrufsrecht aus wichtigem Grund zusteht, welches ihm im Fall einer gewandelten Überzeugung mit Blick auf die dynamische Funktion des APR (s Rn 1) die Möglichkeit gibt, ein eingeräumtes Recht unter bestimmten Umständen zurückzurufen. Ebenso könnte in Anlehnung an § 34 UrhG eine Weiterübertragung von der Zustimmung des Trägers abhängig gemacht werden (so auch Götting/Schertz/Seitz, § 10 Rn 21). Die Einräumung dieser Rechte würde insb mit Blick auf die ideellen Persönlichkeitsinteressen einer zu weitgehenden Fremdbestimmung entgegenwirken. Insg hat das Modell einer gebundenen Rechtsübertragung mithin den offenkundigen Vorteil, an ein bewährtes System anknüpfen zu können; zugleich behält es aber auch die bestehende Verflechtung von ideellen und kommerziellen Interessen und deren Wechselwirkung im Bereich des Persönlichkeitsrechtsschutzes im Blick, weshalb es dem dualistischen immaterialgüterrechtl Modell vorzuziehen ist (so auch MüKo/Rixecker Rn 51; Forkel GRUR 1988, 491, 498f; Forkel FS Neumayer, 1986, 229, 243f; Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 218ff; Schubert AfP 2007, 20, 24). 206 4. Einfach-rechtl Schutz der kommerziellen Bestandteile. Nach BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine unterliegen die „kommerziellen Interessen“ nicht dem Schutz des – vom bürgerl-rechtl APR zu unterscheidenden (zur Differenzierung vgl Rn 4) – verfassungsrechtl Persönlichkeitsrechts (s auch BGH GRUR 2021, 643, 649 – Urlaubslotto; NJW 2021, 1303, 1308 – Clickbaiting; ZUM 2010, 529 – Der strauchelnde Liebling; ZUM 2011, 656 – Markt & Leute; NJW 2013, 793, 796 – Playboy am Sonntag mwN); wie das BVerfG (NJW 2000, 1021 – CvM; ähnl NJW 2006, 3409 – Blauer Engel II; NJW 2006, 595 – Pestalozzis Erben) den Schutz der kommerziellen Bestandteile bewertet, ist nicht eindeutig zu beurteilen. Vielfach wird eine skeptische Sicht bzgl des verfassungsrechtl Schutzes der kommerziellen Bestandteile bejaht, da das BVerfG nur kurze Zeit nach der Marlene-Entscheidung (BGHZ 143, 214), durch welche die vermögenswerten Bestandteile des zivilrechtl APR anerkannt wurden, feststellte: „Das APR ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet“, wobei dieser Satz, wie auch Helle AfP 2010, 531, 533 bemerkt, primär die sog Waiver-Doktrin und nicht das kommerzielle Persönlichkeitsrecht betraf. Grds bestehen jedoch keine Bedenken (ebenso wie mit Blick auf 96
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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den postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz) gegen die bürgerl-rechtl Anerkennung der kommerziellen Interessen der Persönlichkeit (vgl BVerfG NJW 2006, 3409 – Blauer Engel II), selbst wenn das BVerfG eine entspr verfassungsrechtl Position verneinen würde. Konsequenz eines fehlenden verfassungsrechtl Schutzes ist jedoch, dass den kommerziellen Interessen im Abwägungsprozess mit der Meinungs- und Pressefreiheit sowie sonstigen verfassungsrechtl geschützten Freiheiten anderer ein geringeres Gewicht zukommt als den ideellen Interessen der Persönlichkeit. 5. Spezielle Fallgruppen des Schutzes vor kommerzieller Verwertung. a) Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung der Stimme. Neben Namen und Bildnis bietet auch die Stimme einer Person ein eindeutiges Identifizierungsmerkmal, das individualisiert, von der Person ablösbar und mithin kommerzialisierbar ist, weshalb es gegen die unbefugte Nutzung durch Dritte geschützt werden muss (vgl auch BGH GRUR 2000, 709, 712 – Marlene Dietrich: der Stimme kann ein beträchtlicher Wert zukommen; Hamburg NJW 1990, 1995 – Heinz Erhardt). Nach Hamburg aaO, das sich in einer einstw Verfügung mit der Frage des Stimmschutzes auseinandersetzen musste, ist die Persönlichkeit als Ganzes vor einer kommerziellen Ausbeutung zu bewahren, weshalb die Grundsätze des Bildnisschutzes nach §§ 22ff KUG – als normatives Leitbild – auf den Schutz der Stimme zu übertragen seien, denn die Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung stehe jener einer unbefugten Bildnis- oder Namensverwendung in nichts nach (vereinzelt wird auch eine analoge Anwendung befürwortet: Lausen ZUM 1997, 86, 90). Ein Recht an der eigenen Stimme ist daher grds zu bejahen (Peukert ZUM 2000, 710, 719f; Schierholz in Götting/Schertz/Seitz, § 16 Rn 23 sehen die Stimme gar als eigenständiges besonderes Persönlichkeitsrecht an), weshalb jede ungenehmigte Nutzung und Kommerzialisierung einen Eingriff in das APR darstellt. Durch die Nachahmung der Stimme oder die Verwendung der Originalstimme wird der Anreiz- und der Aufmerksamkeitswert der betroffenen Person ausgenutzt, was jedenfalls ein Künstler, der für den werblichen Einsatz seiner Persönlichkeit naturgemäß eine Gage fordern kann, nicht hinnehmen muss (so auch Hamburg aaO, 1996 – Heinz Erhardt). Das Persönlichkeitsrecht bietet daher in einer Parallelwertung zum Bildnis- und Namensrecht Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung der Stimme im Original oder in Form einer Stimmimitation, denn aufgrund des beträchtlichen wirtschaftl Wertes, den insb bekannte Stimmen für die Werbebranche haben, ist dem Berechtigten die freie Entscheidung darüber zuzubilligen, ob und unter welchen Voraussetzungen er diese den Geschäftsinteressen Dritter zugänglich machen will. Die Rspr erkennt damit an, dass die Stimme Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs sein kann, und billigt dem Einzelnen im Erg eine aktive Verwertungsmöglichkeit der Stimme zu (Jung, 129). Zudem kann durch die unberechtigte Nutzung auch der Achtungsanspruch einer Person betroffen sein, wenn der Eindruck entsteht, der Betroffene habe der Werbung zugestimmt (zum Verhältnis des persönlichkeitsrechtl Schutzes zum urheberrechtl Leistungsschutz Schierholz in Götting/Schertz/Seitz, § 16 Rn 25ff). Zur Stimmimitation in satirischem Kontext LG Berlin ZUM-RD 2005, 517 – Gerhard Mayer-Vorfelder; LG München I AfP 2006, 582 – Lukas Podolski. b) Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung des Namens. Das APR gewährt ebenfalls Schutz gegen die unbefugte Verwendung des Namens. Anerkannt ist dabei, dass das Namensrecht sowohl den ideellen als auch den kommerziellen Interessen des Namensträgers zu dienen bestimmt ist (BGH NJW 2000, 2195, 2200 – Marlene Dietrich; zum Schutz vor kommerzieller Vermarktung ausf Rn 201ff), und den Berechtigten mithin in zweierlei Hinsicht schützt (MüKo/Säcker § 12 Rn 3). Vor diesem Hintergrund bedarf die Namensnennung in der Werbung, die nach Auffassung des BGH nicht unter § 12 fällt, sondern einen Eingriff in das APR darstellt (BGH GRUR 1959, 430 – Caterina Valente; s hierzu BGH ZUM 2022, 914 – Reizdarmsyndrom: Bezugnahme auf Fachaussagen eines Arztes in einer Werbeanzeige), regelmäßig der Einwilligung des Berechtigten. Allerdings kann die mit der Namensnennung verbundene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts hinzunehmen sein, wenn der Werbende nicht ausschließlich sein Geschäftsinteresse befriedigen will, die Werbung vielmehr auch schützenswerte Informationsinteressen der Allgemeinheit bedient (BGH ZUM 2022, 914 – Reizdarmsyndrom; GRUR 2021, 643, 646 – Urlaubslotto). Zulässig sind daher bspw Werbeanzeigen, die sich in satirisch-spöttischer Form mit einem in der Öffentlichkeit diskutierten Ereignis auseinandersetzen, an dem der Genannte beteiligt war, sofern weder der Image- oder Werbewert des Genannten durch die Verwendung seines Namens ausgenutzt noch der Eindruck erweckt wird, als identifiziere er sich mit dem beworbenen Produkt oder empfehle es (BGH GRUR 2021, 643, 646 – Urlaubslotto; GRUR 2008, 1124, 1126 – Lucky Strike: Ernst August v Hannover; NJOZ 2008, 4549, 4553 – Lucky Strike: Dieter Bohlen; s hierzu auch die Entsch des EGMR NJW 2016, 781 – Ernst August v Hannover/Deutschland II, EGMR ZUM-RD 2016, 561 – Dieter Bohlen/Deutschland; EGMR 23.4.2019 – 37898/17, AfP 2019, 405 – Grasser/Österreich). Ob es ein Recht auf Namensanonymität als Ausfluss des APR gibt, ist nicht abschließend geklärt (ausf hierzu Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 96ff), muss jedoch als Ausfluss des Rechts auf Anonymität (vgl Rn 118) bejaht werden – auch wenn dieses Recht in analoger Anwendung von §§ 22, 23 KUG zurücktreten muss, wenn ein höherrangiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Namensnennung besteht (Neumann-Duesberg JZ 1970, 564, 566; vgl KG ZUM 2005, 406, 407 – Schauspielerkind; MMR 2009, 478 – Gerichtsverfahren; BGH NJW 1991, 1532, 1533f – Bekanntgabe des Notfallarztes). Zur markenmäßigen Benutzung von Namen s BPatG GRUR-Rs 2013, 06657 sowie BPatG GRUR 2012, 1148 – Robert Enke. c) Schutz gegen ungenehmigte Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen zu Werbezwecken. S ausf Rn 184. 6. Rechtswidrigkeit. Die Verletzung der kommerziellen Interessen des APR erfolgt durch Vermarktung, dh durch Verwertung der vermögenswerten Bestandteile zum Zwecke der Gewinnerzielung und damit durch die Klass
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unberechtigte Nutzung der ausschließlich dem Träger zugewiesenen Persönlichkeitsmerkmale, insb durch Werbemaßnahmen, wie zB Anzeigen, Fernsehspots, Verpackungen, das Auftreten oder die Abbildung von Doppelgängern (Köln ZUM-RD 2015, 521: Ähnlichkeit beurteilt sich nach Gesamtumständen) uÄ. 7. Rechtfertigungsmöglichkeiten. Der Eingriff in anerkannte schützenswerte kommerzielle Interessen kann ebenso wie Eingriffe und Verletzungen ideeller Interessen durch entgegenstehende Interessen und Rechte des Eingreifenden gerechtfertigt sein. In Betracht kommt insb eine Rechtfertigung durch § 23 I Nr 1 KUG („Person der Zeitgeschichte“). Schon nach der alten Rspr war jedoch anerkannt, dass die durch § 23 I Nr 1 KUG im Interesse der Öffentlichkeit gewährleistete Abbildungsfreiheit nicht greift, wenn das Bildnis zu Werbe- oder sonstigen Geschäftszwecken verwendet wird, vielmehr betonte der BGH, es müsse dem Einzelnen vorbehalten bleiben, ob er sein Bild als Anreiz für einen Warenkauf zur Verfügung stellen will oder nicht (BGHZ 20, 345, 350 – Dahlke). Dies galt und gilt auch unabhängig davon, ob die Bildveröffentlichung den Abgebildeten in einem „ungünstigen Lichte“ (RGZ 125, 82 – Tull Harder) zeigt oder ob die beworbenen Waren als anrüchig oder unangemessen angesehen werden (wie in BGHZ 26, 349 – Herrenreiter: Potenzmittel; 35, 363 – Ginseng; BGH NJW 1971, 698 – Liebestropfen; 30, 7 – Caterina Valente: Kukident; GRUR 1984, 907 – Prof Niehaus). Im Einzelfall für zulässig erachtet wurde jedoch die Verwendung von Bildnissen, sofern sie von einem redaktionellen Beitrag begleitet wurden (BGH NJW-RR 1995, 363 – Wepper/Schlecker; Frankfurt NJW 1989, 402 – Boris Becker; dagegen Helle, 188; BGH NJW 1979, 2203 – Franz Beckenbauer/Wandkalender; abl BGH ZUM 2013, 132 – Playboy am Sonntag: Abdruck eines Fotos im redaktionellen Teil einer Zeitung, das eine prominente Person bei der Lektüre dieser Zeitung zeigt). Vor dem Hintergrund der Bedeutung der verfassungsrechtl Kommunikationsfreiheiten, insb der Meinungsund Pressefreiheit, im Abwägungsprozess des § 23 I Nr 1 KUG und angesichts der stärkeren Betonung des Informationsinteresses (vgl Rn 39, 184) ist die Veröffentlichungsfreiheit jedoch immer dann ausgeschlossen, wenn der Eingreifende keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Öffentlichkeit nachkommt, sondern durch die Verwendung des Bildnisses allein bzw ausschließlich sein Geschäftsinteresse befriedigen will (so BGHZ 143, 214, 229 – Marlene Dietrich; BGH NJW 1997, 1152 – Bob Dylan; BVerfG NJW 2001, 594 – Willy Brandt-Medaille; deutlich auch BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine; ZUM 2013, 132, 136 – Playboy am Sonntag; NJW 2021, 1303, 1307 – Clickbaiting); dies ist allerdings nicht der Fall, wenn er sich in satirisch-spöttischer Art und Weise mit einer die Öffentlichkeit wesentlich interessierenden Frage auseinandersetzt. In diesem Fall kann den kommerziellen Interessen des Betroffenen jedenfalls kein Vorrang eingeräumt werden, sofern die Werbung keine berechtigten ideellen Interessen verletzt (s Rn 184). Auch die Kunstfreiheit kann als Rechtfertigungsgrund für eine Veröffentlichung streiten, denn sie schützt nicht nur den Werk-, sondern auch den Wirkbereich der Kunst, weshalb auch die Werbung für das Kunstwerk umfasst wird (BVerfGE 77, 240, 251 – Herrnburger Bericht; BGHZ 143, 214, 229 – Marlene Dietrich). Zudem kann die Vermarktung „vermögenswerter Bestandteile“ des APR, zB des Rechts am eigenen Bild oder des Namensrechts durch eine Einwilligung des Berechtigten gerechtfertigt sein (zur Einwilligung ausf Rn 229ff). Weitere aktuelle Kasuistik: BGH GRUR 2010, 546 – Boris Becker (Der strauchelnde Liebling): Die Werbung für eine geplante Zeitung (FAS) mit der Titelseite eines Testexemplars, auf der eine prominente Person abgebildet ist, verletzt nicht allein deshalb deren Recht am eigenen Bild, weil später keine Ausgabe der Zeitung erscheint, die eine der Ankündigung entspr Berichterstattung enthält; eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild liegt jedoch von dem Zeitpunkt an vor, zu dem es dem Werbenden möglich und zumutbar war, die Abbildung der Titelseite des Testexemplars durch die Abbildung der Titelseite einer tatsächlich erschienenen Ausgabe der Zeitung zu ersetzen (Boris Becker hatte 2,3 Mio t gefordert, das LG München I AfP 2006, 382 hatte ihm 1,2 Mio t zugesprochen); vgl auch BGH ZUM 2011, 656 – Markt & Leute; GRUR 2009, 1085 – Wer wird Millionär?, Werbung für ein Rätselheft mit dem Bild von Günther Jauch: Eine Berichterstattung lässt dann keinen Beitrag zur öffentl Meinungsbildung erkennen, wenn sich der die Bildveröffentlichung begleitende Text darauf beschränkt, einen beliebigen Anlass für die Abbildung einer prominenten Person zu schaffen – dient die Veröffentlichung ausschließlich den Geschäftsinteressen des Presseorgans, muss eine Rechtfertigung scheitern; so auch LG Köln AfP 2010, 406, 407 – Eigenwerbung; BGH ZUM 2013, 132 – Playboy am Sonntag: Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 t; vgl auch LG Hamburg NJW 2007, 691, das Joschka Fischer 200.000 t wegen Verletzung seiner kommerziellen Interessen für die Werbung mit seinen verkindlichten Gesichtszügen für die Welt-Kompakt zusprach; zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr im Fall des „Clickbaiting“ (Bildnis von Günther Jauch) s Köln GRUR-RR 2019, 396ff (20.000 t) sowie BGH NJW 2021, 1303 – Clickbaiting. 8. Verschulden. Die rechtswidrige Verletzung der „vermögenswerten Bestandteile“ setzt keine schwere Verletzung und/oder kein schweres Verschulden voraus: „Wer die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts auch bloß fahrlässig verletzt, haftet ebenso wie bei der Verletzung anderer vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte für den eingetretenen materiellen Schaden, ohne dass es darauf ankäme, wie schwerwiegend der Eingriff war“ (BGHZ 143, 214, 228 – Marlene Dietrich). 9. Verhältnis zu anderen Schutzbereichen des APR. Werden Persönlichkeitsmerkmale einer Person unberechtigt für kommerzielle Zwecke verwendet, kann zudem auch der Ehrenschutz (insb im Rahmen der Werbung für anrüchige oder umstr Produkte, Rn 94ff), das Recht auf Selbstdarstellung (Gefahr der Identitätsverfälschung, zB bei der Indienstnahme für bestimmte Aussagen, Präferenzen oder Werte, vgl Rn 193ff) oder der Schutz gegen die unberechtigte Verwendung der Stimme oder des Bildnisses (Rn 207ff, 167ff) einschlägig sein. 98
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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V. Schutz vor Belästigungen. 1. Unerwünschte Werbung sowie sonstige unerwünschte Kontaktaufnahme. 216 a) Briefkastenwerbung. Briefkastenwerbung an sich verletzt das APR nicht – jedoch gewährt dieses jedem Einzelnen Schutz vor der Missachtung des ausdrückl geäußerten Willens, keine Werbung empfangen zu wollen (BGH GRUR 1992, 617 – Briefkastenwerbung; NJW 1989, 902; Weise GRUR 1898, 665; MüKo/Rixecker Rn 159 – jedoch krit mit Blick auf Parteienwerbung; Fikentscher NJW 1998, 1337, 1339; Kläver ZUM 2002, 205, 209; Kaiser NJW 1991, 2870, 2871; aber keine Verletzung, wenn einem Postgiroteilnehmer gegen seinen Willen zusammen mit dem Kontoauszug dreimal im Monat Werbebeilagen übersandt werden, BVerwG GRUR 1990, 710; NJW 1991, 2920). Dies ist Ausdruck des dem APR innewohnenden Rechts, in Ruhe gelassen zu werden (BGH 8.2.2011 – VI ZR 330/09), aus welchem das Recht des Einzelnen folgt, „seine Privatsphäre freizuhalten von der unerwünschten Einflussnahme anderer, und selbst zu entscheiden, mit welchen Personen und ggf in welchem Umfang er Kontakt haben will“, sowie des personalen Selbstbestimmungsrechts (Fikentscher NJW 1998, 1337, 1339; Frankfurt NJW 1996, 934) des Betroffenen. Beide sind dem Interesse des Unternehmens an der Werbung zur Absatzsteigerung vorrangig (in diesem Kontext wird zudem auf eine Beeinträchtigung der wirtschaftl Entscheidungsfreiheit sowie auf eine die personalen Interessen betreffende Ruhestörung verwiesen, Kläver ZUM 2002, 205, 209). Das APR kann daher vor Belästigungen schützen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme herrühren, BGH 8.2.2011 – VI ZR 330/09. Insb, wenn der (potentielle) Empfänger einen entgegenstehenden Willen bspw durch das Anbringen eines Aufklebers oder durch eine Mitteilung an den Werbenden (LG Lüneburg K&R 2012, 129; s auch Anm Mankowski WRP 2012, 269) geäußert hat, stellt sich jede Zuwiderhandlung als eine rechtswidrige Verletzung des APR dar (BGH NJW 1989, 902: Eigentums- und Besitzstörung sowie Verletzung des APR, sofern es nicht nur um die Abwehr der Beeinträchtigung des gegenständlich-räumlichen Eigenbereichs geht; zu kostenlosen Anzeigenblättern mit redaktionellem Teil s auch BGH AfP 2012, 377 – Gratiszeitungen sowie Meyer WRP 2012, 788; vgl iÜ auch Baston-Vogt, 248ff; 467f). War für den Einwerfenden jedoch nicht erkennbar, dass es sich um Werbung handelt, ist er nicht als Störer anzusehen (Stuttgart NJW 1991, 2912; Kaiser NJW 1991, 2870). Nach Karlsruhe NJW 1991, 2913 kann der Abonnent einer Tageszeitung nicht vom Verleger verlangen, ihm die Tageszeitung nur ohne Werbeeinlagen zuzustellen. Nach BVerfG NJW 2002, 2938 ist die Übertragung der Rspr-Grundsätze zur Konsumwerbung auf Parteienwerbung (s Bremen NJW 1990, 2140; KG NJW 2002, 379) verfassungsrechtl nicht zu beanstanden; zust Staudinger/Hager § 823 Rn C 234; krit MüKo/Rixecker Rn 159 sowie Löwisch NJW 1990, 437. b) Telefonwerbung. Telefonwerbung beeinträchtigt jedenfalls immer dann das APR, wenn sie trotz erkenn- 217 baren Widerspruchs fortgesetzt wird. Darüber hinaus kann aber auch eine Verletzung vorliegen, wenn aufgrund des Zeitpunkts oder der Häufigkeit eine besondere Form der Belästigung besteht. Nach MüKo/Rixecker Rn 160 soll eine bestehende Wettbewerbswidrigkeit nach § 7 II Nr 1 UWG allein jedenfalls nicht zwangsläufig zugleich zu einer Verletzung des APR führen. Anders allerdings Kaboth ZUM 2003, 342, 343, der auf den besonders intensiven Eingriff in die Individualsphäre verweist, wenn bspw Inhaber von Anschlüssen, zu denen bislang keine Beziehungen bestanden haben, unaufgefordert in ihrem privaten Bereich angerufen werden, um Geschäftsabschlüsse anzubahnen oder vorzubereiten. Ähnl auch Mummenhoff, Persönlichkeitsschutz gegen unerbetene Werbung auf privaten Telefonanschlüssen, 2011, 244ff, der jeden unerbetenen Werbeanruf auf einem privaten Telefonanschluss als Eingriff in das APR ansieht; auch Staudinger/Hager § 823 Rn C 237 betont Einschlägigkeit des APR neben dem UWG. Zur (wettbewerbsrechtl) Unzulässigkeit einer Telefonwerbung ohne vorherige ausdrückl Zustimmung s auch BGH MMR 2011, 385, 386; Frankfurt MMR 2013, 170. Zu den Anforderungen an die Wirksamkeit einer erteilten Einwilligung nach § 7 II Nr 1 UWG, BGH MMR 2013, 380, 381 – Einwilligung in Werbeanrufe II. Einen umfassenden Schutz der Verbraucher vor unerwünschter Telefonwerbung soll zudem das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen v 29.7.2009 (BGBl I 2009, 2413) bieten. Vgl auch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken v 1.10.2013 (BGBl I 2013, 3714), das ua auch den Bereich der Telefonwerbung (insb auch durch automatische Anrufmaschinen) erfasst. c) Unerwünschte Werbung durch Fax, E-Mail oder SMS. Unerwünschte Werbung durch Fax, E-Mail oder 218 SMS an einen Marktteilnehmer ist in den meisten Fällen als unzumutbare Belästigung iSv § 7 II Nr 2 UWG und damit als wettbewerbswidrig einzustufen. Gem § 7 II Nr 2 UWG wird eine ausdrückl Einwilligung des Werbeadressaten verlangt (opt-in-Modell), idR wird jedoch das „Double-opt-in“-Verfahren angewandt (s hierzu LG Traunstein MMR 1998, 53; Frankfurt MMR 2014, 115; krit München MMR 2013, 38). Dieses Verfahren dient zugleich als Nachweis über die Einwilligung des Abonnenten (s Anm Heidrich zu München MMR 2013, 38); zum (zeitl) Umfang einer Einwilligung in E-Mail-Werbung s LG Berlin WRP 2012, 610. Zu beachten ist im Rahmen der Prüfung einer unzumutbaren Belästigung iÜ § 7 III UWG, der eine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis zu § 7 II Nr 2 UWG vorsieht (Ausnahmetatbestand; opt-out-Modell). Dieser Ausnahmetatbestand soll es dem Unternehmer ermöglichen, im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen Werbe-E-Mails bzw Werbe-SMS (s Schöler in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig § 7 UWG Rn 350ff) ohne eine vorherige Einwilligung des Kunden zu versenden (vermutete Einwilligung; s Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen § 7 UWG Rn 202f). Dazu müssen die Voraussetzungen des § 7 III Nr 1–4 UWG kumulativ erfüllt werden (Ohly in Ohly/Sosnitza § 7 UWG Rn 73). Eine unzumutbare Belästigung liegt folglich nicht vor, wenn der Unternehmer im Zusammenhang mit dem Waren- oder Dienstleistungsverkauf vom Kunden eine elektronische Postadresse erhalten hat (Nr 1), der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnl Waren oder Dienstleistungen verwendet (Nr 2), der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat (Nr 3) und dieser bei Vertragsschluss deutlich Klass
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auf Werbe-E-Mails und auf seine Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen wurde (Nr 4) (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen § 7 UWG Rn 203ff; Mann in Spindler/Schuster § 823 Rn 69). Zu den Voraussetzungen bei Verwendung einer E-Mail-Adresse nach Abschluss einer Verkaufstransaktion s BGH GRUR 2018, 1178 – Kundenzufriedenheitsbefragung durch Direktmailing. Zu den Anforderungen an eine wirksame Einwilligung in Inbox-Werbung s BGH GRUR 2022, 995 sowie EuGH GRUR 2022, 87. Nach BGH MMR 2010, 33 kann zudem selbst die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen (vgl auch AG Hannover ITRB 2013, 232: Feedbackanfrage als Werbung). Daneben stellt die Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung grds einen Eingriff in die geschützte Privatsphäre und damit in das APR dar (BGH GRUR 2018, 1178 – Kundenzufriedenheitsbefragung durch Direktmailing; BGH AfP 2016, 149 – Unwetterwarnung; s auch KG AfP 2003, 434; LG Lübeck MMR 2009, 868; Hoeren/Sieber/Holznagel/ Boemke Teil 11 Rn 35; Hoeren NJW 2004, 3513, 3514). Es gibt jedoch auch Gegenstimmen (AG Kiel MMR 2000, 51, 52), welche die Grundsätze zur Briefkastenwerbung übertragen möchten und daher einen deutlichen Widerspruch fordern. Werbe-SMS werden üblicherweise als noch belästigender empfunden als Werbe-E-Mails, weshalb hier auch ohne erklärten Widerspruch eine Verletzung des APR bejaht werden kann (Remmertz MMR 2003, 314, 315; LG Berlin MMR 2003, 419). d) Sonstige unerwünschte Kontaktaufnahme. Das APR gewährt dem Einzelnen zudem das Recht, seine Privatsphäre von der unerwünschten Einflussnahme anderer freizuhalten und selbst zu entscheiden, mit wem er in welchem Umfang Kontakt haben möchte. Insofern schützt das APR auch vor Belästigungen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen (s hierzu auch BGH NJW 2011, 1005 – Zusendung von Mahnschreiben). Keine Verletzung des APR liegt jedoch idR beim ersten Anschreiben einer anwaltlich vertretenen Person vor, selbst wenn diese darum gebeten hat, sie nicht direkt anzuschreiben, Celle ZUM-RD 2015, 587. e) Presserechtl Informationsschreiben: Die Übermittlung eines „presserechtl Informationsschreibens“ zielt zwar unmittelbar auf eine Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit der Presseunternehmen ab, greift jedoch idR nicht rechtswidrig in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein, Art 12 iVm Art 19 III GG. Eine andere Beurteilung ist dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vornherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt werden, BGH AfP 2019, 40. 2. Nachstellen und Stalking. Das APR gewährt jedem Menschen das Recht, selbst über Kontakte zu anderen Menschen zu bestimmen. Ein unmissverständliches, deutliches und ernstliches Verbot, mit dem Betroffenen brieflich, fernmündlich oder mündlich Kontakt aufzunehmen, ist daher vom Erklärungsempfänger zu achten (LG Oldenburg NJW 1996, 62; Keiser NJW 2007, 3387, 3388; Walter ZUM 2002, 886, 889; Verletzung des APR, wenn der Betroffene trotz mehrfacher Aufforderung, eine direkte Kontaktaufnahme zu unterlassen, wiederholt angeschrieben wird, BGH 8.2.2011 – VI ZR 330/09). Wird dies missachtet und der Betroffene nicht in Ruhe gelassen, steht diesem ein Unterlassungsanspruch zu; in besonders schweren Fällen kommt zudem ein Geldentschädigungsanspruch in Betracht. Hat ein zuvor stattgefundener Kontakt selbst bereits das APR verletzt, kann ein ausdrückl ausgesprochenes Verbot sogar entbehrlich sein (LG Oldenburg NJW 1996, 62: zB Telefonterror zur Nachtzeit). Liegen „klassische“ Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre (vgl Rn 122ff, Rn 126f) vor, bspw durch heimliche Aufnahmen in der Wohnung (zum Schutz des höchstpersönl Lebensbereichs durch § 201a StGB s Rn 144), das Entwenden von Briefen oÄ, greift der auch jenseits des Stalkings anerkannte Schutz durch das APR (Sphärenschutz s Rn 122; Schutz des geschriebenen Wortes Rn 130 etc). Daneben finden in Stalking-Konstellationen auch das GewSchG sowie § 238 StGB Anwendung. Zur Frage, inwieweit jenseits des persönl motivierten Nachstellens, insb in Fällen der permanenten Paparazzi-Verfolgung, Schutz durch das APR oder das GewSchG gewährt wird, s Rn 145. 3. Schutz vor Mobbing. Mobbing, verstanden als Umschreibung für „fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind“ (Celle NJW 2008, 2202, 2203), kann in seiner Gesamtheit das APR und die Ehre des Betroffenen verletzen (Celle NJW 2008, 2202, 2203; LAG Hamm NZA-RR 2003, 8). Besondere Bedeutung erlangt der Schutz vor Mobbing im Arbeitsverhältnis. Hier ist anerkannt, dass der ArbGeb grds verpflichtet ist, das APR der ArbN nicht selbst durch Eingriffe zu verletzen, daneben besteht auch die Pflicht, die ArbN vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte, auf deren Verhalten er Einfluss hat, zu schützen. Kommt der ArbGeb dieser Pflicht nicht nach und unterlässt er es, Maßnahmen zu ergreifen oder sein Unternehmen so zu organisieren, dass derartige Eingriffe ausgeschlossen sind, kann er als Störer in Anspruch genommen werden (LAG Thüringen NZA-RR 2001, 347; s auch BAG NZA 2007, 1155). 4. Schutz vor ideellen Immissionen. Werden von einer Person gegen ihren Willen grob schamverletzende oder zum Intimbereich zählende Vorgänge zur Schau gestellt, kann dies ihr APR verletzen (Staudinger/Hager § 823 Rn C 238; nicht ausreichend ist jedoch das Auslegen pornographischer Schriften am Kiosk, BGH NJW 1975, 1161, 1162; ebenso nicht die Errichtung eines Bordells in der Nachbarschaft, BGH NJW 1985, 2823, oder das Nacktbaden, Erman/Ehmann12 Rn 287). Ebenso kann das APR verletzt werden, wenn ein Nachbar sog Frustzwerge (gartenzwergartige Gebilde, die untypische Gesten und Posen einnehmen, zB Zwerg mit erhobenem Mit100
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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telfinger, sog Fuck-you-Zeichen) in der erkennbaren Absicht aufstellt, den Nachbarfrieden nachhaltig zu stören, denn der ehrverletzende oder beleidigende Charakter seiner Werkschöpfung wird ihm in persona zugerechnet (AG Grünstadt NJW 1995, 889; s auch LG Limburg NJW-RR 1987, 81 zum Anspruch auf Beseitigung eines Galgens an der Grundstücksgrenze). VI. Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Freiheitsschutz. 1. Freiheitsschutz nach § 823 I. Der Freiheitsbegriff iRd § 823 I umfasst anerkanntermaßen nur die körperliche Fortbewegungsfreiheit (MüKo/Wagner § 823 Rn 239; Jauernig/Teichmann § 823 Rn 5; München OLGZ 1985, 466, 467), nicht jedoch die über Art 2 I GG geschützte Willens- und Handlungsfreiheit. Die durch diesen restriktiven Freiheitsbegriff entstandenen Schutzlücken werden durch das die Person vor widerrechtl Eingriffen schützende APR geschlossen, indem dieses den Schutz der freien Selbstbestimmung hinsichtl der in § 823 explizit erwähnten Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit gewährleistet (MüKo/Wagner § 823 Rn 195; BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma). Schutzgut des § 823 I ist nicht die Materie, „sondern das Seins- und Bestimmungsfeld der Persönlichkeit, das in der körperlichen Befindlichkeit materialisiert ist“ (BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma; i Erg so auch NJW 2008, 2846 – Haftung nach erfolgloser Sterilisation; NJW 2006, 1660 – Unterhalt als Schaden; NJW 1995, 2407, 2408 – Kind als Schaden und NJW 1980, 1452, 1453 – Ungewolltes Kind). In diesen Rechtsgütern hat das APR somit die bereits vom RG geforderte „gegenständliche Verkörperung“ (dazu RGZ 58, 24 – Jute-Plüsch) erhalten. Zum Schutz der Kenntnis der eigenen Abstammung s BVerfG NJW 2016, 1939: kein absoluter Schutz durch das APR, vielmehr ist Ausgleich mit widerstreitenden Interessen erforderlich sowie NJW 2010, 3772 – „whole genome sequencing“; s aber auch EGMR 13.7.2006 – 58757/00 Rn 39ff – Jäggi/Schweiz: Kenntnis der eigenen Abstammung ist von besonderer Bedeutung; s auch BGH NJW 2015, 1098: Auskunftsanspruch aus § 242 sowie Hamm NJW 2013, 1167. Auskunftsanspruch von Personen, die vermuten, durch heterologe Insemination gezeugt worden zu sein, ist nunmehr gesetzl verankert im Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen (SaReg v 1.7.2018, s § 10); für Altfälle bleibt es bei § 242 BGB, s hierzu BGH NJW 2019, 848 Rn 25. 2. Schutz vor Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit. Das bürgerlich-rechtl APR umfasst nur ausnahmsw den Schutz vor Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit, so bei einer unbegründeten Betreuung (Entmündigung) mit der Folge, dass die durch die Geschäftsfähigkeit gegebene Freiheit der Selbstbestimmung verloren wird (vgl bereits Erman/Ehmann12 Rn 272), bei einer unrechtmäßigen Freiheitsentziehung aufgrund eines obj falschen gerichtlichen Sachverständigengutachtens (Frankfurt DS 2008, 115 – Bankräuber), bei unrechtmäßiger ordnungsrechtl Unterbringung in geschlossener psychiatrischer Anstalt (BGH NJW 2012, 1448 – Liebeshunger; vgl BVerfG NJW 2013, 2337 – Medizinische Zwangsbehandlung) oder bei nachträgl Anordnung der Unterbringung in Sicherungsverwahrung (BVerfG NJW 2011, 1931) bzw bei Androhung „erheblicher Schmerzen“ während der polizeilichen Vernehmung (Frankfurt NJW 2013, 75). Die Inhaftierung eines Strafgefangenen stellt hingegen keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar (anders bei einer menschenunwürdigen Unterbringung, vgl BGH NJW 2005, 58). S auch zur unzulässigen Auflage in einem Sorgerechtsverfahren, eine Psychotherapie fort- bzw durchzuführen, BVerfG NJW 2011, 1661. 3. Ärztliche Heileingriffe. Bei unbefugten (zum Erfordernis der Einwilligung s auch § 630e), aber kunstgerechten ärztlichen Heileingriffen, die aufgrund einer fehlenden bzw mangelhaften ärztl Aufklärung (s hierzu auch § 630e) das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verletzen (dazu BVerfG NJW 1979, 1925, 1925f; BGHZ 166, 336 – Aufklärung über seltene mit der Blutspende spezifisch verbundene Gefahren; zum Umfang der Aufklärungspflicht BGHZ 29, 46; BGH NJW 2015, 74 – Aufklärung über Risiken einer Koloskopie; NJW 2004, 3703 – Aufklärung über Alternative einer primären Schnittentbindung bei Zwillingsschwangerschaft; NJW 2005, 1718 – Pflicht des Arztes zur Selbstbestimmungsaufklärung; NJW 2009, 2820 – Arzthaftung bei mangelnder Mitwirkung des Patienten nach unzureichender Aufklärung), leitet sich der Unrechtsgehalt in erster Linie aus der Verletzung der Persönlichkeit des Patienten ab und nicht aus einer Verletzung seines Körpers (so aber die st Rspr, vgl BGH NJW 2006, 2108 – Blutspende), insb weil die Qualifizierung als Körperverletzung nicht mit der Intention des Arztes zu heilen in Einklang zu bringen ist (Baston-Vogt, 269; Laufs/Kern, Hdb des Arztrechts, 2019, § 6 Rn 33f). S erg die Komm zu § 630d. 4. Entnahme menschlicher Organe und Körpersubstanzen. Die heimliche Entnahme von Organen und Körpersubstanzen verletzt bei Lebenden neben dem Körper auch deren Selbstbestimmungsrecht und muss daher durch ihre Einwilligung legitimiert sein (Forkel JZ 1974, 593, 596; Baston-Vogt, 274; Taupitz AcP 191, 201, 206; zu heimlichen DNA-Tests zur Bestimmung der Vaterschaft s Schnorr/Wissing ZRP 2003, 342, 342; Rittner/Rittner NJW 2005, 945 sowie NJW 2002, 1745; auch künstliche Körperteile, wie Zahngold, können das besondere Persönlichkeitsrecht am Körper genießen, BGH NJW 2015, 2901). Das APR ist ebenso bei einer vom Willen des Rechtsträgers nicht gedeckten Verwertung entnommener Körpersubstanzen betroffen (EuGH NJW 1994, 3005, 3006 – Verdeckter Aids-Test; BVerfG NJW 2007, 753 – Heimlicher Vaterschaftstest; BGH NJW 2005, 497 – Heimliche DNA-Tests; LG Köln NJW 1995, 1621, 1622 sowie LG Magdeburg 19.11.2013 – 2 S 140/13 – HIV-Test ohne Einwilligung; MüKo/Wagner § 823 Rn 198; zur Entnahme und Nutzung von Körpersubstanzen s auch Spranger NJW 2005, 1084 sowie Werner, Entnahme und Patentierung menschlicher Substanzen, 51ff), insb wenn ursprünglich beabsichtigt war, diese – wie bei Eizellen nach einer extrakorporalen Befruchtung – wieder einzugliedern, sodass eine „funktionale Einheit“ fortbestand (Staud/Stieper § 90 Rn 31; Taupitz NJW 1995, 745; Laufs/Reiling NJW 1994, 775; aA BGH (NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma), der von einer KörperverletKlass
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zung ausgeht; zu weiteren Differenzierungen vgl Taupitz AcP 191, 201, 208ff). Dies muss auch bzgl der Vernichtung des zur Fortpflanzung bestimmten konservierten Spermas gelten, da hierdurch das Persönlichkeitsrecht des Rechtsträgers in gleicher Weise betroffen ist wie das Persönlichkeitsrecht der Frau bei der Vernichtung einer zur Reimplantation bestimmten Eizelle (MüKo/Wagner § 823 Rn 197; Staudinger/Stieper § 90 Rn 32; aA BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma). Sofern der Wille des Rechtsträgers nicht auf eine Wiedereingliederung abzielte und die Körperbestandteile daher endgültig abgetrennt werden sollten, verlieren diese jedoch idR ihre Zuordnung zum Schutzgut Körper und werden zu Sachen im Rechtssinn (BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma; Taupitz AcP 191, 201, 208). Eine unbefugte Entnahme von Organen bzw Körpersubstanzen bei Verstorbenen greift in deren Verfügungsrecht über ihren Körper ein, welches auch über den Tod hinaus fortbesteht, sodass ein Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht vorliegt (Staudinger/Kannowski Vor § 1 Rn 29; s in diesem Kontext aber BGH NJW 2014, 3786 sowie München NJW-RR 2000, 1603 – Exhumierung eines Verstorbenen zwecks Vaterschaftsfeststellung: Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung überwiegt postmortales APR des Vaters). H. Berechtigte (Gegen-)Interessen und Rechtfertigungsgründe – Vorgaben für die Güter- und Interessenabwägung. I. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigungsgründe. Eingriffe in das APR (Rahmenrecht) gehören zu den sog offenen Verletzungstatbeständen (Damm/Rehbock Rn 647; Wenzel/Burkhardt Rn 6.6). Das erfolgsbezogene Unrechtskonzept gilt nicht, die Rechtswidrigkeit einer Handlung wird vielmehr im Rahmen einer situationsbezogenen Güter- und Interessenabwägung im jew Einzelfall festgestellt (vgl EGMR NJW 2012, 1058 – Axel Springer AG/Deutschland; BVerfG ZUM 2013, 122 – Interpretationsvorbehalt bei Wiedergabe einer mehrdeutigen Äußerung; GRUR 2011, 255 – Carolines Tochter; NJW 2006, 207, 208 – Stolpe; AfP 2006, 349 – Babycaust; BGH GRUR 2013, 312 – Zulässige Berichterstattung über Stasitätigkeit – IM „Christoph“; GRUR 2012, 422 – Pornodarsteller). Führt die verfassungsrechtl gebotene Abwägung zu dem Ergebnis, dass die Handlung über das verfassungsrechtl zulässige Maß hinausgegangen ist (BVerfG GRUR 2007, 1085 – Esra; BGH NJW 1976, 1198 – Panorama; NJW 1979, 266, 267), kann die Rechtswidrigkeit bejaht werden; ist die Handlung bspw gem Art 5 I 1, 2 GG zulässig, entfällt die Rechtswidrigkeit. Verletzungen des APR können als Delikte zudem durch die allg Rechtfertigungsgründe, insb die Einwilligung (ausdrückl oder konkludent, s ausf Rn 229ff), Notwehrund notwehrähnl Lagen sowie aufgrund der § 193 StGB, § 824 BGB, § 4 Nr 2 Alt 2 UWG gerechtfertigt sein. Während die § 824 II BGB und § 4 Nr 2 Alt 2 UWG Eingriffe im wirtschaftl Kontext (zum Schutz der „wirtschaftl Ehre“ bzw des Images) mit dem Begriff des „berechtigten Interesses“ rechtfertigen, zählt § 193 StGB, der für den zivilrechtl Schutz des APR entspr gilt, einzelne Rechte auf. Umfasst werden zB tatsächliche Urt über wissenschaftl, künstlerische sowie gewerbl Leistungen, Äußerungen in rechtl Verfahren zur Ausführung oder Verfolgung von Rechten sowie ganz allg Äußerungen „zur Wahrnehmung berechtigter Interessen“. II. Rechtfertigende Einwilligung. 1. Charakter und Rechtsnatur der rechtfertigenden Einwilligung. Die Rechtsfigur der Einwilligung ist nicht ausdrückl normiert, wird jedoch allg anerkannt (Kohte AcP 185, 105, 108; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 142f; Klass AfP 2005, 507, 508; Dasch, Einwilligung, 40; Ohly, Die Einwilligung im Privatrecht, 178ff). Sie ist Mittel, um über bestimmte Rechte in begrenztem Rahmen zu disponieren (Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 143), und findet ihre Grundlage sowohl im anerkannten Rechtssatz „volenti non fit iniuria“ (Ohly, 63ff) als auch im grundrechtl Schutz der Dispositionsfreiheit. BVerfG NJW 1979, 1925, 1929f nennt als normative Wurzeln des Einwilligungsrechts das Selbstbestimmungsrecht sowie die Achtung vor der Entschließungsfreiheit und der Würde des Menschen. Als tragender Grund ihrer Anerkennung kann heute also letztlich das Prinzip der Privatautonomie angesehen werden (Kohte AcP 185, 1985, 105, 110; Klass AfP 2005, 507, 508 mwN). Durch die Einwilligung wird ausnahmsw etwas erlaubt, das ohne sie eine unerlaubte Handlung darstellen würde. Erteilt der Rechtsinhaber eine Einwilligung, erlaubt er mithin einer anderen Person, in sein Rechtsgut einzugreifen. Konstruktiv wird die Einwilligung folglich als Rechtfertigungsgrund qualifiziert, der einer Pflichtverletzung bzw unerlaubten Handlung das Merkmal der Widerrechtlichkeit nimmt (Kohte AcP 185, 105, 110; Dasch, Einwilligung 27ff, 50). Str ist die Rechtsnatur der Einwilligung (Willenserklärung, Realakt oder rechtsgeschäftsähnl Handlung – zum Streit: Ohly, Die Einwilligung im Privatrecht, 178ff; Klass AfP 2005, 507; Libertus ZUM 2007, 621 sowie BGH NJW 1980, 1903; Düsseldorf 24.5.2011 – 20 U 39/11; München NJW 2002, 305). In der Sache geht es dabei um die Frage nach der Anwendbarkeit der Rechtsgeschäftsregelungen (zum Streit um die Rechtsnatur sowie zu den einzelnen Arg s ausf Klass, Realitätsfernsehen, 2003, 255ff mwN). Diese Frage sollte jedoch nicht abstrakt, sondern vielmehr induktiv im Lichte der konkreten Einzelfragen und mit Blick auf eine möglichst umfassende Absicherung des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen beantwortet werden (Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 148; Klass AfP 2005, 507, 508; Kohte AcP 185, 105, 120), denn die rechtl Einordnung als solche vermag die Frage nach der Angemessenheit einer Anwendung der rechtsgeschäftlichen Regelungen nicht abschließend zu lösen. 2. Abgabe, Zugang und Auslegung. a) Abgabe und Zugang. Die Einwilligung ermöglicht weitreichende Dispositionen über Rechtsgüter – sie ist zudem ein Kommunikationsakt, weshalb Abgabe und Zugang der Erklärung als Wirksamkeitsvoraussetzungen anzusehen sind – eine mutmaßliche Einwilligung ist abzulehnen. Nur so kann der Gefahr einer Konstruktion fiktiver Einwilligungen begegnet werden (Kohte AcP 185, 105, 122). b) Stillschweigende Einwilligungserklärungen. Bestehen keine spezialgesetzl Schriftformerfordernisse, ist grds auch eine konkludente Abgabe der Einwilligung möglich (BGH AfP 2016, 243, 245 – Beziehungsende; ZUM 2015, 329 – Partyhostess: konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bildnisses auf einem Eventportal; Karlsruhe GRUR-RR 2006, 419 – Kamerateam; eine ausdrückl Einwilligung fordert jedoch München AfP 102
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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2001, 135, 136 – Verehrer, Aufhebung der Anonymität; mit Blick auf die Bedeutung und Garantie des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verlangt auch das BAG, ZUM 2015, 604, 606, eine ausdrückl Einwilligung in Schriftform innerhalb von Arbeitsverhältnissen; s hierzu auch Anm Renner ZUM 2015, 608f; vgl zudem BAG DB 1983, 2780 zur Anfertigung eines graphologischen Gutachtens; grds zur Einwilligung eines ArbN Benecke/Groß NZA 2015, 833; Grau/Schaut NZA 2015, 981). Allerdings sind bei konkludenten Einwilligungen im Kontext des Persönlichkeitsrechts erhöhte Anforderungen zu stellen, um dem Selbstbestimmungsrecht in diesem sensiblen Bereich zur bestmöglichen Durchsetzung zu verhelfen (im Einz Klass AfP 2005, 507, 511; zu den Voraussetzungen für eine konkludente Einwilligung München ZUM 2009, 429; Hamburg ZUM-RD 2005, 129). So setzt eine konkludente Einwilligung zumindest Kenntnis von der Aufnahme voraus, KG ZUM-RD 2022, 149, 151 – Einkaufsbummel. Auch kann allein aus der Tatsache, dass ein Bildnis auf einer öffentlichen Veranstaltung aufgenommen wurde, nicht auf eine Einwilligung zur Verwendung des Fotos in jedwedem Kontext geschlossen werden, Frankfurt ZUM-RD 2021, 341, 342. Ebenso kann nicht alein aus dem fehlenden Widerspruch gegen Filmaufnahmen auf eine Einwilligung in die Veröffentlichung geschlossen werden (AG Kleve ZUM-RD 2009, 555 – Drogenkriminalität; s auch Dresden ZUM-RD 2019, 317 – Striptease-Tänzerin: keine konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung von Fotos, auch wenn für die Betroffene erkennbar ist, dass ein Verbot nicht von allen Besuchern eingehalten wird; einschränkend Frankfurt ZUM-RD 2010, 320, 323: wer erkennt, dass er gefilmt wird, und ohne Unwillen zu zeigen, Fragen beantwortet, und durch Gesten, freundliches Winken seine Zustimmung deutlich macht, willigt in die spätere Aufzeichnung ein; s auch zur Beantwortung von Fragen während eines Interviews, welche weder zurückgewiesen wurden, noch zum Abbruch des Interviews oder der Vereinbarung eines Autorisierungsvorbehalts führten, LG Köln 14.8.2013 – 28 O 62/13; diff Karlsruhe GRUR-RR 2006, 419 – Kamerateam: die stillschw erteilte Einwilligung kann nur für die Verbreitung in einem Rahmen angenommen werden, der nicht in einem Missverhältnis zu der Bedeutung steht, die der Betroffene selbst der den Gegenstand der Filmaufnahme bildenden Thematik beilegt; eine über die erkennbaren Umstände bei der Herstellung der Filmaufnahmen hinausgehende Aufklärung über den genauen Inhalt der ausgestrahlten Sendung ist nach KG AfP 2016, 85 für die Wirksamkeit einer stillschweigenden Einwilligung jedoch nicht erforderlich). Grds gilt: Die Einwilligungserklärung muss umso eindeutiger sein, je gewichtiger der Eingriff als auch das betroffene Rechtsgut sind (Ohly, 339). Eine stillschweigende Einwilligung kann daher nicht angenommen werden, wenn der Betroffene überrumpelt wird und ihm Zweck, Art und Umfang der geplanten Sendung nicht bekannt sind, KG ZUM 2018, 191. Das Hochladen eines Fotos in einem sozialen Netzwerk stellt keine konkludente Einwilligung in die Weiterverbreitung des Bildes in einem anderen Kontext durch nicht zugriffsberechtigte Dritte dar (München GRUR-RR 2016, 304 Rn 19; OGH GRUR Int. 2016, 697); auch liegt durch die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung keine konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung herausgeschnittener Bilder einer Einzelperson vor, Frankfurt ZUM-RD 2016, 573 – Germany Stop Taji. Zur klauselmäßigen Einwilligung bei Bildnisrechten s Ernst AfP 2015, 401. c) Umfang und Reichweite – die Auslegung von Einwilligungserklärungen. Die Einwilligung ist ein empfangs- 232 bedürftiger Sozialakt, weshalb im Rahmen der Auslegung § 133 Bedeutung erlangt (Hamburg AfP 1981, 356). Die Auslegung dient der Ermittlung des wirklichen Willens des Einwilligenden und sichert dessen Selbstbestimmung. Grds hängt die Reichweite einer erteilten Einwilligung von der Art der Veröffentlichung ab, welche den unmittelbaren Anstoß für ihre Erteilung gegeben hat; ihr darüberhinausgehend Bedeutung für einen anderen Kontext beizulegen, ist nur bei Bestehen eines besonderen Interesses des Betroffenen möglich (BGH GRUR 2005, 74, 75 – Reitturnier mwN). Aus einer Einwilligung zur Nutzung von Fotos für Werbezwecke kann daher nicht auf eine Einwilligung im redaktionellen Bereich geschlossen werden, Frankfurt ZUM-RD 2020, 439, 440. Im privaten Bereich kann die Einwilligung grds beschränkt oder unbeschränkt erteilt werden (Beschränkungen sind etwa möglich in räumlicher oder zeitl Hinsicht oder im Hinblick auf einen bestimmten Zweck oder bestimmte Medien), BGH AfP 2016, 243, 245 – Beziehungsende. Bleiben Zweifel, kann zudem auf die urheberrechtl Zweckübertragungstheorie (§ 31 V UrhG, München AfP 2001, 135, 136 – Verehrer; Hamburg NJW 1996, 1151) sowie die im Datenschutzrecht anerkannte Zweckbindungslehre zurückgegriffen werden. Im Grds muss eine Einwilligung nach Treu und Glauben (Hamburg SpuRt 2010, 159 – Anti-Doping-Regelwerk) und im Zweifel eng ausgelegt werden (Dresden ZUM 2018, 538, 539 – Veröffentlichung eines Neugeborenen auf Krankenhausportal; LG Nürnberg-Fürth AfP 2009, 177; Einwilligung in eine „Rundumberichterstattung“ über Demonstration rechtfertigt daher bspw nicht Berichterstattung über polizeiliche Ermittlungen, Dresden ZUM-RD 2020, 28, 29). Erforderlich ist zudem Kenntnis von Umfang und Zweck der Einwilligung (im Bereich der Bildberichterstattung BGH NJW 1985, 1617, 1618f – Biologiebuch sowie Stuttgart NJW 1982, 652 – Nacktfoto; Hamburg AfP 1987, 703, 704 – Aids-Angst hinter Gittern; vgl Düsseldorf 3.6.2015 – 12 O 137/15; München GRUR-RR 528, 529 – Hetzer an den Pranger: Aus dem Umstand, dass ein Bildnis auf Facebook eingestellt wurde, kann nicht auf eine wirksame Einwilligung in eine Wiedergabe dieser Fotografie auf „www.bild.de“ geschlossen werden. „Wer ein Foto auf seinen Account bei einem Social Network hochlädt, ohne von möglichen Zugriffssperren Gebrauch zu machen, willigt nicht in die Weiterverbreitung des Fotos durch Dritte außerhalb des Kreises der zugriffsberechtigten Mitglieder des Netzwerks iRe gänzlich anderen Kontexts ein“.). Hierdurch lassen sich unbeschränkte Generaleinwilligungen ausschließen. Grds gilt, dass der sachliche, aber auch der zeitl Umfang einer Einwilligung als begrenzt anzusehen ist, denn nur so kann dem Bedürfnis nach Fort- und Weiterentwicklung der Persönlichkeit, den Wertanschauungen und Meinungen des Einzelnen Geltung verschafft werden (Oldenburg NJW 1983, 1202f; ebenso Soehring/Hoene, Presserecht, Rn 19.99). Die Reichweite einer Einwilligung ist daher im Einzelfall unter Beachtung aller Umstände der Einwilligungserteilung und unter Berücksichtigung der beteiKlass
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ligten Interessen zu bestimmen (vgl auch BGH NJW 2013, 790, 792 – Zulässige Verdachtsberichterstattung über Stasi-Tätigkeit; BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi; Anerkennung der Rspr des BGH, wonach mit der Einwilligung in frühere Aufnahmen keine generelle Öffnung ggü dem öffentlichen Interesse verbunden ist; BVerfG NJW-RR 2010, 1195, 1196 – Hanfpflanze: Eine Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren kann das APR stärker betreffen als eine von der Einwilligung umfasste Homestory). Zur konkludenten zeitl Begrenzung der Verwendung intimer Bild- und Filmaufnahmen für die Dauer einer Liebesbeziehung (Einwilligungswiderruf) s BGH GRUR 2016, 315; Tölle ZUM 2016, 363. 233 3. Widerruflichkeit. Eine isolierte, einseitig erklärte Einwilligung, die keinen schützenswerten Vertrauenstatbestand schafft, ist prinzipiell jederzeit widerrufbar (s auch gesetzl Normierungen in Spezialbereichen wie bspw § 8 II TPG, § 40 II AMG; unstr auch im Bereich ärztlicher Heileingriffe; s § 630d III sowie Ohly, Die Einwilligung im Privatrecht, 346ff; Kohte AcP 185, 105, 137 mwN; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 171). Ist die Einwilligung jedoch Bestandteil einer vertragl Vereinbarung, dient sie erkennbaren kommerziellen Interessen oder der Vermarktung einer Person, findet aufgrund der Spannungslage zw dem Selbstbestimmungsrecht auf der einen und Vertrauensschutzgesichtspunkten auf der anderen Seite nach überwiegender Meinung im Grundsatz § 130 I 1 Anwendung, und nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wird dem Einwilligenden ein Widerrufsrecht zugestanden (Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte 149f; Klass AfP 2005, 507, 515; Dasch, Einwilligung, 84ff; Helle AfP 1985, 93, 100). Für die Frage, wann ein wichtiger Grund vorliegt, kann der Rechtsgedanke der §§ 42 UrhG, 35 VerlG und § 122 fruchtbar gemacht werden, sodass sich eine Person bei einem grds Überzeugungswandel, der einen Bestand der Einwilligung nicht zumutbar erscheinen lässt, von einer Verpflichtung lösen kann (München AfP 1989, 570, 571; Frömming/Peters NJW 1996, 958, 959; Frankfurt ZUM-RD 2011, 408, 410 – Widerruf einer Einwilligung iSv § 22 KUG; Koblenz ZUM 2015, 58: Die Einwilligung in die Anfertigung intimer Lichtbilder kann wegen Unzumutbarkeit und bestehender Zweckbestimmung der Einwilligung nach Beziehungsende widerrufen werden. Düsseldorf 24.5.2011 – 20 U 39/11; LG Köln 14.8.2013 – 28 O 62/13: kein wichtiger Grund ist beim Misslingen eines Interviews und Stellen anderer als angekündigter Fragen gegeben; LG Nürnberg-Fürth AfP 2009, 177: Widerruf möglich, wenn Weiterverwendung infolge einer Wandlung der Persönlichkeit persönlichkeitsrechtsverletzend wäre; verneint im Fall der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 150; Soehring/Hoene Presserecht, Rn 19.101). Den Wandel der Persönlichkeit muss der Betroffene beweisen (LG Köln AfP 1996, 186). Dem Vertrauen des Adressaten in den Bestand der Einwilligung wird durch die Gewährung eines Anspruchs auf den eventuell erlittenen Vertrauensschaden analog § 122 Rechnung getragen (Klass AfP 2005, 507, 514; Dasch, Einwilligung, 87; Helle AfP 1985, 93, 101; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 150 ua; aA Frömming/Peters NJW 1996, 958, 959, die § 42 III UrhG analog anwenden wollen). Maßgeblich sind letztlich die Umstände des Einzelfalls, wobei insb die Bedeutung des betroffenen Rechtsguts, die jew Eingriffsintensität und die äußeren Umstände der Einwilligungserteilung in die Beurteilung einzustellen sind (vgl BAG ZUM 2015, 604, 606: Kein Widerrufsrecht eines ArbN im Fall einer wirksam erteilten Einwilligung allein aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern allg Darstellung des Unternehmens und keine Werbung speziell mit der Person des ArbN oder mit seiner Funktion im Unternehmen). Da die Dispositionsmacht über eigene Rechtsgüter nicht grds entzogen werden kann, ist ein Widerruf selbst dann möglich, wenn die Einwilligung unwiderruflich erteilt wurde (Klass AfP 2005, 507, 515; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 149f; Dasch, Einwilligung, 86). 234 4. Einwilligung Minderjähriger sowie Geschäftsunfähiger. Ein Minderjähriger kann im Grundsatz nicht wirksam über sein APR disponieren – vielmehr bedarf er hierzu der Einwilligung des gesetzl Vertreters, dh trotz des höchstpersönlichen Rechtsguts bleibt es grds bei der nach §§ 107ff vorgesehenen Entscheidungsbefugnis der gesetzl Vertreter (s AG Schwerin 30.11.2012 – 14 C 424/11 – Geldentschädigungsanspruch wegen fehlender Einwilligung des gesetzl Vertreters). Allerdings ist dem Minderjährigen, der die erforderliche Einsichtsfähigkeit und Verstandesreife besitzt, ein Mitspracherecht einzuräumen (ähnl auch BGH NJW 1974, 1947, 1950 – Nacktaufnahmen; Düsseldorf FamRZ 1984, 1221, 1222; aA Hamm JR 1999, 333f – Schwangerschaftsabbruch; Düsseldorf FamRZ 2010, 1854 – Fernsehfilm). Dieser kann folglich nicht gegen den Willen seiner Eltern eine Einwilligung zum Eingriff in sein APR erteilen, der gesetzl Vertreter kann dies jedoch auch nicht gegen den Willen des einsichtsfähigen Minderjährigen (Doppelzuständigkeit). Einsichtsfähigkeit liegt vor, sofern der Minderjährige sich seiner Stellung im sozialen Umfeld bewusst ist, dementspr seine Rolle und seine Selbstdarstellung nach außen autonom gestalten und er die Tragweite seiner Entscheidung beurteilen kann. IdR kann ab Vollendung des 14. Lebensjahres von Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden (LG Bielefeld NJW-RR 2008, 715 – Super Nanny mwN). Vereinzelt wurde die Einwilligung der gesetzl Vertreter jedoch auch gänzlich für entbehrlich gehalten (BGHZ 29, 33, 36; Heidenreich AfP 1970, 960ff; vgl auch Rspr zu den prozessualen Weigerungsrechten Karlsruhe FamRZ 1998, 563, 564 sowie FamRZ 1983, 742, 743). Einwilligungen Geschäftsunfähiger und Einwilligungen, die in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand erteilt wurden, sind unbeachtlich. Zur Einwilligung bei ärztl Heileingriffen s Nebendahl MedR 2009, 197. In diesen Fällen bedarf es im Fall der geteilten elterlichen Sorge zwar grds stets der Einwilligung beider Elternteile (BGH NJW 2010, 2430 – Zulässigkeit einer telefonischen Aufklärung des Patienten; NJW 2000, 1784 – Aufklärung bei Routineimpfung; NJW 1988, 2946 – Einwilligung beider Elternteile in Operation). Jedoch kann der eine Elternteil den anderen konkludent ermächtigen, die erforderliche Einwilligung in den ärztl Heileingriff für ihn zu erteilen (Stuttgart NJW-RR 2011, 747 – Ermächtigung der Mutter zur Einwilligung in die Operation eines Minderjährigen).
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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5. Willensmängel. Ob Fehlvorstellungen, die bereits bei der Entscheidungsfindung vorlagen, eine Anfechtungsmöglichkeit eröffnen, ob im Fall eines Anfechtungsrechts eine Erklärung zu erfolgen hat, oder ob die Einwilligung in derartigen Konstellationen ipso iure unwirksam ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Weitgehend anerkannt ist jedenfalls, dass einer Einigung, die Resultat einer widerrechtl Drohung oder arglistigen Täuschung ist, die Wirkung versagt bleiben muss. Nach überwiegender Ansicht sollten aber auch die Anfechtungsgründe des § 119 bei der Wirksamkeitsprüfung einer Einwilligung Beachtung finden (Kohte AcP 185, 105, 139; Klass AfP 2005, 507, 514; Frömming/Peters NJW 1996, 958, 959; Dasch, 79; BGH NJW 1964, 1177, plädiert für eine Anfechtungsoption im Fall eines „einfachen Irrtums“ – sei dieser jedoch so stark, dass die Willensbildung nicht mehr als Ausfluss der eigenen inneren Willensbildung aufgefasst werden könne, sei dies anders; für eine grds Möglichkeit der Anfechtung auch LG Bielefeld NJW-RR 2008, 715 – Super Nanny). Eine Anfechtung ist daher bspw möglich, wenn der Einwilligende über den Umfang und die Tragweite des Eingriffs irrt, wenn er also Fehlvorstellungen über den Kontext oder die Reichweite seiner Disposition unterliegt (vgl dazu LAG Rh-Pf ZUM 2013, 699 sowie Anm Oelkers GRUR-Prax 2013, 205 – Streit über Belegschaftsfoto im Internet). Eine Erstreckung auf Motivirrtümer erscheint jedoch nicht angebracht (zu Widerrufsoptionen s Rn 233). Da es sich bei der Einwilligung um einen empfangsbedürftigen Sozialakt handelt und Verkehrsschutzgesichtspunkte eine Rolle spielen, ist zudem eine Erklärung nach § 143 I zu verlangen, wobei die Klage eines Verletzten im Schadensersatzprozess oder einer anderen gerichtl Auseinandersetzung meist zugleich als Anfechtungserklärung angesehen werden kann. 6. Stellvertretung. Angesichts des höchstpersönl Charakters des APR wird eine Stellvertretung im Rahmen der Einwilligungserteilung zT grds für unzulässig erachtet (Kohte AcP 185, 105, 142); nach aA ist eine solche Autorisierung aber jedenfalls mit Blick auf die kommerziellen Komponenten des APR unproblematisch, denn diese stünden den der Regelung der §§ 164ff zugrunde liegenden vermögensrechtl Wertungen nahe (Dasch, 90; München NJW 2002, 305 – Talkshow, bejaht grds eine Stellvertretung mit Blick auf die Einwilligung nach § 22 S 1 KUG, im konkreten Fall handelte es sich jedoch um eine postmortale Konstellation, da es sich jedenfalls um eine rechtsgeschäftsähnl Erklärung handele). Im Erg ist mit Blick auf das konkret zur Disposition stehende Rechtsgut zu entscheiden. Einwilligungen, die sehr weitreichende Folgen für den sozialen Geltungsanspruch haben, oder die die körperl Integrität betreffen, sollten durch den Betroffenen selbst erklärt werden, während insb im Kontext der Vermarktung Prominenter die Willensbildung zu einem gewissen Maße auch delegiert werden kann (Klass AfP 2005, 507, 514; Ohly, 154ff). 7. Sittenwidrigkeit. Als Grenze der rechtfertigenden Einwilligung kann § 138 gelten, ob nun in analoger (BGHZ 67, 48, 51) oder direkter Anwendung (Zittelmann AcP 99, 1906, 1; Hubmann, 184). Die Sittenwidrigkeit kann sich dabei aus dem Inhalt der Einwilligung, dem Gesamtcharakter der Vereinbarung oder der konkreten Situation der Einwilligungserteilung ergeben. Wird der Einzelne zum Objekt eines anderen gemacht, wird gegen grundlegende Wertungen der Rechtsordnung verstoßen, wird eine überlegene Machtposition ausgenutzt oder liegt ein krasses Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung vor, erweist sich § 138 als notwendiges Instrument, um sowohl der Selbstbestimmung als auch anerkannten verfassungsrechtl Grundwerten Geltung zu verschaffen (s hierzu Hubmann, 184; Ohly, 445ff; Klass AfP 2005, 507; Kohte AcP 185, 105, 134; Frömming/Peters NJW 1996, 958). 8. Informierte Einwilligung. Im Vorfeld der Einwilligungserteilung zu weitreichenden Eingriffen in das APR ist zur Wahrung der Selbstbestimmung des Einzelnen die Vornahme einer Aufklärung zu fordern. Ziel dieser Aufklärung muss es sein, den Betroffenen mit allen für seine Entscheidung relevanten Informationen zu versorgen. Zweck der konkreten Informationspflichten, die sich nach dem jew Informationsbedarf, Umfang und Zweck der Einwilligung, der Möglichkeit der Informationsweitergabe aus Sicht des Pflichtigen sowie deren Angemessenheit richten, ist es, die Informations- und Entscheidungsbasis des Einwilligenden zu erweitern und ihm mögliche Risiken zu vergegenwärtigen (Breidenbach, Informationspflichten beim Vertragsschluss, 11; Ohly, 391, nennt als Kriterien für die Frage, ob dem Einwilligungsempfänger das Informationsrisiko aufzubürden ist: das Berufsbild des Einwilligungsempfängers, seinen Informationsvorsprung sowie die Natur des betroffenen Rechts und die Schwere des Eingriffs). Je wesentlicher die Information, je stärker der Kernbereich des APR betroffen ist, desto umfangreicher und genauer muss die Aufklärung ausfallen (so auch Castendyk in Götting/Schertz/Seitz, § 35 Rn 19). Nach Vorinformation kann zwar auf einzelne Aspekte der Aufklärung – auch durch schlüssiges Verhalten (Roßner NJW 1990, 2291, 2294) – verzichtet werden, nicht jedoch auf die Aufklärung im Ganzen. Informationspflichten haben allerdings nicht den Zweck, eine „vernünftige“ Entscheidung herbeizuführen. 9. Formulareinwilligung. Vorformulierte Einwilligungserteilungen unterliegen der AGB-Kontrolle (§§ 305ff). Die Kontrolle der Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsfreiheit ist bei Dispositionen über das APR erforderlich, um eine privatautonome Entscheidung des Einwilligenden sicherzustellen (Hollmann NJW 1978, 2332; BGH NJW 1986, 46; LG Hamburg ZIP 1982, 1313, 1314; Kohte AcP 185, 105, 129; Körner, FS Simitis, 2000, 132; Klass AfP 2005, 507; Ohly, 439ff). Zur klauselmäßigen Einwilligung bei Bildnisrechten, s Ernst AfP 2015, 401. III. Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 193 StGB. Der Rechtfertigungsgrund (zum Streit um die dogmatische Einordnung s Stollwerck in Götting/Schertz/Seitz, § 25 Rn 7ff) des § 193 StGB, der ursprünglich nur im Bereich der üblen Nachrede anwendbar war, wurde von der höchstrichterl Rspr auf die gesamte Rechtsordnung ausgedehnt (BVerfG NJW 2006, 207, 208 – Stolpe; NJW 1999, 1322, 1324 – Helnwein; BGH NJW-RR 1990, 1058, 1060 – Wünschelrute; Köln 6.11.2012 – 15 U 97/12; LG Düsseldorf 19.12.2012 – 12 O 512/12) und Klass
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gilt für den zivilrechtl Schutz der Ehre und des APR entspr. Im Rahmen der Güter- und Interessenabwägung ist daher zu prüfen, ob sich der Äußernde auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann. 241 § 193 StGB stellt eine notwendige Haftungsreduzierung insb für die Medien dar, solange diese sorgfältig handeln (Rn 242), und dient insofern dem ungestörten Kommunikationsprozess (BVerfG NJW 1999, 1322, 1324 – Helnwein). Haben die Medien zum Zeitpunkt der Äußerung an die Wahrheit geglaubt und die ihnen obliegenden journalistischen Sorgfaltspflichten beachtet, so können sie sich auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, selbst wenn sich nach der Veröffentlichung die Unwahrheit der aufgestellten Behauptung herausstellt; erforderlichenfalls sind die Tatsachen zu beweisen, aus denen sich das berechtigte Interesse ergibt (Leipold, FS Hubmann, 271). Die Wahrnehmung berechtigter Interessen iSd § 193 StGB durch die Medien wird dabei nicht nur bejaht, wenn diese im Rahmen ihrer Aufgaben die Öffentlichkeit unterrichten, Kritik üben (BGH NJW 2014, 2029 Rn 29 – Sächsische Korruptionsaffäre) oder sich an der öffentl Auseinandersetzung über gesellschaftl oder politisch relevante Fragen beteiligen (EGMR AfP 2016, 137, 139; BVerfG NJW 1995, 3303, 3304 – Soldaten sind Mörder IV). Vielmehr wird im Einzelfall auch die Berichterstattung über wirtschaftl Ereignisse (BGH NJW 1993, 525 – Ketten-Mafia; NJW 1966, 2010 – Teppichkehrmaschine) sowie über Ereignisse aus dem Unterhaltungsbereich (Damm/Rehbock Rn 653i; BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM) erfasst. Ebenfalls muss das verfolgte Interesse kein eigenes Interesse des Angreifers sein (BVerfGE 12, 113, 125 – Schmid/ Spiegel; BVerfG NJW 1995, 3303, 3304 – Soldaten sind Mörder IV; BGH NJW 1961, 819 – Schmid; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller). 242 Die Risikoverteilung des § 193 StGB führt zu einer Umkehr der Beweislast, wenn sich die Medien darauf berufen können, in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt zu haben: der Betroffene muss die Unwahrheit beweisen (Saarbrücken NJW-RR 2010, 346, 347; BGH NJW 1993, 525, 527 – Ketten-Mafia; NJW 1998, 3047, 3049 – Stolpe; Hager AcP 196, 168, 188; zur Beweislast auch BGH NJW 1974, 1710, 1711; LG Berlin ZUM-RD 2009, 396, 401 – Jopie Heesters). Jedoch trägt der Äußernde die erweiterte Darlegungslast, dass er bei seinen Recherchen die je nach Seriosität der Informationsquelle, Aufklärungsmöglichkeiten, Intensität des Eingriffs und Informationsinteresse der Öffentlichkeit unterschiedl strengen materiellen Sorgfaltspflichten erfüllt hat. Die Sorgfaltspflichten richten sich nach den Aufklärungsmöglichkeiten; sie sind angesichts der erhebl Breitenwirkung sowie des erhebl Einflusses der Medien („pressemäßige Sorgfalt“, vgl bspw § 6 Landespressegesetz NRW: „Die Presse hat alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen“) strenger als für Private (BVerfG NJW 2003, 1855, 1856; NJW 1999, 1322, 1324 – Helnwein; NJW 2000, 1209, 1210 – Junge Freiheit; BGH ZUM-RD 2016, 494; LG Köln ZUM-RD 2005, 351, 353 – Hassprediger; s auch BVerfG NJW 1992, 1439, 1442 – Laienprivileg: zur Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen durch einen Verein via Flugblatt). Dabei gilt: Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen (BVerfG NJW-RR 2010, 470, 472 – Presseschau; BGH NJW 2014, 2029 Rn 29 – Sächsische Korruptionsaffäre; GRUR 2015, 96, 98). Verneint wird das Vorliegen pressemäßiger Sorgfalt, wenn der Äußernde seine Behauptung nur auf nachteilige Anhaltspunkte stützt und verschweigt, was gegen die Richtigkeit seiner Behauptungen spricht (BVerfG NJW 2006, 207, 210 – Stolpe). Allerdings dürfen die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt im Interesse eines möglichst freien Kommunikationsprozesses nicht überspannt werden (Köln NJW-RR 2002, 1341, 1344; BVerfG NJW 1999, 1322, 1324 – Helnwein; NJW 2000, 1209, 1210 – Junge Freiheit). Insb ist keine Nachrecherche bei der Wiedergabe von Meldungen sog privilegierter Quellen (s auch Rn 243 sowie 165) erforderlich. So sollen Meldungen anerkannter Agenturen (dpa) idR keiner Nachprüfung bedürfen, sog Agenturprivileg (LG Köln 27.3.2013 – 28 O 514/12), zumindest sofern die praktischen Möglichkeiten zu ihrer Überprüfung im Rahmen des Zumutbaren genutzt werden (BVerfG NJW 2004, 590), weshalb für Presseagenturen grds dieselben Sorgfaltspflichten gelten wie für andere Presseunternehmen (BVerfG NJW 2004, 589 – Schröders Haarfarbe). 243 Entspr soll für Presseerklärungen der Justiz oder andere amtl Verlautbarungen gelten (Hamburg 15.7.2014 – 7 U 75/11; Köln 23.2.2015 – 15 U 219/14; Karlsruhe NJW-RR 1993, 732; zum berechtigten Vertrauen auf amtl Mitteilungen und zur Qualifizierung staatsanwaltschaftl Verlautbarungen als privilegierte Quelle vgl Rn 165; zu Verlautbarungen eines Bundesbeauftragten s BGH NJW 2013, 790 – Zulässige Verdachtsberichterstattung über Stasi-Tätigkeit; Lehr NJW 2013, 728, 731); ggf genügt auch der Verweis auf unwidersprochene Pressemitteilungen, sofern diese zur Stützung der Behauptung geeignet sind (BVerfG NJW 2006, 207, 210 – Stolpe; s auch BVerfG NJW 1992, 1439, 1442 – Laienprivileg) – auch hier gilt: je seriöser die Quelle, desto geringer ist die Pflicht zur journalistischen Sorgfalt. Bei konkreten Zweifeln an der Richtigkeit der Meldung oder bei einem „Äußerungsexzess“ (Lehr in Müller/Schlothauer/Knauer, MAH Strafverteidigung, § 21 Rn 25ff) kann jedoch im Einzelfall eine Ausnahme bestehen (KG NJW-RR 2008, 356; s auch BVerfG NJW-RR 2010, 1195, 1197 – Hanfpflanze). Bei der Bewertung des erforderlichen Maßes an Sorgfalt sind neben der Relevanz der Nachricht sowie der Art und Schwere des Vorwurfs auch das pressemäßige Erfordernis der Aktualität (BGH NJW 1977, 1288 – Abgeordneten-Bestechung) sowie der oftmals bestehende Zeitdruck (zum Aktualitätsdruck BVerfG NJW 2004, 589 – Schröders Haarfarbe) zu berücksichtigen. Die Medien dürfen sich zudem auf Pressemitteilungen eines Unternehmens über Interna verlassen; eine Nachfrage ist insofern grds entbehrlich (LG Berlin ZUM-RD 2008, 555, 556 – Apotheker Zeitung). Bei unseriösen oder anonymen Quellen ist jedoch besondere Sorgfalt geboten, insb genügt es nicht, wenn darauf hingewiesen wird, dass für den Informanten keine Gewähr übernommen werde (BGHZ 68, 331 – Abgeordneten-Bestechung). Mangelt es an der im Einzelfall erforderlichen Sorgfalt, so entfällt 106
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB; der Einwand, auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Unwahrheit nicht erkannt werden können (rechtmäßiges Alternativverhalten), ist grds nicht zulässig (Erman/Ehmann12 Rn 54). Nicht gedeckt – weder von der Meinungsfreiheit noch von § 193 StGB – ist ebenfalls die Schmähkritik (vgl Rn 254). IV. Kommunikationsfreiheiten und Allgemeines Persönlichkeitsrecht, insb Ehrenschutz. 1. Schutz durch 244 die Kommunikationsfreiheiten. Dem Interesse am Schutz der Persönlichkeit steht oftmals das Interesse an der Freiheit der Kommunikation ggü. Aufgrund des Rahmencharakters des APR und des in diesen Konstellationen bestehenden Konflikts zw zwei verfassungsrechtl geschützten Gütern besonderen Ranges kann die Frage, ob und inwieweit eine rechtswidrige Verletzung des APR vorliegt, idR nur aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall beantwortet werden. Diese muss sowohl der wertsetzenden Bedeutung der Grundrechte, insb der herausgehobenen Stellung der Kommunikationsfreiheiten des Art 5 I GG, Rechnung tragen als auch die besonderen Umstände der (Erst-)Verletzungshandlung berücksichtigen (BGH ZUM 2021, 1037 – Betrieb eines Blogs als Nötigungsmittel: gezielter Einsatz einer Veröffentlichung als Nötigungsmittel im Rahmen einer Erpressung kann zur Rechtswidrigkeit der mit dem Betrieb verbundenen Beeinträchtigung des APR führen). Die Meinungsfreiheit gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wird zu Recht zu den „vornehmsten Menschenrechten“ (BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth; Jarass/Pieroth Art 5 GG Rn 2) gerechnet. Es ist in gewissem Sinne „Grundlage jeder Freiheit überhaupt“ (BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth), denn die Freiheit der Meinungsäußerung ist Voraussetzung dafür, dass sich der Einzelne als soziale Person in Freiheit entwickeln und sich eine eigene Meinung zu wesentlichen Fragen bilden kann (BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen mwN; EGMR NJW 2006, 1645, 1647 Rn 71 – Das blinde Auge der Polizei). Die Meinungsfreiheit wird insofern sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen als auch im Interesse des demokratischen Prozesses, für den sie konstitutive Bedeutung hat, gewährleistet (BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth; 35, 202, 221 – Lebach; 61, 1, 7 – NPD Europas). Grds soll jeder frei sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urt angibt oder angeben kann (BGH NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung; BVerfGE 61, 1, 7 – NPD Europas ua). Schutzgut des Grundrechts ist nicht die Äußerung an sich, sondern die Meinungsäußerung (Grimm NJW 1995, 1697, 1698), welche stets weit zu verstehen ist. Meinungen sind grds durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder der Beurteilung geprägt (BVerfGE 61, 1, 9 – NPD Europas; 71, 162, 179 – Arztwerbung) – sie unterscheiden sich durch ihren subj Bezug, der zw dem sich Äußernden und der Aussage besteht, von Tatsachenbehauptungen, die ihrerseits durch eine obj Beziehung zw Aussage und Realität gekennzeichnet sind (zur Abgrenzung anhand des Merkmals der Beweisbarkeit auch Rn 101). Tatsachenbehauptungen werden im Gegensatz zu Meinungsäußerungen jedoch nur von Art 5 I 1 Hs 1 GG erfasst, soweit sie wahr und Voraussetzung für das Bilden von Meinungen oder mit Werturteilen verbunden sind – erwiesene oder bewusst unwahre Tatsachen sowie unrichtige Zitate fallen von vornherein aus dem Schutzbereich heraus (statt vieler BVerfGE 61, 1, 7 – NPD Europas; 90, 241, 247 – Auschwitzlüge; s auch Rn 100). Geschützt ist jede Form der Meinungsäußerung – die in Art 5 I 1 Hs 1 GG ausdrückl genannten Äußerungsfor- 245 men haben nur beispielhaften Charakter (Dürig/Herzog/Scholz/Grabenwarter Art 5 GG Rn 47). Ebenfalls geschützt ist die Wahl von Ort und Zeit einer Äußerung – der Äußernde kann sich mithin diejenigen Umstände suchen, „von denen er sich die größte Verbreitung oder die stärkste Wirkung seiner Meinungsäußerung verspricht“ (BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV). Auch die verletzende und polemische Formulierung einer Aussage entzieht diese grds nicht dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit (BVerfG NJW 2019, 2600). Ebenfalls geschützt sind nach der bisherigen Rspr anonyme Meinungsäußerungen (BVerfGE 95, 28; vgl auch BGH NJW 2009, 2888, 2892f – spick-mich; s hierzu ausf Rn 103a; ähnl auch Hamm ZUM-RD 2011, 684; Hamburg CR 2012, 183, 185; Frankfurt NJW 2012, 2896, 2897). Allerdings sollten diese vor dem Hintergrund ihres geringeren Maßes an Authentizität und Glaubhaftigkeit (so auch Dürig/Herzog/Scholz/Grabenwarter Art 5 GG Rn 86; BVerfG ZUM 1998, 561, 563) sowie mit Blick darauf, dass sie weniger geeignet sind, gemeinschaftl Kommunikationsprozesse anzustoßen, da ihre Wirkkraft geringer ist und sich kein Kommunikationspartner ausmachen lässt, im Rahmen der Abwägung weniger starkes Gewicht erfahren, jedenfalls soweit ansonsten kein „chilling effect“ zu erwarten ist (bspw in Unter- bzw Überordnungsverhältnissen und Situationen, in denen eine spezifische Gefahr der Selbstzensur oder von Repressalien besteht); ähnl auch Bernreuther AfP 2011, 218; Greve/Schärdel MMR 2008, 644, 648f; Wiese JZ 2011, 608, 612ff; Ziegelmayer GRUR 2012, 761, 765. Vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst ist auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen (zuletzt BGH NJW 2018, 2877, 2880 – Bio-Hühnerstall, s hierzu auch NJW 2015, 782, 784 – Finanzminister sowie Stuttgart BeckRS 2015, 12149 – Leiharbeiter), denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Grundrechtsschutz von vornherein auch in Fällen entfiele, in denen es seiner bedarf (BVerfGE 66, 116, 138f – Wallraff); zur Funktion der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ gehört es gerade, auf Missstände von öffentl Bedeutung hinzuweisen, wobei die Funktion der Presse nicht auf die Aufdeckung von Straftaten und Rechtsbrüchen beschränkt ist. Zu den Abwägungsmaßstäben im Fall eines Konflikts mit Persönlichkeitsinteressen vgl Rn 250a. Zu den Auswirkungen des GeschGehG auf den investigativen Journalismus s Alexander AfP 2019, 1ff. Die Pressefreiheit wird ebenso wie die Meinungsfreiheit sowohl als Individualgrundrecht, das der individuellen 245a Meinungsbildung des Einzelnen dient, als auch als Kollektivgrundrecht, das der freien Meinungsbildung in der Gesellschaft dient und damit Grundvoraussetzung eines demokratischen Systems ist, geschützt (dazu BVerfGE Klass
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57, 295, 319 – Privatfunk Saarland; NJW 2000, 1021 – CvM). Unter den Begriff Presse fallen nicht nur periodische Presseerzeugnisse wie Zeitungen und Zeitschriften, sondern alle für die Allgemeinheit bestimmten (auch nicht periodischen) Druckerzeugnisse wie Bücher, Plakate, Flugblätter, Handzettel ua (BVerfGE 10, 118, 121; 20, 162, 175 – Spiegel; 85, 1, 12 – Kritische Bayer-Aktionäre). Geschützt ist jede Form der Presseberichterstattung, insb findet keine Begrenzung auf die „seriöse Presse“ statt – Pressefreiheit gilt für alle Presseerzeugnisse ohne Rücksicht auf den Wert der verbreiteten Informationen (auch Werkszeitungen sind geschützt, BVerfG NJW 1997, 386) und somit auch für Unterhaltungs-, Skandal- und Sensationsblätter (BVerfG NJW 1998, 1627 – Kurzberichterstattung im Fernsehen; NJW 2000, 1021 – CvM; NJW 2006, 2836 – Luftbildaufnahme einer Prominentenvilla; Rehm AfP 1999, 416). Der Inhalt und die Form der Berichterstattung können jedoch im Rahmen des Abwägungsprozesses Bedeutung erlangen (BVerfGE 34, 269 – Soraya; vgl auch EGMR NJW 2004, 2647 – CvH/ Deutschland I, der die Gleichwertigkeit aller Presseberichterstattungen infrage stellt, s hierzu Rn 40; krit insofern KG NJW 2005, 2320 in Anlehnung an Mann NJW 2004, 3220). Ebenfalls in den Schutzbereich der Pressefreiheit fällt die Tätigkeit von Presseagenturen, welche Unterhaltungszwecken dienende Bilder zur Veröffentlichung in den Medien bereitstellen (BVerfG NJW 2006, 2836 – Luftbildaufnahme einer Prominentenvilla) sowie der Anzeigenteil eines Presseorgans (BVerfGE 21, 271, 278 – Südkurier; 64, 108, 114 – Anzeigenaufnahme; BVerfG NJW 2001, 591 – Benetton und BVerfGE 107, 275 – Benetton II m Anm Lange JZ 2003, 624; dazu Ahrens JZ 2004, 763); selbst reine Anzeigenblätter werden erfasst (Köln NJW 1984, 1121). Geschützt ist die Verbreitung von Tatsachen und Meinungen einschl der Form der Darstellung, daher bspw freie Entscheidung über die äußere Darbietung der Beiträge sowie ihre Platzierung, BVerfG ZUM 2021, 345, 346 – JBK-Steuersparmodell; BGHZ 31, 308, 314 – Abgeordneten-Bestechung. Ebenfalls geschützt ist die negative Pressefreiheit, verstanden als Freiheit, etwas nicht zu berichten (BGH NJW 1972, 431 – Freispruch; diese Freiheit findet jedoch im Widerrufs- und Gegendarstellungsrecht ihre Grenze). Geschützt sind alle für die Presseveröffentlichung erforderlichen Tätigkeiten – von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung (BVerfGE 43, 130, 137; 71, 162 – Autobiographie eines Chefarztes; 85, 1, 13 – Kritische Bayer-Aktionäre). Besonderen Schutz erfahren hierbei die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit (BVerfGE 20, 162, 187 – Spiegel; 66, 116, 133 – Wallraff; 85, 1, 12 – Kritische Bayer-Aktionäre) sowie das Verhältnis der Presse zu ihren Informanten (BVerfG NJW 2002, 592 – Handy-Überwachung I; NJW 2003, 1787 – Handy-Überwachung II). 246 Soweit es um das Verhältnis zum Ehren- und Persönlichkeitsrechtsschutz geht, ist die Rundfunkfreiheit der Pressefreiheit weitgehend gleichzustellen. Sie gilt für Sendungen jeglicher Art, denn Information und Meinung können sowohl durch ein Fernsehspiel oder eine Musiksendung als auch durch Nachrichten oder politische Kommentare vermittelt werden (BVerfG NJW 1973, 1226, 1228 – Lebach I); auch die Unterhaltung gehört zum klassischen Rundfunkauftrag, wie er sich aus Art 5 I 2 GG ergibt. Das Verbot einer Sendung ist daher stets ein erhebl Eingriff in das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (BVerfG NJW 2000, 1859, 1861 – Lebach II; LG Koblenz NJW 2007, 695, 696 – Gäfgen), der entspr gerechtfertigt werden muss. 247 Zum Verhältnis zur Meinungsfreiheit ist festzustellen: Steht die Zulässigkeit einer Äußerung infrage, so streitet unabhängig von der Art des Verbreitungsmediums in erster Linie die Meinungsfreiheit für die Zulässigkeit der Äußerung (BVerfGE 85, 1, 12 – Kritische Bayer-Aktionäre; BVerfG NJW 2004, 277, 278; NJW 2004, 589 – Schröders Haarfarbe mwN). Die Pressefreiheit ist kein „Spezialgrundrecht für drucktechnisch verbreitete Meinungen“, vielmehr geht es bei der Pressefreiheit um die, einzelne Meinungsäußerungen übersteigende, Bedeutung der Presse für die freie individuelle und öffentl Meinungsbildung (BVerfGE 85, 1 – Kritische Bayer-Aktionäre). Die Pressefreiheit dient mithin primär dem Schutz der im Bereich der Presse tätigen Personen bei Ausübung ihrer Funktion, der Presse als Institution sowie des Presseerzeugnisses selbst sowie seiner institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen (BVerfGE 85, 1 – Kritische Bayer-Aktionäre). Gleiches gilt für die Rundfunkfreiheit (BVerfGE 97, 391 – Missbrauch). Jedoch spricht viel dafür, auch bei der Bewertung einer Äußerung eine gewisse Verstärkung durch Presse- und Rundfunkfreiheit zu akzeptieren, soweit diese aufgrund ihrer besonderen Rolle für die demokratische Ordnung stärkeren Schutz gewähren, und sei es nur aufgrund der Tatsache, dass für die in den Medien verbreitete Meinung die Vermutung spricht, dass sie der öffentl Meinungsbildung und nicht individuellen und wirtschaftl Interessen dient (so zu Recht Erman/ Ehmann12 Rn 64; dazu BVerfG NJW 2004, 589, 590 – Schröders Haarfarbe mwN). 248 2. Ehrenschutz als Schranke der Kommunikationsfreiheiten. Die wichtigsten Schranken für das Grundrecht aus Art 5 I 1 Hs 1 GG sind in Art 5 II GG normiert. Danach findet die Meinungsfreiheit ihre Beschränkung in den Vorschriften der allg Gesetze, den gesetzl Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönl Ehre. Das Verhältnis der drei genannten Schranken ist aufgrund der Rspr des BVerfG nahezu bedeutungslos – insb das Recht der persönlichen Ehre wird idR unter die Schranke der allg Gesetze gefasst und verliert nach Ansicht einiger Autoren somit seine eigenständige Bedeutung (Dreier/Schulze-Fielitz Art 5 GG Rn 120; krit Schmitt-Glaeser JZ 1983, 95, 99f; Epping/Hillgruber Art 5 GG Rn 111). Unabhängig von der dogmatischen Verortung bildet das Persönlichkeitsrecht des von einer Äußerung oder Berichterstattung Betroffenen jedenfalls als zivilrechtl Ehrenschutzregelung eine Schranke der Meinungsfreiheit. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit muss zurücktreten, wenn schutzwürdige Belange eines anderen von höherem Rang verletzt werden – ob dies der Fall ist und überwiegende Interessen vorliegen, ist dabei aufgrund der Umstände des konkreten Falls zu ermitteln (st Rspr seit BVerfGE 7, 198, 210f – Lüth). Im Erg findet eine Einzelfallabwägung statt, wobei nach der Rspr des BVerfG die jew Schranke unter Beachtung der wertsetzenden Bedeutung des Art 5 I GG ausgelegt und angewendet werden muss (sog Wechselwirkungslehre, BVerfGE 7, 198, 210f – Lüth). 108
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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3. Vorgaben für die Interessenabwägung. a) Wechselwirkungslehre: Die dreifache Berücksichtigung. Nach der im Lüth-Urt (BVerfGE 7, 198, 208f) begründeten Wechselwirkungslehre (Schranken-Schranke), die zunächst nur für die Schranke der allg Gesetze entwickelt und später auch auf das Verhältnis von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz übertragen wurde, muss bei einer Kollision dieser beiden Rechtsgüter das Recht der Ehre seinerseits wieder im Lichte der Bedeutung der Meinungsfreiheit bestimmt und in seiner diese beschränkenden Wirkung entspr eingeschränkt werden. Die Wertungen des Art 5 I 1 Hs 1 GG sind dabei nach der Rspr des BVerfG in dreifacher Hinsicht zu beachten: Erstens beim Verständnis der Äußerung, zweitens bei der Auslegung der einschlägigen Schrankenbestimmung und drittens bei der Abwägung der kollidierenden Interessen und Rechtspositionen (Grimm NJW 1995, 1697, 1700f). Jedoch ist die Anwendung der Wechselwirkungslehre beim Ehrenschutz nicht unproblematisch, denn sie führt zu einer gewissen Relativierung des Ehrenschutzes, obwohl es sich bei diesem nicht um ein beliebiges Rechtsgut des einfachen Rechts, sondern um ein in Art 5 II GG explizit als eigene Schranke genanntes Rechtsgut mit Verfassungsrang handelt, welches sogar in Art 1 GG wurzelt. Aus diesem Grund wird an der Wechselwirkungslehre Kritik geübt (s hierzu ausf Erman/Ehmann12 Rn 69). Insb wird vorgebracht, dass eine Übertragung der Grundsätze auf den Ehrenschutz (BVerfGE 12, 113, 125 – Schmid/ Spiegel) zu einer Zeit stattgefunden habe, als die Ehre noch nicht unter dem grundrechtl Schutz der Art 2 I iVm Art 1 I GG stehend angesehen wurde; dabei sei verkannt worden, dass durch Art 5 II GG die Meinungsfreiheit ausdrückl unter den Vorbehalt allg Gesetze und der persönl Ehre gestellt wurde, was einer doppelten Einschränkung der Ehre „im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit“ auf der „2. Ebene der Normauslegung“ entgegenstehe, Erman/Ehmann12 Rn 69. Das BVerfG hält jedoch trotz dieser Kritik an seiner Rspr fest (s bspw BVerfGE 65, 157, 172f). b) Kommunikationszusammenhang, insb. Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen. Entscheidend für die einzelfallbezogene Abwägung sowohl auf der Grundlage einer generellen Betrachtung des Stellenwertes der betroffenen Grundrechtsposition als auch unter Berücksichtigung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ist zudem der Kommunikationszusammenhang und mithin die Frage nach Anlass und Ort der Äußerung, Reaktion und Gegenreaktion, sonstigen Begleitumständen sowie dem primären Zweck der Aussage (Tettinger JZ 1983, 317, 321). Beiträge in einer die Öffentlichkeit wesentl berührenden Frage genießen bspw nach der Rspr des BVerfG stärkeren Schutz als Äußerungen, die lediglich der Verfolgung wirtschaftl oder privater Zwecke bzw Interessen dienen (s statt vieler BVerfGE 82, 272, 281 – Zwangsdemokrat sowie Karlsruhe ZUM 2015, 400: im Rahmen der politischen Diskussion sind auch polemische, einprägsame und unsubstantiierte Formeln zulässig), denn wenn eine Person einen Beitrag zur Bildung der öffentl Meinung leisten will, sind Auswirkungen auf den Rechtskreis Dritter zwar zT unvermeidliche Folge, aber nicht das eigentliche Ziel der Äußerung (BVerfG NJW 1983, 1415, 1416). Zur Bedeutung des Umfangs der Äußerung (illustrierende Bedeutung) im Rahmen der Abwägung (BVerfG NJW 2012, 756 – CvH). Bei der Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen ist iRd Abwägung maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Veröffentlichungen und auf das Mittel abzustellen, mit dem der Zweck verfolgt wird. Dabei kommt dem Grundrecht der Meinungsfreiheit umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt, BGH NJW 2018, 2877, 2880 – Bio-Hühnerstall. Bei der Bewertung des Mittels ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass ein nicht unerheblicher Unterschied im Unrechtsgehalt besteht, je nachdem, ob der Publizierende sich die Information widerrechtl in der Absicht verschafft, sie gegen den Betroffenen zu verwerten, oder ob er aus dem erkannten Rechtsbruch lediglich Nutzen zieht. Daher ist mit Blick auf die Art der Informationserlangung zwischen dem vorsätzlichen Rechtsbruch und der bloßen Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information zu differenzieren (BGH NJW 2018, 2877, 2880 – Bio-Hühnerstall; NJW 2015, 782, 785 – Finanzminister). Hat sich der Publizierende die Informationen widerrechtl durch Täuschung in der Absicht verschafft, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, so hat die Veröffentlichung grds zu unterbleiben, es sei denn, die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung überwiegen eindeutig die Nachteile, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich zieht. Dies ist idR zu verneinen, wenn die Informationen Zustände oder Verhaltensweisen offenbaren, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind (BGH NJW 2018, 2877, 2880 – Bio-Hühnerstall, NJW 2015, 782, 784 – Finanzminister; s hierzu Hamburg ZUM-RD 2019, 320, 323 – Team Wallraff: Veröffentlichung von durch Täuschung widerrechtl beschafftem Filmmaterial zulässig, obwohl die berichteten Zustände nicht rechtswidrig waren, Arg: überragendes Infromationsinteresse, da Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit betroffen). c) Recht zum Gegenschlag. Wer im Meinungskampf deutlich Stellung bezieht, muss damit rechnen, dass sich andere mit ihm und seiner Meinung auseinandersetzen, und dass die Reaktion im Einzelfall auch hart oder überzogen ausfällt. Er muss daher eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (BVerfG ZUM-RD 2022, 129, 132 – Bezeichnung eines Sängers als Antisemit; BVerfG AfP 2016, 240, 242 – Es war aber so; BVerfGE 12, 113, 131 – Schmid/Spiegel, Publizistik, die auf dem Gebiet der Politik das ist, was Pornographie auf dem Gebiet der Moral; 54, 129, 138 – Kunstkritik). Allerdings ergibt sich hieraus kein Recht zur permanenten Steigerung ehrverletzender Formen der Kritik (BGH NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung; Staudinger/Hager § 823 Rn C 109). Menschenwürdeverletzende Äußerungen sind daher auch als Gegenschlag nicht gerechtfertigt (BVerfG NJW 1992, 2013, 2014 – Nazi; BayObLG AfP 2002, 221 – Zigeunerjude; AG Weinheim NJW 1994, 1543 – Altkommunist im Geiste des massenmörders Stalin); sehr weitgehend daher die EntKlass
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Personen
scheidung BVerfGE 54, 129, 138 – Kunstkritik (Qualifizierung einer Bezeichnung eines Kunstkritikers als „bornierten Oberlehrer“ und „dialektischen Gartenzwerg“, der von „Verfolgungswahn“ genährt „Pogromstimmung“ erzeugt habe, als zulässige Meinungsäußerung). 251a d) Meinungsäußerungsfreiheit im Kampf ums Recht s BVerfG NJW 2020, 2622, 2627 – Beleidigung von Justizpersonen; NJW-RR 2012, 1002; NJW 2014, 3357 – Äußerung ggü Richter: Um die eigene Rechtsposition zu unterstreichen, sind auch starke und eindringliche Ausdrücke sowie plastische Darstellungen der eigenen Position erlaubt (Protest gegen das „schäbige, rechtswidrige und unwürdige Verhalten eines Richters“); BVerfG 28.9.2015 – 1 BvR 3217/14: ohne jedes Wort auf die Waagschale zu legen; zum Recht auf Gegenschlag bei Äußerungen über den Ausgang eines strafrechtl Gerichtsverfahrens s Köln AfP 2013, 144 sowie bei diffamierender Erstäußerung BVerfG AfP 2016, 240. Zur Kritik an der Verhandlungsführung einer Richterin BVerfG NJW 2019, 2600. Zum Äußerungsprivileg in gerichtl Verfahren s ausf Rn 271ff. 251b e) Das besondere Schutzbedürfnis der Machtkritik und die demokratisch-funktionale Dimension des APR. Ebenso ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit „aus dem besonderen Bedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet“. Teil dieser Freiheit ist es, in durchaus anklagender und personalisierter Form die Machtausübung kritisieren zu können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente aus dem Kontext gelöst und zur Grundlage einer gerichtlichen Sanktion gemacht werden (BVerfG NJW 2022, 680, 683 – Künast; KG GRUR 2022, 1853, 1854 – Künast; NJW 2021, 301 Rn 30; s auch BVerfG ZUM 2021, 45: „Solange in Düsseldorf eine rote Null als Genosse Finanzministerdarsteller dilettiert“: Bürger dürfen ggü Amtsträgern harsche Fundamentalkritik üben). Auch der EGMR betont in st Rspr, dass die Grenzen zulässiger Kritik an Politikerinnen und Politikern weiter zu ziehen sind als bei Privatpersonen, s bspw EGMR NJW 1987, 2143, 2144 – Lingens. Grds ist jedoch stets zw Personen, die freiwillig in die Öffentlichkeit treten und jenen, die als staatl Amtswalter ohne ihr besonderes Zutun Bürgerkontakt haben, zu differenzieren, BVerfG NJW 2020, 2622, 2626 – Beleidigung von Justizpersonen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass dem APR nach jüngster Rspr auch eine demokratisch-funktionale Dimension zukommt: Denn ein wirksamer Persönlichkeitsrechtsschutz dient über den individuellen Schutz des Betroffenen hinaus auch dem Gemeinwohl (BVerfG ZUM 2020, 58, 72 Rn 108 – Recht auf Vergessen). So liegt nach Ansicht des BVerfG insb mit Blick auf den Kommunikationsraum Internet ein „wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann“, BVerfG NJW 2022, 680, 683 – Künast. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft können nur erwartet werden kann, „wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist“, BVerfG NJW 2022, 680, 683 – Künast; s auch schon ZUM 2020, 58, 72 Rn 108 – Recht auf Vergessen. 252 f) Vermutung für die freie, spontane und emotionalisierte Rede. Nach st Rspr des BVerfG (BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth) streitet bei einer die Öffentlichkeit wesentl berührenden Frage eine Vermutung für die freie und spontane Rede, die auch pointierte, polemische und überspitzte Charakterisierungen erlaubt (Brandenburg NJW-RR 2007, 1641, 1642 – Hassprediger; s auch Saarbrücken AfP 2010, 493; BGH AfP 2010, 252 – Jagdfeindliche Sekte). Dies sei erforderlich, da andernfalls die „Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses“ drohe (BVerfGE 60, 234, 241 – Kredithai; 82, 272, 282 – Zwangsdemokrat; 54, 129, 139 – Kunstkritik: „Spontaneität freier Rede (…) ist Voraussetzung der Kraft und der Vielfalt der öffentl Diskussion“). Die Meinungsfreiheit kann dabei auch nicht auf ein „rein funktionales Verständnis zur Förderung einer öffentl Debatte mit Gemeinbezug reduziert werden“, vielmehr ist sie auch „um ihrer Privatnützigkeit willen gewährleistet und umfasst nicht zuletzt die Freiheit, die persönl Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subj Emotionalität in die Welt zu tragen“, BVerfG K&R 2016, 403, 404 – Opfer-Äußerungen. Eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentl Kritik in politischen Auseinandersetzungen überhöhte Anforderungen stellt, ist daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (BVerfGE 54, 129, 137 – Kunstkritik; 82, 272, 282 – Zwangsdemokrat). Die Vermutungsregel begründet allerdings keinen generellen Vorrang der Meinungsäußerungsfreiheit ggü dem Persönlichkeitsrechtsschutz (BVerfG NJW 2020, 2631, 2632 – Beleidigung eines Politikers; NJW 2020, 2622 – Beleidigung von Justizpersonen; NJW 2020, 2629 – Beleidigung einer Amtsperson). Zudem ist zu beachten, dass dem APR nach der jüngsten Rspr ebenfalls eine den individuellen Rechtsschutz übersteigende Funktion im öffentlichen Interesse zukommt, die einen sog chilling effect auch beim APR verhindern soll; hiermit ist in gewisser Weise eine „Relativierung der Indizwirkung“ zugunsten der Meinungsfreiheit verbunden (s ausf Rn 251b). Nicht zuletzt ist zu beachten, dass es sich beim Ehrenschutz um eine in Art 1 I iVm Art 2 I GG wurzelnde, mit Verfassungsrang ausgestattete Schranke der Meinungsfreiheit handelt. Nicht umfasst sind zudem falsche Tatsachenbehauptungen. Zum Ursprung des Begründungsansatzes der Höherrangigkeit öffentl Interessen vor den Privatinteressen des Ehrenschutzes vgl Erman/Ehmann12 Rn 74. Grds gilt, dass das bei der Abwägung der Meinungsäußerungsfreiheit anzusetzende Gewicht umso höher ist, je mehr die „Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierte Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht“ (BVerfG NJW 2020, 2622, 2626 Rn 29 – Beleidigung von Justizpersonen; NJW 2022, 680, 682f – Künast).
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Mit Blick auf die Abwägung können zudem Form und Begleitumstände einer Äußerung erheblich sein – maßgeblich ist bspw, ob eine Äußerung ad-hoc oder mit Vorbedacht gefallen ist; bei schriftlichen Äußerungen könne daher „im Allgemeinen ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden“; dies gelte auch für textliche Äußerungen in den sozialen Medien (BVerfG NJW 2022, 680, 683 – Künast), wobei mit Blick auf die in diesem Kommunikationsraum vorherrschende Spontanität wohl die Langzeitwirkung als Rechtfertigungsgrund überzeugender ist. g) Grundsatz der Reizüberflutung. Auch einprägsame, polemische und überzogene Formulierungen sind ange- 253 sichts der heutigen Reizüberflutung hinzunehmen (BVerfGE 24, 278, 286 – GEMA; 60, 234, 241 – Kredithai; 90, 241, 248 – Auschwitzlüge; BGH NJW 1994, 124 – Greenpeace), selbst dann, wenn sie eine scharfe und abwertende Kritik zum Inhalt haben und mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden (BGH NJW 2008, 2110 – GenMilch; BVerfG NJW 2010, 3501 – Gen-Milch). h) Schmähkritik und Formalbeleidigungen. aa) Allgemeine Grundsätze. Nach st Rspr des BVerfG tritt die 254 Meinungsäußerungsfreiheit des Einzelnen hinter den Ehrenschutz des Betroffenen zurück, wenn die Äußerung die Menschenwürde antastet, es sich um eine Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung handelt (BVerfG NJW 2020, 2622 – Beleidigung von Justizpersonen; NJW 2020, 2629 – Beleidigung einer Amtsperson; NJW 2020, 2631 – Beleidigung eines Politikers; ZUM 2022, 287, 290 – Künast; BVerfGE 60, 234, 242 – Kredithai; 61, 1, 10; 66, 116, 151 – Wallraff; 82, 272, 283f – Zwangsdemokrat; 85, 1, 16 – Kritische Bayer-Aktionäre; 90, 241, 248, 254 – Auschwitzlüge; BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV; NJW 1991, 1475, 1477), wobei dieser Achtungsanspruch auch über den Tod hinaus wirkt (BVerfG NJW 1993, 1462). Der Begriff der Schmähkritik ist jedoch mit Blick auf die Bedeutung der Meinungsfreiheit eng auszulegen (BVerfGE 82, 272, 283f – Zwangsdemokrat; BVerfG NJW 1999, 204 – Oktoberfest). Es bedarf stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt (BVerfG NJW 1995, 3303, 3307 – Soldaten sind Mörder IV). Eine Meinung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähkritik, vielmehr nimmt eine herabsetzende Äußerung erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung und Kränkung einer Person im Vordergrund steht, welche jenseits polemischer und überspitzter Kritik persönl herabgesetzt (BVerfGE 82, 272, 283 – Zwangsdemokrat; BGHZ 143, 199, 209 – Schleimerschmarotzerpack; BGH NJW 1994, 124; bestätigt und weiterentwickelt in BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV; NJW 1999, 204 – Oktoberfest; NJW 1999, 2358 – FCKW; NJW 2006, 3769 – Babycaust; ZUM 2014, 965; Karlsruhe ZUM 2015, 400) oder gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BGH NJW 2007, 686 – Terroristentochter; München AfP 2013, 154, 155 – Bühnenprogramm: allerdings dürfe hierbei nicht aus dem Blick geraten, dass die mit einer personalisierten Darstellung verbundene Wirkungssteigerung Teil der Meinungsfreiheit ist, BVerfG NJW 2012, 1500 – Ochsenknecht-Söhne; ZUM-RD 2011, 147). Überzogene, schonungslose oder unsachliche Kritik allein ist noch keine Schmähkritik (BVerfG NJW 1993, 1462). Die Rspr fordert zusätzl auch eine vorsätzliche Ehrkränkung (BVerfGE 61, 1, 12 – NPD Europas; BGH NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung) bzw eine die Sachnähe ausschließende Diffamierungsabsicht (BGH NJW 2007, 686, 688 – Terroristentochter; NJW 1974, 1762, 1763f – Deutschland-Stiftung; München NJW 1996, 2515, 2516 – Heuschrecken; NJW-RR 1997, 724, 726 – Tabaklobby). Äußerungen „in einer die Öffentlichkeit wesentl berührenden Frage“ sollen aus diesem Grund nur ausnahmsw als Schmähkritik eingeordnet werden können, im analogen Zeitalter war das Vorliegen einer solchen mithin idR auf Privatfehden beschränkt (BVerfG ZUM 2014, 965; NJW 1995, 3303, 3304 – Soldaten sind Mörder IV; NJW 1999, 204 – Oktoberfest; s zur „Privatfehde“ in sozialen Netzwerken Dresden ZUM 2018, 192f); im Internetzeitalter sind aber zunehmend auch bekannte Personen des öffentlichen Lebens von Schmähkritik betroffen, ohne dass der Äußerung eine private Auseinandersetzung vorgelagert war oder ein nachvollziehbarer Bezug zu einer Sachkritik besteht; vielmehr werden Betroffene oftmals anonym und aus verwerflichen Motiven verunglimpft und verächtlich gemacht, BVerfG NJW 2022, 680, 682 – Künast. Schmähkritik kann daher nicht auf die Privatfehde beschränkt werden. Zu beachten ist zudem, dass aus dem Nichtvorliegen einer Schmähkritik oder einer Formalkritik keine Vorfestlegung dahingehend erfolgen darf, dass das APR bei der dann gebotenen Abwägung stets zurückzutreten habe (BVerfG NJW 2020, 2631, 2632 – Beleidigung eines Politikers; ebenso: NJW 2020, 2622 – Beleidigung von Justizpersonen; NJW 2020, 2629 – Beleidigung einer Amtsperson), vielmehr hat auch in diesen Fällen eine umfassende Auseinandersetzung mit den Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung getätigt wurde, zu erfolgen – zu berücksichtigen sind hierbei unter anderem: Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Personen und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten, BVerfG NJW 2022, 680, 682f – Künast. Beleidigungen unter der Bezeichnung eines Kollektivs („Soldaten sind Mörder“) können im Allg keine Schmähkritik eines Einzelnen sein (BVerfG NJW 1995, 3303, 3306 – Soldaten sind Mörder IV), uU aber Beleidigung eines Kollektivs (Rn 52ff), zB der Bundeswehr, s BGH NJW 1989, 1365; s auch BVerfG NJW 2015, 2022: keine Beleidigung durch Tragen eines Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“ (für „Fuck Cops“): der Aufdruck ist nicht von vornherein inhaltslos, sondern bringt eine allg Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis ggü der staatl Ordnungsmacht zum Ausdruck, weshalb eine Meinungsäußerung vorliegt; iÜ bezieht er sich nicht auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe. So auch BVerfG – 1 BvR 257/14: Aufdruck „ACAB„(„all cops are bastards“). S jedoch BGH ZUM 2022, 717, 719 – „Die Sau von Wittenberg“: „Durch eine Darstellung, die das jüdische Volk und seine Religion, mithin das Judentum als Ganzes verhöhnt
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und verunglimpft, wird der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen“. Der Grenze der Schmähkritik unterliegen auch kritisierende Meinungsäußerungen zu gewerbl Leistungen, sofern es sich nicht um eine wertende Kritik an gewerbl Leistungen im Rahmen des geistigen Meinungskampfes handelt, sondern nur die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht (BGH NJW 1966, 1617 – Höllenfeuer; NJW 1976, 620, 622 – Warentest II; Frankfurt NJW 1990, 2002 – Restaurantkritik: „in den Teller hineingeschissen“ und „zum Kotzen“; München WRP 96, 925: Herabsetzung des Wettbewerbers: „Scheiß des Monats“; Schmähkritik verneint: BGH NJW 2008, 2110 – Gen-Milch; BVerfG NJW 2010, 3501 – Gen-Milch; s auch BGH AfP 2017, 48 „Mal PR-Agent, mal Reporter). Jur Personen des Privatrechts können sich nicht auf die Grundsätze der Schmähkritik berufen, s Dresden ZUM-RD 2018, 544, 546 – Facebook-Postings. Auch eine Karikatur kann Schmähkritik sein (BVerfGE 75, 369 – Strauß-Karikaturen: Darstellung des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Strauß als sich sexuell betätigendes Schwein), ebenso findet die in Form einer Satire geäußerte Meinung und Kritik ihre Grenze dort, wo es sich um eine Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung handelt (BGHZ 143, 199, 208 – Schleimerschmarotzerpack). Eine Verletzung des Menschenwürdekerns ist daher bspw auch im Fall satirischer Darstellungen gegeben, wenn dem Einzelnen die „Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in einer sozialen Gemeinschaft“ verwehrt oder die „Achtung als Mensch“ in grds Form negiert wird; ebenso im Fall „verfälschender Darstellungen, die ‚menschenunwürdige‘ Tabubrüche unterstellen“, s München AfP 2013, 154, 155 – Bühnenprogramm. Unterfällt eine Äußerung nicht dem Begriff der Schmähkritik, kann eine umfassende Abwägung dennoch ergeben, dass sie ehrverletzend ist (BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV; Köln NJOZ 2009, 1449). Ob die Grenze der Schmähkritik von den Gerichten richtig erkannt wurde, ist vom BVerfG im Rahmen der Verfassungsbeschwerde überprüfbar (s Rn 7). 255 bb) Kasuistik zur Schmähkritik. Als Schmähkritik wurden eingeordnet: Behauptung, eine Fernsehansagerin sehe aus wie eine „ausgemolkene Ziege“, bei deren Anblick den Zuschauern die „Milch sauer werde“ (BGHZ 39, 124 – Fernsehansagerin); die Behauptung, Heinrich Böll sei ein „steindummer, kenntnisloser, talentfreier Autor“ gewesen, auch einer der „verlogensten, ja korruptesten“, BVerfG NJW 1993, 1462 (keine Auseinandersetzung im Rahmen einer inhaltl oder ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Werk; aA Larenz/Canaris SchuldR II 2, § 80 V, 1a); Einordnung des Auftritts der Band „Böhse Onkelz“ als „Altnazi-Treffen“ und Bezeichnung als „Neonazi-Band“, deren Zusammenwirken mit der Vorgruppe „The Stroke“ eine „schwarz-braune Doppelpackung“ sei (LG Göttingen NJW 1996, 1138); Berichterstattung über die Bundesanstalt für Flugsicherung: „Diese unsere Gesellschaft braucht keine militanten Terroristen, um beeinträchtigt oder vernichtet zu werden. Diese Terroristen sind unter uns. Sie stehen dazu noch im Solde des Staates.“ (Frankfurt NJW-RR 1993, 846, 852); Bezeichnung als „Altkommunist im Geiste des Massenmörders Stalin“ (AG Weinheim NJW 1994, 1543); Bezeichnung als „Schuft“, „Kanaille“, „Halunke“ (Hamburg ZUM 1990, 413); LG Nürnberg-Fürth NJW 1998, 3423: Bezeichnung eines Frauenarztes, der Abtreibungen vornimmt, als „Kindermörder“ und „Berufskiller“; Bezeichnung eines Journalisten als „Berufsdesinformant“, der „Mitglied der journalistischen Totenkopfdivision Joseph Goebbels“ sei (LG München I AfP 1997, 827); BGH NJW 1987, 1400 – Bezeichnung eines Ministers als „Oberfaschisten“; Saarbrücken NJW-RR 2003, 176: Bezeichnung eines Rechtsanwalts als „Lügner“, „uneinsichtiger dummer Tölpel“ und „Prozessbetrüger“; BVerfG NJW 2004, 590: Bezeichnung eines Ministers „Dieser Mann ist solche Bundesscheiße. Da möchte man überhaupt nicht reintreten“; Hamm NJW-RR 1995, 1114 – „Charakterschwein“; München AfP 2013, 154, 155 – Bühnenprogramm: rechtswidrige Schmähung eines bekannten Schauspielers durch drastische Darstellung als unerotisch und abstoßend im Rahmen eines Bühnenprogramms; die Äußerungen „Skrupellosigkeit“, „systematische, wirtschaftliche Schädigung“, „handelnd mit fortgesetzter krimineller Energie“ (Koblenz 25.3.2013 – 3 W 178/13); die Bezeichnung „Dummschwätzer“ darf nur dann als Schmähkritik gewertet werden, wenn ohne sachl Anlass zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Betroffene ausschließlich Dummheiten äußere und daher als Teilnehmer einer sachl Debatte von vornherein ausscheide, nicht jedoch, wenn es sich nur um eine Bewertung einer Person dahingehend handelt, dass sich diese in einer Sachdiskussion dumm geäußert habe (BVerfG NJW 2009, 749); BVerfG NJW 2014, 764: Die Bezeichnung „durchgeknallte Frau“ betrifft den innersten Intimbereich, insb wenn sie nicht Ausdruck einer spontanen Äußerung im Rahmen einer emotionalen Auseinandersetzung, sondern bewusst diskreditierend und proaktiv ist. Im konkreten Fall wurde das bejaht, da sie in einem inhaltl Bezug zum vorgehenden Absatz stand, in dem es heißt: „Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.“; die Äußerung, ein Rechtsanwalt sei „kriminell und korrupt“ und „gehöre weggesperrt“, jedenfalls dann, wenn zu keinem Zeitpunkt ein Mandatsverhältnis bestand, Dresden ZUM-RD 2019, 454ff. BGH ZUM 2022, 717, 719: Schmähung durch Aussage in Relief („Die Sau von Wittenberg“) – zumindest bis zur Distanzierung von den Aussagen des Reliefs und der Umwandlung in eine Mahnstätte. 256 Verneint wurde die Qualifikation als Schmähkritik: „Solange in Düsseldorf eine rote Null als Genosse Finanzministerdarsteller dilettiert“ (BVerfG, ZUM 2021, 45): Sachbezug (Bf reagiert auf personalisiertes Rundschreiben des Finanzministers), da Bürger ggü Amtsträgern auch harsche Fundamentalkritik üben dürfen; Bezeichnung einer Sozialarbeiterin in einer Justizvollzugsanstalt als „Trulla“ (BVerfG NJW 2021, 148); Vergleich der Verhandlungsführung einer Richterin mit „ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten“ und „mittelalterlichem Hexenprozess“, sofern sachlicher Bezug zu geführtem Prozess (BVerfG NJW 2019, 260); historischer Vergleich eines Zivilprozesses mit dem Nationalsozialismus und Vorwurf einer „mittelalterlichen“ 112
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
Anh § 12
Gesinnung (BVerfG NJW 2019, 2600); Bezeichnung als „Obergauleiter der SA“ (BVerfG GRUR 2017, 841f); Vorwurf der Bestechlichkeit (BVerfG ZUM-RD 2019, 369); Äußerung, jemand schrecke im geschäftl Verkehr nicht vor strafbarem Verhalten zurück (Dresden ZUM-RD 2018, 482); „Kindesentfremder“ iRv „Privatfehde“ (Dresden ZUM 2018, 192); Bezeichnung des vermeintlichen Opfers einer Vergewaltigung, als „Kriminelle“ durch den Beschuldigten, nachdem ihm die Tat nicht nachgewiesen werden konnte (Karlsruhe ZUM-RD 2015, 374); Titulierung eines Bundestagsabgeordneten als „Borderliner“, der „einen an der Waffel“ habe, im Rahmen einer öffentl Sexismus-Debatte (Köln AfP 2015, 63); Bezeichnung eines Landesvorsitzenden der AfD als „Betrüger“, „Rechtsbrecher“, „Halunke“ und „Gauner“ (Karlsruhe ZUM 2015, 400, 403); Äußerung, es müsse verhindert werden, dass die Richterin auf eine schiefe Bahn gerät, im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde (BVerfG ZUM 2014, 965, 966); s auch BVerfG NJW 2015, 2022: keine Beleidigung durch Tragen eines Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“ (Abkürzung für „Fuck Cops“); Bezeichnung eines RA als „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“ in einer öffentl Auseinandersetzung mit Sachbezug (BVerfG NJW 2012, 3712); Vorwurf der Veruntreuung und Geldwäsche sowie Mitgliedschaft in der Gentechnikmafia (vgl NJW 2012, 1643 – Grüne Gentechnik); Bezeichnung des früheren Vorstandsvorsitzenden als „abgewirtschafteter Vorstand“ (Brandenburg 25.11.2013 – 1 U 5/13); Dresden AfP 2012, 383: Äußerung, die Zustände in einem Unternehmen „grenzen an Sklavenarbeit“, ist unternehmensbezogene Meinungsäußerung, nicht Schmähkritik; Bezeichnung eines Landhotels als „Hühnerstall“ (Stuttgart AfP 2014, 87); Bezeichnung eines islamischen Predigers wegen kontroverser Äußerungen als „Hassprediger“ (Köln NJW 2005, 2554; Brandenburg NJW-RR 2007, 1641); Titulierung eines religionskritischen Kabarettisten als „Hassprediger“ (LG Stuttgart AfP 2015, 465); Bezeichnung eines Jägers als „Rabauken-Jäger“ und „Drecksjäger“ (Rostock AfP 2017, 71); die Bezeichnung der Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof als „Terroristentochter“ (BGH NJW 2007, 686); die Plakataktion von Mitgliedern eines Vereins mit der Aufschrift „Aktion Ausländer-Rückführung“ (BVerfG NJW 2010, 2193); Aussage, die Deutschland-Stiftung sei von Alt- und Neufaschisten durchsetzt (BGH NJW 1974, 1762); Bezeichnung eines Kommunalbeamten als „schläfrig“ (Düsseldorf NJW 1992, 1336); Vorwurf, ein Fusionsvertrag mit einem Konzern sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch „Kollusion der Geschäftsführung“ zustande gekommen (BVerfG NJW-RR 2001, 411); Behauptung, Wilhelm Kaisen würde DVU wählen (BVerfG NJW 2001, 2957); Bezeichnung als „linke Bazille“ (Saarbrücken NJW-RR 1996, 1048); Aussage „Soldaten sind Mörder“ (BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV); Bezeichnung als „Gen-Milch“ (BGH NJW 2008, 2110); Bezeichnung als „Nazi“ (BVerfG NJW 1992, 2013) oder „Neonazi“ (Stuttgart AfP 2016, 268); Bezeichnung als „Schleimerschmarotzerpack“ im Rahmen einer Glosse (BGHZ 143, 199); BVerfGE 61, 1, 12 – NPD Europas; 82, 43, 52 – Strauß-Transparent; 82, 272, 284 – Zwangsdemokrat; die Bezeichnung eines Moderators, der in einem Homeshoppingkanal Puppen zum Kauf anbietet, als „Puppenpäderast“ (LG München I AfP 2007, 60); Karlsruhe ZUM-RD 2003, 27: Bezeichnung eines Arztes als „Scharlatan“ und „Pfuscher“; Karlsruhe AfP 2001, 336 – kleingewachsener Patriarch und Schikanör; BVerfG NJW 1992, 2073 – Satiremagazin Titanic: satirische Bezeichnung eines 24-jährigen Reserveoffiziers, der trotz einer erlittenen Querschnittslähmung im Rollstuhl sitzend noch an einer Reserveübung der Bundeswehr teilnehmen wollte, als „geb Mörder“; Bezeichnung eines Staatsanwalts als „durchgeknallt“ ist nicht ohne Weiteres eine Schmähkritik – Kritik an staatl Gewalt darf auch in anklagender und personalisierender Art und Weise gegen Amtsträger gerichtet werden (BVerfG NJW 2009, 3016; s auch BVerfG NJW 2016, 2870 Rn 13: Bezeichnung einer Staatsanwältin durch einen RA als „dahergelaufen“, „durchgeknallt“, „widerwärtig, boshaft, dümmlich“; gegenteilig BVerfG AfP 2014, 133 zur Bezeichnung als „durchgeknallte Frau“: „Das Wort „durchgeknallt“ hat hier somit eine grundlegend andere Bedeutung als in dem von dem BVerfG entschiedenen Fall „durchgeknallter Staatsanwalt“, s hierzu auch Rn 255); die Bezeichnung einer Kanzlei als „Winkeladvokatur“ kann im Einzelfall Schmähkritik darstellen (BVerfG NJW 2013, 3021); „Garagenvertrieb“ für Pharmaunternehmen, KG AfP 2010, 480, 482; die Bezeichnung „Parkplatzschwein“ (AG Rostock NZV 2013, 251). cc) Formalbeleidigungen genießen ebenfalls nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfGE 60, 234, 241 – 257 Kredithai). Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Kränkung bereits aus der Form der Äußerung und nicht aus ihrem Inhalt ergibt (BVerfG NJW 1994, 2413; LG Köln NJW-RR 2002, 189 – primitive kleine Nutte; LAG Köln NZA-RR 1998, 15 – Verbrecher; München NJW-RR 2002, 1045 – katholischer Drecksack; LG München I AfP 1997, 827 – Drecksau; LG Coburg ZUM-RD 2003, 320 – dumm, bescheuert). Die Gerichte betrachten Formalbeleidigung und Schmähung zunehmend als Synonym, wobei die Maßstäbe der Schmähkritik Anwendung finden (Hamm NJW-RR 1995, 1114 – Charakterschwein; schmähendes Werturteil). S jedoch BVerfG ZUM 2022, 287, 291 – Künast. Formalbeleidigung verneint: Beschreibung eines Familienrichters mit den Worten, dieser habe dem Bf „mit ei- 258 nem dämlichen Grinsen“ den Ratschlag erteilt, Beschwerde einzulegen, „gehört nicht zum kleinen Kreis sozial absolut tabuisierter Schimpfwörter, deren einziger Zweck es ist, andere Personen herabzusetzen“ (BVerfG NJW 2021, 301, Rn 21), iÜ auch keine Schmähkritik; „Justizverbrecher“ und „Rechtsbeuger“, da kontextbezogen durchaus sachliche Kritik an Personen und deren Verhalten geübt werden kann (BVerfG ZUM-RD 2020, 565). V. Kunstfreiheit und Allgemeines Persönlichkeitsrecht Schrifttum: v Becker, Überlegungen zum Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht, AfP 2001, 466; Brauneck, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Freiheitsanspruch der Satire, ZUM 2000, 137; Fuchs/Schäufele, Die Beachtung von Persönlichkeitsrechten bei der Verfilmung wahrer Begebenheiten, AfP 2015, 395; Götting, Satirische Meinungsäußerungen über Prominente in der Werbung, GRUR-Int 2015, 657; Gounalakis, Freiräume und Grenzen politischer Karikatur und Satire, NJW 1995, 810; Häberle, Die Freiheit der Kunst im Verfassungsstaat, AöR 110 (1985), 613;
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Personen
Hildebrand, Abbildung von Personen bei künstlerischer Street-Photography, ZUM 2016, 305; Hillgruber/Schemmer, Darf Satire wirklich alles?, JZ 1992, 946; Karpen/Nohe, Die Kunstfreiheit in der Rspr seit 1992, JZ 2001, 801; Kastner, Die Crux der Kritik – in der Literatur, auf der Bühne und in der Musik, NJW 1995, 822; Klass, Satire im Spannungsfeld von Kunstfreiheitsgarantie und Persönlichkeitsrechtsschutz, AfP 2016, 477; Kübler, Meinungsäußerung durch Kunst, FS Mahrenholz, 1994, 303; Lindner, Die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Kunst, 2015; Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969; Raue, Kunstfreiheit, Persönlichkeitsrecht und das Gebot der praktischen Konkordanz, AfP 2009, 1; Sendler, Kann man Liberalität übertreiben?, ZRP 1994, 343; Wittreck, Persönlichkeitsbild und Kunstfreiheit, AfP 2009, 6; Würkner, Die Freiheit der Kunst in der Rspr von BVerfG und BVerwG, NVwZ 1992, 1; Würtenberger, Satire und Karikatur in der Rechtsprechung, NJW 1983, 1144.
1. Gewährleistungsgehalt der Kunstfreiheit. Art 5 III GG erklärt die Kunst für frei. Mit dieser Freiheitsverbürgung enthält Art 5 III GG zunächst eine obj, das Verhältnis des Bereichs Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm, zugleich gewährleistet die Bestimmung aber auch jedem, der in diesem Bereich tätig ist, ein individuelles Freiheitsrecht (BVerfGE 30, 173, 188 – Mephisto). Der Begriff der Kunst selbst kann und soll nicht abschließend definiert werden, da jeder Definitionsversuch, die Gefahr in sich trägt, bestimmte Aspekte von vornherein „herauszudefinieren“, „Zensur“ auszuüben oder ein staatl Kunstverständnis zu propagieren (BVerfGE 30, 173, 188 – Mephisto; 67, 213, 225 – Anachronistischer Zug; 75, 369, 376 – Strauß-Karikatur; 77, 240, 251 – Herrnburger Bericht; 81, 278, 289 – Bundesflagge; 81, 298, 305 – Nationalhymne; 83, 130, 138 – Josefine Mutzenbacher). Nicht zuletzt soll die Kunstfreiheit auch die Freiheit einer Avantgarde gewährleisten, die Grenzen überschreitet und Neuland erforscht (Erman/Ehmann12 Rn 91), die sich stetig verändert und stets aufs Neue andere Formen des Ausdrucks erfindet. Die Freiheit der Betätigung im Kunstbereich wird durch Art 5 III GG umfassend geschützt. Vor diesem Hintergrund ist auch jede wertende Einengung der Kunstfreiheit unzulässig, es darf nur zw Kunst und Nichtkunst, nicht zw guter und schlechter oder gelungener und misslungener Kunst unterschieden werden. Art 5 III GG schützt dabei nicht nur die künstlerische Betätigung, den „Werkbereich“, sondern auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks, den „Wirkbereich“ (BVerfGE 30, 173, 188 – Mephisto; 81, 298, 305 – Nationalhymne; BVerfG NJW 2008, 39 – Esra; GRUR 2019, 757, 758 – Märchenbilder). Soweit es daher zur Herstellung der Beziehungen zw Künstler und Publikum der publizistischen Medien oder sonstiger Tätigkeiten bedarf, sind auch die Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die eine solche vermittelnde Funktion ausüben, zB Verleger, Produzenten, selbst Verteiler von Flugblättern. Durch diese Schutzbereichserweiterung soll die Veröffentlichung, Ausbreitung und sonstige Wirkung des Kunstwerks sichergestellt werden. Allerdings kommt dem „Wirkbereich“ im Rahmen der Abwägung mit entgegenstehenden Rechten ein geringeres Gewicht zu als dem „Werkbereich“ (BVerfGE 77, 240, 255 – Herrnburger Bericht; dazu Frenzel/Singer AfP 2006, 421). Nicht geschützt ist die Inanspruchnahme fremden Eigentums (BVerfG NJW 1984, 1293 – Sprayer von Zürich). 260 2. Schranken der Kunstfreiheit. Die Kunstfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet – weder finden die Schranken des Art 5 II GG noch die des Art 2 I GG Anwendung. Ebenso ist es unzulässig, einzelne Teile herauszulösen und sie als Meinungsäußerungen iSd Art 5 I GG anzusehen, um dann die Schranken des Art 5 II GG zur Anwendung zu bringen. Jedoch kann die Kunstfreiheit in einer sozialen Gemeinschaft nicht schrankenlos sein. Das BVerfG hat daher zu Recht auch die Kunstfreiheit im Fall des Konflikts mit anderen grundrechtl geschützten Rechten dem Gebot der Herstellung praktischer Konkordanz unterworfen (BVerfGE 81, 278, 292 – Bundesflagge und BVerfG NJW 1971, 1645; BVerfGE 67, 213, 228 – Anachronistischer Zug; 83, 130, 139 – Josefine Mutzenbacher). 261 3. Kunstspezifische Betrachtung. Bei der Beurteilung des Kunstwerks zum Zwecke der Abwägung mit dem gebotenen Persönlichkeitsrechtsschutz, insb bei seiner Interpretation, ist nach der Rspr stets eine kunstspezifische Betrachtung (ausf Rn 133) anzulegen (BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache; BGH NJW 2009, 751, 752 – Ehrensache; Frankfurt ZUM 2008, 793, 794 – Kannibale von Rotenburg; ZUM 2009, 952, 955 – Romy Schneider). Ausf hierzu im Kontext Satire Klass AfP 2016, 477. Zwar gehört es zu den Spezifika der Kunstformen des Theaterstücks, Films oder Romans, dass diese häufig an die Realität anknüpfen, allerdings schafft der Künstler dabei eine neue ästhetische Wirklichkeit (BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache), was bei der Bestimmung des Aussagegehalts zu beachten ist. Die Kunstfreiheit findet umso eher eine Beschränkung im APR, je mehr der Künstler der Wirklichkeit verhaftet bleibt und lebende Personen und tatsächliche Zustände oder Ereignisse darstellt (BVerfG NJW 1973, 1226 – Lebach I; NJW 2000, 1859 – Lebach II; NJW 2008, 39 – Esra; ZUM 2008, 323 – Ehrensache; Frankfurt NJW 2007, 699 – Kannibale von Rotenburg). Zur insoweit bestehenden Vermutung der Fiktionalität eines literarischen Werks ausf Rn 134. 262 4. Schwerwiegende Beeinträchtigung des APR. Entsteht ein Konflikt zw der Kunstfreiheit und dem APR, hat grds eine Einzelfallabwägung stattzufinden, die beiden Gewährleistungen gerecht werden muss. Angesichts der Bedeutung der Kunstfreiheit ist jedoch anerkannt, dass eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des APR nicht ausreichen, um die Kunstfreiheit einzuschränken. Lässt sich jedoch eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann diese auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG GRUR 2019, 757, 758 – Märchenbilder; NJW 2008, 39, 42 – Esra; BVerfGE 67, 213, 228 – Anachronistischer Zug; zB, wenn der Betroffene zum bloßen Objekt degradiert wird, Beschreibung einer Tötung als Rettungstat; Münster ZUM 2005, 79 – Das Ende des Kanzlers oder der Betroffene als „Perspektiv-Agent des KGB“ bezeichnet wird, Bremen NJW 1996, 1000, 1001 – Lemke; s hierzu auch BVerfG ZUM-RD 2019, 505, 507 – Präsentation eines Kinderportraits in einer Ausstellung zum Thema Kindesmissbrauch). Die Schwere der Beeinträchtigung des APR hängt dabei zum einen davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Leser nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Per259
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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sonen zu beziehen, zum anderen ist aber auch die Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Leser diesen Bezug herstellt, ausschlaggebend. Grds gilt nach wie vor, die im Mephisto-Urt (BVerfG GRUR 1971, 461, 466) geprägte Abbild-Urbild-Formel: Je stärker der Autor eine Romanfigur von ihrem Urbild löst und zu einer Kunstfigur verselbständigt, umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugutekommen (vgl ausf Rn 133ff, insb Rn 137). 5. Karikatur und Satire. Auch bei Satire und Karikatur muss ein kunst- bzw werkgerechter Maßstab angelegt 263 werden, denn diesen Kunstgattungen ist es wesenseigen, dass sie mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen als Stilmittel arbeiten (BVerfG NJW 1992, 2073 – Satiremagazin Titanic; BGH NJW 2006, 603 – Fotomontage; wobei stets zu beachten ist, dass Satire Kunst sein kann, aber nicht jede Satire Kunst ist, BVerfG NJW 1992, 2073 – Satiremagazin Titanic; München AfP 2013, 154, 155 – Bühnenprogramm) und dabei gesellschaftliche Missstände personalisieren oder einzelne Personen verhöhnen. Dabei wollen sie nicht nur scherzen, sondern bisweilen auch angreifen und verletzen (Gounalakis NJW 1995, 809, 811; Klass AfP 2016, 477). Bei der Beurteilung eines satirischen Kunstwerks im Rahmen der Einzelfallabwägung mit dem APR unterscheidet die Rspr daher stets zw dem „Aussagekern“, dem eigentlichen Inhalt der satirischen oder karikierenden Darstellung, und dem künstlerischen Gewand, der Form der Darstellung bzw der Einkleidung der Aussage (BGH NJW 2004, 596; BVerfG NJW 1998, 1386 – Münzen-Erna; BVerfGE 86, 1, 11 – Satiremagazin Titanic; 75, 369, 377 – Strauß-Karikatur; Karlsruhe NJW 1994, 1963 – Steffi Graf; Hamm NJW-RR 2004, 919 – Lisa Loch; München AfP 2013, 154, 155 – Bühnenprogramm; KG AfP 2010, 480, 482 – Garagenvertrieb; LG Hamburg, NJOZ 2023, 179 – „Achtung Satire“). In einem ersten Schritt ist der Aussagekern zu erfassen und daraufhin zu überprüfen, ob er mit Art 5 GG unter Berücksichtigung des grundrechtl Persönlichkeitsrechtsschutzes vereinbar ist. Drückt er eine Wertung aus, ist zu prüfen, ob eine Schmähkritik vorliegt (zur Schmähkritik ausf Rn 254ff). Zu ironisch pointierend verschärfenden Zusammenfassungen mehrdeutiger Äußerungen s EGMR AfP 2019, 142 – Eva Herman-Bischoff/Deutschland: Frage der Authentizität ist im Lichte der ironischen Natur des Artikels zu bewerten; BVerfG NJW 2013, 774 – Das Prinzip Arche Noah; BGH NJW 2011, 3516. Enthält er eine Tatsachenmitteilung, so ist zu klären, ob sie wahr, oder auf sonstige Weise gerechtfertigt ist (zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil Rn 98ff, insb Rn 101). Allerdings beschränkt sich die rechtl Beurteilung nicht auf den Aussagekern, vielmehr ist auch festzustellen, ob die Einkleidung der Aussage die Kundgabe der Missachtung einer Person enthält, oder ob sie auf andere Weise das APR verletzt (BVerfG NJW 2005, 3271, 3272 – Fotomontage II; BVerfGE 75, 369, 378 – Strauß-Karikatur; 86, 1, 12 – Satiremagazin Titanic; zum Verbot bestimmter Passagen eines satirischen „Schmähgedichts“ s LG Hamburg 10.2.2017 – 324 O 402/16 – Böhmermann, Hamburg AfP 2018, 335ff – Böhmermann). Jedoch sind die hier anzulegenden Maßstäbe weniger streng als bei der Beurteilung des Aussagekerns, weil der Kunstform der Satire die Verfremdung wesenseigen ist und als solche v Betrachter auch erkannt und eine Aussage relativiert wird (BVerfGE 75, 369, 378 – Strauß-Karikatur; BVerfG NJW 2002, 3767 – Bonnmot; LG Hamburg, NJOZ 2023, 179 – „Achtung Satire“). Hierbei dürfen auch die Grenzen des guten Geschmacks überschritten werden, insb findet keine Niveaukontrolle statt (München AfP 2009, 419 – Klinsmann am Kreuz; München AfP 2013, 154, 155 – Bühnenprogramm). Die Abstraktion einer Karikatur oder Satire von dem in „Wort und Bild gewählten satirischen Gewand“ (zB Urinieren auf die Bundesflagge, BVerfGE 81, 278, 294; BVerfG NJW 1990, 2541 – Hitler-Satiren) darf aber nicht so weit gehen, dass der Beurteilung Deutungen untergeschoben werden, die der Autor nicht zum Ausdruck bringen wollte und die auch niemand so verstanden hat, so auch nicht verstehen sollte (Erman/Ehmann12 § 12 Rn 93; Klass AfP 2016, 477). Führt die abgestufte Prüfung jedoch zum Ergebnis, dass eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Ehre vorliegt (zu Schmähkritik und Formalbeleidigung s Rn 254ff), kann diese durch die Kunstfreiheit nicht gerechtfertigt werden (so auch BVerfGE 67, 213, 228 – Anachronistischer Zug; BVerfGE 75, 369, 378 – Strauß-Karikatur: Karikierende Darstellung eines Politikers als kopulierendes Schwein verstößt nach Ansicht des BVerfG gegen dessen Menschenwürde); eine Verletzung des Menschenwürdekerns ist zudem gegeben, wenn dem Einzelnen die „Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in einer sozialen Gemeinschaft“ verwehrt oder die „Achtung als Mensch“ in grds Form negiert wird; ebenso im Fall „verfälschender Darstellungen, die ‚menschenunwürdige‘ Tabubrüche unterstellen“, München AfP 2013, 154, 155 – Bühnenprogramm: rechtswidrige Schmähung durch drastische Darstellung eines Schauspielers als unerotisch und abstoßend. Zudem darf Satire auch nicht verfälschen. Daher ist eine für den Betrachter nicht erkennbare Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes im Rahmen einer Fotomontage auch nicht vor dem Hintergrund der Kunstfreiheit zulässig (BGH NJW 2006, 603 – Fotomontage; BVerfG NJW 2005, 3271, 3272 – Fotomontage II). Ebenso ist eine unrichtige Information selbst dann kein schützenswertes Gut, wenn sie in einem satirischen Kontext eingebunden ist, Hamburg ZUM 2016, 626. S aktuell zur Zulässigkeit einer medienkritischen Satire-Sendung, in welcher sich die Protagonisten mit der Frage nach der bestehenden Unabhängigkeit von Journalisten befassten, BGH 10.1.2017 – VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15; LG Hamburg ZUM-RD 2017, 630 zur Bezeichnung einer Politikerin als „Nazi-Schlampe“ im Rahmen einer Satire-Sendung sowie LG Hamburg NJOZ 2023, 179 zur Veröffentlichung eines vermeintlichen Interviews und bestimmter Aussagen mit dem Hinweis „Achtung Satire“ (hier: „Grüne wollen staatliche Gutscheine für Putzhilfen“). 6. Realität und Fiktion in der Kunst (s auch Rn 134). Typisches Merkmal der Kunst ist, dass sie sich Anleihen 264 in der Wirklichkeit holt, sich an realen Urbildern orientiert und diese schöpferisch gestaltend einer neuen ästhetischen Wirklichkeit zuführt (BVerfG NJW 2008, 39, 42 – Esra). Im Einzelfall kann jedoch im Zugriff auf die
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Personen
persönlichen Lebensdaten des Einzelnen ein widerrechtl Eingriff in das APR liegen. Zu den hierbei anzuwendenden Grundsätzen Rn 137. 265 7. Theater- und Kunstkritik. Tadelnde Urt und Wertungen über wissenschaftl und künstlerische Leistungen werden durch § 193 StGB als grds gerechtfertigte Handlungen begriffen, sofern nicht die Form der Äußerung oder besondere Umstände doch eine Beleidigung begründen. Wissenschaftskritik findet jedenfalls ihre Grenzen, wo erwiesenermaßen oder gar bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden oder es sich um reine Schmähungen (zur Schmähkritik s Rn 254ff) handelt, die keinerlei Bezug zu dem verfolgten Anliegen haben (MüKo/Rixecker Rn 242). Im Rahmen der Güter- und Interessenabwägung ist jedoch stets zu beachten, dass Kunstkritik auch dem öffentl Interesse dient (BVerfGE 54, 129 – Kunstkritik). Zudem ist zu unterscheiden, ob eine Äußerung im politischen Wahlkampf oder in einer wissenschaftl Abhandlung erfolgt (Differenzierung zw wissenschaftl Kommunikation und politischem Meinungskampf im Einz str, vgl MüKo/Rixecker Rn 276; eine in einem wissenschaftl Aufsatz angegriffene Person ist jedoch schutzbedürftiger als eine im Wahlkampf oder in der Presse gescholtene Person der Zeitgeschichte, Karlsruhe NJW 1989, 1360, 1361f – Ehrverletzende Äußerung in Festschrift). Kunstkritik (insb durch Kunstkritiker in monopolartiger Stellung) kann darüber hinaus im Einzelfall einer Zensur nahekommen und das öffentl und finanzielle „Aus“ eines Werks bedeuten. Die Motivation der Kritiker und die Auswirkungen können daher bei der Bewertung eine Rolle spielen (vgl Erman/Ehmann12 Rn 97). Zur Theaterkritik s LG Berlin GRUR 1959, 492 – Harlan jun: Für die Frage, ob eine Theaterkritik das APR des Autors oder Regisseurs verletzt, kommt es maßgeblich darauf an, ob die behaupteten Tatsachen erweislich wahr sind, welche Wirkungen in der Vorstellung des Durchschnittslesers hervorgerufen werden und in welchem Maße persönl Belange der Beteiligten betroffen sind; vgl auch Hoene, Das Recht der Theaterkritik, 1975; zur Kritik an Gerichtsurteilen LG Frankfurt NJW 1962, 64: Bezeichnung eines Richters als unfähig, den Kampf um die moralischen Fundamente des Staates und die Wiederherstellung der Menschenrechte zu begreifen, ist gerechtfertigt; zu Kritik an Behörden („Gestapo-Methoden“) BVerfG NJW 1992, 2815; zu Buchkritik LG Stuttgart UFITA 23 (1957), 244; zu Kritik an gewerbl Leistungen Rn 107, 66. 266 VI. Wissenschaftsfreiheit und Allgemeines Persönlichkeitsrecht. 1. Gewährleistungsgehalt der Wissenschaftsfreiheit. Wie die Kunstfreiheit erfährt auch die Freiheit von Forschung und Lehre – und damit jede wissenschaftl Tätigkeit, dh alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist (BVerfG NJW 1973, 1176; 1978, 1621; 1993, 916) – in Art 5 III GG besonderen Schutz. Geschützt ist mithin ebenfalls die wissenschaftl Kommunikation als relevante Handlungsform im Rahmen des Ehrenschutzes: insb unterschiedl Formen literarischer, lehrender sowie vortragsmäßiger Publikationen sowie die sonstige Vermittlung wissenschaftl Erkenntnisse in den Medien (vgl Dürig/Herzog/Scholz/Scholz Art 5 III GG Rn 83; BaRo/Bamberger § 12 Rn 299ff). Unabhängig ist der Schutz dabei von der Richtigkeit der angewandten Methoden bzw der gewonnenen Ergebnisse; ebenso wenig von Bedeutung ist die Stichhaltigkeit der Argumentation oder die Vollständigkeit der Gesichtspunkte und Belege (Jarass/Pieroth Art 5 GG Rn 121). Geschützt sind auch Mindermeinungen, selbst wenn sie sich als fehlerhaft erweisen, sowie unorthodoxe Methoden oder lückenhafte Forschungsergebnisse. Der Begriff der Wissenschaftlichkeit ist mithin weit zu verstehen (BVerfG NJW 1994, 1781f – Jugendgefährdende Schriften). Eine Grenze ist jedoch erreicht, wenn der Wissenschaftlichkeitsanspruch systematisch verfehlt wird, was insb der Fall ist, wenn die Untersuchung nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet ist (Indiz: systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen, welche die Auffassung des Autors in Frage stellen, BVerfG NJW 1994, 1781, 1782 – Jugendgefährdende Schriften; beachte aber BVerfG AfP 2000, 555, 556: ein im Kern als wissenschaftl einzuordnendes Werk unterfällt weiterhin der Wissenschaftsfreiheit, sofern verletzende Äußerungen, die nicht auf eine Wahrheitserkenntnis gerichtet sind, von den übrigen Teilen des wissenschaftl Werks getrennt werden können). 267 2. APR als Schranke der Wissenschaftsfreiheit. Auch wenn die Wissenschaftsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet wird, so ist sie doch nicht schrankenlos (BVerfGE 90, 1, 12 – Weltkriegsschuldfrage; BVerfG NJW 1994, 1781, 1782 – Jugendgefährdende Schriften; Jarass/Pieroth Art 5 GG Rn 131ff; dazu Wenzel/Burkhardt/Peifer Rn 3.36ff), sondern findet in gegenläufigen verfassungsrechtl abgesicherten Rechtspositionen ihre Grenze (BGH NJW 1994, 1281, 1282 – Bilanzanalyse); insb das APR stellt eine starke verfassungsimmanente Schranke dar (vgl BGH NJW 1966, 647, 648 – Reichstagsbrand; NJW 1994, 1281 – Bilanzanalyse; dazu BVerfG NJW 1994, 1784). Auch bei der rechtl Bewertung wissenschaftl Kommunikation ist grds zw wissenschaftl Äußerungen als Tatsachenbehauptungen (zB BGH NJW 1966, 647: Der Betroffene sei am Reichstagsbrand aktiv beteiligt gewesen) und Meinungsäußerungen als wissenschaftl Schlussfolgerung (zB BGH NJW 1978, 751 – Schriftsachverständiger; NJW 1989, 2941 – Attest Nervenarzt; BVerfG NJW 2003, 961 – Äußerungen eines orthopädischen Gutachters) zu unterscheiden. Gutachten von Sachverständigen (s auch Rn 109) und ärztliche Diagnosen können sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Werturteile enthalten; idR ist der Schluss, den der Sachverständige aus seinem Gutachten zieht, jedoch Werturteil und nicht Behauptung einer Tatsache (BGH NJW 1978, 751, 752 – Sachverständigengutachten: im Wesen des Gutachtens liegt, dass es auf der Grundlage bestimmter Verfahrensweisen zu einem Urt kommen will, das, selbst wenn es äußerlich als Tatsachenbehauptung formuliert worden ist, auf Wertungen beruht; NJW 1999, 2736f – Verdachtsdiagnose; LG Köln NJOZ 2009, 4788, 4791 – Psychotherapeutische Diagnose; BGH NJW 1989, 774 – Ärztliche Diagnose: Bewertung, nicht Behauptung einer Tatsache; Ausnahme uU leichtfertige Erteilung eines unrichtigen Attests; BGH NJW 1989, 2941, 2942). Tatsächliche Behauptungen sind grds einer gerichtl Prüfung zugänglich (BGH NJW 1966, 647, 648 – Reichstagsbrand: kein absoluter Schutz wissenschaftl Veröffentlichungen vor negatorischen Ansprüchen); grds nicht geschützt ist zudem die Aufstellung 116
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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unwahrer Tatsachenbehauptungen (BVerfG NJW 1989, 1789; BaRo/Bamberger § 12 Rn 303; MüKo/Rixecker Rn 222 bzgl Gutachten; Staudinger/Hager § 823 Rn C 144 fordert eine Beschränkung auf erwiesen oder unstr unwahre Tatsachenbehauptungen). Zur Haftung gerichtl Sachverständiger nach § 839a s Rn 274. Aber auch wissenschaftl Wertungen und Schlussfolgerungen sind nicht etwa verwehrt, sofern die Persönlichkeitssphäre eines Dritten berührt wird (so auch Staudinger/Hager § 823 Rn C 144); hier ist vielmehr im Einzelfall ein angemessener Ausgleich zu finden (BGH NJW 1994, 1281, 1282 – Bilanzanalyse; bestätigend BVerfG NJW 1994, 1784, 1785: Vorrang des Persönlichkeitsrechtsschutzes, da für den wissenschaftl Lehrzweck die Namensnennung nicht relevant ist; zudem besteht keine ernstliche Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit). Unzulässig ist jedoch reine Schmähkritik (BVerfG NJW 2003, 961; s Rn 254ff). 3. Wissenschaftskritik. Die Kritik an wissenschaftl Leistung kann selbst eine wissenschaftl Tätigkeit sein (zB Gutachten über Habilitationsschrift; VGH Mannheim NVwZ 1991, 184; Karlsruhe NJW 1989, 1360 – Festschrift: der Vorwurf „rechtsradikalen Gedankenguts“ in der Festschrift für einen Richter des BVerfG ist von der Wissenschaftsfreiheit nicht mehr gedeckt). Zum Schutz von tadelnden Urt über wissenschaftl und künstlerische Leistungen nach § 193 StGB s Rn 240; vgl zudem Rn 265. VII. Indemnitätsschutz. Ein Abgeordneter darf wg einer Äußerung, die er im Parlament gemacht hat, nicht zur Verantwortung gezogen werden (Art 46 GG); hiervon ausgenommen sind lediglich verleumderische Beleidigungen (Art 46 I 2 GG). Der Indemnitätsschutz des Art 46 GG wirkt grds ebenfalls ggü zivilrechtl Sanktionen (Jarass/Pieroth Art 46 GG Rn 4); allerdings werden nur Äußerungen erfasst, die im Parlament oder seinen Ausschüssen gemacht wurden bzw dort gemachte Äußerungen wiederholen (Saarbrücken NJW-RR 1994, 184 – Rotlichtaffäre; Stuttgart NJW-RR 2004, 619 – Landtagsfraktion), denn Zweck des Indemnitätsschutzes ist die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der repräsentativen Demokratie. Geschützt sind daher Äußerungen von Abgeordneten, welche die Parlamentsarbeit betreffen (BGH NJW 1982, 2246; LG Hamburg AfP 2007, 384); nicht aber die Weitergabe einer schriftl Parlamentsanfrage an die Presse (BGHZ 75, 384, 387) oder die Äußerungen eines Sachverständigen in einem Hearing (BGH NJW 1981, 2117). Nach Art 42 III GG ist auch jeglicher Rechtsschutz gegen wahrheitsgetreue Berichte über die öffentl Sitzungen des BT ausgeschlossen; ebenso presserechtl Gegendarstellungen. VIII. Äußerungen in privaten Vertrauensbeziehungen. Dem APR ist nach Rspr des BVerfG (NJW 2010, 2937, 2939 – Briefbeschlagnahme) bei Äußerungen ggü Familienangehörigen (Ehegatten, Kinder) und anderen Vertrauenspersonen (eheähnl Lebensbeziehungen, engste Freunde, vgl bspw BVerfG NJW 2007, 1195 – beleidigungsfreier Bereich: Brief eines Strafgefangenen an einen Freund sowie Frankfurt AfP 2019, 166f: „beleidigungsfreie Sphäre“ bei WhatsApp-Nachrichten im engsten Familienkreis) in besonderer Weise Rechnung zu tragen, denn das APR schützt die Möglichkeit des Einzelnen, „seine Emotionen frei auszudrücken, geheime Wünsche oder Ängste zu offenbaren und das eigene Urteil über Verhältnisse oder Personen freimütig kundzugeben“, BVerfG aaO, 1195. Äußerungen, die ggü Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wg ihres ehrverletzenden Gehalts eigentlich nicht schutzwürdig wären, genießen in solchen Vertraulichkeitsbeziehungen verfassungsrechtl Schutz, welcher dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht (vgl BVerfGE 90, 255, 259ff; BVerfG NJW 2010, 2937, 2939 – Briefbeschlagnahme; zum Schutz von beleidigenden Äußerungen innerhalb der Familie vgl auch Düsseldorf NJW 1974, 1250). Diese Grundsätze können jedoch nicht auf eine Gesellschafterversammlung (BGH NJW 1984, 1104 – Kleiner Kreis; BGHZ 89, 198 – Aktionärsversammlung) bzw die Geschäftsstellen einer Großbank erstreckt werden (BGH NJW 1993, 525); ebenfalls kann keine Übertragung auf Äußerungen des Verteidigers ggü seinem Mandanten (BVerfG NJW 2010, 2937, 2939 – Briefbeschlagnahme) erfolgen (vgl auch BVerfG NJW 1994, 1149; NJW 1995, 1015 zu beleidigenden Äußerungen in Briefen von und an Strafgefangene und deren Angehörige sowie Hamburg NJW 1990, 1246 zu beleidigenden Äußerungen ggü dem eigenen Rechtsanwalt). S hierzu auch BVerfG NStZ 2021, 439 – Briefkontrolle von Strafgefangenen. IX. Äußerungen in gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren. 1. Äußerungen in gerichtlichen Verfahren. Ehrschutzklagen gegen Äußerungen oder Bildnisveröffentlichungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem schwebenden Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, sind idR mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (BGH GRUR 2018, 757, 758 – Kindeswohlgefährdung: allerdings ist der besondere Stellenwert des Bildnisschutzes als Ausprägung des APR zu berücksichtigen; handelt es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Privat- oder Intimsphäre, ist ein enger sachl Bezug gerade der Lichtbilder zum Verfahren erforderlich; BGH NJW 2012, 1659 – Äußerung in Gerichtsverfahren und ggü Strafverfolgungsbehörden) – jedenfalls, solange das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist (nach Helle GRUR 1982, 207, 215 sollen auch spätere Schadensersatzansprüche angesichts ihrer potentiell abschreckenden Wirkung auf Äußerungen im Erstverfahren grds ausgeschlossen sein). Der Betroffene kann daher weder Unterlassung noch Widerruf fordern (BVerfG NJW-RR 2007, 840, 841; ebenso Hamm NJW 1992, 1329, 1330; BGH NJW 1987, 3138, 3139 – Rabattverstoß; NJW 1999, 2736 – Verdachtsdiagnose; NJW 2008, 996, 997; 1971, 284; 1962, 243; Celle AfP 2022, 168 – Veterinäramt). Ebenfalls unzulässig ist eine Widerklage auf Unterlassung von Vorwürfen gegen den Kläger und Zeugen vor Entscheidung über die Klage (BGH NJW 1987, 3138, 3140 – Rabattverstoß). Selbst vor Prozessbeginn in einem anderen Verfahren rechtskräftig verbotene Äußerungen werden als Prozessvorbringen angesehen und für zulässig erachtet, Celle NJW-RR 1999, 385 (hinsichtl vorprozessualer Äußerungen in anwaltlichem Schriftsatz vgl LG Berlin NJW-RR 2003, 765). Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen oder die Wahrheit der Äußerung kommt es grds nicht an (Hamm NJW 1992, 1329, 1330). Verfahrensbeteiligte sollen alles, was sie für erforderl halten, vortragen dürfen (BVerfG NJW-RR 2007, 840, 841, ebenso: Hamm NJW 1992, 1329, Klass
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1330; BGH NJW 2008, 996, 997; 2005, 279, 280 – Bauernfang; 1999, 2736 – Verdachtsdiagnose) – nur so kann sichergestellt werden, dass die Äußerungsfreiheit im Prozess sowie die Garantie rechtl Gehörs nicht beschnitten werden (so Düsseldorf NJW 1987, 2522). Dabei ist es auch zulässig, zur plastischen Darstellung der eigenen Position starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, ohne dabei jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen (BVerfG 28.9.2015 – 1 BvR 3217/14), s auch Rn 251a. Mit Urt v 28.2.2012 hat der BGH (NJW 2012, 1659) diese Grundsätze auf Klagen, die der Geltendmachung von Geldentschädigungen dienen, übertragen. 272 Vom Äußerungsprivileg nicht erfasst sind ehrkränkende Äußerungen (Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen), die mit dem Streitgegenstand offensichtlich nichts zu tun haben, Schmähkritik (die Bezeichnung als „geisteskrank“ im Prozess stellt eine unzulässige Schmähung dar, Köln NJW-RR 1992, 1247, allg zur Schmähkritik s Rn 254ff), bewusst falsche oder leichtfertig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, deren Unhaltbarkeit auf der Hand liegt (BVerfG NJW-RR 2007, 840, 841; das Merkmal „leichtfertig“ darf hierbei aber nicht über Gebühr ausgedehnt werden, BVerfG NJW 2000, 199, 200; ähnl auch Bamberg NJW-RR 1999, 322; Koblenz NJW 1990, 1243, 1244; Hamburg ZUM 1996, 792, 797 Rn 295; Celle AfP 2022, 168 – Veterinäramt). Des Weiteren sind Ehrschutzklagen zulässig, wenn die Äußerungen außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung aufgestellt werden (zB ehrverletzende Abhandlung im Rahmen eines Rundschreibens außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung durch einen Rechtsanwalt, BGH NJW 2005, 279, 281 – Bauernfang; NJW 1992, 1314; NJW-RR 1999, 1251ff – fehlender Sachbezug), oder wenn sie keinerlei Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung aufweisen (Hamm NJW-RR 2002, 1196; Bamberg NJW-RR 1999, 322). Ehrschutzklagen sind ebenfalls zulässig, sofern das Verfahren in sittenwidriger Weise als Deckmantel für eine beabsichtigte Ruf- oder Kreditschädigung des Gegners missbraucht wird (Hamm NJOZ 2004, 2129, 2130 – Kreditgefährdung). Diese Privilegierungsgrundsätze finden nicht nur ggü der anderen Partei, sondern auch ggü den am Prozess beteiligten Dritten (Hamm NJW 1992, 1329, 1330; ebenso: BGH NJW 2005, 279, 281 – Bauernfang; Düsseldorf NJW 1987, 2522) sowie ggü Aussagen von Zeugen in einem Strafverfahren sowie bereits zuvor im Ermittlungsverfahren (BGH NJW 1986, 2502, 2503) Anwendung (Düsseldorf NJW 1987, 3268: kein Anspruch auf Unterlassung oder Widerruf einer eidesstattlichen Versicherung des Zeugen, die zur Vorlage in einem gerichtl oder behördl Verfahren bestimmt ist). Ggü nicht am Verfahren beteiligten Dritten ist der zivilrechtl Ehrenschutz ggü Äußerungen ausgeschlossen, sofern deren Verhalten für die Darstellung und Bewertung des Streitstoffs von Bedeutung ist (BGH NJW 2008, 996, 997). Jedoch gilt die Privilegierung nicht, wenn ein Bezug zum Ausgangsrechtsstreit nicht erkennbar ist, die Äußerungen erkennbar falsch sind oder eine unzulässige Schmähkritik vorliegt (BGH NJW 2008, 996, 998); noch offengelassen hatte dies BGH NJW 1986, 2502, 2503; bejaht aber schon Düsseldorf NJW 1987, 2522 mit der notwendigen Gewährleistung rechtl Gehörs (Art 103 I GG). Ausgeschlossen sind Ehrschutzklagen hingegen ebenfalls, soweit es sich um Abwehransprüche gegen widerrechtl erlangte Beweismittel handelt (BGH NJW 1988, 1016, 1016f – Tonbandaufzeichnung). Anspruchsgegner ist idR der Prozessgegner und nicht der verteidigende Anwalt (BVerfG NJW 2003, 3263), denn eine regelmäßige Kontrolle der vom Mandanten mitgeteilten Tatsachen kann berufsrechtl nicht verlangt werden – dieser ist daher nur im Ausnahmefall persönlich verantwortlich, wenn er als Störer oder im Rechtssinn als Verbreiter der Tatsachen erscheint (KG NJW 1997, 2390 – Presseerklärung; vgl auch BGH NJW 2005, 279, 281 – Bauernfang). Grds darf ein Rechtsanwalt bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, Urteilsschelte üben oder „ad personam“ argumentieren, um bspw das Verhalten des Richters zu kritisieren (AnwGH Saarland NJW-RR 2002, 923, 924 – Urteilsschelte: Einstufung eines Urt als „so falsch, dass man sich wundert, dass ausgebildete Juristen an der Rechtsfindung beteiligt waren“, bildet keine mit dem Sachlichkeitsgebot unvereinbare Formalbeleidigung; BVerfG NJW 2014, 3357: Ein Rechtsanwalt, der gegen das „schäbige, rechtswidrige und unwürdige“ Verhalten einer Richterin protestiert und fordert, diese müsse „effizient bestraft werden, um zu verhindern, dass sie „auf eine schiefe Bahn“ gerät, erfüllt die Voraussetzungen einer Schmähkritik nicht, da es sich um eine polemische und überspitzte Kritik im Rahmen einer sachl Auseinandersetzung handelt.). Dies gilt auch für Äußerungen des Rechtsanwalts im Ermittlungsverfahren (BVerfG NJW 2000, 199, 200). Zur Fallgruppe „Kampf ums Recht“ s Rn 251a. 273 2. Äußerungen in sonstigen Verfahren. Die Grundsätze der Äußerungsprivilegierung in gerichtl Erkenntnisverfahren sind übertragbar auf Äußerungen im Verwaltungsverfahren (BGH NJW 2008, 996, 997; Düsseldorf NJW 1972, 644; NVwZ 1998, 435; BGH NJW 1983, 1183), auf unterschiedl Formen von Beschwerden und Eingaben bei öffentlichen Stellen (zB ehrkränkender und rufschädigender Vorwurf eines Mitgliedsbetriebs bei der Kassenärztlichen Vereinigung über einen Arzt, der leichtfertig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen soll, Frankfurt NJW-RR 1994, 416; Äußerungen im Rahmen einer Beschwerde bei dem zuständigen AG über die Amtsführung eines Konkursverwalters, Koblenz NJW-RR 1998, 750, 751; Celle AfP 2022, 168 – Veterinäramt: Beschwerde ggü Polizeipräsidenten, Polizeidirektion und „Beschwerdestelle“ eines Justizministeriums), ebenso auf das Petitionsrecht (wobei bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen weder in Art 17 GG noch in Art 5 I 1 GG eine verfassungsrechtl Rechtfertigung finden, BVerfG NJW 1991, 1475, 1476), auf disziplinäre Ordnungsverfahren eines eingetragenen Vereins (Düsseldorf NJW-RR 1986, 675 – Ausschlussverfahren) sowie auf Äußerungen eines Schiedsrichters des Fußballverbands eV in einem Schiedsrichter-Bericht (LG Karlsruhe NJW-RR 2003, 39, 40). Die Grenzen der Privilegierung (Schmähkritik etc, s Rn 272) finden hier ebenfalls Anwendung (Düsseldorf NVwZ 1998, 435, 436). Nicht übertragbar sind die Grundsätze jedoch auf Äußerungen eines Sachverständigen bei einem Hearing des Bundestags oder Landtags (BGH NJW 1981, 2117, 2118) sowie auf Äußerungen eines Ombudsmanns (LG Bonn NJW 2002, 3260, 3261). Einer Ehrenschutzklage nicht 118
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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entzogen sind bspw ebenfalls Äußerungen des Konkursverwalters in seinem Erstbericht ggü der Gläubigerversammlung (BGH NJW 1995, 397), da der Wahrheitsgehalt der Äußerungen im Konkursverfahren nicht mit einem Anspruch auf Rechtsverbindlichkeit überprüft wird (BGH NJW 1995, 397). 3. Haftung gerichtlicher Sachverständiger. In § 839a findet sich eine Sonderregelung für die Haftung wg vor- 274 sätzlich falsch erstellter Gutachten, welche nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Haftung des Sachverständigen abschließend regeln und mithin die frühere allg Deliktshaftung ersetzen soll (BGH NJW 2006, 1733). Zugleich soll durch § 839a der Unterschied zw der Haftung des beeidigten und des nicht beeidigten gerichtl Sachverständigen beseitigt werden (BT-Drs 14/7752, 28; Staudinger/Wöstmann § 839a Rn 6; Celle DS 2010, 32). Voraussetzung für eine Haftung nach § 839a ist die vorsätzl oder grob fahrlässige Erstellung eines unrichtigen Gutachtens, welches Basis einer gerichtl Entscheidung wird, wodurch ein Schaden entsteht. Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass die bei der Erstellung eines Gutachtens erforderliche Sorgfalt obj in besonders schwerem Maße verletzt, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige nicht beachtet wurde, was jedem Sachverständigen als relevant hätte einleuchten müssen. Zum anderen müssen auch subj Momente hinzukommen, die eine gesteigerte Vorwerfbarkeit begründen (München VergabeR 2009, 106; Hamm DS 2010, 197; kein grob fahrlässiges Handeln des Sachverständigen, wenn die Beurteilung ohne notwendige Gegenüberstellung der Unfallfahrzeuge erfolgte und das Gericht keine Veranlassung gesehen hat, eine weitergehende Begutachtung und Gegenüberstellung zu veranlassen, KG NZV 2007, 462, 463). Zur äußerungsrechtl Bewertung von Gutachten und Aussagen Sachverständigen s ausf Rn 109. 275–276 Einstweilen frei. I. Das Internationale Privatrecht des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Schrifttum: Ahrens, Vermögensrechtliche Elemente postmortaler Persönlichkeitsrechte im Internationalen Privatrecht, FS Erdmann, 2002, 3; Fricke, Der Unterlassungsanspruch gegen Presseunternehmen zum Schutze des Persönlichkeitsrechts im Internationalen Privatrecht, 2003; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsrechtsschutz bei unerlaubter Vermarktung, 2003; v Gerlach, Persönlichkeitsschutz und öffentliches Informationsinteresse im internationalen Vergleich, AfP 2001, 1; Gounalakis, Medienpersönlichkeitsrechte in rechtsvergleichender Sicht, AfP 2001, 271; Heiderhoff, Eine europäische Kollisionsregel für Pressedelikte, EuZW 2007, 428; Heldrich, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internationalen Privatrecht, FS Zajtay, 1982, 215; Looschelders, Persönlichkeitsschutz in Fällen mit Auslandsberührung, ZVglRWiss 95 (1996) 48; Spindler, Kollisionsrecht und internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet – die eDate-Entscheidung des EuGH, AfP 2012, 114; Vogel, Das Medienpersönlichkeitsrecht im internationalen Privatrecht: eine Untersuchung zur Harmonisierung der Kollisionsnormen in Europa, 2014; Wagner, Das deutsche internationale Privatrecht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 1986, Wagner, Zur Anknüpfung der Frage nach dem Bestehen von Persönlichkeitsrechten im außervertraglichen Schuldrecht, JZ 1993, 1034.
Das dt IPR hält weder auf staatsvertragl Ebene noch im autonomen Recht spezielle Kollisionsnormen für Verlet- 277 zungen des APR bereit. Ansprüche aus Verletzungen des APR unterstehen bei Sachverhalten mit Auslandsberührung daher grds dem Deliktsstatut (BT-Drs 14/343, 10; BGH NJW 1998, 2141, 2142; Oldenburg NJW 1989, 400, 401; vgl auch die Bereichsausnahme in Art 1 II lit g Rom II-VO, wonach außervertragl Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte einschl der Verleumdung aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind, s hierzu auch BGH NJW 2012, 148, 2197, 2198 sowie BGH ZUM-RD 2020, 186, 188 – Fitnessstudio, mit Blick auf das Unternehmenspersönlichkeitsrecht: die Beeinträchtigung des Ansehens jur Personen unterfällt Art 40 EGBGB; lediglich die Anknüpfung des Gegendarstellungsanspruchs ist umstr, hierzu MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 89ff), welches ebenfalls Bestehen und Inhalt des APR regelt (Hamburg UFITA 60, 1971, 322, 327). Nach den allg Regeln gilt auch bei Verletzungen des APR das Ubiquitätsprinzip. Grundanknüpfungsmoment ist der Tatort gem Art 40 I EGBGB. Nach Art 40 I 1 EGBGB ist grds an den Handlungsort anzuknüpfen. Der Verletzte kann gem Art 40 I 2 EGBGB aber auch die Anwendung des Rechts verlangen, in dessen Staat der Erfolg eingetreten ist. Vorrangige Berücksichtigung vor der Tatortregel gem Art 40 I EGBGB haben jedoch die nachträgl Rechtswahl (Art 42 EGBGB) und die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnl Aufenthalt der Parteien (Art 40 II EGBGB). Der Anwendungsbereich der Ausweichklausel nach Art 41 EGBGB ist gering (Sonnenberger, FS Henrich, 2000, 579; unten Art 41 EGBGB Rn 2). Wie nach der Tatortregel der Handlungs- und der Erfolgsort zu bestimmen sind, ist umstr. Allg wird als Hand- 277a lungsort der Ort bezeichnet, an dem die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung mit Außenwirkung vorgenommen wurde (BGH NJW 1977, 1590f; 1996, 1128 – CvM IV). Aufgrund der bei Pressedelikten typischerweise bestehenden Vielzahl von Teilabschnitten bereitet die eindeutige Bestimmung der unerlaubten Handlung und damit des maßgebl Handlungsortes jedoch Schwierigkeiten (Herresthal in Götting/Schertz/Seitz, § 54 Rn 12). Nach überwiegender Meinung erfolgt die Anknüpfung bei Pressedelikten an den juristischen bzw realen Sitz des Verlags (Ehmann/Thorn AfP 1996, 20, 23; Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 58) oder an den Erscheinungsort (BGH NJW 1977, 1590; 1996, 1128; Hamburg AfP 1998, 643), wobei Verlagssitz und Erscheinungsort regelmäßig übereinstimmen (MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 74). Für Fernsehund Rundfunkdelikte liegt der Handlungsort am Ausstrahlungsort (München NJW 2004, 224, 226; Grü/Thorn Art 40 EGBGB Rn 10) oder am Sitz der entspr Anstalt (Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 58; MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 74). Bei Briefdelikten ist der Handlungsort der Absendeort (Staudinger/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58). Bei Internetdelikten ist ebenfalls Art 40 EGBGB maßgeblich, insb hat das in Art 3 II E-Commerce-RL niedergelegte Herkunftslandprinzip keinen Einfluss auf die Anknüpfung von APRVerletzungen (s hierzu EuGH eDateAdvertisingGmbH/X, C-105/09 und Martinez/MGN Limited, C-161/10, EuZW 2011, 962 sowie BGH ZUM 2012, 675 – Sedlmayer sowie BGH ZUM-RD 2020, 186, 188 – Fitnessstudio: Klass
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§ 3 II TMG ist keine Kollisionsnorm, sondern sachrechtl Beschränkungsverbot); grds muss hier zw der Autorenschaft und der Informationsverbreitung unterschieden werden. Der Netzbetreiber handelt am Sitz (MüKo/ Junker Art 40 EGBGB Rn 75; Staudinger/v Hoffmann Neub. 2001, Art 40 EGBGB Rn 58) oder am Standort des Servers bzw des Providers (BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 40). Der Autor hingegen handelt an dem Ort, an welchem die Information zur Einspeisung in das Netz abgesandt wurde (LG Düsseldorf NJw-RR 1998, 979, 980; MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 75; Bachmann IPrax 1998, 179, 182; Mankowski RabelsZ 63, 203, 257ff; v Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, 61ff; Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 58; BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 40), am Standort des Servers (LG Düsseldorf NJW-RR 1998, 979) oder am Sitz des Einspeisenden (Lütcke, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, 128f). Als Absendeort wird widerleglich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Autors vermutet (Mankowski RabelsZ 63, 203, 265f; v Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, 77, 221). 277b Vorbereitungshandlungen ohne jegliche Außenwirkung, wie das Anfertigen von Fotos (Oldenburg NJW 1989, 400, 401; MüKo/Junker 7. Aufl 2018, Art 40 EGBGB Rn 76) oder der Druck einer Zeitung (Staudinger/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58; MüKo/Junker 7. Aufl 2018, Art 40 EGBGB Rn 76; BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 38), bleiben für die Anknüpfung außer Betracht (Herresthal in Götting/Schertz/Seitz, § 54 Rn 12); das Erstellen einer Website ist eine Vorbereitungshandlung (MüKo/Junker 7. Aufl 2018, Art 40 EGBGB Rn 76; Bachmann IPrax 1998, 179, 182; Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 58; aA Mankowski RabelsZ 63, 203, 262); allerdings wird die Grenzziehung zw Vorbereitungshandlungen und tatbestandlichen Ausführungshandlungen nicht immer einheitlich vorgenommen. Eine Anknüpfung an den Handlungsort wird daher bejaht, wenn nach dem Ortsrecht die Handlung bereits als Verletzung des APR angesehen wird, zB bei heimlichen Fotoaufnahmen (MüKo/Junker 7. Aufl 2018, Art 40 EGBGB Rn 76). 277c Gem Art 40 I 2 EGBGB kann der Verletzte auch verlangen, dass das Recht des Erfolgsorts angewendet wird – Erfolgsort ist nach hM jeder Verbreitungs- bzw Ausstrahlungsort (BGH NJW 1996, 1128 – CvM IV: im Interesse der Vorhersehbarkeit ist jedoch die bestimmungsgemäße Verbreitung erforderlich; Düsseldorf NJW-RR 2009, 701; Herresthal in Götting/Schertz/Seitz, § 54 Rn 15 mwN). Trotz der Einschränkung der Erfolgsorte auf die für den Verletzer vorhersehbaren Verbreitungsorte kann der Verletzungserfolg in mehreren Rechtsordnungen gleichzeitig eintreten (Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 59; MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 82; Wagner RabelsZ 62, 243, 277), wodurch sich das Problem einer Vielzahl von Erfolgsorten ergeben kann. Die Wahl des günstigsten Erfolgsortrechts (Günstigkeitsprinzip) für den Geschädigten kann nicht überzeugen, denn sie würde zu einer willkürlichen Bevorzugung führen (Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 60; Ehmann/Thorn AfP 1996, 20, 23) und in Widerspruch zur Prozessökonomie stehen (Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 60; so aber Spickhoff IPrax 2000, 1, 5; Wagner, 78ff). Rspr und Teile der Lit favorisieren daher die sog Mosaikbetrachtung, wonach jedes Erfolgsortrecht lediglich über die in seinem Gebiet erfolgte Verletzung des APR entscheidet (Hamburg NJW-RR 1995, 790, 792; Hillgenberg NJW 1963, 2198, 2200; Looschelders ZVglRWiss 95, 48, 81f; Mankowski RabelsZ 63, 203, 269ff; Stoll, GS Lüderitz, 2000, 749f). Dies entspricht in weiten Teilen auch der st Rspr des EuGH zur internationalen Zuständigkeit (Art 7 Nr 2 VO (EU) Nr. 1215/2012; EuGH NJW 1995, 1881; Grü/Thorn Art 40 EGBGB Rn 10) und insb den Vorgaben des Printprodukte betreffenden EuGH-Urt NJW 1995, 1881ff („Shevill“), wonach – iS eines „kollisionsrechtl Gleichlaufs“ (BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 39) – das Erfolgsortrecht nur insoweit Anwendung findet, als das APR dort verletzt wurde – insoweit kann der Teilschaden eingeklagt werden; der Gesamtschaden kann hingegen nur nach dem Recht des Handlungsortes eingefordert werden. 277d In seinen Entscheidungen eDateAdvertising GmbH/X (C-105/09) und Martinez/MGN Limited (C-161/10), EuZW 2011, 962, schlug der EuGH jedoch – zumindest für Internetsachverhalte – einen anderen Weg ein und stellt fest, dass eine Person, die sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt, die Möglichkeit hat, entweder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber der streitgegenständlichen Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten desjenigen Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen (was idR der Ort des gewöhnl Aufenthalts sein wird) befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben, wodurch sich die Rechtsposition des Geschädigten im Fall von Internet-Rechtsverletzungen deutlich verbessert und eine Verteilung der Ansprüche vermieden werden kann; einschränkend jedoch EuGH ZUM 2021, 839, 842 Rn 36ff – Mittelbayerischer Verlag KG/S.M. für Fälle, in denen „der Inhalt keine objektiven und überprüfbaren Elemente enthält, anhand derer sich die betroffene Person unmittelbar oder mittelbar individuell identifizieren lässt“. Und auch jur Personen, die durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt wurden, können mit Blick auf Art 7 Nr 2 VO (EU) Nr 1215/2012 Klagen auf Richtigstellung der Angaben, auf Verpflichtung zur Entfernung der Kommentare und auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen (Ort, an dem das geschäftliche Ansehen der jur Person am gefestigtsten ist und an dem sie den wesentlichen Teil ihrer wirtschaftl Tätigkeit ausübt, EuGH 17.10.2017 – C-194/16 – Bolagsupplysningen OÜ ua/Svensk Handel AB) befindet. Ein auf die Richtigstellung von Angaben und die Entfernung bestimmter Inhalte gerichteter Antrag einer nat Person ist jedoch einheitlich und untrennbar und kann damit nur bei einem Gericht erhoben werden, das für die Entscheidung über den Antrag auf Ersatz des gesamten Schadens zuständig ist, und nicht bei einem Gericht, das nicht über eine solche Zuständigkeit verfügt (EuGH 17.10.2017 – C-194/16 – Bolagsupplysningen OÜ ua/Svensk Handel AB. Hierin liegt jedoch keine Aufgabe der Mosaiklösung, denn der Betroffene kann ne120
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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ben einer Klage auf Anordnung der Richtigstellung von Angaben sowie Entfernung verunglimpfender Inhalte durchaus noch (Mosaik-)Schadensersatzbegehren vor den Gerichten jedes Mitgliedstaates geltend machen, in dessen Hoheitsgebiet die Äußerungen zugänglich waren oder sind, EuGH EuZW 2022, 223, 226 Rn 43 – Gtflix Tv/DR. Die durch eine Mosaikbetrachtung bedingte unbefriedigende Parzellierung der Ansprüche sehen auch einige Vertreter in der Lit krit, weshalb sie jenen Ort als maßgebl Erfolgsort ansehen, an welchem schwerpunktmäßig der Verletzungserfolg eingetreten ist; dies ist bei Verletzung des APR typischerweise der gewöhnl Aufenthaltsort des Trägers des verletzten Rechtsguts (Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 61; G. Wagner RabelsZ 62, 243, 277; Hohloch ZUM 1986, 165, 178f; Ehmann/Thorn AfP 1996, 20, 23). In Ausnahmefällen kann aber auch die Ausweichklausel (Art 41 EGBGB) oder die ordre public-Klausel (Art 6 EGBGB) gelten (Staudinger/v Hoffmann Neubearb 2001, Art 40 EGBGB Rn 62). Auch im Bereich des postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutzes ist auf die allg Kollisionsnormen zurückzugreifen. Zur Behandlung des Unterlassungsanspruchs im IPR ausf Fricke, Der Unterlassungsanspruch 2003; zu sonstigen Abwehr- und Schadensersatzansprüchen vgl Herresthal in Götting/Schertz/Seitz, § 54 Rn 86ff. Die intern gerichtl Zuständigkeit für eine Verletzung des APR ergibt sich aus den allg Regeln des dt intern Zivilprozessrechts (hierzu ausf Götting/Schertz/Seitz, § 55 sowie BGH ZUM 2012, 675 – Sedlmayr: Mittelpunkt der Interessen maßgeblich). J. Rechtsfolgen. I. Auskunftsanspruch. Die Rspr gewährt dem Betroffenen zur Vorbereitung und Durchsetzung seiner persönlichkeitsrechtl Ansprüche einen unselbständigen Anspruch auf Auskunft (BGH NJW 1962, 731; 1981, 675 – Scientology; München NJW-RR 1996, 93, 95 – Tauffoto; BGH NJW 2000, 2195, 2196 – Blauer Engel; LG Köln ZUM-RD 2013, 340, 343), der dem Betroffenen dazu dient, sich Informationen über die Beteiligung sowie über Art und Umfang einer Beeinträchtigung zu verschaffen, ohne ihm die Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen abzunehmen (BGH NJW 1980, 2801, 2807 – Medizinsyndikat III, lehnt jedoch das Auskunftsbegehren des Betroffenen, ob und bei welcher Gelegenheit und ggü welchen weiteren Personen eine unerlaubte Handlung begangen wurde, ab; s aber LG Aschaffenburg NJW 2012, 787, 788: Anspruch auf Auskunft, welche Vervielfältigungen von Fotos, die eine Patientin während einer Brust-OP zeigen, existieren, wo sich diese befinden und wem ggü diese zugänglich gemacht wurden). Nicht ausreichend ist der reine Verdacht einer Rechtsgutsverletzung; vielmehr muss Grund zur Annahme bestehen, dass der Betroffene die unwahre Behauptung nicht nur ggü dem Betroffenen, sondern auch ggü anderen Personen aufgestellt hat (BGH NJW 1962, 731). Ein Auskunftsanspruch besteht trotz des reinen Abwehrcharakters auch bei einer auf Unterlassung und Beseitigung gerichteten Haftung des Störers (LG Berlin ZUM 2006, 430, 431) sowie im Bereich der Amtshaftung (BGH NJW 1981, 675 – Scientology). Vom Anspruch umfasst ist die Auskunft über den Umfang einer Rechtsverletzung (BGH NJW 1965, 29, 33 – Flugblätter; vgl aber BGH NJW 1980, 2801, 2807 – Medizinsyndikat III: der Verbreitungsumfang eines Buches ist dem Betroffenen grds bekannt) sowie die Identität der Quelle. Hierbei ist grds die Vertraulichkeit zw Presse und Informanten zu beachten, jedoch besteht kein absoluter Schutz der Vertraulichkeit journalistischer Arbeit, sodass stets eine einzelfallbezogene Güterabwägung zw dem Geheimhaltungsinteresse und dem Auskunftsanspruch vorzunehmen ist (BVerfG NJW 1999, 2880 – Holst; zur Zusammenarbeit zw Staat und Bürger in steuerl Angelegenheiten VerfGH Rh-Pf NJW 1999, 2264, 2265 – Steuerhinterziehung). Der Auskunftsanspruch kann auch ggü Dritten entstehen, allerdings besteht kein eigenständiger und umfassender Drittauskunftsanspruch auf Herausgabe der für die Portalnutzung erforderlichen Anmeldeund Nutzerdaten gegen den Portalbetreiber. § 21 II TTDSG sieht zwar einen Auskunftsanspruch bzgl der Bestandsdaten zur Durchsetzung zivilrechtl Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte vor (s BGH ZUM 2022, 480; Taeger/Gabel/Ettig, § 21 TTDSG Rn 3–5), nicht jedoch bzgl der Nutzerdaten, ausf Rn 90e. II. Unterlassungsanspruch. 1. Anspruchsgrundlage. Der Unterlassungsanspruch, mit dem einer drohenden rechtswidrigen Verletzung des APR begegnet werden kann, ist ein quasinegatorischer Anspruch, den der Betroffene entspr §§ 12, 862, 1004 geltend machen kann (BVerfG NJW 2006, 207, 208 – IM-Sekretär; LG Essen ZUM-RD 2006, 183, 184; MüKo/Raff § 1004 Rn 37). In Konfliktsituationen mit den Medien ist er neben dem Gegendarstellungsanspruch der am häufigsten geltend gemachte Anspruch (Damm/Rehbock Rn 796; MüKo/ Rixecker Rn 325). Als vorbeugender Unterlassungsanspruch kann er eingesetzt werden, um zu verhindern, dass eine bestimmte Handlung überhaupt vorgenommen, eine Äußerung überhaupt veröffentlicht wird, während der nachträgl Unterlassungsanspruch verhindern soll, dass eine Verletzungshandlung wiederholt wird. Der Unterlassungsanspruch ist ein höchstpersönl Anspruch und damit weder übertragbar (dazu BGH NJW 1981, 1089, 1094 – Der Aufmacher I; NJW 1990, 1986, 1987 – Emil Nolde) noch veräußerlich (BGH NJW 2000, 2195, 2197 – Marlene Dietrich); eine gewillkürte Prozessstandschaft ist daher grds ausgeschlossen (die Rspr erkennt jedoch Ausnahmen an: möglich ist daher zB die Übertragung von Verwertungsrechten an Verwertungsgesellschaften, welche in der Folge berechtigt sind, einen Unterlassungsanspruch im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen, BGH NJW-RR 1987, 231, 232 – Nena). Nach dem Tod kann der Unterlassungsanspruch jedoch von den Erben oder nahen Angehörigen des Verstorbenen geltend gemacht werden (BGH NJW 1990, 1986, 1987 – Emil Nolde; BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Werbekampagne mit blauem Engel; BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel; NJW 2000, 2195, 2197 – Marlene Dietrich I; NJW 2002, 2317, 2318 – Marlene Dietrich II; vgl auch Damm/ Rehbock Rn 797). 2. Anspruchsvoraussetzungen. a) Rechtswidrige Verletzung oder Gefährdung des APR. Der Unterlassungsanspruch setzt eine rechtswidrige, nicht aber eine schuldhafte Verletzung oder Gefährdung des APR voraus. Klass
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Personen
Diese kann in einer Ehrverletzung, einer unbefugten Verbreitung von privaten oder intimen Informationen, der Veröffentlichung von Bildnissen, der unbefugten Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen, in einer Belästigung oder einer sonstigen das APR verletzenden Handlung bestehen (zum Schutzbereich des APR s Rn 94ff). Im Bereich des Äußerungsrechts ist grds das Vorliegen einer unwahren Tatsachenbehauptung erforderl zur Beurteilung mehrdeutiger Äußerungen s Rn 111ff, wobei nicht jede unwahre Behauptung einen Unterlassungsanspruch auslösen kann (nach BGH NJW 2006, 609, 610 – EM.TV liegt bei unwesentlichen Abweichungen von der Wahrheit, die weder die Privat- noch die Geheim- oder Intimsphäre des Betroffenen betreffen, bereits keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor). Ggü Meinungsäußerungen ist der Unterlassungsanspruch grds unzulässig, es sei denn, es liegt eine Schmähkritik vor (BVerfG NJW 1991, 95, 96 – Zwangsdemokrat; vgl auch Koblenz BeckRS 2013, 06299 mwN). Kein Unterlassungsanspruch besteht jedoch mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses (BGH NJW 2005, 279, 281 – Foris) bei ehrkränkenden Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, zur grds Behandlung von Äußerungen in gerichtlichen Verfahren s Rn 271ff. 281 Kasuistik: Ein Unterlassungsanspruch besteht auch bei (grds erlaubten) krit Äußerungen über eine Abtreibungspraxis unter namentl Nennung des Arztes, wenn dadurch die legale ärztl Tätigkeit beeinträchtigt wird (BGH NJW 2005, 592, 593); nicht jedoch gegen einen wahren Bericht über weniger schwerwiegende Straftaten/Ordnungswidrigkeiten (vgl BGH NJW 2006, 599); das Herstellen von Filmaufnahmen über eine Person zur journalistischen Recherche kann zwar einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen, ein Unterlassungsanspruch kommt aber nicht in Betracht, wenn keine Verbreitungsabsicht besteht (LG Essen ZUM-RD 2006, 183, 185). Zur Nichterweislichkeit einer abträglichen Tatsachenbehauptung im äußerungsrechtl Unterlassungsverfahren BVerfG GRUR-Prax 2016, 412 – Doping-Vorwurf. 282 b) Begehungs- und Wiederholungsgefahr. Der vorbeugende Unterlassungsanspruch, der sich gegen eine künftige Verletzungshandlung richtet, setzt eine Begehungsgefahr voraus, für die der Kläger grds darlegungsund beweispflichtig ist. Begehungsgefahr liegt vor, wenn ein Rechtsverstoß zwar noch nicht erfolgt ist, aber in nicht allzu ferner Zukunft ersichtlich droht und sich die Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so greifbar abzeichnet, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtl Gesichtspunkten möglich ist (BGH NJW 1992, 2292, 2294 – Nicola; NJW 1990, 2469, 2470 – Anzeigenpreis II; Karlsruhe NJW 2006, 617, 618 – Bunte; LG Essen ZUM-RD 2006, 183, 184; MüKo/Rixecker Rn 328), was jedoch aufgrund der Eingriffsstärke idR nur in Ausnahmefällen dargelegt und bewiesen werden kann (BVerfG NJW 1973, 1226 – Lebach I; BGH NJW 1975, 1882, 1884 – Geist von Oberzell; LG Essen ZUM-RD 2006, 183, 184), weshalb der vorbeugende Unterlassungsanspruch nur selten geltend gemacht und durchgesetzt wird (Damm/Rehbock Rn 804). Nicht ausreichend für die Begründung einer Begehungsgefahr sind jedenfalls bloße Recherchen, da dies zu einer erhebl Beeinträchtigung der Presseund Meinungsfreiheit führen würde (Frankfurt NJW-RR 2003, 37). Keine Erstbegehungsgefahr besteht auch dann, wenn lediglich behauptet wird, der Antragsgegner „werde demnächst rufschädigende unwahre Tatsachenbehauptungen“ über den Antragsteller aufstellen (Dresden AfP 2021, 358, 359) oder wenn der Anlass, aus dem die Bildnisse veröffentlicht werden sollten, weggefallen ist (LG Heidelberg ZUM-RD 2016, 385, 387). Eine Erstbegehungsgefahr kann aber nicht allein deshalb verneint werden, weil der Beitrag redaktionell noch nicht abgenommen ist, Dresden ZUM-RD 2021, 637, 638. Der Anspruch auf Unterlassung nach der Verletzung des APR besteht nur dann, wenn eine Wiederholungsgefahr und damit die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen vorliegt (materielle Anspruchsvoraussetzung: vgl BGH NJW 2013, 1681, 1683; 2005, 594, 595; GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf; NJW 1994, 2096 – Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst; NJW 1987, 3251, 3253). Es muss also eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten sein (BGH NJW 2005, 594, 595; LG Essen ZUM-RD 2006, 183, 184). Der Betroffene muss jedoch lediglich substantiiert darlegen, wann, wie, in welcher Art und Weise und mit welchen Mitteln rechtswidrig in seine Rechtsgüter eingegriffen wurde. Die konkrete Gefahr einer künftigen, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzenden Tathandlung wird vermutet, wenn ein rechtswidriger Eingriff in das APR stattgefunden hat (Karlsruhe NJW 2006, 617, 618 – Bunte; BGH GRUR 1994, 913, 915 – Namensliste; NJW 1994, 1281, 1282 – Jahresabschluss; NJW 1986, 2503, 2505; NJW 1954, 1682 – Constanze II; München ZUM 2003, 870 – Esra; s auch BGH ZUM 2022, 311 sowie ZUM 2021, 1037 – Betrieb eines Blogs als Nötigungsmittel: Im erfolgten Betrieb des Blogs liegt die Erstbegehungsgefahr, die eine Vermutung für die Wiederholungsgefahr begründet). Stellt sich jedoch erst nachträgl die Unwahrheit einer Äußerung heraus, die seinerzeit durch die Wahrnehmung berechtigten Interesses gerechtfertigt war, begründet dies keine Wiederholungsgefahr. Zwar kann auch die Wiederholung einer ursprünglich rechtmäßigen Behauptung nach Feststellung ihrer Unwahrheit rechtswidrig sein, doch muss in diesem Fall die Erstbegehungsgefahr konkret festgestellt werden. Nur dann, wenn bereits ein rechtswidriger Eingriff erfolgt ist, besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (BGH NJW 1987, 2225, 2227; 1986, 2503, 2504f; BVerfG NJW 1969, 227, 228; 1999, 3326, 3328). An die Widerlegung der Vermutung werden hohe Anforderungen gestellt (BGH GRUR 1964, 33, 35 – Bodenbeläge; NJW 1994, 1281, 1282 – Jahresabschluss; nach BGH NJW 1954, 1682 – Constanze II reicht das Versprechen, die beanstandete Handlung in Zukunft zu unterlassen, nicht aus; nicht ausreichend ist ebenfalls, dass tatsächliche Entwicklungen einen neuen Eingriff unwahrscheinlich machen, BGH GRUR 1994, 913, 915 – Namensliste; München ZUM 2003, 870, 871 – Esra). Die Vermutung kann idR nur dadurch ausgeräumt werden, dass der Unterlassungsanspruch anerkannt, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung unterzeichnet wird (BGH NJW 1994, 1281, 1284; Dresden AfP 2011, 189; München ZUM 2003, 870, 871 – Esra; zur Reichweite einer vertragl vereinbarten Unterlassungsverpflichtungs122
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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erklärung s BGH NJW 2015, 1246 – RSS-Feed; NJW 2009, 2823, 2824 – Verletzungsform sowie zu den strengen Voraussetzungen, bei deren Vorliegen vom Erfordernis der Abgabe abgesehen werden kann, Frankfurt ZUM-RD 2015, 98, 99; s auch BGH ZUM 2019, 867 zur Unterlassungsverpflichtungserklärung ggü einem Drittem), der Störer durch sein Verhalten die Wiederholungsgefahr ausgeräumt hat (BGH NJW 1994, 1281, 1283 – Jahresabschluss; Köln AfP 1989, 764: durch freiwillige Veröffentlichung einer Richtigstellung; Köln AfP 1993, 744: durch erneute Berichterstattung, aus der hervorgeht, dass sich die Behauptungen als falsch erwiesen haben; s auch BGH ZUM-RD 2021, 461, 463f: keine Wiederholungsgefahr im Falle einer persönlichkeitsrechtsverletzenden redaktionellen Anmerkung zu einer Gegendarstellung), oder der Eingriff durch eine einmalige, nicht wiederholbare Sondersituation veranlasst war (BGH ZUM 2018, 440, 442 – Seniorpartner; NJW 1994, 1281 – Heberger Bau). Nach Stuttgart ZUM 2015, 1009, 1011 entfällt die Wiederholungsgefahr auch dann, wenn im Fall einer mehrdeutigen Äußerung eine nicht nur entfernt liegende Deutungsvariante ggü dem Betroffenen klargestellt wird. S hierzu auch Hamburg NJW-RR 2019, 1059. Im Falle einer Drittunterwerfung ist trotz des hochstpersönlichen Charakters des APR stets zu prüfen, ob die Unterlassungsverpflichtungserklärung geeignet erscheint, den Verletzer wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzung abzuhalten, BGH GRUR 2019, 431 – heimliches romantisches Treffen; s auch Hamburg ZUM-RD 2020, 593. Grundvoraussetzung für die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr ist jedenfalls, dass diese den geltend gemachten Unterlassungsanspruch inhaltl voll abdeckt, bleibt sie dahinter zurück, wird die Wiederholungsgefahr nicht entkräftet, BGH GRUR 2019, 431, 433. S auch Dresden ZUM-RD 2022, 76: wenn ein Post in sozialen Medien nach automatischer, algorithmusbasierter Löschung sofort wieder eingestellt wird. 3. Umfang des Unterlassungsanspruchs. Der Unterlassungsanspruch muss sich auf die konkret drohende Ver- 283 letzungshandlung beziehen; er umfasst grds nur einen bestimmten Sachverhalt (KG NJW-RR 2007, 47). Ändert sich dieser, bspw durch das Hinzutreten neuer Tatsachen, so ist der neue Sachverhalt vom Unterlassungsgebot nicht erfasst (Köln NJW-RR 1993, 870; Unterlassungsgebot verletzt, wenn Gegenstand nur ein Teilausschnitt war, Folgeberichterstattung aber gesamtes Foto umfasst, Frankfurt ZUM-RD 2019, 260f – G20 Gipfel). Nicht möglich ist es daher auch im Bereich der Bildberichterstattung, mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage über die konkrete Verletzungsform hinaus eine ähnl oder „kerngleiche“ Bildberichterstattung für die Zukunft zu verbieten, es sei denn, die Verbreitung ist an sich schon unzulässig, weil etwa die Intimsphäre tangiert ist (BGH NJW 2008, 1593 – Kerngleiche Berichterstattung; NJW 2009, 2823 – Andrea Casiraghi; NJW 2010, 1454 – Sohn von Franz Beckenbauer; Düsseldorf AfP 2010, 182 – Fernsehaufnahmen). Von diesem Grundsatz ist auch dann nicht abzuweichen, wenn es um die Abbildung von Kindern und Jugendlichen geht und das Presseorgan bereits mehrfach Bildnisse ohne die entspr Einwilligung veröffentlicht hat (BGH ZUM 2010, 262, 263 – Tochter von Franz Beckenbauer), denn auch wenn der Schutzbereich des APR hier eine Verstärkung durch Art 6 I, II GG erfährt, ist eine Abwägung zw dem APR und der Meinungs- und Pressefreiheit nicht entbehrlich. Grds besteht immer nur ein Anspruch auf Unterlassung derjenigen Äußerung, durch die in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingegriffen wird (zB Verbot einzelner Textstellen in einem Theaterstück). Handelt es sich um Bücher (BGH GRUR 2008, 931 – Esra; BVerfG NJW 2008, 39 – Esra; BGHZ 50, 133 – Mephisto), Theaterstücke (BGH NJW 1995, 1882 – Geist von Oberzell), Filme (Hamburg AfP 1975, 916) oÄ, kann die konkrete Äußerung jedoch so mit der Gesamtdarstellung verbunden sein, dass nur ein Gesamtverbot in Betracht kommt – maßgeblich ist hier eine Abwägung im Einzelfall; es darf grds kein schonenderes Mittel zur Verfügung stehen (BGH NJW 1975, 1882, 1885 – Geist von Oberzell; NJW 1968, 1773, 1777 – Mephisto: Wiederveröffentlichung mit Vorwort des Verlegers als schonenderes Mittel; MüKo/Rixecker Rn 320). Grds ist die Beschreibung des zu unterlassenden Verhaltens einerseits weit genug zu fassen, sodass der Umfang des Unterlassungsanspruchs abgedeckt ist; „andererseits darf der Unterlassungsanspruch nicht so weit gefasst sein, dass dadurch dem Schuldner auch solche Verhaltensweisen untersagt werden, für die ein Unterlassungsanspruch nicht gegeben ist“ (Hamburg ZUM 2013, 682). Bei Äußerungsdelikten kann der Unterlassungsanspruch nicht nur bzgl offen aufgestellter Behauptungen, son- 284 dern auch hinsichtl unwahrer Behauptungen oder ehrkränkender Beschuldigungen, die im Gesamtzusammenhang offener Einzelaussagen versteckt zw den Zeilen stehen, geltend gemacht werden (BGH NJW 1980, 2801, 2803 – Medizinsyndikat III: zum Aufstellen unwahrer Behauptungen in einem Sachbuch, die sich erst durch das geschickte Zusammenspiel von Auslassungen, missverständlichen Formulierungen und der Kombination falscher Sinnzusammenhänge und Kapitelüberschriften ergeben; MüKo/Rixecker Rn 320). Unzulässig und mit Art 5 GG nicht zu vereinbaren ist aber eine Sinninterpretation, die lediglich auf die bloße Möglichkeit abhebt, dass der Leser Zusammenhänge für versteckte Behauptungen herstellt, die der beanstandete Text jedoch nicht mit hinreichender Klarheit hergibt (BGH NJW 1980, 2801, 2803 – Medizinsyndikat III). Verlangt werden kann zudem auch das Verbot der andeutungsweisen Aufstellung bestimmter tatsächlicher Behauptungen (BGH AfP 1968, 55). Ist Gegenstand der Äußerung eine ehrverletzende Meinungsäußerung, darf mit Blick auf die verfassungsrechtl garantierte Meinungsfreiheit aber nur die wörtliche Wiedergabe untersagt werden (BVerfGE 42, 143, 151 – Deutschland-Stiftung I). Mit Blick auf den Umfang stellt BGH NJW 2823, 2824 – Verletzungsform fest, dass ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot nicht nur dann greift, wenn der Presseartikel wortgleich wiederholt wird, sondern auch dann, wenn die mitgeteilten Informationen sinngemäß ganz oder teilw Gegenstand einer erneuten Berichterstattung unter Beifügung des zu beanstandenden Fotos sind. S auch BGH GRUR 2022, 1245 – Verletzungsunterlassungsanspruch: zu Aussagen, die der Kläger der Äußerung des Beklagten nach eigener Interpretation entnehmen zu können meint. Klass
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4. Veröffentlichung der Unterlassungsverpflichtung. Nach der Rspr des BGH kann dem Betroffenen bei rufschädigenden Meinungsäußerungen auf negatorischer und deliktischer Grundlage ein Anspruch auf Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung des Verletzers zustehen, „wenn die unzulässige Meinungsäußerung öffentl erfolgt ist und die Publikation der Unterwerfungserklärung zur Beseitigung der noch andauernden Folgen der Äußerung für das Ansehen des Verletzten erforderlich ist“ (so Leitsatz BGH NJW 1987, 1400 – Oberfaschist; BGH GRUR 1956, 558, 863 – Regensburger Karmelitengeist; NJW 1967, 675, 677 – Spezialsalz; MüKo/Rixecker Rn 332). 5. Darlegungs- und Beweislast. Grds hat der Kläger die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, welche die Verletzung des APR begründen (vgl Schlosser JZ 1963, 309). Steht jedoch eine ehrenrührige Äußerung in Streit, muss der Störer seine Behauptungen so substantiiert darlegen, dass dem Kläger der Beweis der Unwahrheit möglich ist (ausf hierzu Damm/Rehbock Rn 826; Wanckel NJW 2009, 3353, 3355; BGH NJW 1974, 1710, 1711 – Arbeitsrealitäten; NJW 1975, 89, 92 – Brüning I; BVerfG NJW 2006, 207, 209 – IM-Sekretär). 6. Aktiv- und Passivlegitimation, vgl ausf Rn 84ff. Aktiv legitimiert ist derjenige, der individuell und unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist oder eine Beeinträchtigung zu befürchten hat; nicht anspruchsberechtigt ist der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen nur mittelbar Belastete, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren sind (BGH NJW 1980, 1790, 1791; Köln NJW-RR 1998, 1175, 1176; nach Karlsruhe ZUM 2012, 490 soll dem Ehemann jedoch im Fall eines unzulässigen Angriffs auf die Geschlechtsehre der Frau ein eigener Unterlassungsanspruch zustehen). Individuell betroffen können nicht nur nat und jur Personen des Privatrechts sein, sondern auch Körperschaften und Anstalten des öffentl Rechts (BGH NJW 2006, 601, 602 – Erzbistum; Bundesanstalt für Arbeit: BGH NJW 1983, 1183 – Vetternwirtschaft; Köln NJW-RR 1998, 1175, 1176 – Erzbistum). Der Betroffene muss jedenfalls erkennbar sein; nicht erforderl ist eine namentl Nennung. Nach der Rspr liegt Erkennbarkeit dann vor, wenn alle oder ein erhebl Teil der Leser oder gar die Durchschnittsleser einer Zeitung die gemeinte Person identifizieren können (BGH NJW 2004, 3619, 3620; 1992, 1312, 1313). In den Fällen des postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutzes sind auch die Erben und Angehörigen anspruchsberechtigt (BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Blauer Engel II; BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel; BHGZ 143, 214 – Marlene Dietrich; NJW 2002, 2317, 2318 – Marlene II; LG Stuttgart GRUR-RR 2010, 94, 94 – William Hall). Nicht aktivlegitimiert ist ein „Internet-Fachjournalist“, der die Interessen anderer Internetnutzer wahrnimmt und im Interesse der Allgemeinheit versucht, Werbung zu unterbinden (LG Berlin ZUM-RD 2004, 597, 598 – Internet-Fachjournalist). Passiv legitimiert ist derjenige, der die Verletzung des Persönlichkeitsrechts verursacht hat bzw zu verursachen droht (Störer). Das kann im Bereich der Medienberichterstattung eine Vielzahl von Personen sein: Dazu gehören jedenfalls nach st Rspr des BGH der Verleger einer Zeitung und der verantwortliche Redakteur iSd Landespressegesetze, da diese, wenn auch nicht selbst, so doch durch entspr Anweisungen sicherzustellen haben, dass Texte mit gesetzeswidrigem Inhalt von der Veröffentlichung ausgeschlossen werden (BGH NJW 1974, 1762; Köln NJW-RR 2001, 1196; NJW 1999, 1960 – Möbelklassiker). Anspruchsverpflichteter ist daneben auch der Herausgeber (BGH GRUR 1974, 794). Bei Rundfunkanstalten ist neben der Anstalt auch der Autor des Beitrags sowie der redaktionell verantwortliche Moderator anspruchsverpflichtet (BGH NJW 1976, 1198, 1199 – Panorama; 1997, 1148 – Stern-TV). Der Betreiber eines Internetforums ist neben demjenigen verantwortlich, der den konkreten Beitrag eingestellt hat (BGH NJW 2007, 2558). Wird die Äußerung eines anderen verbreitet, liegt eine rechtswidrige Handlung grds nur vor, wenn der Verbreitende sich die Äußerung zu eigen macht (BVerfG NJW 2004, 590, 591; BGH NJW 2010, 760, 761; Naumburg ZUM-RD 2006, 286, 287; LG Köln ZUM-RD 2008, 437, 439; vgl zum Behaupten durch Zueigenmachen Rn 89). 7. Rechtsweg. Streitigkeiten wg Verletzung des APR sind grds bürgerl-rechtl Streitigkeiten, weshalb für die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs der Zivilrechtsweg gem § 13 GVG und nicht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist (Koblenz NJW 1973, 42, 42 – Lebach; BVerwG NJW 1994, 2500, 2500; der Zivilrechtsweg ist ebenfalls einschlägig, wenn ein Amtsträger eine rein persönl Erklärung abgibt, LG Braunschweig, AfP 2010, 184 – Äußerungen eines Bürgermeisters in einer Ratsdebatte). Dies gilt auch für den Fall, dass es um widerstreitende Interessen des öffentl-rechtl Rundfunks auf der einen und der Privatsphäre des Bürgers auf der anderen Seite geht (BGH NJW 1976, 1198, 1198, 1199; BVerwG NJW 1994, 2500, 2500). Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist gem § 2 I ArbGG zuständig, wenn die vom Betroffenen beanstandete Äußerung einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist (LAG Baden-Württemberg NZA-RR 2008, 93). Handelt es sich um die Äußerung eines Beamten im Rahmen seiner hoheitl Tätigkeit, soll jedoch der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein (VG Berlin NJW 1993, 2548, 2550 – Stolpe; OVG Berlin NJW 1998, 257; VGH Mannheim AfP 1998, 104, 106; vgl auch VG Berlin AfP 2010, 298, 299 – Äußerungen eines Senators der Stadt Berlin: Äußerungen, die von einem Träger öffentl Verwaltung bei der Erfüllung öffentl Aufgaben gestützt auf vermeintliche oder vorhandene öffentl-rechtl Befugnisse abgegeben werden, sind öffentl-rechtl Natur); Gleiches gilt für Presseerklärungen eines Ltd Oberstaatsanwalts, BVerwG NJW 1992, 62; aA Karlsruhe NJW 1995, 899 bzgl der Pressemitteilung über ein laufendes Ermittlungsverfahren. Äußerungen eines Gerichts in Ausübung richterl Tätigkeit, insb in Urt und Beschl, sind jedoch nur im Rahmen und nach Maßgabe der Vorschriften der für die jew Gerichtsbarkeit geltenden Verfahrensordnungen angreifbar (VGH München NJW 1995, 2940, 2941). Handelt es sich um Äußerungen einer öffentl-rechtl organisierten Religionsgemeinschaft, ist str, welcher Rechtsweg gegeben ist (OVG Bremen NVwZ 1995, 793 – Zivilrechtsweg; aA VGH München NVwZ 1994, 787).
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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8. Zuständigkeit. Bei Verletzungen des APR handelt es sich um Delikte, weshalb neben dem allg Gerichtsstand (§§ 13f ZPO) der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) besteht. Bei Presseerzeugnissen wird die unerlaubte Handlung grds am Erscheinungsort des Druckwerks (Handlungsort), zum anderen auch an jedem Ort begangen, an dem das Druckwerk entweder im regelmäßigen Geschäftsverkehr oder bestimmungsgemäß und nicht nur zufällig verbreitet wird (BGH NJW 1996, 1128; NJW 1977, 1590; KG GRUR 1989, 134; LG Frankfurt/M AfP 2010, 512, 513 – Michael Schumacher; LG Düsseldorf ZUM-RD 2008, 482, 484). Der Leser, der den Inhalt zur Kenntnis genommen hat, muss sich in dem Bereich aufhalten, den der Verleger und der Herausgeber nach seinen Intentionen auch wirklich erreichen will oder in dem er mit einer Verbreitung rechnen muss; nicht ausreichend ist, dass das Druckerzeugnis nur zufällig außerhalb des regelmäßigen Verbreitungsgebiets wohnenden Lesern zur Kenntnis gelangt (BGH GRUR 1971, 153, 154 – Tampax; GRUR 1978, 194, 195 – Profil; NJW 1977, 1590; LG Düsseldorf ZUM-RD 2008, 482, 484). Kein Vertrieb liegt ebenfalls vor, wenn jemand ein Exemplar nur bezieht, um dadurch an seinem Wohnsitz den Gerichtsstand des Begehungsortes zu begründen (BGH NJW 1977, 1590). Bei Rundfunksendungen ist der geplante Verbreitungsort entscheidend, also der Ort, an dem die Hör- und Fernsehsendung empfangen werden kann (LG Hamburg NJW 2003, 1952 – Ausstrahlungsort bei Fernsehinterview; Musielak/Heinrich § 32 ZPO Rn 18). Auf Internetdelikte kann die Rspr zu den Presseerzeugnissen nicht ohne Weiteres übertragen werden, da diese nicht verbreitet, sondern zum Abruf bereitgehalten werden; ließe man die bloße Abrufbarkeit der Inhalte genügen, käme es zu einer uferlosen Ausweitung, die Sinn und Zweck des § 32 ZPO widerspricht (BGH ZUM 2010, 524, 525; LG Frankfurt/M AfP 2010, 512, 513 – Michael Schumacher; Dresden ZUM-RD 2022, 67; aA MüKo/Rixecker Rn 405). Ob und ggf wie häufig ein Beitrag abgerufen wurde, ist nicht erheblich, da es für die Begründung der örtl Zuständigkeit nicht auf die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung ankommt (BGH NJW 1977, 1590; LG Köln 20.3.2009 – 28 O 59/09). Bei intern abrufbaren Internetinhalten (zum IPR des APR vgl Rn 277) muss der als rechtsverletzend beanstandete Inhalt obj einen deutl Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls, insb aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann (BGH ZUM 2010, 524, 525; Hamburg ZUM-RD 2018, 131). Unterlassungsansprüche, die auf die Verletzung des APR gestützt sind, sind grds nichtvermögensrechtl Streitigkeiten iSd § 23 Nr 1 GVG (BGH NJW 1974, 1470 – Brüning II; 1986, 3143; 1963, 151). Die vermögensrechtl Natur ist aber ausnahmsw dann zu bejahen, wenn sich aus dem Vorbringen des Betroffenen oder den offenkundigen Umständen ergibt, dass das Rechtsschutzbegehren des Betroffenen in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftl Belange dienen soll (BGH NJW 1974, 1470 – Brüning II; NJW-RR 1990, 1276, 1277; NJW 1986, 3143; AfP 1990, 209, 210 – Medizinjournalist). 9. Abmahnung. Sowohl beim vorbeugenden als auch beim nachträgl Unterlassungsanspruch sollte zunächst die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung verlangt werden, um die bei einem sofortigen Anerkenntnis drohende Kostenbelastung nach § 93 ZPO zu vermeiden und dem Verletzer die Gelegenheit zu geben, den Streit außergerichtl durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung beizulegen (München ZUM-RD 2001, 561, 563; Köln GRUR 1988, 487; LG Hamburg ZUM-RD 2008, 303, 305). Es handelt sich dabei aber weder um eine Vorstufe zu einem gerichtl Verfahren auf Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs noch um eine Prozessvoraussetzung für das Unterlassungsbegehren (München NJW-RR 1992, 731, 732). Von dem Erfordernis der vorherigen Abmahnung kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden. Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn die (Wieder-)Veröffentlichung unmittelbar bevorsteht (München NJW-RR 1992, 731, 732; Köln GRUR 1988, 487), die Abmahnung von vornherein aussichtslos erscheint (Köln AfP 1990, 51, 52; LG Hamburg ZUM-RD 2008, 303, 305), oder wenn sie für den Betroffenen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles unzumutbar ist (Köln GRUR 1988, 487; LG Hamburg ZUM-RD 2008, 303, 305). 10. Zwangsvollstreckung. Die Vollstreckung richtet sich nach § 890 ZPO (dazu Köln NJW-RR 1986, 1191, 1191; MüKoZPO/Gruber § 890 ZPO Rn 4). 11. Rechtl Gehör und prozessuale Waffengleichheit im einstweiligen Unterlassungsverfahren. Auch im Presse- und Äußerungsrecht ist der Grundsatz der Waffengleichgeit als grundrechtsgleiches Recht aus Art 3 I GG iVm Art 20 III GG zu beachten (s hierzu grds Lehr AfP 2022, 293ff). Der Richter ist mithin verpflichtet, die Gleichstellung der Parteien „durch objektive, faire Verhandlungsführung, durch unvoreingenommene Bereitschaft zur Verwertung und Bewertung des gegenseitigen Vorbringens, durch unparteiische Rechtsanwendung und durch korrekte Erfüllung seiner sonstigen prozessualen Obliegenheiten ggü den Prozessbeteiligten zu wahren“ (BVerfG GRUR 2018, 1288 – Die F. Tonbänder). Insb ist der Gegenseite vor einer stattgebenden Entscheidung über den Antrag einer Partei rechtl Gehör zu gewähren, denn die Prozessparteien müssen die Möglichkeit haben, Erhebliches vorzutragen und prozessuale Verteidigungsmittel geltend zu machen (BVerfG NJW 1979, 1925, 1927). Von der Erforderlichkeit einer Überraschung des Gegners kann bei der Geltendmachung von Ansprüchen jedenfalls nicht als Regel ausgegangen werden. Auch wenn eine Eilbedürftigkeit idR anzuerkennen ist, folgt hieraus kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als solche dem Schuldner verborgen bleibt. Insb in Fällen, in denen es um eine bereits veröffentlichte Äußerung geht, besteht regelmäßig kein Grund, von einer Anhörung und Äußerungsmöglichkeit vor dem Erlass einer einstw Verfügung abzusehen. Zudem ist es verfassungsrechtl geboten, den jew Gegner vor einer Entscheidung in den gleichen Kenntnisstand zu versetzen, indem auch ihm richterliche Hinweise nach § 139 ZPO zeitnah mitgeteilt werden, BVerfG GRUR 2018, 1288ff – Die F. Tonbänder; ZUM 2020, 612; GRUR 2021, 517; ZUM-RD
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2020, 421; ZUM-RD 2021, 329; ZUM-RD 2021, 537; ZUM-RD 2022, 197, ZUM-RD 2022, 333. Zu den Vorgaben in Bezug auf die erforderliche „Zweiseitigkeit“ des Verfahrens im Einzelnen s Lehr AfP 2022, 293ff. III. Berichtigungsanspruch (Widerrufsanspruch). 1. Anspruchsziel und Anspruchsgrundlagen. Derjenige, der Ziel einer unwahren Tatsachenbehauptung geworden ist, hat gegen den Störer einen Anspruch auf Berichtigung/Widerruf der Tatsachenbehauptung, um dem Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung ein Ende zu machen (BGH NJW 1987, 754, 755 – Insiderwissen; NJW 1995, 861, 862 – CvM I, unter ausdrückl Bezugnahme auf BGH NJW 1961, 658 – Kesselasche; s zur erweiterten Darlegungslast in Ergänzung zur Richtigstellung LG Hamburg ZUM-RD 2011, 603 – Belegtatsachen für Verdachtsberichterstattung). Der Widerruf stellt grds ein angemessenes und geeignetes Mittel dar, um die Auswirkungen der rechtsverletzenden Berichterstattung zu begrenzen (Hamburg ZUM-RD 2008, 602, 604 – Wochenbettpsychose). Nach st Rspr ist die Verurteilung zum Widerruf nicht mit einem Schuldvorwurf verbunden; sie sei ebenfalls nicht dazu bestimmt, dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen oder sein Rechtsgefühl wiederherzustellen (dazu ua BVerfG NJW 2004, 354, 355; NJW 1991, 1475 – Flohmarkt; BGH NJW 1953, 1386, 1387) noch habe sie Sanktionscharakter, da der Äußernde nicht gezwungen werde, sich von der Äußerung in vollem Umfang zu distanzieren (BVerfG NJW 1991, 1475, 1476 – Flohmarkt; aA Damm/Rehbock Rn 842, die den Widerrufsanspruch zu Recht als eine „sehr scharfe Waffe“ bezeichnen). Der Anspruch auf Widerruf darf mithin nur dazu dienen, den beeinträchtigenden Zustand zu beseitigen; mit ihm kann insb weder eine Entschuldigung erreicht werden noch darf er zu einer Demütigung führen (MüKo/Rixecker Rn 336; BVerfG NJW 1970, 651, 652 – Korruptionsvorwurf). Der Anspruch kann auch ggü ehrverletzenden Behauptungen geltend gemacht werden, die im „kleinen Kreis“ aufgestellt wurden (BGH NJW 1984, 1104, 1105 – kleiner Kreis); nicht jedoch hinsichtl einer lediglich unter vier Augen erfolgten Äußerung (BGH NJW 1953, 1386, 1387). Die Beseitigung der eingetretenen Beeinträchtigung kann als Schadensersatz gem § 823 I, § 823 II iVm einem Schutzgesetz oder aber als quasinegatorischer Folgenbeseitigungsanspruch gem § 1004 analog verlangt werden (BVerfG NJW 2004, 354, 355; BGH NJW 1961, 568 – Kesselasche; 1952, 417, 418; 1995, 861, 862 – CvM I), welcher im Vergleich zum deliktischen Widerrufsanspruch kein Verschulden, sondern nur die obj Unwahrheit der aufgestellten Behauptung voraussetzt (BGH NJW 1958, 1043 – Blankoverordnung; zur verfassungsrechtl Unbedenklichkeit des Widerrufsanspruchs BVerfG NJW 1998, 1381, 1383), weshalb die deliktsrechtl Begründung persönlichkeitsrechtl Beseitigungspflichten in der Praxis kaum noch Bedeutung hat. Bei der Verletzung des Rechts am eigenen Bild (ausf Rn 167ff) folgt aus § 37 KUG ein Anspruch auf Vernichtung rechtswidrig verbreiteter oder vorgeführter Exemplare sowie der zur widerrechtl Vervielfältigung oder Vorführung ausschließlich bestimmten Vorrichtungen (gegen eine Vergütung kann der Verletzte auch Übernahme verlangen, MüKo/Rixecker Rn 335); zur Vorbereitung und Durchsetzung des Beseitigungs- und Widerrufsanspruchs gewährt die Rspr dem Betroffenen einen unselbständigen Anspruch auf Auskunft (dazu Rn 278; ferner BGH NJW 1962, 731 – Scientology; München NJW-RR 1996, 93, 95 – Tauffoto; BGH NJW 2000, 2195, 2196 – Blauer Engel). 2. Anspruchsvoraussetzungen. a) Unwahre Tatsachenbehauptung. Der Anspruch auf Widerruf kann nur gegen persönlichkeitsrechtsverletzende Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch gegen Meinungsäußerungen (zur Abgrenzung ausf Rn 98ff, insb Rn 101) geltend gemacht werden, selbst wenn es sich dabei um eine Schmähkritik handelt (BGH NJW 1995, 861, 864 – CvM I; 1982, 2246 – Quo vadis; 1965, 35, 36 – Lüftungsfirma; GRUR 1969, 555, 558 – Cellulitis; GRUR 1974, 797, 798 – Fiete Schulze; NJW 1976, 1198, 1201 – Panorama). Die Tatsachenbehauptung muss unwahr bzw nicht erweislich wahr sein (BGH NJW-RR 1987, 754 – Insiderwissen; NJW 1977, 1681 – Wohnstättengemeinschaft; 1995, 861, 862 – CvM I); gegen persönlichkeitsrechtsverletzende wahre Tatsachenbehauptungen ist ein Widerrufsanspruch grds ebenfalls nicht gegeben (so ausdrückl LG Regensburg NJW-RR 1996, 538). Treffen einzelne Elemente einer Tatsachenbehauptung nicht zu, haben diese jedoch keinen eigenständigen Verletzungsgehalt, können weder Widerruf noch Richtigstellung beansprucht werden (Saarbrücken ZUM-RD 2012, 265). Beeinträchtigungen des APR, die nicht durch Äußerungen, sondern durch sonstige Handlungen oder Belästigungen erfolgen, kann nur mit dem allg Beseitigungsanspruch entgegengetreten werden (Erman/Ehmann12 Rn 334; vgl hierzu BGH NJW 1990, 1986, 1987 – Emil Nolde: Beseitigung einer gefälschten Signatur auf einem Kunstwerk; GRUR 1994, 913, 915 – Namensliste: Unkenntlichmachung von Namen oder Identifizierungsmerkmalen; NJW 1997, 1152, 1154 – Bob Dylan: Vernichtung hergestellter Fotografien; 1958, 1344, 1345 – Tonbandaufnahme I; 1988, 1016, 1017 – Tonbandaufnahme II: Löschung von Tonbandaufnahmen; NJW 1980, 2801, 2806 – Medizinsyndikat III: Richtigstellung oder Ergänzung von Mitteilungen; ebenso bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Fotomontagen oder Retuschen LG München I NJW 2004, 606, 607 – selbst dann, wenn sich die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts aus der Kombination von Abbildung und Text ergibt, NJW 1992, 1312, 1313 – Korruptionsprozess; MüKo/Rixecker Rn 336 ordnet diese Schutzziele dem persönlichkeitsrechtl Beseitigungsanspruch zu). b) Widerrechtlichkeit. Der Widerrufsanspruch setzt eine positive Begründung der Rechtswidrigkeit voraus und darf sich nur auf die Beseitigung der noch fortwirkenden Beeinträchtigung beschränken (BGH NJW 1968, 644, 646 – Fälschung; 1952, 417; 1965, 35, 36 – Lüftungsfirma; GRUR 1969, 555, 559 – Cellulitis). Handelt der Störer in Wahrnehmung berechtigter Interessen (Rn 240ff) oder liegt ein sonstiger Rechtfertigungsgrund (Rn 228ff) vor, ist der Widerrufsanspruch nicht gegeben. Stellt sich später die Unwahrheit der ursprünglich rechtmäßigen Äußerung heraus, kann grds nicht der volle Widerruf, sondern nur die Feststellung verlangt werden, dass die Behauptung nach der Klärung des Sachverhalts nicht mehr aufrechterhalten werden kann (BGH GRUR 1960, 500, 504 – La chatte; BVerfG NJW 2004, 354, 355; NJW 2003, 1855). Ein Widerrufsanspruch be126
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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steht nicht, wenn die verletzende Äußerung im Rahmen eines rechtl Verfahrens erfolgt (BVerfG NJW 2004, 354 – Äußerungen vor der Landesärztekammer, s hierzu auch Rn 271ff). Auch im Fall einer zulässigen Verdachtsberichterstattung kann der Betroffene bei späterer Ausräumung des Verdachts und Fortwirken der Beeinträchtigung nur die nachträgl Mitteilung (Nachtrag) verlangen, dass nach Klärung des Sachverhalts der berichtete Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werden kann, BGH ZUM 2015, 248, 251. c) Verhältnismäßigkeit. Der Widerruf muss verhältnismäßig, dh zur Beseitigung der Störung geeignet, erforderlich und unter Abwägung der Belange von Störer und Betroffenen zumutbar (BGH NJW-RR 1987, 754 – Insiderwissen; NJW 1977, 1681, 1682 – Wohnstättengemeinschaft; 1994, 2614, 2616 – Börsenjournalist; BAG NJW 1999, 3576 – Abmahnung; BGH GRUR 1966, 272, 274 – Arztschreiber) sowie zwingend notwendig sein (BGH NJW 1958, 1043, 1044 – Blankoermächtigung; 1965, 35, 36; 1984, 1104); dies ist nicht der Fall, wenn er zu anderen Zwecken eingesetzt wird, oder wenn nur Nebensächlichkeiten richtig- oder klarzustellen sind (BGH NJW 1977, 1681, 1682 – Wohnstättengemeinschaft; München NJW-RR 1996, 926 verneint bei geringfügigen Unrichtigkeiten bereits eine fühlbare Beeinträchtigung des APR). Da der Widerruf keine Genugtuungsfunktion hat (BGH NJW 1977, 1681, 1682 – Wohnstättengemeinschaft), ist der Anspruch auch ausgeschlossen, wenn der Störer die Äußerung bereits selbst in angemessener Weise richtiggestellt hat (Düsseldorf AfP 1997, 711; Hamburg NJW-RR 1988, 737, 738). Zudem dürfen die Kosten für die Maßnahme im Verhältnis zu den Nachteilen, die ausgeräumt oder denen vorgebeugt werden soll, nicht unverhältnismäßig hoch sein; soweit zumutbar, hat der Betroffene den wirtschaftlichsten Weg zu wählen (BGH NJW 1967, 1198, 1201 – Landgabe; NJW 1972, 431, 433; AG Prüm NJW-RR 2001, 1469, 1470). Längeres Zuwarten lässt den Anspruch idR nicht entfallen; ausgenommen sind jedoch eindeutige Fälle des Rechtsmissbrauchs (BGH NJW 1995, 861, 863 – CvM I, misst einer unwahren Behauptung in einer auflagenstarken Zeitschrift auch zwei Jahre nach der Veröffentlichung noch verletzende Wirkung bei; anders LG Hamburg AfP 2007, 273, das aufgrund einer widerleglichen Vermutung davon ausgeht, dass ein Jahr nach Veröffentlichung der Aktualitätsbezug fehlt). 3. Inhalt und Form. Der Widerruf muss sich ausschließlich auf die beanstandete unwahre Tatsachenäußerung beziehen; er darf nicht über das hinausgehen, was zur Beseitigung der Beeinträchtigung erforderlich ist (BGH GRUR 1969, 555, 557 – Cellulitis). Sofern nur Teilaspekte unwahr oder irreführend sind, muss sich der Widerruf auf diese Teile beschränken (BGH NJW 1982, 2246, 2248; vgl auch BGH GRUR 1984, 231, 233 – Wahlkampfrede). Ist die Äußerung nur zT unwahr, steht dem Betroffenen nur ein Anspruch auf Widerruf in Form der Richtigstellung zu (BGH NJW 1987, 754, 755 – Insiderwissen mwN; 1976, 1198, 1200 – Panorama). Auch eine ergänzende Darstellung kann verlangt werden, zB durch einen klarstellenden Zusatz (vgl BGH NJW 1980, 2801, 2806 – Medizinsyndikat III; Karlsruhe NJW 2005, 2400, 2401). Hat der Störer die beanstandete Äußerung nicht selbst getan, sondern nur verbreitet oder zugelassen, kann idR nur eine Distanzierung bzw ein Abrücken von der, von einem anderen gemachten, Äußerung, nicht aber ein Widerruf verlangt werden (BGH NJW 1976, 1198, 1199 – Panorama); anders, wenn sich der Dritte mit der Äußerung identifiziert hat, sodass sie als seine eigene Äußerung erscheint (BGH NJW 1967, 1198, 1199 – Landgabe). Der Widerruf kann auch mit der Mitteilung verbunden werden, dass die Behauptung derzeit nicht aufrechterhalten werden kann (Widerruf in vorläufiger Form). Der Widerruf soll die Hörer oder Leser der Erstmitteilung erreichen, weshalb die Mitteilung nach Art und Aufmachung geeignet sein muss, den gleichen Grad an Aufmerksamkeit zu erzeugen wie der Erstbericht (BGHZ 128, 1 – CvM), weshalb der Widerruf grds an der gleichen Stelle des Druckwerks (selbst auf der Titelseite, BGHZ 128, 1 – CvM – allerdings müssen die Interessen der Presse insoweit gewahrt werden, als noch Raum für Hinweise auf andere Berichte bleiben muss, vgl auch BVerfG NJW 1998, 1381) bzw zur gleichen Sendezeit im gleichen Programm zu erfolgen hat. Zulässig ist es nach Ansicht der Rspr auch, dem Widerruf den Hinweis zuzufügen, er werde in Erfüllung eines rechtskräftigen Urteils abgegeben (BVerfG NJW 1970, 651, 652 – Korruptionsvorwurf; dagegen Pärn NJW 1979, 2548); darüberhinausgehende Ergänzungen, insb beschönigende oder abschwächende Hinweise, muss der Betroffene aber grds nicht hinnehmen (MüKo/Rixecker Rn 340). 4. Aktiv- und Passivlegitimation. Anspruchsberechtigt ist jeder, der durch eine unwahre Tatsachenbehauptung unmittelbar und individuell in seinen Rechten betroffen ist, nach seinem Tod auch die nahen Angehörigen (Kamps in Götting/Schertz/Seitz, § 44 Rn 74 mwN; vgl insb BGH NJW 1974, 1371, 1371 – Fiete Schulze). Juristische Personen des öffentl Rechts nehmen nur eingeschränkt am grundrechtl Persönlichkeitsrechtsschutz teil und haben daher grds keinen Anspruch auf Veröffentlichung eines Widerrufs (LG Hamburg ZUM-RD 2003, 48, 49 – Büro im Kanzleramt), es sei denn, es handelt sich um einen gravierenden Einzelfall, in dem bei einem vergleichbaren Vorwurf ggü einer nat Person dieser trotz der Subsidiarität des Anspruchs eine ganz beträchtliche Geldentschädigung zuzusprechen wäre (LG Hamburg ZUM-RD 2003, 48, 50 – Büro im Kanzleramt). Anspruchsverpflichtet ist, wer die rechtswidrige Beeinträchtigung verursacht hat, und zur Unterlassung verpflichtet gewesen wäre (dazu Wenzel/Gamer/Peifer Rn 13.50ff), dh idR derjenige, der die Tatsachenbehauptung geäußert hat (BGH NJW 1967, 1198, 1199 – Landgabe). Richtet sich der Widerrufsanspruch gegen einen Zeitungsbzw Zeitschriftenverlag, so ist der Verleger bzw der Verlag passivlegitimiert. 5. Verfahrensrecht. Für den Rechtsweg und die Zuständigkeit gilt das zum Unterlassungsanspruch Gesagte (dazu Rn 288f). Der Text des zu verlangenden Widerrufs ist vom Verletzten zu formulieren – er muss die Klageanträge stellen, insb muss er angeben, wem ggü der Widerruf zu erfolgen hat (BGH GRUR 1966, 272, 274 – Arztschreiber). Ein Widerruf dem Kläger selbst ggü kann nur verlangt werden, wenn die Äußerung zwar in der Öffentlichkeit erfolgt ist, aber kein Bedürfnis mehr für ihre Veröffentlichung besteht (dazu BGH NJW 1989, Klass
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Personen
774). Wer den Widerruf einer Äußerung beansprucht, hat grds deren Unwahrheit zu beweisen (BGH NJW 1962, 1438, 1439 – Eheversprechen; Damm/Rehbock Rn 903); allerdings muss der Angreifer, sofern ihm dies möglich ist, darlegen, aus welchen Umständen er seine Behauptung herleitet. Umstr ist, ob der Widerrufsanspruch auch im einstw Verfügungsverfahren durchsetzbar ist (vgl dazu Damm/Rehbock Rn 899f); solange die Unrichtigkeit der behaupteten Tatsache nicht feststeht, kann im einstw Verfügungsverfahren der Widerruf nur mit dem Inhalt geltend gemacht werden, dass die Behauptung ggwärtig nicht aufrechterhalten werden kann (Stuttgart NJW 1962, 2066, 2067; BaRo/Bamberger § 12 Rn 332); Ausnahme: wenn im Verfahren die Unrichtigkeit bewiesen werden kann (vgl BGH AfP 1970, 85). Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO (BGH NJW 1962, 1438; 1961, 1913, 1914; 1977, 1288, 1290; Zweibrücken NJW 1991, 304), nicht nach § 894 ZPO (offengelassen durch NJW 1977, 1288, 1290 – Abgeordnetenbestechung). Die Verjährung des Widerrufsanspruchs richtet sich nach den allg Regeln (§§ 195, 199). 299a 6. Löschungsanspruch. Liegt ein Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung vor, kann der Betroffene im Rahmen des Beseitigungsanspruchs den Störer grds nicht nur auf Berichtigung, sondern auch auf Löschung bzw Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen, wenn und soweit die beanstandeten Tatsachenbehauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Abwägung der beteiligten Rechtspositionen zur Beseitigung des Störungszustandes geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist (BGH NJW 2016, 56 LS). S hierzu auch Peifer NJW 2016, 23ff. 300 IV. Gegendarstellungsanspruch. 1. Anspruchsgrundlagen. Beim Gegendarstellungsanspruch (ausf Seitz, Der Gegendarstellungsanspruch) handelt es sich um ein spezifisches Rechtsinstitut des Medienrechts, das seine Wurzeln im APR hat (Wenzel/Burkhardt Rn 11.3 mwN) und dem die Aufgabe zukommt, „vorrangig das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu schützen, dem Betroffenen Selbstverteidigung gegen Einwirkungen der Medien auf diese auch rechtl geschützte Individualsphäre durch die Befugnis zu gewähren, an gleicher Stelle und mit entsprechendem Publizitätsgrad die ihn betreffende Darstellung durch seine Wortmeldung, seine Sicht des mitgeteilten Sachverhalts zu vervollständigen“ (BGH NJW 1976, 1198, 1201 – Panorama; ebenso BVerfG NJW 1983, 1179). Es handelt sich um ein Instrument, mit Hilfe dessen sich der Betroffene schnell und zu einer Zeit Gehör verschaffen kann, zu der der Vorgang noch im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist (Wenzel/Burkhardt Rn 11.3), weshalb er im Bereich der Medien neben dem Unterlassungsanspruch der am häufigsten geltend gemachte Anspruch ist (Damm/Rehbock Rn 796). Darüber hinaus kommt der Anspruch auch der öffentl Meinungsbildung zugute, da der Öffentlichkeit die Sicht des Betroffenen vermittelt wird (BVerfG NJW 1998, 1381, 1382 – CvM; Düsseldorf ZUM-RD 2005, 25, 27 – Polizeidirektor). Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtl Gewährleistung des APR betont das BVerfG, dass der Gesetzgeber die Pflicht habe, den Einzelnen wirksam gegen Einwirkungen der Medien auf die Individualsphäre zu schützen, weshalb ein Betroffener die Möglichkeit haben muss, Darstellungen in den Medien mit seiner eigenen Darstellung zeitnah entgegenzutreten (BVerfG NJW 1999, 483, 484 – Wehrmachtsausstellung; vgl ferner Düsseldorf ZUM-RD 2005, 25, 27 – Polizeidirektor; Köln NJW-RR 2001, 337). Der Gesetzgeber muss mithin ein effektives Gegendarstellungsrecht zur Verfügung stellen (München NJW 2003, 2756). Aktuell existiert keine einheitl Regelung des Gegendarstellungsanspruchs, auch kann ein Anspruch weder aus § 242 noch aus Deliktsrecht hergeleitet werden (BVerfG AfP 1993, 474 – Gegendarstellungsanspruch; NJW 1998, 1381) – vielmehr muss auf die jew Regelung in den Landespressegesetzen sowie auf die Sonderbestimmungen für Rundfunk, Fernsehen und Mediendienste (hierzu ausf Wenzel/Burkhardt vor Rn 11) zurückgegriffen werden (zur Verfassungsmäßigkeit von § 11 III Bad-Württ PresseG BGH NJW 1965, 1230). Darüber hinaus finden sich zum Recht der Gegendarstellung Vorgaben in der RL (EU) 2018/1808 v 14.11.2018 zur Änderung der RL 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste). Der Gegendarstellungsanspruch ist aufgrund seines höchstpersönlichen Charakters nicht vererblich, er endet mit dem Tod des Betroffenen (Stuttgart NJW-RR 1996, 599 – Stadtbaumeister; KG ZUM-RD 2007, 232, 233). 301 2. Anspruchsvoraussetzungen. a) Erstmitteilung. Die Gegendarstellung ist an eine Erstmitteilung in der Presse gebunden und durch deren Gegenstand und Umfang begrenzt, BGH ZUM 2022, 48, 50 (zum Löschungsanspruch bei einer selbst erwirkten Gegendarstellung). Nur den in der Erstmitteilung enthaltenen Tatsachen kann der Betroffene widersprechen. Die Gegendarstellungsfähigkeit einer Schlagzeile setzt voraus, dass diese – ohne Berücksichtigung des damit betitelten oder angekündigten Berichts – einen gegendarstellungsfähigen Tatsachenkern aufweist (im Falle einer Bandbreite von Verständnismöglichkeiten muss der Aussagegehalt eindeutig bestimmbar sein), BVerfG ZUM 2019, 330f – „B. verpfändete auch das Haus seiner Mutter“. Ist dies aus Lesersicht der Fall und handelt es sich nicht um eine bloße Ankündigung, liegt idR eine eigenständige gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung vor, BVerfG NJW 1998, 1381, 1384. Meinungsäußerungen sind grds nicht gegendarstellungsfähig (BVerfG NJW 1983, 1381, 1382 – CvM; so auch Karlsruhe NJW-RR 1993, 387, 388 – Mars-Effekt; Koblenz NJW-RR 1998, 23 – Akte 96–46; München NJW 1995, 2297; zur fehlenden Gegendarstellungsfähigkeit einer satirischen Äußerung s KG AfP 2011, 371 – pompöse Wallawalla-Kreationen). Schlussfolgerungen zu Beweggründen oder etwaigen Absichten Dritter sind im Zweifel Werturteil und nicht Tatsachenbehauptung, BVerfG ZUM 2021, 345 – JBK-Steuersparmodell; EGMR 10.7.2014, GRUR 2015, 709 – Axel Springer/Deutschland Nr 2). Enthalten Verdachtsäußerungen eine Tatsachenbehauptung, sind sie ebenfalls gegendarstellungsfähig, Hamburg ZUM 2018, 546ff. Zur Gegendarstellungsfähigkeit von echten und unechten Fragen und sog Aufmacherfragen vgl Rn 106. Unerheblich ist, ob es sich um eine eigene Behauptung des in An128
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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spruch Genommenen handelt – gegendarstellungsfähig sind auch tatsächliche Äußerungen Dritter (vgl Frankfurt NJW-RR 1986, 606, 607 – Stern); wendet sich die Gegendarstellung gegen solche, muss dies jedoch zum Ausdruck kommen (Karlsruhe NJW-RR 2000, 323, 324 – Befreiungsschlag; Hamburg NJW-RR 1994, 1179, 1180 – Menschenjäger). Zudem können auch bildliche Darstellungen, die eine Tatsachenbehauptung enthalten, Grundlage eines Anspruchs auf Gegendarstellung sein, Karlsruhe ZUM-RD 2011, 488; LG Offenburg ZUM-RD 2011, 706. Soweit der gedankliche Zusammenhang gewahrt ist, können auch neue Tatsachen vorgebracht werden, insb wenn sie als Beleg oder als Bekräftigung des eigenen Tatsachenvorbringens dienen (so Koblenz NJWRR 1998, 23 – Akte 96–46; s auch Frankfurt AfP 2010, 478, 479). Vor dem Hintergrund des Gebots der Sicherstellung gleicher publizistischer Wirkung und damit insb im Interesse einer schnellen Verwirklichung des Anspruchs werden weder das Vorliegen einer Ehrverletzung noch der Nachw der Unwahrheit der Erstmitteilung oder die Wahrheit der Gegendarstellung vorausgesetzt (dazu BVerfG NJW 1998, 1381, 1383 – CvM; Hamburg NJW-RR 1994, 1179, 1180 – Menschenjäger; München NJW 1995, 2297; vgl auch Dresden ZUM 2002, 295). Allerdings fehlt das berechtigte Interesse an der Gegendarstellung, wenn sie offenkundig unwahr ist, dh wenn ihre Unrichtigkeit auf der Hand liegt, die Gegendarstellung selbst einen strafbaren Inhalt hat (vgl hierzu Düsseldorf ZUM-RD 2005, 25, 27 – Polizeidirektor und München NJW-RR 1999, 386, 387 – Stasi-Vorwurf) oder die Gegendarstellung aus Sicht eines verständigen Durchschnittslesers lediglich eine Belanglosigkeit zum Gegenstand hat (s KG ZUM 2019, 438f – Behauptung, man möge es, als „Prominentenanwalt“ bezeichnet zu werden, unterstellt Eitelkeit und ist keine Belanglosigkeit). Die Berichtigung in einer weiteren Berichterstattung kann das berechtigte Interesse an einer Gegendarstellung entfallen lassen, wenn damit die Erstmitteilung erkennbar und eindeutig widerrufen bzw richtiggestellt wird. Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn der Leser die Mitteilung nicht als Richtigstellung, sondern als Mitteilung eines neuen Sachverhalts wahrnimmt (Düsseldorf ZUM 2015, 1007, 1008f). Eine Pflicht zur Veröffentlichung besteht nach Hamburg (NJW-RR 1994, 1179, 1181 – Menschenjäger) auch dann, wenn die Gegendarstellung gegen zivilrechtl Gebote oder Verbote verstößt. Die Presse hat in diesem Fall die Möglichkeit des „aufklärenden Redaktionsschwanzes“, sie kann ihrerseits auf die Gegendarstellung des Betroffenen entgegnen (Düsseldorf ZUM-RD 2005, 25, 27 – Polizeidirektor; Dresden AfP 2014, 334: vollständige Gegendarstellung trotz Redaktionsschwanzes). Zur Gegendarstellungspflicht von Anbietern journalistisch-redaktionell gestalteter Telemedienangebote, insb auch mit Blick auf audiovisuelle Elemente, s Lent ZUM 2016, 954. Anspruch auf Gegendarstellung besteht auch, wenn die betroffene Person zuvor keine Stellungnahme zu der geplanten Berichterstattung abgegeben hat, obwohl ihr von Seiten der Redaktion eine solche Möglichkeit eingeräumt wurde (andernfalls unzumutbare Erschwerung des Rechts auf Gegendarstellung); die Verweigerung einer Vorab-Erklärung ist insb keine Obliegenheitsverletzung. Zudem liegt auch kein Rechtsmissbrauch vor, wenn die Abgabe einer geforderten Vorab-Stellungnahme mit dem Verbot von deren Berücksichtigung in der geplanten Berichterstattung verbunden bzw Gegenwehr angekündigt wird, BVerfG GRUR 2018, 851f – Schleichwerbung. 302 b) Verschulden. Der Anspruch ist verschuldensunabhängig (BVerfG NJW 1998, 1381, 1383 – CvM). c) Unverzüglichkeit. Die Gegendarstellung muss idR unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen, 303 weshalb die Zeit zw Kenntniserlangung und Zuleitung der Erstfassung der Gegendarstellung nicht unangemessen lang sein darf (Hamburg NJW 1990, 1613; Dresden AfP 2018, 353f; oftmals bestehen sogar gesetzl Fristen, vgl hierzu Seitz Rn 5.30ff). Ob der Betroffene ohne schuldhaftes Zögern auf eine Gegendarstellung hingewirkt hat, ist dabei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen; LG Dresden AfP 2010, 595, 596. Das Erstgericht muss bei der gebotenen zügigen Behandlung jedenfalls von Eilverfahren noch innerhalb der Aktualitätsgrenze entscheiden können (München NJW-RR 1998, 26, 27), da beim Leser sonst die beabsichtigte Wirkung nicht mehr erzielt werden kann (Karlsruhe NJW-RR 1999, 387, 388 – Mars-Effekt). Allerdings ist dem Betroffenen eine hinreichende Überlegungs- und Beratungsfrist einzuräumen (München NJW-RR 1998, 23, 24 – Akte 96–46; Seitz Rn 5.38; Wenzel/Burkhardt Rn 11.149ff). Grds ist davon auszugehen, dass die Aktualitätsgrenze bei Tageszeitungen etwa vier Wochen nach Erscheinen des Artikels endet, bei wöchentl erscheinenden Zeitschriften etwa nach vier bis sechs Wochen (München NJW-RR 2001, 832, 833; 2002, 1271; 1998, 26, 27) – grds gilt, je kürzer die Erscheinungsintervalle, desto schneller muss der Betroffene agieren (Seitz Rn 5.40; für die Wirksamkeit des Verwirkungseinwands nach zweimonatigem Zuwarten vgl Karlsruhe NJW-RR 1999, 387 – MarsEffekt; nach Hamburg AfP 2011, 72, ist der Zugang einer Gegendarstellung bereits nach zwei Wochen nicht mehr unverzüglich). Verzögerungen von Seiten des Anspruchsverpflichteten und des Gerichts gehen jedoch nicht zulasten des Betroffenen (Koblenz NJW-RR 1998, 23, 24 – Akte 96–46). Zu Einzelheiten ausf Seitz Rn 5.30ff. d) Schriftform. Die meisten gesetzl Regelungen verlangen für die Gegendarstellung selbst Schriftform. iÜ ergibt 304 sich die Notwendigkeit daraus, dass sie unterzeichnet sein muss; eine Übertragung durch Telefax ist folglich nicht ausreichend (die für die Rechtsmittelschriftsätze in der ZPO aufgestellten Grundsätze finden keine Anwendung, Hamburg NJW 1990, 1613). Dem Presseunternehmen muss es möglich sein, sich durch Prüfung der Unterschrift vor Abdruck davon zu überzeugen, dass sie von dem Betroffenen stammt und Ausdruck seines persönl Willens ist (Hamburg NJW 1990, 1613, offengelassen durch Karlsruhe NJW-RR 2000, 323, 324 – Befreiungsschlag); die Unterzeichnung dient nicht zuletzt auch dazu, den Inhalt der Gegendarstellung endgültig festzulegen. Sie muss überwiegend durch den Betroffenen selbst oder seinen gesetzl Vertreter erfolgen (Seitz Rn 5.109). Nach überwiegender Meinung in Lit und Rspr ist eine rechtsgeschäftliche Vertretung bei der Unterzeichnung im Hinblick auf den höchstpersönl Charakter der Gegendarstellung ausgeschlossen (Seitz Rn 5.116; dazu Karlsruhe NJW-RR 2000, 323, 324 – Befreiungsschlag; für die Zulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Vertretung jeKlass
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doch: KG ZUM-RD 2008, 229; Frankfurt AfP 2003, 459; Köln AfP 1985, 151); und auch nach den meisten landesrechtl Regelungen ist eine gewillkürte Stellvertretung bei der Unterzeichnung nicht zulässig (hierzu im Einz Seitz Rn 5.114ff). 3. Inhalt und Umfang des Anspruchs. Die Gegendarstellung soll einen Leserkreis erreichen und einen Aufmerksamkeitswert haben, der dem der Erstmitteilung entspricht, weshalb sie grds im gleichen Teil des Druckwerks und in gleicher Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden muss (KG ZUM-RD 2007, 400, 402; Karlsruhe NJW 1993, 1476; München NJW-RR 1999, 965, 966; nicht erforderlich ist jedoch der Abdruck auf der identischen Seite, München AfP 2000, 386). Dabei darf sie so lang sein, wie es eine sachgemäße, auf einen Tatsachenvortrag beschränkte Rechtfertigung des von einer Pressekritik Betroffenen vor dem Forum der Öffentlichkeit erfordert (München NJW 1968, 1337). Die Regelung in einigen PresseG, wonach die Gegendarstellung als angemessen gilt, wenn sie nicht den Umfang des beanstandeten Textes überschreitet, enthält keinen absoluten Maßstab; vielmehr ist stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, wobei kein kleinlicher Maßstab angelegt werden darf (Hamburg NJW 1968, 1337); insb muss sich das Gegendarstellungsbegehren nicht auf das Leugnen der verbreiteten Äußerung beschränken, vielmehr darf eine Gegendarstellung auch erklärende Zusätze enthalten (MüKo/Rixecker Rn 390; Karlsruhe OLGRp 2009, 408; AfP 2007, 494; Frankfurt AfP 2010, 478). Erscheint die beanstandete Mitteilung auf der Titelseite, genügt dem Anspruch des Betroffenen nur eine Gegendarstellung ebenfalls auf der Titelseite (BVerfG NJW 1998, 1381, 1384 – CvM; Karlsruhe NJW 1993, 1476, 1476; insoweit ist aber der Abdruck des Artikels von einer möglichen Ankündigung zu unterscheiden). Allerdings ist zum einen die Gestaltungsfreiheit der Presse zu berücksichtigen, zum anderen darf die Titelseite durch Umfang und Aufmachung der Gegendarstellung nicht ihre Funktion verlieren (KG ZUM-RD 2007, 400, 403; umfassend zum Umfang sowie zur Art und Weise der Gegendarstellung BVerfG NJW 1998, 1381, 1384 – CvM). Zulässig ist zudem die Bemerkung, dass man zum Abdruck der Gegendarstellung unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt verpflichtet sei, hierin liegt nach Dresden AfP 2014, 334 keine Entwertung des Gegendarstellungsrechts. Ein Anspruch auf Abdruck (in der Bundesausgabe) besteht selbst dann, wenn der Regionalteil einer Zeitung, welcher die Erstmitteilung enthielt, eingestellt wird (München NJW 2003, 2756). Einen Hinweis auf die Gegendarstellung im Inhaltsverzeichnis des Druckerzeugnisses kann der Betroffene aus Gründen der Waffengleichheit nur dann verlangen, wenn die beanstandete Äußerung selbst dort aufgeführt worden ist (München NJW 1995, 2297; Hamburg AfP 2010, 580, 581). Kein Anspruch besteht jedoch auf den Abdruck einer Gegenfotografie, nur weil die Erstmitteilung ein auffallendes Foto enthielt (Hamburg AfP 1984, 115). Allg zum Gegendarstellungsanspruch im Internet s Zoebisch ZUM 2011, 390, zur Gegendarstellungsfähigkeit von App-Teasern s Urt des LG München I (AfP 2015, 72): Maßstab des flüchtigen Kiosklesers übertragbar (anders, wenn vor dem Lesen der Überschrift der gesamte Online-Artikel aufgerufen werden muss, BGH NJW 2008, 2110, 2113). 4. Rechtl Gehör und prozessuale Waffengleichheit beim Gegendarstellungsanspruch. Auch im Presse- und Äußerungsrecht ist der Gegenseite vor einer stattgebenden Entscheidung über den Antrag einer Partei rechtl Gehör zu gewähren. Dies gilt umso mehr im Gegendarstellungsrecht, wo das vorherige Veröffentlichungsverlangen materiell-rechtl Voraussetzung des Gegendarstellungsanspruchs ist. Allerdings haben die Fachgerichte einen weiten Wertungsspielraum bzgl der Frage, wann ein dringender Fall iSd § 937 II ZPO vorliegt. Angesichts der beschleunigten Möglichkeiten der Weiterverbreitung von Informationen kann es aus verfassungsrechtl Sicht daher sogar geboten sein, Gegendarstellungsansprüchen in unmittelbarer zeitl Nähe zur Berichterstattung zur Geltung zu verhelfen – allerdings setzt der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung eine entsprechend zügige Verfahrensführung voraus. Nicht zulässig ist es, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag aus dem Verfahren herauszuhalten – eine stattgebende Entscheidung kommt vielmehr nur in Betracht, wenn die Gegenseite zuvor die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern, s hierzu BVerfG GRUR 2018, 1291 – Steuersparmodell. V. Schadensersatzanspruch. 1. Anspruchsgrundlagen und Anspruchsvoraussetzungen. Hat der Geschädigte Vermögensnachteile erlitten, so können ihm aus Vertrag oder aus Delikt, insb aus § 823 I, aus § 823 II iVm einem Schutzgesetz – zB §§ 22, 23 KUG; §§ 185ff, 201, 202, 203 StGB – oder aus § 824 (Staudinger/Hager § 823 Rn C 289, Erman/Ehmann12 Rn 368; Wenzel/Burkhardt Rn 14.20; MüKo/Rixecker Rn 347) Schadensersatzansprüche zustehen. Ein Anspruch auf Ersatz eines materiellen Schadens steht dem Anspruchsberechtigten dann zu, wenn ein haftungsbegründender Tatbestand erfüllt und ein Schaden eingetreten ist. Die Schadensersatzansprüche setzen dabei jedoch über die rechtswidrige Verletzung des APR hinaus ein Verschulden des Störers (Vorsatz oder Fahrlässigkeit: im Medienalltag handelt fahrlässig, wer die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt, Damm/Rehbock Rn 933; Wenzel/Burkhardt Rn 14.21) oder die zurechenbare Verantwortung für einen Dritten voraus (§§ 31, 278). Zudem muss zw haftungsbegründendem Tatbestand und Schaden ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (Damm/Rehbock Rn 922). 2. Ersatz materieller Schäden. a) Allgemeines. Art und Umfang des Schadensersatzanspruchs ergeben sich aus §§ 249ff. Primär ist Naturalrestitution geschuldet: Widerruf, Abdruck einer Gegendarstellung, Zerstörung einer widerrechtl aufgenommenen Fotografie. Verletzungen des APR können aber auch Schäden zur Folge haben, in denen Geldersatz zu leisten ist, zB Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund unberechtigter ehrenrühriger Behauptungen oder Verlust von Kundschaft (Köln ZUM 1993, 34). Grds gelten die allg Grundsätze für Anspruchsgründe und Ersatzhöhe (Kausalität, Schutzzweck, Mitverschulden etc; Erman/Ehmann12 Rn 369).
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
Anh § 12
b) Ersatz für eigene Abwehrmaßnahmen. Der Betroffene kann zudem Ersatz für Aufwendungen verlangen, die er getätigt hat, um die Folgen eines Schadenseintritts gänzlich zu verhindern oder zu vermindern (s § 249 II 1; vgl auch § 254 II: Verpflichtung des Geschädigten, alle schadensverhindernden oder -mindernden Maßnahmen zu ergreifen, wenn es ihm zumutbar und möglich ist). Er kann daher grds jene Aufwendungen und Maßnahmen geltend machen, die ein vernünftiger, wirtschaftl denkender Mensch nach den Umständen des jew Einzelfalls zur Beseitigung der Störung, zur Schadensverhütung und zur Schadensminderung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderl ergriffen haben würde (BGH NJW 1976, 1198, 1200 – Panorama; 1979, 2197 – Falschmeldung; 2005, 1041, 1042). Insofern ist grds eine Abwägung der Interessen des Betroffenen und der Interessen des Störers unter Beachtung der Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit, Art 5 I GG, vorzunehmen (vgl Erman/Ehmann12 Rn 370f; BVerfG NJW 1973, 1221 – Soraya). Ersatzfähig können daher im Einzelfall sein: Kosten für Rechtsverfolgung eines Gegendarstellungsanspruchs (BGH NJW 1976, 1198, 1201 – Panorama; NJW 1986, 981, 982 – Warentest III; vgl auch Wenzel/Burkhardt Rn 14.40; Damm/Rehbock Rn 934); Kosten für Imagepflege eines Künstlers, da sein Erfolg auch von seinem „Image“ abhängig ist (LG München I AfP 1990, 45ff); Kosten für Versendung von Rundschreiben (Damm/Rehbock Rn 937; Wenzel/Burkhardt Rn 14.41); nur begrenzt ersatzfähig: Kosten für Anzeigen (vgl BGH GRUR 1962, 261 – Öl regiert die Welt; NJW 1976, 1198 – Panorama; 1986, 981 – Warentest III). Aufwendungen für presserechtl Informationsschreiben (s Rn 219) sind nicht ersatzfähig, wenn sie nicht der Abwendung eines bereits als gegenwärtig anzusehenden Schadens dienen, sondern vielmehr dazu, die Privatsphäre des Betroffenen allg zu schützen, BGH GRUR 2017, 850ff – geheime Liebesbeziehung. Rechtsverfolgungskosten gegenüber sog Uploadern: Da Meldungen im Internet typischerweise (s ausf Rn 89f) von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen (Zurechnungszusammenhang wird durch das Dazwischentreten eines Dritten nicht unterbrochen). Der Betroffene kann daher uU die Rechtsverfolgungskosten ggü dem Erstverbreiter geltend machen. Erstattungsfähig sind gem § 249 I allerdings nur solche Rechtsverfolgungskosten, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dem Betroffenen steht jedoch grds ein Wahlrecht zu, ob er sich an den Erstveröffentlicher oder den Folgeveröffentlicher wenden will. Übt er das Wahlrecht aus und wendet er sich an den Erstveröffentlicher, hängt die Erforderlichkeit weiterer Rechtsverfolgungsmaßnahmen von dessen Reaktion ab, BGH GRUR 2019, 862. c Schadensberechnung. aa) Dreifache Art der Schadensberechnung. Grds gelten auch bei Verletzungen des APR die dem Bereich der Immaterialgüterrechte entspringenden Grundsätze der Lizenzanalogie. Der Anspruchsberechtigte kann seinen Schaden mithin dreifach berechnen (BGH NJW 2000, 2195, 2201 – Marlene Dietrich I; 2000, 2201, 2202 – Blauer Engel): (1) Berechnung des konkret eingetretenen Schadens nach allg Grundsätzen (Staudinger/Hager § 823 Rn C 290; Soergel/Beater § 823 Anh IV Rn 240), (2) Schadensberechnung analog einer angemessenen Lizenzgebühr (Gebühr, die bei Abschluss eines Lizenzvertrags mit dem Betroffenen hätte gezahlt werden müssen), (3) Ermittlung des konkreten Gewinns. bb) Angemessene Lizenzgebühr. Erfolgt die Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie, ist eine fiktive Lizenzgebühr zu zahlen – maßgebl ist dabei, was vernünftige Parteien als Vergütung für die vorgenommene Benutzungshandlung vereinbart hätten (BGH NJW 2006, 615 – Pressefotos; vgl auch schon BGH NJW 1956, 1554 – Dahlke). Dabei ist es nach BGH NJW 2006, 615 naheliegend, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, sofern sich eine solche Übung herausgebildet hat. Lassen sich marktübliche Sätze nicht ermitteln, kann die angemessene Lizenzgebühr gem § 287 I S 2 ZPO geschätzt werden (BVerfG GRUR-RR 2009, 375), wobei Auflagenstärke, Verbreitung, Art und Umfang der Gestaltung sowie die Werbewirkung zu berücksichtigen sind (Balthasar NJW 2007, 664, 664; LG Frankfurt ZUM-RD 2009, 468, 470; LG Hamburg ZUM-RD 2010, 625 und 275). Zur Höhe München NJW-RR 2003, 767, welches der Erbin von Marlene Dietrich nach BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel, 70.000 v als Lizenzgebühr gewährt hat; LG München AfP 2006, 382, welches Boris Becker für die Verbreitung einer Werbeanzeige 1,2 Mio v zugesprochen hat (s dazu jedoch BGH GRUR 2010, 546 – Boris Becker); LG Hamburg AfP 2006, 586 (hierzu Ehmann AfP 2007, 81), welches Joschka Fischer für die unberechtigte Nutzung als Werbeträger 200.000 v zugesprochen hat. Nicht erforderlich ist eine grds Vermarktungsfähigkeit sowie Vermarktungsbereitschaft des Betroffenen, weshalb ein Anspruch auch zu gewähren ist, wenn dieser sich nicht mit einer Nutzung seiner Persönlichkeitsmerkmale einverstanden erklärt hätte (BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine). d) Anspruchsberechtigter. Anspruchsberechtigt ist grds nur der unmittelbar Geschädigte (BGH NJW 1980, 1790 – Familienname; 2006, 605, 608 – Obduktionssaal); bei Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts sind die Erben anspruchsberechtigt (BGH NJW 2000, 2195 – Marlene Dietrich I; 2000, 2201 – Blauer Engel; 2006, 605, 607 – Obduktionssaal). e) Anspruchsverpflichteter. Anspruchsverpflichtet ist jeder, der tatbestandsmäßig und schuldhaft einen Schaden adäquat kausal verursacht hat, und wer das rechtswidrige Verhalten anderer zu vertreten hat. Im Bereich der Medienberichterstattung kommen insb in Betracht: Verleger, Herausgeber, Rundfunkanstalten, Redakteure und Chefredakteure, Filmproduzenten und Autoren (Damm/Rehbock Rn 945; Wenzel/Burkhardt Rn 14.141; Erman/Ehmann12 Rn 388).
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Personen
VI. Geldentschädigungsanspruch. 1. Grundlagen sowie Verhältnis zur DSGVO. Werden ideelle Interessen des Betroffenen verletzt, kann dieser eine Entschädigung in Geld verlangen (st Rspr seit Herrenreiter – BVerfG NJW 1958, 827: Schmerzensgeldanspruch; bestätigt in BVerfG NJW 1973, 1221, 1223/1226 – Soraya; vgl auch BGH NJW 1961, 2059, 2060 – Ginseng; seit BGHZ 128, 1 – CvM als Geldentschädigungsanspruch). Während der Anspruch früher als Schmerzensgeldanspruch in Analogie zu § 847 aF gewährt wurde, wird er seit BGHZ 128, 1 – CvM verstanden als „Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art 1 und 2 GG zurückgeht“. Der Geldentschädigungsanspruch beruht auf dem Gedanken, dass Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen ohne die Zubilligung einer Geldentschädigung häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BVerfG NJW 2000, 2187f – Schockschaden; BGH NJW 1995, 861, 864f – CvM I; 2005, 215, 216 – Baby von CvM und Ernst August v Hannover). S auch BGH GRUR 2022, 735, 737 – Traumfrau gesucht: Art 82 I DSGVO greift im Geltungsbereich des Medienrechts nicht; unerheblich ist insoweit, dass die Öffnungsklausel des Art 85 II DSGVO die in Kap VIII der DSGVO enthaltene Vorschrift des Art 82 I DSGVO nicht erfasst. 314 2. Funktionen. Der Anspruch auf Geldentschädigung verfolgt mehrere Zwecke: Neben der Ausgleichsfunktion (BGH NJW 1995, 861, 864 – CvM I; 1996, 1131, 1134f – Lohnkiller; Damm/Rehbock Rn 949) kommt ihm eine Genugtuungsfunktion zu (BGHZ 128, 1, 15 – CvM; s auch BGH NJW 1955, 1675; 1961, 2059, 2060 – Ginseng; nach Hamburg ZUM-RD 2017, 478, 481 – Koma, muss der Betroffene nicht in der Lage sein, die Berichterstattung zur Kenntnis zu nehmen, da weniger auf die subj Befriedigung, sondern vielmehr darauf abzustellen sei, dass sich der gesetzl umfassend angelegte Rechtsgüterschutz auch im immateriellen Bereich obj zu bewähren hat). Die Frage der Genugtuung ist unabhängig von Alter, Geschäftsfähigkeit oder Geisteszustand des Betroffenen, s zur Genugtuung eines Kindes KG ZUM-RD 2022, 146, 148: Anspruch besteht auch dann, wenn das Kind die Zuerkennung nicht recht verstehen und einordnen kann. Zugleich dient der Anspruch aber in bestimmten Fällen auch der speziellen und generellen Prävention (besonders in Fällen gravierender sowie vorsätzlicher Persönlichkeitsrechtsverletzungen, BGH NJW 1996, 984, 985 – CvM II; 1997, 1148, 1150 – Chefarzt oder Stern-TV; München AfP 2001, 135, 137; jedoch nicht per se, sondern nur dann, wenn die Gefahr einer wiederholten gleichartigen Rechtsverletzung ernsthaft zu befürchten ist, LG Köln ZUM 2013, 157). Wenn der Eingriff durch die Medien „unter vorsätzlichem Rechtsbruch“, „zum Zwecke der Gewinnerzielung“ durch Auflagensteigerung, durch „rücksichtslose Zwangskommerzialisierung“ oder durch „rücksichtslose Vermarktung einer Persönlichkeit“ erfolgt, muss die Geldentschädigung ein „Gegenstück“ bilden, von dem ein „echter Hemmungseffekt“ ausgeht; das bedeute zwar nicht, dass eine „Gewinnabschöpfung“ vorzunehmen sei, „wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einzubeziehen ist“ – allerdings darf die Pressefreiheit hierdurch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden (so BGHZ 128, 1 – CvH I; BGH NJW 1996, 984 – CvH II; 1996, 985 – Prinz v Monaco; hierzu auch Hamburg NJW 1996, 2870, welches CvM 180 000 DM für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch drei verschiedene Presseveröffentlichungen zugesprochen hat; sowie BGH NJW 2005, 215; Hamm NJW-RR 2004, 919, 923 – Lisa Loch). 315 3. Voraussetzungen. Voraussetzungen für einen Anspruch auf Geldentschädigung sind zum einen eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, (schweres) Verschulden und Subsidiarität (BGH NJW 1995, 861, 864 – CvM I; 1996, 1131 – Lohnkiller; 2005, 215, 217f – Baby von CvM und Ernst August v Hannover; 2010, 1454, 1456 – Franz Beckenbauer). Ob eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung zu bejahen ist, kann dabei nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles (BGH AfP 2010, 75, 76 – Esra) beurteilt werden, wobei besonders die Art sowie die Schwere der zugefügten Beeinträchtigung und der Grad des Verschuldens, aber auch Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen sind; in die gebotene Gesamtwürdigung ist ebenfalls einzubeziehen, ob ein Unterlassungstitel erwirkt worden ist (BGH ZUM-RD 2009, 576). 316 a) Schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und/oder (schweres) Verschulden. In der Entscheidung BGHZ 35, 363, 369 – Ginseng, wurde zunächst eine schwere Verletzung oder ein schweres Verschulden gefordert; in der bestätigenden Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 34, 269, 286 – Soraya) wurde aus dem „oder“ ein „und“, was aber wohl ein Redaktionsversehen war (Erman/Ehmann12 Rn 384). Jedenfalls lassen die Zivilgerichte im Fall einer obj schweren Verletzung des APR ein einfaches Verschulden genügen (bspw BGH NJW 1982, 635 – Böll/ Walden). Nach BGH AfP 2010, 75 (s auch München ZUM 2008, 984 – Esra) muss jedoch angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit bei der Frage, ob ein Geldentschädigungsanspruch zuzusprechen ist, anderes gelten, jedenfalls, sofern es sich um die Bewertung von Äußerungen handelt, die in einem literarischen Text enthalten sind, der zunächst als Fiktion anzusehen ist und keinen Faktizitätsanspruch erhebt. In diesem Fall müsse zusätzl zu einer obj schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung auf der subj Seite ein schweres Verschulden des Handelnden vorliegen, denn nur so könne dem Subsidiaritätserfordernis der Geldentschädigung bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Roman ausreichend Geltung verschafft werden. Im Fall der Verletzung des APR durch einen Roman wird daher – sofern bereits ein gerichtl Verbreitungsverbot ergangen ist – nur ausnahmsw ein Geldentschädigungsanspruch zuzusprechen sein. Bei der Bewertung der Eingriffsintensität sind der Grad der Erkennbarkeit („je größer der Kreis derjenigen, die den Betroffenen erkennen können, desto intensiver wirkt sich die Persönlichkeitsrechtsverletzung aus“, LG Hamburg ZUM-RD 2010, 45), die Art der Informations- oder Bilderlangung (zB Heimlichkeit, LG Hamburg ZUM-RD 2009, 610, im Fall einer Bildveröffentlichung selbst dann, wenn die Betroffene sich beruflich nackt ablichten lässt, die streitgegenständlichen Bilder aber aus dem Privatbereich stammen, Hamburg AfP 2012, 473), Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, insb 313
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
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die betroffene Sphäre (Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre wiegen schwerer als Eingriffe in die Sozialsphäre, Jena ZUM-RD 2010, 553; LG Hamburg ZUM-RD 2009, 610; bei der Verbreitung von Nacktbildern liegt daher bspw ein Eingriff von erheblichem Gewicht vor, s auch Dresden ZUM 2019, 317 – Striptease-Tänzerin: Geldentschädigung im Bereich der Sozialsphäre; s zur Weiterverbreitung eines inhaltlich falschen Gerüchts Hamburg ZUM-RD 2017, 478), Beweggrund und Anlass von Relevanz. Abgelehnt wurde eine Geldentschädigung bspw bei einer Bild- und Wortberichterstattung über eine innige Umarmung als Zeichen für ein intimes Verhältnis (LG München I ZUM-RD 2014, 172), bei der Veröffentlichung eines Fotos auf einer Kunstausstellung, welches eine alltägliche Straßenszene vor einem Pfandleihhaus wiedergibt (LG Berlin AfP 2015, 177, 178), einem Pressebericht über den – wahren – Umstand einer außerehelichen Affäre (KG ZUM-RD 2018, 393), im Falle von schwerwiegenden Beeinträchtigungen des APR durch Aussagen in einem Blogeintrag, wenn sich die Aussage in den Kontext einer öffentl, kontroversen und scharf geführten Diskussion einfügt und nur einen geringen Verbreitungsgrad aufweist (BVerfG ZUM 2017, 835f) sowie im Falle einer heimlichen, sehr kurzen Videoaufnahme eines Sicherheitsmannes am Flughafen (Hamm ZUM-RD 2019, 212). b) Subsidiarität. Seit BGHZ 35, 124, 133 – Ginseng und BGHZ 39, 363, 369 – Fernsehansagerin, ist neben dem 317 Erfordernis der schweren Verletzung und/oder dem schweren Verschulden ein drittes einschränkendes Tatbestandsmerkmal zu beachten: die Beeinträchtigung des APR darf nämlich nicht auf andere Art und Weise auszugleichen sein (ebenso BGH NJW 1970, 1077 – Nachtigall I; GRUR 1974, 794 – Todesgift; BGHZ 128, 1 – CvM I). Andere Ausgleichsmöglichkeiten können dabei insb sein: die vorbeugende Unterlassungsklage (dazu Hamm NJW-RR 1995, 1114; vgl auch BGH GRUR 2010, 171, 172 – Esra), der Widerruf (nicht jedoch, wenn der Betroffene diesen im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung erst in einem Rechtsstreit über drei Instanzen erkämpfen muss, so zutr BGHZ 128, 1) oder eine veröffentlichte Gegendarstellung (allerdings kein Ausschluss in Fällen „besonders gravierender“ APR-Verletzungen, BGHZ 128, 1). Liegt eine Verletzung der geschützten Privatsphäre vor, besteht jedoch idR keine andere Ausgleichsmöglichkeit, weil gegen wahrheitsgemäße Äußerungen ein Widerruf nicht in Betracht kommt und auch Gegendarstellungen den Schaden nur vertiefen würden (AG Berlin-Mitte NJW 1995, 2639). Der Subsidiaritätsgrundsatz gilt iÜ auch, sofern der Betroffene selbst eine Berichtigung oder Ehrerklärung vornimmt, soweit diese ausreichend erscheinen (dazu Hamburg AfP 1994, 42, 43; LG Krefeld NJW-RR 1996, 984). Im Erg bedeutet dies, dass der Anspruch auf Geldentschädigung nur besteht, wenn andere äußerungsrechtl Ansprüche zu keinem angemessenen Ergebnis führen (BGH NJW 1995, 861, 864 – CvM I; 1996, 1131, 1134 – Lohnkiller; 2005, 215, 217 – Baby von CvM und Ernst August v Hannover) und die Gesamtbeurteilung ergibt, dass ein unabwendbares Bedürfnis für den Ausgleich besteht (BGH NJW 1980, 2801, 2807 – Medizin-Syndikat III; Köln NJW-RR 2000, 470, 471; Karlsruhe NJW-RR 2003, 410). Richtet sich der Anspruch „gegen eine auf einer Internetplattform erschienene Veröffentlichung, kann die Subsidiarität dieses Anspruchs nicht eingewandt werden, weil es aus tatsächlichen Gründen aussichtslos ist, eine Weiterverbreitung zu unterbinden“ (Dresden 3.5.2012 – 4 U 1883/11; s auch BGH GRUR 2014, 693). 4. Höhe. Die Höhe der Geldentschädigung ist vom Gericht nach „freier Überzeugung“ zu bestimmen (§ 278 I 318 ZPO); grds muss sie der Bedeutung der tangierten Persönlichkeitsbelange und der Schwere der Beeinträchtigung angemessen sein. Keine Bedeutung erlangt hierbei jedoch die Zahlungsfähigkeit des Anspruchsgegners (Hamburg GRUR-RR 2009, 438, 439). Das Ausmaß der Verbreitung kann zwar bei der Festsetzung der Höhe eine Rolle spielen, die Ermittlung exakter Veröffentlichungszahlen oder Abrufe aus dem Internet ist hingegen nicht erforderl (insofern besteht auch kein Auskunftsanspruch); bei bekannten Printmedien kann von einem vergleichsweise hohen Verbreitungsgrad ausgegangen werden, BGH GRUR 2019, 1084, 1087 – Star Anwalt. Handelt es sich um eine Veröffentlichung auf einer Internetplattform, ist bei der Bestimmung der Höhe nicht die Anzahl der konkreten Seitenaufrufe maßgeblich, vielmehr bemisst sich die Höhe an der Anzahl der Nutzer des Portals zum Verletzungszeitpunkt (Dresden 3.5.2012 – 4 U 1883/11; s hierzu auch BGH GRUR 2014, 693). Vgl hierzu Schulze/Stippler-Birk, Schmerzensgeldhöhe in Presse- und Medienprozessen, 1992, sowie LG Hamburg ZUM 2002, 68; Köln 12.7.2016 – 15 U 176/15 und 175/15 – Kachelmann: 395.000 v (Arg: keine zielgerichtete Pressekampagne) – zuvor LG Köln ZUM-RD 2016, 30: 635.000 v – Kachelmann; Hamburg AfP 2017, 258ff – Corinna Schumacher: Bildnisveröffentlichung unter bewusster und andauernder Missachtung des entgegenstehenden Willens: 60.000 v; LG Hamburg 29.8.2014 – 324 O 72/14, Prinzessin Madeleine Seychellen: 100.000 v; Hamm NJW-RR 2004, 919 – Lisa Loch: 70.000 v für Minderjährige, die durch verschiedene „satirische“ Fernsehbeiträge (Stefan Raab) in die Nähe der Pornobranche gerückt wurde; LG München I ZUM 2002, 318: 90.000 v für Kindsmutter von Boris Becker („Sex in 5 Sekunden: Wie geht das eigentlich?“-Computer-Spiel); Hamburg NJW 1996, 2870: 180.000 DM für drei Verletzungstatbestände (Zwangskommerzialisierung CvM): (1) für ein erfundenes Interview; (2) für ein Paparazzi-Foto; (3) für die Meldung „Hochzeit im September“ (s Seitz NJW 1996, 2848, der insoweit von einer „Gesamtstrafe“ spricht); LG Berlin ZUM-RD 2012, 353: 15.000 v: identifizierende Berichterstattung über angebliche Geheimdiensttätigkeit; Oldenburg ZUM-RD 2016, 143, 144: 15.000 v: Verbreitung pornographischer Fotomontagen im Internet; LG München I AfP 2014, 173: 10.000 v: verfälschende und entstellende Darstellung des Lebens eines ehemaligen Bundesministers „Ehebruch und Unfall-Drama“ – „Was hat er damit zu tun?“; Hamburg AfP 2012, 473: 7500 v: Abbildung eines unbekleideten Oberkörpers im Urlaub; Dresden ZUM-RD 2012, 275: 8000 v: Berichterstattung über Suizid eines Angehörigen; Zweibrücken 21.2.2013 – 4 U 123/12: heimliche Bildaufnahmen beim Frauenarzt: 1000 v; LG München AfP 2013, 434: Bildveröffentlichung über Schwangerschaft einer Schauspielerin: 12.500 v; Bamberg MMR 2013, 744: Veröffentlichung von Patientendaten im Internet: 2000 v; AG Köln NJW-RR 2013, 1311: Filmaufnahmen am ArbeitsKlass
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platz: 1500 v; LG Köln 11.12.2013 – 28 O 341/13: Veröffentlichung von Fotos der Kinder durch den Vater mit den Zusätzen „Samenraub“, „… und DAS ist das Ergebnis“: 5000 v; BGH NJW 1997, 1148, 1150: 50.000 DM wegen Verletzung der beruflichen Ehre eines Arztes (dazu Seitz NJW 1997, 3217). Zu weiteren Beispielsfällen Erman/Ehmann12 Rn 386f. Dresden ZUM-RD 2022, 1, 3 – Video mit sexualisiertem Kontext: 2500 v (Mindestgrenze für Geldentschädigung). 319 5. Passivlegitimation. Zur Anspruchsverpflichtung gilt das zum Schadensersatzanspruch Gesagte entspr (Rn 312). 320 6. Aktivlegitimation. Anspruchsberechtigt ist der unmittelbar Geschädigte, dh der Inhaber des vom Eingriff betroffenen Rechtsguts; nicht, wer nur mittelbar tangiert ist. Der Anspruch auf Geldentschädigung ist nicht übertragbar und grds nicht nach § 1922 I BGB vererblich – unabhängig davon, ob er bereits anhängig oder rechtshängig gemacht bzw für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde (auch eine vorläufig vollstreckbare Entscheidung verschafft dem Verletzten noch keine gesicherte Position, BVerfG GRUR 2023, 363 – Kohl-Protokolle II; BGH ZUM 2022, 221, 223f – Kohl-Protokolle; s zudem AfP 2017, 239ff – sozialmedizinisches Gutachten; ZUM 2017, 836, 838 – Internetveröffentlichung; NJW 2014, 2871 – Peter Alexander m Anm Stender-Vorwachs, 2831: Dies folge aus Natur und Zweck des höchstpersönlichen Geldentschädigungsanspruchs – denn dem Verstorbenen könne keine Genugtuung mehr verschafft werden). Auch gebiete weder der Präventionsgedanke noch die Menschenwürde den (Fort-)Bestand eines solchen Anspruchs (BVerfG GRUR 2023, 363 – Kohl-Protokolle II; BGH ZUM 2022, 221, 223 – Kohl-Protokolle II). Ebenso lasse sich der Einführung des sog Hinterbliebenengeldes (§ 844 III BGB) keine Entscheidung des Gesetzgebers für die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs entnehmen; zudem könne der Gefahr rechtsmissbräuchlicher (Verfahrens-)Verzögerungen durch die Annahme von Ausnahmekonstellationen begegnet werden. Nicht zuletzt liege auch kein Verstoß gegen Art 3 III GG, Art 8 I Alt 1 EMRK oder Art 14 EMRK vor (BGH ZUM 2022, 221, 223 – Kohl-Protokolle II); zur Kritik an dieser nicht vollends überzeugenden Argumentation s umfangreiche Nachweise in Rn 11 der Entscheidung. Genugtuung trete erst mit der rechtskräftigen Zuerkennung eines Anspruchs auf Geldentschädigung ein; erst dann wird eine gesicherte Position erlangt. Stirbt der Erblasser nach Rechtskraft der Entscheidung, geht der rechtskräftig zuerkannte Anspruch auf seine Erben über. Angehörigen und Wahrnehmungsberechtigten stehen daher im Grundsatz lediglich Abwehransprüche zu (BGHZ 165, 203 – Obduktionsfotos; auch Schmelz ZUM 2006, 214; auch München GRUR-RR 2002, 341 – Nacktfotos, will der Erbin von Marlene Dietrich eine Geldentschädigung wegen Veröffentlichung von Nacktfotos gewähren, da nur so der aus Art 1 I GG resultierende Schutzauftrag zu verwirklichen sei; eine klare Absage erteilte diesem Ansatz jedoch der BGH ZUM 2006, 211 – Mordkommission Köln; hierzu ausf Rn 76). Zudem kommt ein Geldentschädigungsanspruch mit Blick auf die Genugtuungsfunktion auch nur für nat, nicht für jur Personen in Betracht (Brändel/Schmitt in Götting/Schertz/Seitz, § 31 Rn 19; MüKo/Rixecker Rn 46; Ricker NJW 1990, 2097, 2099; aber auch BGH NJW 1980, 2807, 2810 – Medizin Syndikat I; Frankfurt 18.3.2013 – 1 U 215/11; befürwortend jedoch EGMR NJW 2006, 591, 593 – Karhuvaara und Iltalehti/Finnland: Anspruch einer Handelsgesellschaft auf Ersatz des Nichtvermögensschadens; BGH NJW 1981, 675, 676 – Scientology: unzulässige Berichterstattung über eine Weltanschauungsgemeinschaft), wobei darauf verwiesen wird, dass diese keine Psyche besitzen und keine Genugtuung empfinden können (Frankfurt 18.3.2013 – 1 U 215/11 mwN). 321 VII. Bereicherungsanspruch. Im Fall der unerlaubten kommerziellen Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen wie Name, Bildnis oder Stimme (Rn 207ff) steht dem Betroffenen ebenfalls ein Bereicherungsanspruch (Eingriffskondiktion), gerichtet auf die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr gegen den Verwender zu (BGH NJW 2009, 3032, 3035 – Wer wird Millionär?; s auch BGH ZUM 2007, 55 – Lafontaine; Hamburg ZUM 2005, 164 – Lafontaine; LG Hamburg ZUM 2004, 399, 401 – Lafontaine; NJW 2007, 691, 692 – Joschka Fischer). Selbst bei der Veröffentlichung eines Fotos im redaktionellen Teil einer Zeitung (Gunter Sachs beim Lesen der Bild am Sonntag), besteht ein kommerzieller Kontext, wenn auch die dazugehörige Wortberichterstattung einen überwiegend werblichen Charakter hat und sich der Informationsgehalt darauf beschränkt, dass die abgebildete Person die „Bild am Sonntag“ liest, BGH NJW 2012, 793 – Playboy am Sonntag. Keine kommerzielle Verwertung liegt aber bspw vor, wenn im Rahmen der Berichterstattung über einen Unfall ein kontextneutrales Portraitfoto des Unfallopfers gegen den Willen der Eltern veröffentlicht wird, BGH NJW 2012, 1728, 1729 – Unfallopfer. Die „übliche Lizenzgebühr“ entspricht dabei dem Betrag, den der Verwender hätte zahlen müssen, um die Einwilligung des Betroffenen zu erhalten (Hamburg ZUM 2005, 164, 167 – Lafontaine; LG Hamburg NJW 2007, 691, 693 – Joschka Fischer; BGH NJW-RR 1987, 231, 232 – Nena; Hamburg ZUM 2010, 884, 885). Sie kann, sofern sich marktübliche Sätze nicht ermitteln lassen, gem § 287 ZPO geschätzt werden (BVerfG GRUR-RR 2009, 375), wobei alle Umstände des Einzelfalls, wie zB Auflagenstärke, Verbreitung, Art und Umfang der Gestaltung sowie die Werbewirkung zu berücksichtigen sind (Balthasar NJW 2007, 664; München ZUM 2003, 139, 140 – Boris Becker; ZUM-RD 2007, 360, 367; LG Hamburg ZUM-RD 2010, 625, 627f). Den vom Verwender erzielten Gewinn kann der Betroffene nicht verlangen. Bereicherungsgegenstand ist die Nutzung der Persönlichkeitselemente. Da diese nicht herausgegeben werden können, ist nach § 812 I 1 Alt 2, § 818 II Wertersatz zu leisten (BGH NJW 2007, 689, 690 – Lafontaine; Balthasar NJW 2007, 664). Keine Anspruchsvoraussetzung ist das grds Einverständnis des Betroffenen mit der Vermarktung seiner Persönlichkeitselemente, sog Lizenzbereitschaft (ausdrückl Aufgabe der alten Rspr zum Schadens- und Bereicherungsausgleich; dazu BGH NJW 2007, 689, 690 – Lafontaine; zur alten Rspr BGH NJW 1956, 1554, 1555 – Dahlke). Auf die Frage, ob der Betroffene bereit gewesen wäre, seine Zustimmung zu der Veröffentlichung zu erteilen, kommt es mithin nicht mehr an (BGH NJW 2012, 134
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Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer
§ 13
1728, 1729 – Unfallopfer; Hamburg ZUM 2010, 884, 885; LG Hamburg NJW 2007, 691, 693 – Joschka Fischer, offengelassen für den Fall, dass der Betroffene bekanntermaßen die Benutzung seines Bildnisses verweigert, auch wenn ihm dafür ein angemessenes Honorar gezahlt wird). Zu Einzelheiten ausf Götting/Schertz/Seitz § 47.
§ 13
Verbraucher
Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Schrifttum: Annuß, Der Arbeitnehmer als solcher ist kein Verbraucher!, NJW 2002, 2844; Armbrüster, Kapitalanleger als Verbraucher? Zur Reichweite des europäischen Verbraucherschutzrechts, ZIP 2006, 406; Beck, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter Beteiligung einer GmbH als Verbraucher, VuR 2017, 370; Bertram, Die Anwendung des Einwendungsdurchgriffs gem. § 359 BGB auf den Beitritt zu einer Publikumsgesellschaft, 2004; Brors, Arbeitnehmer und Verbraucher – keine deckungsgleichen Begriffe!, ZGS 2003, 34; Bülow, Ein neugefasster § 13 BGB – überwiegende Zweckbestimmung, WM 2014, 1; Bülow, Beweislast für die Verbrauchereigenschaft nach § 13 BGB, WM 2011, 1349; Bülow, Gesetzeswortlaut und Rechtsanwendung – Beweislast für die Verbrauchereigenschaft, Subsidiarität des Einwendungsdurchgriffs, GS Wolf, 2011, 3; Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 6. Aufl 2018; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 10. Aufl 2019; Fervers, Der Vermieter als Unternehmer, NZM 2018, 640; Fritz, Der Verbraucher als Bürge, NJW 2020, 3629; Genz, Die Verbrauchereigenschaft der Wohnungseigentümergemeinschaft, NZM 2022, 402; Goldkamp, Die Verbrauchereigenschaft bei fahrzeugbezogenen Geschäften, DAR 2018, 531; Grunewald, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts: Verbraucher, Unternehmer – oder etwas anderes?, FS Marsch-Barner, 2018, 177; Gsell, Verbraucherrealitäten und Verbraucherrecht im Wandel, JZ 2012, 809; Herresthal, Scheinunternehmer und Scheinverbraucher im BGB, JZ 2006, 695; Hümmerich, Der Verbraucher-Geschäftsführer – Das unbekannte Wesen, NZA 2006, 709; Koch, Ausweitung des Verbraucherschutzrechts: Der Widerruf im Mietrecht, VuR 2016, 92; Koch, Rechte des Unternehmers und Pflichten des Verbrauchers nach Umsetzung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, JZ 2014, 758; Koch/Friebel, Inhalt, Reichweite und Auswirkungen des prozessrechtlichen Verbraucherbegriffs (§ 29c Abs. 2 ZPO), GPR 2019, 280; Loacker, Verbraucherverträge mit gemischter Zwecksetzung, JZ 2013, 234; Masuch, Stellvertretung beim Abschluss von Verbraucherverträgen, BB 2003, Beil 6 zu Heft 35, 16; Meier/Schmitz, Verbraucher und Unternehmer – ein Dualismus?, NJW 2019, 2345; Mohr, Der Begriff des Verbrauchers und seine Auswirkungen auf das neu geschaffene Kaufrecht und das Arbeitsrecht, AcP 204 (2004), 660; Mülbert, Außengesellschaften – manchmal ein Verbraucher?, WM 2004, 905; Mülbert, Verbraucher kraft Organmitgliedschaft?, FS Goette, 2011, 333; Müller, Der Arbeitnehmer als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, 2005; Peintinger, Der Verbraucherbegriff im Lichte der Richtlinie über die Rechte von Verbrauchern und des Vorschlags für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht – Plädoyer für einen einheitlichen europäischen Verbraucherbegriff, GPR 2013, 24; Pfeiffer, Der Verbraucher nach § 13, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 133; Pfeiffer, Verbraucherrecht mit vielen Säulen – Auf der Suche nach funktionsgerechten Konstruktionsprinzipien eines Rechtsgebiets, NJW 2012, 2609; Pfeiffer, Was kann ein Verbraucher? Zur Relevanz von Informationsverarbeitungskapazitäten im AGB-Recht und darüber hinaus, NJW 2011, 1; Prütting, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz: Was sich ändert – und was bleiben wird, AnwBl 2016, 190; Piekenbrock/Ludwig, Zum deutschen und europäischen Verbraucherbegriff, GPR 2010, 144; Purnhagen, Die Zurechnung von Unternehmer- und Verbraucherhandeln in den §§ 13 und 14 BGB im Spiegel der Rechtsprechung – Eckpfeiler eines Konzepts?, VuR 2015, 3; Purnhagen, Mehr Realität im Verbraucherleitbild in der Rechtsprechung des EuGH – Ein EU-rechtliches Postulat zur Einbindung der Verhaltenswissenschaft ins Verbraucherrecht?, VuR 2016, 401; Reifner, „Verbraucher und Recht“ – Zur Logik von Verbraucherrecht und Verbraucherschutz, VuR 2018, 3; Riesenhuber/v Vogel, Sind Arbeitnehmer Verbraucher i.S.v. § 13 BGB?, Jura 2006, 81; Rott, Der „Durchschnittsverbraucher“ – ein Auslaufmodell angesichts personalisierten Marketings?, VuR 2015, 163; Saenger, Der allgegenwärtige Verbraucher im Bürgerlichen Recht, Zivilprozessrecht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, in: Hanna/Roos/Saenger (Hrsg), Juristenausbildung als Leidenschaft, FG Olaf Werner, 2004, 51; Schmidt, Verbraucherbegriff und Verbrauchervertrag – Grundlagen des § 13 BGB, JuS 2006, 1; K. Schmidt, „Unternehmer“ – „Kaufmann“ – „Verbraucher“, BB 2005, 837; Siemienowski, Verbrauchereigenschaft einer GbR – Unternehmereigenschaft aufgrund der Option zur Umsatzsteuer, NZG 2018, 168; Tamm/Tonner, Verbraucherrecht, 2. Aufl. 2016; Ultsch, Der einheitliche Verbraucherbegriff, 2005; Wagner, Sind Kapitalanleger Verbraucher?, BKR 2003, 649; Weber, Das Verbraucherleitbild des Verbrauchervertragsrechts – im Wandel?, VuR 2020, 9; Weyer, Handelsgeschäfte (§§ 343ff HGB) und Unternehmergeschäfte (§ 14 BGB), WM 2005, 490; Willems, Influencer als Unternehmer, MMR 2018, 707; Witt, Unternehmereigenschaft einer GmbH beim Verbrauchsgüterkauf, NJW 2011, 3402.
I. Gesetzgebung. 1. Entstehung. §§ 13 und 14 wurden 2000 durch das FernAbsG (BGBl I 2000, 897) in das 1 BGB eingefügt; § 13 neu gefasst durch Art 1 Nr 2 VRRL-UG v 20.9.2013 (BGBl I 2013, 3642). Ziel war eine Vereinheitlichung der Begriffe des Verbrauchers und des Unternehmers. Dabei wurde vor allem auf §§ 24 (Unternehmer) und 24a (Verbraucher) des früheren AGBG zurückgegriffen (BT-Drs 14/2658, 47). Die einzelnen Verbraucherschutzregelungen, die zuvor unterschiedliche Verbraucher- und Unternehmerbegriffe enthielten, nehmen seither auf §§ 13, 14 Bezug (zu Bsp s Rn 3 und § 14 Rn 3). 2. Einbeziehung von Arbeitnehmern. Über die Vorgabe des europäischen Rechts hinaus wird der Verbrau- 1a cher auch im Rahmen einer unselbständigen beruflichen Tätigkeit geschützt und werden ArbN von § 13 erfasst (Rn 15). Eine solche überschießende RL-Umsetzung ist in den Grenzen höherrangigen Primärrechts (insb der Grundfreiheiten) bei RL mit Mindestharmonisierungs-Charakter zulässig, wenn alle Fälle erfasst werden, für die die Umsetzungsverpflichtung besteht. Ob an der erweiterten nationalen Begriffsvereinheitlichung (krit dazu Flume ZIP 2000, 1427f) jedoch bei RL mit Vollharmonisierungs-Charakter festgehalten werden kann, ist zweifelhaft (hierzu bereits Bülow/Artz NJW 2000, 2049, 2051; Hoffmann WM 2006, 560; umfassend Ultsch, S 76ff, 221ff). Derartige RL verleihen den Mitgliedstaaten nämlich grds keinen Gestaltungsspielraum bzgl des vollharmonisierten Bereichs. Entscheidend sind aber stets Anwendungs- und Regelungsbereich der jew RL; insoweit darf bei RL mit Voll- bzw. Totalharmonisierungs-Charakter gerade kein Verbot eines weitergehenden Schutzes als des „europäischen Verbrauchers“ bestehen. Klass und Saenger
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Personen
a) Hinsichtl der FernabsatzRL für Finanzdienstleistungen (2002/65/EG) trifft dies jedenfalls nicht zu (BeckOK/Martens Rn 15; Bülow FS Derleder, 27, 29, 30; Ultsch, 149ff; aA Hoffmann WM 2006, 560, 562; Mülbert WM 2004, 905, 909). Zwar ist diese auf Vollharmonisierung ausgelegt (Härting/Schirmbacher DB 2003, 1777, 1778). Sie enthält jedoch abschließende Regelungen nur für Finanzdienstleistungen, die keiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (Art 1, 2 lit d RL 2002/65/EG). Außerhalb der sekundärrechtl normierten Bereiche hat der Mitgliedstaat grds einen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, so dass § 13 in zulässiger Weise auch Personen erfasst, die im Fernabsatz eine Finanzdienstleistung für ihre abhängige Beschäftigung beziehen (Bülow WM 2006, 1513, 1514; Schneider VersR 2004, 696, 699; Ultsch, 151). b) Entspr gilt für die VerbraucherrechteRL (VRRL-RL 2011/83/EU, ABl EG 2011 L 304/64). Diese fasst die früheren RL 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz zusammen. Sie gibt zwar den früheren Mindestharmonisierungsansatz zugunsten eines Vollharmonisierungsansatzes auf (Art 4). Erwägungsgrund 8 stellt aber ausdrückl klar, dass die zu harmonisierenden Aspekte der Regelung die innerstaatlichen Vorschriften über Arbeitsverträge unberührt lassen (ABl EU L 304/65). Die VerbraucherrechteRL wurde mit dem Gesetz zur Umsetzung der VerbraucherrechteRL und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung (VRRL-UG) v 20.9.2013 (BGBl I 3642), vgl auch den RegE BT-Drs 17/12637, mWz 13.6.2014 umgesetzt. Die dabei vorgenommene Änderung von § 13 („überwiegend“) soll mit Blick auf Erwägungsgrund 17 der VerbraucherrechteRL klarstellen, dass es bei sog Dual-use-Verträgen auf den überwiegenden Zweck ankommt (BT-Drs 17/13951, 96). II. „Verbraucher“. 1. Begriff. Bei der Bestimmung des Verbraucherbegriffs ist zum einen von der Privatheit des ökonomischen Handelns auszugehen, zum anderen von der strukturellen Unterlegenheit des privat Handelnden, die vermutet wird (zur strukturellen Unterlegenheit privat handelnder Personen, etwa aufgrund schwächerer Verhandlungsposition und geringerem Informationsstand, vgl nur EuGH WM 2020, 1409, 1410; NJW 2014, 841, 842; BVerfGE 89, 214, 232ff = BVerfG NJW 1994, 36, 38f). Ob diese Person situativ schutzbedürftig ist, beurteilt sich nach dem Gegenstand des jew Verbraucherrechts (MüKo/Micklitz Rn 4, 7). 2. Anwendungsbereich. § 13 ist maßgeblich, wenn das BGB oder ein anderes Gesetz vom „Verbraucher“ spricht. Im BGB findet der Verbraucherbegriff etwa in § 241a I, § 270a, § 286 III, § 288 II, V, VI, § 308 Nr 1a, b, § 310 I, III, §§ 312–312m, §§ 327–327u, §§ 355–361, § 445c, § 453, §§ 474–479, §§ 481–487, §§ 491–516a, § 578b, § 580a III, § 620 IV, § 640 II 2, § 650 III, §§ 650i–650o, §§ 655a–655e und § 661a Verwendung, außerhalb des BGB bspw in § 29c II ZPO (zur ggü § 13 größeren Reichweite des Begriffs s Koch/Friebel GPR 2019, 280; krit zum gesonderten prozessualen Verbraucherbegriff Bening VuR 2019, 455, 458), § 1031 V ZPO und § 414 III HGB. Nicht auf den Verbraucherbegriff verweisen hingegen die Vorschriften über den Reisevertrag in §§ 651a ff, die stattdessen vom Reisenden sprechen, der auch ein Unternehmer sein kann, sowie des FernUSG, das nicht von Verbrauchern, sondern von Teilnehmern spricht. § 13 ist auch auf beidseitige Verbrauchergeschäfte anwendbar. Allerdings knüpft das Gesetz an solche Geschäfte keine besonderen Folgen, vielmehr finden die allg Normen des Zivilrechts Anwendung. III. Persönlicher Anwendungsbereich. Nach der Gesetzesdefinition wird der Verbraucherbegriff von zwei Kriterien bestimmt, zum einen von der Personenqualität des Handelnden, zum anderen von der nicht gewerblichen oder selbständig beruflichen Zweckbindung des rechtsgeschäftlichen Handelns. 1. Personenqualität des Handelnden. a) Der Handelnde muss eine natürliche Person sein (vgl EuGH NJW 2002, 205). Damit sind juristische Personen (rechtsfähige Vereine, Stiftungen, GmbH, AG, eG, KGaA sowie öffentlich-rechtl Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts) aus dem Verbraucherbegriff ausgeschlossen (ausf Meier/Schmitz NJW 2019, 2345, 2347f). Dies mag bei solchen jur Personen unbefriedigend sein, deren Schutzbedürftigkeit aufgrund mangelnder Geschäftskompetenz derjenigen nat Personen entspricht, bspw bei gemeinwohlorientierten Stiftungen und rechtsfähigen Idealvereinen (Pfeiffer, 133, 138). Indes ist die Regelung abschließend (so auch BGH WM 2010, 647, 648). Wo der Gesetzgeber den Verbraucherbegriff modifiziert verstanden wissen wollte, hat er dies anders als in § 13 ausdrückl geregelt, wie zB in § 513. b) Die Unterscheidung zw natürlichen und jur Personen ist dort unbefriedigend, wo dieser Dualismus aufgeweicht wird, nämlich bei Personengesellschaften und Gesamthandsgemeinschaften (Erben- und Gütergemeinschaften). aa) Für Personengesellschaften gilt: Normadressaten der Verbraucherschutzregelungen können nicht nur einzelne nat Personen sein, sondern auch eine Mehrzahl nat Personen, die sich zu einer (Außen-)GbR zusammengeschlossen haben (zu § 1 VerbrKrG BGHZ 149, 80 = BGH EWiR 2002, 93 m Anm Saenger/Bertram; BeckOK/Martens Rn 26; Staudinger/Fritzsche Rn 36; Bülow/Artz § 491 Rn 32; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht Rn 1436; diff Beck VuR 2017, 370; Wunderlich BKR 2002, 304). Wird demggü vertreten, die (Außen-)GbR käme aufgrund ihrer Rechtsfähigkeit nicht als nat Person in Betracht (MüKo/Micklitz Rn 19f; Eßner/Schirmbacher VuR 2003, 247; Fehrenbacher/Herr BB 2002, 1006; Grunewald, FS Marsch-Barner, 177, 179; Krebs DB 2002, 517; Vortmann ZIP 1992, 229, 232; krit Schmidt JuS 2006, 1, 5 „rechtspolitische Notlüge“), verkennt dies, dass auch nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR (BGHZ 146, 341, 343 = BGH NJW 2001, 1056, 1056; ab 1.1.2024 in § 705 II Alt 1 nF kodifiziert) diese nicht den Status einer jur Person besitzt (vgl auch § 11 II Nr. 1 InsO). (Nur) diesen Status verwendet jedoch die VerbraucherschutzRL als Gegensatz zur nat Person. Ebenso wenig überzeugt es, das Verbraucherkreditrecht nur bei personalstrukturierten, nicht aber bei verbandsmäßig strukturierten GbR anzuwenden (Staudinger/Kessal-Wulf § 491 Rn 27). Eine Unterscheidung nach der internen 136
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Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer
§ 13
Strukturierung der GbR wäre der Rechtssicherheit und -klarheit abträglich und ist deswegen abzulehnen (BGH NJW 2002, 368, 368f). Sind an der GbR tatsächlich nur nat Personen beteiligt, ist der gewerbliche/selbständig berufliche bzw der private Zweck (Rn 18ff) des jew Geschäfts das maßgebliche Abgrenzungskriterium. Ist hingegen zumindest einer der Gesellschafter eine jur Person, scheidet die Verbraucherstellung der GbR von vornherein aus (BGH NJW 2017, 2752, 2754; dem folgend Brandenburg BB 2018, 2516; aA Köln NZG 2017, 944, 945, das bei Beteiligung zumindest eines Verbrauchers auf den Geschäftszweck abstellt; krit hierzu Siemienowski NZG 2018, 168, 169f). Optieren die Gesellschafter der GbR, auch wenn es sich hierbei ausschließlich um nat Personen handelt, gem § 9 I UStG zur Umsatzsteuerpflicht, begeben sie sich in den unternehmerischen Geschäftsverkehr (Hamm 10.7.2017 – 31 U 130/16, BeckRS 2017, 132870 Rn 22 unter Bezugnahme auf BGH NJW 2016, 2173, 2176; entspr Verständnis des BGH-Urteils bei Siemienowski NZG 2018, 168, 171; aA Köln, NZG 2017, 944, 946; Stuttgart 17.3.2010 – 3 U 160/09, BeckRS 2010, 13000). Entsprechendes gilt für Personenhandelsgesellschaften (OHG/KG): Sind deren Gesellschafter ausschließlich nat Personen und betreiben diese allein private Vermögensverwaltung (§ 105 II 1 HGB), sind sie Verbraucher (aA BeckOK/Martens Rn 27; MüKo/ Micklitz Rn 18, die jeweils aufgrund deren Rechtsfähigkeit pauschal vom Ausschluss einer Verbraucherstellung ausgehen). bb) Auch die Erbengemeinschaft hat keine eigene Rechtspersönlichkeit (BGH NJW 2002, 3389, 3390; 1989, 2133, 2134; krit Fritz NZM 2003, 676), so dass die einzelnen Erben Verbraucher sein können. Ebenso verhält es sich bei der Gütergemeinschaft. Auch die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 9a I 1 WEG) kann Verbraucherin sein, sofern nicht nur Unternehmer an ihr beteiligt sind (BGHZ 204, 325, 334 = BGH NJW 2015, 3228, 3230; München NJW 2008, 3574; Grü/Ellenberger Rn 2; aA LG Rostock NZM 2007, 370; MüKo/Micklitz Rn 21; Krampen-Lietzke RNotZ 2013, 575, 597), wobei für den Verbraucherschutz nach der WEMoG-Reform (BGBl I 2020, 2187) allerdings nur wenig Raum bleibt (dazu Saenger/Tönnies JA 2022, 617, 623; Drasdo BWNotZ 2021, 184, 185f). c) Für den nicht rechtsfähigen wirtschaftlichen Verein (ab 1.1.2024 als wirtschaftl Verein ohne Rechtspersönlichkeit bezeichnet und in § 54 I 2 nF geregelt), für den die Vorschriften über Gesellschaften gem § 54 S 1 Anwendung finden, gilt das für die (Außen-)GbR Gesagte entspr. Der nichtrechtsfähige Idealverein (künftig als [Ideal-]Verein ohne Rechtspersönlichkeit bezeichnet, § 54 I 1 nF) – für den die Vorschriften der §§ 24–53 gelten (Staudinger/Schwennicke § 54 Rn 9) – weist mit seiner körperschaftlichen Struktur das wesensprägende Merkmal einer jur Person auf und kann daher nicht als nat Person gelten (BeckOK/Martens Rn 25). d) Bei Beteiligung Dritter gilt für die Einordnung als Verbrauchergeschäft Folgendes: aa) Das Rechtsgeschäft begleitende Sicherungsgeschäfte (Schuldübernahme, Schuldbeitritt, Bürgschaft, Garantie, Sicherungsabtretung, [Grund-]Pfandrechte) erfordern eine Differenzierung. – Wird der Sicherungsgeber in das zu sichernde Rechtsgeschäft einbezogen, wie bei Schuldübernahme und Schuldbeitritt, ist dieser nicht Dritter. Für die Verbrauchereigenschaft ist deshalb allein seine Person maßgeblich (sog Einzelbetrachtung BGH NJW 2006, 431; BGHZ 133, 71, 76f = BGH NJW 1996, 2156, 2157f). – Ist der Sicherungsgeber dagegen ein außerhalb des eigentlichen Rechtsgeschäfts stehender Dritter (zB Bürge), bedarf es zunächst der Beurteilung, ob das Sicherungsgeschäft vom sachlichen Anwendungsbereich der jew betroffenen Verbrauchervorschrift umfasst ist (vgl zu Bürgschaft und Verbraucherdarlehensrecht § 491 Rn 49; zu Bürgschaft und Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen § 312b Rn 2; § 312 Rn 14ff), und sodann der Prüfung, ob auch der Vertragspartner des gesicherten Rechtsgeschäfts Verbraucher sein muss (BeckOK/Martens § 312 Rn 12). Nach der früheren Auffassung waren die Widerrufsrechte eines Verpfänders oder Bürgen gem § 312g I Alt 1 jedenfalls nicht von der Verbrauchereigenschaft des persönlichen Schuldners oder einer auf diesen bezogenen Haustürsituation abhängig (zum früheren Recht BGH NJW 2006, 845; Derleder EWiR 2006, 195; Zahn ZIP 2006, 1069). Diese Ansicht konnte jedoch nach der Neuregelung der §§ 312ff ab dem 13.6.2014 nicht aufrechterhalten werden, die eine „entgeltliche Leistung“ des Unternehmers zur Voraussetzung hatte. Eine solche verneinte der BGH insb im Fall der Bürgschaft eines Verbrauchers ggü einem Unternehmer (BGH NJW 2020, 3649, 3650). Bürgschaftsverträge unterfielen somit grds nicht dem Anwendungsbereich der §§ 312ff. Dies ist mit der Neufassung (BGBl I 2021, 3483) von § 312 zum 1.1.2022 bestätigt worden (BeckOK/Martens § 312 Rn 12). Weil der Abschluss eines Sicherungsgeschäfts weder zur „Zahlung eines Preises“ (§ 312 I) noch zur Bereitstellung personenbezogene Daten verpflichtet (§ 312 Ia), wie dies nunmehr vorausgesetzt wird, ist der Anwendungsbereich eines Verbrauchervertrags nicht eröffnet und steht auch einem Verbraucher als Sicherungsgeber kein Widerrufsrecht gem § 312g zu. bb) Bei verbundenen Verträgen iSv § 358 III 1 gilt ein „doppelter Verbraucherbegriff“. Sowohl bei Abschluss des Waren- oder Dienstleistungsvertrags als auch bei Abschluss des Darlehensvertrags muss die Verbrauchereigenschaft vorliegen. Dies bereitet keine Probleme, solange es sich beim Käufer bzw Leistungsempfänger und dem Darlehensnehmer um dieselbe Person handelt. cc) Besonderes gilt, wenn sich der Verbraucher eines Stellvertreters bedient (im Einz Masuch BB 2003 Beil 6 zu Heft 35, 16). Spezialregelungen finden sich in § 492 IV sowie § 17 IIa 2 BeurkG. Sind Vertreter und Vertretener Verbraucher, liegt unproblematisch ein Verbrauchergeschäft vor. Anders ist die Situation, in der nur der Vertretene Verbraucher ist, der Vertreter jedoch nicht. Verbraucherschutzgesetze sollen den Verbraucher vor dem Abschluss von Rechtsgeschäften schützen, deren Folgen er infolge fehlender Geschäftserfahrung und mangelnder Kenntnisse typischerweise nicht vollständig überblickt (s zB für das Verbraucherdarlehen BT-Drs 11/5462, Saenger
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17). Beim Einsatz eines gewerblich oder selbständig beruflich tätigen Vertreters verfügt dieser über entspr Geschäftserfahrung, so dass man (ebenso wie BGHZ 144, 223, 227f = BGH NJW 2000, 2268, 2268f bzgl des Vorliegens der situationsbezogenen Voraussetzungen des heutigen § 312b beim sog Haustürgeschäft des Vertreters) auf den Rechtsgedanken des § 166 zurückgreifen und ein Verbrauchergeschäft des Vertretenen verneinen könnte. Allerdings ist der Verbraucher selbst bei Zuhilfenahme eines unternehmerisch agierenden Vertreters, der ihm die Einzelheiten des Geschäfts erklärt, nicht minder schutzbedürftig. Also ändert auch die Einschaltung eines Vertreters, der in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, nichts an der Anwendung des § 13, sofern der Vertretene Verbraucher ist (i Erg ebenso BGH NJW 2021, 2281, 2290; BeckOK/ Martens Rn 34; MüKo/Micklitz Rn 27f; MüKo/Schürnbrand/Weber § 491 Rn 14). Ist hingegen der Vertreter Verbraucher, der Vertretene jedoch nicht, sind Verbraucherschutzvorschriften nicht anwendbar. Selbst wenn die Gefahr der situativen Übereilung beim Vertragsschluss durch den Vertreter besteht, ist der Vertretene nicht schutzbedürftig, denn hätte er selbst den Vertrag geschlossen, wären Verbraucherschutzvorschriften nicht anwendbar (MüKo/Schürnbrand/Weber § 491 Rn 14; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht Rn 1439; Teske BB 1988, 869, 870; aA BeckOK/Martens Rn 34). Handelt es sich bei dem Vertreter um einen falsus procurator und verweigert der Vertretene die Genehmigung des Rechtsgeschäftes, kann der Vertreter ein Widerrufsrecht nur ausüben, wenn er selbst Verbraucher ist (LG Fulda VuR 2013, 303; aA BeckOK/Martens Rn 35). dd) Bei einem Vertrag zugunsten Dritter ergeben sich keine Besonderheiten, weil für den Dritten als Leistungsempfänger kein Anlass besteht, Verbraucherschutzrechte geltend zu machen. Es bleibt bei dem allg Grundsatz, wonach nur dem Versprechensempfänger Verbraucherschutzrechte zustehen, der auch Verbraucher ist. 2. Keine gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecke. Verbrauchergeschäfte sind nur solche, die für die handelnde nat Person ein Privatgeschäft darstellen, also etwa der Haushaltsführung, Daseins- und Gesundheitsvorsorge oder Freizeitgestaltung dienen. Indes wird die Zweckbindung nicht positiv, sondern negativ definiert: Der Verbraucher ist eine Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Aufgrund der Negativformulierung gilt der Geschäftsabschluss einer nat Person grds als Verbraucherhandeln (BGH NJW 2021, 2281, 2289; 2009, 3780, 3781; MDR 2017, 1434, 1435). a) Unter einer gewerblichen Tätigkeit ist jede selbständige, auf Dauer angelegte entgeltliche Tätigkeit zu verstehen (vgl im Einz § 14 Rn 8ff). Das Merkmal dient zur Abgrenzung von den der Privatsphäre des Verbrauchers zurechenbaren Geschäften und darf nicht zu eng ausgelegt werden. Problematisch kann die Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung ggü der gewerblichen Tätigkeit sein, insb bei Erwerb oder Vermietung von Immobilien. Die Verwaltung eigenen Vermögens gehört grds nicht zur gewerblichen Tätigkeit; ausschlaggebend ist der Umfang der betriebenen Geschäfte (BGH NJW 2021, 2281, 2289; 2018, 1812, 1814; BGHZ 149, 80, 86 = BGH NJW 2002, 368, 369 zu § 1 VerbrKrG). Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, was vom organisatorischen und zeitl Aufwand abhängt und zB auch an der Unterhaltung eines Büros festgemacht werden kann, liegt gewerbliche Betätigung vor (BGH NJW 2021, 2281, 2289; 2018, 1812, 1814; 2002, 368, 369). Auf die Höhe der verwalteten Werte kommt es hingegen nicht an (BGH NJW 2018, 1812, 1814; 2002, 368, 369). Eine berufliche Befassung mit Kapitalanlagen lässt nicht zwingend die Zuordnung jedes der Verwaltung eigenen Vermögens dienenden Geschäfts zur beruflichen Sphäre zu; die Verbrauchereigenschaft entfällt nicht durch die Inanspruchnahme (externer) Berater (Stuttgart 14.9.2018 – 5 U 98/17, BeckRS 2018, 21723 Rn 97, juris Rn 104ff). Bei der Einordnung des Erwerbs einer Gesellschafterstellung muss differenziert werden: Beim Erwerb von GmbH-Anteilen und Aktien handelt es sich nur dann um eine gewerbliche Tätigkeit, wenn mit der Beteiligung eine unternehmerische Zielsetzung verfolgt wird (ausf Staudinger/Hopt/Mülbert 12. Bearb 1988, § 609a Rn 31). Der BGH qualifiziert das Halten eines GmbH-Anteils grds nicht als gewerbliche Tätigkeit, sondern als private Vermögensverwaltung (BGH NJW 2007, 759, 760; BGHZ 133, 71, 78 = BGH NJW 1996, 2156, 2158). Gleiches gilt für den Anleger, der einer Publikumsgesellschaft beitritt (Bertram, 99ff, 138). Der Erwerb einer Stellung als persönlich haftender Gesellschafter in einer Personengesellschaft ist als gewerblich zu qualifizieren, wenn die Personengesellschaft ein Gewerbe ausübt und nicht lediglich Vermögen verwaltet (§ 105 II 1 HGB; hiergegen aber Dauner-Lieb/Dötsch DB 2003, 1666, 1668, die auf den Widerspruch hinweisen, der sich im Vergleich zur Einordnung des Gesellschafter-Geschäftsführers der GmbH als Verbraucher ergeben soll). Der Erwerb einer Kommanditistenstellung ist idR private Vermögensverwaltung (Saenger FG Werner, 2004, 51, 61), es sei denn, dem Kommanditisten werden in einer gewerblich tätigen Personengesellschaft Rechte eingeräumt, die denen eines Komplementärs vergleichbar sind. Beim darlehensfinanzierten Erwerb einer Gesellschafterstellung ist die Bestimmung über Existenzgründergeschäfte des § 513 zu beachten (MüKo/Weber § 513 Rn 4; BeckOGK/Haertlein/Schultheiß § 513 Rn 16). Nebenerwerbstätigkeiten, die die Grenze zur Gewerbsmäßigkeit überschreiten, führen ebenfalls zum Verlust der Verbrauchereigenschaft (Celle NJW-RR 2004, 1645, 1646; Bremen ZGS 2004, 394). Zum eBayVerkäufer s § 14 Rn 11. b) Nicht als Verbraucher handelt auch der selbständig beruflich Tätige. Hiervon werden vor allem Freiberufler erfasst (Ärzte, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Architekten, Künstler, Schriftsteller, Privatlehrer etc; vgl § 14 Rn 15). Bei Rechtsgeschäften des Arbeitnehmers mit dem ArbGeb, die sich nicht auf das Arbeitsverhältnis beziehen (zB Darlehensvertrag), ist der ArbN als Verbraucher anzusehen (EuGH NJW 2019, 2223, 2224). Von § 13 werden darüber hinaus aber auch alle Geschäfte erfasst, die ein ArbN in dieser Eigenschaft tätigt, solange er nur keine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt (BAG NJW 2018, 891, 892; 2005, 3305, 3308f: „Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag iSd § 310 III BGB“, ebenso BVerfG 138
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Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer
§ 13
NJW 2007, 286, 287; vgl auch Benecke/Pils ZIP 2005, 1956; aA Annuß NJW 2002, 2844; Maschmann RdA 2005, 212, 216f). Dies gilt auch, wenn das Rechtsgeschäft ganz oder teilw für die Berufstätigkeit bestimmt ist (zB Anschaffung eines Computers für Verwendung am Arbeitsplatz, Pkw für Dienstfahrten; vgl Grü/Ellenberger Rn 3; Annuß, NJW 2002, 2844). Auch die Geschäftsführung einer GmbH wird nach hM nicht als selbständige berufliche, sondern als Tätigkeit im Angestelltenverhältnis angesehen (BGH NJW 2007, 759, 760; 2006, 431, 432; 2004, 3039, 3040; BGHZ 133, 71, 78 = BGH NJW 1996, 2156, 2158; BAG NZA 2010, 939, 940f, sofern der Geschäftsführer kein Gesellschafter mit Sperrminorität ist; aA Oldenburg WM 2000, 1935, 1939; vgl § 14 Rn 15). Zwar geht der ArbN einer Erwerbstätigkeit nach und tätigt keine Geschäfte zu konsumtiven Zwecken (hierzu Ultsch, 246ff), doch lassen Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 13 keinen anderen Schluss zu als den, ArbN im Hinblick auf Vereinbarungen mit dem ArbGeb als Verbraucher anzusehen (vgl hinsichtl der Verbrauchereigenschaft des ArbN auch § 491 II Nr 4). Während im europäischen Sekundärrecht jeglicher berufliche Geschäftszweck der Verbrauchereigenschaft entgegensteht, hat der deutsche Gesetzgeber in überschießender Umsetzung der RL den Verbraucherbegriff erweitert (vgl Rn 1a–c). Dies besagt aber nichts für die Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften (BAG NJW 2005, 3305, 3309); diese ist vielmehr für jede in Rede stehende Verbraucherschutznorm gesondert zu beurteilen, und dabei ist zu prüfen, ob spezielle ArbN-Rechte bzw ausdrückl gesetzl Anordnungen oder systematisch-teleologische Erwägungen entgegenstehen (Rn 1a). Die Frage, ob ein ArbN Verbraucher iSd § 13 sein kann, stellt deshalb nur eine Facette der Problematik der An- 15a wendbarkeit der Verbraucherschutzrechte dar (Staudinger/Fritzsche § 14 Rn 55). Praktische Bedeutung erlangt die Verbrauchereigenschaft des ArbN vor allem in vier Bereichen (vgl Riesenhuber/v Vogel Jura 2006, 81): aa) Die Anwendbarkeit des § 288 II über den höheren Verzugszins bei Geschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, wird aus teleologischen Gründen verneint (BAG NJW 2005, 3305, 3308; ArbG Hamburg ZGS 2003, 79 m Anm Clemens, der dem Ergebnis unter Hinweis auf die europarechtl Vorgaben des § 288 II zustimmt); demnach gilt bei Zahlungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis § 288 I (BAG NZA 2005, 694, 697). bb) § 310 III betreffend die Klauselkontrolle in Verbraucherverträgen ist auf Arbeitsverträge anwendbar (BVerfG NJW 2007, 286, 287; BAG NJW 2005, 3305, 3308f). cc) Die Bestimmung des § 312g I Alt 1 über das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist auf am Arbeitsplatz geschlossene arbeitsrechtl Beendigungsvereinbarungen mangels „Überrumpelungssituation“ im Regelfall nicht anwendbar (BAG NJW 2004, 2401, 2405f). Das gilt auch, wenn der ArbN regelmäßig zu Hause arbeitet (BAG NZA 2004, 1295). dd) Bei einer anwaltlichen Erstberatung kommt der ArbN in den Genuss der Kappungsgrenze von § 34 I 3 RVG, wenn individualarbeitsrechtl Rechtsfragen Gegenstand der Beratung sind (Riesenhuber/v Vogel Jura 2006, 81, 85f). Vgl iÜ zur Verbraucher-Eigenschaft des ArbN Hümmerich/Holthausen NZA 2002, 173, 178; Müller, Der Arbeitnehmer als Verbraucher iSd § 13 BGB, 2005; Reinecke DB 2002, 583, 587 [bejahend] und demggü Kellermann JA 2005, 546, 547f; Mohr AcP 204, 660, 691ff; Tschöpe/Pirscher RdA 2004, 358, 362 [verneinend]). c) Existenzgründergeschäfte – also Geschäfte zur Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen 16 Tätigkeit, wie zB die Anmietung von Geschäftsräumen – fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 13 (BGH NJW 2005, 1273, 1274f; Düsseldorf, NJW 2004, 3192, 3193f; Rostock ZVI 2003, 332; BeckOK/Martens Rn 51; Staudinger/Fritzsche Rn 62; aA München NJW-RR 2004, 913, 914; Nürnberg OLGRp 2003, 335; Prasse MDR 2004, 961, 963), jedoch nicht, wenn das Geschäft lediglich der Vorbereitung der Entscheidung über eine Existenzgründung dient (BGH NJW 2008, 435 – „Existenzgründungsbericht“ eines beauftragen Steuerberaters). Aus § 513, wonach Existenzgründer ausdrückl in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über das Verbraucherdarlehen einbezogen werden, ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber Existenzgründer grds nicht als Verbraucher ansieht (BGH NJW 2005, 1273 noch zur Vorgängervorschrift § 507 aF; Rostock ZIV 2003, 332; krit MüKo/Micklitz Rn 69). Da eine entspr Regelung in § 13 gerade nicht getroffen wurde, werden hiervon keine Existenzgründergeschäfte erfasst. Das Arg der Gegenansicht (MüKo/Micklitz Rn 68), Existenzgründer seien unter den Verbraucherbegriff zu subsumieren, weil sie aus der privaten Sphäre heraus tätig würden und es ihnen an Geschäftskompetenz mangele, überzeugt nicht. Denn mit der Entscheidung, in bestimmter Weise unternehmerisch tätig zu werden, und dem Abschluss vorbereitender Geschäfte begibt sich der Existenzgründer in den unternehmerischen Verkehr und agiert gerade nicht mehr „von seiner Rolle als Verbraucher her“ (BGH NJW 2005, 1273, 1274). Die Unterscheidung zw Geschäften vor und nach Existenzgründung würde iÜ eine künstliche, wenig klare Trennung bewirken (ebenso Kellermann JA 2005, 546, 549). d) Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn ein Rechtsgeschäft sowohl zu gewerblichen bzw beruflichen 17 als auch zu privaten Zwecken, also zu einem gemischten Zweck geschlossen wird („dual use“, etwa beim Kauf eines Fahrzeugs, das sowohl beruflich als auch privat genutzt werden kann). Maßgeblich ist dann, welche Zweckbestimmung im Einzelfall überwiegt (hM, Bremen ZGS 2004, 394f; Celle NJW-RR 2004, 1645, 1646; Naumburg WM 1998, 2158; Hk/Dörner § 14 Rn 2; Grü/Ellenberger Rn 4; Pfeiffer NJW 1999, 169, 173). Dies war zunächst umstr, ergibt sich inzwischen aber aus dem Wortlaut von § 13 („überwiegend“). Der Gesetzgeber hat nämlich die Umsetzung der VerbraucherrechteRL (RL 2011/83/EU) mit dem VRRL-UG v 20.9.2013 (BGBl I 2013, 3642) genutzt, mit Blick auf ErwGr 17 der VerbraucherrechteRL klarzustellen, dass es bei sog Dual-useVerträgen auf den überwiegenden Zweck ankommt (BT-Drs 17/13951, 96; ausf dazu Bülow WM 2014, 1). Schließt also eine nat Person einen Vertrag nicht überwiegend zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken, handelt sie als Verbraucher. Weil § 344 I HGB im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz keine Geltung beanspruchen kann, lässt sich bei verbleibenden Zweifeln auch nicht nach dem Rechtsgedanken dieser Norm widerlegbar vermuten, dass das Rechtsgeschäft für gewerbliche bzw selbständige berufliche Zwecke abgeSaenger
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schlossen wurde (vgl § 14 Rn 17; BGH NJW 2022, 686, 689f; Wolf/Horn/Lindacher § 310 I Rn 12; i Erg ebenso MüKo/Micklitz § 14 Rn 42; Pfeiffer NJW 1999, 169, 173). Wer sich auf den Verbraucherschutz beruft, trägt auch bei „dual use“ die Beweislast (Celle NJW-RR 2004, 1645, 1646; Grü/Ellenberger Rn 4; Heinrichs NJW 1996, 2190, 2191; aA NK/Ring § 14 Rn 31, der für einen wirksamen Verbraucherschutz den Kunden in Zweifelsfällen immer als Verbraucher behandeln möchte). e) Handelt bei einem Rechtsgeschäft auf der einen Seite eine Personenmehrheit, von der einige das Rechtsgeschäft zu privaten, andere zu gewerblichen bzw beruflichen Zwecken abschließen, gebietet es der Zweck des Verbraucherschutzes, die Verbrauchereigenschaft bei jedem Mitverpflichteten getrennt zu beurteilen (Einzelbetrachtung, vgl auch Rn 9; BGH WM 2000, 1632, 1635; BGHZ 133, 71, 76 = BGH NJW 1996, 2156, 2157; BeckOK/Martens Rn 30; Kellermann JA 2005, 546, 547). Welche Folgen sich hieraus ergeben, hängt von der entspr Verbraucherregelung ab. So führt etwa die Verbrauchereigenschaft eines Mitverpflichteten bei einem Finanzierungsleasingvertrag dazu, dass der Vertrag nicht gekündigt werden kann, wenn die verbraucherspezifischen Kündigungsvoraussetzungen des § 500 I 1 iVm § 498 I 1 nicht vorliegen (BGHZ 144, 370, 379 = BGH NJW 2000, 3133, 3135). f) Der für die Zweckbindung des Rechtsgeschäfts maßgebliche Zeitpunkt ist der Abschluss des Rechtsgeschäfts, bei Verträgen also der Vertragsschluss (Düsseldorf WM 2017, 2081, 2082). Eine nachträgl Umwidmung des Zwecks ist nicht möglich (MüKo/Micklitz Rn 40). Bei der Ermittlung der Zweckbindung entscheidet nicht der Wille des Handelnden, sondern der obj, durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts (BGH NJW 2021, 2281, 2288; 2018, 146, 149; Staudinger/Fritzsche § 14 Rn 45; Staudinger/Matusche-Beckmann § 474 Rn 8; Herresthal JZ 2006, 695, 697; aA Müller NJW 2003, 1975, 1979). Nur so lässt sich die Schutzbedürftigkeit des Handelnden bestimmen, ohne es seiner Willkür zu überlassen, ob er den Schutz der Verbraucherregelungen in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Keinesfalls kann daher zwingendes Verbraucherschutzrecht durch eine Vereinbarung als „Händlergeschäft“ umgangen werden (Ebers VuR 2005, 361, 364; zu einer entspr Regelung in AGB AG Zeven ZGS 2003, 158, 159f; NK/Ring § 14 Rn 32; Grü/Ellenberger Rn 4: Unwirksamkeit nach § 309 Nr 12; demggü zur Möglichkeit, die Geltung verbraucherschützender Normen dadurch auszuschließen, dass das Vertragsangebot von vornherein nur auf Geschäftskunden beschränkt wird: Hamm MMR 2008, 469, 470; LG Leipzig VuR 2013, 472, 473). Bei der Auslegung sind freilich auch die Begleitumstände zu beachten: Liegt nach dem obj Zweck bei Vertragsschluss mit einer nat Person Verbraucherhandeln vor, ist eine andere Wertung nur aus erkennbaren Umständen zulässig, die zweifelsfrei und eindeutig auf Unternehmerhandeln hinweisen (BGH NJW 2021, 2281, 2289; 2009, 3780, 3781, der jedoch die weitergehende Frage offenlässt, ob die Zweckrichtung nach obj oder subj Kriterien zu bestimmen ist; vgl krit Anm Piekenbrock/Ludwig GPR 2010, 114). Ein zweifelsfreier und eindeutiger Hinweis auf Unternehmerhandeln liegt noch nicht vor, wenn eine nat Person als Lieferadresse einen Unternehmer angibt, jedoch nur selbst als Vertragspartner auftritt (BGH NJW 2009, 3780, 3781). Wenn jemand bei Abschluss des Rechtsgeschäfts arglistig vorgibt, Unternehmer zu sein (Scheinunternehmer), kann er sich nach Treu und Glauben nicht auf verbraucherschützende Vorschriften berufen (BGH NJW 2005, 1045 = JR 2005, 284 m Anm Looschelders; offengelassen wurde vom BGH, ob die Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts nach subj oder obj Kriterien zu bestimmen ist; zust Ebers VuR 2005, 361, 365). Gleiches gilt, wenn im Anschluss an die Bestätigung eigenen gewerblichen Handelns versucht wird, den Anschein eines Verbrauchergeschäfts hervorzurufen (BGH MDR 2017, 1434, 1435). Insoweit gebührt dem Grundsatz von Treu und Glauben ggü dem Interesse des unredlichen Vertragspartners der Vorrang. Die Vorschriften zum Verbraucherschutz sollen den Verbraucher vor der Ausnutzung einer Marktposition durch den Unternehmer schützen; sie dienen aber nicht dazu, den Verbraucher vor sich selbst zu schützen (Koblenz OLGRp 2005, 193 zu den Verbrauchsgüterkaufvorschriften). Auch der EuGH sieht die Anwendung eines nationalen Rechtsmissbrauchsverbots auf angeglichenes Recht insoweit als zulässig an, als die zweckwidrige Rechtsausübung zur Erlangung unberechtigter Vorteile verboten wird (EuGHE I 1998, 2843 = WM 1998, 1222, Rn 28, 29). Anders ist es zu beurteilen, wenn der Unternehmer die vorgespielte Unternehmereigenschaft durchschaut. Dann kommt dem Verbraucherschutz mangels schutzwürdigen Vertrauenstatbestandes wiederum der Vorrang zu (i Erg ebenso BeckOK/Martens Rn 39; Schmidt JuS 2006, 1, 8 zu § 475 aF). g) Die Beweislast, dass das Rechtsgeschäft nicht zu einem Zweck abgeschlossen ist, der ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, trifft im Streitfall die nat Person, die sich auf Regelungen des Verbraucherschutzes beruft (vgl Rn 17 aE; BGH NJW 2021, 2281, 2290; 2007, 2619, 2621; BeckOK/Martens Rn 55; diff Frankfurt Hinweisbeschl v 22.3.2018 – 19 U 191/17, BeckRS 2018, 17609 Rn 21; Bülow WM 2011, 1349). Eine Beweislastumkehr zugunsten der nat Person ist (anders als früher in § 1 I 2 VerbrKrG) nicht vorgesehen. Umgekehrt gilt bei einem Rechtsgeschäft, welches obj zu einem Zweck geschlossen wird, der weder der gewerblichen noch der selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, dass einer nat Person die Verbrauchereigenschaft nur abgesprochen werden kann, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass sie tatsächlich in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (BGH NJW 2021, 2277, 2278). Wegen der negativen Formulierung des § 13 Hs 2 sind Zweifel insoweit nicht dem Verbraucher anzulasten (BGH NJW 2021, 2281, 2290). IV. Sachlicher Anwendungsbereich. Die Vorschrift erfasst von ihrem sachlichen Anwendungsbereich her nur den Abschluss von Rechtsgeschäften durch Verbraucher. Als Rechtsgeschäfte kommen alle einseitigen, zweiseitigen und mehrseitigen Rechtsgeschäfte im zivilrechtl Sinne in Betracht. Seinen Sinngehalt bezieht der sachliche Anwendungsbereich von § 13 erst aus einer Verknüpfung mit demjenigen der jew Verbraucherregelung. So muss 140
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Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer
§ 14
bspw für die Anwendung von § 310 III ein „Vertrag“ vorliegen, für §§ 491ff ein „Darlehensvertrag“ und für §§ 358, 359 ein Vertrag über die „Lieferung einer Ware oder Erbringung einer anderen Leistung“. Schwierigkeiten bereitet die Einordnung des § 661a. Da hierbei allein durch die Zusendung einer Gewinnzusage oder einer vergleichbaren Mitteilung ein gesetzl Schuldverhältnis entsteht (BGH NJW 2006, 230, 232; Lorenz NJW 2000, 3305, 3307; Hk/Schulze § 661a Rn 1), fehlt es an einem für die Bestimmung der Verbrauchereigenschaft als Bezugspunkt erforderlichen Rechtsgeschäft des Empfängers. Entscheidend muss daher sein, ob der Empfang der Mitteilung überwiegend weder im Zusammenhang mit einer gewerblichen noch selbständigen beruflichen Tätigkeit steht (MüKo/Schäfer § 661a Rn 14). Dies ist anhand der obj Umstände der Erteilung der Zusage (zB Gegenstand der Gewinnzusage, genutzte Adresse) zu beurteilen. § 13 ist entspr anzuwenden (Staudinger/Fritzsche Rn 40). Der Abschluss des Rechtsgeschäfts ist nicht im technischen („Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes“, „Schluss 22 eines Vertrags“), sondern in einem weiteren Sinn zu verstehen. Deshalb wird auch die Anbahnung des Rechtsgeschäfts im Vorfeld des Vertragsschlusses erfasst (BeckOK/Martens Rn 33; zB vorvertragl Informationspflichten, §§ 312d, 482; Grü/Ellenberger Rn 6). Der Verbraucherbegriff ist deshalb auch im Rahmen von § 241a über die Lieferung unbestellter Sachen anwendbar (ausweislich BT-Drs 14/2658, 46 erfasst § 241a auch die Lieferung zum Zweck der Vertragsanbahnung; zu § 661a München NJW 2004, 1671).
§ 14
Unternehmer1
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. (2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Zu Schrifttum und Gesetzgebung vgl § 13 vor Rn 1.
I. „Unternehmer“. 1. Begriff. Das Verbraucherschutzrecht wird – auch durch europäische RL – von den Begriffen Unternehmer und Verbraucher bestimmt. Die Terminologie ist jedoch nicht einheitlich. Vom Unternehmer ist der handelsrechtl geprägte Begriff des „Gewerbebetriebs“ zu unterscheiden, der etwa in § 269 II Verwendung findet. Hingegen sind die Bezeichnungen „Erwerbsgeschäft“ in § 1852 Nr 1 lit a und „Unternehmer“ in § 84 I 1 HGB mit § 14 im Wesentlichen deckungsgleich. Kein Unternehmer iSv § 14 ist der Werkunternehmer (§ 631 I), der auch Verbraucher iSv § 13 sein kann. 2. Verhältnis zu § 1 HGB. Auf das Verhältnis von § 14 und § 1 HGB ist der Gesetzgeber nicht eingegangen. Ungeachtet ihrer Parallelen unterscheiden sich die Vorschriften aber insofern, als § 14 im Gegensatz zu § 1 HGB auch freie Berufe und Kleingewerbetreibende umfasst. Ferner beschreibt § 14 den Unternehmer als Vertragspartei, wohingegen es sich bei dem Kaufmann des § 1 HGB um einen Statusbegriff handelt: Ein Kaufmann ist dies ohne Ausnahme und ununterbrochen; seine Kaufmannseigenschaft kann nicht abgelegt werden. Die Unternehmereigenschaft beurteilt sich hingegen nach dem einzelnen Rechtsgeschäft (vgl Schmidt BB 2005, 837, 838, zur Differenzierung zw Statusbegriff und Rechtgeschäftslage). Bei beidseitigen Verbrauchergeschäften sind die verbraucherschutzrechtl Sonderregelungen nicht anwendbar. Tätigt ein Kaufmann ein Privatgeschäft, kommt die Anwendung handelsrechtl Vorschriften lediglich über § 344 HGB in Betracht (vgl aber Rn 17). Auf beidseitige Unternehmergeschäfte finden verbraucherschutzrechtl Bestimmungen ebenfalls keine Anwendung. Handelt es sich bei beiden Parteien um Kaufleute, gelten die Regelungen des HGB. Bei Geschäften zw Verbrauchern und Unternehmern können sowohl verbraucherschutzrechtl Sonderregelungen Anwendung finden als auch – bei Vorliegen eines einseitigen Handelsgeschäftes iSv § 345 HGB – handelsrechtl Vorschriften. Aufgrund seines zwingenden Charakters hat das Verbraucherrecht Vorrang vor § 345 HGB, der insofern teleologisch zu reduzieren ist (Schmidt BB 2005, 837, 841; vgl zum Zusammentreffen von Handelskauf und Verbrauchsgüterkauf Hoffmann BB 2005, 2090; zu Handels- und Unternehmergeschäften Weyer WM 2005, 490). 3. Anwendungsbereich. § 14 gilt immer, wenn das BGB oder ein anderes Gesetz vom Unternehmer spricht. Besonderheiten gelten vor allem im Steuerrecht (s etwa den autonomen Unternehmerbegriff des § 2 I UStG, BGH WM 2020, 781, 783). Im BGB ist der Unternehmerbegriff maßgeblich etwa in § 241a I, § 310 I, III, §§ 312–312m, 327–327u, 355–361, 445a–445b, 453, 474–478, 481–486a, 491, 505, 506–510, 514–516a, 578b, 650 III, §§ 650i–650v, 651a–651d, 651v–651x, 655a und 661a. Außerhalb des BGB ist § 14 in § 1031 V ZPO und § 414 III HGB von Bedeutung. Der in § 651a I nicht näher definierte Reiseveranstalter ist ebenso Unternehmer (MüKo/Tonner § 651a Rn 7) wie der Veranstalter von Fernunterricht (§ 3 III FernUSG). II. Persönlicher Anwendungsbereich. 1. Personenqualität des Handelnden. Unternehmer kann nach Abs I jede nat oder jur Person und ebenso eine rechtsfähige Personengesellschaft (Abs II) sein. a) Zum einen können nat Personen Unternehmer sein. Erfasst werden damit auch Einzelkaufleute, Freiberufler sowie Land- und Forstwirte.
1 Amtl Hinweis: Diese Vorschrift dient der Umsetzung der eingangs [Fn S 1] zu den Nummern 3, 4, 6, 7, 9, und 11 genannten RL.
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§ 14
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Personen
b) Als jur Personen kommen sowohl solche des privaten Rechts (AG, KGaA, GmbH, eG, Verein, Stiftung, supranationale Rechtsformen wie die europäische Aktiengesellschaft SE und die europäische Genossenschaft SCE) als auch des öffentlichen Rechts (öffentlich-rechtl Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts) in Betracht. Für letztere ist dies anerkannt, soweit sie privatrechtl Verträge schließen (für § 310 III: MüKo/Fornasier § 310 Rn 70; für § 491 I: MüKo/Schürnbrand/Weber § 491 Rn 9; Bülow/Artz § 491 Rn 21). Im Zusammenhang mit dem Abschluss öffentlich-rechtl Verträge wird jedenfalls zur Anwendbarkeit von § 310 III über AGB tendiert (MüKo/Fornasier § 310 Rn 70). Dabei wird auf das Gebot der einheitlichen Anwendung der zugrunde liegenden europäischen RL verwiesen und auf die uneinheitliche Grenzziehung von privat- und öffentlich-rechtl Verträgen in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie die EuGH-Rspr, die nur zw konsensualem, also privatrechtl Handeln, und einseitigem durch Verwaltungsakt erfolgendem Verwaltungshandeln unterscheidet (dazu EuGH Slg 1976, 1541, 1551 – LTU/Eurocontrol). Im Rahmen des Verbraucherdarlehensrechts ist die Frage der Unternehmereigenschaft öffentlich-rechtl Kreditinstitute bei der Darlehensvergabe durch öffentlich-rechtl Vertrag noch ungeklärt. Diese wird zT unter Hinweis auf die subsidiäre Geltung von Bestimmungen des BGB im Verwaltungsrecht gem § 62 S 2 VwVfG bejaht (MüKo/Schürnbrand/Weber § 491 Rn 10), zT mit Verweis auf die fehlende Gewerblichkeit des Handelns verneint (Bülow/Artz § 491 Rn 21). Soweit eine jur Person öffentlichen Rechts bei Abschluss eines öffentlich-rechtl Vertrags jedoch gewerblich tätig wird, steht einer Anwendung von § 14 aufgrund § 62 S 2 VwVfG gerade nichts im Wege. 6a Wurde eine jur Person in einem Mitgliedstaat der EU nach dortigem Recht wirksam begründet, besteht sie nach einer Sitzverlegung in das Inland kraft Unionsrechts als juristische Person ausländischen Rechts weiter (EuGH NJW 2002, 3614 – Überseering; EuZW 2003, 687 – Inspire Art; BGH NJW 2003, 1461); folglich ist sie auch als Unternehmer zu behandeln, wenn sie die übrigen Voraussetzungen erfüllt. 7 c) Rechtsfähige Personengesellschaften iSv Abs II sind OHG (§ 124 I HGB), KG (§ 161 II, § 124 I HGB), EWiV (Art 1 II EWiV-VO) und Partnerschaft (§ 7 II PartGG, § 124 I HGB). Auch die früher umstr Frage der Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR ist nunmehr geklärt. Diese ist – auch ohne jur Person zu sein – rechtsfähig und kann eigene Rechte und Pflichten begründen, soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen (BGHZ 146, 341, 343 = BGH NJW 2001, 1056, 1056; dazu K. Schmidt NJW 2001, 993, zu den Grenzen der Rechtsfähigkeit wie zB der Erbfähigkeit Ulmer ZIP 2001, 585, 594ff). Die GbR kann deshalb auch als Unternehmer in Betracht kommen (Koblenz NJOZ 2002, 2732, 2733; s auch § 13 Rn 6). 8 2. Gewerbliche oder selbständige berufliche Zweckbindung. Die Person muss in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln. 9 a) Gewerbliche Tätigkeit ist jedes selbständige und planmäßige, auf gewisse Dauer angelegte Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt (BGH NJW 2021, 2281, 2288; 2018, 146, 149; 2006, 2250, 2251; ähnlich MüKo/Micklitz § 14 Rn 19). Dabei kommt dem Umfang des Gewerbes (Handels- [§ 1 II HGB] oder Kleingewerbe) keine Relevanz zu. Anders als sein handelsrechtl Pendant erfasst der verbraucherrechtl Gewerbebegriff auch Landund Forstwirte. 10 aa) Gewerbliche Tätigkeit setzt Selbständigkeit voraus. Selbständig handeln weder die im Gewerbebetrieb angestellten ArbN noch Beamte, die für ihren Dienstherrn privatrechtl oder öffentlich-rechtl Verträge schließen. 11 bb) Das Handeln muss planmäßig erfolgen und auf gewisse Dauer angelegt sein. Der Handelnde muss einen organisatorischen Mindestaufwand betreiben (BGH NJW 2020, 3786, 3787; MüKo/Micklitz Rn 20; BeckOK/ Martens Rn 29). Ausreichend ist aber auch eine nebenberufliche unternehmerische Tätigkeit, zB die als eBayVerkäufer (sog Powerseller, Frankfurt NJW 2005, 1438; ferner § 13 Rn 14 aE). Sofern ein Verkäufer bei einer Online-Auktion als Powerseller auftritt und eine hohe Anzahl von Verkäufen in verhältnismäßig kurzer Zeit tätigt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine unternehmerische Tätigkeit. Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit der Betätigung sind insb durch das power-seller-Prädikat indiziert (LG Mainz NJW 2006, 783 = MMR 2006, 51 m Anm Kazemi = CR 2006, 131 m Anm Mankowski; LG Schweinfurt WRP 2004, 654; AG Bad Kissingen NJW 2005, 2463; BeckOK/Martens Rn 30; aA Koblenz MMR 2006, 236 m Anm Mankowski, das aufgrund der fehlenden Transparenz eine Beweislastumkehr zulasten des Verkäufers fordert; weitere Kriterien bei Schmittmann VuR 2006, 223, 224f; Beweislasterleichterungen abl LG Hof VuR 2004, 109 m krit Anm Mankowski VuR 2004, 79ff). Saisonbetriebe können auf Dauer angelegt sein, wenn sich regelmäßige Tätigkeitsabschnitte mit Ruhepausen abwechseln (MüKo/Micklitz Rn 20). Auch in dem erstmaligen oder einmaligen Abschluss entsprechender Rechtsgeschäfte kann ein unternehmerisches Handeln liegen (BGH NJW 2018, 150, 153), da es allein darauf ankommt, dass das Handeln auf eine gewisse Dauer angelegt ist. 12 cc) Ob eine gewerbliche Tätigkeit Gewinnerzielungsabsicht oder Entgeltlichkeit voraussetzt, wird im Handelsrecht im Zusammenhang mit der Einordnung öffentlich-rechtl Unternehmen diskutiert (K. Schmidt, HandelsR § 9 II 2d). Es spricht jedoch nichts dafür, Anbieter ohne Gewinnerzielungsabsicht weitergehend als solche mit Gewinnerzielungsabsicht zu schützen, so dass im Verbraucherschutzrecht Entgeltlichkeit für die Annahme unternehmerischer Tätigkeit ausreicht (jedenfalls für das Verbraucherkreditrecht und den Verbrauchsgüterkauf BGH NJW 2021, 2281, 2288; NJW 2020, 3786, 3787; MüKo/Micklitz Rn 23ff; Staudinger/Fritzsche Rn 49). Zutr wird darauf hingewiesen, dass „Entgeltlichkeit“ dabei jegliche Gegenleistung meint, also nicht nur eine Geldleistung, sondern bspw auch die Überlassung von Daten, die unternehmerisch Verwendung finden können (BeckOK/Martens Rn 32). 6
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Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer
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dd) Hinsichtl des Anbietens von Leistungen am Markt wird vereinzelt vertreten, die Tätigkeit des potentiellen Unternehmers müsse im Wettbewerb mit anderen gewerblichen Unternehmen erfolgen (Ulmer/Brandner/Hensen/Schäfer § 310 Rn 18). Dies ist jedoch nach richtiger Ansicht nicht erforderlich (MüKo/Micklitz Rn 26; Staudinger/Fritzsche Rn 50). Denn käme es für den Schutz des Verbrauchers auf das äußerlich erkennbare Auftreten seines Gegenübers als „Unternehmer“ auch im horizontalen Verhältnis der Unternehmer untereinander an, könnte dieser durch im Einzelfall fehlendes Auftreten am Markt die verbraucherschützenden Vorschriften umgehen (MüKo/Micklitz Rn 26). Zur Abgrenzung der gewerblichen Tätigkeit zur privaten Vermögensverwaltung s § 13 Rn 14. Keine Unternehmer sind mangels wirtschaftlicher Überlegenheit sog Scheinunternehmer, die bei Vertragsschluss den Rechtsschein unternehmerischen Handelns erwecken, in Wirklichkeit aber zu privaten Zwecken tätig werden (aA Ulmer/Brandner/Hensen/Schäfer § 310 Rn 16). Bei arglistiger Vorgabe der Unternehmereigenschaft kann es ihnen aber verwehrt sein, sich auf den Verbraucherschutz zu berufen (vgl § 13 Rn 19). Ein Strohmann, der auf Grundlage einer wirksamen Abrede für einen Unternehmer tätig wird, ist hingegen kein Verbraucher (BGH NJW 2002, 2030). Auf eine öffentlich-rechtl Erlaubnis der Tätigkeit kommt es iÜ nicht an (BT-Drs 14/8444, 24; MüKo/Micklitz Rn 27). ee) Auch Existenzgründer gelten grds als Unternehmer (BGH NJW 2005, 1273; im Einz § 13 Rn 16). Diese können nur ausnahmsw aufgrund besonderer Regelung – wie im Verbraucherdarlehensrecht § 513 – Verbrauchern gleichgestellt sein. Ihrer Qualifizierung als Unternehmer steht auch nicht die Formulierung von Abs I entgegen. Soweit dort darauf abgestellt wird, dass der Unternehmer „in Ausübung“ der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, ließe sich dies zwar auch dahingehend auslegen, dass es erst dann angemessen ist, eine Person mit den für Unternehmer geltenden Rechtsfolgen zu belasten, wenn sie eine gewisse Geschäftskompetenz erreicht hat (MüKo/Micklitz § 13 Rn 68). Diese Wendung soll indes nur verdeutlichen, dass der Vertragsabschluss mit der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit in einem sachlichen Zusammenhang stehen muss (Staudinger/Fritzsche Rn 62; Ulmer/Brandner/Hensen/Schäfer § 310 Rn 22). b) Eine selbständige berufliche Tätigkeit üben Angehörige der freien Berufe aus, die traditionell kein Gewerbe betreiben. Wie die gewerbliche Tätigkeit muss auch die selbständige berufliche Tätigkeit planvoll, auf gewisse Dauer ausgerichtet und entgeltlich sein (MüKo/Micklitz Rn 31). Das Merkmal „selbständig“ dient der Abgrenzung von der unselbständigen Arbeit. Bei der Beurteilung kann § 84 I 2 HGB herangezogen werden (Staudinger/Kessal-Wulf § 491 Rn 36), wonach Selbständigkeit vorliegt, wenn es die berufliche Tätigkeit dem Handelnden erlaubt, seine Tätigkeit im Wesentlichen frei zu gestalten und die Arbeitszeit frei zu bestimmen. Die Geschäftsführung einer GmbH durch einen Gesellschafter wird nach hM nicht als selbständige, sondern als angestellte berufliche Tätigkeit angesehen (BGHZ 165, 43, 47 = BGH NJW 2006, 431, 432; 2004, 3039, 3040; BGHZ 133, 71, 78 = BGH NJW 1996, 2156, 2158; Brandenburg NJ 2006, 274 m Anm Mayer/Müller; BAG NZA 2010, 939; aA Oldenburg WM 2000, 1935, 1939). Dies gilt nicht nur für Verträge mit Drittunternehmen, sondern auch für das Verhältnis des Fremdgeschäftsführers zur GmbH, für die er als Organ auftreten soll (Hümmerich NZA 2006, 709, 711). Anders ist die Rechtslage für einen Gesellschaftergeschäftsführer, der mehrheitlich oder mit einer Sperrminorität an der Gesellschaft beteiligt ist (aA BGH NJW-RR 2017, 1673, 1676; NJW 2006, 431, 432; Brandenburg NJ 2018, 154, 155: keine Unternehmereigenschaft bei Mehrheits- oder gar Alleingesellschafter). Bei dem Anstellungsverhältnis zw ihm und der Gesellschaft ist er aufgrund seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit nicht als Verbraucher anzusehen (BAG NZA 2010, 939; Hümmerich NZA 2006, 709, 711). Arbeitnehmerähnliche Personen, die zwar nicht formal-rechtl, aber wirtschaftl und faktisch abhängig sind, sind ebenso schutzbedürftig wie ArbN, so dass sie keine selbständige berufliche Tätigkeit iSv § 14 ausüben, sondern als Verbraucher zu qualifizieren sind (Bülow/Artz § 491 Rn 55; Artz, Der Verbraucher als Kreditnehmer, 2001, 162, 165; Bülow FS Derleder, 27, 32). Das gilt allerdings nur für ihre Rolle als Nachfrager, nicht jedoch für eine Anbietertätigkeit. Scheinselbständige, also Erwerbstätige, die vertragl als Selbständige behandelt werden, jedoch faktisch wie abhängig Beschäftigte arbeiten (BT-Drs 13/6549, 5), sind als solche zu behandeln und somit Verbraucher (Bülow/Artz § 491 Rn 56; Bülow FS Derleder, 27ff; Schmidt JuS 2006, 1, 3; ausf Debald, Scheinselbständige – Verbraucher iSd § 13 BGB?, 2005). Hingegen sind Existenzgründer (bspw Bezieher des Gründungszuschusses nach § 93 I SGB III) bei Rechtsgeschäften mit ihren Kunden Unternehmer (BeckOK/Martens Rn 40; Bülow FS Derleder, 27, 35). Die selbständige berufliche Tätigkeit ist somit der Oberbegriff, der die gewerbliche Tätigkeit umfasst und darüber hinaus die freien Berufe sowie andere nach dem Gesamtbild selbständig beruflich Tätige einbezieht (ähnlich MüKo/Micklitz Rn 21, 31). Teilw wird auch auf eine genaue Unterscheidung der Begriffe „gewerblich“ und „selbständig beruflich“ ganz verzichtet (Staudinger/Kessal-Wulf § 491 Rn 3ff; Bülow/Artz § 491 Rn 18). c) Zweifelhaft ist, ob in entspr Anwendung von § 344 I HGB eine Vermutung für einen sachlichen Zusammenhang zw Vertragsabschluss und gewerblicher bzw selbständiger beruflicher Tätigkeit spricht. ZT wird die Ansicht vertreten, aus § 344 HGB sei ein allg Rechtsgedanke abzuleiten, wonach Rechtsgeschäfte nat Personen, die einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit nachgehen, im Zweifel als in Ausübung der Erwerbstätigkeit geschlossen gelten (Mankowski VuR 2004, 79, 80f; diff Weyer WM 2005, 490, 500f, wonach sich die Vermutung des § 344 I HGB nur im Einzelfall mit zusätzl Vertrauensschutzerwägungen begründen lasse). §§ 13, 14 bezwecken aber den Ausgleich vermuteter wirtschaftlicher Ungleichheit und sind damit im Unterschied zu den handelsrechtl Regelungen gerade nicht auf Publizität und Vertrauensschutz gerichtet. Deshalb ist keine vergleichbare Interessenlage gegeben und scheidet eine analoge Anwendung von § 344 HGB aus (MüKo/Micklitz Rn 34f; i Erg ebenso BGH NJW 2022, 686, 689f; 2018, 150, 153f; 2009, 3780, 3781; zust auch Grül/Ellenberger Saenger
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Rn 2). Dessen Anwendbarkeit würde zudem die Beweislastverteilung zulasten des privat handelnden Unternehmers verschlechtern (Staudinger/Fritzsche Rn 87, der eine Indizierung des Unternehmerhandelns bei obj Bezug zur Geschäftstätigkeit als weniger einschneidende Maßnahme vorschlägt; Herresthal JZ 2006, 695, 699; für § 24 AGBG Pfeiffer NJW 1999, 169, 173; aA Preis ZHR 158 [1994], 567, 602, der darauf abstellt, dass zugleich der Verbraucher als Vertragspartner des – privat handelnden – Unternehmers entlastet werde). Zur Beweiserleichterung im Rahmen von Online-Auktionen s Rn 11. Bei einer GmbH, die als jur Person nicht unter den Verbraucherbegriff fällt, ist die gesetzl Vermutung des § 344 I HGB anwendbar, sodass auch der Verkauf beweglicher Sachen im Zweifel zum Betrieb des Handelsgewerbes gehört, selbst wenn es sich dabei um ein branchenfremdes Nebengeschäft handelt (BGH NJW 2021, 2281, 2288; NJW 2011, 3435, 3436). d) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der Zweckbindung ist die Vornahme des Rechtsgeschäftes (Hk/ Dörner Rn 2), also bei Verträgen der Vertragsschluss (Braunschweig MDR 2018, 1450, 1451). Eine nachträgl Umwidmung des Zwecks ist nicht möglich. Bei der Ermittlung der Zweckbindung entscheidet nicht der Wille des Handelnden, sondern der obj, durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts (BGH NJW 2021, 2281, 2289; 2009, 3780, 3781; BGHZ 162, 253, 256f = BGH NJW 2005, 1273, 1274; BeckOK/Martens Rn 25; Staudinger/Fritzsche Rn 45). Nur so lässt sich die Schutzbedürftigkeit des Handelnden bestimmen, ohne es seiner Willkür zu überlassen, ob er den Schutz der Verbraucherregelungen in Anspruch nehmen möchte. Auslegungskriterien sind der Inhalt des Vertrags sowie die Begleitumstände. Hierzu § 13 Rn 19. III. Sachlicher Anwendungsbereich. Auch § 14 erfasst von seinem sachlichen Anwendungsbereich her nur den Abschluss von Rechtsgeschäften (dazu § 13 Rn 21f) zw Unternehmern und Verbrauchern. Auf beidseitige Unternehmergeschäfte ist die Vorschrift nicht anwendbar.
§§ 15–20
(weggefallen)
Titel 2 Juristische Personen (§§ 21–89) Untertitel 1 Vereine (§§ 21–79a) Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften (§§ 21–54) Vorbemerkung vor § 21 Schrifttum: Arnold, Die Kita-Beschlüsse des BGH, FS Karsten Schmidt, 2019, Bd I, 37; Bartodziej, Ansprüche auf Mitgliedschaft in Vereinen und Verbänden, ZGR 1991, 517; Beuthien, Was dem einen sein Ideal, ist dem anderen sein Geschäft – zur Grundordnung des Vereinsrechts, ZGR 2018, 17; Beuthien, Wie ideell muss ein Idealverein sein?, NZG 2015, 449; Beuthien, Müssen Sonderrechte unentziehbar sein?, ZGR 2014, 24; Brouwer, Organschaftliche Pflichtendelegation im Verein, NZG 2017, 481; Brouwer, Steuerung und Haftung von Gesamtvereinen, ZStV 2017, 201; Buck, Wissen und juristische Person, 2000; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 11. Aufl 2020; Flume, Die Vereinsstrafe, FS Bötticher, 1969, 101; Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987; Grunewald, Vereinsaufnahme und Kontrahierungszwang, AcP 182 (1982), 181; Grunewald/ Hennrichs, Haftungsrisiken der Vorstandsmitglieder insolvenzgefährdeter Vereine, FS Hopt, 2010, 93; Habersack, Idealverein und Handelsrecht, FS Karsten Schmidt, 2019, Bd I, 591; Hadding, Modernisierung des Vereinsrechts – zum Gesetzesentwurf des Landes Baden-Württemberg, FS Reuter, 2010, 93; Hadding/van Look, Zur Ausschließung aus Vereinen des bürgerlichen Rechts, ZGR 1988, 270; Häuser/van Look, Zur Änderung des Zwecks beim eingetragenen Verein, ZIP 1986, 749; Heermann, Haftung des Vereinsvorstands bei Ressortaufteilung sowie für unternehmerische Entscheidungen, NJW 2016, 1687; Hemmerich, Die Ausgliederung bei Idealvereinen, BB 1983, 26; Hemmerich, Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Idealvereinen, 1983; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977; Kirberger, Zur Vertretung des eingetragenen Vereins bei mehrgliedrigem Vereinsvorstand, Rpfleger 1975, 277; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997; Könen, Die vereinsrechtliche Rechtsformkontrolle unter besonderer Berücksichtigung des § 43 BGB, ZGR 2018, 632; Kreutz, Der Idealverein in der Insolvenz – zur Auswirkung von § 31a BGB im Vereinsinsolvenzrecht, DZWiR 2013, 497; Larenz, Zur Rechtmäßigkeit einer „Vereinsstrafe“, Gedächtnisschrift Rolf Dietz, 1973, 45; Lehmann, Der Begriff der Rechtsfähigkeit, AcP 207, 225ff; Leipold, Richterliche Kontrolle vereinsrechtlicher Disziplinarmaßnahmen, ZGR 1985, 113; Leuschner, ADAC -BGHZ 85, 14 in: Gesellschaftsrechts-Geschichten (Hrsg. Fleischer/Thiessen), 2018, 179; Leuschner, Das Haftungsprivileg der §§ 31a, 31b BGB, NZG 2014, 281; Leuschner, Ist der ADAC zu Recht ein eingetragener Verein?, ZIP 2015, 356; van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, 1990; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180, 84; Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979; Meyer, Haftungsprivilegien bei Idealverbänden ohne Rechtspersönlichkeit?, ZGR 2008, 702; Müller/Freienfels, Die Lehre vom so genannten „Durchgriff“ bei juristischen Personen im Privatrecht, AcP 156 (1956), 525; Muscheler, Der Notvorstand in Verein und Stiftung, FS Reuter, 2010, 225; Orth, Entlastung ehrenamtlicher Vereinsvorstände durch § 31a BGB, SpuRt 2010, 2; Reichert, Handbuch Vereinsund Verbandsrecht, 14. Aufl 2018; Reuter, Die Änderung des Vereinszwecks, ZGR 1987, 475; Reuter, Die Verbände in der Privatrechtsordnung, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, Band II, 211ff; Reuter, Das Verhältnis der Vereinsklassenabgrenzung zu den Grenzen wirtschaftlicher Betätigung nach Gemeinnützigkeitsrecht, NZG 2008, 881; Reuter, (Keine) Durchgriffshaftung der
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Saenger und Westermann
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Juristische Personen – Vereine
Vor § 21
Vereinsmitglieder wegen Rechtsformverfehlung, NZG 2008, 650; Reuter, Keine Vorstandshaftung für masseschmälernde Leistungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins?, NZG 2010, 808; Reuter, Der Verein im Verein, FS Hopt, 2010, 195; Reuter, Probleme der Mitgliedschaft beim Idealverein, ZHR 145 (1981), 273; Reuter, Zur Vereinsrechtsreform 2009, NZG 2009, 1368; Rieble, Die Vereinsverschmelzung, JZ 1991, 658; Sack, Der „vollkaufmännische Idealverein“, ZGR 1974, 179; Sauter/Schweyer/ Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl 2021; Schäfer, Der Verzicht auf die Rechtsfähigkeit des eingetragenen Vereins, RNotZ 2008, 22; Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972; K. Schmidt, Die Abgrenzung der beiden Vereinsklassen, Rpfleger 1972, 286, 342; K. Schmidt, Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen in gegliederten Vereinen, FS Reuter, 2010, 345; K. Schmidt, Der bürgerlich-rechtliche Verein mit wirtschaftlicher Tätigkeit, AcP 182 (1982), 1; K. Schmidt, Zum Haftungsdurchgriff wegen Sphärenvermischung und zur Haftungsverfassung im GmbH-Konzern, BB 1985, 2074; K. Schmidt, Die Partei- und Grundbuchunfähigkeit nichtrechtsfähiger Vereine, NJW 1984, 2249; K. Schmidt, Der Subsidiaritätsgrundsatz im vereinsrechtlichen Konzessionssystem, NJW 1979, 2239; K. Schmidt, Eintragungsfähige und eintragungsunfähige Vereine, Rpfleger 1988, 45; K. Schmidt, Wirtschaftliche Betätigung und Idealverein: Überschreitung des „Non-Profit“-Privilegs, ZIP 2007, 605; K. Schmidt, Ultra-vires-Doktrin: tot oder lebendig?, AcP 184 (1984), 529; K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984; Schockenhoff, Compliance im Verein, NZG 2019, 281; Schockenhoff, Der wirtschaftlich tätige Idealverein, NZG 2017, 931; Schöpflin, Der nicht rechtsfähige Verein, 2003; Schwab, Handelndenhaftung und gesetzliche Verbindlichkeiten, NZG 2012, 481; Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 1955; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, 1999; Stimpel, Durchgriffshaftung bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, FS Goerdeler, 1987, 601; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 12. Aufl 2021; Terner, Neues zum Vereinsrecht, NJW 2008, 16; Terner, Vereinsrechtsreform, DNotZ 2010, 5; Ullrich, Der Vereins- und Parteiausschluss aus politisch-inhaltlichen Gründen, JZ 2014, 1084; Vieweg, Die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen und -entscheidungen, JZ 1984, 167; Wagner, Die Entwicklungen im Vereinsrecht, NZG 2015, 1377; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000; H.P. Westermann, Insolvenzrechtliche Haftung der Vorstände von Idealvereinen, FS v Westphalen, 2010, 755; H.P. Westermann, Organisationsformen für Sportunternehmen – von der Rechtsform des eingetragenen Vereins zur Kapitalgesellschaft, in: Sport und Recht, hrsg. vom Justizministerium Baden-Württemberg, 2001, 42ff; H.P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol, in: Verbandsrecht und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, 41; H.P. Westermann, Zur Legitimität der Verbandsgerichtsbarkeit, JZ 1972, 537; H.P. Westermann, Reformüberlegungen zum BGB-Gesellschafts- und Vereinsrecht, NZG 2017, 921; H.P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, 1972; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; Windbichler, Die „menschliche“ juristische Person im Rechtsvergleich, FS K. Schmidt, 2019, Bd II, 673; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963.
1. Rechtlicher Charakter der juristischen Person. Die Bedeutung der jur Person ist groß. Sie bietet die 1 Möglichkeit, in einem von staatlicher Mitwirkung geprägten Verfahren, aber durch einen privatrechtl Gründungsakt (zur Bedeutung des öffentlichen Rechts Rn 10), Form, Personen oder Mittel zu einem Zweck zusammenzufassen, wobei der in ihr verbundene Personenkreis idR mehrere Personen umfasst, aber auch auf eine reduziert sein kann. Auch dann entsteht aber ein von der Person ihrer Mitglieder unabhängiges Rechtssubjekt. Diese zumindest rechtstechnische Verselbständigung der jur Person ggü den Mitgliedern hat weittragende Folgen für das Vermögen, die Haftung usw. Mitgliederwechsel verändert die jur. Persönlichkeit nicht. Begrifflich ist die jur Person also eine Zusammenfassung von Personen oder Gegenständen zu einer Organisation, der von der Rechtsordnung Rechtsfähigkeit verliehen ist. Hierin unterscheidet sich die jur Persönlichkeit der Vereine und der Formen des Kapitalgesellschaftsrechts von der Rechtssubjektivität der Personengesellschaften, die in Einzelfällen gesetzl (etwa § 14 I, § 7 MarkenG) anerkannt, aber im Grundsatz durch rechtsfortbildende Überlegungen und Gerichtsentscheidungen vorbereitet und in diff Weise inhaltlich ausgestaltet ist (zur GbR Vor § 705 Rn 25). Jur Persönlichkeit idS kommt gegenwärtig etwa 600 000 eingetragenen Vereinen zu, die zT sehr große Mitgliederzahlen, wenn auch durchschnittlich nur 60 Mitglieder pro Verein, aufweisen (MüKo/Leuschner Rn 125, 126). 2. Rechtstheoretischer Hintergrund. Vor diesem Hintergrund sind die theoretischen Unterschiede in der Be- 2 stimmung des Wesens der jur Person nicht unbedingt praxisrelevant. Nach der römisch-rechtl Fiktionstheorie (Savigny, Puchta, Windscheid) ist die jur Person nur eine vorgestellte Person (ein gedachter Mensch), die die Bedürfnisse der Rechtstechnik befriedigen soll, während die aus deutschrechtl Gedanken entwickelte Theorie der realen Verbandsperson (Beseler, v Gierke) in der jur Person eine Person mit wirklichem Gesamtwillen sieht. In neuerer Zeit haben grundlegende Arbeiten, etwa von Flume (AT des Bürgerlichen Rechts, 1. Band, 2. Teil; dazu John AcP 185, 209ff und John, Die organisierte Rechtsperson 1977) diesen Ansätzen neue Impulse gegeben, während in grundlegend andere Richtung gehende, zT philosophische, zT die rechtssoziologische Dimension zusätzl betonende Untersuchungen (Rittner, Die werdende jur Person, 1973; Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977) sich von der Betrachtungsweise des geschriebenen Rechts weitgehend lösen, aber nicht daran vorbeikommen, dass es sich immer um ein Sondervermögen der am Verband beteiligten Personen, womöglich auch nur einer, handelt. Somit besteht heute weitgehend Einigkeit über das Verständnis der juristischen Persönlichkeit als Zweckschöpfung der positiven Rechtsordnung (Wiedemann WM 1975, Beil. 4; Soergel/Hadding Rn 6; K. Schmidt, Verbandszweck, 5ff; anders Th. Raiser AcP 199 [1999], 104, 135), wobei auch ökonomische Zielsetzungen mitwirken (MüKo/Leuschner Rn 20). Damit handelt es sich nicht um eine in der Natur vorgefundene real überindividuelle Einheit, sondern das Rechtsinstitut fasst gesetzgeberische Wertungen der Erfordernisse zusammen, bei deren Vorliegen eine Organisation von Personen und/oder Sachen zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks von diesen Personen abgelöst wird und ihr eigene rechtl Identität auch außerhalb des großen Vermögensrechts (näher Rn 9) zukommt, was bedeutet, dass sie zum Zurechnungsendpunkt von Rechten und Pflichten werden kann (BGHZ 25, 134, 144; im wissenschaftlichen Schrifttum besonders John Die organisierte Rechtsperson, 74ff) und die Haftungsbeschränkung der in ihr zusammengeschlossenen nat Personen ermöglicht (nicht zugleich: in den Einzelheiten festlegt). Die Gesetze geben daher nicht schlechthin der jur Person, sondern jeweils bestimmten und bestimmte Arten von Zwecken verfolgenden Personenverbänden eine Rahmenordnung für ihre Verfassung, ihre „Identitätsausstattung“ (John). Das bedeutet auch ein Konzept Westermann
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der Haftung für die bei der Verfolgung ihres Zwecks entstehenden rechtsgeschäftlichen und deliktischen Verbindlichkeiten. Insoweit besteht ein Zusammenhang von Verbandszweck und Rechtsfähigkeit (K. Schmidt, Verbandszweck, 28; dazu auch Reuter ZHR 151, 237, 239), indem die vom Gesetz gegebene Rahmenverfassung für Zweckverfolgung und Schuldenhaftung auf bestimmte Typen von – im Rechtsleben vorgefundenen – Zwecken zugeschnitten ist. Wo dieser privatrechtl Zusammenhang vom Gesetz falsch gesehen ist (etwa bei § 54) oder sich in der Tatsachenwelt anders entwickelt hat (Überschneidungen zw „personalistischen“ und „körperschaftlichen“ Verbandstypen), gibt es immer wieder bedeutende Abweichungen von Rechtsform (juristische Persönlichkeit oder Gesamthandsgemeinschaft) und Typus des Personenverbandes. Die privatrechtl Personenverbände müssen sich aber, wenn sie am Rechtsverkehr teilnehmen wollen, an die vom Gesetz vorgesehenen Rechtsformen halten, die allerdings, von der AG abgesehen, verhältnismäßig großen Gestaltungsspielraum gewähren. Das kann weiter zur Folge haben, dass wegen der Größe und der Kosten etwaiger Marktaktivitäten und der Fluktuation in großen Mitgliederkreisen die Dehnbarkeit der gesetzl Rechtsformen stark angespannt wird. Davon unabhängig bedarf es nach dem in Deutschland herrschenden System der Normativbestimmungen einer Registereintragung, auf die bei Erfüllung der gesetzl Voraussetzungen ein Anspruch besteht; im Eintragungsverfahren findet dann eine Kontrolle durch das Registergericht auf die Einhaltung der gesetzl Voraussetzungen statt. Diese Eintragung wirkt für die Entstehung einer rechtsfähigen jur Person konstitutiv. 3. „Durchgriff“ durch die juristischen Personen. Besteht die eigene juristische Persönlichkeit danach in der materiellen und formellen Trennung der Zuständigkeiten von Personenverband und Mitgliedern (Trennungsprinzip), so entspricht es doch dem Ansatz bei der wertungsgebundenen Zweckschöpfung, dass ausnahmsw der Sinn einzelner gesetzl Institutionen, soweit es Rechtsbeziehungen der jur Person betrifft, eine Berücksichtigung der Verhältnisse der Mitglieder oder gar eine Gleichstellung der jur Person mit ihren Mitgliedern erfordern kann. Dies ist der Kern des Problems des sog Durchgriffs durch die jur Person, das sich als Frage der richtigen Normanwendung darstellt (Müller-Freienfels AcP 156, 525; Coing NJW 1977, 1793; E. Rehbinder, Konzernaußenrecht und allg Privatrecht, 1969, 109; E. Rehbinder, FS Fischer, 579ff; zust Soergel/Hadding Vor § 21 Rn 39; abl Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der jur Person, 1981, 11ff, 185), wobei es z.T. auch darum gehen soll, dass jur Konstruktionen hinter die „Macht der Tatsachen“ zurücktreten sollen (BGHZ 78, 318, 383 = BGH NJW 1981, 522; NZG 2018, 670, 672). Demgemäß werden mit dem zwar plastischen, aber wenig fassbaren Ausdruck „Durchgriff“ im Einz sehr verschiedene normative Überlegungen bezeichnet. Dabei ist grds danach zu unterscheiden, ob bei der Auslegung von Normen oder Rechtsgeschäften, die sich auf die Rechtsverhältnisse einer jur Person beziehen, auf die rechtl und tatsächlichen Verhältnisse der Mitglieder oder der einzigen Trägerperson abzustellen ist, oder ob bei einer Entscheidung über die Inhaberschaft an Rechten bzw die Schuldnerschaft bzgl einer Verbindlichkeit die formale Verselbständigung der jur Person beiseitegeschoben wird. Die praktische Bedeutung der Rechtsfigur des Durchgriffs liegt hauptsächlich im Kapitalgesellschaftsrecht, wo konzernrechtl Aspekte, die verschiedenen Fallgruppen der Unterkapitalisierung, zuletzt auch noch die Verantwortung für existenzvernichtende Eingriffe in das Vermögen der juristischen Person hinzukommen, wobei auch an eine – verschuldensabhängige – Schadensersatzhaftung zu denken ist (BGHZ 149, 10 = BGH NJW 2001, 3622; MüKo/Leuschner Rn 72; näher Bürgers/Körber/Lieder/H.P. Westermann § 1 AktG Rn 26ff, 29ff) Die erste Fallgruppe, der Zurechnungsdurchgriff, umfasst heterogene Fälle der Zurechnung von Kenntnissen eines Alleingesellschafters zum Wissen der jur Person, etwa im Zusammenhang mit gutgläubigem Erwerb bei Geschäften zw Verein und Vereinsmitglied (Wilhelm aaO, 47ff), oder die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nach Maßgabe der Vermögensverhältnisse der am Prozess „wirtschaftlich beteiligten“ Trägerperson, § 116 I Nr 2 ZPO; BGH NJW 1986, 2058. Gesellschaftsrechtl Stimmverbote können für ein Organmitglied auch dann eingreifen, wenn seine Tätigkeit einer jur Person zuzurechnen ist, deren Beziehungen zu der Gesellschaft oder dem Verein bei der Abstimmung in Rede stehen, BGH NJW 1977, 850; im Kapitalgesellschaftsrecht gehört die Frage in den Zusammenhang der Behandlung der „related parties transactions“ (dazu Tröger AG 2015, 53ff; Selzner ZIP 2015, 753; Bayer/Selentin NZG 2005, 7, 10f; Held AG 2018, 905, 913; Bungert/Berger DB 2018, 2860). Zur zweiten Gruppe gehören zum einen die Fälle des sog Haftungsdurchgriffs, bei dem es darum geht, dass für die Verbindlichkeiten einer jur Person deren Mitglieder haften sollen. Hierbei ist mit der Rspr (BGHZ 20, 4; 29, 385, 392; 45, 204, 208; 54, 221, 224; 78, 318, 333; 95, 330; 125, 386) davon auszugehen, dass erhebliche Anforderungen an einen Tatbestand zu stellen sind, der dazu berechtigt, ausnahmsw die Trennung von Vermögenssphären zu überwinden. Das galt sogar für die Einmann-Gesellschaft (BGHZ 22, 226, 234). Eine derartige Durchgriffslehre ist theoretisch unproblematisch, wenn dem Gesellschafter nachgewiesen werden kann, dass er seinen Einfluss auf die jur Person oder überhaupt die Trennung der Vermögenssphären bewusst zum Nachteil der Vertragspartner der jur Person eingesetzt hat (§ 826, dazu H.P. Westermann Jura 1980, 532 zu BGH NJW 1979, 2104; Oldenburg NZG 2000, 555 m Anm Emmerich; Jena EWiR § 823 BGB 2/02 m Kurzkomm Meyke; Timm/Geuting ZIP 1992, 821, 824; BGH WM 2001, 2068, wo betont wird, dass die Haftung aus § 826 nicht an die Voraussetzungen der Durchgriffslehre gebunden ist). In Fällen der Durchgriffshaftung gilt auch § 93 InsO (BGH ZIP 2006, 467). Eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern, wie sie auch für existenzvernichtende Maßnahmen oder Unterlassungen in Betracht kommt, ist vielleicht auch über vertragsrechtl Grundlagen zu entwickeln, etwa an Pflichten aus §§ 30, 31 GmbHG, §§ 117, 317 AktG anzuknüpfen (Osterloh/Konrad ZHR 172 (2008) 274, 290ff; Stimpel, FS Goerdeler, 601ff; MüKo/Leuschner Rn 72; zu den related parties transactions im Konzern Müller ZGR 2019, 97). Bisweilen wird auch die Berufung auf die rechtl Selbständigkeit der jur Person (und die daraus folgende Haftungsbeschränkung) als rechtsmissbräuchlich zurück146
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Juristische Personen – Vereine
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gewiesen, wobei Rechtsscheinsgesichtspunkte hinzutreten, wenn das Mitglied ständig seine wirtschaftl Identität mit der jur Person betont hat (BGH WM 1960, 1119). Zu einem Haftungsdurchgriff kann es auch ohne die strengen subj Anforderungen des § 826 kommen, wenn den Mitgliedern oder Gesellschaftern eine Vermischung der Vermögenssphären von jur Person und Trägerpersonen, durch die eine Gläubigergefährdung eintritt, zugerechnet werden kann (zurückhaltend noch BGH DB 1958, 169; s aber Nürnberg WM 1955, 1566; BGHZ 68, 312, 315; 95, 330; 165, 85; BSG AG 1995, 279; H.P. Westermann AG 1985, 201ff; Wiedemann Gesellschaftsrecht, 224; Henze NZG 2003, 649, 658; Röhricht, FS BGH I, 2000, 83, 89f; krit Wilhelm aaO, 293ff). BGHZ 125, 366 denkt dabei an eine Haftung nur derjenigen Mitglieder, die kraft ihres Einflusses auf die jur Person für die Vermögensvermischung verantwortlich sind. Gegen einen Minderheitsgesellschafter wird somit eine Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung nicht in Betracht kommen; dazu auch K. Schmidt ZIP 1994, 837. Hauptsächlich im GmbH-Recht wird diskutiert, ob die schwere und für die Gesellschafter erkennbare materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft zum Durchgriff berechtigt, näher Scholz/Bitter § 13 GmbHG Rn 110ff. Hier wird die Möglichkeit eines echten Haftungsdurchgriffs auch in Form einer Außenhaftung im Schrifttum verbreitet angenommen (Wiedemann Gesellschaftsrecht, 570ff; Ulmer, FS Duden, 661ff). Der BGH hat dies bei Handelsgesellschaften, bei denen eine angemessene Kapitalausstattung nicht vorgeschrieben ist, bisher abgelehnt (BGHZ 68, 312; BGH WM 2001, 2070; s aber auch BGH NJW 1977, 1683 und dazu krit Emmerich NJW 1977, 2163; in der Rspr Rostock DB 1996, 1818). Für den Idealverein ist eine so stark gefährdende Vermischung von Vereins- und Mitgliedervermögen wenig lebensnah, so dass dieser Aspekt der Durchgriffslehre kaum in Betracht kommt, anders bei treuwidrigem Vorschieben der jur Person (BGHZ 54, 222 für die Pächter eines vermögenslosen Vereins; für eine Lösung dieses Falls über eine Vertragsauslegung Rehbinder, FS Fischer, 602). Zur Begründung eines Haftungsdurchgriffs auf die Mitglieder jur Personen hat es eine Reihe von rechtsfortbil- 6 denden Ansätzen gegeben, namentlich in Bezug auf die GmbH und hier besonders den GmbH-Konzern, wobei die Entscheidungspraxis zeitweise von der Figur des qualifizierten faktischen Konzerns bestimmt wurde (BGHZ 95, 333 – Autokran; 107, 7, 17 – Tiefbau; 115, 187 – Video). Inzwischen hat aber der BGH die Konstruktion des Missbrauchs der Haftungsbeschränkung durch existenzvernichtenden Eingriff verlassen und wendet § 826 an, aus dem eine Innenhaftung ggü der GmbH folge, BGHZ 133, 246 = BGH ZIP 2007, 1552 und dazu Paefgen DB 2007, 1907; für das Vereinsrecht kommt diese Sichtweise nicht mehr in Betracht, BGH NZG 2008, 670, 673, s auch MüKo/Leuschner Rn 72. Der hier liegende Systemwechsel wird besonders wegen der für die Gläubiger mühsamen Befriedigung kritisiert (Dauner-Lieb ZGR 2008, 34ff; Altmeppen ZIP 2007, 2657; J. Vetter BB 2007, 1965). Für das Vereinsrecht bejahte aber der BGH nach seiner zum Kolping-Werk-Fall ergangenen Grundsatzentscheidung BGHZ 175, 12 = BGH ZIP 2008, 364 am Rande eine Haftung aus § 826, wenn sich Mitglieder aus dem zweckgebundenen Vermögen der jur Person selbst bedienen. IÜ aber wurde in diesem, einen aufsehenerregenden Spruch des OLG Dresden (ZIP 2005, 1680; abl schon K. Schmidt ZIP 2005, 168) korrigierenden Urteil die Möglichkeit einer Durchgriffshaftung der Vereinsmitglieder für die Verbindlichkeiten eines Vereins, der sich als Spitze einer Gruppe von Vereinen mit gleicher Zielsetzung außerhalb seines satzungsmäßigen Zwecks in bedeutendem Umfang wirtschaftl betätigt hat, abgelehnt, weil eine Durchbrechung der Trennung der jur Person von den hinter ihr stehenden Personen auf Ausnahmefälle einer missbräuchlichen Ausnutzung beschränkt werden müsse (zust insoweit K. Schmidt ZIP 2007, 605). Als Tatbestände dieser Art werden Vermögensverschiebungen im Konzern und die Verschleierung von Bonitätsproblemen genannt, die bloße Überschreitung der Zweckbegrenzung des Idealvereins über das Nebenzweckprivileg (§ 21 Rn 3) hinaus genüge hierfür nicht. Dem Urteil ist durchweg zugestimmt worden (Hofmeister ZIP 2009, 161ff; Hüttemann-Meyer LMK 2008, 256400; Hadding/ Leuschner WuB II N § 21 BGB 1.08; Seltmann DStR 2008, 1443ff), außerhalb des Haftungsdurchgriffs bleiben aber Fragen. So wird die Annahme des BGH, die Folgen einer durch die Aufnahme eines wirtschaftl Geschäftsbetriebs zustande gekommenen Rechtsformverfehlung könnten mit den Instrumenten der Amtslöschung und der behördlichen Entziehung der Rechtsfähigkeit (§§ 159, 142 FGG aF, § 43 II BGB) interessengerecht bewältigt werden, bestr (Reuter NZG 2008, 650ff, der aber eine direkte Verantwortlichkeit der in der Rechtsform des Idealvereins einen wirtschaftl Geschäftsbetrieb entfaltenden Mitglieder angesichts der sonstigen Maßnahmen zur Vermögensbindung nicht für erforderlich hielt). Andere Erwägungen beherrschen den sog gesellschafterfreundlichen Durchgriff, mit dem einem Alleingesell- 7 schafter, etwa bei einer GmbH, gestattet wird, wegen der Schädigung des Gesellschaftsvermögens einen eigenen Schadensersatzanspruch geltend zu machen (BGH NJW 1977, 1283 m Anm Hüffer; BGH ZIP 1989, 98; s auch John JZ 1979, 511; in Ansätzen s auch BGHZ 61, 380). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich im entschiedenen Fall um die Körperverletzung des Alleingesellschafter-Geschäftsführers handelte, die bei der Gesellschaft den Verlust von Geschäftsgewinn verursacht hatte; somit konnte der BGH bei der Bemessung des dem Gesellschafter entstandenen Schadens den Umstand berücksichtigenswert finden, dass das Gesellschaftsvermögen ein in besonderer Form verwalteter Teil des Gesellschaftervermögens ist. Für das Vereinsrecht sind solche Fälle praktisch nicht gut vorstellbar, im Grunde handelt es sich eher um eine Modifikation des schadensrechtl Grundsatzes der Beschränkung der Ersatzpflicht nur auf die Schädigung des unmittelbar Verletzten. Später (ZIP 1989, 98ff) hat der BGH aber dem Alleingesellschafter einer US-amerikanischen Gesellschaft, der in Deutschland zu Unrecht inhaftiert worden war, gestattet, den seiner Gesellschaft durch seine Aktionsunfähigkeit entstandenen Schaden geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen, ohne darlegen zu müssen, dass seine Geschäftsanteile an Wert verloren hätten. Man kann das auch als Ausprägung der Naturalrestitution verstehen (ähnl Rehbinder, FS Fischer, 1979, 579, 593). Westermann
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4. Die Gesamthand. Die vor dem MoPeG im Gesetz noch angelegte Idee der Gesamthand (Vor § 705 Rn 4) war ähnl wie die Rechtsfigur der jur Person Zweckschöpfung der Gesetze zur Verselbständigung von Organisationseinheiten von der Person ihrer Träger. Sie hatte jedoch diese Ablösung nicht so weit vorangetrieben wie die jur Person (ebenso im Prinzip Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 248ff). Vieles sprach bereits vor dem MoPeG dafür, die in den Personengesellschaften, nicht auch in den anderen Gesamthandsgemeinschaften, erreichte Konzentration eines großen Teils der Rechtsbeziehungen auf die insoweit als Einheit angesehene Personengruppe als Rechtssubjektivität aufzufassen, hierzu bei der GbR Vor § 705 Rn 46. Das führte aber zu der Frage, ob die Vorstellung von der gemeinsamen Rechtsinhaberschaft der Gesamthänder sich neben der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft noch aufrechterhalten lässt (s die Schlussanträge der Generalanwältin der EG, ZIP 2009, 1907); dies war vor dem MoPeG hauptsächlich anhand der Grundbuchfähigkeit der GbR zu diskutieren und ein Problem, das durch die formelle Anerkennung der Grundbuchfähigkeit der GbR durch die Rspr und durch das MoPeG gelöst worden ist (Vor § 705 Rn 42). Die rechtl Konstruktion der Gesamthandsgemeinschaft als vermögensrechtl Folge eines – nicht unbedingt vertragl begründeten – Personenzusammenschlusses lässt auch Raum für einige weitere die Gesamthand von der jur Person unterscheidende Besonderheiten: kein Teilungsanspruch, Unmöglichkeit einer Verfügung über den Anteil an den einzelnen Gegenständen des Gesellschaftsvermögens, nur bei der Erbengemeinschaft Verfügung über den Anteil im Ganzen, entspr Einschränkung des Gläubigerzugriffs (zu den Unterschieden auch Zöllner, FS Kraft, 701, 707). 5. Umfang der Rechtsfähigkeit der juristischen Person. Die Rechtsfähigkeit der jur Person ist umfangsmäßig nicht etwa auf die zu ihrer Zweckerfüllung nötigen Rechte und Pflichten und auch nicht auf vermögensmäßige Geschäfte begrenzt, sondern erstreckt sich auf alle Rechte, die nicht die menschliche Natur ihres Trägers voraussetzen (BVerfGE 95, 220–243; MüKo/Leuschner Rn 39; NK/Heidel/Lochner Rn 4), eine Ausdehnung der „menschlichen“ Rechtsfähigkeit auf jur Person, wie sie im Auslandsrecht bisweilen geschieht, ist im dt Recht nicht möglich (zum Problemkreis Windbichler, FS K. Schmidt II, 2019, 673ff). Allerdings steht der jur Person das Namensrecht zu (BGH NJW 1993, 918, 920 zur rechtsgeschäftlichen Verfügung über Namensrechte einer Universität); die jur Person kann zwar nicht Urheber- oder Erfinderrechte erwerben, wohl aber die aus Immaterialgütern entstehenden Nutzungsrechte. Manche Fähigkeiten werden ihr durch positive gesetzl Entscheidung abgesprochen, so zur Vorstands- oder Geschäftsführerstellung in AG, GmbH und Genossenschaft, ferner zum Vormund, zum Liquidator (§ 265 II 3 AktG); zum Testamentsvollstrecker § 2210 S. 3 iVm § 2163 II; zum Verein als Stifter Werner, FS Reuter, 431. Einer jur Per ist die Fähigkeit, Insolvenzverwalter zu sein, durch § 56 InsO versagt, was – mit Blick auf eine Insolvenzverwalter-GmbH- nicht als Verstoß gegen Art 12 GG beanstandet wird (BVerfG ZIP 2016, 321), aber etwa beim Auseinandergehen einer Berufsausübungsgesellschaft von Anwälten Schwierigkeiten verursachen kann (näher H.P. Westermann, FS Vetter, 2019, 875ff). Generell kann gesagt werden, dass die ultra-vires-Lehre des anglo-amerikanischen Rechts im dt Zivilrecht nicht gilt (K. Schmidt AcP 184, 529; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 813; MüKo/Leuschner Rn 40), anders bei jur Personen des öffentlichen Rechts (Koenig WM 1995, 317 zu den Swap-Geschäften von Landesbanken; dagegen aber Schneider/Busch WM 1995, 320ff). Die jur Person ist damit erb- und vermächtnisfähig (§ 2044 II, §§ 2101, 2105f, 2109, 2163). Sie besitzt Rechtsfähigkeit auch im öffentlichen Recht, bzgl landesrechtl Erwerbsbeschränkungen vgl Art 86 EGBGB und die landesrechtl Ausführungsgesetze. Die Grundrechtsfähigkeit der jur Person des Privatrechts ist zeitweise als diejenige ihrer (natürlichen) Trägerpersonen verstanden worden (BVerfGE 59, 231; 68, 193), was auf die Gesamthand ausgedehnt wurde (BVerfGE 20, 162, 171); heute wird Art 19 III GG eher dahin verstanden, dass ein auf die jur Person anwendbares Grundrecht nicht an Umstände anknüpfen darf, die nur nat Personen wesenseigen sind (BVerfGE 95, 220, 242; 106, 38, 42), so etwa „Menschenwürde“ oder Gesundheit. Die Rspr schwankt allerdings, so sind Art 2 I, 3, 4 und 12 auf die jur Person angewendet worden (BVerfGE 3, 363, 390; 66, 116, 130; 97, 228, 253; BVerfG NJW 1991, 2623). Bei der jur Person des öffentlichen Rechts nahm BGHZ 20, 119 an, Rechtsgeschäfte außerhalb des durch Gesetz oder Satzung bestimmten Wirkungskreises seien unwirksam, ohne dass das auf mangelnde Vertretungsbefugnis des Handelnden (wie es das RG tat, SeuffA 40 Nr 271) gestützt wurde. Das ist als Einbruch der ultra-vires-Lehre kritisiert worden (Fuß DÖV 1956, 566), wurde aber vom BVerfG (NJW 1982, 2173) dem Art 19 III GG entnommen, was von dem durch bestimmte Grundrechte gewährleisteten Schutz eines den Aufgaben jur Personen entspr Lebensbereichs abhänge und in etwas erweiterter Form Art 101 I 2 und Art 103 I GG betreffe (BVerfGE 6, 45, 49f; 13, 132, 139; 45, 64, 79; 61, 82, 102; s auch MüKo/ Leuschner Rn 40). Mit der etwas anderen Formel, Grundrechtsfähigkeit komme einer jur Person öffentlichen Rechts nur zu, wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck freier Entfaltung natürlicher privater Personen ist, wurde die Grundrechtsfähigkeit öffentlicher Sparkassen (im Rahmen von strafrechtl Ermittlungsverfahren) geleugnet (BVerwG NJW 1995, 582), wogegen einem eingetragenen gemeinnützigen Verein das Grundrecht der Berufsfreiheit zustehen kann (BVerwG JZ 1995, 94). Ein Persönlichkeitsschutz der jur Person erscheint nicht ausgeschlossen, soweit die individuelle Entfaltung nat Personen geschützt werden muss (BGHZ 42, 210), er erstreckt sich aber nicht auf den Schutz des Firmennamens gegen Verballhornung (BGH NJW 1986, 2951 – BMW); geschützt ist hauptsächlich der soziale Geltungsanspruch der die jur Person tragenden Personen (BGH NJW 1999, 1281; 2002, 2619; BVerfG NJW 2006, 3619; eingehend MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 30ff); eine gewisse Tendenz geht dahin, den Persönlichkeitsschutz auf die „Reputation“ unternehmerischer, aber auch öffentliche Belange betreffender Aktivitäten zu erstrecken (näher Klöhn/Schmolke NZG 2015, 689ff; H.P. Westermann, FS Karakostas, 2017, 1531ff). Zum Namen des Vereins § 57 Rn 2.
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6. Arten der juristischen Person. Zu unterscheiden sind jur Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts. Die jur Person des öffentlichen Rechts ist ein Sammelbegriff für alle selbständigen Träger öffentlicher Verwaltung, die nicht einen integrierenden Bestandteil des öffentlichen Behördensystems bilden. Zur begrifflichen Unterscheidung BGH MDR 1955, 220. Eindeutig ist die Rechtsnatur als jur Person des öffentlichen Rechts dort, wo der Gründungsakt die Art ausdrückl festlegt oder wo das Gesetz die Schaffung einer jur Person des öffentlichen Rechts als alleinige Form vorschreibt. Entscheidend für die Abgrenzung ist der Entstehungstatbestand, BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 4. Wo dieser keine klare Auskunft gibt, kommt es darauf an, ob die jur Person mit öffentlichen Aufgaben betraut, in die Staatsorganisation eingebunden und staatlicher Aufsicht unterworfen ist (BVerfGE 66, 1, 9f). Nach der von BVerfGE 102, 370ff (für Religionsgemeinschaften) entwickelten Voraussetzung für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts (s auch BVerwG NVwZ 2001, 924) wird man davon auszugehen haben, dass zu den verfassungsrechtl Anforderungen auch die Rechtstreue gehört. Aus den §§ 21ff sind auf die jur Person des öffentlichen Rechts nur §§ 31, 89 anzuwenden, Vorbehalte aus Rücksicht auf die öffentliche Ordnung richten sich nicht gegen die Gewährung der Rechtsfähigkeit, sondern gegen etwaige Tätigkeit des Vereins (BVerwGE 61, 218). Einrichtungen im Verband einer jur Person, zB die stationes fisci (Regierungsbezirk, Justizverwaltung) haben eigene Rechtsfähigkeit nur, wenn der volle Tatbestand der Schaffung einer jur Person auf die Entstehung der betreffenden Einrichtung zutrifft (RG SeuffA 95, 39). In Zweifelsfällen, in denen die Organisationsgewalt die Schaffung einer jur Person decken würde, entscheidet der die Organisation schaffende Wille, ob eine selbständige jur Person oder eine unselbständige Einrichtung entsteht. Bei den unselbständigen Einrichtungen müssen alle Rechte und Pflichten und Handlungen auf die jur Person, die hinter der Einrichtung steht, bezogen werden. Sie sind mangels Rechtsfähigkeit nicht parteifähig; gegen sie gerichtete Klagen können als Klagen gegen die nur unrichtig bezeichnete Person zu behandeln sein. Körperschaften des öffentlichen Rechts sind: Die Bundesrepublik Deutschland, die Länder, die Landkreise, die Gemeinden, die Ämter, die Zweckverbände (Zusammenschlüsse von Gemeinden oder Kommunalverbänden zur gemeinsamen Erfüllung bestimmter Aufgaben, zB Unterhaltung von Schulen, Theatern und dgl), die meisten Universitäten, die berufsständischen Organisationen wie Innungen, „Kammern“ wie Industrie- und Handelskammern, Anwaltskammern und dgl. Eine weitere Gruppe bilden die Boden- und Wasserverbände (RGBl I 1937, 188), die Jagdgenossenschaften (Celle NJW 1955, 834). Zu unterscheiden sind Körperschaften und Anstalten. Die Körperschaft hat personelle und korporative Mitglieder, ist also verbandsmäßiger Struktur, die Anstalt nicht. Die nicht immer genaue gesetzl Terminologie ist nicht entscheidend. Anstalten des öffentlichen Rechts sind die Sparkassen, die Träger der Sozialversicherung wie Ortskrankenkassen, Landesversicherungsanstalten, die Knappschaften. In den Rechtsformen des Privatrechts, nämlich als AG oder GmbH, können auch die Eigenbetriebe der Gemeinden (Versorgungs- und Verkehrsbetriebe) geführt werden, die dann das rechtsformbedingte Gesellschaftsrecht zu beachten haben, deren Organe aber auch das öffentliche Interesse im Auge haben müssen (so dürfen kommunale Wohnungsbau-GmbH an die Gemeinden unabhängig von ihrer Satzung keine zur Unterbilanz führenden Ausschüttungen vornehmen). Die neuerdings für das Vereinsrecht stark vorangetriebene „compliance“ (§ 27 Rn 7a) hat hier auch öffentlich-rechtl Regeln zu beachten. Jur Personen des öffentlichen Rechts sind die Kirchen, jedoch nicht die katholische oder evangelische Gesamtkirche in Deutschland, sondern die katholischen Bistümer, die evangelischen Landeskirchen, katholische und evangelische Kirchengemeinden (Körperschaften). Auch andere Religionsgemeinschaften sind in einzelnen Ländern als jur Person des öffentlichen Rechts anerkannt, wie die Baptistengemeinde, die Altkatholische Kirche im ehemaligen Preußen. Zu den Zeugen Jehovas s die in Rn 10 genannten Entscheidungen des BVerfG und des BVerwG. Soweit nicht durch besondere Maßnahmen eingegriffen wurde, bestehen die am 9.5.1945 vorhandenen jur Personen des öffentlichen Rechts fort. Für die Stiftung öffentlichen Rechts ist das zweckgebundene Stiftungsvermögen kennzeichnend. Soweit die jur Person des öffentlichen Rechts privatrechtl handelt, unterliegt sie dem allg Recht, wichtig für die Haftungsfragen. Hierzu § 89 Rn 1. Vereinzelt finden sich Sonderbestimmungen (s etwa §§ 395, 411). Das öffentliche Vereinsrecht ist geregelt durch das Vereinsgesetz v 5.8.1964 (BGBl I 1964, 593). Es umreißt die verfassungsrechtl Grenzen der Vereinsfreiheit und enthält Vorschriften für Ausländer sowie ausl Vereine; insg ist es polizeirechtl konzipiert, so dass die §§ 21ff nur erg gelten. Ein Verein iSd BGB und in gewisser Hinsicht auch des HGB ist gegeben bei körperschaftlicher Verfassung, das ist eine auf Dauer zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks eingesetzte Personenvereinigung, die unabhängig vom Mitgliederwechsel (MüKo/Leuschner Rn 6; RGZ 60, 96; 165, 140, 143) ihre Ziele durch Auftreten im eigenen Namen verfolgt. Bei den Vereinen des Handelsrechts (AG, KGaA, GmbH, Genossenschaft, VVaG, dazu § 15 VAG) sieht die gesetzl Ordnung eine besondere Anpassung an die Erfordernisse des Handelsverkehrs vor. Als Grundlagen, uU auch als erg Recht, gelten auch für sie die §§ 21ff. Bei der privatrechtl Stiftung handelt es sich um eine Güterzusammenfassung, der Rechtsfähigkeit verliehen ist; Einzelheiten vgl Vor § 80 Rn 2f, dort auch zu der immer noch zunehmend wichtigen sog Unternehmensträger-Stiftung. Bei entspr Gestaltung können auch Stiftungszwecke in Form des eV angestrebt werden. 7. Hauptverein und Untergliederungen. Ein Verein kann seine Aktivitäten auf verschiedene Untergliederungen verteilen. Doch ist zu unterscheiden, ob die Untergliederung rechtl unselbständig bleibt, also keine eigene Rechtsfähigkeit hat und nach der Satzung des Hauptvereins lebt (BGHZ 89, 153, 155; BGH ZZP 86 [1973] 212; KG OLG 1983, 272), oder ob es sich um selbständige Unterorganisationen handelt; eingehend zu den verschiedenen Formen einer „Verbandsuntergliederung“ Brouwer ZStV 2017, 201ff. Eine rechtl selbständige Untergliederung muss Zwecke verfolgen, die sich aus der Satzung des Hauptvereins, aber auch aus einer in der UnterglieWestermann
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derung selbst beschlossenen Satzung ergeben (BGHZ 73, 275); das ist mehrfach bei der Prüfung der passiven Parteifähigkeit einer Untergliederung für entscheidend gehalten worden (RGZ 118, 196; BGH MDR 1970, 913), neuerdings wird aber stärker auf die alleinige Befugnis des Hauptvereins zur Festlegung der Kriterien der Selbständigkeit des Zweigvereins abgestellt, woraus folge, dass eine Doppelmitgliedschaft bestehe, die auch zu einem Schutz der Mitglieder des Zweigvereins vor Eingriffen des Hauptvereins führt; erforderlich ist aber dafür eine – nicht selbstverständliche – Mitgliedschaftsvermittlung durch die Satzung des Hauptvereins (MüKo/Leuschner Rn 145); dem Beschluss müssen die Mitglieder des Zweigvereins, wenn dadurch seine Satzung geändert wird, zustimmen. Dazu passt es auch, in solchermaßen „gegliederten“ Vereinen einen besseren Rechtsschutz der Mitglieder des „Vereins im Verein“ zu sichern, als es die Rspr zur Klagebefugnis (§ 32 Rn 6) bisher tut (näher K. Schmidt, FS Reuter, 2010, 345ff, 361). Einer rechtl unselbständigen Untergliederung hat BGH NJW 2008, 69 ein Klagerecht gegen Beschlussmängel versagt, zu den Folgen Terner NJW 2008, 16ff; Reuter, FS Hopt, 199ff, was auch mit dem Fehlen eines ausgearbeiteten Beschlussmängelrechts für Vereine zusammenhängt (K. Schmidt ZGR 2011, 108, 130f) und möglicherweise durch eine Übertragung der im Kapitalgesellschaftsrecht entwickelten, aber auch auf Personengesellschaften übertragbaren (dazu Konzen, FS Hommelhoff, 2012, 565f) Figur des „Besonderen Vertreters“ bewältigt werden kann. Auch im Zweig- oder Unterverein gefasste Beschlüsse müssen den Satzungsbestimmungen des Hauptvereins entsprechen (Wagner NZG 2018, 330, 338). Der Zweigverein ist auch für etwaige Rechtsstreitigkeiten mit dem Hauptverein parteifähig (BGH NJW 2008, 69). Grundsätzliche Unterschiede bestehen zw dem Verbandsverein, der Dachorganisation seiner Mitgliedervereine ist, sowie dem Vereinsverband, dessen Mitglieder Vereine sind, deren Mitglieder aber entweder automatisch auch Mitglieder des Verbandes sind (zur Doppelmitgliedschaft BGHZ 105, 306; krit Soergel/Hadding § 38 Rn 11) oder sich in der Satzung des Zweigvereins bis zu einem gewissen Grade der Satzung und der Vereinsgewalt (§ 25 Rn 5) des Verbandes unterwerfen (dazu Heermann NZG 1999, 325; Reuter ZHR 148, 153; Schaible, Der Gesamtverein und seine vereinsmäßig organisierten Untergliederungen, 1992; BGH NJW 2008, 69; zur Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts des „Unter“- durch den Oberverein Frankfurt 27.2.2014 – 15 U 94/13; Wagner NZG 2015, 1378; diese darf aber nicht so weit gehen, dass der Unterverein praktisch keine eigenständige Tätigkeit mehr entfalten kann (Wagner NZG 2015, 1378). Anderes gilt für eine „bloße Vereinsabteilung“, die der Verein, ohne dadurch eine Treupflichtverletzung zu begehen, auflösen kann, zumal er auch ein Weisungsrecht hat (BGH NZG 2013, 466; s auch BGH NZG 2007, 826). Die selbständigen Mitgliedsvereine verfolgen eigene Zwecke und Aufgaben im Rahmen der Zwecksetzung des Verbands (BGHZ 90, 331), in dessen Satzung dann auch die Zwecke und Funktionen der Untergliederung festgelegt sein müssen, welche die Rechte zur Einflussnahme des Hauptvereins auf seine Untergliederungen bestimmen müssen. Die Rspr geht hier von einer Mitgliedschaft aus, die als „gestufte Mehrfachmitgliedschaft“ bezeichnet wird (BGH NJW 2008, 69, 74; eher für „gespaltene Mitgliedschaft“ Wolff Non-Profit-Law Yearbook 2007, 21ff). Verbreitet wird auch eine aus Hauptverein und Untergliederungen bestehende Vereinsorganisation als „Gesamtverein“ bezeichnet, dem aber keine eigene Rechtsfähigkeit zukomme, und deren Zwecke in den selbständigen Untergliederungen, die also Hilfsfunktion haben, verfolgt würden (im Einz Brouwer ZStV 2017, 201ff). Die Selbständigkeit eines Mitgliedsvereins äußert sich auch darin, dass dem Verband kein Zugriffsrecht auf das Vermögen des Mitgliedsvereins zusteht. Das hindert allerdings nicht, dass die Mitglieder eines Vereinsverbands die in der Satzung vorgesehenen Prüfungen hinnehmen und sogar zu unterstützen haben (so zum genossenschaftlichen Prüfungsverband iSd § 55 GenO BGH NZG 2017, 390; Jena VZI 2015, 277), auf eine besondere diesbzgl Satzungsvorschrift verzichtet BGHZ 190, 110; s auch Beuthien WPg 2012, 715. Bei den Sportverbänden hat sich eine umfassende Kontrollbefugnis des Verbandes über das wirtschaftl Gebaren der Mitgliederversammlung entwickelt, die ua dazu führen kann, dass der Verband einem Mitgliedsverein die Teilnahme an seinen (finanziell anspruchsvollen) Veranstaltungen und Wettbewerben versagen kann. Die Mitgliedschaft des Fachverbandes in intern Verbänden hat zu Versuchen geführt, auch Mitgliedsvereine des nationalen Verbandes bestimmten Regelungen des intern (europäischen oder weltweit angewendeten) Sportrechts zu unterwerfen (s etwa BGH NZG 2016, 1315; NJW 2017, 402 m Anm Wagner; Heermann ZIP 2017, 253). Die Reaktion auf solche Bestrebungen ist allerdings ein Problem des (nationalen) Vereinsrechts nur insofern, als die Vereinsautonomie gewahrt bleiben muss, was auch für Satzungsbestimmungen eines zentralen Sportverbandes betr die Berechtigung zur Teilnahme an Veranstaltungen des Verbandes gilt (näher § 25 Rn 2a). Das Parteiengesetz v 24.7.1967 (BGBl I 1967, 773) schafft einen besonderen vereinsrechtl Status für die politischen Parteien, der von der Rechtsfähigkeit der Vereinigung unabhängig ist (vgl § 2). Besonders geregelt sind die Aktiv- und Passivlegitimation, § 3, das Namensrecht, § 4, die Mindestorganisation in §§ 6ff. Die Parteien gehören aber nicht zur organisierten Staatlichkeit, sondern zum Privatrecht, so dass auch der Anfall ihres Vermögens nach Auflösung sich nach BGB richtet (Brandenburg NJW 1998, 910). 8. Internationales und intertemporales Privatrecht. Da das IPR-Gesetz v 25.7.1986 (BGBl I 1986, 1143) keine speziell auf das Gesellschafts- und Vereinsrecht bzgl Vorschriften enthält, wird es für die international-privatrechtl Anknüpfung des Personalstatuts der jur Person weiterhin auf die Entscheidung des Meinungsstreits zw Sitz- und Gründungstheorie ankommen, die allerdings auch unter europarechtl Aspekten neu ist, was freilich voraussetzt, dass die Aktivität eines Idealvereins unter Art 49, 54 AEUV fällt (dazu MüKo/Leuschner Rn 193; gegen die Anwendbarkeit der Niederlassungspflicht auf Idealvereine BFH BB 2004, 2338; Zweibrücken NJW-RR 2006, 43). Wendet man weiterhin die Sitztheorie an, so kann ein ausl Idealverein, dessen Rechtsfähigkeit auch in Deutschland anerkannt ist, seinen Sitz nicht ins Inland verlegen, sondern muss hier neu gegründet werden (Zweibrücken NJW-RR 2006, 43), während ein seinen Sitz ins Ausland verlegender dt Verein aufgelöst wird, wenn nicht das anwendbare Auslandsrecht der Gründungstheorie folgt. Dann muss allerdings auch das „Weg150
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zugsrecht“ den Wegzug gestatten, also einen Verein mit Auslandssitz akzeptieren, was nach dem EuGH allein am Gründungsrecht und nicht an den europäischen Normen über die Niederlassungsfreiheit zu bestimmen ist (EuGH NJW 1989, 2186; 2009, 569). Die Verlegung des Verwaltungssitzes eines ausl Vereins ins Inland ohne Nachgründung nach § 54 zu behandeln, verstieße gegen die Niederlassungsfreiheit des in einem der Gründungstheorie folgenden Staat entstandenen Vereins (MüKo/Leuschner Rn 196). Für die (äußerst seltenen) nach dem früheren § 23 rechtsfähig gewordenen (und noch existierenden) Vereine gilt die Übergangsregelung nach Art 229 § 24 EGBGB. IÜ schaffen §§ 14, 15 VereinsG polizeirechtl Verbotsmöglichkeiten für ausl Vereine ohne überwiegende Beteiligung Deutscher, die über das hinausgehen, was für inländische jur Personen angesichts des Schutzes des Art 9 I GG möglich wäre (s Art 19 III GG). Vor Inkrafttreten des BGB entstandene Rechtsfähigkeit bleibt, die jur Personen des alten Rechts unterliegen 15 grds dem neuen Recht, vgl Art 163 EGBGB. Nach Art 82 EGBGB gelten für die vor 1900 durch staatliche Verleihung entstandenen rechtsfähigen Vereine die handelsrechtl Vorschriften über ihre Organisation fort, insb gilt auch die an ihre Eintragung im Register geknüpfte Vermutung ihrer Weiterexistenz bis zu einer Löschung (KG NJW-RR 2001, 966). Ausnahmen in Art 164, 166, 83 EGBGB. Zu Vereinigungen, die nach dem Recht der DDR entstanden sind, Christoph DtZ 1991, 234; Nissel DtZ 1991, 239. 9. Reform des Vereinsrechts. Die seit langem vorbereitete und diskutierte Reform des Vereinsrechts, die von 16 manchen als grundlegender Systemwechsel zum allg-politischen oder sozialpolitischen Großverein unter Einschluss der Verbandsvereine gedacht, aber auch verbreitet als überflüssig angesehen wurde (Segna NZG 2003, 1048; Damas ZIP 2005, 3ff; Hadding ZGR 2006, 137; Reuter NZG 2005, 738), ist in Gestalt von Neuregelungen einzelner praktisch wichtiger Fragen einschl des Registerrechts im Jahr 2009 teilw verwirklicht worden (G zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtl Änderungen v 24.9.2009, BGBl I 2009, 3145). Dass dabei eine Anpassung des BGB-Vereinsrechts an die Rechtswirklichkeit der Vereine, die so lange nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht nur punktuell geboten erscheint (H.P. Westermann, FS Sonnenschein, 2003, 617ff, näher im Zusammenhang mit der geplanten Reform des BGB-Gesellschaftsrechts H.P. Westermann NZG 2017, 921ff), nur in einzelnen Teilen der Reform in Angriff genommen worden ist (Übersicht bei Reuter NZG 2009, 1368, 1371ff), ändert nichts an der großen praktischen Bedeutung der neuen Regelungen, während weitere Änderungsvorschläge, zT auf Länderebene, nicht im Vordergrund der Rechtspolitik stehen (s immerhin Hadding, FS Reuter, 2010, 93). Der Gedanke, die Probleme der Abgrenzung von Idealverein und wirtschaftl Verein rechtspolitisch zu lösen (dazu Arnold ZRP 2015, 170; Hadding ZGR 2006, 137), wird nicht weiter verfolgt, tritt aber erneut in den Vordergrund, wenn für den Verein mit wirtschaftl Betätigung die Einführung einer Corporate Governance erwogen wird (Leuschner npoR 2016, 99ff). Hervorzuheben ist aber jedenfalls die Beschränkung der Vorstandshaftung in § 31a (eingefügt durch G zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen v 28.9.2009, BGBl I 2009, 3161, und Anhebung der Betragsgrenzen zuletzt durch Siebtes G zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen v 30.3.2021, BGBl I 2021, 607), dessen Geltung für den nichtrechtsfähigen Verein freilich für den bis 31.12.2023 geltenden § 54 nicht geklärt ist (zur Neufassung des § 54 I 1 mWv 1.1.2024 durch das MoPeG v 10.8.2021, BGBl I 2021, 3436, s § 54 Rn 1); auch bleibt abzuwarten, ob die Privilegierung des unentgeltlich (dazu § 27 Rn 6) tätigen Vorstands nicht auch andere ehrenamtlich tätige Vereinsorgane für sich in Anspruch nehmen werden, näher § 31a Rn 2. Mit dem G zur Stärkung des Ehrenamts v 21.3.2013 (BGBl I 2013, 556) ist § 31a geändert und § 31b neu eingefügt worden, durch den auch für eine geringfügig vergütete Tätigkeit von Vereinsmitgliedern für den Verein Haftungserleichterungen geschaffen wurden. Die Regelungen gelten rückwirkend ab 1.1.2013. Die Rechtslage bei der Entziehung der Rechtsfähigkeit, namentlich die Streichung der bisherigen § 43 I und § 44, könnte die Diskussion um die Folgen einer Rechtsformverfehlung, wie auch der Zusammenhang mit dem Haftungsdurchgriff auf Vereinsmitglieder zeigt (Rn 6), in neuere Bahnen lenken (s Reuter NZG 2009, 1368, 1372). Die Reform des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG v. 10.8.2021 (BGBl I 2021, 3436) bezieht die Vorschriften für den eingetragenen Idealverein zwar nicht mit ein (Überlegungen dazu Schmidt ZHR 177 (2013) 712, 724ff), liefert aber Impulse zur Fortentwicklung des Vereinsrechts (Grunewald npoR 2020, 279). Das nach wie vor in Rspr und wissenschaftl Schrifttum umstrittene und trotz der viel diskutierten Entscheidungen des BGH in den Fällen ADAC, Kita und FC Bayern München nicht geklärte Problem der Abgrenzung zw wirtschaftl und nicht wirtschaftl Verein (zur jüngeren Rspr § 21 Rn 2) könnte möglicherweise ebenfalls vom Gesetzgeber aufgegriffen werden, da der Zustand des geltenden Rechts für die Rechtsanwendung nicht befriedigt. Möglicherweise würde die Vereinsklassenabgrenzung keine allzu großen gesetzgeberischen Maßnahmen erfordern, hinsichtl des vom BGH für die Nichtwirtschaftlichkeit für erheblich gehaltenen Kriteriums der Gemeinnützigkeit könnte weiterhin auf die steuerrechtl Maßstäbe Bezug genommen werden, die ihrerseits reformiert werden könnten, was auch für die Behandlung der Vergütung von Vereinsvertretern erwogen wird. Insb im Zusammenhang mit der Zurechnung der wirtschaftl Tätigkeit von Unter- oder Zweigvereinen zum Mutterverein kämen aber auch gesetzl Entscheidungen in Frage; zu den Einzelheiten nach geltendem Recht und zu evtl Reformschritten § 21 Rn 6b. Dennoch bleibt das Verhältnis von Idealverein und wirtschaftl Verein und den handelsrechtl Rechtsformen ein Problem, dazu Habersack, FS Karsten Schmidt, 2019, Bd I, 391ff.
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Nicht wirtschaftlicher Verein
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Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts. 1. Grundgedanken. Nach dem Grundgedanken des § 21 soll die Unterwerfung der körperschaftlich strukturierten einschl der wirtschaftl tätigen privaten Personenverbände unter dem Geschäftsleben entspr Vorschriften gesichert werden. Dem dient das sog Normativsystem, nach dem die Rechtsfähigkeit mit der Eintragung im Vereinsregister entsteht, auf die ein Anspruch besteht (Vor § 21 Rn 2) und in welchem Rahmen die Zweckbeschränkung der verschiedenen Verbandsformen überprüft werden kann. Neben der Gewährung einer weitgehenden Vereinsfreiheit werden so die Rechtssicherheit und eine staatliche Kontrolle über die Vereinsbildung gewährleistet; zum Grund für die unterschiedliche Behandlung nicht wirtschaftl und wirtschaftl Vereine s besonders K. Schmidt Verbandszweck S 92ff. Verfassungsrechtl ist das Normativsystem eine gültige Schranke der Vereinigungsfreiheit (BVerfGE 39, 334). Das Normativsystem entwickelt keine eindeutige typologische Reihung der Verbände, so können nicht rechtsfähige Gebilde und Ähnlichkeiten zw Vereins- und Gesellschaftsrecht entstehen. Wirtschaftl Vereine erlangen – im Gegensatz zu nicht wirtschaftl – gem § 22 Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung (Konzessionssystem). 2. Wirtschaftlicher und nicht wirtschaftlicher Verein. a) Abgrenzungsproblem. Die Eintragung als nicht wirtschaftl Verein ist unzulässig, wenn er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bezweckt. Dieses von jeher heftig umstr Kriterium sollte bestimmte Vereine auf die handelsrechtl Formen verweisen, in denen der Gläubiger- und der Mitgliederschutz ausreichend entwickelt sind, und die Rechtsform des eV Gruppen mit vorwiegend geselligen, kulturellen und sportlichen Zwecken vorbehalten. Diese Sichtweise ist durch die Tatsachen überholt, indem die Verfolgung ideeller (etwa sportlicher oder künstlerischer) Ziele so viel Geld kosten und auch einbringen kann, dass ökonomische Kalkulationen angebracht sind, wobei wirtschaftl Erfolge durchaus in den Dienst nicht wirtschaftl Zweckverfolgung gestellt werden können. Musterbeispiele für beide Entwicklungslinien sind die großen Sportvereine, die für die von ihnen betreuten, zT in einem Arbeitsverhältnis mit ihnen stehenden Leistungssportler hohe Geldbeträge aufwenden müssen, ohne dass unglaubhaft wäre, dass ein ökonomischer Erfolg dieser Sparten zahlreichen Amateur- und besonders Jugendabteilungen zugutekommt (näher Heckelmann AcP 179, 1ff). Insb die Verbindung mit den Massenmedien hat sich zu einem Milliardengeschäft entwickelt. Die rechtl Ordnung der Aktivitäten dieser Vereine ist auch stark durch die Einflüsse, zT auch durch die Jurisdiktion, der intern Verbände beeinflusst (näher H.P. Westermann/Pereira/Borges, FS Schwark, 2009, 71ff). Ua deshalb werden zT Kapitalgesellschaften aus den Vereinen ausgegliedert (dazu Heermann ZIP 1998, 1249), die dann an die Börse gehen können (dazu Steinbeck/Menke NJW 1998, 2169; s auch Segna ZIP 1997, 1901; Wagner NZG 1999, 469). Das wirft eine Reihe von Fragen zum Einfluss des „herrschenden Vereins“ auf die Kapitalgesellschaft auf; verbandsrechtl gesehen ist der Vorbehalt einer dominierenden Stellung des Vereins zwar erwünscht, aber mit den Gegebenheiten des Kapitalgesellschaftsrechts nicht leicht in Einklang zu bringen (im Einz H.P. Westermann SpuRt 2001, 42ff; Balzer ZIP 2001, 175), wobei sogar die Frage aufgetreten ist, ob die großen Sportvereine nicht zur Erhaltung ihres Status als eV gezwungen sind, den Berufssportbetrieb auszugliedern. Vereine mit hoher Mitgliederzahl, zT mit einer über das ganze Bundesgebiet verteilten Mitgliedschaft, benötigen in manchmal unlösbarem praktischen Zusammenhang mit ihrer nicht wirtschaftl Zielsetzung erhebliche wirtschaftl Mittel, die nicht selten nur durch unternehmerische Aktivitäten unter Ausnutzung des Vereinsnamens und der im Verein verbundenen Beziehungen erwirtschaftet werden können. Die tatsächliche Größe und Vielfalt der Betätigungen dieser Vereine, etwa des ADAC, der Technischen Überwachungsvereine oder auch der Vereine der Wohlfahrtspflege, hat zu Aufteilungen, zT auch zur Ausgliederung, von Aktivitäten und Zielsetzungen auf untergeordnete, zT auch abhängige Verbandspersonen geführt, die nach einer stark aufkommenden rechtl Einordnung zumindest als Konzernstrukturen, wenn nicht als Konzerne zu betrachten sind (grundlegend Leuschner Das Konzernrecht des Vereins, 2011, aufgegriffen in MüKo/Leuschner vor § 21 Rn 154ff; skeptisch Reuter npoR 2012, 101, 107). Das schlägt sich auf Fragen der Willensbildung und Reichweite der Vereinsorganisation nieder, besonders nach Ausgliederung von Aktivitäten auf eine vom Verein im wesentlichen gesteuerte Unterorganisation (Kapitalgesellschaft oder wiederum Verein), so wie es beim ADAC und auch bei den großen Sportvereinen zu beobachten ist; anzusprechen sind auch Publizität und Haftung, mit starkem Gewicht derzeit auch im Entstehen von compliance, wobei wiederum wirtschaftl wie nicht wirtschaftl Zwecksetzungen Respekt fordern können. Große praktische Bedeutung für die Abgrenzung von wirtschaftl und nicht wirtschaftl Verein (Rn 4) kommt der steuerlichen Gemeinnützigkeit zu, besonders auch bei Beteiligung eines Vereins an Kapitalgesellschaften (dazu im Einz Arnold DStR 2005, 581ff; NK/Heidel/Zillmer, Anh zu § 21; gegen die Erheblichkeit der Gemeinwohlorientierung in diesem Zusammenhang MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 49), zum Ganzen auch BFH JZ 2019, 599 m Anm Seer. Die fehlende steuerliche Gemeinnützgkeit bildet nur ein Indiz (Celle MDR 2022, 180 gegen Eintragungsfähigkeit „Dorfkneipe“), aber kein Ausschlusskriterium gegen die Eintragungsfähigkeit als Idealverein (Stuttgart npoR 2022, 261 m Anm Leuschner für Eintragungsfähigkeit „Dorfladen“; Beuthien NJW 2022, 2182). Mit der indiziellen Anknüpfung an die Gemeinnützigkeit treten Probleme schon auf, wenn der Verein seinen Vorstandsmitgliedern Auslagen und Verwendungen ersetzen oder (maßvolle) Vergütungen zahlen will (Kolbe DStR 2009, 2465), während die Einführung von Verhaltenskodizes ferner liegen dürfte (anders Kreutz ZRP 2007, 50). Wenn nach der Satzung die Vorstandsmitglieder ihr Amt unentgeltlich auszuüben haben, dürfen ihnen auch keine Entschädigungen für aufgewendete Arbeitskraft geleistet werden (BGH WM 2008, 736 und dazu En152
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gelsing/Lüke NWB Fach 3, 15101ff). Eine Besonderheit – etwa auch ggü Stiftungen – besteht auch darin, dass auf die satzungsmäßigen Leistungen eines gemeinnützigen Vereins ein Rechtsanspruch nicht bestehen soll (Koblenz MDR 2008, 267). Gerade in jüngerer Zeit wird die Gemeinnützigkeit des als „Deutsche Umwelthilfe“ firmierenden eV, der im Zusammenhang mit dem sog „Diesel-Skandal“ viele Prozesse von Kfz-Käufern gegen Lieferanten und Hersteller von Fahrzeugen mit Diesel-Manipulationen angeregt hat, im politischen Raum in Zweifel gezogen, weil der Verein im Jahre 2017 aus „Marktüberwachung“ (Abmahnungen und Gerichtsverfahren) 2,1 Mio t erhalten hat und seit Jahren namhafte Beträge von dem japanischen Autohersteller Toyota erhält (der seine Förderung jetzt eingestellt hat); diese Beträge stehen neben etwa 3 Mio t aus Spenden und Sponsoring (FAZ v 27.12.2018). Der Verein wehrt sich gegen Kritik aus den Reihen der CDU mit diskriminierenden und populistischen Vorwürfen einer Zusammenarbeit der Partei mit der Automobilindustrie (FAZ v 22.1.2019), ändert aber seine Praxis nicht, die im politischen Raum vorwiegend von Organisationen des Umweltschutzes sowie einer politischen Partei unterstützt wird. Der BGH (ZIP 2019, 1640 und dazu Mankowski EWiR 2019, 675) hat allerdings einen Rechtsmissbrauch verneint; skeptisch macht auch die Erwähnung eines Vereins im Verfassungsschutzbericht, BFH NZG 2018, 1349 und dazu Leisner/Eggensberger NJW 2019, 964. Offensichtlich berechtigt ist demggü die Versagung der Gemeinnützigkeit bei politischer Betätigung durch den BFH im Fall „Attac“, BFH NJW 2019, 877. Zur Unterscheidung von wirtschaftl und nicht wirtschaftl Geschäftsbetrieb sind verschiedene Abgrenzungs- 4 methoden vorgeschlagen worden, die aber durch die vielfältigen Erscheinungen wirtschaftl Aktivitäten ausgliedernder und kontrollierender Idealvereine (Rn 6) an Überzeugungskraft zu verlieren drohen (MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 17, 21), was vor allem für die Möglichkeit einer typologischen Vereinsklassenabgrenzung gilt, die im Zuge einer Trendwende durch eine subj-obj Bewertung des Verbands-Hauptzwecks unter Trennung von Haupt- und Nebenzwecken ersetzt werden soll (so deutet etwa Könen ZGR 2018, 632ff das Urteil BGH NJW 2017, 1943, 1944 Rn 19; zu „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Vereinsklassenabgrenzung“ Weitemeyer/Bornemann npoR 2020, 99). Im Zuge der früher herrschenden, aus subj und obj Elementen bestehenden Sichtweise hat sich weder die Maßgeblichkeit einer subj Betrachtung, die auch erwerbswirtschaftl Tätigkeit für unschädlich hält, solange dadurch einem ideellen Endzweck genützt werden soll, durchsetzen können, noch die Vorstellung, es komme allein auf die obj tatsächlich ausgeübte Tätigkeit im Rahmen eines Geschäftsbetriebs an (dazu Beuthien ZGR 2018, 1, 17ff), Danach wäre ein wirtschaftl Zweck unschädlich, solange er nicht durch einen entspr Geschäftsbetrieb verfolgt wird, während die Verfolgung eines ideellen Zwecks das Betreiben eines diesem Ziel untergeordneten, aber von der Satzung gedeckten wirtschaftl Geschäftsbetriebs als unschädlich erscheinen lässt (sog Nebenzweckprivileg, RGZ 133, 170, 176; 154, 351; BGHZ 15, 315, 319; 85, 84, 89, 93; BayObLG 1973, 303f; BGH NJW 1983, 569 – ADAC; Schleswig NZG 2001, 768; K. Schmidt Rpfleger 1972, 343, 351). Nach der Kita-Rspr des BGH (NJW 2017, 1943) kreist die Rspr der OLG um die Funktion der wirtschaftl Betätigung zur Verwirklichung des ideellen Vereinszwecks (Stuttgart npoR 2022, 289 m Anm Leuschner; Celle MDR 2022, 180 m Anm Hüttemann ZIP 2021, 2524). Mit dem Nebenzweckprivileg lassen sich Zwecke wie der Restaurationsbetrieb eines Sportvereins (KG OLG 1979, 279, 282), vielleicht auch noch die Vertragsvermittlung durch einen Kassenärzteverein (RGZ 83, 231) erfassen, nicht aber der wirtschaftl Aufwand der großen Sportvereine (Rn 7). Soweit es in der Praxis denkbar ist, müssen für einen Idealverein, der im Rahmen des Nebenzweckprivilegs ein Gewerbe betreibt und entgeltliche Leistungen anbietet, auch die neuen handelsrechtl Vorschriften über Publizität, etwa auch auf Geschäftsbriefen, sowie das Insolvenzrecht beachtet werden (näher Bohnenkamp NZG 2007, 292ff; Haas/Prokop, FS Röhricht, 2005, 1149ff). Die Kritik sowohl am Nebenzweckprivileg (Heckelmann AcP 179, 22; Sack ZGR 1974, 194) als auch an der Maßgeblichkeit des Vorhandenseins eines „wirtschaftl“ Geschäftsbetriebs stellt darauf ab, ob im Kleid des Idealvereins unternehmerische Aktivitäten entfaltet werden, die nach dem Sinn des Systems der Normativbestimmungen in den Rechtsformen des Handelsgesellschaftsrechts verfolgt werden müssen (K. Schmidt Rpfleger 1972, 286ff, 343ff; K. Schmidt AcP 182, 1ff; ihm folgend Hemmerich, Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Idealvereinen 1982, 63ff; Staudinger/Schwennicke Rn 54ff; Schad Rpfleger 1998, 185; in der Rspr Düsseldorf NJW-RR 1998, 683). Dafür genügt nicht die Unentbehrlichkeit der Erreichung des Nebenzwecks, sondern die wirtschaftl Betätigung darf, ohne unbedingt inhaltlichen Bezug zum Hauptzweck zu haben, für die Zielkonzeption des Vereins neben den ideellen Zwecken nur untergeordnete Bedeutung haben (ähnl PWW/Schöpflin Rn 10; anders Möhlenkamp DB 2004, 2737ff), was sie auch nicht dadurch verliert, dass die Leistungen auch Mitgliedern angeboten werden, von denen allein sie ohne Zuhilfenahme der „Umsätze“ mit Nichtmitgliedern nicht finanziert werden könnten. Ähnl ist es auch für Vereine gesehen worden, die einen kommunalen Schadensausgleich (in Bezug auf Versicherungsverhältnisse) unter Gemeinden bezwecken (BGH VersR 1968, 138; KG NZG 2015, 1034). Die Nebengeschäfte müssen nicht zwingend nur geringfügigen Umfang annehmen (näher zum Grund und zur praktischen Konkretisierung der Voraussetzungen des „Privilegs“ Beuthien NZG 2015, 449, 453), solange sicher ist, dass die Ergebnisse des Nebengeschäfts, die der Mittelbeschaffung dienen, nicht den zur Förderung des Hauptzwecks nötigen Umfang übersteigen, was auch für Geschäfte mit Nicht-Mitgliedern gilt. Steht die wirtschaftl Betätigung im Zentrum des ideellen Vereinszwecks, können andere Kriterien, etwa die fehlende Gewinnausschüttung an Bedeutung gewinnen (Stuttgart npoR 2022, 289 m Anm Leuschner zur „Dorfkneipe“; mit dem Vorschlag, ein vereinsrechtl Kostendeckungsprinzip an die Stelle des Nebenzweckprivilegs treten zu lassen, Beuthien NJW 2022, 3182). Allein aus Leistungen des Vereins an die Mitglieder, die diese auch von im Wettbewerb stehenden Unternehmen am Markt beziehen können, lässt sich keine Qualifikation als wirtschaftl Verein ableiten. Ebensowenig begründen eine Beschränkung auf den „inneren“ Markt der Mitglieder und marktunübliche Bedingungen für sich allein eiWestermann
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ne Qualifikation als Idealverein (Brandenburg MDR 2022, 774). Zunehmend deutlich wird die Schwierigkeit, das Wirtschaftliche an einem (auch) von Geldumsätzen lebenden, aber keine Gewinne anstrebenden – erst recht keine solchen ausschüttenden – Verein zu bestimmen (Beuthien WM 2017, 645). Auch fehlt es für das Außenverhältnis eines wirtschaftl Leistungen an Mitglieder wie Nichtmitglieder anbietenden Vereins an gesetzl Governance-Strukturen (Wachter GmbHR 1/2006 R 17). Die Rechtspraxis wird sich daher – gerade im Rahmen einer „typologischen“ Abgrenzung – darauf einrichten müssen, dass es den wirtschaftl tätigen Idealverein gibt, ohne dass man die Unanwendbarkeit des § 21 allein mit der Größe oder dem vollkaufmännischen Zuschnitt der Tätigkeit begründen könnte (Schockenhoff NZG 2017, 931, 932 gegen Heckelmann AcP 179, 1, 174; Sack ZGR 1974, 179, 199). Auch ein grundlegender „Systemwechsel“ von den urspr im Blickpunkt des Gesetzes stehenden kleinen Geselligkeitsvereinen zum allgemein-politischen oder sozialpolitisch beachtlichen Großverein wird das Abgrenzungsproblem nicht lösen können (H.P. Westermann NZG 2017, 921, 926), so dass am Ende auf einzelne aus der Sicht der gesetzgeberischen Ziele der hier zu treffenden Abgrenzung besonders bedenkliche Elemente des Hauptzwecks sowie der Nebenzwecke des konkreten Vereins abgestellt werden sollte, etwa auf Gläubigerund Mitgliedsrechte, Zulassung und Begrenzung der Mitgliedern zukommenden wirtschaftl Vorteile, konkret: das Verbot der Gewinnausschüttungen, die Art der Mittelbeschaffung des Vereins unter Berücksichtigung der Beiträge der Mitglieder (zu diesen Kriterien näher Schockenhoff NZG 2017, 933ff). Für all diese Beispielsfälle kann dann das Problem der Zurechnung der Tätigkeit (und der Typologie) von ausgegliederten und Tochtervereinen auftreten, das für die „Nichtwirtschaftlichkeit“ des Mutter- und Verbandsvereins zu der (allerdings bestrittenen) Notwendigkeit führen kann, auf einen bestimmenden Einfluss im „Vereinskonzern“ zu verzichten (eingehend dazu Leuschner in: Gesellschaftsrecht-Geschichten, 179ff). b) Wirtschaftlich tätiger Idealverein. Als wirtschaftl wurde danach ein Verein betrachtet, der ohne eigenes Entgelt ausgelagerte unternehmerische Teilfunktionen der Mitglieder wahrnimmt, so eine Funktaxizentrale (BGHZ 45, 395; zust Düsseldorf NJW 1983, 2574; BayObLG Rpfleger 1977, 19 für Werbegemeinschaft von Gewerbetreibenden, ebenso für die Auslagerung unternehmerischer Teilaufgaben von Immobilienmaklern auf einen kooperativen Verein Düsseldorf NJW-RR 1996, 998; s auch Celle NJW-RR 1996, 502), das kann auch dann zutreffen, wenn Marktgegner des anbietenden Vereins nur seine Mitglieder sind (Düsseldorf NJW 1983, 2574; K. Schmidt AcP 182, 23ff), weshalb auch genossenschaftliche Vereine nach § 22 zu beurteilen sind (LG Hanau NJW-RR 2000, 698; BaRo/Schöpflin Rn 116; Eyles NJW 1996, 1194), ähnl kommerzielle Sportanbieter mit einem Fitness-Studio (Zweibrücken NZG 2014, 1349), obwohl auch hier zT mit gesundheitsfördernden Aktivitäten geworben wird. Nach OLG Brandenburg (MDR 2022, 774) kann das Ziel, Nutzung und Verwendung der vom Verein gebotenen Ressourcen durch eine gemeinschaftliche, aufeinander bezogene Tätigkeit einem über den bloßen Leistungsbezug hinausreichenden Zweck zuzuführen, indessen ein Indiz für eine ideelle Betätigung sein. Die Maßgeblichkeit einzelner Elemente der Zwecksetzung hat der BGH durchgehalten für einen Verein, dessen alleiniger satzungsmäßiger Zweck in der Verwaltung eines auf Dauer angelegten privaten Vermögens bestand, bei dem aber die Satzung den Mitgliedern die Möglichkeit einräumte, die Auskehrung eines Überschusses der Vermögensverwaltung zu beschließen (WM 2018, 2125 m Kurzkomm Komanek/Schröter EWiR 2019, 37, die bemerken, dass der BGH weiterhin vom Nebenzweckprivileg ausgeht und auf die teleologisch-typologische Betrachtung nicht eingeht). Wenn für die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein als Treuhänder tätiger Verein eine Wohnung mieten, unterhalten und sie einem Hausmeister zur Verfügung stellen oder anderweitig vermieten soll, wird er im Eigentümerinteresse der Treugeber tätig und tritt nicht planmäßig am Markt auf, für wirtschaftl Verein dennoch Frankfurt Rpfleger 2006, 545. Nach der Rspr kann auch die „Vermarktung ideeller Güter“, die finanzielle Erfolge erstrebt, unter § 22 fallen (Düsseldorf NJW 1983, 2574), allerdings vorbehaltlich des Nebenzweckprivilegs, ähnl bei einem Verein, der ohne Entgelt für sich selbst nur wirtschaftl Vorteile für seine Mitglieder erreichen will. Manchmal wird auf das Element der Gewinnerzielungsabsicht ganz verzichtet, sogar auf das der Entgeltlichkeit (krit für den Fall unternehmerischen Handelns K. Schmidt NJW 1983, 544), oder man lässt für das Kriterium der Entgeltlichkeit die Erhebung von Vereinsbeiträgen oder Umlagen genügen (was freilich angreifbar erscheint); eine planmäßige unternehmerische Tätigkeit, die nur kostendeckend sein soll und für die Mitglieder einen Vorteil bedeutet, kann dann für die Qualifizierung als wirtschaftl Verein ausreichen (LG Hamburg ZIP 1986, 229). Auch erscheint es durchaus möglich, für eine ideelle Zwecksetzung wie soziale Leistungen für eine breite Bürgerschicht zu für diese tragbaren Bedingungen einen unternehmerischen Betrieb einzusetzen, bei dem zwar die Mitglieder einen Vorteil haben, der aber keinen Gewinn abwirft, und es leuchtet ein, dass ein solches Gebilde auch bei typologischer Betrachtung nicht unter das Vorstellungsbild des wirtschaftl Vereins fällt (Brandenburg NZG 2015, 922; dazu s auch KG ZStV 2012, 62; Schleswig ZStV 2013, 2009). Das Nebenzweckprivileg braucht dafür nicht bemüht zu werden (gegen seine Bedeutung für die Bestimmung des „Ideellen“ Beuthien NZG 2015, 449ff), eine Rolle bei der Bewertung kann aber die Anerkennung des Vereins als gemeinnützig bilden (näher dazu Rn 3). Bei Anwendung der früher ganz herrschend angewendeten Typenbildung (im Gefolge von K. Schmidt Rpfleger 1988, 45, 47 BayObLG NZG 1998, 606; Schleswig NJW-RR 2001, 1478; BVerwG NJW 1979, 2261; NK/Heidel/ Lochner Rn 22; Vorbehalte hinsichtl der Durchhaltbarkeit der These bei Reuter NZG 2008, 881, 882; Leuschner ZIP 2015, 356ff) darf, wenn man maßgeblich auf den – seinerseits erläuterungsbedürftigen – unternehmerischen Charakter der Tätigkeit abstellt und einen Ausweg nur über das Nebenzweckprivileg anerkennt, die ältere Judikatur nicht mehr unbesehen als Maßstab herangezogen werden, voll aber die neuere, gründlich durchdachte. Bloße Verwaltung des Vereinsvermögens, auch wenn dabei notwendig Außenkontakte entstehen, ist nicht an154
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bietende Tätigkeit am Markt, zu den Kriterien bei privater Vermögensverwaltung BGH ZIP 2018, 2165 m Anm Schäfer, EWiR 2019, 37. Will der Verein lediglich ggü seinen Mitgliedern als Anbieter auftreten (Vermittlung von Wohnungen, Reisen; Steuerberatung oder Abrechnung für die Mitglieder), so konnte er nach früherer Rspr Idealverein sein, solange die Mitglieder über ihre Mitgliedschaft und nicht wie beliebige Marktteilnehmer angesprochen werden (Oldenburg Rpfleger 1976, 11ff; BayObLG 1978, 87, 93) oder die Tätigkeit sich noch in eine ideelle (etwa der Fürsorgepflicht entspringende) Aktivität eines Trägers einfügen lässt (BayObLG MDR 1974, 400 für Werkskantine als betriebliche Sozialeinrichtung), ähnl für betriebliche Unterstützungskassen BAG NJW 1970, 1145; 1979, 2533; krit K. Schmidt, Verbandszweck, 146ff. Nach neuerer Rspr eignet sich die Differenzierung zw einem inneren und einem äußeren Markt nicht mehr, um abschließend zw wirtschaftl und nicht wirtschaftl Verein zu unterscheiden (Brandenburg MDR 2022, 774, 775). Wenn ein Behindertensportverein Fördergelder von Sozialversicherungsträgern in Anspruch nehmen will, um die Teilnahme von Versicherten an Sportveranstaltungen zu fördern, ist der Zweck nicht wirtschaftl Natur, auch wenn die Gewährung der Mittel nicht von einer Vereinsmitgliedschaft abhängt, Hamm NZG 2008, 473; zust Terner RNotZ 2008, 94. Häufig wird in solchen Fällen aber eine planmäßig anbietende Tätigkeit am Markt vorliegen, etwa das Angebot von Versicherungen (so bei betrieblichen Pensionskassen, Reichert Kap 2 Rn 92). c) Leitfälle. Dies ist der entscheidende Gesichtspunkt bei der Auswertung der sog Kita-Rspr des BGH (NJW 6a 2017, 1943), die in Abweichung vom KG (KG DStR 2016, 2120; KG NZG 2016, 989; dazu Sdorra npoR 2017, 45; Segna Non Profit law yearbook 2017/15, 47, 50; Arnold, FS K. Schmidt, 2019, Bd I, S 37ff), die alleinige Betätigung des Vereins in Gestalt einer entgeltlichen Betreuung von Kindern (nicht nur der Vereinsmitglieder) auch ohne Gewinnerzielungsabsicht nicht als Hindernis für die Eintragungsfähigkeit ansah, weil dies nicht nur als Nebenzweck zu qualifizieren sei, der hinter anderweitige – nicht wirtschaftl – Zwecke zurücktrete. Demggü stellte der BGH maßgeblich darauf ab, dass der Kita-Verein als gemeinnützig anerkannt ist, das damit verbundene Gewinnausschüttungsverbot streng beachtet wurde und die Mittelbeschaffung für das als solches nicht lukrative Kita-Geschäft ua auch aus Mitgliedsbeiträgen geschehe. Die Rspr wird teils begrüßt (Beuthien npoR 2017, 139; Schockenhoff NZG 2017, 931, 934), aber auch – zT nur im Hinblick auf ihre Begründung – abgelehnt (Segna ZIP 2017, 1881; Otto NotBZ 2017, 286, 293; nach Könen ZGR 2018, 638 ist die Gemeinnützigkeit ein „rechtswegfremdes Instrument“), jedenfalls bleibt sie angesichts der Enthaltsamkeit des Gesetzes stark ergebnisbezogen, wobei nicht daran vorbeizukommen ist, dass ein soziales Bedürfnis für derartige Gestaltungen besteht und die Kriterien der Gemeinnützigkeit eine Kontrolle im Hinblick auf die Einschränkung von Gewinnstreben (unter Vorschieben ehrenamtlicher Tätigkeit) und eine Beachtung von Gläubigerschutz ermöglichen. Dass die Rspr, vielleicht auch durch die in den Kita-Beschlüssen vermutete Einräumung „grenzenloser Freiheit“ (dazu Arnold, FS K. Schmidt, 2019, Bd I, 37ff), in gewisser Hinsicht mit der Maßgeblichkeit einer Vereinsklassenabgrenzung gebrochen hat (MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 32), kann in der Grauzone zw wirtschaftl und nicht wirtschaftl Verein hingenommen werden. Es bestehen Zweifel, ob sich eine ähnl praxisbezogene Betrachtungsweise auch für die vom ADAC seinen Mitgliedern – angeblich als Gegenleistung für den Mitgliedsbeitrag – zur Verfügung gestellte Pannenhilfe durchsetzen kann (Beuthien NZG 2015, 458; Leuschner ZIP 2015, 361), so dass das Nebenzweckprivileg (Rn 4) helfen kann, was aber eine funktionale Unterordnung unter einen nicht wirtschaftl Hauptzweck voraussetzt. Die Betrachtungsweise ist aber auf Bedenken gestoßen, ob sich der „Mutter-Verein“ nicht die wirtschaftl Tätigkeit des abhängigen Vereins zurechnen lassen muss (Beuthien WM 2017, 645, 647). Der ADAC hatte noch im Jahr 1982 im Urteil BGHZ 85, 84 erreicht, dass ihm die unternehmerische Tätigkeit der von ihm abhängigen Rechtsschutzversicherungs-AG nicht entscheidend zugerechnet wurde (zu den Einzelheiten Rn 8), wobei seine Qualifikation als Idealverein auch nicht daran scheiterte, dass der „Mutter-Verein“ in verschiedener und sehr effektiver Weise aus eigener Wirtschaftskraft die Tätigkeit und Organisation der Tochter-AG förderte (näher dazu Leuschner in Fleischer/Thiessen (Hrsg), Gesellschaftsrecht-Geschichten, 2018, 379, 385ff). Dennoch geriet der ADAC wegen aufgetretener wirtschaftl Missbräuche („Skandal um den gelben Engel“) erneut in den Verdacht, ein wirtschaftl Verein zu sein, was durch eine Umstrukturierung vorerst vermieden ist (auch dazu Rn 8). Von diesen Sonderproblemen abgesehen, ist mit der Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Vereins nach Maßgabe 6b der Finanzierung der ideellen Tätigkeit durch Zuflüsse aus dem unternehmerisch-wirtschaftl Bereich noch verbreitet operiert worden, wenn auch nicht durchweg mit dem von den Vereinen erwünschten Ergebnis. So begründete die Zuordnung eines genossenschaftsähnl Zwecks (Förderung der Mitgliederwirtschaften) zum Bereich des wirtschaftl Vereins für Sparvereine, Sterbeunterstützungsvereine, Absatz- und Nutzungsgemeinschaften sowie Erzeugervereine (dazu BayObLG 1974, 242; Hornung Rpfleger 1974, 339), für Einkaufszentralen, Wassergenossenschaften (BayObLG Rpfleger 1978, 249), einen Abwässerverein, der für seine Mitglieder entgeltlich Kläranlagen erstellt (Zweibrücken NotBZ 2008, 278) und ähnl Vereine (s auch BGH NJW 1966, 2007) doch die Qualifizierung als wirtschaftl Vereine, ähnl, wenn es darum geht, für die gewerblichen Mitglieder bei herstellenden Unternehmen Einkaufskonditionen auszuhandeln (Hamm MDR 2000, 841). Obwohl die Förderung der wirtschaftl Interessen bestimmter Personengruppen die Zulässigkeit als Idealverein nicht entscheidend berühren muss, ist es bedenklich, wenn dies mit Beratung und Auskunftserteilung für die Mitglieder verbunden wird, die anderwärts nur am Markt für Dienstleistungen zu erhalten sind, wie es etwa bei Haus- und Grundbesitzvereinen zutreffen kann (RGZ 88, 332, 334), ähnl bei Vereinen zur Rechtsberatung ihrer Mitglieder (BGHZ 15, 319). Danach ist die Anerkennung von Lohnsteuerhilfevereinen als nicht wirtschaftl (Celle NJW 1976, 197; BGH WM 1976, 458) kaum mehr konsequent. Wirtschaftl ist auch (entgegen Oldenburg NJW 1976, 374) ein Verein, der Westermann
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ein Betriebsarztzentrum betreibt. Beim Gütezeichenverband geht es idR um die Qualitätssicherung und Werbung für die Produkte der Mitglieder und die Verleihung eines Gütesiegels; das hat keinen genossenschaftlichen Charakter und ist auch nicht am Markt zu haben, so dass ein nicht wirtschaftl Verein angenommen werden sollte. Abmahnvereine werden idR wirtschaftl Vorteile für ihre Mitglieder erstreben, die diese auch am Markt für Dienstleistungen erhalten könnten (s BayObLG DB 1983, 767; krit K. Schmidt Rpfleger 1988, 47), das sollte auch für die Deutsche Umwelthilfe gelten (Rn 3). Die Maßstäbe der steuerrechtl Gemeinnützigkeit eines Vereins sind mit denen für das Vorliegen eines wirtschaftl Geschäftsbetriebs nicht deckungsgleich, so dass nicht wirtschaftl Vereine nicht per se gemeinnützig sind und gemeinnützige Vereine nur indiziell, nicht aber zwingend nicht wirtschaftl sind, wie es auch im Kita-Urteil gesehen worden ist (dazu Stuttgart npoR 2022, 289 m Anm Leuschner). Bei von Religionsgemeinschaften beeinflussten Vereinen wird häufig eine wirtschaftl Tätigkeit unter das Nebenzweckprivileg fallen, so bei Gastronomie oder Zimmervermietung. Fraglich, wenn der Verein einem bestimmten Bekenntnis (oder einer ideologischen Bewegung) zugehörigen Personen wirtschaftl Vorteile verschaffen soll; eine generelle Qualifikation als wirtschaftl Verein geht dann nicht an (str, s Kopp NJW 1989, 2497ff; Kopp NJW 1990, 2669; MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 45; dagegen v Campenhausen NJW 1990, 887); dass vom Verein angebotene Reisen auch religiösen Zwecken dienen können, erkennt Hamm NJW-RR 2003, 298 an, krit Terner Rpfleger 2004, 537, 542. Eine „drittnützige“ Mittelbeschaffung macht den Verein nicht zum wirtschaftl, zumal auch seine Gemeinnützigkeit darunter nicht leiden muss (§ 58 I Nr 1 AO; MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 46). Die großen Sportvereine, die im Zuge der Professionalisierung des Leistungssports oft Umsätze in beträchtlicher Höhe machen, werden bis heute als nicht wirtschaftl Vereine geführt, was nach der im Schrifttum vordringenden Ansicht zumindest für die Vereine der ersten und zweiten Fußball-Bundesligen, möglicherweise auch für entspr Eishockey- und Handballvereine, bedenklich ist (Heckelmann AcP 179, 1, 55; K. Schmidt AcP 182, 1, 29; Schad Rpfleger 1998, 185). Wirtschaftl Zwecke und Handlungsformen kommen hier vor, etwa der Verkauf von (möglichst vielen) Tickets für die Veranstaltungen (wobei am Rande darauf hinzuweisen ist, dass der Deutsche Fußballbund die Spiele der Bundesliga als seine Veranstaltung und nicht als eine solche der Vereine betrachtet), Vergabe von Werbeflächen und Übertragungsrechten, Finanzierung der für bekannte Spieler zu zahlenden „Ablösesummen“ durch den „Verkauf“ bisher beim Verein angestellter Spieler; diese wirtschaftl Aspekte ändern aber nichts daran, dass das Ziel der Investitionen und Aufwendungen der sportliche Erfolg ist (MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 75; anders Beuthien WM 2017, 645, 648), und die durch diese Vereine betriebene Förderung und Werbung für den Breitensport ihnen bisher noch die steuerrechtl Gemeinnützigkeit erhalten hat. Ob die Regelung des § 58 Nr 8 AO allerdings für die Großvereine des Profisports passt und auf die Dauer Bestand haben wird (auch angesichts des öffentlichen Anstoßes an den Entgleisungen der Fußball-Zuschauer), ist nicht sicher, und mit dem Nebenzweckprivileg ist angesichts der alleinigen Ausrichtung der Vereine auf den sportlichen und finanziellen Erfolg nicht weiterzukommen. Insg ist das Verhalten dieser Vereine marktorientiert, weil sie durch Zahlung von Gehältern und Ablösesummen „investieren“, aber ungewiss sein müssen, ob Zuschauer der veranstalteten sportlichen Wettkämpfe und – was heute wichtiger ist – die Einnahmen aus Fernsehen, Werbung und Sponsoring die Kosten hereinbringen werden. In neuerer Zeit haben viele Vereine allerdings durch den öffentlichkeitswirksamen Einsatz „ihrer“ Spieler gegen Rassismus und Hooliganismus auch ideelle Ziele verfolgt. Jedenfalls bei im Bereich des Amateursports tätigen Vereinen, auch wenn sie auf einen „Aufstieg“ in den Profisport hoffen mögen, sind der gelegentliche Empfang oder die Zahlung von Aufwandsentschädigungen an Sportler, von Transferentschädigungen bei Vereinswechsel (dazu Schleswig MDR 1991, 1133 – SV Wilhelmshaven), insb im intern Raum, sowie die Unterhaltung vom Verein bewirtschafteter Einrichtungen, die der Pflege des Sports oder auch nur der Geselligkeit dienen, für § 21 unschädlich. Die Dachverbände, die den Wettbewerb unter den Vereinen organisieren oder die intern Vertretung innehaben, sind Idealvereine, was für den DFB angesichts der Vorgänge im Zuge der Bewerbung um die Vergabe der Fußball-WM bezweifelt werden kann. Eine besondere Fragestellung, die hauptsächlich – wenn auch nicht allein – die großen Profisportvereine betrifft, ergibt sich aus der Praxis, unternehmerische Teilfunktionen des Vereins auf Kapitalgesellschaften zu übertragen, deren alleiniger oder mehrheitlicher Anteilseigner der Verein ist; in einigen Fällen ist hierfür eine AG gegründet worden, die in einem Fall auch durch Börsengang das sportlich interessierte Publikum als Anleger gewonnen hat (zu den Einzelheiten H.P. Westermann SpuRt 2001, 42ff). Das führt zu kapitalgesellschaftsrechtl Problemen im Hinblick auf die Kapitalaufbringung, die Interessenvertretung der Vereinsmitglieder und etwaiger Aktionäre, und hat unausweichliche Folgen für den rechtl gebotenen Schutz der Kapitalgesellschaft vor Weisungen des uU als herrschendes Unternehmen zu betrachtenden Vereins (auch dazu H.P. Westermann SpuRt 2001, 42ff). Seine Anerkennung als nicht wirtschaftl ist in diesen Fällen nicht durch Gewinnausschüttungen an Vereinsmitglieder gefährdet, wohl aber uU durch die Zurechnung der unzweifelhaft wirtschaftl Tätigkeit der Kapitalgesellschaft (welche auch nicht an dem Umstand scheitert, dass diese Gesellschaft Trägerin der Lizenz zur Beteiligung an der Bundesliga ist) zum Mutter-Verein; dies ist im Vergleich zu dem in Rn 8a behandelten Fall des ADAC zu erörtern. In Einzelfällen, etwa des FC Bayern München (Rn 8a), kann es wegen der Ausgliederung bei einer überwiegend ideellen Zwecksetzung des Vereins bleiben, ohne dass indessen, wie es bei dem Verein FSV Mainz 05 seitens des Registergerichts gesehen wurde, die Ausgliederung notwendig wäre, um den Vereinscharakter zu erhalten; dies sollte letztlich der Vereinsautonomie (§ 25 Rn 2) überlassen bleiben. Es gibt auch weitere Vergleichsfälle. So werden manchmal sog Familienvereine als wirtschaftl bezeichnet (K. Schmidt AcP 182, 1, 21, 156
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22f), die als Holding-Vereine die mittelbare Anteilsherrschaft über unternehmerische Aktivitäten in kapitalgesellschaftsrechtl Formen ermöglichen. Das kann allerdings auch Nebenzweck sein, wenn es hinter Zielen wie dem der Förderung des Zusammenhalts der Familienmitglieder, der Durchsetzung bestimmter sozialpolitischer Konzeptionen in und durch das Unternehmen oder auch – ähnl wie bei manchen Stiftungen – karitativer oder uneigennütziger Zwecke zurücktritt. Wenn der Verein zwar den Mitgliedern wirtschaftl nützt, ohne aber hierfür einen unternehmerischen Geschäftsbetrieb zu unterhalten, liegt eine – die Eintragung als Idealverein verhindernde – Ausgliederung von wirtschaftl Funktionen der Mitglieder nicht vor (Bremen OLG 1989, 1). Für einen Holding-Verein hat der BGH in dem vielbeachteten ADAC-Urteil (BGHZ 85, 84; dazu K. Schmidt 8a NJW 1983, 543ff; Reuter ZIP 1984, 1052ff; Hemmerich BB 1983, 26ff; Steinbrede/Menke SpuRT 1998, 229; Leuschner ZIP 2015, 356ff; Leuschner NZG 2017, 16; Beuthien NZG 2015, 449; Leuschner Gesellschaftsrechts-Geschichten, 380ff) die unternehmerische Geschäftstätigkeit der abhängigen AG, die eine Rechtschutzversicherung betreibt, dem Verein nicht zugerechnet, weil der nötige Gläubigerschutz durch die Beachtung der Rechtsnormen des Handelsgesellschaftsrechts auf Seiten der abhängigen Gesellschaft gewährleistet sei, zust insoweit Leuschner ZIP 2015, 356, 364. Daneben gelte das Nebenzweckprivileg insoweit, als es sich um die wirtschaftl Förderung der Tochtergesellschaft durch den Verein handelt. Die Vorstellung, dass die Pflicht zum Nachteilsausgleich und möglicherweise (auch noch abhängig von der Rechtsform der Tochtergesellschaft) auch zum Schadensersatz von einem wirtschaftl nicht genügend ausgestatteten Idealverein nicht erfüllt werden und dadurch eine Gefährdung der Gläubigerinteressen verursacht werden könnte (s K. Schmidt AcP 182, 1, 21f), hat der BGH unter Hinw auf die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der Vereinsorgane (§ 317 III AktG) nicht für ein entscheidendes Bedenken erachtet (ebenso Hemmerich BB 1983, 26, 28). Damit wird allerdings der Gläubigerschutz bei den abhängigen Kapitalgesellschaften auf die Aufbringung des Stammkapitals und die Haftung reduziert, wenn auch Publizitätsvorschriften wie § 37 I HGB gelten (näher Bohnenkamp NZG 2009, 272ff). Nach dem ADAC-Urteil kann das Nebenzweckprivileg eingreifen, wenn es einen gesetzl Gläubigerschutz nach Maßgabe des Kapitalgesellschaftsrechts (auch einen durch analoge Anwendung von GmbH-Recht, die nicht unbedenklich ist, nicht begründbaren) nicht gibt. Zumindest eine Mehrheitsbeteiligung an einer Gesellschaft, deren Aktivitäten, wenn sie der Holding-Verein selbst ausübte, wirtschaftl Natur wären, soll allerdings dem Verein zugerechnet werden (Beuthien NZG 2015, 449, 457f; zum ADAC-Urteil krit auch K. Schmidt AcP 182, 1, 12; Segna ZIP 1997, 1901, 195; für Zurechnung sogar von Minderheitsbeteiligungen Reuter ZIP 1984, 1056), und das Nebenzweckprivileg greift nicht mehr, wenn die auf die Tochter ausgelagerten die beim Mutterverein verbliebenen Aktivitäten übertreffen; gegen die Beschränkung der Zurechnung auf die Haftungsfrage Leuschner ZIP 2015, 356, 363, der die Ausstattung dieser Aktivitäten mit Eigenkapital fordert (eher rechtspolitisch vertretbar). Nun hat der ADAC-Fall eine in der Öffentlichkeit stark beachtete zweite Phase erlebt, als im „Gelber Engel-Skandal“ schwere ideelle und wirtschaftl Missbräuche in den Aktivitäten des Vereins bekannt wurden (dazu Wagner NZG 2018, 330; eingehend Leuschner Gesellschaftsrechts-Geschichten, 390ff). Der ADAC versuchte, die öffentlich vielfach geforderte und vom AG München zum Gegenstand eines Amtslöschungsverfahrens gemachte Prüfung der Nichtwirtschaftlichkeit durch eine tiefgreifende Strukturänderung zu verhindern, in der die wirtschaftl Aktivitäten auf eine AG und die gemeinnützigen auf eine Stiftung übertragen wurden, so dass beim Verein nur die restlichen verblieben. Die Stiftung erhielt auch Anteile an der Kapitalgesellschaft (einer SE), indem sie das Recht erhielt, ein Mitglied in den personalistisch besetzten Aufsichtsrat der SE zu entsenden; das bezweckte offensichtlich, dem Verein keinen bestimmenden Einfluss auf die SE mehr zu belassen. Das hatte beim AG München insofern Erfolg, als ein wirtschaftl Geschäftsbetrieb des Vereins nicht angenommen wurde (AG München npoR 2017, 159; zust Winheller npoR 2017, 59), obwohl nach Satzungsrecht des DFB (dazu Celle npoR 2018, 17; Wagner NZG 2018, 331) der Verein stets mindestens 51 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft halten muss (das OLG behandelte Ausnahmen von dieser Regel im Fall des Fußballvereins Hannover 1896 eV). Das AG München berief sich aber auf das ADAC-Urteil (BGHZ 85, 84), ohne eine Aufgabe des herrschenden Einflusses des Vereins auf die Kapitalgesellschaft zu verlangen (dazu Leuschner Gesellschaftsrechts-Geschichten, 399f). In einer anderen Registersache, die den Verein FC Bayern München betraf (dazu Wagner NZG 2018, 768, 770; Leuschner Gesellschaftsrechts-Geschichten, 399ff), hielt das Gericht ebenfalls an der Konzeption des BGH im ADAC-Urteil fest und rechnete dem Verein die wirtschaftl Tätigkeit der am Bundesliga-Wettbewerb teilnehmenden AG nicht zu, wobei auch der Gedanke mitwirkte, dass die erheblichen wirtschaftl Aktivitäten der AG letztlich den sportlichen Zielen des Vereins dienten. Zu Erörterungen des Mitglieder- und Gläubigerschutzes gibt der in aller Öffentlichkeit und auch in den Gremien des Vereins bekannte wirtschaftl Betrieb der AG keinen Anlass. Die Eintragungsfähigkeit der „großen“, aber auch der kleineren, nicht selten insolvenzbedrohten Vereine des Profisports ist daher wohl nicht generell bedroht; zur „Rechtsformverfehlung“ aber Rn 9. 3. Registereintragung. Mit der Eintragung entsteht die Rechtsfähigkeit (konstitutive Wirkung), dies auch 9 bei Fehlen wesentlicher Eintragungsvoraussetzungen (BGH NJW 1983, 993; WM 1984, 977, 979; Düsseldorf NJW 1990, 328; MüKo/Leuschner § 21, 22 Rn 81). Dies gilt allerdings uneingeschränkt nur für Mängel einzelner Satzungsbestimmungen einschl der Gesetzwidrigkeit (Staudinger/Schwennicke Rn 27ff), in welchem Zusammenhang auch die Nichtwirtschaftlichkeit geprüft wird. Bei Mängeln des Eintragungsverfahrens, die iSd § 395 FamFG als wesentlich bezeichnet werden müssen, muss eine Amtslöschung stattfinden, während § 22 eingreift, wenn ein wirtschaftl, durch Verleihung rechtsfähig gewordener Verein andere als die satzungsmäßigen Zwecke verfolgt. Insg sollte bei Mängeln von Satzungsregeln von der Wirksamkeit der Eintragung in dem Sinne ausgegangen werden, dass dem eingetragenen Gebilde Rechtsfähigkeit zukommt. Das passt zu dem auch sonst anerkannten Westermann
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§ 21
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Personen
Bestreben nach möglichst weiter Geltung nach außen in Erscheinung getretener Staatsakte, nach Vermeidung von Rechtsverwirrung und nach Befriedigung eines Verkehrsschutzbedürfnisses (vgl RGZ 81, 208; HRR 1928 Nr 1958; Köln OLG 1977, 65, 66), obwohl bei besonders schwerwiegenden Mängeln doch auch Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Gründungsakts angenommen werden muss (Düsseldorf NJW 1990, 328). Entschiede man anders, so müsste der Verein als Gesamthandsgemeinschaft bestehen (K. Schmidt ZHR 147 (1983), 43, 52f). Vor der Eintragung besteht nur ein nicht rechtsfähiger Vorverein, Rn 11. Bzgl der Voraussetzungen der Eintragung s §§ 55ff. Bei Löschung eines Idealvereins nahm schon nach dem bisherigen Recht die überwiegende Meinung einen Vorrang des Verwaltungsverfahrens an (BayObLG 1978, 87, 89; Rpfleger 1985, 117f; KG MDR 1993, 79; Hamm OLG 1993, 19; Celle NJW-RR 1996, 1502; Kopp NJW 1989, 2497, 2503; aM K. Schmidt NJW 1993, 1225; Oetker NJW 1991, 385; Böttcher Rpfleger 1988, 169f). Dabei wurde ein Ermessensspielraum für die Prüfung anerkannt, ob im Einzelfall der Entzug der Rechtsfähigkeit mit der Folge der Liquidation geboten ist (VG Hamburg NJW 1996, 3363; BayObLG Rpfleger 1986, 528; näher Böttcher Rpfleger 1988, 170; Staudinger/Schwennicke Rn 13), wobei tatsächliche Entwicklungen, die den nicht wirtschaftl Charakter des Vereins entfallen lassen, zu einem Amtslöschungsverfahren führen müssen; das früher in § 43 II vorgesehene Verfahren zur Entziehung der Rechtsfähigkeit kommt nach der Aufhebung dieser Vorschrift nicht mehr in Betracht, und § 43 betrifft nur den durch Konzession rechtsfähig gewordenen Verein (krit zur Regelungssystematik Könen ZGR 2018, 633, 644ff). Eine umfassende Zuständigkeit der Registergerichte (zu dieser Forderung noch K. Schmidt NJW 1998, 1124ff) anstelle der Verwaltungsbehörden besteht bisher nicht; ferner ist nicht ganz klar, welche Mängel des Eintragungsverfahrens wesentlich iSd § 295 FamFG sind, was für bloße Ordnungsvorschriften oder eine Verletzung des § 56 nicht angenommen wird, wohl aber für das Fehlen einer ordnungsmäßigen Anmeldung (MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 96). Die Streichung des früheren § 43 II, der bei einer nachträgl bei einem Idealverein eintretenden sog Rechtsformverfehlung eine Löschung des Vereins ermöglichte, hat zur Folge, dass heute derartige Umstände nach § 395 FamFG behandelt werden müssen, wobei str ist, ob dem Registergericht hier ein Ermessensspielraum zusteht (Beuthien NZG 2014, 449, 454; zu seiner Zuständigkeit Oetker NJW 1991, 385, 388; Reuter NZG 2005, 738, 745; MüKo/Leuschner Rn 100); das würde bei Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde allerdings ebenfalls gelten müssen (näher § 43 Rn 3). Wenn man mit dem BGH im Kolpingwerk-Urteil (Vor § 21 Rn 6) Haftungsfolgen aus einer Rechtsformverfehlung ua mit der Begründung ablehnt, dass die amtl Löschung derartiger Vereine praktisch genüge, ist jetzt ohne die Zuständigkeit des Registergerichts gem § 395 FamFG nicht mehr auszukommen (so auch Reuter NZG 2009, 1373). Eine Lösung über einen nachträgl Antrag auf Konzession gem § 22 könnte auch unabhängig vom schwebenden Löschungs- oder Entziehungsverfahren erfolgreich sein (Oetker NJW 1991, 385, 391f in Auslegung der Beschl BayObLG 1959, 152, 158 und 1959, 287, 294ff). 4. Verhältnis zum Vorverein. Im Regelfall sind der durch die Einigung der Vereinsgründer (hauptsächlich über Vereinszweck und -mitgliedschaft) entstandene Vorverein und der durch Eintragung entstehende eV abgesehen von der Rechtsfähigkeit identisch, so dass kein besonderer Erwerb der Rechtsposition des Vorvereins durch den eV, auch nicht für Grundstücke (RGZ 85, 256), erforderlich ist (BGH WM 1978, 115, 116; NK/Heidel/Locher Rn 7). Die Vertretungsmacht der Organe des Vorvereins ist auf die Gründungsgeschäfte beschränkt; der Vorverein fällt aber unter § 54, so dass eine Schuldnerschaft für Verbindlichkeiten mit dem Vereinsvermögen in Betracht kommt (MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 133). Bei Eintragung eines bestehenden nicht rechtsfähigen Vereins haftet der eV für alle Verbindlichkeiten des nicht rechtsfähigen Vereins (RGZ 85, 256; BGHZ 17, 385, 387; aM Horn NJW 1964, 86ff). Was die Haftung der Mitglieder des Vereins anbelangt, liegt eine Analogie zur akzessorischen Haftung der GbR-Gesellschafter (so noch MüKo/Reuter, 7. Aufl 2017, § 21 Rn 98) nicht fern, diese sollten aber nicht schlechter stehen als die Mitglieder eines eV, auch der Rechtsverkehr erwartet dies nicht, MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 136, 137. Bei Mitglieder- oder Organisationswechsel entsteht ein neuer Verein (vgl KG JW 1931, 545). Das bei Kapitalgesellschaften auftretende Problem des Beginns kaufmännischer Aktivitäten vor Eintragung der Gesellschaft, das zu einer Differenz- oder Vorbelastungshaftung führen könnte, stellt sich beim Idealverein besonders im Gründungsstadium nicht in diesem Maße, so dass mit der Handelndenhaftung iSd § 54 S 2 auszukommen ist (Staudinger/Schwennicke § 54 Rn 120; NK/Heidel/Locher Rn 9; BaRo/Schöpflin Rn 130). Der Einwand, auch der nicht wirtschaftl Verein dürfe nicht überschuldet ins Leben treten, so dass entweder eine interne Verlustdeckungshaftung oder eine persönliche und unbeschränkte Gründerhaftung notwendig sei, überzeugt nicht, da für eine Gründerhaftung neben § 54 S 2 im Vorstadium kein Anhaltspunkt besteht und § 42 nach wie vor eine Haftung für Insolvenzverschleppung vorsieht (ähnl BaRo/Schöpflin Rn 130f). Für das Innenverhältnis des Vorvereins gilt Vereinsrecht.
§ 22
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Wirtschaftlicher Verein
Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung. Die Verleihung steht dem Land zu, in dessen Gebiet der Verein seinen Sitz hat. 1. Verhältnis zwischen Konzession und Registereintragung. Nur einem wirtschaftl Verein kann Rechtsfähigkeit nach § 22 verliehen werden, wenn er bereits als Vorverein existiert (MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 82). Der Idealverein kann nicht etwa wahlweise oder sicherheitshalber die Rechtsfähigkeit über § 22 anstreben (BVerwG NJW 1979, 2265). Mit der Formulierung „in Ermangelung besonderer bundesgesetzl Vorschriften“ drückt das Gesetz die Subsidiarität des Weges über § 22 ggü dem der Verwendung der handelsrechtl Formen aus (BGHZ 158
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Juristische Personen – Vereine
§ 24
85, 84, 89; BaRo/Schöpflin Rn 8), so etwa ggü der Genossenschaft BGHZ 45, 395; vgl § 21 Rn 4, 5. Liegen die Voraussetzungen der handelsrechtl Rechtsform vor, muss sich der Verein auf die zweckneutralen Formen von AG und GmbH verweisen lassen, OVG Münster 23.7.2009 – 12 A 3483/07, s auch schon KG HRR 1936 Nr 612, es sei denn, dem Verein ist wegen der atypischen Umstände des Einzelfalls die Verwendung handelsrechtl Formen nicht zumutbar (BVerwG NJW 1979, 2261 m ausf Abwägung von Vereinigungsfreiheit und Ordnung des Rechts- und Wirtschaftslebens). I Erg heißt dies, dass der Verein nur Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hat; zust K. Schmidt NJW 1979, 2239. Anzuwenden sind auch die für die Eintragung eines eV geltenden §§ 56–58, deren Anforderungen hier nicht abgeschwächt werden dürfen (MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 82). Im Rahmen der Ermessensausübung kann die Behörde auch Auflagen etwa zur Verhinderung von Gläubigergefährdung oder Rechtsformverfehlung machen, wobei die in § 36 I VwVfG gesetzten Schranken der Entscheidungsfreiheit zu beachten sind (MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 89); andererseits kann die Nichtberücksichtigung durch die Vereinsgründung erkennbar verursachter Gefahren unter § 839 fallen. Gegen die Versagung der Konzession ist Klage zum VerwG möglich (Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn 54). Zur Entziehung der verliehenen Rechtsfähigkeit § 43, daneben kann Rücknahme oder Widerruf der Konzession nach den Vorschriften des VwVfG in Betracht kommen, das letztere nur unter den Voraussetzungen des § 49 VwVfG. Zum Verfahren und zur Zuständigkeit nach dem für den Vereinssitz maßgebenden Landesrecht Stöber/Otto Rn 187. Einzelne Typen wirtschaftl Vereine sind durch besondere bundesgesetzl Vorschriften zugelassen (zB land- und forstwirtschaftl Verwertungsund Erzeugergemeinschaften), in denen die Voraussetzungen der Konzession geregelt sind (BVerwG NJW 1979, 2261; MüKo/Leuschner §§ 21, 22 Rn 90). 2. Anwendbarkeit allgemeinen Vereinsrechts. Die allg Vorschriften über den Verein (insb das Verfassungs- 2 recht) sind anwendbar, soweit sie nicht Eintragung voraussetzen, bis zur Verleihung der Rechtsfähigkeit besteht also ein Vor-Verein. Vgl auch § 33 II, § 43 IV. Auch Satzungsfreiheit besteht, wenn sie nicht durch den staatlichen Verleihungsakt eingeschränkt wird (Beuthien/Grätsch ZHR 157, 483). Ein nicht staatlich konzessionierter Wirtschaftsverein, dem aufgrund seiner körperschaftlichen Verfassung eine der GbR vergleichbare Rechtsfähigkeit nicht zukommt, kann deshalb nicht wie die letztere unter Nennung seines Namens ohne Bezeichnung der Mitglieder und somit anders als der Idealverein im Grundbuch eingetragen werden, weil dies den numerus clausus der Vereine des Handelsrechts unterliefe (so KG NZG 2015, 1034 für einen Verein für kommunalen Schadensausgleich, dazu § 21 Rn 4). Ähnl kann eine Erzeugergemeinschaft, die nicht die speziellen gesetzl Voraussetzungen einer Anerkennung als wirtschaftl Verein erfüllt, diesen Status nicht über § 22 erlangen (VG Würzburg NZG 2015, 74).
§ 23
(aufgehoben)
§ 24
Sitz
Als Sitz eines Vereins gilt, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird. 1. Gesetzeszweck. Der Sitz hat Bedeutung für die Zuständigkeit zur Eintragung, vgl § 55, ferner nach § 17 1 ZPO für den allg Gerichtsstand und die Bewertung des Vereins als in- oder ausländischen; auch kollisionsrechtl ist der Verwaltungssitz maßgeblich. Grds ist der Sitz des Vereins mit dem Wohnsitz der nat Person gleichzustellen, zB für § 269. 2. Definition des Sitzes. Sitz ist der tatsächliche räumliche Mittelpunkt der Verwaltung der jur Person, was 2 auf die Organtätigkeit hindeutet, weniger auf den Ort der tatsächlichen Tätigkeit. Der Sitz muss durch die Satzung bestimmt werden (§ 57), wobei auch ein anderer Ort als Sitz bestimmt werden kann (Satzungssitz), BayObLG NJW-RR 1988, 96. Ein durch die Satzung rein fiktiv bestimmter Sitz, für den kein sachlicher Anknüpfungspunkt (auch nicht die Erreichbarkeit für Mitgliederversammlungen) vorliegt, kann missbräuchlich sein (LG Berlin NJW-RR 1999, 335; s auch Staudinger/Schwennicke Rn 7; MüKo/Leuschner Rn 8, BayObLG Z 1987, 267). Ob mehrfacher Sitz möglich ist, ist str, wird aber von der hM wegen der Gefahr widersprechender Registereintragungen für den Regelfall verneint (Hamburg MDR 1972, 417; Reichert Kap 2 Rn 505; Staudinger/ Schwennicke Rn 10; MüKo/Leuschner Rn 9), wobei die Ausnahmesituation, die für Kapitalgesellschaften während der Nachkriegszeit bestand, für Vereine kaum mehr gelten kann, anders uU im Verhältnis zum Ausland; aber auch nach einer Verschmelzung kann die Wahl eines zweifachen Satzungssitzes zulässig sein (abw MüKo/ Leuschner Rn 9). Sitzverlegung möglich bei eV als Satzungsänderung (§§ 57, 71). Die Änderung des Sitzes wird also durch die Registereintragung wirksam, für die das Gericht des neuen Sitzes zuständig ist (BayObLG NJWRR 1996, 350; KG NJW 1992, 509; Brandenburg Rpfleger 1998, 73; aM Bremen Rpfleger 1981, 67), ohne dass der Verlegungsbeschluss schon das neu zuständige Registergericht nennen muss, Karlsruhe NZG 2014, 109. Das bisher zuständige Amtsgericht gibt die Registerakten an das für den neuen Sitz zuständige ab, das den Verein einträgt (Düsseldorf MDR 1956, 607; Bremen NJW 1957, 714; Hamm Rpfleger 1963, 119; NJW 1963, 254). § 24 bestimmt den Sitz auch, wenn die Satzung, obwohl dies vorgeschrieben ist, eine solche Festlegung versäumt. Vorübergehendes Fehlen jedes Sitzes ist möglich (BGHZ 33, 204). Die Existenz des eingetragenen Vereins als jur Person wird dadurch nicht berührt.
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§ 25
Personen
§ 25
Verfassung
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Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird, soweit sie nicht auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereinssatzung bestimmt. 1. Vereinsverfassung. Die Verfassung ist die Regelung der Organisation, des Zwecks und der Mitgliedschaft; sie – und nur sie: „Satzungsvorbehalt“ – bestimmt damit die äußere Gestalt, die Grundentscheidungen und das Innenleben des Vereins (BGHZ 47, 172), zu Nebenordnungen Rn 3. Unter Satzung wird die rechtsgeschäftlich geschaffene Verfassung und zugleich die Verfassungsurkunde verstanden, zur Einordnung in die Rechtsgeschäftslehre Rn 2. Auf ein Exemplar der Satzungsurkunde hat das Vereinsmitglied Anspruch und braucht sich insoweit nicht auf das Vereinsregister verweisen zu lassen (LG Kassel Rpfleger 1987, 164). Das löst nicht das neuerdings bei den Publikums-Personengesellschaften stärker aufgekommene Problem des Einsichtsrechts von Vereinsmitgliedern in eine beim Verein vorhandene Mitgliederliste, das BGH NZG 2010, 1430 im Zusammenhang mit dem Versuch von Vereinsmitgliedern, die anderen von einer (angeblichen) Richtungsänderung des Vereins zu informieren, grds bejaht hat, weil ein rechtl Interesse an effektiver Mitwirkung an der Willensbildung bestehe (s auch BGH NZG 2013, 798; Saarbrücken NZG 2008, 677 und vertiefend Römermann NZG 2011, 56ff). Hamburg NZG 2010, 317 hat allerdings den Anspruch dahin eingeschränkt, dass die Liste an einen Treuhänder herausgegeben werden muss, wenn das Geheimhaltungsinteresse nicht überzeugt; das betrifft dann auch Bücher, Vertragsunterlagen oder Abschlüsse (Wagner NZG 2015, 2382). Zur Einsicht ins Vereinsregister und womöglich in personenbezogene Daten §§ 55a, 79a. Materiell-rechtl sind die Festsetzung der Satzung und ihre Änderung formfrei gültig; außer beim nicht rechtsfähigen Verein, der auch nach einer Satzung lebt, ist aber Eintragung im Vereinsregister erforderlich, s § 59 II Nr 1, § 71, die wie die Satzungsänderung praktisch eine formelle Urkunde voraussetzen (Beschl aber wirksam, urkundliche Festlegung kann nachgeholt werden). Eine geschriebene Satzung muss der Verein nicht haben, es genügt Observanz (BGH WM 1985, 1468; Reuter ZHR 148 (1984) 523, 549ff). Besteht eine Satzungsurkunde, so sind auf die Vereinsverfassung bezogene Regeln materielle Satzungsbestandteile, auch wenn sie nicht die Grundlagen des Vereinslebens betreffen, etwa Bestimmungen über die Bestellung von Organen; wenn sie allerdings nach dem – durch Auslegung zu ermittelnden – Willen ihrer Begründer auch den Regeln über Satzungsänderung (§§ 31, 71) unterfallen, spricht man von materiellen Satzungsbestandteilen iwS (MüKo/Leuschner Rn 4f). Formelle Satzungsbestandteile sind in der Satzungsurkunde enthaltene Bestimmungen, die nicht zugleich materielles Satzungsrecht enthalten müssen, sondern bisweilen auch auf individualrechtl Abreden zw Verein und Mitgliedern beruhen können (MüKo/Leuschner Rn 8f). Die Satzung als Rechtsgrundlage des Körperschaftsverhältnisses ist von der Geschäftsordnung der Vereinsorgane zu unterscheiden, die lediglich eine äußere Ordnung der Tätigkeit der Organe ohne Einfluss auf das Mitgliedschaftsverhältnis oder auf die Gestalt der jur Person schafft; häufig kann sie, ohne dass eine satzungsmäßige Grundlage erforderlich ist (BaRo/Schöpflin Rn 24), von dem Organ selbst erlassen werden, sie darf aber nicht gegen die Satzung verstoßen oder der Satzung vorbehaltene Grundentscheidungen treffen. Verletzung der Geschäftsordnung kann von Mitgliedern nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes gerügt werden (BGHZ 47, 172, 177). Privatrechtl Vereinsordnungen sind auch keine Verbotsgesetze iSd § 134 (Taupitz JZ 1984, 221). 2. Satzungsautonomie des Vereins. Der Inhalt der Vereinsverfassung ergibt sich aus dem Zusammenwirken der (teils zwingenden, teils nachgiebigen) Gesetzesnormen (§§ 27–39, vgl § 40) und der Satzung. Zu ihrer Schaffung ist der Verein aufgrund der Vereinsautonomie selbst zuständig, was bedeutet, dass er frei ist, die Verfolgung des von ihm gesetzten Ziels und zu diesem Zweck das Rechtsverhältnis zu seinen Mitgliedern ohne andere Bindung als an zwingende gesetzl Vorschriften selbständig zu regeln (s auch BVerfG NJW 1979, 699), hierbei also Recht zu schaffen (MüKo/Leuschner Rn 15, 18; BaRo/Schöpflin Rn 10; zur Bindung der Vereinsorgane durch Bekenntnis zu Menschenrechten in der Vereinssatzung Sharaf ZIP 2022, 1427). Die Vereinsautonomie hat ihre Grundlage in der Anerkennung des Willens der Vereinsmitglieder, folglich in der Privatautonomie (näher Steinbeck Vereinsautonomie, 16ff). Allerdings besteht insoweit ein Theorienstreit zw einem rein vertragsrechtl Verständnis der Begründung des Rechts zur Ordnung des Vereinslebens durch den Verein (Hadding/van Look ZGR 1988, 270, 274; Lutter AcP 180, 84, 95, 97; MüKo/Leuschner Rn 15) und einem „organisationsrechtl“ oder auch „normentheoretischen“ Ansatz für diese Frage (im Einz Reuter, FS 50 Jahre BGH, 2000, 211, 214ff mwN). Der BGH hat sich insoweit nicht festgelegt, seine Äußerungen (BGHZ 21, 370, 373; 49, 396; 105, 306) werden vielfach im Sinne einer modifizierten Normentheorie verstanden, die von einem Vertrag ausgeht, der aber nach Entstehung der jur Person deren Verfassung ergibt (zur Deutung Reuter aaO, 219ff). Praktische Bedeutung hat dies etwa für die Anwendung des § 139 bei Lücken (Rn 13) und des § 343 bei satzungsmäßigen Strafen (Rn 7), bis zu einem gewissen Grade auch für die Auslegung. Die Rechtsbeziehungen des Vereins zu anderen Privatpersonen betrifft die Vereinsautonomie nicht (BVerfG NJW 1996, 1203). IÜ endet die Vereinsautonomie an den allg Schranken der Privatautonomie, wobei etwa für § 138 eine Einschränkung der Freiheit des Mitglieds erheblich sein kann (RGZ 165, 140, 144; Steinbeck, 42ff; zurückhaltend Weber Privatautonomie und Außeneinfluss, 213f; kein Satzungsregelungsgebot für geltende gesetzl Beschränkungen Nürnberg DNotI-Report 2021, 126); insoweit findet dort trotz § 310 IV eine gewisse Inhaltskontrolle statt (BGHZ 105, 306; Celle NJW-RR 1989, 313, 315). Unzulässig ist es, wenn die Willensbildung ausschließlich bestimmten Mitgliedern übertragen ist, die die Mitgliederversammlung weder bestellen noch kontrollieren kann (Celle NJW-RR 1995, 1273; anders aber Frankfurt NJW-RR 1997, 482). Denkbar ist aber, dass bestimmten Mitgliedergruppen, im Bereich des DFB etwa den Repräsentanten des Amateur- und des Profi-Sports, Rechte bei der Bestellung der Organmitglieder oder bei grund160
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Juristische Personen – Vereine
§ 25
sätzlichen Entscheidungen eingeräumt werden. Die Einhaltung solcher Schranken hat auch das Registergericht bei der Eintragung zu prüfen. Fraglich ist, ob die Vereinsautonomie auch die Freiheit umfasst, die Willensbildung des Vereins – selbst diejeni- 2a ge durch die Mitgliederversammlung – erheblich oder gänzlich zugunsten Vereinsfremder zu beschränken. Dies wurde in der Rspr vielfach verneint, wenn auch mehr im Rahmen eines allg Obersatzes der Verbandsautonomie, von dem Ausnahmen zugelassen werden, wenn der Einfluss des Dritten nicht geradezu anstößig ist (eine gänzliche Aufgabe des Grundsatzes fordert daher Schockenhoff AcP 193, 35ff). So wird es im Ausgangspunkt als unzulässig angesehen, etwa die Auflösung des Vereins außer von einer Entscheidung der Mitgliederversammlung von der Zustimmung eines Dritten abhängig zu machen (Stuttgart NJW-RR 1986, 955; Steinbeck S 119; Stöber/Otto Rn 1331; Gegenbsp bei Schockenhoff AcP 193, 35ff). Die Rspr hebt aber darauf ab, ob der Einfluss des Dritten so stark ist, dass die Zweckverfolgung des Vereins und seine vermögensmäßige Selbständigkeit zugunsten einer Unterordnung unter den Dritten praktisch entfallen (BVerfGE 83, 341, 360; Hamm NJW-RR 1995, 119; KG 74, 385, 387; BayObLG NJW 1980, 1757; Frankfurt OLG 1981, 391; Übersicht bei Weber Privatautonomie und Außeneinfluss, 2000, 118ff), so dass etwa das Erfordernis der Zustimmung eines Diözesanbischofs zur Auflösung eines Caritasvereins hingenommen wurde (BayObLG NJW 1980, 1757; s auch Rn 2b), nicht dagegen die Übertragung der Auflösungsbefugnis auf einen Dritten (Stuttgart NJW-RR 1986, 995). Wirksam ist die Einräumung eines Einspruchsrechts für einen Bezirksvorstand bei der Wahl eines Unterbezirksvorstands, KG 23.11.2007 – 11 U 20/07. Nicht zulässig ist eine Bindung an die Entscheidung vereinsfremder Dritter, die die Mitgliederversammlung nicht einmal durch Satzungsänderung aufheben könnte (s auch Beuthien/Grätsch ZHR 157, 483), oder die Übertragung der Entscheidung über wesentliche Vereinsangelegenheiten ohne irgendein Beteiligungsrecht der übrigen Vereinsmitglieder an ein auf Profit ausgerichtetes Wirtschaftsunternehmen (Düsseldorf Rpfleger 2022, 151). Nach Stuttgart (NZG 2010, 753) verhindert das auch im sonstigen Verbandsrecht bestehende Abspaltungsverbot die Übertragung von Stimm- und Wahlrechten eines Mitglieds, das jur Person ist, auf ihm angeschlossene Unternehmen. Fragen ähnl Art treten im Zusammenhang mit der Einfügung von Vereinen, nicht nur Zweigvereinen oder Untergliederungen (dazu Vor § 21 Rn 13), in übergeordnete Verbände auf, indem ein Verein sich und damit seine Mitglieder weitgehend der Verbandsgewalt der – ebenfalls als Verein organisierten – herrschenden oder Spitzen-Körperschaft unterwirft, wie es bei den Vereinen des professionellen Leistungssports im Zuge der Teilnahme der Mitgliedsvereine an den Veranstaltungen des Verbandes geschehen ist. Dies namentlich dann, wenn die Teilnahmeberechtigung (Lizenz) des Mitgliedsvereins (im Profi-Fußball auch seiner angestellten Sportler) zentral durch Vorschriften reglementiert ist, deren Einhaltung mit Sanktionsmaßnahmen, ua mit Vereins- und Verbandsstrafen (Rn 5), erzwungen wird. Hierdurch ist bis zu einem gewissen Grade die Verbandsautonomie der Mitgliedsvereine eingeschränkt. Das hat nicht nur im Hinblick auf das ebenfalls durch derartige Regeln geordnete Verhältnis von weiterhin nicht wirtschaftl Vereinen zu den ausgegliederten Sport-Kapitalgesellschaften (§ 21 Rn 8) Bedeutung, sondern kann auch Probleme durch die durch außergewöhnlich hohen Kapitalbedarf notwendig gewordene Einfügung des nationalen in einen überregionalen, zT weltweiten Sport- und Vermarktungsbetrieb aufwerfen. Die dem angepasste Vorstellung eines intern Verbandes, die Mitglieder eines nationalen Verbandes und von ihnen verfolgte Ziele in sein Sanktionssystem über das Vereinsrecht des nationalen Vereins durchsetzen zu können, hat im Fall eines kleinen deutschen Vereins schon zu einem von den deutschen Gerichten gebilligten Protest gegen den deutschen Verband geführt (BGH NZG 2016, 1315; Bremen SpuRT 2015, 74; zust Wagner NJW 2017, 407; Heermann ZIP 2017, 253). Die Bindungswirkung, die aus Rechtsgeschäften unter den Verbänden, dynamischen Verweisungen in den Satzungen „untergeordneter“ Vereine, aber auch aus rechtsgeschäftlichen Unterwerfungen herrühren kann (näher Walker NZG 2017, 1241ff), muss von Fall zu Fall auf den Respekt vor der Vereinsautonomie geprüft werden. Dabei sind auch Verweisungen in der Satzung auf die Satzung (oder andere Ordnungen) eines übergeordneten Verbandes möglich, wenn auch insoweit keine uneingeschränkte Regelungsfreiheit in Bezug auf die Mitgliederinteressen (auch der „mittelbaren“ Mitglieder, meist also der natürlichen Personen, im Sport der Lizenzspieler) besteht. Bedenken, die letztlich auf eine Inhaltskontrolle, sogar nach AGB-Regeln, hinauslaufen sollten, bestehen gegenüber dynamischen (im Gegensatz zu statischen) Verweisungen auf Satzungen oder Ordnungen eines Dachverbandes. Dies hat in dem erwähnten Fall die deutschen Gerichte veranlasst, eine vom intern Sportverband gegen einen deutschen Verein (des Amateursports) wegen Verstoßes gegen die Verbandsregeln über Spielerwechsel verhängte Sanktion („Zwangsabstieg“) zu kassieren, wobei der BGH eine genügend konkrete vertragl Unterwerfung unter das Sanktionssystem des Verbandes hätte ausreichen lassen, eine solche aber nicht schon in der Teilnahme an einem Wettbewerb (nach Verbandsregeln) oder in der Verteidigung des Mitgliedervereins gegen die Sanktion über die „Gerichtsbarkeit“ des Verbandes fand (zust im Einz Walker NZG 2017, 1241, 1246f). Die Einbindung von Vereinen mit einer den christlichen Religionsgemeinschaften nahestehenden Zweckset- 2b zung in eine landeskirchliche Organisation kann zu einem Konflikt mit einem Außeneinfluss kirchlicher Instanzen führen. Allerdings ist die Verfolgung der Vereinszwecke, zT auch die Finanzierung, ohne Zusammenarbeit mit den offiziellen Organen und Verbänden der betreffenden Religionsgemeinschaft, oft schwer möglich. Deswegen scheiterte ein bei kirchlichen Vereinen maßgeblicher, satzungsmäßig verankerter Fremdeinfluss der verfassten Kirche und ihrer Organe in Anwendung der Art 140 GG, 137 III WRV nicht am Grundsatz der Vereinsautonomie (BVerfG JZ 1992, 248; LG Oldenburg JZ 1992, 250; so auch zu Satzungsänderungen Düsseldorf NZG 2009, 1227; anders noch Frankfurt NJW 1983, 2576; dazu eingehend Flume JZ 1992, 238ff). Düsseldorf NZG 2009, 1227 ließ daher trotz an sich wirksamer Entscheidung der Mitgliederversammlung über einen KirchenausWestermann
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tritt die Eintragung der Satzungsänderung an der fehlenden Zustimmung des Presbyteriums scheitern (krit bzgl der Begründung aus der Sonderstellung religiöser Vereine Wolff NZG 2009, 1217ff). Dieser Fragenkreis wird daneben auch im Zusammenhang mit der Zurechnung der wirtschaftl Tätigkeit von Zweigvereinen oder ausgegliederten Kapitalgesellschaften zum ideellen „Mutter-Verein“ (§ 21 Rn 7f) weiterer Beachtung bedürfen. Ein Verein (auch ein nicht rechtsfähiger, MüKo/Leuschner vor § 21 Rn 154) kann Obergesellschaft in einem Konzern sein (hierzu Vor § 21 Rn 6), was zu der Frage der Abgrenzung von Vorstands- und Mitgliederzuständigkeit für den abhängigen Verein betreffende Gegenstände und von ihm verfolgte Ziele führt (dazu Hopt BB 1991, 778, 785; Terner NJW 2008, 16, 19; Baltzer ZIP 2001, 175, 177; anders MüKo/Leuschner vor § 21 Rn 157; näher dazu § 32 Rn 3). In Gesamtvereinen kann es über die Verbindungen einflussreicher Mitglieder zu einer nat oder jur Person zu Abhängigkeiten kommen, die sich auch durch satzungsmäßig begründete Einwirkungsmöglichkeiten der Organe des Hauptvereins auf den Zweigverein ergeben können (MüKo/Leuschner vor § 21 Rn 181), bejaht wird sogar die Möglichkeit von Abhängigkeit kraft eines Beherrschungsvertrages (MüKo/Leuschner vor § 21 Rn 184; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 37 Rn 14); je nach dem Charakter des „herrschenden“ Vereins ist allerdings der nicht wirtschaftl Status des abhängigen zweifelhaft. Nicht nur in diesem Zusammenhang wird in Ordnungen nicht satzungsrechtl Qualität (Nebenordnungen) für die Mitglieder bindendes Vereinsrecht durch Beschl der Mitgliederversammlung oder eines durch die Satzung hierzu legitimierten Vereinsorgans (wiederum eines „Hauptvereins“) geschaffen. Das ist grds wirksam, wenn sich derartige Bestimmungen auf die nähere Ausgestaltung des in der Satzung enthaltenen Rechts beschränken (Leuschner npoR 2022, 59, 64ff; Lukes NJW 1972, 121; Reichert Kap 2 Rn 406ff). BGH NZG 2015, 1282 nahm ferner an, dass durch eine neben der Satzung stehende, die Teilnahme von Sportlern an Wettkämpfen regelnde RL ein vorvertragl Schuldverhältnis zw einzelnen Athleten (die nicht Mitglieder des Vereins sind) und dem nominierenden Verband entstehe, das den Verein zu korrektem Verhalten bei Nominierungen verpflichtet; zu den Einzelheiten dieser „Außenwirkung“ von Vereinsrecht Hübner NZG 2016, 50ff, dort auch zu der den Rechtsstreit entscheidenden Auslegung der RL nach allein obj Kriterien (wie bei Satzungen und Vereinsordnungen) oder unter Einbeziehung der Perspektive des sich vorvertragl der RL unterwerfenden Sportlers. Zu einer derartigen Unterwerfung unter Verbandsrecht kann ein Nichtmitglied, etwa ein Berufsfußballer, auch durch seinen Arbeitsvertrag mit einem Sportverein oder einer ausgegliederten Kapitalgesellschaft gezwungen sein. Wenn Frankfurt ZIP 1985, 213, 215 langjährige Observanz zur Ergänzung fehlender Grundentscheidungen der Satzung ausreichen lässt, so ist dies schon mit Rücksicht auf § 71 auf Lückenfüllung beschränkt und erstreckt sich nicht auf Änderungen (Oldenburg NZG 2009, 917; PWW/Schöpflin Rn 7). Besonders in mitgliederstarken, regional weit verstreuten Vereinen werden häufig für die Ausgestaltung der Mitgliedschaft ausschlaggebende Regelungen außerhalb der eigentlichen Satzung getroffen, während die Satzung Grundentscheidungen über Zweck, Mitgliedschaft und Organisation enthält, näher hierzu Grunewald ZHR 152, 242ff. Deshalb ist wichtig, dass die Rspr (BGHZ 47, 172, 177; 88, 314, 316; 105, 306, 314; München BB 1977, 665; MüKo/Leuschner Rn 15; näher Reuter ZHR 148, 523, 527; Staudinger/Schwennicke Rn 3) die Vereine zwingt, die das Vereinsleben bestimmenden Leitprinzipien und Grundsatzregelungen in der Satzung selbst zu treffen (von diesem Grundsatz ausgehend, den Grundsatzcharakter für SARS-Cov-2-Schutzbestimmungen indessen verneinend, Köln MDR 2022, 1227; ähnl, erweiterte Spielräume in der außergewöhnlichen Situation bei SARS-Cov-2-bedingten staatlichen Einschränkungen München SpuRt 2021, 283; zur Bedeutung für Straf- und Verwaltungsmaßnahmen Rn 4); so in Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung, die zur Gewährleistung flexibler Reaktionen auf veränderte Umstände auf eine satzungsmäßige Festlegung von Grundentscheidungen verzichtet (Lukes NJW 1972, 121; Grunewald ZHR 152, 248; Reuter ZHR 148, 525), ähnl BGHZ 105, 306 – Regelung von Beitragspflichten zu einem „Feuerwehrfonds“ unter Hinw auf die notwendige Information aller Mitglieder; s auch München NJW-RR 1989, 966. Das betrifft etwa die Festlegung von Beiträgen durch ein in der Satzung berufenes Organ in einem durch sie gezogenen Rahmen (so etwa AG Grevenbroich MDR 1991, 318 für die Befugnis von Vorstand und Mitgliederversammlung, einmalige Sonderleistungen festzulegen, BGH ZIP 2008, 1423 m zust Anm van Look LMK 2009, 273641 zur Erhebung eines Sonderbeitrags in Gestalt eines zinslosen Darlehens). Soll der Vereinsbeitrag variabel (durch Maßgeblichkeit des Umsatzes des Vorjahres) gestaltet werden, ist dies keine der Satzung vorbehaltene Grundsatzentscheidung (BGH NZG 2010, 1112; BGHZ 130, 243; BGH NZG 2013, 671 zur Festsetzung uneinheitlicher Beiträge; anders noch BGHZ 105, 306). Der satzungsmäßigen Festlegung einer Obergrenze soll es nicht bedürfen (BGH NJW 2010, 2521), für die (idR nur ad hoc in Betracht kommende) Begründung einer Umlagepflicht BGH NZG 2008, 38f. Zugelassen sind auch Benutzungsordnungen für Vereinseinrichtungen und die Sanktionen für ihre Verletzung, bei einem Züchterverein also das Zuchtprogramm und die Zuchtziele (BGH MDR 1984, 119). In einer Nebenordnung kann der Rechtsweg gegen die ein Mitglied beschwerenden Beschl von Vereinsorganen einschl der Einführung eines Schiedsgerichts anstelle staatlicher Gerichte (BGHZ 88, 314) geregelt werden; eine solche Maßnahme ist grds zulässig (RGZ 153, 267; 165, 140), zu den Anforderungen an „echte“ ZPO-Schiedsgerichte im Unterschied zur Vereinsgerichtsbarkeit aber Rn 6. Im nationalen Bereich ist durch die sehr weitgehende Anerkennung eines den Vereinen und ihren Mitgliedern bzw angestellten Lizenzspielern ohne freiwillige Unterwerfung vorgeschriebenen Schiedsverfahrens im intern Sportbereich (dazu näher H.P. Westermann, FS Krüger, 2017, 517ff) die Wahrung der Mitglieder-Interessen nicht mehr voll gesichert (zu den Schiedsklauseln auch Rn 7). Das systematische Vorgehen der zentralen Verbände unter Regelung der Aktivitäten nationaler Verbände und Organisationen zur Bekämpfung des Doping im Leistungssport ist im Grundsatz zulässig (LG Neubrandenburg NJW-RR 1994, 1269), begründet aber die Gefahr einer Verkürzung des Rechtsschutzes von Mitgliedern, vgl auch das Schiedsverfahren im „Fall Pechstein“ (und da162
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zu Rn 6). Beim Vereinswechsel von Sportlern oder ihrer Spielberechtigung für einzelne Veranstaltungen kommt zunehmende Bedeutung dem in der Schweiz ansässigen Court of Arbitration for Sport (CAS) zu, der inzwischen von vielen Sportverbänden sowie von der staatlichen Gerichtsbarkeit als Schiedsgericht anerkannt worden ist (München NJW-RR 2001, 711; näher H.P. Westermann/Pereira/Borges, FS Schwark, 2009, 71ff). Unabhängig davon hatte Frankfurt (SpuRt 2001, 159) dem Intern Leichtathletik-Dachverband (IAAF) für Dopingverstöße, die in die Zuständigkeit eines Nationalverbandes fallen, eine die Entscheidungen des nationalen Verbandes bindende Kompetenz zugebilligt, der CAS kommt aber als Rechtsmittelinstanz in Betracht. Satzungsangelegenheit sind die Grundsätze über das Wahlverfahren in der Mitgliederversammlung (BGH WM 1989, 366) sowie die Entscheidung, ob eine Mitglieder- oder eine Delegiertenversammlung zuständig sein soll (Frankfurt WM 1985, 1466), ebenso die Zusammensetzung und Bestellung der Vereinsorgane (so noch MüKo/Reuter, 7. Aufl 2015, Rn 10, 12). Die unter-satzungsrechtl Ordnungen dürfen allg die Mitglieder nicht stärker belasten als die Satzung. Durch Satzungsbeschluss den Mitgliedern Arbeits- oder ersatzweise Geldleistungen aufzuerlegen (AG Grevenbroich MDR 1991, 318), verstößt nicht gegen Art 9 I GG (BVerfG NJW 1991, 2626). Weitgehend anerkannt ist eine Inhaltskontrolle der Entscheidungen der Vereinsorgane daraufhin, ob das zu- 4 ständige Organ auf einen richtig festgestellten Sachverhalt eine Bestimmung des inneren Vereinsrechts an sich zutr angewendet und dabei den Maßstab der Billigkeit beachtet hat (Köln NJW-RR 1993, 891; eingehend dazu van Look WM-Festgabe für Hellner, 1994, 46ff). Grundlage ist nicht eine Parallele zu den §§ 305ff, da diese nach § 310 IV auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts nicht anwendbar sind (Düsseldorf NJW 2008, 1451), sondern § 242 (BGHZ 105, 306 m Anm Beuthien WuB II § 25 L 1/89; Bunte ZGR 1991, 316; BGHZ 128, 93 für die Kontrolle sportlicher Regelwerke in ihrem Verhältnis zu Nichtmitgliedern), wobei im letzteren Bereich auch eine Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach AGB-Regeln geboten ist (MüKo/Leuschner Rn 37). So ist im Zuge einer Angemessenheitskontrolle (obwohl es sich darauf nicht beschränken sollte, Frankfurt ZIP 1984, 65; Celle NJW-RR 1989, 313; Reichert Kap 2 Rn 3266) eine gewisse Machtstellung mancher Vereine im sozialen und wirtschaftl Bereich zu beachten, die es dem Mitglied erschwert oder unmöglich macht, als Gegenmaßnahme gegen belastende Vereinsakte auszutreten (BGHZ 105, 306, 316; BGH NJW 1994, 43). Dementspr ist ein vom Mitglied aufgrund einer Satzungsvorschrift abgeschlossener, jedoch nicht an die Vereinsmitgliedschaft gebundener Darlehensvertrag auf unangemessene Benachteiligung des Darlehensgebers nach § 307 geprüft worden, Düsseldorf NJW 2008, 1451. Kontrollbedürftig sind Bestimmungen zur Beschränkung der – an sich bestehenden – Aufnahmefreiheit des Vereins (dazu § 38 Rn 6) sowie zur Verhängung von Vereinsstrafen einschl des Ausschlusses (Rn 5f) oder zur Verhängung einer Wettkampfsperre (München NJW 1996, 2382). Um die Funktionsgerechtigkeit geht es bei Verwaltungsmaßnahmen wie der Festlegung von Beiträgen zu einer Verbandseinrichtung (BGH NJW 1989, 1724, 1726). Stets beachtlich sind der Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder und das Willkürverbot (LG Memmingen MDR 2021, 1019 zur Ungleichbehandlung von Vereinsmitgliedern nach dem Geschlecht im „Fischertagsverein“; Celle NJW 1995, 1273). Einem Formerfordernis unterliegen Vereinssatzungen nicht (Frankfurt ZIP 1985, 215); zum Vereinsgewohnheitsrecht Rn 3. Bei Vereinen, die am bezahlten Leistungssport teilnehmen, sind verschiedentlich Satzungsregelungen (auch diejenigen übernationaler Verbände), die Ausländersperrklauseln oder Regeln über Ablösezahlungen enthalten, in Einzelfällen wegen Verstoßes gegen Gemeinschafts- oder nationales Verfassungsrecht für ungültig erklärt worden (EuGH NJW 1996, 505 – Bosman und dazu Hilf/Pache NJW 1996, 1169; H.P. Westermann DZWIR 1996, 82; Palme JZ 1996, 238; Wertenbruch EuZW 1996, 91; BAG NJW 1997, 2065 und dazu H.P. Westermann DZWIR 1997, 485, 490; s auch Rn 3), anders für aus sportlichen Gründen erlassene Regelungen Frankfurt MDR 1993, 1250; LG Frankfurt NJW-RR 1994, 1270 – die Unterscheidung ist freilich kaum durchführbar. Das Satzungsrecht hat inzwischen den Bedenken weitgehend Rechnung getragen (Stopper SpuRt 2001, 1; Klingmüller/Wichert SpuRt 2001, 15). Zur Unionsrechtmäßigkeit eines sanktionsbewehrten Wettbewerbsverbots für die Mitgliedsvereine in einem Sportdachverband s Schlussanträge Generalanwalt EuGH – C-333/21 (European Superleague/UEFA/FIFA), SpuRt 2023, 113. 3. Vereinsgerichtsbarkeit. Anerkannt ist heute die Möglichkeit der Vereine, im Zuge der Vereinsautonomie 5 auch eine auf die Verhängung von Vereinsstrafen ausgerichtete Vereinsgerichtsbarkeit zu schaffen, deren Entscheidungen, vor allem auch zum Ausschluss von bestimmten Veranstaltungen (besonders in der vereinsübergreifenden Verbandsgerichtsbarkeit) und zum Vereinsausschluss, nach neuerer Rspr (BGHZ 87, 337, 344) im Gegensatz zu früherer Zurückhaltung, die sich im wesentlichen auf Gesetzmäßigkeit und offenbare Unbilligkeit beschränkte (BGHZ 29, 352; Köln NJW-RR 1993, 891), gerichtlich voll überprüfbar sind und nicht nur auf „offenbare Unbilligkeit“ geprüft werden (BGHZ 87, 337; 102, 265; BGH WM 1990, 89; NJW 1997, 3368; MDR 2003, 402; zust Vieweg JZ 1984, 167; Leipold ZGR 1985, 113; H.P. Westermann Anm WuB II L § 25 BGB 1/88; Gehrlein ZIP 1997, 1591; PWW/Schöpflin Rn 21). An sich ist das Bestehen einer eigenständigen Strafgewalt des Vereins nicht selbstverständlich, sie bedarf einer unmissverständlichen Unterwerfung der Mitglieder unter eine satzungsmäßig geregelte und von klaren Voraussetzungen abhängig gemachte Befugnis bestimmter Vereinsorgane (früh idS BGHZ 29, 352; s weiterhin MüKo/Leuschner Rn 69; abl noch Staudinger/Weick, 2005, Rn 34). Zu den Gültigkeitserfordernissen gehört auch, dass die Strafentscheidungen nicht als unangreifbar ausgestaltet werden dürfen, vielmehr muss einer kontrollierenden Stelle eine uneingeschränkte Tatsachenkontrolle und eine Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die angewendete Vereinsnorm zustehen, schließlich die Kontrolle der „Strafzumessung“ (für Kontrolle nur auf grobe Unbilligkeit aber wieder Schleswig 18.4.2008 – 14 U 95/07; für Kontrolle der Subsumtion nur gegenüber Vereinen mit überragender Marktstellung BGHZ 102, 265; MüKo/Leuschner Rn 80). Das gilt auch dann, wenn man, wie vertreten wird (van Look, Vereinsstrafen, 107ff; anWestermann
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ders H.P. Westermann, Strafgewalt, 61ff), diese Sanktionen als Vertragsstrafen qualifiziert, und ist, wie gesagt (s auch Rn 5), nicht auf Vereine mit überragender Marktstellung beschränkt (s auch Reuter ZHR 151, 355, 358); wohl kann man die Grenzen der diesbzgl Vereinsautonomie bei Monopolverbänden enger ziehen (BGH NJW 1997, 3368). Auch können bei „echten“ Idealvereinen bestimmte Entscheidungen von Vereinsorganen als Ausdruck einer ideellen Einstellung oder als Anwendung spezieller Verhaltens- oder Spielregeln nicht ohne weiteres mit den Maßstäben des allg Rechts gemessen werden. Die Unterwerfung des Mitglieds unter die Vereinsgewalt räumt den Vereinsorganen in dieser Hinsicht nämlich ein von der staatlichen Gerichtsbarkeit zu respektierendes Bewertungsvorrecht ein (näher H.P. Westermann Verbandsrspr und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, 58; Hadding/van Look ZGR 1988, 276; NK/Heidel/Lochner Rn 36; Gehrlein ZIP 1994, 852ff; in der Rspr in diese Richtung BGHZ 102, 265; Celle NJW-RR 1989, 313; LG Bonn NJW 1997, 2958 zum Ausschluss aus der CDU wegen Scientology-Mitgliedschaft). Bei der Beurteilung von Vorgängen im sportlichen Wettbewerb ist davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Entscheidung von Schiedsrichtern auf die Gefahr hin unterwerfen, dass im Einzelfall falsch entschieden wird; dies ist also nicht im Hinblick auf das Ergebnis im sportlichen Wettbewerb angreifbar (anders möglicherweise bei Manipulation durch Schiedsrichter, dazu Schwab NJW 2005, 938ff), was aber nicht ausschließt, dass eine auf eine Fehlentscheidung gestützte Strafmaßnahme korrigiert wird. Dies kann namentlich auch im intern Bereich durch Anrufung des CAS (Rn 4) geschehen. In den dt, aber auch in anderen nationalen Sportverbänden, hat sich auf dieser Grundlage eine zT sehr eingehende, manchmal auch mit einem Instanzenzug, ausgearbeitete Sportgerichtsbarkeit entwickelt (für den dt Fußball eingehend Sengle, FS Röhricht, 2005, 1205ff; Schickhardt SpuRt 2001, 70ff), die weitgehend den Verfahrensprinzipien der staatlichen Gerichtsbarkeit folgt und damit die zT engagierte Kritik aus den Anfängen der strafenden Tätigkeit der Vereinsorgane (H.P. Westermann JZ 1972, 537ff; Larenz, GS Dietz, 1973, 45ff) erledigt hat, was allerdings für die Entwicklungen im Fall „Pechstein“ (Rn 6) nicht gesagt werden kann. Nicht restlos geklärt ist nach wie vor die Möglichkeit, den Rechtsweg vor die staatlichen Gerichte durch satzungsmäßige Schiedsklauseln auszuschließen. Es bedarf dazu einer in Satzung oder Sondervereinbarung enthaltenen Schiedsklausel (§§ 1029, 1031 ZPO), die in der Satzung enthaltene Klausel muss bei Beitritt der Streitparteien vorhanden gewesen sein, nachträgl Einfügung bedarf der Zustimmung der Mitglieder (BGHZ 144, 146; nur i Erg zust Haas ZGR 2001, 325; anders München NZG 1999, 780, m zust Anm Ebbing NZG 1999, 754; s auch Soergel/Hadding Rn 26a; MüKo/Leuschner Rn 77), wofür eine Modifikation einer Vereinssatzung, auf die Bezug genommen wird, nicht reicht. Auch dies ist wiederum im Bereich des Fußballsports am stärksten ausgebildet (im Einz Grunsky, FS Röhricht, 2005, 1137ff), spielt aber auch bei anderen Disziplinen des Hochleistungssports eine Rolle (s etwa Hammer, FS Schütze, 2014, 141ff). Solche Klauseln könnten bei Vereinen, deren Mitglieder faktisch nicht frei über ihren Beitritt entscheiden können, unter § 1034 II ZPO fallen, was entgegen dem Urteil des BGH im Pechstein-Fall zutrifft, wenn der Sportler, um überhaupt zu Veranstaltungen oder Wettbewerben des Vereins oder des Verbandes zugelassen zu werden, sich der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen muss (näher H.P. Westermann, FS Krüger, 2017, 517ff; krit Bunte EWiR 2016, 415; Heermann NJW 2016, 2224). Diese Regeln kommen nicht in Betracht, wenn die durch die Satzung berufene Stelle eine reine Vereinseinrichtung und kein unabhängiges Schiedsgericht ist, wozu gehört, dass der sich unterwerfende Verein einen gewissen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums hat, was beim CAS (wiederum entgegen BGH NJW 2016, 2272) nicht der Fall ist, so früher BGH NJW 2004, 2226; NZG 2013, 713; anders später der BGH im „Pechstein“-Urteil. Wenn den dadurch und durch § 1042 I ZPO gesetzten Bedingungen entsprochen ist, kann es iÜ bei der Überprüfung des Schiedsspruchs nach § 1059 ZPO verbleiben (indessen im einstw Rechtsschutz kein Gebot, den Instanzenzug der Vereinsgerichtsbarkeit zu durchlaufen, Köln MDR 2022, 1227). Die Unterwerfung eines Vereins unter die Gerichtsordnung eines Dachverbandes bedeutet noch nicht, dass dieser Schiedsregelung auch Streitigkeiten mit den Mitgliedern unterliegen (Celle NJW-RR 1993, 1535). Anders zu beurteilen sind somit „Vereinsschiedsgerichte“, die Vereinsorgane sind, keine schiedsrichterliche Unabhängigkeit besitzen, und deren Sprüche danach im gewöhnlichen Rahmen der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen (Nicklisch BB 1972, 1723). Richtigerweise bedeutet somit die satzungsmäßige Überweisung einer Strafmaßnahme an ein vereinsinternes „Schiedsgericht“ keineswegs, dass hiermit ein Schiedsgericht iSd §§ 1025ff ZPO eingerichtet wäre (BGHZ 128, 93; BGH NJW 2004, 2226; BGHZ 159, 207; Grunsky, FS Röhricht, 1138). Hierfür müsste den Anforderungen an die Einrichtung einer privaten Schiedsgerichtsbarkeit genügt werden. Dazu hat der BGH (NJW 2004, 2226 und dazu Schlosser, LMK 2004, 169; Kröll ZIP 2005, 13; Grunsky, FS Röhricht, 1140; so auch BGH ZIP 2013, 1217, 1219) mehrere Voraussetzungen benannt: Sicherung eines fairen und unparteiischen Verfahrens (was eine Mitwirkung des betroffenen Vereinsmitglieds an der Besetzung des Spruchkörpers erfordern dürfte), Pflicht zur Anhörung des Betroffenen sowie Grundlegung der Entscheidung in Gesetz, Satzung oder wenigstens der „Billigkeit“. München (JZ 2015, 353 m Anm Heermann) verlangt sogar ausdrückl Ausschluss der staatlichen Gerichte. Zu den Schiedsgerichten hat iÜ die Rspr (BGHZ 88, 314, 316; Hamm NJW-RR 1993, 1535; München JZ 2015, 355 m Anm Heermann 362) gefordert, dass die Satzung durch eine zu ihrem Bestandteil gemachte Schiedsordnung wenigstens die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und die Bestellung der Schiedsrichter regelt (anders BGH BB 2016, 1409 m krit Kurzkomm Bunte EWiR 2016,415). Ein Übergewicht der Vereinsorgane bei der personellen Besetzung des Spruchkörpers könnte sogar als maßgebliches Kriterium im Hinblick auf die Möglichkeit einer Partei gesehen werden, gem § 1034 II 1 ZPO beim staatlichen Gericht die Ernennung anderer Schiedsrichter zu beantragen (Grunsky, FS Röhricht, 1142f). Der BGH stellt aber insg auf eine „Gesamtschau“ der Umstände des Einzelfalls ab, so dass die Bestrebungen eines Zentralverbands, Schiedsgerichte iSd ZPO zu schaffen, nicht aussichtslos sind (näher Grunsky, FS Röhricht, 1144ff). Schließt die 164
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Satzung den Rechtsweg gegen Beschl der Mitgliederversammlung aus, ohne zumindest ein Schiedsverfahren vorzusehen, oder bedarf das Mitglied einer von den Organen zu erteilenden Erlaubnis zur Anrufung der Gerichte, ist dies unwirksam (BGHZ 29, 354; Celle WM 1988, 495 m Anm Grunewald 497); auch kann eine Schiedsvereinbarung, wie München (SchiedsVZ 2015, 40 – Pechstein) sogar ggü einem Spruch des CAS entschieden hat, gegen Kartellrecht (Ausübungsmissbrauch iSd § 19 II Nr 2 GWB; eingehend dazu Zimmermann ZWeR 2016, 66ff) verstoßen und unwirksam sein, wenn die Unterwerfung unter die Vereinsgerichtsbarkeit von einem Monopolverband durchgesetzt worden ist und der Sportler nicht frei war, sich dem Schiedsgericht zu unterwerfen. Die abw Entscheidung (des Kartellsenats) des BGH lässt i Erg schwerwiegende Fehlentscheidungen der Verbandsorgane ausgleichslos (krit H.P. Westermann, FS Krüger, 517ff). Wenn in einer Vereinssatzung ein interner Instanzenzug vorgeschrieben ist, schließt die Aufhebung eines Vorstandsbeschlusses durch das satzungsmäßig vorgesehene Vereinsgericht, auch wenn diese Entscheidung „endgültig“ sein soll, ein Feststellungsinteresse des Vorstands für eine Klage gegen das betreffende Vereinsmitglied mit dem Ziel, die Wirksamkeit des Vorstandsbeschlusses festzustellen, nicht aus. Die Klage ist aber unbegründet, wenn das Vereinsgericht innerhalb seiner satzungsmäßigen Zuständigkeit gehandelt hat, die sachliche Richtigkeit seines Urteils prüft das Gericht nicht (BGH ZIP 2013, 1217ff). Ein Mitglied kann sich wohl durch Feststellungsklage, dass die verhängte Maßnahme unberechtigt ist (BGHZ 36, 105), aber nicht durch einen Antrag auf Aufhebung der verbandsgerichtlichen Entscheidung (dazu Karlsruhe SpuRT 2013, 31) wehren; auch § 343 kann eine Herabsetzung von Strafen nicht begründen, da es sich nicht um Vertragsstrafen handelt. Inhaltlich sind die möglichen Maßnahmen auf die Verfolgung des Vereinszwecks beschränkt, wozu aber rein 7 disziplinarische Schritte gehören können, so Verwarnung, Aberkennung der Fähigkeit zur Übernahme von Vereinsämtern wie auch Geldbußen (BGHZ 21, 370), vorübergehender Stimmrechtsentzug, Suspendierung mitgliedschaftlicher Benutzungsrechte (BGH NJW-RR 1992, 507); zu disziplinarischen Ordnungsmaßnahmen im Reit- und Rennsport BGHZ 128, 93; Düsseldorf NJW-RR 1996, 996. Nur in schweren Fällen sollte eine Diskriminierung, die sich auf das Verhältnis des Betroffenen zu den übrigen Mitgliedern beschränkt, zulässig sein (etwas großzügiger BGHZ 21, 370 m Anm Fischer LM Nr 1 zu § 25; BGH NJW 1959, 982; zu einem Mietvertrag des Vereins, der dem Vermieter eine diskriminierende Benutzungssperre gegen Vereinsmitglieder erlaubt, BGH WM 1992, 567). Disziplinargewalt ggü Nichtmitgliedern kann es nur aufgrund individueller Verträge mit einem Außenstehenden geben, was bei Verbandsstrafen in Betracht kommt, wenn die Satzung eines untergeordneten Vereins diese Befugnis auf den übergeordneten Verband überträgt (BGHZ 28, 131, 133; BGH DB 1980, 1687; BGHZ 128, 93; Haas/Adolphsen NJW 1995, 2146; PWW/Schöpflin Rn 17). Im Berufsfußball kann die Bezugnahme auf Verbandsregeln auch eine arbeitsrechtl Grundlage haben. Sonst steht dem Verein über Personen, die nicht Mitglieder sind, keine Disziplinar- oder Strafgewalt zu (BGH DB 1980, 1687; BGHZ 28, 131, 133f), einem betroffenen Nichtmitglied billigte BAG NJW 1980, 470 sogar einen Beseitigungsanspruch aus § 826 zu. Ausnahmen hat die Rspr bei Verfahren eines Verbandes gegen Organpersonen oder Gesellschafter-Geschäftsführer von Mitgliedsgesellschaften gemacht (BGHZ 29, 352, 359 betr die Fähigkeit zur Führung von Ehrenämtern). Die Ausdehnung auf Nichtmitglieder durch Satzung ist leichter möglich, soweit es sich lediglich darum handelt, die Benutzung (und ihre Beendigung) von Vereinseinrichtungen durch Nichtmitglieder zu regeln (Reuter NJW 1983, 649, 652; s auch BGHZ 28, 135; LM Nr 2 zu § 35; BGHZ 128, 93, 96). Hier findet dann freilich nach Frankfurt NJW 1973, 2208 eine Inhaltskontrolle statt, die denselben Regeln folgt wie bei Anwendung von Disziplinargewalt ggü Mitgliedern (BGHZ 128, 93). Die Verhängung einer Vereinsstrafe erfordert idR Verschulden des Betroffenen (Frankfurt NJW-RR 1986, 133, 8 135; Meyer-Cording NJW 1966, 227; MüKo/Leuschner Rn 72), ebenso für Wettkampfsperre wegen Dopingverstoßes Frankfurt NJW-RR 2000, 1117; das wird gegen den im intern Bereich hierfür angewendeten Grundsatz der strict liability durchgehalten, wobei sich fragt, ob die Anwendung dieses Grundsatzes durch ein intern Schiedsgericht als Verstoß gegen den ordre public gelten muss (zum Problem näher Petri, FS Fenn, 2000, 239ff). In Betracht kommen aber Anscheinsbeweise; Hamm OLGRp 2008, 710 beanstandete die Auferlegung der Beweislast bzgl der Schuldlosigkeit nicht und ließ auch ein automatisches Ruhen der Spielberechtigung bei Nichterfüllung sozialversicherungsrechtl Verpflichtungen gelten. Die Zurechnung von Drittverschulden etwa nach § 278 kommt nicht in Betracht (H.P. Westermann JR 1973, 195 und Kirberger NJW 1973, 1732 zum offenlassenden Urteil BGH NJW 1972, 1892). Vereinsstrafen können aufgrund sehr pauschal formulierter, mit wertausfüllungsbedürftigen Begriffen arbeitender Satzungsnormen („unsportliches Verhalten“, BGHZ 47, 381, 383; s auch BGHZ 36, 105, 113) verhängt werden (Schlosser S 105ff; Beuthien BB 1968 Beil 12, 5). Je stärker und detaillierter allerdings die bürokratische Ordnung des inneren Vereinslebens ausgebaut wird, desto höhere Ansprüche müssen an die Bestimmtheit der Regeln über Sanktionen von Ordnungsverstößen gestellt werden, näher H.P. Westermann in Verbandsrspr und staatliche Gerichtsbarkeit, 49ff. Zur staatsgerichtlichen Kontrolle gehört auch die Prüfung, ob das nach der Satzung zuständige Organ tätig ge- 9 worden ist (BGHZ 90, 92; Düsseldorf NJW-RR 1988, 1272); fehlt es an einem satzungsmäßig zuständigen Organ, ist die Mitgliederversammlung berufen (MüKo/Leuschner Rn 73). Ein danach zuständiges Organ kann sich eine Verfahrensordnung selbst geben (BGHZ 47, 177), ist dabei allerdings an die allgemeinen Verfahrensgrundsätze einschl der Einräumung ausreichender Verteidigungsmöglichkeiten für das Mitglied gebunden (BGHZ 20, 352, 355; BGH NJW 1990, 40). Was die Anforderungen an die personelle Zusammensetzung und das Verfahren der Organe betrifft, so erscheinen gewisse Abstriche vom Erfordernis der Unabhängigkeit der Organpersonen im Innenverhältnis des Vereins nicht ganz unvermeidbar, so dass das das Verfahren einleitende Organ auch entWestermann
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§ 25
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Personen
scheiden oder an der Entscheidung mitwirken kann (BGH NJW 1967, 1657), anders BGH NJW 1981, 744 für denjenigen, der durch das beanstandete Verhalten verletzt wurde (s auch Karlsruhe NJW-RR 1996, 1503; Köln NJW-RR 1993, 891). Eine mündliche Verhandlung ist nicht unerlässlich (München MDR 1973, 405). Jedenfalls müssen dem Mitglied die ihm gemachten Vorwürfe ausreichend konkret erläutert werden (Köln NJW-RR 1993, 891). Häufig, insb bei einem Ausschluss, der sich als ultima ratio darstellt, wird es einer vorherigen Abmahnung bedürfen (LG Leipzig NZG 2002, 434), auch das Nachschieben von Gründen geht nicht an (BGH NJW 1990, 40). Das Mitglied muss nicht unter allen Umständen das Recht haben, einen Anwalt zuzuziehen, wenn nicht auch der Verein dies tut; allerdings wird ein entspr vereinsrechtl Verbot bei schwerwiegenden Maßnahmen idR einen Verfahrensmangel begründen, zumal es inzwischen spezialisierte „Anwälte für Sportrecht“ gibt (näher Reinicke NJW 1975, 2048; großzügiger BGHZ 35, 381, 391; BGH NJW 1975, 160; Grunewald, Ausschluss, 165f). Das Prinzip der Gleichbehandlung mit ähnl Verstößen, die andere Mitglieder begangen haben, ist zu beachten (BGHZ 47, 381, 385). Die verhängte Strafe muss begründet werden (RGZ 147, 11, 13; Düsseldorf MDR 1981, 843; Köln NJW-RR 1993, 891), Ausschlussgründe müssen bereits im Beschluss angegeben werden. Die Verletzung allgemeingültiger Verfahrensgrundsätze hat die Unwirksamkeit einer Disziplinarmaßnahme zur Folge (Schleswig SchlHA 2001, 103). Nach dem Ausscheiden des Betroffenen kann keine Vereinsdisziplinarmaßnahme mehr verhängt werden (RGZ 122, 266; 143, 1; BGHZ 28, 131; BGH WM 2003, 292), wohl aber sind Maßnahmen zw Austrittserklärung und Wirksamwerden möglich. BGHZ 47, 127ff ließ Nachprüfung durch die Gerichte auch vor Erschöpfung der vereinsrechtl Instanzen zu, es sei denn, dass nach der Satzung die Nichtanrufung der vereinsrechtl zweiten Instanz zum Wegfall des Nachprüfungsrechts führt. Wer den vereinsinternen Instanzenzug ausschöpft, kann davon ausgehen, dass die damit verbundene Verzögerung einem späteren Antrag auf einstw Rechtsschutz nicht entgegensteht (Köln NJW-RR 1993, 891). Vielfach wird als zulässige Straf- oder Ordnungsmaßnahme auch der Ausschluss aus dem Verein angesehen, der auch als Kündigung oder als Vertragsstrafe konzipiert sein kann (Benecke WM 2000, 1173, 118; Hadding, FS Fischer, 1979, 173, 194). Unabhängig vom Strafcharakter stellt die Praxis beim Ausschluss (BGHZ 29, 352, 359; BGH NJW 1971, 879; 1972, 1892f) entscheidend auf die Zumutbarkeit im Hinblick auf die weitere Verfolgung des Vereinszwecks und nicht auf ein schuldhaftes Verhalten ab, wobei aber die gerichtliche Überprüfung der gerade für Ausschließungsgründe idR wichtigen Tatsachenfeststellungen sowie der Einhaltung eines Mindestmaßes an verfahrensmäßigen Garantien gesichert sein muss, s Hamm NJW-RR 2001, 1480. Der Ausschluss, der somit auch präventiv gedacht sein kann (PWW/Schöpflin Rn 30), muss eine satzungsmäßige Grundlage haben, die Bestimmung in einer Nebenordnung genügt nicht, RGZ 73, 187, 190. Zum Verfahren s § 39 Rn 4; für eine Kündigung aus wichtigem Grund, wofür die Voraussetzungen des § 314 I 2 vorliegen müssen, wird eine explizite satzungsmäßige Grundlage nicht gefordert (Frankfurt NJW-RR 1991, 1276; Reuter NJW 1987, 2405), jedenfalls muss klar sein, dass für die Mitglieder des ausschließenden Vereins die weitere Verbindung mit dem Auszuschließenden unzumutbar ist, was auch voll nachprüfbar ist. In der Satzung können als extremistische Organisationen, deren Mitglieder nicht Mitglied des Vereins werden oder als solche ausgeschlossen werden können, auch politische Parteien genannt werden (zum Ausschluss eines NPD-Landesvorsitzenden Schleswig 16.12.2020 – 9 U 238/19; BVerfG 2.2.2023 – 1 BvR 187/21). Die Satzung kann auch bestimmen, dass die Mitgliedschaft frei gekündigt werden kann (Reichert Kap 2 Rn 1069 zur Kündigung durch Verein); doch bestehen bzgl einer Kündigung durch die Organe eines sozial mächtigen Vereins Bedenken (Grunewald, Ausschluss, 228). Wie im Gesellschaftsrecht ist die willkürliche Ausschließung eines Mitglieds auch bei Vorliegen einer entspr Satzungsbestimmung unzulässig (BGH NJW 1990, 40), sei es aufgrund inhaltlicher Anforderungen an die Satzung (Sauter/Schweyer/Waldner Rn 109; diff Grunewald, Ausschluss, 229), sei es iS einer Ausübungskontrolle. Daher kann ein strafweiser Ausschluss auch unter den Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund wirksam sein, wenn die allg Voraussetzungen einer Strafmaßnahme nicht gegeben sind, wobei sich jedoch der Verein an das von ihm geregelte Verfahren und an das Kriterium der Unzumutbarkeit halten muss (NK/Heidel/Lochner Rn 78; anders insoweit Reuter NJW 1987, 2401, 2406f, der ein subsidiäres Zurückgreifen auf die Kündigung aus wichtigem Grund gerade in den Fällen für zulässig hielt, in denen die Verhängung einer Strafe formfehlerhaft oder funktionswidrig war). Ein Ausschluss wegen vereinsschädigenden Verhaltens bedarf keiner ausdrückl satzungsmäßigen Grundlage, wenn der Vereinszweck und die allg Verhaltensanforderungen an das Mitglied aus der Satzung ersichtlich sind (zum Erg Reuter NJW 1987, 2401, 2406; zurückhaltend zum Ausschluss wegen Zahlungsverzuges LG Saarbrücken NJW-RR 1994, 251; zum Ausschluss wegen Bildung eines Konkurrenzvereins Hamm DB 1976, 910); zu rechnen ist mit der Billigung von Vereinsausschlüssen wegen Mitgliedschaft in einer als rechtsradikal oder populistisch qualifizierten Partei (Leuschner NJW aktuell 3/2019). Denn auch im Rahmen der unabdingbaren gerichtlichen Überprüfung ist bei Angabe von Ausschließungsgründen in der Satzung hinsichtl der Anwendung vereinsinterner Wertungsmaßstäbe das Bewertungsvorrecht der Vereinsorgane (Rn 6) zu bedenken (näher hierzu Benecke WM 2000, 1173). Ausschlussgründe, die den ausschließenden Organen unbekannt waren, sind bei der richterlichen Nachprüfung nicht zu berücksichtigen (RG JW 1935, 1145); ebensowenig solche, die im vereinsrechtl Ausschlussverfahren nicht erörtert sind (BGHZ 45, 313, 321). Jedenfalls muss der wichtige Grund im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegen (BGH NJW 2017, 700). Lange zurückliegende Tatsachen, die den Vereinsorganen bekannt sind, können nicht als Ausschlussgrund verwandt werden (RGZ 129, 49; LG Leipzig NZG 2002, 434, das auch eine Abmahnung fordert); auch ist das rechtl Gehör verletzt, wenn ein Mitglied in Abwesenheit ausgeschlossen wird, nachdem vorher eine vergleichsweise Einigung stattgefunden hatte (LG Gießen NJW-RR 1995, 828; zum rechtl Gehör Zweibrücken NZG 2002, 436). 166
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§ 26
Besonderheiten gelten hinsichtl des Ausschlusses aus einer Gewerkschaft. Das BVerfG (NJW 1999, 2657) hat 11 den Gewerkschaften ein berechtigtes Interesse an einem gemeinsamen Auftreten im Rahmen von Betriebsratswahlen zugebilligt und lässt daher einen Gewerkschaftsausschluss wegen Kandidatur auf einer konkurrierenden Liste zu. (scharf krit zur Aufgabe verfassungsrechtl Grundpositionen und zur Abschwächung der individuellen [positiven und negativen] Koalitionsfreiheit Reuter RdA 2000, 104; krit zu dem Beschl auch Gaumann NJW 2002, 2155). Auf unter-verfassungsrechtl Ebene ist einerseits das Erfordernis ideeller Solidarität für die Anwendung satzungsmäßiger Ausschließungsgründe oder des wichtigen Kündigungsgrundes von Bedeutung (auch für „einfache“ Mitglieder einer gegnerischen Partei, BGH WM 1991, 942; NJW 1994, 43 m Anm Weiss LM § 25 BGB Nr 32; BVerfG NZA 1993, 655), auch hier ist die erweiterte gerichtliche Prüfung der Tatsachenfeststellung (Rn 6) zu beachten (BGHZ 71, 126, 128; 87, 337, 341; BGH LM § 39 Nr 16; BGHZ 102, 265). Andere Gründe für einen Ausschluss aus einer Gewerkschaft sind gewesen: Unterstützung einer undemokratischen Vereinigung (Düsseldorf NJW-RR 1994, 1402), Tätigkeit als Streikbrecher (BGH NJW 1978, 990), Bekämpfung von Wahlvorschlägen der Gewerkschaft (BGH NJW-RR 1992, 246); zum Engagement für die NPD BGH NJW 1973, 35. Zur Rechtslage bei politischen Parteien s §§ 10, 14 PartG; hier hat BGH NJW 1994, 2610 es nicht beanstandet, dass ein Ausschließungsgrund darin gesehen wurde, dass ein Wahlbewerber sich über eine von ihm vermutlich anerkannte Beschränkung der Wahlwerbung hinweggesetzt hatte, dazu auch Gehrlein ZIP 1994, 852ff. Zum Ausschluss aus einer politischen Partei wegen Scientology-Mitgliedschaft LG Bonn NJW 1997, 2958. 4. Satzungsgebung als Rechtsgeschäft. Die Satzungsfeststellung ist Rechtsgeschäft (MüKo/Leuschner 12 Rn 15), ist also unabhängig von der eher rechtsgeschäftlichen oder organisationsrechtl Qualifikation der Satzung (Rn 2) Willenserklärung des Personenrechts und ist nach dem Recht der Willenserklärung zu behandeln, ebenso der Beitritt zum Verein. Die Fehlerhaftigkeit einzelner zur Satzungsfeststellung führenden Willenserklärungen führt nicht automatisch zum Nichtbestehen des Vereins. Die Auslegung von Vereinssatzungen hat nach früher hM lediglich auf ihren Inhalt Bedacht zu nehmen, Äußerungen oder Interessen der Gründer, Umstände aus der Entstehungsgeschichte oder der späteren Entwicklung des Vereins wollte BGHZ 47, 172, 180 (ebenso BGHZ 96, 245, 250) nicht zur Auslegung heranziehen, ebenso weiterhin Nürnberg NZG 2015, 958; wohl auch Hamm OLGZ 1993, 24; anders Wiedemann DNotZ 1977, Sonderheft S 99ff; Lutter AcP 180, 84, 95). Die rein obj Auslegung hat BGH NZG 2015, 1282 auf die (nicht unmittelbar satzungsrechtl) Nominierungsrichtlinie eines Sportverbandes ausgedehnt, was im umstrittenen Fall einer Nominierung eines Sportlers für Olympia zu einer von den Verbandsgremien abweichenden Sicht der in den Richtlinien genannten Leistungsansprüche und zu einem Schadensersatzanspruch führte („Causa Friedek“, dazu Hübner NZG 2016, 50ff; H.P. Westermann, FS Krüger, 2017, 517, 521ff). Bei Satzungsbestimmungen hat sich eine rein obj Auslegung nicht durchhalten lassen, wie die Anerkennung der längeren Akzeptanz vertragsändernder Beschl durch die Mitglieder als gültige Satzungsänderung (BGHZ 16, 143, 150; 25, 311, 316) und die Möglichkeit der Satzungsergänzung durch Observanz (Rn 3) belegen. Eine Auslegung über den Wortlaut der Urkunde hinaus ist zulässig, wo die Umstände aus der Urkunde ersichtlich oder allen Adressaten der Satzung bekannt sind (RGZ 101, 247; BGHZ 63, 282, 290; zur Auslegung nach Erkennbarkeit aus der Sicht der Mitglieder BGHZ 73, 279; näher Grunewald ZGR 1995, 68, 80ff). Im Anmeldeverfahren ist das Rechtsbeschwerdegericht berechtigt, die Satzung frei auszulegen (BGHZ 96, 245, 250). Streit über satzungsmäßige Willensbildung in einem Vereinsorgan ist Angelegenheit der inneren Ordnung, Feststellungsklage gegen den Verein daher erst möglich, wenn die Mitgliederversammlung darüber Beschl gefasst hat (BGHZ 49, 396). Teilnichtigkeit führt grds nicht zur Gesamtnichtigkeit (RG SeuffA 65, 205). Nach BGHZ 47, 172, 180 kommt es 13 für die Aufrechterhaltung des gültigen Teils der Satzung nicht auf die subj Momente, vor allem nicht auf die Vorstellung der Gründer an, sondern allein auf die obj Bedeutung des nichtigen Teils für die gesamte Satzung, somit für die durch die Teilnichtigkeit betroffene Satzungsinstitution. Das gilt entspr für eine wirksam (Rn 3) außerhalb der Satzung erlassene Geschäftsordnung, die die Tätigkeit eines anderen Vereinsorgans regelt (BGHZ 47, 172, 180). Wenn eine Satzungsbestimmung zwar nicht nichtig, aber auch nicht mehr durchführbar ist, muss in Ermangelung erg Gesetzesrechts die Mitgliederversammlung eingeschaltet werden (KG Rpfleger 2007, 82 bzgl Vorstandswahl). Zum Aufnahmezwang § 38 Rn 6.
§ 26
Vorstand und Vertretung
(1) Der Verein muss einen Vorstand haben. Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang der Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden. (2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so wird der Verein durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten. Ist eine Willenserklärung gegenüber einem Verein abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Vorstands. 1. Vorstand als Vertretungsorgan. Der Vorstand ist notwendiges Geschäftsführungs- und Vertretungs- 1 organ; bloßes Kontrollorgan wäre kein Vorstand iSv § 26. Nach Richert NJW 1956, 364 sind nur die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder vertretungsberechtigt, und nur sie sind im Register einzutragen (anders Stöber/ Otto Rn 1440ff), nach § 3 Nr 3 der VRV muss auch ein besonderer Vertreter iSd § 30 eingetragen werden (Zweibrücken NZG 2013, 907). Die Regelung ist insofern zwingend, als es für die Vertretung des Vereins eines als Vorstand bezeichneten Organs bedarf, das nicht die Mitgliederversammlung sein kann (MüKo/Leuschner Rn 5). Westermann
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Personen
Auch darf der Vorstand nicht von jeder internen Entscheidungsbefugnis ausgeschlossen werden. In einem satzungsmäßig eingeführten „erweiterten“ oder „Gesamtvorstand“ können aber auch Personen beteiligt sein, die nicht wie die anderen Mitglieder vertretungsberechtigt sind, aber wohl bestimmte Geschäftsführungsaufgaben einschließlich Kontrollbefugnisse haben (Celle NJW-1969, 326; MüKo/Leuschner Rn 14). Der Vertretungsmacht, die das Amt des Vorstands kennzeichnet, muss auch eine Geschäftsführungsbefugnis zugeordnet sein, ohne dass sich die Befugnisse inhaltlich voll decken müssen. Eine Entsprechung von Geschäftsführung und Vertretung ist allerdings im Normalfall als gewollt anzusehen, wenn es die Satzung nicht anders bestimmt, Schleswig SpuRt 2007, 74. BGHZ 69, 250 m Anm Kirberger NJW 1978, 415 hat ferner anerkannt, dass die Satzung, die den Vorstandsmitgliedern Einzelvertretungsbefugnis einräumen kann, die interne Beschlussfassung einem anderen Organ als dem Vorstand iSd § 26 übertragen kann (zust Kirberger Rpfleger 1975, 354). Ein Auseinanderfallen von Geschäftsführung und Vertretung kann zur Notwendigkeit eines Vertrauensschutzes für Außenstehende führen, dazu §§ 68, 70. Die nach Abs I S 2 zugelassene (im Gesellschaftsrecht sonst ungewöhnliche, mit rechtspolitischer Kritik hieran Burgard NZG 2022, 18, 21f; Segna ZIP 2022, 824, 827ff) Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes muss unmissverständlich deutlich machen, ob eine Beschränkung der Handlungsbefugnis die Geschäftsführungs- oder die Vertretungsmacht betrifft, und in welchem genauen Umfang die Beschränkung eingreift (Segna ZIP 2022, 824, 826f; Nürnberg NZG 2015, 958 für Zustimmungserfordernis eines Dachverbands; nach BGH ZIP 2021, 1160 im Stiftungsrecht genügend Beschränkung auf den Zweck, krit dazu Burgard NZG 2022, 18, 20ff); andernfalls ist die Vertretung unbeschränkt, BGH NJW-RR 1996, 866, auch kann eine nicht klare Satzungsbestimmung nicht im Vereinsregister eingetragen werden. Unzulässig ist ferner die Kopplung der Vertretungsmacht des Vorstands an die Mitwirkung einer Person, die nicht Vereinsorgan ist. 2 Bzgl der systematischen Einordnung des Vorstands stehen sich die Vertretertheorie, die die jur Person als handlungsfähig und den Vorstand als ihren gesetzl Vertreter behandelt, und die Organtheorie ggü, nach der der Vorstand als Organ der jur Person handelt (Soergel/Hadding Rn 2; gegen die Organtheorie Flume Jur Person § 11 S 377). Das Gesetz trifft, wie die Formulierung in Abs I S 2 Hs 2 zeigt, keine Entscheidung; gegen das Gewicht des Theorienstreits daher MüKo/Leuschner Rn 4. Während früher (RG JW 1935, 2044) angenommen wurde, das Wissen oder Wissenmüssen eines Organmitglieds sei rechtl Wissen der jur Person, will der BGH (NJW 1996, 1339) ohne Festlegung in theoretischer Hinsicht alle arbeitsteiligen Organisationen im Hinblick auf die Folgen einer Wissensaufspaltung unter handelnden und nicht handelnden Organpersonen gleich behandeln, näher Rn 4; gegen die umfassende Wissenszusammenrechnung Taupitz JZ 1996, 734ff; Koller JZ 1998, 75, 77ff; eingehend Buck, Wissen und jur Person, 2001, 318ff. 3 2. Besetzung des Vorstandes. Die Besetzung bestimmt die Satzung, für den eV s § 58 Nr 3. Ein- oder mehrgliedriger Vorstand ist möglich. Die Vorstandsmitglieder brauchen nicht Vereinsmitglieder zu sein (also Fremdorganschaft), falls die Satzung das nicht ausdrückl oder schlüssig vorschreibt, Düsseldorf NZG 2016, 306. Das wird aus einem Gegenschluss zu § 9 II GenG abgeleitet (MüKo/Leuschner Rn 5), obwohl beim Idealverein das Erfordernis einer Beteiligung gerade des Vorstands an der Verfolgung des Vereinszwecks sehr naheliegt. Diskutabel wäre ein Zwang zur Selbstorganschaft für einen Verein, der nur der Verfolgung der individuellen Zwecke der Mitglieder dient; auch könnte eine Konzentration der Befugnisse der Fremdorgane auf Repräsentation eines Vereinsverbandes eine unzulässige Beschränkung der Vereinsautonomie (§ 25 Rn 2a) darstellen. Neben dem Vorstand können besondere Vertreter bestellt werden, § 30, die auch die Repräsentanten einer Untergliederung sein können (Reuter, FS Hopt, 195, 204ff). Ihr Fehlen kann im Einzelfall, etwa bei Unterlassen einer nötigen Compliance-Organisation (Schockenhoff NZG 2019, 283), sogar als Organisationsmangel zum Schadensersatz verpflichten, s § 30 Rn 4. 4 3. Mehrgliedriger Vorstand. Bei mehrgliedrigem Vorstand ist gem § 26 II 1 aktive Gesamtvertretung Grundsatz; Mehrheitsgrundsatz gilt, Satzung kann Abw bestimmen. Wenn bestimmt ist, dass der Verein durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten werden kann, ist ein Vorstandsbeschluss nicht erforderlich, KGRp 2006, 615. Eine Einschränkung der Vertretungsmacht ist nur durch Satzung möglich, Abs I S 2. Bestellung eines Alternativvorstands in der Art, dass die Befugnis zu Vertretungshandlungen von der Verhinderung eines anderen Vorstandsmitglieds abhängt, stößt auf Bedenken (MüKo/Leuschner Rn 15), die aber nicht verhindern, dass jedes Vorstandsmitglied Einzelvertretungsmacht hat, die Geschäftsführungsmacht eines „Stellvertreters“ aber nur im Fall der Verhinderung des anderen besteht (Celle NJW 1969, 326; BayObLG NZG 2002, 438). Denkbar ist auch, dass durch die Satzung Generalermächtigung für Vorstandsmitglied oder Dritten erteilt wird, die laufenden Geschäfte eines verhinderten Vorstandsmitglieds wahrzunehmen, näher Mittenzwei MDR 1991, 492. Dies kann allerdings nicht durch die Vorstandsmitglieder selbst bestimmt werden, KG NZG 2015, 1241. Auch eine Satzungsbestimmung, wonach die Mitglieder eines vierköpfigen Vorstands gegenseitig vertretungsbefugt sind, verstößt nach Celle (NZG 2011, 154 – LS) gegen § 26 I. Personalunion muss die Satzung ausdrückl zulassen (LG Darmstadt Rpfleger 1983, 445; Hamm NJW 2011, 471), so dass es ohne entspr Satzungsbestimmung nicht angeht, dass ein Vorstandsmitglied das Amt eines Ausgeschiedenen mit übernimmt. Zur Ressortverteilung im Vorstand § 27 Rn 8. Zulässig ist die Bestellung eines Interims-Vorstandes für die Zeit zw einem Ausfall eines Vorstandes und der Bestellung eines neuen (MüKo/Leuschner Rn 16; zur auflösend bedingten Bestellung eines Interims-Managers Uffmann Interim-Management, 2015, 295f). Die Rspr (RGZ 145, 314; BGH JZ 1953, 474) will Geschäfte, die für den Dritten erkennbar völlig außerhalb des Vereinszwecks liegen, nicht unter die Vertretungsmacht des Vorstands bringen. Dem ist grds zuzustimmen (s auch Vor § 21 Rn 9). Die Einschränkung der Vertretungsmacht kann sowohl durch die Untersagung bestimmter Geschäfte geschehen als 168
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durch die Begründung von Zustimmungserfordernissen (Dütz, FS Herschel, 1981, 55, 67) oder durch Zuweisung bestimmter Aufgaben an einzelne Mitglieder, zu stark einschränkend BayObLG 1999 Nr 53. S iÜ zum Schutz des Gutgläubigen §§ 70, 68. Beschl der Mitgliederversammlung bedeuten idR nur Einschränkung der Geschäftsführungsmacht, es sei denn, dass die Satzung Beschl der Mitgliederversammlung als Wirksamkeitsvoraussetzung für Vertretungsakte fordert (KG JW 1936, 2929; BGH NJW-RR 1996, 866). Die Satzungsbestimmung, die die Vertretungsmacht des Vorstands zugunsten der Mitgliederversammlung beschränkt, muss eindeutig sein; das hat auch das Registergericht bei einer Eintragung zu prüfen (BGH NJW 1980, 2799; NJW-RR 1996, 866). Manche Beschränkungen folgen aus außer-vereinsrechtl Vorschriften; so soll es nach dem KG (KG-Rspr Berlin 2006, 615) für eine Prozessvollmacht nicht genügen, dass die Vorstandsmitglieder als solche aus dem Register ersichtlich sind; im Versteigerungsverfahren muss eine satzungsmäßig erforderliche Zustimmung der Mitgliederversammlung in notariell beglaubigter Form nachgewiesen werden. Unechte Gesamtvertretung durch Vorstandsmitglied und nicht zum Vorstand gehörige Personen wird mit Rücksicht auf die den „Unechten“ fehlende Registerpublizität nicht zugelassen (Hamm OLGZ 1978, 26; BeckOGK/Segna Rn 38; aM Kirberger Rpfleger 1970, 5, 48), anders für eine Bestimmung, die die Vertretungsmacht des Vorstands von der Zustimmung eines „Geschäftsführers“ abhängig macht, MüKo/Leuschner Rn 23; das zwingt die Satzung zu ausführlichen Regeln über die Vertretungsbeschränkungen dem Umfang nach. 4. Passivvertretung. Nach Abs II S 2 gilt für die Passivvertretung zwingend (s § 40) Einzelvertretung, eine 5 Erklärung ist auch bei vorsätzlicher Unterdrückung durch das einzelne Mitglied zugegangen (BGHZ 20, 149, 153). Hieraus und aus § 125 S 3 HGB wird abgeleitet, dass Kenntnis und Kennenmüssen eines von mehreren Gesamtvertretern allg gegen die jur Person wirken (BGHZ 42, 282, 287 für AG), praktisch besonders bei Anwendung der Frist des § 626 II, die BAG DB 1985, 237 in dem Zeitpunkt beginnen lässt, in dem ein für die Kündigung zuständiges Vorstandsmitglied Kenntnis der die Kündigung rechtfertigenden Tatsachen erlangt hat (i Erg zust Reuter Anm AP § 28 BGB Nr 1; dagegen Deutsch/Kahlo DB 1987, 581, die Kenntnis des gesamten Kollegialorgans verlangen). Die im Grundsatz gebotene Wissenszurechnung unabhängig davon vorzunehmen, ob ein Vorstandsmitglied das Wissen beruflich oder privat erlangt hat (BGH WM 1955, 830) und ob es an der betreffenden Rechtshandlung auch nur durch Mitwissen beteiligt war (BGHZ 109, 327, 331; BGH NJW 1995, 2159f), die zu einer umfassenden Zurechnung der in Kenntnis (oder Kennenmüssen) auch nur eines Organmitglieds geschehenen oder unterlassenen Handlungen führt, erschwert für den Verein eine Arbeitsteilung im Organ stark (zur Kritik Baumann ZGR 1973, 284; speziell zur Lage im Vereinsrecht Buck, Wissenszurechnung, 393ff). Eine Wissenszurechnung kommt allerdings in Betracht, wenn unter Berücksichtigung der jew Normsituation eine diesbzgl Organisationsobliegenheit der jur Person angenommen werden kann. Diese Wertezurechnung, die seit einiger Zeit von der Rspr vorgenommen wird (s BGHZ 132, 30; BGH ZIP 2001, 26) und letztlich auf eine Haftung nach § 31 hinauslaufen kann, geht auf den Gedanken zurück, dass die jur Person im Rechtsverkehr nicht besser stehen soll als die nat Person. Das Wissen eines ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds dem Verein zuzurechnen (BGH NJW 1990, 975), ist unbedenklich nur, wenn es hätte gespeichert oder den anderen Vorständen sonst zur Kenntnis gebracht werden müssen; dies lässt sich uU mit einer Analogie zu § 31 begründen.
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Bestellung und Geschäftsführung des Vorstands
(1) Die Bestellung des Vorstands erfolgt durch Beschluss der Mitgliederversammlung. (2) Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Die Widerruflichkeit kann durch die Satzung auf den Fall beschränkt werden, dass ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. (3) Auf die Geschäftsführung des Vorstands finden die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 entsprechende Anwendung. Die Mitglieder des Vorstands sind unentgeltlich tätig. 1. Bestellung zum Vereinsvorstand. Bestellung zum Vorstand ist die Berufung in das Amt, durch sie ent- 1 steht für den Bestellten die Vertretungsmacht. Die Bestellung muss dem Gewählten zur Kenntnis gebracht und von ihm akzeptiert worden sein; andernfalls sind bereits durch die korporationsrechtl Bestellung begründete Pflichten nicht erklärbar. Das ist heute hM (BGH NJW 1975, 2101; BayObLG 1981, 275, 277; NK/Heidel/Lochner Rn 4; PWW/Schöpflin Rn 2). Bedingte Bestellung ist nicht zulässig; darunter bringt Celle NJW 1969, 326 auch den Fall, dass neben der allg bestellten Vorstandsperson eine andere (Stellvertreter) für den Fall der Verhinderung des eigentlichen Vorstands bestellt wird (s auch § 26 Rn 4). Zulässig muss es sein, dass beide Bestellten nach außen allein vertretungsberechtigt sind, die Geschäftsführungsmacht des „Stellvertreters“ aber auf den Verhinderungsfall beschränkt ist. 2. Zuständigkeit für Bestellung und Anstellung. Die Regelung der Bestellungsart ist dispositiv, § 40, wes- 2 halb auch Bestellung durch ein besonderes Organ (Brandenburg MDR 2022, 967; Köln NJW 1992, 1048) oder durch Kooptation (dazu Hamm NZG 2008, 473; Bedenken dagegen bei Reichert Kap 2 Rn 1853) vorgesehen werden kann, solange gesichert ist, dass die Mitgliederversammlung diese Zuständigkeit wieder an sich ziehen kann, PWW/Schöpflin Rn 1, s auch Frankfurt OLG 1979, 5. Zulässig ist auch, dass die Satzung den Vorstand mittelbar bestimmt, zB dem jew Inhaber eines Amtes oder einer dritten Person (ebenso Widerruf) überlässt, unterstellt bei KG Rpfleger 2007, 82, wonach bei Wegfall dieses Dritten die Mitgliederversammlung zu wählen hat. Nicht ganz unbedenklich, wenn Frankfurt OLG 1981, 391, 392 eine Satzungsbestimmung zulässt, wonach der Westermann
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geschäftsführende Vorstand eines Vereins sich aus dem eines anderen zusammensetzt, weil hier entgegen der Satzungsautonomie der Verein zum Mittel der Durchsetzung der Sonderinteressen des Bestimmungsberechtigten werden kann, s auch § 25 Rn 2a. Bedenklich und nur bei Erhaltung der wesentlichen Selbstbestimmung zulässig ist Bestellung durch Dritte (KG Rpfleger 1974, 394f; BaRo/Schöpflin Rn 4), die allerdings nicht so weit gehen kann, dass die Entscheidung der Mitgliederversammlung völlig verdrängt wird, ohne dass der Dritte seinerseits organschaftlichen Bindungen an den Vereinsvorstand unterliegt, ähnl BVerfGE 83, 341. Zur Beschlusslage bei Vereinen im Bereich der Religionsgemeinschaften aber § 25 Rn 2b. Für die Wahl durch die Mitgliederversammlung gilt § 32, str, zT wird relative Mehrheit als ausreichend angesehen. Neben der Bestellung als der Berufung in das Amt des Vorstands kann eine Anstellung vorgesehen sein, die durch besondere Vereinbarung zustande kommt; ohne eine solche werden die Pflichten des Vorstandsmitglieds nach Abs III bestimmt. Der Abschluss eines Anstellungsvertrags, der etwa auch einen Vergütungsanspruch festlegen (RGZ 161, 74) und Kündigungsmöglichkeiten schaffen oder beschränken kann, begründet nicht alle Verhaltenspflichten des Vorstandsmitglieds, die sich vielmehr aus der Bestellung ergeben (MüKo/Leuschner Rn 7), sondern konkretisiert und ergänzt sie, ohne dass man den Anstellungsvertrag als Rechtsgrund der Bestellung anzusehen hätte. Die – auch im Kapitalgesellschaftsrecht – hM trennt zw Bestellung und Anstellungsvertrag (Fleck WM 1981 Beil 3, 1, 3; BGHZ 113, 237; Staudinger/Schwennicke Rn 3, 4; NK/Heidel/Lochner Rn 5), wenn auch im Zweifel das Bestellungsorgan auch für die Anstellung zuständig ist, das hierbei auf eine inhaltliche Abstimmung der Pflichten und Rechte aus Be- und Anstellung zu achten hat; für eine noch stärkere Zusammenfassung der Aspekte zu einem „Geschäftsleitervertrag“ Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, 37ff. Zur Vergütung s Rn 6. Bei gemeinnützigen Vereinen ist nicht selten in der Satzung bestimmt, dass die Vorstandstätigkeit ehrenamtlich ist; dann sind Zahlungen zum Ersatz aufgewendeter Arbeitszeit rechtswidrig, BGH ZIP 2008, 923. Die Zuständigkeit für Bestellung und Anstellung liegt mangels abw Satzungsbestimmung bei ein und demselben Organ, im Verein also bei der Mitgliederversammlung (BGHZ 113, 237 = BGH JZ 1991, 1090 m Anm Hirte; s auch Reuter Kurzkomm EWiR § 27 BGB 1/91; Baums ZGR 1993, 141ff). Das wird mit dem engen sachlichen Zusammenhang der beiden Entscheidungen (zT ist von einer Akzessorietät der Anstellungskompetenz die Rede, BGHZ 79, 38; Reuter, FS Zöllner, 1998, 487, 496ff) begründet; wenn für die Bestellung des Vorstands ein besonderes Organ geschaffen ist, so kann dessen Beurteilung der Eignung einer Person für das Vorstandsamt nicht durch den Vorstand als dem für die Anstellungsbedingungen Zuständigen unterlaufen werden (dem zust auch Baums ZGR 1993, 141, 143f). Dies wird allerdings nicht als zwingend angesehen (BGHZ 113, 237, 246; Baums ZGR 1993, 141, 145; aM wohl Hirte JZ 1991, 1095). Wenn danach die Mitgliederversammlung die Bestellung zu widerrufen hat, was zutrifft, wenn sie Bestellungsorgan ist (MüKo/Leuschner Rn 24), obliegt ihr auch die Ausschließung eines Vorstandsmitglieds, was Köln FG Prax 2009, 82 selbst dann aufrechterhält, wenn die Satzung für den Ausschluss ein anderes Organ vorsieht. Ist für die Abberufung „aus wichtigem Grund“ ein bestehender Aufsichtsrat zuständig, so soll diese Kompetenz nach LG Hamburg SpuRt 2007, 162 nur ausgeübt werden dürfen, wenn eine Entscheidung der Mitgliederversammlung nicht rechtzeitig herbeizuführen ist, was für die Großvereine des Profisports nicht passt (näher Grau SpuRt 2007, 168). 3 3. Person des Bestellten. Bzgl der Person des Bestellten ist das bestimmende Organ grds frei. Wegen Mitgliedschaft als Voraussetzung vgl § 26 Rn 3. Sonderrechte eines Mitglieds bei der Vorstandsbestellung sind möglich (RG JW 1911, 747); entgegen § 35 muss aber Entziehung, wenn nicht bei wichtigem Grund, so doch bei Missbrauch des Amts möglich sein. Ein beschränkt Geschäftsfähiger kann ohne Zustimmung des gesetzl Vertreters das Amt nicht annehmen (Staudinger/Schwennicke § 26 Rn 36). Bestellung einer jur Person (zu unterscheiden von der Bestellung des jew Organs der betreffenden jur Person) ist bei genügend ausgebildeter Identitätsausstattung zulässig (str, aber wohl hM, MüKo/Leuschner Rn 5; Staudinger/Schwennicke § 26 Rn 40ff; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 253; BaRo/Schöpflin Rn 3). 4 4. Ende des Amts, Widerruf der Bestellung. Häufig werden Vereinsvorstände für eine bestimmte Zeit bestellt, so dass mit dem Zeitablauf das Amt endet. Das begründet die Gefahr, dass zeitweise der Verein nicht ordnungsgemäß vertreten werden kann; deshalb sehen manche Satzungen vor, dass die Amtszeit des Bestellten andauert, bis ein Nachfolger bestellt ist. Im Interesse der Handlungsfähigkeit von Vereinen (dasselbe gilt für Stiftungen) ist am Rande der umfangreichen Gesetzgebung zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie in Art 2 § 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenzund Strafverfahrensrecht (COVMG, BGBl I 2020, 571), der auch noch weitere vereinsrechtl Bestimmungen enthält (§ 32 Rn 2, 3), vorgesehen, dass auch ohne entspr Satzungsregelung ein am 27.3.2020 amtierendes Vorstandsmitglied auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt bleibt. Nach der Übergangsregelung des § 7 V COVMG idF V Art 15 AufbhG 2021 v 10.9.2021 (BGBl I 2021, 4147) galt diese Regelung für bis zum Ablauf des 31.8.2022 ablaufende Bestellungen von Vorständen. Nach diesem Zeitpunkt nicht neu bestellte Vorstände bleiben bis zur Abberufung oder Neubestallung eines anderen Vorstands im Amt (Otte MDR 2023, 7, 11). Unabhängig davon kann weiterhin eine Widerrufsmöglichkeit bestehen, Rn 4a. Sieht die Satzung vor, dass Vorstandsmitglieder nach Ablauf ihrer Amtszeit im Amt bleiben, bis ein neuer Vorstand gewählt ist und das Amt angenommen hat, gilt dies ohne zeitl Begrenzung und inhaltliche Beschränkung (Schleswig ZStV 2023, 11). 4a Die Widerrufsmöglichkeit ist nicht zu beseitigen, wohl aber einzuschränken (RGZ 61, 328; MüKo/Leuschner Rn 23), sie darf nur nicht praktisch ausgeschlossen werden (RGZ 75, 238, Entscheidung zum alten Aktienrecht). Bei Beschränkung des Widerrufs auf wichtige Gründe kann die Satzung eine gerichtliche Prüfung des Grundes 170
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wie bei der sonstigen Kontrolle von Vereinsakten (§ 25 Rn 4) wohl beschränken, nicht aber ausschließen. Bzgl Eintragung im Register s § 67; bei einem Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Abberufung vertritt ein satzungsmäßiger Aufsichtsrat den Verein entspr § 112 AktG (LG Hamburg SpuRt 2007, 167). Wenn die dem Abs II S 1 entspr freie Widerruflichkeit satzungsmäßig eingeschränkt ist, ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Abberufung Wirksamkeitsvoraussetzung, wobei es für die Formulierung des Abs II S 1 Hs 2 entscheidend immer auf die Zumutbarkeit ankommt (Karlsruhe NZG 1998, 111; PWW/Schöpflin Rn 3). Für den Widerruf ist die für die Bestellung vorgesehene Stelle zuständig, die Beendigung einer bestehenden Organstellung führt nicht automatisch (wohl aber bei entspr Satzungsvorschrift) zum Ende des Anstellungsverhältnisses, auch nicht zum Übergang eines bestehenden Dienstverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis, so dass für die Prüfung der Gültigkeit der Kündigung des Organverhältnisses nicht die Arbeitsgerichte zuständig sind (BAG NJW 1996, 614). Die Rspr zieht Konsequenzen aus dem von ihr gesehenen engen Sachzusammenhang zw Be- und Anstellung (dazu Rn 2) auch für die jew Kündigung, indem nach Beendigung der Organstellung die Kündigung des Anstellungsverhältnisses wiederum der Mitgliederversammlung oder einem eigens geschaffenen Organ, jedenfalls nicht dem Vorstand, obliegt (BAG NJW 1996, 614 unter Hinw auf BGH WM 1990, 630 und unter Aufgabe von BGHZ 47, 341, 344 für die AG). In letzterem Urteil hält der BGH diese Konsequenz auch für die Beendigung der Beziehungen zu einem nicht wirksam bestellten, aber „faktisch“ als Vorstand Tätigen durch, wobei auch klargestellt wird, dass es hierfür doch einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des zuständigen Organs bedarf (zust Baums ZGR 1993, 141, 147 mit der Ergänzung, dass bei wirksamer Bestellung das für die Anstellung zuständige Organ das Vorstandsmitglied zugleich abberufen und den Anstellungsvertrag kündigen muss). Somit kann im Widerruf der Bestellung auch die Kündigung eines Anstellungsverhältnisses liegen. Eine hierauf bezogene Regelung des Anstellungsvertrags durch ein hierfür geschaffenes Organ ist nicht möglich, wenn das Vorstandsmitglied noch nicht abberufen ist (BGHZ 79, 38). Wird eine für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses einzuhaltende Frist (etwa des § 626 II) versäumt, so ist der Widerruf dennoch wirksam. Eine satzungswidrige Bestellung bleibt wirksam, bis die Bestellung widerrufen oder das Amt niedergelegt ist (Brandenburg MDR 2022, 967; Schleswig ZStV 2023, 11). 5. Amtsniederlegung. Amtsniederlegung muss, um der Beziehung Vorstand/Verein als Vertrauensverhältnis 5 gerecht zu werden, möglich sein. Wenn im Schrifttum (Staudinger/Schwennicke Rn 41ff; s auch Soergel/Hadding Rn 16) die Wirksamkeit der Amtsniederlegung vom Innenverhältnis abhängig gemacht wird (vgl §§ 626, 627, 671, 675 mit der Unterscheidung von entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit), so würde dies bedeuten, dass ein entgeltlich tätiges Vorstandsmitglied sein Amt aus wichtigem Grund niederlegen kann (BGHZ 78, 82, 84; Hamm OLG 1988, 411, 413). Eine zur Unzeit und grundlos erfolgte Niederlegung kann dann zum Schadensersatz verpflichten (BGHZ 121, 257). Demggü wird aber vertreten, dass das Vorstandsmitglied das Amt jederzeit und fristlos auch ohne wichtigen Grund niederlegen kann (für die GmbH BGHZ 121, 257, dem für den eV folgend MüKo/Leuschner Rn 31); im Einzelfall kann dies aber eine aus dem Anstellungsverhältnis stammende Treupflicht verletzen, was für den Fall schon bejaht worden ist, dass alle Vorstandsmitglieder gleichzeitig ihr Amt niederlegen (München DNotZ 2011, 149). Sonstige Beendigungsgründe kann die Satzung bestimmen, zB Ende der Mitgliedschaft (auch Ausschließung), Ende der bestimmten Amtsdauer. Mit dem Eintritt des Tatbestandes endet dann die Organstellung automatisch (München WM 1970, 770). Zum Verhältnis zu Dritten s § 68. Die Amtsniederlegung ist gegenüber der Mitgliederversammlung oder einem anderen vertretungsbefugten Vorstand zu erklären (BGHZ 121, 257); fehlt ein solches, hat der Niederlegende gem § 29 Bestellung eines Notvorstandes zu betreiben (Wagner NZG 2015, 1382). 6. Verweisung auf Auftragsrecht. Abs III ist durch das EhrenamtsstärkungsG v. 21.3.2013 mWv 1.1.2015 um 6 den S 2 erweitert worden. Hiermit ist die Unklarheit beseitigt, die dadurch entstanden war, dass die über Abs III anwendbaren §§ 664–670 zwar einen Aufwendungsersatzanspruch, aber keine Vergütung vorsehen. Eine Vergütung kann aber durch die Satzung bestimmt werden, da nach § 40 S 1 auch von § 27 III abgewichen werden kann. Ohne eine solche hinreichend bestimmte Satzungsregelung kann keine Vereinbarung über eine Vergütung getroffen werden (Begr RegE BT-Drs 17/11316, 16), der Vorstand kann auch iRd Aufwendungsersatzanspruchs keine Tätigkeitsvergütung beanspruchen (BGH NJW-RR 1988, 745; MüKo/Leuschner Rn 60). Die Mitglieder eines Verwaltungsrats sollen nach BGH NJW-RR 1988, 745 ehrenamtlich tätig sein, doch muss auch insoweit die Satzung Abweichendes bestimmen können. IÜ macht die Verweisung auf das Auftragsrecht, die auch bei entgeltlicher Tätigkeit gilt, das Verhältnis noch nicht zum Auftrag. Angesichts der Breite der möglichen Tätigkeiten und Pflichten von Vorstandsmitgliedern passt am besten die Qualifikation als Geschäftsbesorgungsvertrag, der je nach der Regelung der Entgeltfrage mehr Auftrags- oder mehr Dienstvertragscharakter hat (ähnl NK/Heidel/ Lochner Rn 5). Zur Feststellung der Angemessenheit einer Vergütung kommt es auf den Vereinscharakter an, bei gemeinnützigen Vereinen kann die in § 55 I Nr 3 AO geregelte Unverhältnismäßigkeitsschwelle Hinweise geben, zur steuerrechtl Bewertung FG MV npoR 2017, 269ff; zur Prüfung überhöhter Vergütungen BGH ZIP 1988, 427 (dazu Reuter EWiR § 27 BGB 1/88). Wenn die konkrete Tätigkeit des Verbandes als fremdbezogen, in einen Betrieb eingeordnete und uU auch weisungsgebundene „Beschäftigung“ iSd § 7 I SGB IV anzusehen ist, besteht auch Sozialversicherungspflicht (BSGE 111, 257; BSG NZA-RR 2002, 494), was auch durch die grundsätzliche Ehrenamtlichkeit offenbar nicht verhindert wird (zu den Einzelheiten Plagemann/Hesse NJW 2015, 439ff). Der Vorstand ist der Mitgliederversammlung auskunftspflichtig, sofern dies zur sachgemäßen Erledigung von Tagesordnungspunkten notwendig ist (LG Stuttgart NJW-RR 2001, 1478 für die Beschlussfassung über Entlastung); dies gilt auch gegen den Vorstand eines Dachverbandes (BGHZ 152, 339; ähnl NK/Heidel/Lochner Rn 18). Inhaltlich Westermann
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umfasst die Auskunftspflicht alle Vereinsangelegenheiten; den Mitgliedern können Informationen nicht als geheimhaltungsbedürftig vorenthalten werden, weil ihrer Versammlung die letzte Entscheidung obliegt (MüKo/ Leuschner Rn 53). Zur Pflicht, die Namen der Mitglieder bekanntzugeben, § 25 Rn 1. Die auch hier zu beachtende Trennung von Be- und Anstellung bezieht BGHZ 113, 237 auf die Frage der Auflösung eines (etwa mangels Anstellungskompetenz des Vorstands) fehlerhaften, aber zeitweilig durchgeführten Anstellungsverhältnisses, stellt dafür aber (fast zu hohe) Anforderungen an das Vorliegen einer konkludenten Zustimmung des für die Anstellung eigentlich zuständigen Vereinsorgans; die Lehre vom fehlerhaften Verband kann zur vorläufigen Anerkennung einer faktischen Organstellung führen (Baums, Geschäftsleitervertrag, 1987, 153ff, 204ff). Der Vorstand kann Aufgaben an Dritte delegieren, darf dabei aber nicht die Grenze zu einer Delegation seiner Kernkompetenzen überschreiten (Brandenburg NZG 2022, 929; zur Differenzierung zw nicht delegierbaren Leitungspflichten und delegierbaren sonstigen Geschäftsführungsaufgaben Leuschner NZG 2023, 256). 7 Eine Verletzung der Geschäftsführungspflichten und somit eine Schadensersatzpflicht für die Verletzung der Geschäftsführerpflichten kann in Ermangelung spezieller gesetzl Grundlagen aus § 280 I abgeleitet werden (BeckOGK/Schöpflin Rn 111; MüKo/Leuschner Rn 64). Eine schuldrechtl Grundlage kann wenn nicht im Anstellungs-, so im Organschaftsverhältnis gesehen werden; für § 667 als Grundlage BGH NJW 1997, 47. Gehaftet wird dem Verein, nicht den Mitgliedern gegenüber, aber gesamtschuldnerisch (MüKo/Leuschner Rn 83) für jedes Verschulden. § 708 gilt nicht, BGH NJW-RR 1986, 572, 574; Zusammenstellung des Schrifttums zum Verein bei Linnenbrinck SpuRt 2000, 55. Als Haftungsmaßstab auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitglieds eines Vereins der fraglichen Art abzustellen, hilft angesichts der Vielfalt der Vereine nicht viel weiter, die Anforderungen können nur dem konkreten Anstellungs- und Organverhältnis entnommen werden, die Verweisung des Abs III auf § 670 bedeutet, dass es darauf ankommt, was der Vorstand in einer konkreten Situation für erforderlich halten durfte (erwogen werden auch Analogien zu § 93 I 2 AktG, MüKo/Leuschner Rn 72), besonders unter Anwendung der business-judgment-rule bei unternehmerischen, dh von Unsicherheiten nicht freien, Entscheidungen (Heermann NJW 2016, 1687, 1689ff). 7a Haftungsfälle können sich nach neuerdings vordringender Sichtweise auch aus der Verletzung der auf Compliance bezogenen Pflichten ergeben. Der Vorstand hat nicht nur in seiner eigenen Entscheidungstätigkeit Gesetze und Rechtsregeln zu beachten, sondern ist auch gehalten, alle Mitarbeiter und Organmitglieder auf die Einhaltung zu kontrollieren und eine Organisation der Vereinstätigkeit aufzubauen, die Compliance-Verstößen vorbeugt und geschehene sanktioniert, was allerdings zu standardisierten Maßnahmen nicht ohne Ansehung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse des Vereins zwingt (Schockenhoff NZG 2019, 281, 283; Fleischer NZG 2014, 321, 325; Goette ZHR 2011, 388, 386; strenger U.H. Schneider ZIP 2003, 648); manche billigen dem Vorstand diesbzgl ein gewisses Ermessen zu (Balke ZIP 2017, 2041; Paefgen WM 2016, 437; diff Schockenhoff 284), was nur überzeugt, wenn die Grundlage der Compliance-Pflichten aus Analogien zu §§ 76, 93 AktG hergeleitet wird, während im Verein für die aus der Geschäftsführungspflicht folgende Compliance-Verantwortung der Haftungsmaßstab des § 276 gilt. Besonderes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang der Vermeidung von Ordnungswidrigkeiten (mit den Folgen des § 130 OWiG) zu, Schockenhoff 286. In Insolvenznähe steigen die Anforderungen an die Umsicht des Vorstands erheblich (näher § 42 Rn 6). Eine Satzungsbestimmung, aber auch ein Beschluss der Mitgliederversammlung kann zum Abschluss einer auch Compliance-Verstöße deckenden D+O-Versicherung berechtigen (Schockenhoff 290ff); zur Delegation von Compliance-Pflichten § 30 Rn 2. Zur Compliance-Verantwortung für Verbandsmitglieder, die nicht selbstverständlich ist, sich aber aus der Pflicht zur Abwendung von Schäden beim Mutter-Verein ergeben kann, Hauschka/Moosmayer/Lösler/Brouwer, Corporate Compliance, 2016, 27ff; Schockenhoff 284. 8 Bei Aufteilung der Geschäftsführung innerhalb des Vorstands nur bei wirtschaftl (nur als Nebenzweck erlaubter) Tätigkeit ist eine gegenseitige Aufsichtspflicht der Vorstandsmitglieder denkbar, falls nicht schon die Satzung gegenseitige Kontrolle zum Gegenstand der Pflichten macht, die dann aber auch eine Beschränkung der Verantwortung auf ein Ressort verfügen kann (Stöber/Otto Rn 557), Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten in einem anderen Ressort – auch von Compliance-Verstößen – hat aber jedes Vorstandsmitglied nachzugehen, näher Heermann NJW 2016, 1687f. Hat sich das Vorstandsmitglied bei einer Entscheidung über einen internen, nicht in der Satzung verankerten Vorstandsbeschluss hinweggesetzt, so begründet dies nicht ohne weiteres seine Ersatzpflicht (BGH NJW 1993, 191). Die Verweisung auf das Auftragsrecht bedeutet ferner, dass die Mitgliederversammlung dem Vorstand auch für einzelne Geschäfte Weisungen erteilen kann (Staudinger/Schwennicke Rn 73ff). Ansprüche gegen ein Vorstandsmitglied können nur vom Verein, nicht aber von einem Mitglied geltend gemacht werden (Düsseldorf MDR 1983, 488). Hat der Verein für seine Organe eine Vermögenshaftpflichtversicherung abgeschlossen, kann dem Vorstandsmitglied ein Freistellungsanspruch zustehen (LG Bonn NJW-RR 1995, 1435). Wenn der BFH (BB 1998, 1934, NZG 1998, 861; s auch NZG 2003, 734; zur Haftungsbegrenzung BGHZ 133, 370, 376; BGH ZIP 2002, 261) die persönliche Verantwortung jedes – auch eines ehrenamtlich tätigen – Vorstandsmitglieds für die Abführung aller vom Verein geschuldeten Steuern wie die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers bestimmt, dabei § 43 GmbHG entspr anwendet und auch eine gegenseitige Überwachungspflicht mehrerer Vorstandsmitglieder annimmt, so sprechen hiergegen Bedenken bzgl der Ausweitung des Gläubigerschutzes zu besonderen Privilegien einer Gläubigergruppe (Darstellung und Kritik bei H.P. Westermann, FS Fikentscher, 1998, 456ff); ohnehin sind die Anforderungen an GmbH-Geschäftsführer auf Vorstände eines Idealvereins regelmäßig nicht übertragbar (aA Heermann, FS Röhricht, 2005, 1191, 1197).
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Juristische Personen – Vereine
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Die Entlastung des Vorstands in der Mitgliederversammlung bedeutet Verzicht auf bekannte und aus dem Re- 9 chenschaftsbericht erkennbare Ansprüche auf Ersatz aus der Geschäftsführung (BGHZ 24, 47, 54), allerdings nur insoweit, als das entlastende Organ die Tragweite der ihm abverlangten Entscheidung aufgrund der ihm erteilten Information überblicken konnte (BGHZ 80, 69, 74; 94, 324; 97, 382; BGH NZG 2005, 562). Die Entlastung erfasst also nicht solche Ansprüche, die aus den den Mitgliedern zugänglichen Unterlagen bei sorgfältiger Prüfung nicht ersichtlich sind, dabei sind die Erkenntnismöglichkeiten eines Rechnungsprüfers nicht zuzurechnen (BGH ZIP 1988, 706). Entlastungswirkungen treten nicht ein, wenn der Beschluss von Irrtum oder Unkenntnis bedeutender Umstände beeinflusst ist (BGH NJW-RR 1988, 745). Aufgrund der Entlastung erlöschen Schadensersatz- wie Bereicherungsansprüche, auch Kündigungsgründe können nicht mehr geltend gemacht werden. Beim Beschluss der Mitgliederversammlung haben die Vorstände kein Stimmrecht. Bei ordnungsmäßiger Geschäftsführung besteht Anspruch auf Entlastung, wobei es nicht auf eine satzungsmäßige Festlegung des Anspruchs ankommt (anders Celle NJW-RR 1994, 1545; Köln NJW-RR 1997, 483; BGHZ 94, 324, 329; Sauter/ Schweyer/Waldner Rn 289; wie hier BGHZ 24, 47, 54); gegen die Behauptung des Bestehens von Ersatzansprüchen kann sich ein entlasteter Vorstand mit negativer Feststellungsklage wehren, BGHZ 94, 324, 329.
§ 28
Beschlussfassung des Vorstands
Bei einem Vorstand, der aus mehreren Personen besteht, erfolgt die Beschlussfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32 und 34. 1. Kollegialprinzip. Bei mehrgliedrigem Vorstand gilt das Kollegialprinzip, die Verweisung auf § 32 bedeutet 1 ua nach § 32 I 3, dass bei Beschlussfassung das Mehrheitsprinzip gilt. Ferner folgt hieraus Ladungspflicht zur Vorstandssitzung unter Nennung der Beschlussgegenstände (Ausnahme § 32 II). Gemeint ist damit die Willensbildung im Innenverhältnis (MüKo/Leuschner Rn 1; Reichert Kap 2 Rn 2547; Schwarz Rpfleger 2003, 1, 3; Staudinger/Schwennicke Rn 3). Wirksame Vertretung im Außenverhältnis setzt nur voraus, dass dort vertretungsberechtigte Vorstände in satzungsgemäß ausreichender Zahl tätig werden, ohne dass dafür ein gültiger Vorstandsbeschluss erforderlich ist (BGHZ 69, 252; BayObLG 1976, 230, 239; KGRp 2006, 601; NK/Heidel/Lochner Rn 6). Das ist ohne Gefahren für den Rechtsverkehr möglich, da die Vertretungsregelung (nicht nur eine vom Gesetz abw) im Vereinsregister eingetragen werden muss. Nach § 40 S 2 kann im Hinblick auf die Beschlussfassung des Vorstands von § 34, also den Bestimmungen über Stimmverbote von Mitgliedern, auch für die Abstimmung im Vorstand, satzungsmäßig nicht abgewichen werden. Die Annahme (KGJ 32 A 187), eine Bevollmächtigung einzelner Vorstandsmitglieder durch andere sei möglich, stößt auf das Bedenken, dass hinter einer einen mehrköpfigen Vorstand fordernden Satzungsbestimmung die Vorstellung gestanden haben kann, die Auffassungen jedes einzelnen von ihnen in die Entscheidung einfließen zu lassen, so dass nur Stimmbotenschaft angeht; das hat in einem die Anwendung der Norm im Stiftungsrecht betr Fall ein VG anders gesehen (zust Hüttemann/ Rawert, FS K. Schmidt I, 2019, 543ff), wobei aber unbeachtet blieb, dass selbst eine Satzungsregelung, die den Mitgliedern eines mehrköpfigen Vorstandes gegenseitige Vertretungsbefugnis einräumt, nicht zugelassen wird (§ 26 Rn 4). Daran scheitert dann auch eine Stimmrechtsübertragung auf einen Dritten (Hamm OLG 1978, 26, 29; für Unzulässigkeit der Vertretung durch Nicht-Vorstandsmitglied PWW/Schöpflin Rn 1). Sieht die Satzung Gesamtvertretung vor, so ist eine dem ersten Vorsitzenden erteilte Ermächtigung zur Alleinvertretung nichtig (München NJW-RR 1991, 893). § 28 gilt aber nur für die Bildung rechtsgeschäftlichen Willens (RGZ 53, 231; 57, 93; 59, 400). 2. Beschlussfassung. Beschlussfassung (einschl Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen) ist not- 2 wendig für die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Vorstands (Schleswig NJW 1960, 1682 mit Annahme der Nichtigkeit des Beschl als Folge des Fehlens der Ladung eines Vorstandsmitglieds ohne Rücksicht auf die Kausalität seiner Stimmabgabe). Wenn der Vorstand vollständig erschienen ist, können im allseitigen Einverständnis auch ohne Einhaltung der Vorschriften über Ladung und Mitteilung der Tagesordnung wirksame Beschl gefasst werden, es genügt auch, wenn sich trotz eines Einberufungsmangels alle Vorstandsmitglieder mit der Beschlussfassung einverstanden erklären (Reichert Kap 2 Rn 2542). Eine Abstimmung kann bei ordnungsmäßiger Information und im allseitigen Einverständnis der Mitglieder auch im Umlaufverfahren, nach neuerem Verständnis (MüKo/Leuschner Rn 4) auch durch Telefon- oder Videokonferenz stattfinden. Stimmabgabe als Willenserklärung nach allg Vorschriften anfechtbar, damit ist aber nicht ohne weiteres aufgrund des Beschl erfolgte Außenhandlung unwirksam, vielmehr nur dort, wo der Beschl ein notwendiger Bestandteil des weiteren Tatbestandes ist.
§ 29
Notbestellung durch Amtsgericht
Soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstands fehlen, sind sie in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten von dem Amtsgericht zu bestellen, das für den Bezirk, in dem der Verein seinen Sitz hat, das Vereinsregister führt. 1. Bedeutung. Die Vorschrift bezeichnet eine Folgerung aus dem notwendigen Vorhandensein eines Vor- 1 stands, der Mitglieder in vertretungsberechtigter Zahl umfassen muss. Bestellung eines Treuhänders für jur Person ist ohne gesetzl Grundlage unzulässig (BGH BB 1956, 415), jedoch gilt § 29 auch für den in Liquidation befindlichen Verein (BayObLG Rpfleger 1987, 250), während für einen gem § 42 I 1 aufgelösten Verein bei drinWestermann
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Personen
gendem Bedürfnis, etwa bei Führungslosigkeit, ein Notliquidator (§ 48) zu bestellen ist, Zweibrücken NZG 2014, 586. Zur Notvorstandsbestellung für Stiftung Hamm NZG 2014, 271; Muscheler, FS Reuter, 2010, 225. § 29 wird für die Kapitalgesellschaften entspr angewendet und spielt bei der GmbH eine erhebliche praktische Rolle, dazu H.P. Westermann, FS Kropff, 1997, 681ff; Bauer Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006; Kögel GmbHR 2012, 772; zur AG und § 85 AktG BGH NZG 2011, 1277; BGHZ 86, 177. Zur GmbH&Co KG BayObLG WM 1977, 408; Soergel/Hadding Rn 3. Bei politischen Parteien wird uU ein Parteischiedsgericht vorrangig tätig werden können (Hamm NJW-RR 1989, 1532; s aber auch Hahn NJW 1973, 2012), das heißt aber nicht, dass § 29 ganz ausschiede (MüKo/Leuschner Rn 6). 2. Anwendungsbereich. Fehlen (auch durch andauernde Krankheit, Ablauf der Amtszeit, Abwesenheit oder Amtsenthebung, Frankfurt BB 1986, 1601; LG Bonn Rpfleger 1987, 460), Entziehung der Vertretungsbefugnis (BayObLG NJW-RR 1986, 523) oder auch Behinderung des Vorstands bzw Ausfallen der erforderlichen Anzahl an Mitgliedern des Vorstands (KG NZG 2022, 1736), so dass Vertretungsmöglichkeit fehlt, nicht aber, wenn ein nach der Satzung für die Bestellung zuständiger Dritter ausgefallen ist (KG Rpfleger 2007, 92). Die Notbestellung muss zwingend erforderlich sein, um Schaden für den Verein oder Dritte abzuwenden (KG NZG 2022, 1736; für GmbH-Geschäftsführer Karlsruhe GmbHR 2022, 704: „ultima ratio“). Bei bloßer Untätigkeit des vorhandenen Vorstands sind Maßnahmen durch die Mitgliederversammlung zu ergreifen, zB Anweisung, notfalls Widerruf und Neubestellung, Frankfurt NJW 1966, 50; GmbHR 2001, 436, anders für den Fall, dass ordentliche Vorstandsmitglieder unter Berufung auf wirksame Amtsniederlegung und Ungültigkeit ihrer Bestellung die Vereinstätigkeit verweigern (Schleswig NZG 2013, 584); anders bei abgelaufener Bestellung und fortbestehender Eintragung, keine Notbestellung erforderlich (Brandenburg npoR 2020, 260). Nach BGH NZG 2014, 1302 ist ein Vorstandsmitglied, das niederlegen will, in solchen Fällen verpflichtet, gem § 29 die Einsetzung eines Vorstandsmitglieds zu beantragen, dem ggü er dann seinerseits die Niederlegung erklären kann. Umstr ist die Folge einer grds Handlungsverweigerung eines einzelnen, aber unentbehrlichen Mitglieds (für Anwendbarkeit des § 29 KG JW 1937, 1730; MüKo/Leuschner Rn 11; abl Muscheler, FS Reuter, 2010, 225, 231). Bloße Differenzen der Organe und ihrer Vertreter oder unsachgemäße Tätigkeit des amtierenden Vorstands reichen nicht aus (BayObLG Rpfleger 1983, 74; ZIP 1997, 1785, näher H.P. Westermann, FS Kropff, 1997, 681, 683ff; Kögel NZG 2000, 20; anders für Ausnahmefälle München Rpfleger 2008, 140), ebensowenig bloße Dringlichkeit der Einberufung einer Mitgliederversammlung, solange der Vorstand dies tun kann (LG Düsseldorf Rpfleger 1987, 72f, das aber Nichtigkeit der Vorstandswahl ausreichen lässt). Die Mitgliederversammlung kann idR auch einen Dritten bestellen, was wie auch bei der GmbH die Einschaltung des Gerichts entbehrlich macht (Schodder EWiR 2012, 272). Vorgehen nach § 29 ist aber nötig, wenn dringende unaufschiebbare Maßnahmen getroffen werden müssen (BayObLG Rpfleger 1996, 114 für GmbH; München Rpfleger 2007, 92). Die Voraussetzungen liegen auch vor, wenn sich das zuständige Organ (zur GmbH) nicht auf Geschäftsführer einigen kann, BayObLG NJW-RR 1999, 1259. Dringendes Bedürfnis für die Tätigkeit des Vorstands (BayObLG 1985, 24) fehlt, wenn mit der Maßnahme nach § 57 ZPO auszukommen ist (s Stuttgart MDR 1996, 198; Dresden GmbHR 2002, 165; dagegen Muscheler, FS Reuter, 2010, 225, 232f), besonders auch dann, wenn die jur Person im Insolvenzverfahren keine Organe mehr hat (Kutzer ZIP 2000, 654 gegen Köln ZIP 2000, 280, das auch hier einen Notgeschäftsführer – für GmbH – fordert), wie hier auch Zweibrücken ZIP 2000, 973 m Anm Hohlfeld GmbHR 2001, 573. Der mögliche Weg über § 29 schließt eine Lösung über die Bestellung eines Prozesspflegers nicht aus, Zweibrücken GmbHR 2007, 544, doch wird die Maßnahme nach § 57 ZPO als vorzugswürdig angesehen, München NZG 2008, 160, nicht dagegen ist für ein abwesendes Vorstandsmitglied ein Abwesenheitspfleger zu bestellen (KG JR 1950, 343). Eine Bestellung nach § 29 kommt auch nicht in Frage, wenn anzunehmen ist, dass die Mitglieder in der Lage sein werden, rechtzeitig einen Vorstand zu bestellen (BayObLG DB 1995, 2364) oder wenn ein Vertretungsmangel durch die Zuwahl eines Gesamtvertretungsberechtigten behoben werden kann (BayObLGE 1989, 298). Die Bestellung ist immer nur vorübergehende bzw vorläufige Hilfsmaßnahme (BayObLG Rpfleger 1987, 251), wobei aber die zur Bestellung zwingende Notlage auch lange Zeit andauern kann und die bloße Zeitdauer keinen Grund für eine Abberufung darstellt (Düsseldorf ZIP 1997, 846 für GmbH). IÜ kann die Amtsdauer im Bestellungsbeschluss bestimmt werden, zur Beendigung durch Beschluss Rn 4. Die Bestellung geschieht auf Antrag eines Beteiligten (Mitglied, Vertragspartner usw), wobei die Mitgliedschaft des Antragstellers bis zur Bestellung fortbestehen muss (BayObLG NJW-RR 1994, 832); ein „Ruhen“ der Mitgliedschaft schadet nach Düsseldorf NZG 2012, 272 nicht. Die besonders bei Handelsgesellschaften wichtige Antragsberechtigung von Personen, deren Rechte und Pflichten durch die beantragte Bestellung unmittelbar beeinflusst würden (BayObLZ 1971, 180), besteht nicht, wenn sich der Antragsteller ohne weiteres selbst helfen könnte (Frankfurt NZG 2014, 331 unter Hinw auf Besuch bei in U-Haft befindlichem GmbH-Geschäftsführer). Ferner ist der Antrag zurückzuweisen, wenn sich keine geeignete und zur Übernahme bereite Person findet, München, Rpfleger 2007, 92. BayObLG NJW-RR 1989, 265 hat die Einsetzung eines Notvorstands von Amts wegen (dazu iÜ §§ 73, 74) zugelassen, der allerdings das Ausscheiden eines im Vereinsregister eingetragenen Vorstandsmitglieds lange nach Auslaufen seiner Amtszeit anmelden sollte, und in der sicheren Annahme, dass keiner der Beteiligten einen entspr Antrag stellen werde. Es handelt sich dabei weniger um eine Maßnahme nach § 29 als um eine Bereinigung des Vereinsregisters. 3. Notbestellungsbeschluss. Der Bestellungsbeschluss muss dem Antragsteller bekanntgegeben werden, § 41 FamFG, und da es dem Bestellten freisteht, die Bestellung anzunehmen, hat ihn das Registergericht zu verständigen (BayObLG NJW 1981, 996), erst mit seiner Annahme erlangt er die Organstellung (BayObLG NJW 1981, 174
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Juristische Personen – Vereine
§ 30
995; Hamm NJW-RR 2002, 1478). Auch bei Fehlerhaftigkeit ist der Beschl bis zur Aufhebung wirksam (RG JW 1918, 361), aber bei unzulässigem Inhalt unwirksam (KG JR 1950, 343). Bzgl Eintragung des Beschl s § 67 II. Gegen den Beschl steht neben dem Verein nur Vorstand und Vereinsmitgliedern ein Beschwerderecht zu (BayObLG NJW-RR 1997, 289), was auch bei Ablehnung einer Bestellung gilt, die der Bestellte nur zu erklären braucht, einer Beschwerde bedarf es dann nicht, München Beck-RS 2016, 05709; so auch Düsseldorf NZG 2016, 698; zum Verfahren § 38 IV Nr 2, §§ 58ff FamFG. Grds erhält der Bestellte die volle Vorstandsstellung, muss daher in der Satzung verlangte Qualifikationen besitzen (BayObLG Rpfleger 1992, 114). Beschränkung der Rechtsmacht auf einzelne Punkte möglich, was jedoch nur im Innenverhältnis wirkt, während nach außen keine Beschränkung besteht, §§ 64, 68, aber auch 70 (zum Ganzen BayObLG NJW-RR 1986, 523; s auch Düsseldorf ZIP 2002, 481; für Bestellung nur für konkret zu bezeichnende Aufgaben aber München, Rpfleger 2007, 92; abl Muscheler, FS Reuter, 2010, 225, 242). Sinnvoll kann es sein, die Vertretungsmacht auf die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu beschränken (BayObLG 1987, 29), wenn nicht das Verfahren nach § 57 ZPO einfacher wirkt. Nach Köln ZInsO 2002, 834 kann das Gericht sogar in Abweichung von Satzungsbestimmungen alleinige Vertretungsbefugnis erteilen. Dass das Amt automatisch mit Behebung des Mangels erlischt (BayObLG NZG 2002, 433; MüKo/Leuschner Rn 19), ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht anzunehmen, das Gericht kann den Notvorstand dann aber aus wichtigem Grund abberufen (Düsseldorf ZIP 2002, 481; Muscheler, FS Reuter, 2010, 225, 243). Der Bestellungsbeschluss schafft nur die Organstellung (BGHZ 24, 47, 51). Das Innenverhältnis kann vertragl geregelt werden (auch zw Amtsgericht und Bestelltem mit Wirkung für den Verein; sehr weitgehend BayObLG 1975, 260, 262), es wird aber auch angenommen, dass mit der Annahme des Amts schlüssig ein Anstellungsverhältnis begründet werde (Frankfurt FGPrax 2006, 81), sogar als entgeltliches, wenn die Tätigkeit nach den Umständen nur als entgeltliche zu erwarten ist (BayObLG 1975, 260, 262). Es wird angenommen, dass die Regelung der Vergütung nicht durch das Registergericht, sondern nur – auf Klage des Notvorstands – durch das Prozessgericht erfolgen könne (BayObLG NJR-RR 1988, 1500; anders BaRo/Schöpflin Rn 13). Der Prozessrichter darf die nach § 29 vorgenommene Vorstandsbestellung nicht auf ihre Erforderlichkeit und materielle Richtigkeit überprüfen (BGHZ 24, 51). Zu den Grenzen der Anwendung des § 29 auf die Personengesellschaft § 715 Rn 12.
§ 30
Besondere Vertreter
Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen sind. Die Vertretungsmacht eines solchen Vertreters erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt. 1. Funktion und Anwendungsbereich. Zweck des § 30 ist, für weitverzweigte jur Personen mit selbständigen 1 Einrichtungen eine entspr Organisation zu ermöglichen, weil die Mitgliederversammlung faktisch kaum mitwirken kann. § 30 gilt für alle jur Personen, auch die des öffentlichen Rechts; bei der AG ist die Kompetenz des Vorstands zwingend ausgestaltet, und bei den Personengesellschaften ist der dort geltende Grundsatz der Selbstorganschaft (§ 720 Rn 12) zu beachten, so dass § 30 außerhalb des Vereinsrechts nur geringe Bedeutung hat (im Einz MüKo/Leuschner Rn 3). Der besondere Vertreter ist Vereinsorgan nach innen und außen (PWW/Schöpflin Rn 1, zum Verhältnis zu den Vorstandskompetenzen Rn 3 aE). Vom Bevollmächtigten und vom Verrichtungsbzw Erfüllungsgehilfen unterscheidet er sich durch die satzungsmäßige Grundlage seiner Stellung, in die er durch Bestellungsakt berufen wird; eine Unterstellung unter die Oberaufsicht eines anderen Vereinsorgans steht aber seiner Eigenschaft als besonderer Vertreter nicht entgegen (BGH NJW 1977, 2260); nicht selten wird es gerade darum gehen, durch den besonderen Vertreter ein Gegengewicht gegen den allzuständigen Vorstand zu schaffen, wobei zu beachten ist, dass der Verein für Handlungen des besonderen Vertreters nach § 31 haften kann (MüKo/Leuschner Rn 4). Der besondere Vertreter kann für „wirtschaftliche, verwaltungsmäßige und personelle Angelegenheiten“ (München NZG 2013, 32) und für „laufende Geschäfte bzw laufende Angelegenheiten“ (KG NZG 2022, 1068) bestellt werden. Das gilt bei größeren Gewerbebetrieben für Abteilungsleiter und sonstige selbständige Personen, zB Leiter einer Zweigstelle einer Großbank (BGH NJW 1977, 2259), auch wenn sie auf die innere Geschäftsführung beschränkt sind (RGZ 163, 29). Auch einem Aufsichtsrat, der zur Kontrolle des Vorstands bestellt ist, können dann Aufgaben wie die Vertretung ggü dem Vorstand übertragen sein (LG Hamburg SpuRt 2007, 167); auch Personalunion zw Vorstandsmitglied und besonderem Vertreter wird zugelassen (Brouwer NZG 2017, 471, 484). 2. Einrichtung in der Satzung. Für die Bestimmung in der Satzung genügt die satzungsmäßige Begründung 2 der Einrichtung (RGZ 91, 1; 94, 318; 117, 61; BAG NJW 1997, 3261, dort auch zur ArbNEigenschaft), die Notwendigkeit eines besonderen Vertreters kann sich aus dem Gesamtinhalt der Satzung und der daraus ersichtlichen Bezeichnung eines nicht schon durch den Vorstand zu betreuenden Geschäftskreises ergeben (Staudinger/ Schwennicke Rn 6; so auch LG Chemnitz m Kurzkomm Gärtner/Rawert EWiR 2001, 795; krit MüKo/Leuschner Rn 4), so dass der Vorstand verpflichtet sein soll, einen besonderen Vertreter zu bestellen (BGHZ 39, 124, 129f); dafür reicht aber, wie die Rspr zT annimmt (RGZ 163, 21, 30), die obj zu fordernde Selbständigkeit der Stellung nicht aus (Soergel/Hadding Rn 5). Praktisch wirkt aber die Organisationspflicht (Rn 4) ähnl. Die Zuständigkeit zur Bestellung ergibt die Satzung, sonst § 27. Insbesondere kann die Compliance-Verantwortung einem besonderen Vertreter auferlegt werden, der, wenn er von der Mitgliederversammlung bestellt und mit der alleinigen Zuständigkeit betraut ist, den Vorstand von Haftungsrisiken stark entlastet, wenn er auch nicht von jeder KonWestermann
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trollpflicht frei ist (Brouwer NZG 2017, 480; Schockenhoff NZG 2019, 286). Es genügt auch, wenn die Satzung dem Vorstand die Delegation der Verantwortung auf einen besonderen Vertreter gestattet. Diese Befugnis muss in der Satzung nicht ausdrückl geregelt sein, sie kann sich auch durch Auslegung ergeben (KG NZG 2022, 1068NZG 2019, 289f). Die Eintragung des besonderen Vertreters ins Vereinsregister richtet sich nach § 64 (BayObLG NJW 1981, 2068). 3. Vertretungsmacht. Die Vertretungsmacht ist kraft Gesetzes auf die für den Geschäftskreis des Vertreters gewöhnlichen Geschäfte beschränkt. Weitere Einschränkung, selbst Ausschluss der Vertretungsmacht, durch die Satzung möglich; zögernd MüKo/Leuschner Rn 5; dafür Staudinger/Schwennicke Rn 32. Gutglaubensschutz, falls mit der betreffenden Stellung allg Vertretungsmacht verbunden zu sein pflegt, entweder bei Eintragung nach § 68, sonst nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht. Auch kommen Grundsätze der Repräsentantenhaftung in Betracht, dazu § 31 Rn 1. Auch wenn die Kompetenz des besonderen Vertreters allg bezeichnet werden kann, ist aber darauf zu achten, dass sie nicht den gesamten Bereich der Vorstandstätigkeit erfassen darf, da sonst eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands vorliegt (München NZG 2013, 32). 4. Kann-Vorschrift. § 30 ist bloße Kannvorschrift für die jur Person, s aber RG JW 1938, 3126 und RGZ 157, 235; 162, 166, die Organisationspflicht einer jur Person annehmen, die sie zwingt, für Tätigkeitsbereiche, insb wirtschaftl Art, die der Vorstand allein nicht mehr übersehen kann, ein besonderes Organ zu schaffen. Die von der Rspr entwickelte Organisationspflicht gilt für alle Gefahrenquellen, nicht nur für die Verkehrssicherungspflicht (BGHZ 27, 280, 283; s auch BGHZ 24, 200, 213; 39, 124, 130; 59, 76, 82). Wegen der Verletzung der Organisationspflicht haftet die jur Person für den Schaden so, wie wenn er durch einen unter §§ 30, 31 fallenden Vertreter herbeigeführt wäre.
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Haftung des Vereins für Organe
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. 1. Bedeutung und Anwendungsbereich der Norm. Ratio des § 31 ist die Gleichstellung der jur Person mit der natürlichen bzgl der Haftung für zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen außerhalb vertragl Verhältnisse, für die sonst immer nur nach § 831 gehaftet würde. Die Handlungen ihrer Organe sind der jur Person als ihre Handlungen zuzurechnen, gleichgültig ob man die Handelnden als Organ (Organtheorie) oder als Vertreter (Vertretungstheorie) der jur Person ansieht; § 31 wirkt in diesem System nicht haftungsbegründend, sondern haftungszurechnend (BGHZ 99, 298, 302; NK/Heidel/Lochner Rn 1). Dies bedeutet auch eine Haftung der jur Person neben der des Organs, Altmeppen NJW 1996, 1017ff. Weitergehend Kleindiek, Deliktshaftung und jur Person, 1997, 238ff, der neben der Haftungszurechnung als Grundlage des § 31 bei Pflichtverletzungen eine Eigenverantwortung der jur Person auch ohne ein Eigendelikt des Organs, an das angeknüpft werden müsste, bejaht und diesen Gedanken auch auf die Gesamthandsgemeinschaften einschl der GbR ausdehnt (aaO, 254ff). Das geht in die Richtung neuerer Gesetzesvorschläge zu einer eigenen strafrechtl Verantwortung von jur Personen. Dadurch, dass § 31 die Verantwortlichkeit des Personenverbandes über die (selbstverständliche) Haftung für Organe auf das Handeln „anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter“ ausdehnt, wird ein Schritt in Richtung auf eine allg Repräsentantenhaftung vollzogen, die dem Verein die Verantwortung für die selbständige Wahrnehmung seiner Aufgaben mit den zur Verfügung gestellten Mitteln durch eine dazu in Verfolgung des satzungsmäßigen Zwecks ordnungsgemäß eingesetzte Person auferlegt, s die Formulierungen bei BGH NJW 1977, 2259; 84, 922; Nürnberg WM 1988, 120; Zweifel bei MüKo/Leuschner Rn 2. Ob es sich dabei noch um Auslegung des § 31 oder um Analogie handelt (Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, 196ff), ist weniger wichtig als die Einsicht, dass die Verantwortung für deliktisches Handeln von Repräsentanten ein allg verbandsrechtl Prinzip bildet, dessen Geltung folglich nicht auf den Idealverein beschränkt ist. Die zu § 31 entwickelten Regeln werden auch im Rahmen des § 890 ZPO angewendet (Karlsruhe NJW-RR 1998, 1571). Den Ansatz beim Deliktsanspruch hat Köln (NJW-RR 1998, 756) auch für die Beurteilung der Haftung für das im Inland handelnde Organ einer ausländischen jur Person für entscheidend gehalten, hat dabei also das Deliktsstatut und nicht das Gesellschaftsstatut angewendet. Die Satzung kann die Haftung nicht ausschließen, § 40. Vertragl Ausschluss ist im Einzelfall im Rahmen des § 278 möglich, nicht aber für Vorsatz, da Handeln des Organs als Handeln der jur Person selbst gilt (BGH NJW 1973, 456). Zum Haftungsausschluss durch AGB s § 309 Nr 7. Zur Haftung der Organpersonen gegenüber dem Verein § 27 Rn 7, bei ehrenamtlich Tätigen oder nur geringfügig Besoldeten mit den Modifikationen durch § 31a. § 31 gilt für die jur Personen des bürgerlichen, des Handelsrechts und des öffentlichen Rechts, § 89, und wird darüber hinaus auch auf die Personenhandelsgesellschaften einschließlich der Partnerschaftsgesellschaft wegen ihrer eigenständigen Rechtsträgerschaft angewandt (BGH NJW 1952, 537; 1973, 456; 1998, 148; NK/Heider/Lochner Rn 3) für die KG BGH VersR 1962, 168, und für die Gründungsgesellschafterin eines Fonds (im Hinblick auf Prospekthaftung BGH NJW 2006, 2410); auf das Vorliegen einer körperschaftlichen oder einer personalistischen Verfassung kommt es nicht an. Somit kann iSd § 31 auch ein nicht oder jedenfalls nicht allein vertretungsberechtigter Gesellschafter deliktisch gehandelt haben, bzgl des nicht rechtsfähigen Vereins s § 54 Rn 11. Die Haftung einer BGB-Außengesellschaft für Delikte ihrer zur Geschäftsführung oder Vertretung befugten Gesellschafter ist seit BGHZ 154, 88, 93; BGH NJW 2007, 2490 (s auch BGH WM 2003, 1821) anerkannt (K. Schmidt 176
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Juristische Personen – Vereine
§ 31
NJW 2003, 1897, 1898; H.P. Westermann/Wertenbruch, Hdb der Personengesellschaften I 906a; krit noch Altmeppen NJW 2003, 1553). Das führt zur gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter und der Gesellschaft, wie es für sittenwidrige Schädigungen durch den Vorstand einer AG entschieden wurde (BGH ZIP 2005, 1270 – EM-TV; Fleischer ZIP 2005, 1805; Hutter/Stürwald NJW 2005, 2428; Henze, FS Hopt I, 2010, 1933). Für eine reine Innengesellschaft, deren Organe nicht für sie in Kontakt mit nicht gesellschaftsangehörigen Personen treten sollten, passt allerdings eine Repräsentantenhaftung iSd § 31 nicht (so auch Klerx NJW 2004, 1907). Freilich kann sich die Frage stellen, ob ein als Innengesellschaft konzipiertes Gebilde im Zuge von Vorgängen, die auf ein deliktisches Verhalten eines für sie Handelnden hinauslaufen, sich zu einer Außengesellschaft wandelt. Eine Anwaltssozietät, die in der Rechtsform der GbR betrieben wird (dazu BGHZ 56, 355, 357; BGH NJW 1996, 2859; Vor § 705 Rn 57) wird von der Rspr bei berufshaftungsrechtl, aber auch bei deliktischen Verbindlichkeiten der Haftung nach § 31 unterworfen, was dann auf das – auch: deliktische – Handeln eines Scheinsozius erstreckt wird, näher § 721a Rn 5. Die auf Auseinandersetzung angelegte Erbengemeinschaft gehört nicht hierher (München HRR 1939, Nr 365; Soergel/Hadding Rn 8; eingehende Diskussion bei MüKo/Leuschner Rn 7), ebensowenig die Gütergemeinschaft (MüKo/Leuschner Rn 8). Im Anschluss an Bötticher ZZP 57, 55, 71 kam die Ansicht auf, dass § 31 zumindest auf deliktisches Handeln des Insolvenzverwalters oder des Testamentsvollstreckers mit „Haftung der Masse“ anwendbar ist (Lüke ZIP 2005, 1113, 1117; für den Insolvenzverwalter BGH NZG 2006, 592), was zwar nicht stark begründet, aber wegen der Unanwendbarkeit des § 831 wohl zu billigen ist. Für eine Anwendung des § 31 auf alle Unternehmensträger Nitschke NJW 1969, 1737, was insb das einzelkaufmännische Unternehmen betreffen würde (dies abl MüKo/Leuschner Rn 11). Auf diese Weise wird jedoch § 31 ggü § 831 konturenlos. Gegen die Anwendung des § 31 auf WE-Gemeinschaft Frankfurt OLG 1985, 146, was aber nach der Annahme der Rechtsfähigkeit auch dieses Gebildes (BGHZ 163, 154) wohl nicht mehr zu halten ist, ebenso PWW/Schöpflin Rn 2. 2. Kreis der für den Verein handelnden Personen. Der Verein haftet für die Handlungen des Vorstands und 3 anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter, was gleichbedeutend mit besonderem Vertreter iSd § 30 ist, wobei die allg Stellung des Handelnden, nicht seine Vertretungsmacht entscheidend ist (RGZ 57, 289; s auch RGZ 162, 202, 207 gegen RGZ 131, 247). Für die Begriffsbestimmung des Handelnden iSd § 31 ist nicht der technische Begriff des „Vertreters“, sondern die in Rn 1 genannten ratio des § 31 maßgebend (BGHZ 49, 19, 21; BGH NJW 1977, 2259 und ständig). Dass der Handelnde Vertretungsmacht gem § 164 hat, ist daher nicht erforderlich (RGZ 110, 147; BGH BB 1959, 57; BGHZ 98, 148, 151). Es kommt also darauf an, ob der betreffenden Person durch eine Handhabung für den Verein praktisch wichtige Tätigkeiten zur selbständigen Erledigung übertragen sind (nicht unbedingt durch Satzung), so dass sie im Rechtsverkehr als Repräsentant angesehen wird (BGH NJW 1998, 1856), also etwa der einverständlich tätige Sachbearbeiter, BGHZ 172, 169. Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis schadet nicht, BGH NJW 1977, 2260. Demgemäß genügt auch das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln eines zur Gesamtvertretung Befugten (was bei Handelsgesellschaften auch ein Prokurist sein kann, s BGHZ 62, 166), sofern sich der Handelnde im Rahmen des ihm zugewiesenen Wirkungskreises gehalten hat; zum Zusammenhang mit den eigentlichen Aufgaben des Vorstands BGH NJW 2014, 383. Mit der Abkopplung der deliktischen Haftung von der Vertretungsordnung will BGHZ 98, 148, 154 den Rechtsverkehr vor Schäden schützen, die ein nur gesamtvertretungsberechtigtes Organ (aber nicht nur durch Vertretungshandlungen) verursacht (ebenso für die Kompetenzregeln von Körperschaften des öffentlichen Rechts BGH NJW 1986, 2939f; van Look WuB IV A § 89 BGB 1/87, für Handlungen des Bediensteten eines Staatsbauamts BGH VersR 2006, 803). Damit sind allerdings Folgefragen verbunden: Wie gerade der Fall des BGHZ 98, 148 (betrügerische Hinzuziehung eines nicht mehr Vertretungsberechtigten durch den lediglich Gesamtvertretungsberechtigten, ähnl bei Unterschriftsfälschung) zeigt, liegen Tatbestände vertragl oder vertragsähnl Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss und § 179, die schon bei Fahrlässigkeit eingreifen können (Prölss JuS 1986, 169, 174), so nahe bei der deliktischen Haftung, dass geprüft werden muss, ob nicht die Ausdehnung der deliktischen Haftungsordnung eine Einschränkung der gesamten Tatbestände vertragl Haftung zur Folge haben muss (dazu eingehend Dieckmann WM 1987, 1473, 1478ff), was allein auf dem Weg über § 254 bzw § 179 III nicht immer gelingen wird, zumal Mitverschulden eines anderen Organs nicht geltend gemacht werden kann (Wagner NZG 2015, 1383). Handeln eines einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter gleichwertigen, in eigenverantwortlicher Aufga- 4 benerfüllung Handelnden ist angenommen worden für stellvertretenden GmbH-Geschäftsführer, Karlsruhe NJW-RR 1998, 1571; für Filialleiter einer Auskunftei BGHZ 49, 19; einer Bank BGH BB 1970, 685 (anders für Versicherungsunternehmen, Hamm VersR 2000, 213); für Sparkasse BGH NJW 1984, 921; für genossenschaftliche Bank Nürnberg WM 1988, 119; für Abteilungsleiter einer Bank Frankfurt ZIP 1996, 1824; für Chefarzt BGHZ 77, 74; 101, 215, 218 und näher Franzki/Hansen NJW 1990, 737, 743, dgl für einen eine Geburt leitenden Arzt Düsseldorf VersR 2008, 534 und für einen den Chefarzt vertretenden Oberarzt (BGH NJW 1987, 2925), für Hauswirtschaftsleiterin eines Alten- und Pflegeheims LG Frankfurt NJW-RR 1989, 419, sowie für Frauenwartin im Zuge der Spielleitung (Hamm SpuRT 2003, 166), nicht dagegen für Belegarzt, auch wenn er sich als Leitenden Arzt oder Chefarzt bezeichnet, Koblenz NJW 1990, 1534. Somit haftet eine Gewerkschaft für unerlaubte Handlungen der Streikleiter nach § 31 (für solche der Streikposten nur nach § 831, BAG NJW 1989, 57 m Anm Löwisch JZ 1989, 85). Das Erfordernis der Zuweisung von Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erfüllung fehlt bei einem der Weisung des Filialleiters unterworfenen Angestellten, auch wenn er Prokurist ist; er ist Erfüllungsund Verrichtungsgehilfe (BGH BB 1970, 685), für den Leiter (organähnl Person) ist aber mit RG 157, 236 WeiWestermann
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§ 31
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Personen
sungsgebundenheit nach innen für die Haftung bedeutungslos. Nicht unbedenklich dagegen die Anwendung auf selbständigen Handelsvertreter, weil er auch Aufgaben übergeordneter Art zu erledigen hatte, BGH NJW 1998, 1854, 1856. 3. Schadenstiftende Handlung. In Ausführung der dem Handelnden zustehenden Verrichtung erfolgen die schadenstiftenden Handlungen, wenn ein mehr als örtlicher und zeitl, also innerer sachlicher Zusammenhang mit den ihm zustehenden Verrichtungen (die ja nicht deliktisch sein können) besteht, BGHZ 98, 148; BGH NJW 1980, 115; NK/Heidel/Lochner Rn 10; vom Handeln in „vereinsamtlicher Eigenschaft“ sprechen BaRo/ Schöpflin Rn 17, s auch MüKo/Leuschner Rn 22. Rein persönliche Verhaltensweisen (zB ehebrecherisches Verhältnis) gehören hierher nur, falls sie in den dienstlichen Bereich der Organperson fallen (BayObLG NJW 1964, 1962). Vorsätzlich unerlaubte Handlungen geschehen idR nur „bei Gelegenheit“. Die Einschränkung durch BGHZ 98, 148 für die betrügerische Heranziehung eines nicht unterschriftsberechtigten Vertreters (ähnl wäre für Fälschung zu entscheiden, BGH NJW 1977, 2259; 1980, 115) stellt auf das Rechtsgeschäft ab, bei dem die unerlaubte Handlung begangen wurde und knüpft so an die Rspr an, die Überschreitungen der Zuständigkeit für unerheblich erklärt, sofern die Handlung obj noch im Geschäftskreis der jur Person bleibt (dazu RGZ 104, 288; 128, 229, 233; BGH BB 1959, 57; so auch München WM 1991, 699 für Vorspiegelung von Alleinvertretungsbefugnis durch gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer). Auch Missbräuchlichkeit des Handelns des Organwalters, selbst eine dem Geschädigten bekannte, ändert an der Zurechnung eines Handelns nichts (BGH ZIP 1990, 918 für Aufklärungspflichtverletzungen des Filialleiters einer Großbank, der durch die schädigende Transaktion mit dem Wissen des Klägers revisionstechnische Probleme bewältigen wollte; s auch BGH ZIP 2005, 1270 für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen). Eine Zurechnung nach diesen Regeln kommt somit auch bei Handeln im außer-rechtsgeschäftlichen Bereich in Betracht (dazu auch KG KGRp 2007, 640). Im Ganzen spielt die Sicht des Außenstehenden vom Aufgabenkreis des Handelnden eine wichtige Rolle (BGHZ 98, 148, 152; zust Canaris EWiR § 31 BGB 1/86). Kann das Vorstandsmitglied die schadenstiftende Handlung in verschiedenen Funktionen vorgenommen haben, entscheidet für die Zuordnung der Verantwortlichkeit das obj Auftreten nach außen (Frankfurt OLG 1985, 112, 114). Eine Haftung für Vorsatztaten kommt auch in Betracht, wenn gerade gegen spezielle, in der Aufgabe der jur Person oder der Stellung des Organs begründete Pflichten verstoßen wurde, zB Unterschlagung anvertrauter Gelder durch den Bürgermeister (RG JW 1913, 587), oder: Filialleiter einer Bank schädigt vorsätzlich einen Kunden durch bewusst falsche Auskunftserteilung (BGH NJW 1954, 1193; vgl auch BGH BB 1956, 941; DB 1970, 679; NJW 1984, 921) oder Verschweigen von Insiderwissen, ebenso für das verbreitete Fehlverhalten im Bereich kapitalmarktrechtl Informations- und Aufklärungspflichten. Dagegen keine Haftung der jur Person für Aktionen, die der Handelnde in seiner Funktion vorbereitet, aber durch Handlungen als Organ einer anderen jur Person ausgeführt hat (BGHZ 99, 298); anders, wenn auch der Wechsel der jur Person, in deren Rahmen gehandelt wird, demjenigen Verband zuzurechnen ist, als dessen Organ der Handelnde die Vorbereitungen traf. Keine Haftung der jur Person für Handlungen, die von ihr entsandte Personen als Organ einer anderen jur Person begangen haben (BGH WM 1984, 1119 für Handeln des Bediensteten einer Stadt im Vorstand des örtlichen Fremdenverkehrsvereins). 4. Haftungsvoraussetzungen. Die Haftungstatbestände sind die allg, da Gleichstellung der jur Person mit der nat Person erreicht werden soll, also Verwirklichung der vollen obj und subj Voraussetzungen; deshalb haftet der Verein nicht für Gefälligkeitsfahrten zu Sportveranstaltungen (BGH NJW 2015, 2880). Erfasst ist auch die Schädigung von anderen Organmitgliedern oder eines Vereinsmitglieds, also auch der rechtswidrige Ausschluss, BGHZ 90, 92; im ersten Fall gilt eine Einschränkung, wenn der Geschädigte für das Ereignis mitverantwortlich war (BGH NJW 1978, 2390). Dass die Haftungsvoraussetzungen bei der Organperson erfüllt sein müssen, lässt aber den Einwand erheblich erscheinen, trotz sorgfältiger Prüfung über die Rechtswidrigkeit geirrt zu haben (BGH NZG 2015, 792), allerdings gibt es auch schuldlose zum Ersatz verpflichtende Handlungen, §§ 228, 231, 904. Bei einem Schadensersatzanspruch eines Vereins gegen einen Dritten muss sich der Verein gem § 31 ein Mitverschulden seiner Organe oder verfassungsmäßig berufener Vertreter anrechnen lassen, BGH ZIP 2010, 284. Zur Schädigung wichtiger Mitgliedsinteressen oder der Mitgliedschaft durch Organhandeln s § 38 Rn 9. Überholt ist die Rspr (RG HRR 1928, 1396; SeuffA 82, 97), die Haftung der jur Person für vollmachtloses Handeln der Organe nur bei Erfüllung von Deliktstatbeständen zuließ, s näher Rn 3. Zu weitgehend BayObLG 1942, 254 mit Behandlung jeder verpflichtenden Zusage als Haftungstatbestand. Namhaftmachung des Handelnden nicht erforderlich, sofern die Organqualität und die Verschuldensvoraussetzungen feststehen (RGZ 123, 27, 28; 163, 21, 28). Der Inhalt der Ansprüche ist der normale, im Rahmen der §§ 823ff gilt auch § 847. Einen eigenständigen, vielfach gelöst von § 31 gesehenen Haftungstatbestand stellt die Verantwortung der jur Person für unzureichende Organisation dar, zB für das Unterbleiben der notwendigen Bestellung eines verfassungsmäßigen, etwa für compliance zuständigen Vertreters (BGHZ 13, 198, 203; 39, 124, 129; 27, 278, 280; Nürnberg OLGRp 2000, 349) oder eines besonderen Vertreters. Aus diesem, zunächst auf Tatbestände der Verkehrssicherungspflicht bezogenen Ansatz (dazu Schleswig ZStV 2010, 61) ist eine eigenständige Lehre vom Organisationsverschulden geworden (dazu Hassold JuS 1982, 583; methodische Bedenken bei MüKo/Leuschner Rn 33f), die inzwischen auch andersartige Pflichten erfasst (etwa die Kontrolltätigkeit eines Verlegers hinsichtl des Inhalts von Schriften, BGH NJW 1980, 2810). Allg muss sich die jur Person so organisieren, dass für die gefährdenden Tätigkeitsbereiche ein verfassungsmäßig berufener Vertreter und nicht nur ein Verrichtungsgehilfe iSd § 831 die notwendigen Entscheidungen trifft; die Hinzuziehung eines Außenstehenden entlastet nicht. Das bürdet dem Verein eine über § 26 hinausgehende Pflicht zur Bestellung von Organen auf, wenn man nicht mit 178
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Juristische Personen – Vereine
§ 31a
Kleindiek (Deliktshaftung und jur Person, 1997, 238ff) bereits die Verkehrspflichten als solche der jur Person versteht und dann direkt § 31 anwenden kann (dafür auch Hassold JuS 1982, 586). Entscheidend ist, dass auf diese Weise die Möglichkeit, Verrichtungsgehilfen einzuschalten, für die nur nach Maßgabe des § 831 gehaftet wird, abgeschwächt wird. Zum Organisationsverschulden der jur Person näher § 823 Rn 83. 5. Handelndenhaftung. Die Haftung des Handelnden bleibt unberührt, also gesamtschuldnerische Haftung 8 von Organ und jur Person (besonders wichtig bei „externen“ Compliance-Pflichten, Schockenhoff NZG 2019, 286f); schuldhaftes Handeln des Organs kann uU als Verletzung des Innenverhältnisses das Organ auch ggü der jur Person zu Schuldbefreiung oder Ersatz verpflichten. Allerdings müssen in der Person des handelnden Organs auch die Deliktstatbestände verwirklicht sein, wozu es gehören kann, dass der Organwalter als Allein- oder Mittäter die betreffenden Handlungen ausgeführt hat; zur Wirkung von Haftungsprivilegierungen s § 27 Rn 7. Es genügt auch ein Unterlassen gebotener Vorsichtsmaßnahmen nach Bekanntwerden eines konkreten Risikos (so zB im „Lederspray“-Fall BGH JZ 1992, 253; s auch BGH NJW 1987, 127); hierzu und zu den Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung durch Delegation Wagner VersR 2001, 1057; Brüggemeier ZIP 2001, 381. Abzulehnen sind demggü die zunehmend zahlreichen Entscheidungen und Lehrmeinungen (Übersicht bei Altmeppen ZIP 1995, 881, 884ff), die den Organwalter wie die jur Person als Subjekt von deliktsrechtl sanktionierten Organisations- und Verhaltenspflichten sehen, die an sich die jur Person treffen, aber von ihm übernommen worden sein sollen (BGHZ 109, 297, 304; Köln BB 1993, 747f, ähnl Brüggemeier AcP 191, 651; zur Übernehmerhaftung trotz Ablehnung des Ansatzes des BGH Mertens/Mertens JZ 1990, 489; i Erg ähnl Grunewald ZHR 157, 451ff; dagegen Kort DB 1990, 921; Medicus, FS Lorenz, 1991, 160f; H.P. Westermann DNotZ 1991, 816f; eingehend Kleindiek Deliktshaftung und jur Person, 1997, 292ff). Die grds Anerkennung der jur Person und der sie treffenden – und bei Verletzung allein von ihr zu verantwortenden – Pflichten durch die Rechtsordnung rechtfertigt es nicht, ihre Pflichten stets auch als solche des Organwalters zu behandeln. Deshalb genügt auch die von Altmeppen ZIP 1995, 881, 884ff vorgeschlagene Zulassung eines Entlastungsbeweises für den verantwortlichen Organwalter – die eine nach § 31 in Anspruch genommene jur Person nicht hat – praktischen Bedürfnissen nicht. 6. Konkurrenzen. Bei Vertragsverletzung durch die Organe der jur Person ist § 31 anwendbar (BGHZ 90, 92, 9 95; JZ 1993, 958, 964; str; MüKo/Leuschner Rn 20). § 831 und § 31 schließen sich wegen des begrifflichen Unterschieds von Verrichtungsgehilfen und Organ (vgl Rn 3) aus. Zur Haftung für fehlerhafte Ausübung öffentlicher Gewalt s § 89 Rn 1, 3.
§ 31a
Haftung von Organmitgliedern und besonderen Vertretern
(1) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter unentgeltlich tätig oder erhalten sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 840 Euro jährlich nicht übersteigt, haften sie dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins. Ist streitig, ob ein Organmitglied oder ein besonderer Vertreter einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, trägt der Verein oder das Vereinsmitglied die Beweislast. (2) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den sie bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursacht haben, so können sie von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. 1. Anwendungsbereich. Die durch Art 1 Nr 2 des G v 28.9.2009 (BGBl I 2009, 3161) eingeführte und am 1 3.10.2009 in Kraft getretene, durch das EhrenamtsstärkungsG v 21.3.2013 (BGBl I 2013, 556) sowie Art 10 Siebtes G zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen v 30.3.2021 (BGBl I 2021, 607) weiter ausgebaute Regelung soll die Bereitschaft zu ehrenamtlicher Vorstandstätigkeit fördern (zur Notwendigkeit Orth SpuRt 2010, 2; Reuter npoR 2013, 41), wobei nicht nur an gemeinnützige Vereine (§ 21 Rn 3) gedacht ist (BT-Drs 16/10120, 7), deren Vorstände nach dem Wortlaut nicht von der Haftungserleichterung profitieren, wenn sie die Vergütungshöhe gem Abs I S 1 überschreiten (krit Reuter NZG 2009, 1368, 1370). Über § 86 ist § 31a auch auf Stiftungen anzuwenden (Unger NJW 2009, 3269ff), wobei sich wiederum fragt, ob wirklich bei der oft sehr anspruchsvollen Tätigkeit die Überschreitung der durch die Neuregelung auf 840 t angehobenen, aber nach wie vor nicht hohen Vergütungsgrenze bereits das Haftungsprivileg entfallen lassen darf. Nach § 86, der in S 1 die auf die Stiftung anwendbaren Vorschriften des Vereinsrechts aufzählt, ist § 31a ohne die in § 86 S 2 begründeten Einschränkungen auf die Stiftung anwendbar; nicht aber auf die unselbständige Stiftung (Reuter NZG 2009, 1370). Grundlage der Haftung sind die Pflichten aus der Organstellung, wobei es sich – bei unentgeltlicher Tätigkeit – meist um ein Geschäftsbesorgungsverhältnis handeln wird, was angesichts der meist nicht einmal die Aufwendungen deckenden Betragsgrenze auch gelten sollte, wenn die Satzung eine die Grenze nicht übersteigende Vergütungsregelung geschaffen hat (§ 27 Rn 6). Haftungserleichterungen können auch für den Fall der Überschreitung der 840 t-Grenze vorgesehen werden, erfassen dann freilich nur den Fall einfacher Fahrlässigkeit. Dies wurde schon gegen die rechtspolitische Richtigkeit des § 31a angeführt (Reuter NZG 2009, 1369). IÜ umfasst der Anwendungsbereich der Norm den eingetragenen (also im Prinzip: nicht wirtschaftl) Verein, wobei solche Vereine, die kraft des Nebenzweckprivilegs einen wirtschaftl (oder sogar gewerblichen) Betrieb unterhalten, selten unter Abs I S 1 fallen werden. Eine weitere Frage betrifft bis zum Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.2024 den nicht rechtsfähigen Verein, der tatsächlich (unabhängig von einer Rechtsformverfehlung) ideelle oder wirtschaftl Zwecke verfolgen Westermann
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Personen
kann. Da § 54 bis zu seiner Neufassung durch das MoPeG auch für den Idealverein insoweit auf Gesellschaftsrecht verweist, ist die Anwendbarkeit einer auf ehrenamtliche Vorstandstätigkeit in einem Idealverein zugeschnittenen Norm fraglich, so dass insoweit als Lösung nur bliebe, den Verein und seine Vorstände auf die im Gesellschaftsrecht mögliche vertragl Regelung der Verantwortlichkeit zu verweisen. Unter Vorwegnahme der durch das MoPeG vorgenommenen Reformulierung des § 54 (s § 54 Rn 1) liegt es i Erg doch nicht fern, auch für den nicht eingetragenen Idealverein § 27 sowie § 31a anzuwenden (Leuschner NZG 2014, 281, 287). Nach ihrem Wortlaut betrifft die Regelung eindeutig die Haftung aller Organmitglieder, also auch diejenige eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters (§ 30) in Vereinen. Dem steht entgegen, dass in Vereinen, deren Vorstände eine 840 t jährlich nicht übersteigende Vergütung erhalten oder ganz unentgeltlich tätig sind, auch andere an der Verwaltung teilnehmende Personen in derselben Lage sein werden, was für Vereinsmitglieder seit 1.1.2013 in § 31b geregelt ist. Denkbar ist, dass ein Vereinsmitglied, das keine Organfunktion hat, höher vergütete Tätigkeiten ausübt, etwa Handwerkerleistungen. Auch Personen im Status eines ArbN (nur ausnahmsw, LG Bonn NJW-RR 1995, 1435, gegeben), denen eine arbeitsrechtl Haftungserleichterung zugutekommt, werden deutlich oberhalb der hier relevanten Grenze tätig sein. Die Unentgeltlichkeit oder die geringe Höhe der Vergütung wird nicht durch die Gewährung von Aufwendungsersatz für die dem Vorstand im Rahmen seiner Tätigkeit entstandenen Kosten beseitigt, auch wenn diese in Gestalt einer angemessenen Pauschale geleistet wird (MüKo/Leuschner Rn 7). Der Schaden muss bei der Wahrnehmung der Pflichten verursacht sein. § 31 ist in diesem Punkt anders formuliert, was an die bekannte Unterscheidung von „in Ausführung“ und „bei Gelegenheit“ anknüpft. Es ist aber nicht ersichtlich, dass mit dem abw Wortlaut für das Problem der Haftungserleichterung andere Anknüpfungspunkte im tatsächlichen Verhalten des Vorstands gemeint sein sollten als die in § 31 für die Haftungsbegründung bestimmten (so auch Grü/Ellenberger Rn 3), deshalb kann insoweit auf § 31 Rn 5 verwiesen werden. In Haftungsfällen, an denen auf Seiten der Verantwortlichen gem § 31a privilegierte und nichtprivilegierte Personen beteiligt sind, entsteht so ein „gestörtes Gesamtschuldverhältnis“, das jedenfalls bei einem nicht vorsätzlich handelnden „Zweitschädiger“ nicht gut darauf hinauslaufen kann, ihn allein haften zu lassen. Wenn der nichtprivilegierte „Zweitschädiger“ zu dem Kreis gehört, für den der Verein nach § 31 einzustehen hat, liegt es nahe, den Anspruch des Vereins gegen ihn um den Verursachungsbeitrag des privilegierten Schädigers zu kürzen (näher Reschke DZWIR 2011, 403, 406; Segna ZIP 2015, 1561, 1566; MüKo/Leuschner Rn 15). 2. Haftungsmaßstab. Die Rechtsfolgen der Schädigung durch ein unter die Regelung fallendes Vorstandsoder sonstiges Organmitglied liegen zunächst darin, dass der Haftungsmaßstab auf das Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit reduziert wird; Nürnberg NZG 2016, 112 hat auch satzungsmäßige Beschränkung auf Vorsatz zugelassen, anderen Vereinsmitglieder ggü kann die Haftung sogar ganz ausgeschlossen werden, so auch Grü/Ellenberger Rn 4; Stöber/Otto Rn 748. Das gilt nach Abs I S 1 für die Haftung ggü dem Verein, was somit nicht mehr – was zulässig ist – durch die Satzung geregelt werden muss. Es kommt auf den „verursachten Schaden“ an, so dass vertragl oder deliktische Verantwortlichkeit insoweit gleichstehen. Nach Abs I S 2 soll die Haftungserleichterung auch im Verhältnis zu den Vereinsmitgliedern gelten, was systemgerecht ist, da sich die Mitglieder im Vereinsleben auf die Funktionen des jew Organs und ihre Wahrnehmung durch konkret hierfür bestellte Personen einstellen müssen; krit Kreutz DZWIR 2013, 499. Eine deliktische Haftung für Vorfälle, die mit dem Vereinsleben nicht in Zusammenhang stehen, die also auch nicht „in Wahrnehmung“ eigentlicher Vorstandspflichten geschehen, bleibt somit unberührt. Nach Abs II besteht bei einer von der Organperson begründeten persönlichen Außenhaftung, wenn diese – wiederum in Wahrnehmung ihrer Pflichten – verursacht ist, ein Freistellungsanspruch des Handelnden gegen den Verein, allerdings nur bei leichter Fahrlässigkeit, weil Abs II S 2 auch diese Haftungserleichterung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit versagt. Die Haftung ggü Dritten, die ein Organ neben der Haftung des Vereins nach § 31 treffen kann (§ 31 Rn 6), wird also als solche nicht verändert (Unger NJW 2009, 3269, 3271); allerdings hat der Verein einen Rückgriff (Leuschner NZG 2014, 281, 283). Hat das Vorstandsmitglied den außenstehenden Dritten entschädigt, verwandelt sich der Freistellungs- in einen Ersatzanspruch (Grü/Ellenberger Rn 5). Beim Handeln mehrerer Vorstände kommt eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht; zur Begrenzung durch Versicherungsschutz Ehlers NJW 2012, 2689, 2691, dort auch zur Sondersituation und zur Risikobegrenzung bei der Haftung für Steuerschulden und für Insolvenzverschleppung. Eine Entlastung von Vorständen im Hinblick auf sozialversicherungs- und steuerrechtl Tatbestände hat nicht stattgefunden (Orth SpuRt 2010, 2, 4). Die Beweislast ist ausdrückl und in bemerkenswerter Abweichung von sonstigen verbandsrechtl Bestimmungen (etwa § 93 AktG) geregelt, indem bei Streit darüber, ob das schädigende Handeln des Organs vorsätzlich oder grob fahrlässig geschah, nicht nur dem Verein, sondern auch einem geschädigten Vereinsmitglied die Beweislast für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit auferlegt wird. Dies soll bei allen Schadensersatzansprüchen gelten, also auch bei denen aus § 280 I (Beschlussempfehlung des Finanzausschusses v 16.1.2013, BT-Drs 17/12123, 23; MüKo/Leuschner Rn 18), sowie auch dann, wenn der auf Freistellung in Anspruch genommene Verein (Abs I S 2) dies durch Geltendmachung von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit abwenden will. Dass die ganze Regelung nicht mit der Ausgestaltung der Arbeitnehmerhaftung (§ 619a) abgestimmt wurde (krit daher Reuter NZG 2009, 1368, 1371), ist angesichts der gewöhnlich deutlich flexiblen Handhabung der Beweislastregeln durch die Praxis erträglich. Zu der dem Vorstand mit Rücksicht auf seine Haftung anzuratenden Dokumentation Schotta/v Cube DB 2009, 2282ff.
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Juristische Personen – Vereine
§ 31b
§ 31b
Haftung von Vereinsmitgliedern
(1) Sind Vereinsmitglieder unentgeltlich für den Verein tätig oder erhalten sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 840 Euro jährlich nicht übersteigt, haften sie dem Verein für einen Schaden, den sie bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen satzungsgemäßen Vereinsaufgaben verursachen, nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. § 31a Absatz 1 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. (2) Sind Vereinsmitglieder nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den sie bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen satzungsgemäßen Vereinsaufgaben verursacht haben, so können sie von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn die Vereinsmitglieder den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben. 1. Zweck. Der Zweck der durch das EhrenamtsstärkungsG v 21.3.2013 (BGBl I 2013, 556) eingefügten und 1 durch Art 10 Siebtes G zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen v 30.3.2021 (BGBl I 2021, 607) im Grenzbetrag angepassten Vorschrift besteht darin, die Haftungserleichterung, die § 31a für Organpersonen vorsieht, einschl der Beweislastverteilung zugunsten des Handelnden (dies folgt aus Abs I S 2) auf für den Verein unentgeltlich oder für nicht mehr als 840 t pro Jahr tätige Vereinsmitglieder auszudehnen. Das kann trotz der Organqualität der Mitgliederversammlung nur für durch die Satzung oder durch eine Vereinsordnung begründete besondere Pflichten gelten, auch für die Mitglieder einer Delegiertenversammlung (Stöber/Otto Rn 762; anders Leuschner NZG 2014, 285). Satzungsregelungen zur Haftungserleichterung sind nicht ausgeschlossen, § 31a Rn 3. Anders als bei Organmitgliedern gilt diese Haftungsermäßigung aber nicht im Verhältnis des Handelnden zu anderen Vereinsmitgliedern. Ein Unterschied besteht darin, dass Vorstandsmitglieder nach § 27 III 2 grds unentgeltlich tätig sein sollen, wovon durch eine auf eine Satzungsbestimmung gegründete Vereinbarung oder Entschließung abgewichen werden kann; demggü kommt es für die Tätigkeit eines „einfachen“ Vereinsmitglieds auf den Charakter des Rechtsverhältnisses an, das je nach dem Inhalt der übernommenen Verpflichtungen Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnis sein kann. Dabei muss mit Rücksicht auf die Haftungsfrage eine Regelung über die Vergütung getroffen werden; fehlt es daran, so ist zwar nicht § 27 I 1 anwendbar, aber durchaus denkbar, dass Unentgeltlichkeit gewollt ist. Der Anwendungsbereich für die Vereinstypen ist wie bei § 31a bestimmt, § 31a Rn 1. 2. Relevante Tätigkeiten. Fraglich ist, ob Abs I nur auf längerdauernde Tätigkeit, etwa die Wahrnehmung 2 von Aufgaben, für die nicht ein besonderer Vertreter benötigt wird, oder auch für eine einmalige oder nur punktuelle Mitwirkung anwendbar ist. Wenn im Gesetz die wichtige Frage des Haftungsmaßstabs von der Einhaltung einer genau bestimmten Grenze der „jährlichen“ Vergütung abhängig gemacht ist, so spricht dies für das Erfordernis einer laufenden Mitwirkung („längerfristige Tätigkeit für den Verein“, Begr RegE § 31b, BT-Drs 17/11316, 17). Ein Vereinsmitglied, das für eine bestimmte Leistung, etwa handwerklicher, beratender oder betreuender Art, eine einmalige Vergütung erhält, würde dann der vollen Haftung nur unterliegen, wenn dieses Entgelt über 840 t liegt. Dass die Regelung aus dem Gemeinnützigkeitsrecht stammt, das auf den Charakter und Zuschnitt des Vereins abstellt, spricht dafür, dass für eine nur einmalige Heranziehung eines Mitglieds, etwa zur Erstellung eines „Werks“ wie zB einer Reparatur im Vereinsheim, die gewöhnlichen Haftungsregeln zum Zuge kommen (anders – auf die Erfüllung des Vereinszwecks abstellend – MüKo/Leuschner Rn 6), einschl der Lage bei Schädigung anderer Vereinsmitglieder oder Außenstehender. Das entspricht dem Umstand, dass eine solche Heranziehung eines Mitglieds zur Erledigung von Vereinsangelegenheiten häufiger an seine berufliche Tätigkeit anknüpfen wird und gegen marktübliche Vergütung geschieht, in welchem Fall allerdings fraglich sein kann, ob noch eine mitgliedschaftliche Tätigkeit vorliegt. Wenn die Einschaltung des Mitglieds in Vereinsangelegenheiten in entspr Anwendung der Regeln über die ArbN-Haftung behandelt wird (BGHZ 89, 153, 157ff; hiervon ging auch der RegE aus, BT-Drs 17/11316, 17), sind ebenfalls offensichtlich dauernde Tätigkeiten gemeint, die die Gleichstellung mit der Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds rechtfertigen. Anders wäre die Forderung, dass der Schaden von dem Vereinsmitglied in Wahrnehmung der ihm „übertragenen satzungsmäßigen Vereinsaufgaben“ verursacht worden sein muss, nicht verständlich, s auch Leuschner NZG 2014, 281, 286. Keine scharfe Abgrenzung ermöglicht dagegen die Prüfung, ob das Vereinsmitglied nicht in Wahrheit eigene Aufgaben wahrnimmt, was gerade bei der einmaligen Einschaltung in eine an sich dem Verein obliegende Tätigkeit der Fall sein kann. Die Tätigkeit muss dem Mitglied vom Verein übertragen worden sein, es muss also ein Auftrag seitens des Ver- 3 eins ergangen sein. Fehlt es daran und entsteht bei der Tätigkeit des Mitglieds ein Schaden am Vereinsvermögen, so haftet als Rechtsfolge das Mitglied nach den gewöhnlichen Anspruchsgrundlagen ohne Anwendbarkeit des Haftungsmaßstabs des Abs I S 1, und mangels Übertragung besteht auch der Freistellungsanspruch gem Abs II S 1 nicht, ohne Rücksicht darauf, ob vorsätzlich, grob fahrlässig oder nur mit einfacher Fahrlässigkeit gehandelt wurde. Liegt aber ein Auftrag des Vereins vor, der von einem vertretungsberechtigten Organ erteilt worden sein muss, weil sonst die nachteilige Haftungsregelung nicht gerechtfertigt wäre, ist die Haftung des Beauftragten dem Verein ggü erleichtert, anders die Haftung ggü „einem anderen“ (Abs II S 1), also einem anderen Vereinsmitglied oder einem Außenstehenden. Hier steht aber dem beauftragten Mitglied der Freistellungsanspruch gegen den Verein zu, wenn das schädigende Handeln nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig geschah. Letzteres muss nach der allg Beweislastverteilung das handelnde Vereinsmitglied beweisen, die entspr Anwendung des § 31a I 2 ist hier nur für die Haftung ggü dem Verein angeordnet. Die Richtigkeit dieser Lösung erscheint nicht unzweifelhaft.
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§ 31b 4
Personen
3. Zwingender Charakter. § 40 erwähnt unter den abdingbaren Bestimmungen des Vereinsrechts den § 31b (im Gegensatz zu § 31a) nicht. Die Vorschrift ist also zwingend (so auch die Begr des Finanzausschusses aaO, 17).
§ 32
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Mitgliederversammlung; Beschlussfassung
(1) Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. (3) Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluss gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären. 1. Oberstes Vereinsorgan. Die Mitgliederversammlung ist nach BGB oberstes Vereinsorgan. Sie ist zuständig für die innere Organisation des Vereins, dh Kontrolle der sonstigen Organe, bzgl Vorstandsbestellung s § 27, Satzungsänderung § 33, Auflösung § 41. Ihre Zuständigkeiten können im Rahmen des § 40 modifiziert werden, §§ 37, 41 sind aber zwingend; so kann die Satzung nicht bestimmen, dass die Vereinsmitglieder ohne Versammlung oder wenigstens ein Umlaufverfahren, an dem alle beteiligt werden müssen, die Entscheidungen treffen können (MüKo/Leuschner Rn 1). Die Auswahl von Ort und Form der Mitgliederversammlung obliegt grds dem einberufenden Organ. Daneben hat die Mitgliederversammlung die Kompetenz-Kompetenz (BGHZ 84, 209, 213). Virtuelle Mitgliederversammlungen waren daher bereits lange vor ihrer gesetzl Adressierung im Grundsatz zulässig (Dehesselles/Richter npoR 2016, 246). Vom gesetzl Leitbild abweichende wesentlichen Grundentscheidungen müssen aber hinreichend bestimmt in der Satzung geregelt (zur früheren Rechtslage Hamm MDR 2023, 48) oder durch einen (früheren) Beschluss der Mitgliederversammlung determiniert sein (zutr Timmermann/ Pfeuffer NZG 2023, 59, 60). Durch das G zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrechts v 14.3.2023 (BGBl I 2023, Nr 72 v. 20.3.2023) hat sich das gesetzl Leitbild geändert und es wird dem einberufenden Organ in einem neu eingefügten § 32 II 1 die Befugnis eingeräumt, ohne ausdrückl Satzungsregelung (einzelnen) Vereinsmitgliedern die virtuelle Ausübung ihrer Mitgliederrechte ohne physische Anwesenheit am Versammlungsort zu ermöglichen (sog hybride Mitgliederversammlungen). Die Vorschrift erlaubt dem einberufenden Organ nur, den Mitgliedern eine individuelle Wahlmöglichkeit zw Präsenz- und virtueller Teilnahme zu eröffnen. Für die Durchführung rein virtueller Mitgliederversammlungen in der Zukunft („künftige Versammlungen“), ganz ohne physischen Austragungsort, regelt § 32 II 2 den Vorbehalt eines Beschlusses der Mitgliederversammlung, für den eine einfache Mehrheit genügend ist (§ 32 I 3), der aber materiell einer (nicht eintragungspflichtigen) Satzungsänderung gleichkommt. Im schriftl Verfahren nach § 32 III bleibt es bei der Anforderung der Einstimmigkeit. In dem Beschluss nach § 32 II 2 sollte (anknüpfend an Hamm MDR 2023, 48 zur alten Rechtslage) bestimmt werden, ob sämtliche Mitglieder gleichzeitig virtuell anwesend sein müssen und ob die Möglichkeit einer Diskussion bestehen muss. Die Regelung des Abs II S 1 knüpft an die außer Kraft getretene Übergangslösung des § 5 II GesRuaCOVBekG (Art 2 G zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, BGBl I 2020, 569; dazu Heckschen/Hilser NZG 2022, 1241; Horst MDR 2020, 543; Segna npoR 2020, 148) an. Wie dort kann den virtuell teilnehmenden Mitgliedern jede elektronische Kommunikationsform angeboten werden, die geeignet ist, die Wahrnehmung der Mitgliederrechte zu ermöglichen. Die Gesetzesbegr nennt die Beispiele der Telefonkonferenz, des Meinungsaustausches per Internetdialog („Chat“) und die Abstimmung per E-Mail. Eine Bild- und Tonübertragung („Videokonferenztechnik“) ist nicht zwingend geboten. Die Auswahl der zweckmäßigen Kommunikationsform liegt im pflichtgemäßen Ermessen des einberufenden Organs, das durch die Satzung oder durch eine Mehrheitsentscheidung der Mitgliederversammlung begrenzt werden kann (Weitemeyer/Hepperle npoR 2022, 290, 293f). Ohne besondere Satzungsregelung muss für die virtuell teilnehmenden Mitglieder abgewogen werden, ob zumindest irgendeine Möglichkeit zur synchronen Beteiligung an der Diskussion während der Mitgliederversammlung bestehen muss. Zwingend erscheint dies bei hybriden Versammlungen nicht, weil dort jedem Mitglied die Option der Präsenzteilnahme offensteht. Bei rein virtuellen Mitgliederversammlungen können wiederum andere Formen des Meinungsaustausches gefunden werden (ähnl Timmermann/Pfeuffer NZG 2023, 59, 61). Abs III S 3 stellt klar, dass in den Fällen einer hybriden oder virtuellen Versammlung bei der Berufung auch anzugeben ist, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Diese Anforderung entspricht vorangegangener Rspr zu satzungsgeregelten hybriden und virtuellen Versammlungen (Hamm MDR 2023, 48). Hinsichtl der Reichweite der Beschlussgegenstände sind Präsenz-, hybride und virtuelle Mitgliederversammlungen gleichwertig, soweit die Satzung keine anderen Regelungen trifft. Daher kann auch ein Verschmel182
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Juristische Personen – Vereine
§ 32
zungsbeschluss in einer virtuellen Mitgliederversammlung getroffen werden (Karlsruhe ZIP 2022, 1650). Nach hM kann die Satzung die Mitglieder- durch eine Delegiertenversammlung ersetzen, in der die Vertreter von Unter-Organisationen die Mitglieder-Entscheidungen treffen, was auf eine Mediatisierung der Willensbildung hinausläuft (Staudinger/Schwennicke Rn 10ff; Segna NZG 2002, 1048f; NK/Heidel/Lochner Rn 6; BaRo/Schöpflin Rn 48), so etwa bei den verschiedenen Formen von Untergliederungen des Vereins (Vor § 21 Rn 13), wobei die Mitglieder der Mitgliedsvereine, die in die Versammlung des Dach-Vereins delegiert werden, dort wie Vorstände des Unter-Vereins wirken. Unabhängig davon ist aber eine Delegiertenversammlung eine besondere Ausgestaltung des Organs ‚Mitgliederversammlung‘ (Stöber/Otto Rn 937). Ihre Zusammensetzung ist in der Satzung zu regeln, für ihre Tätigkeit gilt § 32 entspr; die Regelung muss aber eine gleichmäßige Repräsentation aller Mitglieder gewährleisten (Frankfurt ZIP 1985, 213, 216f), so dass eine Listen-Mehrheitswahl unangebracht ist (BGHZ 83, 228 – der dort angewendete § 42a GenG ist nicht analog anwendbar). Die Annahme einer Unwirksamkeit von Beschl der Mitgliederversammlung eines Groß-Vereins, in der die Präsenz nur 2 % ausmachte (Frankfurt OLGE 1981, 391), ist zu einzelfallabhängig, um mit der Rechtssicherheit vereinbar zu sein. Ein Recht des Vereinsmitglieds auf Auskunft außerhalb der Mitgliederversammlung besteht nicht (Lepke NJW 1966, 2099ff), anders beim wirtschaftl Verein wegen erheblicher wirtschaftl Interessen LG Mainz WM 1989, 537. Zum Anspruch auf Aushändigung einer Mitgliederliste § 25 Rn 1. Eine Ausnahme normiert Abs II: Danach kann die Gesamtheit aller Mitglieder auch dann für eine einberufene Versammlung einstimmig einen Beschl fassen, wenn alle schriftl ihr Einverständnis zur Beschlussfassung erklären; zur Anwendung auf Satzungsänderungen KG NZG 2010, 203. 2. Zustandekommen eines Beschlusses. Das Wesen der Beschlussfassung der Mitgliederversammlung ist str, 2 richtiger Ansicht nach Akt körperschaftlicher Willensbildung, nicht Vertrag (Soergel/Hadding Rn 21), der nicht durch Abgabe und Zugang ggü den Mitgliedern, sondern durch einseitige Erklärung ggü dem Verein zustande kommt und deshalb auch nicht erschienene Mitglieder bindet. Die einzelne Stimmabgabe ist allerdings doch Rechtsgeschäft und Willenserklärung. Das Gleiche gilt bei Zustimmung des Einzelmitglieds gem § 35. Einzelheiten der Abstimmung, so die Beschlussfähigkeit, uU auch die Form der Stimmabgabe, sind durch die Satzung auszugestalten. Sieht die Satzung eine geheime Abstimmung vor, ist eine offene Abstimmung dann nicht fehlerhaft, wenn sich das Stimmverhalten auch bei geheimer Abstimmung klar zuordnen ließe (KG ZIP 2022, 129). Fehlt eine Regelung, so bestimmt der Versammlungsleiter, wie (durch Handzeichen, Ausfüllen von Stimmzetteln, Aufstehen von den Sitzplätzen) abzustimmen ist. Für das Beschlussergebnis kann die Additions- und die Subtraktionsmethode gewählt werden (Wagner NZG 2018, 334), das zahlenmäßige Ergebnis muss im Protokoll angegeben werden (BGH NJW 2018, 52). Allerdings ist die Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden (vorbehaltlich anderer Satzungsbestimmungen) nicht konstitutiv (BGH NJW 1987, 2430; Schleswig Rpfleger 2005, 318), doch muss aus dem Protokoll wenigstens hervorgehen, dass sich eine Mitgliederversammlung mit diesem – in der Einladung erwähnten – Beschlussgegenstand befasst hat; die Rspr des BAG zu Ergebnisprotokollen (BAG NZG 2017, 69) im Aufsichtsrat ist für den eV nicht ohne weiteres zu übernehmen, aber der dies unterlassende Vorsitzende vernachlässigt wohl seine Pflichten. Auch wenn die Satzung insoweit nichts besagt, können bzgl der Durchführung der Abstimmung oder der Feststellung des Beschlussergebnisses Kontrollmaßnahmen notwendig sein, wenn nämlich Bedenken gegen die Unparteilichkeit der amtierenden Organperson oder ähnl Zweifel bestehen (BGHZ 59, 369, 374). Unterlassen solcher Kontrollmaßnahmen kann ein Beschlussmangel sein (dazu näher Rn 6). Es gilt das Mehrheitsprinzip nach Maßgabe der gültig abgegebenen Stimmen, also einschl Enthaltungen (München NZG 2008, 351), weshalb Enthaltungen als Gegenstimmen wirken, obwohl dies ihren obj Erklärungswert verfälschen kann (zust Trouet NJW 1983, 2865; Staudinger/Schwennicke Rn 111; anders Köln NJW-RR 1986, 698 und für WE-Versammlung Celle NJW-RR 1992, 86), zu den Einzelheiten der Bestimmung der Mehrheitsbasis und den diesbzgl Aufgaben des Versammlungsleiters Ernst, FS K. Schmidt I, 2019, 261ff. Bei Wahlen ist die absolute (nicht: die relative) Mehrheit maßgebend, also mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, die Satzung kann eine relative Mehrheit ausreichen lassen (BGHZ 106, 67, 72), weshalb ein bei der Abstimmung anwesendes und sich (wenn auch nur mit einer Enthaltung) beteiligendes Mitglied zum Ausdruck bringen kann, dass es die Berücksichtigung seines Stimmverhaltens wünsche. Dies ist im Vergleich zu Mitgliedern, die die Versammlung verlassen, nicht von der Hand zu weisen, doch kann eine Enthaltung auch (nur) dahin verstanden werden, auf das Beschlussergebnis keinen Einfluss nehmen zu wollen. Die Satzung sollte daher die Behandlung von Stimmenthaltungen vorschreiben, was insb für die Notwendigkeit einer qualifizierten Mehrheit anzuraten ist. Soll es auf die anwesenden Mitglieder ankommen und sollen Enthaltungen mitgezählt werden, so verlangt BGH JZ 1987, 527 (zust Stützle Anm WuB II L § 32 BGB 2/87; ebenso schon Celle Rpfleger 1985, 271) eine eindeutige Niederlegung in der Satzung. Einer satzungsmäßigen Festlegung bedürfen auch eine Mehrheitslistenwahl (Frankfurt Rpfleger 1984, 360; zu diesem Wahlsystem BGH BB 1982, 1073; Bremen NZG 2011, 1192) und eine Blockwahl, bei der die Mitglieder nicht für oder gegen einzelne auf der Liste Platzierte stimmen können (BGH NJW 1974, 183; BayObLG NJW-RR 2001, 537; Zweibrücken NZG 2013, 1236; keinem Satzungsvorbehalt unterliegt die Blockabwahl LG Potsdam NZG 2023, 77), näher auch Ernst, FS K. Schmidt I, 2019, 261ff. Schreibt die Satzung für die Vorstandswahl vor, dass die Mitglieder nacheinander zu wählen sind, so ist eine per Blockwahl durchgeführte Bestellung unwirksam und auch nicht als punktuelle Satzungsdurchbrechung (§ 33 Rn 4) zu halten, Bremen NZG 2011, 1192. Auf derselben Linie liegt es, wenn BGHZ 106, 63, 72 eine nach dem Mehrheitsprinzip durchgeführte Listenwahl von Delegierten eines Ortsverbands einer politischen Partei und damit die Wertung kumulierter Stimmen als eine Stimme für ordnungsmäßig hielt, da es an einer – nach Ansicht des BGH unerlässlichen – Satzungsbestimmung fehlte, die die Konzentration der Stimmen eines Parteimitglieds zugunsten eines oder mehrerer Wahlbewerber verbot. Der Westermann/Anzinger
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Personen
Versammlungsleiter darf auch die sog Subtraktionsmethode anwenden (Darstellung bei BGH NJW 2002, 3629 für WEG); zu ähnl Fragen bei der GbR § 714 Rn 34ff Abs II, der auch ohne Abhaltung einer Versammlung einen Beschluss für gültig erklärt, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung schriftl erklären, wird durch Art 2 § 5 III des G zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht dahin ergänzt, dass ein Beschluss der Mitgliederversammlung auch gültig ist, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, und bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte ihre Stimme in Textform abgegeben hat und der Beschluss auf diesem Wege mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde. Das ist, wie die Zulassung einer „virtuellen“ Mitgliederversammlung (Rn 1), in der Übergangsregelung (Art 2 § 7, BGBl I 2020, 572) nur auf im Jahre 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen von Vereinen anzuwenden, also auf die COVID-Krise zugeschnitten, wodurch aber nicht ausgeschlossen ist, dass die Regelung auch für künftige Versammlungen für anwendbar erklärt wird. 3. Einberufung der Versammlung. Einer geordneten Mehrheitsbildung dienen auch Regelungen über die Einberufung der Mitgliederversammlung. Sie geschieht durch den Vorstand, die Einberufung durch einen abgewählten, aber noch im Register eingetragenen Vorstand hat Braunschweig RNotZ 2007, 343 (ebenso LG Aurich Rpfleger 1987, 515; LG Düsseldorf Rpfleger 1987, 72) ausreichen lassen. Vorstandsmitglied eines Verbandes ist zur Einberufung selbst dann befugt, wenn es einem Mitgliedsverein angehört, der aus dem Verband ausgetreten ist, Düsseldorf NZG 2012, 2072. Die Einberufung muss nach verbreiteter Meinung durch Vorstandsmitglieder in für die Vertretung ausreichender Zahl geschehen (Soergel/Hadding Rn 8), die Gegenmeinung, wonach jedes Mitglied allein handeln kann (MüKo/Leuschner Rn 11), hat für sich, dass bei Meinungsverschiedenheiten der Vorstandsmitglieder jedenfalls jeder einzelne die Mitgliederversammlung einberufen kann. Mit der Einberufung ist gem Abs I S 2 die Tagesordnung mitzuteilen; die Unterlassung gebotener Mitteilung führt zur Nichtigkeit von Beschl zu solchen Punkten, die in der mitgeteilten Tagesordnung nicht oder für eine Vorbereitung zu ungenau (BGH ZIP 2007, 1942) genannt waren (BGHZ 64, 301, 304; Frankfurt WM 1985, 1466, 1470; Köln OLG 1984, 401, 404; Stöber/Otto Rn 1051), für Ausschluss ebenso Zweibrücken NZG 2002, 436. Richtigerweise lässt Schleswig NZG 2002, 438 (s auch AG Elmshorn NJW-RR 2001, 25) die Angabe eines Tagesordnungspunkts „Satzung“ unter Beifügung eines Satzungsentwurfs genügen. Der Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ reicht als Vorbereitung für einen Beschl nicht aus, BayObLG NJW-RR 1990, 784. Ort und Zeit müssen in der Einladung entspr genau angegeben werden (RGZ 147, 12) und den etwa bestehenden Satzungsbestimmungen entsprechen. Der Zeitpunkt muss verkehrsüblich und für die Mitglieder zumutbar sein (Frankfurt OLG 1982, 418); eine Einberufungsfrist legt das Gesetz nicht fest, eine satzungsmäßige Einladungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem unter normalen Umständen Eingang bei den Mitgliedern zu erwarten ist (München NZG 2016, 385). Die Satzung kann eine kurze Mindestfrist auch unter einer Woche vorsehen, wenn dies nach den Gegenheiten des Vereins als typischerweise ausreichend anzusehen ist (Düsseldorf ZStV 2021, 68). Mangels Bestimmung in der Satzung muss die Frist so bemessen sein, dass sich die Mitglieder vorbereiten können, s aber § 58 Nr 4 zum Satzungsinhalt. Bei Groß-Vereinen, namentlich solchen mit berufsständischen Zielen, hat München (NZG 2016, 387) eine Vierwochenfrist verlangt. Auch die Form der Einberufung ist nicht vorgeschrieben, das ist Sache der Satzung, wobei die Bestimmung, die Einladung sei „ortsüblich“ bekannt zu machen, nicht ausreichen soll (Zweibrücken Rpfleger 1985, 31). Für einen Verein mit überwiegend örtlichem Tätigkeitsschwerpunkt (Sportverein) lässt Celle (NZG 2011, 154 LS) eine Ankündigung der Mitgliederversammlung „im Aushangkasten“ genügen, auch reicht ein in einer Sonderausgabe der Vereinszeitung abgedrucktes Einladungsschreiben, das vom zuständigen Vereinsvorsitzenden faksimiliert unterzeichnet ist, wobei es nicht schadet, wenn die „Ehrenmitglieder“ des Vereins, die nicht zur Mitgliederversammlung gehören, nicht eingeladen wurden, Zweibrücken NZG 2014, 1020; ebenso reicht eine satzungsmäßig vorgesehene Bekanntmachung nur in der örtlichen Tagespresse, wenn am Vereinssitz nur eine einzige Tageszeitung besteht und die Tätigkeit des Vereins überwiegend örtlich ausgerichtet ist, Celle NZG 2012, 149; s auch Hamm NZG 2011, 557; näher Stöber/Otto Rn 830. Jedenfalls muss der Vorstand dafür sorgen, dass die Mitglieder Kenntnis erhalten, BayObLG NJW-RR 2002, 1612, Schleswig NJW 2012, 2524; Übermittlung durch „Info-Post“ der Deutschen Post ersetzt Veröffentlichung in Vereinszeitung nicht (Hamm NZG 2014, 510). Eine Online-Versammlung ist aufgrund einer Satzungsbestimmung zulässig, wenn für alle Mitglieder die technische Möglichkeit besteht, teilzunehmen und sie einverstanden sind (Grü/Ellenberger Rn 1a), anders, wenn durch Gesetz für die Abstimmung ein Quorum der Erschienenen vorgeschrieben ist (näher Erdmann MMR 2000, 526). Bei Großvereinen muss eine digitale Teilhabe der Mitglieder an der Versammlung zugelassen werden, was voraussetzt, die Versammlung audiovisuell an die Mitglieder zu übertragen, Stimmrechtsvollmachten auf elektronischem Weg zu erteilen, während der Versammlung elektronische Stimmabgaben zu ermöglichen; es bedarf allerdings einer Satzungsregelung für eine derartige Ersetzung der Präsenz-Mitgliederversammlung (zum Ganzen Noack NJW 2018, 1345ff). Wichtig ist, dass durch die per E-Mail erfolgte Ladung, auch wenn sie zu einer Online-Versammlung einladen soll, solche Mitglieder nicht benachteiligt werden, die nicht über eine E-Mail-Adresse verfügen (großzügiger Hamm npoR 2016, 611; BeckOGK/ Notz Rn 76); auch muss die Satzung regeln, dass und wie die Versammlung in einem nur für Mitglieder mit ihren Legitimationsdaten und einem gesonderten Zugangswort zugänglichen Chart-Raum stattfindet (Hamm NJW 2012, 940), so dass die Informations- und Vorbereitungsfunktion der Ladung erhalten bleibt (näher Schäfer NJW 2012, 891f). Es schadet dann auch nicht, wenn die Satzung an sich für die Ladung „Schriftform“ vorschreibt, was als solches hinlänglich bestimmt ist, etwa unter Zuhilfenahme des § 126b gedeutet werden kann (Schleswig NJW 2012, 2524), zur Wahrung satzungsmäßiger Schriftform durch E-Mail auch Zweibrücken Rpfleger 2013, 537. Abgesehen von Dringlichkeitsanträgen wurde eine Eventual-Einberufung, die für den Fall der Beschluss184
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Juristische Personen – Vereine
§ 32
unfähigkeit gleichzeitig die nächste Versammlung ansetzt, in der Rspr (LG Berlin NJW-RR 1986, 97) wenig praxisnah für unzulässig erklärt, anders bei entspr Satzungsbestimmung BGH MDR 1989, 329; Köln Rpfleger 2009, 237, oder entspr Vereinsobservanz (Köln WM 1990, 1068). Die Satzung kann für die neue Versammlung auch ein geringeres Quorum für die Beschlussfähigkeit festlegen. Das Unterbleiben der Ladung einzelner Mitglieder ist unschädlich, wenn feststeht, dass dadurch das Abstimmungsergebnis nicht beeinflusst ist (BGHZ 59, 369, 374), so dass ein Mangel gegeben ist, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die nicht ordnungsmäßig geladenen Mitglieder durch ihre Mitwirkung ein anderes Ergebnis herbeigeführt hätten (LG Düsseldorf Rpfleger 1987, 72; BayObLG NJW-RR 1997, 289). Dringlichkeitsanträge können auch später auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn die Satzung dies zulässt (§ 32 I 2 ist abdingbar), doch müssen die Mitglieder hiervon, auch wenn die Satzung es nicht verlangt, immer noch so rechtzeitig erfahren, dass genügend Zeit zur Vorbereitung bleibt, sonst darf nur eine vorläufige Entscheidung getroffen werden (BGHZ 99, 119, 124; Köln WM 1990, 1068). Trotz § 40 darf das Erfordernis der Vorankündigung nicht gänzlich abbedungen werden (Weipert Kurzkomm EWiR § 32 BGB 1/87). Anders, wenn eine Vollversammlung auf die Einhaltung der verletzten Vorschriften über Einladung und Tagesordnung verzichtet (BGH NJW 1973, 235). Die Leitung der Mitgliederversammlung obliegt dem Vorstand. Soweit Vorstandswahlen stattfinden und der 4 bisherige, für eine Wiederwahl kandidierende Vorstand die Sitzungsleitung – wie in solchen Fällen üblich – einem Dritten überträgt, ist dies nicht zu beanstanden (Köln ZIP 1985, 1139), auch wenn es die Satzung nicht vorsieht. Die Versammlungsleitung umfasst ua die Feststellung der Beschlussfähigkeit, die Gewährleistung eines geordneten Ablaufs einschl einer etwa notwendigen Begrenzung der Redezeit und des Ausschlusses von Störern (Reichert Kap 2 Rn 1296ff; PWW/Schöpflin Rn 7), die Anordnung von Unterbrechung wegen zu langer Dauer, die Ermittlung und Verkündung des Beschlussergebnisses. Wenn es um Ersatzansprüche gegen den satzungsmäßigen Versammlungsleiter geht, kann ein anderer gerichtlich bestellt werden, Köln ZIP 2015, 1585. Auch die Mitgliederversammlung kann die übertragene Versammlungsleitung an sich ziehen. Maßnahmen der Versammlungsleitung können nur im Wege der Beschlussanfechtung angefochten werden (BGHZ 44, 245, 248). 4. Stimmrecht. In der Versammlung haben nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz alle Mitglieder gleiches 5 Stimmrecht. Abweichung durch die Satzung möglich, Vorzugs- und Mehrstimmrechte sind daher – anders als nach § 12 II AktG – in den allg Grenzen grds zulässig (Karlsruhe NZG 2014, 1417, MüKo/Leuschner Rn 35, aM K. Schmidt, GesR 607) und kommen in der Praxis etwa im Zuge einer Unterscheidung von ordentlichen und außerordentlichen (dann nicht stimmberechtigten) Mitgliedern vor (s den Fall BGHZ 55, 382). Hat ein Mitglied mehrere Stimmen, so ist str, ob es diese uneinheitlich ausüben darf (so Soergel/Hadding Rn 24), was ihm erlaubt sein sollte, wenn er bezüglich der Stimmen unterschiedlichen Bindungen unterliegt, die aber sachbezogen sein müssen, gegen willkürliche Zersplitterung MüKo/Leuschner Rn 39. Unzulässig wegen des Willkürverbots wäre Einräumung von Mehrstimmrechten für den Vorstand zum Schutz gegen Abwahl oder Satzungsänderungen (s KG NJW 1962, 1917; Staudinger/Schwennicke § 35 Rn 32). Zu Stimmrechtsbeschränkungen s § 34, Heranziehung der handelsgesellschaftsrechtl Bestimmungen nicht ohne weiteres möglich. Stimmbindungsverträge erkennt die ganz hM als gültig an, obwohl sie nur im Recht der Handelsgesellschaften voll entwickelt sind (A. Hueck, FS Nipperdey I, 1965, 401ff; R. Fischer, FS Hueck, 1969, 95ff), soweit sie nicht auf verbotenem (§§ 405 III Nr 6 AktG, 152 I GenG) oder nach § 138 nichtigem Stimmenkauf beruhen oder gesetzl Stimmverbote umgehen. Stimmbindungsverträge ggü Nichtmitgliedern unterliegen den allg Schranken der Unterwerfung des Vereinswillens ggü Außenstehenden (§ 25 Rn 2a; Soergel/Hadding Rn 23). Durchsetzung der Stimmbindung schwierig, die Zulässigkeit von Vertragsstrafen ersetzt die Naturalvollstreckung gültiger Stimmbindungen nicht, wie sie BGHZ 48, 163 über § 894 ZPO für möglich hielt. Im Grundsatz ist die entgegen einer Stimmbindung abgegebene Stimme wirksam (BGH NJW 1987, 1890), der Streit um die Rechtsfolgen der Verletzung einer solchen Bindung ist unter den Vertragspartnern auszutragen; die für die GmbH diskutierte Ausnahme für den Fall, dass alle Gesellschafter an Verstößen gegen Stimmbindungen beteiligt sind (dazu Hamm GmbHR 2000, 673), dürfte für den Verein kaum praktisch werden. Praktisch effektiv ist die Klagbarkeit nur, wenn einstw Rechtsschutz gewährt wird, was nach dem Zurücktreten des Verbots der Leistungsverfügung (näher v Gerkan ZGR 1985, 167, 179ff) erreichbar erscheint. Die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht ist zulässig, bei Begründung im Interesse des Bevollmächtigten sogar bis zur Grenze des Widerrufs aus wichtigem Grund (anders für den Idealverein Staudinger/ Schwennicke § 38 Rn 1 und Staudinger/Schwennicke § 32 Rn 99f, wenn nicht durch Satzung oder ständige Übung zugelassen), anders bei unwiderruflicher Bevollmächtigung eines Nichtmitglieds MüKo/Leuschner Rn 31, zum Ganzen Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, 241ff. 5. Beschlussmängel. Ein Beschl ist nicht schon aufgrund von Mängeln der Stimmabgabe des einzelnen Mit- 6 glieds fehlerhaft, sondern erst, wenn diese Erklärung für den Beschl kausal war (BGHZ 59, 369, 373; Frankfurt ZIP 1985, 213, 222; Stuttgart NJW-RR 1986, 243), oder wenn das zum Beschl führende Verfahren wegen möglicher Beeinflussung des Beschlussergebnisses mangelhaft war. Von dieser vordergründigen Feststellung abgesehen, ist die Durchhaltbarkeit der (durch Analogie zu §§ 241ff AktG begründeten) Differenzierung zw Verletzung von Gesetzes- und Satzungsrecht mit der Folge der Rechtswidrigkeit des Beschl, die aber nur in positiv-rechtl feststehenden Fällen zur Nichtigkeit des Beschl führt, und solchen Beschlussmängeln, die zur Anfechtbarkeit des Beschl führen, ohne Spruch des Gesetzgebers nicht gegeben; es ist daher nicht zu erwarten, dass die verschiedentlich (K. Schmidt, FS Stimpel, 1985, 179; MüKo/Leuschner Rn 64; Grunewald GesR § 8 Rn 58) vorgeschlagene entspr Anwendung des aktienrechtl Modells, obwohl sie sich für die GmbH weitgehend durchgesetzt hat, die im Vereinsrecht bestehende Unterscheidung von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit, die auch bei Westermann/Anzinger
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§ 32
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Personen
Kausalität eines Beschlussmangels für das Ergebnis bestehen muss (s bereits BGHZ 49, 209; 59, 260), beseitigen kann. Fehler bei der Einberufung (Rn 3) oder Bekanntgabe der Tagesordnung führen aber zu Nichtigkeit der Beschlüsse (BGH NJW 2008, 60; Hamm NJW RR 2014, 473), abzustellen ist auf die Relevanz des Verfahrensfehlers, nicht auf die Kausalität (Brandenburg NZG 2022, 865), zur Einberufung der Mitgliederversammlung durch unzuständiges Organ BGHZ 87, 1, 2; auch BGH NJW 2008, 69 stellt darauf ab, dass den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung (einschl der Entscheidung, an der Versammlung teilzunehmen) nicht möglich war. Für Irrtumsanfechtung der Stimmabgabe (§ 28 Rn 2) gilt dasselbe. Nichtiger Beschl wird nicht dadurch geheilt, dass die Mitgliederversammlung ihn nachträgl so behandelt, als sei er wirksam gefasst worden, vielmehr ist neue einwandfreie Abstimmung nötig (BGHZ 49, 209, 211), es sei denn, man verfährt nach Abs II, dazu Rn 1. Gegen die Annahme (Frankfurt ZIP 1985, 213), rügelose Einlassung der Mitglieder einer Delegiertenversammlung heile Einberufungsmängel, spricht der Zweck der Einberufungsregeln, auch den nicht an der Versammlung teilnehmenden Mitgliedern Einflussnahme zu ermöglichen (Schüren EWiR § 32 BGB 1/85). Geltendmachung der Nichtigkeit geschieht nach noch hM durch Feststellungsklage gegen den Verein (BGHZ 49, 398; 59, 369, 372; Hamm NJW-RR 1997, 989; LG Frankfurt NJW-RR 1998, 396; Stöber/Otto Rn 1059). Zur Klage befugt sind nur Mitglieder, die dem Verein zZt der Beschlussfassung und der Rechtshängigkeit angehören (BGH NJW 2008, 69 – in ersterer Hinsicht nicht unzweifelhaft, weil ein später hinzugetretenes Mitglied ein Interesse an der Beseitigung rechtswidriger Beschl haben kann). Nicht klagebefugt sind Dritte (zurückhaltend Frankfurt OLG Rspr 1999, 165), ebensowenig eine rechtl unselbständige Untergliederung des Vereins, BGH NJW 2008, 69, was nur nach grds Klärung der Voraussetzungen und Folgen der rechtl Selbständigkeit, an der es noch fehlt (Vor § 21 Rn 14), undifferenziert beibehalten werden kann (zu den Möglichkeiten K. Schmidt, FS Reuter, 2010, 345, 360ff; Soergel/Hadding Rn 40). Es liegt nahe, wegen des Interesses an der Bestandskraft gefasster Beschl die Anfechtungsmöglichkeit zeitl zu beschränken, notfalls durch den Gedanken der Verwirkung (in der Rspr Andeutungen bei BGHZ 49, 209, 212; 59, 369, 372; jedoch nicht bei Einberufungsmängeln); nach Hamm NJW-RR 1997, 989 ist ein Zeitraum von 4 Monaten zw Beschl und Klageerhebung zu lang. Ein vereinsinterner Rechtszug muss ausgeschöpft sein, bevor Klage erhoben werden kann, KG NJW 1988, 3195. Feststellungsurteil hat nur deklaratorische Wirkung, ein aufgrund des Beschl vorgenommenes Geschäft verliert nicht automatisch seine Außenwirkung, wenn Vertretungsmacht bestand, es sei denn, der Beschl war auch nach außen erkennbar Wirksamkeitsvoraussetzung (etwa bei Erklärung eines Gremienvorbehalts). Ist in der Mitgliederversammlung das Nichtzustandekommen eines Beschl festgestellt worden, so kann mit der Anfechtung dieses Beschl der Antrag auf Feststellung des richtigen Beschlussergebnisses verbunden werden (so für die AG BGHZ 76, 191; s auch BGHZ 88, 320; zust K. Schmidt AG 1980, 169; zum Verein ebenso BaRo/Schöpflin Rn 29). Zum möglichen Einfluss des MoPeG auf das ungeschriebene Beschlussmängelrecht des Vereins Grunewald npoR 2020, 279.
§ 33
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Satzungsänderung
(1) Zu einem Beschluss, der eine Änderung der Satzung enthält, ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Zur Änderung des Zweckes des Vereins ist die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich; die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder muss schriftlich erfolgen. (2) Beruht die Rechtsfähigkeit des Vereins auf Verleihung, so ist zu jeder Änderung der Satzung die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich. 1. Unterschied zwischen Satzungs- und Zweckänderung. Die Möglichkeit einer Satzungsänderung und auch einer Zweckänderung folgt aus der Satzungsautonomie. Die gesetzl Unterscheidung zw einer durch qualifizierte Mehrheit möglichen Satzungsänderung und einer grds der Zustimmung aller Mitglieder bedürftigen Zweckänderung zeigt, dass es gewissermaßen oberhalb der Satzung eine Grundlage des Vereinslebens geben muss, deren Bestandskraft aus der Sicht des einzelnen Mitglieds höher ist als die der Satzung als der geschriebenen Ordnung des Vereinslebens. Dies ist der Zweck des Vereins. Nach überwiegender Ansicht haben die Bezugnahmen auf den Vereinszweck in den §§ 21, 22, 43 II, § 57 I, § 71 I und schließlich in § 33 I 2 nicht denselben Inhalt; in der erstgenannten Gruppe von Vorschriften geht es um die Abgrenzung eintragungsfähiger und konzessionsbedürftiger Vereine, die durch die Zwecksetzung des Vereins bedingt ist, in § 33 I 2 um den Schutz der Mitglieder vor einer über ihren Kopf hinweg erfolgten Änderung der konkreten Zielsetzung des Vereins (Leuschner npoR 2022, 59, 60f; Häuser/van Look ZIP 1986, 749, 751f; K. Schmidt BB 1987, 556, 558; vom obersten Leitsatz der Vereinstätigkeit sprechen BGHZ 96, 245, 251; NK/Heidel/Lochner Rn 5; Staudinger/Schwennicke Rn 36; stärker für eine Gemeinsamkeit im Begrifflichen Reuter ZGR 1987, 475, 480). Auf dieser Grundlage versteht BGHZ 96, 245, 249, 251 den Zweckbegriff in § 33 I 2 eng, um die Indisponibilität für die Mitgliedermehrheit auf solche Aspekte der gemeinsamen Zielsetzung beschränken zu können, mit deren Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zu rechnen brauchte, ähnl Düsseldorf ZIP 2020, 2015; BayObLG NJW-RR 2001, 1260. Nicht jede Änderung der Formulierung des Vereinswecks in der Satzung ist daher eine Zweckänderung iSd § 33 I 2 (Düsseldorf ZIP 2020, 2015). Einstimmigkeit daher nicht erforderlich, wenn lediglich eine seit langem nicht mehr bestehende Gemeinnützigkeit formell aufgegeben werden soll (Frankfurt OLGRp 1999, 165), oder eine aus tatsächlichen Gründen unmögliche Zielsetzung durch eine den Verhältnissen angepasste ersetzt wird. Für den Verein bedeutet dies, dass in einer Zweckänderung (auch einer Einengung, LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 1988, 151, oder Erweiterung zur Erlangung der Gemeinnützigkeit, etwa zur allg Förderung hilfsbedürftiger Studenten und nicht nur von Corps-Mitgliedern LG München I NotBZ 2023, 121 m Anm Otto) oder Beschränkung auf ei186
Westermann/Anzinger und Westermann
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Juristische Personen – Vereine
§ 33
nen von bisher mehreren stets auch Satzungsänderung liegt (RGZ 88, 402), während eine Konkretisierung der grundlegenden Leitidee des Vereinslebens durch nähere Ausführungen oder Anpassung an veränderte Umstände nur Satzungsänderung ist (RG JW 1931, 1450). BGHZ 96, 245, 252 (zust Reuter, 481; krit insoweit Häuser/ van Look, 755) hat bei einem Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und der Wirtschaftskriminalität die Streichung eines Passus über die Wahrung von Verbraucherinteressen nicht als materielle Änderung des Zwecks angesehen, richtig deshalb, weil sich Wettbewerber- und Verbraucherinteressen nicht ausschließen und der Anlass der Satzungsänderung nur in einer Änderung der Rspr zu § 13 UWG lag (näher Häuser/ van Look, 750). Zweckänderungen wären demggü die Umstellung eines Idealvereins auf politische oder gewerbliche Zielsetzungen, zu Bsp im Genossenschaftsbereich Beuthien BB 1987, 6, 8ff, ähnl bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband die Ausweitung seiner Tätigkeit durch die Unterhaltung eines Sicherungsfonds (Hamm OLGZ 1980, 328). Eine Zweckänderung geschieht auch durch Aufgabe gemeinnütziger Tätigkeit (Stöber/Otto Rn 1115), ebenso durch Wandel der Rechtsform, auch die Ausgliederung des eigentlichen Sportbetriebs bei einem Sportverein kann hierher gehören, sowie auf der anderen Seite die Erweiterung um andere Sportarten oder neue Betätigungsformen (etwa München DB 2011, 2373) oder die Aufgabe einzelner Abteilungen (BGH NZG 2013, 466) oder der Wechsel vom Amateur- zum Profisport. Ähnl ist bei Abspaltung der Trägerschaft an einem Unterstützungskassen-Verein von einem ursprünglichen auf einen übernehmenden Arbeitgeber zu beachten (näher Keuper/Hey BB 2009, 840ff). Nach § 40 sind auch die Vorschriften über Satzungs- und Zweckänderung abdingbar. Schreibt eine Vorschrift 2 für Beschlussfassung über einen bestimmten Gegenstand eine höhere als 3/4-Mehrheit vor, kann sie selbst nur mit dieser höheren Mehrheit geändert werden (Staudinger/Schwennicke Rn 50). Wenn die Satzung bestimmt, dass einer Änderung des Zwecks nicht alle Mitglieder zustimmen müssen, kann dies ebenso wie eine Regelung, die direkt eine Zweckänderung verfügt, nur mit Zustimmung aller geändert werden, München NZG 2011, 994. Gegen Herabsetzung der Grenze unterhalb der 3/4-Mehrheit bestehen Bedenken, wenn aus der Satzung nicht eindeutig die Möglichkeit hervorgeht, eine derartige Erleichterung der Satzungsänderung zu ermöglichen (BGH WM 1987, 1178 zur Personengesellschaft). Damit würde der im Gesellschaftsrecht der Personenhandelsgesellschaft entwickelte Bestimmtheitsgrundsatz auf das Vereinsrecht übertragen, jedenfalls der in ihm enthaltene Aspekt des Minderheitenschutzes (dafür Häuser/van Look, 752ff und Soergel/Hadding Rn 12), zu den Zweifeln am Bestimmtheitsgrundsatz im Gesellschaftsrecht im Anschluss an BGHZ 170, 283; BGH NZG 2013, 57; GmbHR 2013, 194 Schäfer ZGR 2009, 768; Westermann/Wertenbruch/H.P. Westermann, Personengesellschaften Rn I 517ff); Staudinger, Minderheitenschutz im Personengesellschaftsrecht, 2020, 31ff. Auch BGHZ 96, 245, 249f dachte in diese Richtung, indem die Möglichkeit einer Mehrheit, Zweckänderung zu beschließen, in der Satzung „unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden“ muss (zust Weipert EWiR § 33 BGB 1/86; Sauter/Schweyer/ Waldner Rn 146; ebenso Köln NJW-RR 1996, 1180, das für eine Zweckänderung auch dann Einstimmigkeit fordert, wenn die Satzung mit 2/3-Mehrheit geändert werden kann). Die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes passt bei einer körperschaftlichen Verfassung nicht; entgegen einer formalen Betrachtungsweise ist auch im Vereinsrecht nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall trotz eindeutiger Satzungsvorschrift bei Vereinen, deren Mitgliedschaft für ein Mitglied unentbehrlich ist, materielle Schranken einer zweck- oder satzungsändernden Mehrheitsentscheidung eingreifen (Reuter ZGR 1987, 475, 487f). In diese Richtung lässt sich auch BGH WM 1980, 1064 zur gleichzeitigen Auswechslung der Vereinsmitglieder (durch Eintreten von Einzelmitgliedern statt ihrer Verbände) durch eine Delegiertenversammlung ohne Zustimmung der bisherigen Vereinsmitglieder verstehen. Krit betrachtet werden auch Regelungen, die der Mitgliederversammlung die alleinige Kompetenz für Satzungsoder Zweckänderungen nehmen; dies ist in der Tat abzulehnen, wenn der Mitgliederversammlung nicht wenigstens das Recht bleibt, diese Kompetenz (wieder) an sich zu ziehen (MüKo/Leuschner Rn 25). Ähnl werden Regelungen behandelt, die Satzungsbestimmungen für gänzlich unabdingbar erklären; mindestens muss sich eine einstimmige Entscheidung der Mitgliederversammlung über ein solches Hindernis hinwegsetzen können (Soergel/Hadding Rn 7a; MüKo/Leuschner Rn 27 gegen Staudinger/Schwennicke Rn 49). Satzungsänderung ist jede Änderung, die im Satzungstext textlich zum Ausdruck gebracht werden muss, um 3 ihr Gestaltungsziel zu erreichen. Eine Unterscheidung von materiellen und formellen Satzungsteilen, von denen die ersteren nur durch Satzungsänderung iSd § 33, die anderen durch einfachen Mehrheitsbeschluss gem § 32 modifiziert werden könnten, ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit nicht anzunehmen (BayObLG 1975, 435, 438; aM MüKo/Leuschner Rn 4, NK/Heidel/Lochner Rn 2). Auch bloße redaktionelle Änderungen des Textes gehören hierher, können aber einem Ausschuss oder dem Vorstand übertragen werden, Stöber/Otto Rn 1092,1097. Satzungsänderung und keine bloße Konkretisierung der Zweckverfolgung ist die Erhöhung der Pflichten der Vereinsmitglieder (RG JW 1931, 1490). Angesichts der § 707 BGB, § 180 I, § 55 AktG, § 53 III GmbHG ist das Verbot wesentlicher Pflichtenmehrung als gesellschaftsrechtl Grundprinzip bezeichnet worden (Nicklisch BB 1979, 1159; Beuthien BB 1987, 10), das jedoch im Vereinsrecht mit Rücksicht auf die regelmäßig nur geringe Belastung jedes Mitglieds, die Austrittsmöglichkeiten und die Notwendigkeit gelegentlicher Beitragsanpassungen nur eingreift, wenn und soweit ein entspr (satzungsändernder) Beschl nicht durch Interessen des Vereins erfordert wird (schärfer Beuthien BB 1987, 11; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 7 IV 1b; § 58 Rn 2; s auch BVerfG NJW 1991, 2626 und AG Grevenbroich NJW 1991, 2646 zur Auferlegung einmaliger Sonderleistungen). Daher keine satzungsmäßige Festlegung der Obergrenze nötig, Häuser/van Look EWiR § 39 BGB 1/88 gegen Köln ZIP 1988, 19. Zur Satzungsänderung mit geheimer Abstimmung Frankfurt NZG 2018, 1074; npoR 2019, 12. Beitragserhöhung ist regelmäßig nicht als wichtiger Grund für den Austritt anzusehen (LG Aurich Rpfleger 1987, 116; StauWestermann
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dinger/Schwennicke § 39 Rn 17), was auch für eine einmalige und uU sogar verhältnismäßig hohe Umlage gilt (LG Aurich Rpfleger 1987, 116; s auch BGH NJW 1968, 543; ähnl AG Grevenbroich NJW 1991, 2646). Wird infolge einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse die Erreichung des Vereinszwecks unmöglich, so schrumpft der satzungsmäßig zu verfolgende Zweck auf die ihm noch zugehörigen Restaufgaben (BGHZ 49, 175). 2. Qualifizierte Mehrheit. Erforderlich ist Beschl der Mitgliederversammlung mit 3/4-Mehrheit, die Satzung kann andere Art vorsehen oder zusätzl Erfordernisse aufstellen (zur Unbeachtlichkeit zusätzl Erfordernisse, wenn infolge der Änderung tatsächlicher Verhältnisse (Bsp hohe Mitgliederzahl) dadurch Satzung faktisch dauerhaft unabänderlich wird, München MDR 2020, 807 m Anm Schulteis EWIR 2020, 297; München ZIP 2020, 1462), nicht aber die Satzungsänderung einem außenstehenden Dritten überlassen (Frankfurt NJW 1983, 2576; Beuthien/Grätsch ZHR 56, 1992, 459ff), dem aber immerhin ein Recht zur Zustimmung eingeräumt werden kann (KG Rpfleger 1974, 394; PWW/Schöpflin Rn 2). Beim eV Eintragung als konstitutiver Akt nötig, § 71; für konzessionierte Vereine s Abs II, beim nicht rechtsfähigen Verein genügt der bloße Beschl (MüKo/Leuschner Rn 8). Jahrelange widerspruchslose Hinnahme macht die Änderung wirksam (BGHZ 25, 311, 316). Von außen dem Verein aufgezwungene oder angetragene Satzungsänderung, die eingetragen ist, wird mit freiwilliger Zustimmung (auch formlos) aller Mitglieder wirksam (BGH NJW 1955, 457), selbst bei Irrtum über den Inhalt der Satzungsbestimmung, BGHZ 25, 316. Eine Zweckänderung, die mit der in Abs I S 2 bezeichneten Mehrheit beschlossen worden ist, bedarf beim eV gem § 71 I 1 der Eintragung ins Vereinsregister. Durch Staatsakt kann die Satzung ohne besondere gesetzl Grundlage nicht geändert werden (BGHZ 19, 52). Ggü einer faktischen, aber rechtl unwirksamen Zweckänderung kann die Minderheit den Austritt erklären, um den Verein anderweit fortzusetzen; das bloße Bestehen der Mehrheit auf der Änderung als Austritt aus dem Verein anzusehen, den die Minderheit dann fortsetzen könnte, kommt allenfalls bei eindeutigen Erklärungen in Betracht (RGZ 119, 184 und BGHZ 49, 175). 3. Satzungsdurchbrechung. Von Satzungsänderung oder einfacher Konkretisierung der Zweckverfehlung durch Beschl ist zu unterscheiden die Satzungsdurchbrechung. Darunter ist eine Entscheidung eines Vereinsorgans zu verstehen, in einer Einzelfrage von der Satzung ohne eine Satzungsänderung abzuweichen, die folglich weder beschlossen noch gem § 71 eingetragen wird, gewöhnlich deshalb, weil die Handelnden nicht beabsichtigen, die Satzung in diesem Punkt auf Dauer zu ändern. Das ist, wenn es eine satzungsändernde Mehrheit der Mitgliederversammlung durch Beschl billigt und wenn alle Voraussetzungen für eine Satzungsänderung vorliegen (dazu Bremen NZG 2011, 1192), wirksam, nach verbreiteter Ansicht aber nicht, wenn dadurch eine Zustandsänderung herbeigeführt werden soll (BGHZ 32, 17, 19; 123, 15, 19; BGH NJW 1993, 2246; Köln GmbHR 2019, 188; Otte/Gräbener BB 2019, 595; Staudinger/Schwennicke Rn 59; abl auch Priester ZHR 151, 51ff); gegen die Unterscheidung von punktueller und zustandsändernder Durchbrechung, die vom Mitgliedswillen getragen ist, wird eine Analogie zu § 243 I AktG angeführt, obwohl hierdurch ein satzungswidriger Zustand akzeptiert würde; dem wird durch die Beschränkung des Eintragungserfordernisses auf abstrakt-generelle Satzungsdurchbrechungen (MüKo/Leuschner Rn 22) vorgebeugt, was auch der Perspektive später eintretender Mitglieder dient. Allgemein muss der Beschl von einem für den Gegenstand zuständigen Vereinsorgan gefasst sein (BayObLG NJW-RR 2001, 537).
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Ausschluss vom Stimmrecht
Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft. 1. Anwendungsbereich. Zweck der Vorschrift ist Vermeidung von Interessenkonflikten, derselbe Rechtsgedanke wie in § 136 AktG, § 47 GmbHG, § 43 GenG und § 181 BGB. Der Anwendungsbereich ist aber auf die Vornahme von Rechtsgeschäften mit dem betreffenden Mitglied und die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten zw ihm und dem Verein beschränkt. Im Schrifttum wird verschiedentlich versucht, ein über § 34 hinausgehendes allg Prinzip des Stimmrechtsausschlusses zu formulieren (Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der jur Person 1981, 66ff), etwa dahin, dass niemand in eigener Sache als Richter mitwirken kann, MüKo/Leuschner Rn 1. Dies ist jedenfalls dann anzuerkennen, wenn bei einer Entscheidung ein Werturteil über bestimmte Handlungen und Verhaltensweisen einer Person gefällt werden soll, also bei Ausschluss, Abberufung aus einem Amt, Kündigung eines Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund, Verhängung einer Vereinsstrafe, wohl auch schon Entlastung (BGH ZIP 2023, 467 betr GbR; BGHZ 86, 177, 179 betr GmbH; BGH NJW 2002, 704; Düsseldorf GmbHR 1989, 468; BayObLG NJW-RR 1987, 595; Stöber/Otto Rn 997; anders Köln NJW 1968, 992; KG NZG 2015, 280 für Vereinsausschluss), und es mag auch sein, in Einzelfällen Analogien zu den Einzelbestimmungen des Gesellschaftsrechts zu ziehen (MüKo/Leuschner Rn 2). Auf der anderen Seite hat die Rspr namentlich bei verschachtelten Personengesellschaften Stimmrechtsverbote in Bezug auf Rechtsgeschäfte verschiedentlich gelockert (s § 714 Rn 19), was beim eV zumindest im Verbandswesen berücksichtigt werden sollte. Schon nach BGHZ 56, 47, 53 (für GmbH) schließt die Beteiligung eines Mitglieds an einer jur Person, die Partner des Vertrags ist, auf die sich der Beschl bezieht, das Stimmrecht nicht aus, anders nur, falls das Mitglied die jur Person „beherrscht“ oder wenn Kündigung eines Vertrags darauf abzielt, das Verhalten des Mitglieds zu missbilligen (BGH ZIP 2023, 467 betr GbR). Das gilt auch, wenn eine Mehrzahl von Mitgliedern das andere Unternehmen beherrscht (BGHZ 68, 107 für GmbH). Bei der Verhängung von Vereinsstrafen ist Stimmrechtsausschluss anzunehmen, Soergel/Had188
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Juristische Personen – Vereine
§ 35
ding Rn 7. Schwerwiegende Interessenkollisionen oder unlautere Beeinflussungen der Abstimmung zugunsten eines Mitglieds, auch eines Vorstands, können die Stimmabgabe als unzulässige Rechtsausübung und damit mangelhaft erscheinen lassen (RGZ 146, 385, 396; BGH NJW 1980, 1278; Hamburg DB 1981, 81). Eine rechtswidrig abgegebene Stimme darf nicht mitgezählt werden, geschieht dies doch, so liegt ein Beschlussmangel vor (§ 32 Rn 6), das Gremium ist aber nicht beschlussunfähig (BGH ZIP 2004, 1056 für AG-Aufsichtsrat). Die Mitwirkung eines vom Stimmrecht bei einzelnen Beschlussgegenständen Ausgeschlossenen in der Versammlung und die Teilnahme an der Diskussion führt als solche noch nicht zu Beschlussmängeln. § 34 ist anwendbar auf den nicht rechtsfähigen Verein (Habscheid AcP 155, 391) sowie auf die Erbengemeinschaft (BGHZ 56, 47, 52) und die Bruchteilsgemeinschaft (BGHZ 34, 367, 371). Die Vorschrift ist, wie § 40 zeigt, zwingend und findet über § 28 auch auf Vorstandsentscheidungen Anwendung. 2. Ausschluss des Stimmrechts bei Rechtsgeschäften. Ausgeschlossen ist das Mitglied von der Abstimmung, nicht aber von der Willensbildung (BGH ZIP 2023, 467) über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts. Darunter fallen nicht Beschl über Besetzung von Organpositionen innerhalb des Vereins, sondern nur über Rechtsbeziehungen zw Verein und Mitglied (Wilhelm NJW 1983, 912, 914; zust MüKo/Leuschner Rn 5), die das Mitglied als Vertreter des Vereins nicht abschließen könnte (BGH NJW 1991, 172); das Stimmverbot ist also nicht auf Drittgläubigergeschäfte beschränkt. So kann das Mitglied über seine Kandidatur zu Organen grds mitstimmen (RGZ 74, 276; s aber Rn 1; Vorbehalte bei Hüffer, FS Heinsius, 1991, 337 für GmbH), nicht aber über die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführung im Hinblick auf die Durchführung von Geschäften mit ihm (BGHZ 68, 107, 112). Vielfach wird eine Einschränkung des Stimmrechts bei mitgliedschaftlichen Sozialakten angenommen, bei denen das Mitglied nur die ihm kraft der Mitgliedstellung zustehenden Rechte wahrnehmen will, also etwa Abberufung oder Kündigung, die nicht auf wichtigen Grund gestützt sind (BayObLG NJW-RR 1986, 1499; Düsseldorf GmbHR 1989, 468), doch liegt auch hier möglicherweise eine Interessenkollision in Gestalt eines Richtens in eigener Sache vor; anders bei der Einforderung von Beiträgen oder bei der Auflösung des Vereins. Das str Stimmverbot bei der Festsetzung der Bezüge von Organpersonen (dafür Soergel/Hadding Rn 5; dagegen RGZ 74, 276; JW 1917, 165; BGHZ 18, 205, 210; 51, 209) folgt im Grundsatz daraus, dass hiervon im Regelfall des Idealvereins die Wahl in das Amt nicht betroffen ist und der Interessengegensatz von Verein und Mitglied dem beim Abschluss von Rechtsgeschäften entspricht; auch die Haftungserleichterung bzw -erschwerung gem § 31a sollte hieran nichts ändern, anders möglicherweise der enge Sachzusammenhang mit dem eigentlichen Sozialakt. Die Art des Rechtsstreits zw Mitglied und Verein ist nicht näher bezeichnet, weil die Interessenkollision vom Streitgegenstand nicht abhängt. Die Geltendmachung von Ansprüchen und die Erhebung einer Feststellungsoder Gestaltungsklage stehen daher gleich (näher MüKo/Leuschner Rn 6), doch greift das Stimmverbot unter diesem Gesichtspunkt (anders vielleicht wegen Richtens in eigener Sache) nicht schon dann ein, wenn der Gegenstand der Abstimmung so beschaffen ist, dass sich aus ihm ein Rechtsstreit ergeben könnte. Ein Stimmrechtsausschluss besteht nicht, wenn der Rechtsstreit die Gültigkeit eines Vorgangs klären soll, an dem der Betroffene mitwirken durfte, jedenfalls dann nicht, wenn die dort überstimmte Minderheit lediglich versucht, über den Rechtsstreit eine Entscheidung zu blockieren, was i Erg zu Stillstand während des Prozesses führt. Eine Ausdehnung des Stimmverbots auf Angelegenheiten nahe stehender Personen sieht § 34 nicht vor, so dass mit dem Gedanken der Treuwidrigkeit und mit Gesetzesanalogien zu gesellschaftsrechtl Vorschriften gearbeitet werden muss (Rn 2). Soweit eine Personengruppe (Bruchteils- oder Gesamthandsgemeinschaft) Mitglied ist, erfasst das einen Gemeinschafter erfassende Stimmverbot die Gemeinschaft, wenn der Betroffene in der Gruppe entscheidenden Einfluss ausüben kann (BGHZ 49, 183, 193; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 1963, 274ff; dort auch gegen einen generellen Stimmrechtsausschluss naher Verwandter).
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Sonderrechte
Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden. 1. Ratio. Zweck der Vorschrift ist ein über den Gleichbehandlungsgrundsatz hinausgehender Schutz vor Ma- 1 jorisierung, § 35 ist daher zwingend (NK/Heidel/Lochner Rn 1), wie sich auch aus § 40 ergibt; möglich sind aber auflösend bedingte Sonderrechte, soweit die Satzung dies vorsieht, die ein Sonderrecht auch an Bestand (und Fortbestand) bestimmter, auch individueller, Umstände knüpfen kann. Der Grundsatz des § 35 ist auch im allg Gesellschaftsrecht anzuwenden (BGH NJW-RR 1989, 542), wobei jedoch die Einräumung von Sonderrechten etwa im Aktienrecht weitgehend an der Satzungsstrenge scheitert, dazu auch Altmeppen NZG 2005, 771, 773; im allg Verbandsrecht ist meist mit den sonstigen Instrumenten des Mitgliederschutzes auszukommen, etwa dem Gleichbehandlungsgrundsatz. 2. Begriff. Sonderrecht ist eine bevorzugte körperschaftliche, nicht allen Mitgliedern zustehende und allein 2 durch die Satzung zu bestimmende (Stöber/Otto Rn 253) Stellung einer Person oder Gruppe aufgrund der Mitgliedschaft, die gegen Entziehung durch Mehrheitsbeschluss gesichert sein soll, vgl RGZ 104, 255; HRR 1932, 1287, zB Organbestellungsrecht (vgl zB für GmbH BGH NJW 1968, 131), beitragsfreie Ehrenmitgliedschaft (Nürnberg DNotI-Report 2021, 125) oder Anspruch auf Mitgliedschaft im Vorstand, s auch BGH WM 1989, 250 für bevorzugtes Stimmrecht, Anspruch auf Liquidationserlös. Sonderrechte können nur durch Satzung beWestermann
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Berufung der Mitgliederversammlung
Die Mitgliederversammlung ist in den durch die Satzung bestimmten Fällen sowie dann zu berufen, wenn das Interesse des Vereins es erfordert. Einberufung der Mitgliederversammlung ist Pflicht des Vorstands bzw des sonst zuständigen Organs; Verletzung macht schadensersatzpflichtig ggü dem Verein, Erzwingung nach § 37 möglich (dazu § 37 Rn 3). Ob daneben auch ein durch Klage erzwingbares Recht des Einzelmitglieds gegen den zur Berufung Verpflichteten besteht, ist str (bejahend RGZ 79, 411; AG Magdeburg SpuRt 2021, 356; verneinend mit Recht Staudinger/Schwennicke § 37 Rn 32; MüKo/Leuschner Rn 7). Wichtiger Grund ist Sachverhalt, der ohne Verzögerung der Beschlussfassung der Mitgliederversammlung zu unterbreiten ist, zB Notwendigkeit einer Satzungsänderung, BGH NJW 1987, 1811. Zur Form der Einladung § 32 Rn 3. § 36 ist zwingend, vgl § 40. Die für Versammlungen bis 31.8.2022 geltende Vorschrift des § 5 IIa GesRuaCOVBekG regelte gesetzl einen Aufschub der Einberufungspflicht, solange keine Präsenzversammlung möglich und eine Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation für Verein oder Vereinsmitglieder unzumutbar war.
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gründet werden. So sind Rechte, die nicht auf einen zur Mitgliedschaft hinzutretenden besonderen Umstand gegründet, sondern Ausfluss des allg Mitgliedschaftsrechts sind, keine Sonderrechte (BGHZ 84, 209, 218). Die verbreitete Vorstellung, dass Sonderrechte zwingend unentziehbar seien, hat in § 35 eine Grundlage nur insofern, als ein solches Recht dem Inhaber nicht ohne seine Zustimmung entzogen werden kann, was die Satzung aber nicht hindert, das Recht von vornherein als entziehbar auszugestalten; eine Entziehung oder Beschränkung aus wichtigem Grund ist ebenfalls möglich, BGH NJW-RR 2005, 39; Staudinger/Schwennicke Rn 10; gegen die begriffliche Identifikation des Sonderrechts mit Unentziehbarkeit Beuthien ZGR 2014, 24ff; MüKo/Leuschner Rn 1; zur Lage im Gesellschaftsrecht § 714 Rn 48. Gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende Beschl sind auch ohne Rücksicht auf § 35, also auch dann, wenn das Recht allen Mitgliedern zusteht, unwirksam (vgl RGZ 112, 124), wobei Eingriffe in solche Rechte für alle Mitglieder gleichmäßig durch Beschl zulässig sein können, aber auf Bedenken gegenüber gezielter Majorisierung stoßen können; jedenfalls muss gruppenweise Unterscheidung sachlich begründet sein, BAG NJW 1956, 806. Sonderrecht als körperschaftliches Recht ist von einem Recht, das in gewöhnlichen Rechtsgeschäften zw Verein und Mitglied begründet ist (Gläubigerrecht), zu unterscheiden, zB Darlehensanspruch. Hier gilt das Recht der Vertragsverhältnisse, wobei es aber als Sonderrecht auch angesehen werden kann, gegen eine Vergütung in Vereinsangelegenheiten mitwirken zu können (so mit Blick auf KG Grunewald Kurzkomm/EWiR 2005, 25 zu BGH ZIP 2004, 2282). Wie die Sonderrechte sind auch die aufgrund der Mitgliedschaft dem Mitglied erwachsenen Ansprüche gegen den Verein, zB auf Gewinnbeteiligung beim wirtschaftl Verein, der Bestimmung durch den Verein entzogen. Sonderlasten, zB Erhöhung der Beiträge für einzelne Mitglieder, sowie Sonderverpflichtungen sind entspr zu behandeln. Dagegen ist Einstimmigkeit für die Beseitigung von Sonderlasten wohl nicht zu fordern, satzungsändernde Mehrheit und Zustimmung des Betroffenen genügen. Ob § 35 verletzt ist, kann der Richter unbeschränkt nachprüfen. Tatsächliche Verletzungen der Position eines Berechtigten können Schadensersatzansprüche aus § 280 auslösen (MüKo/Leuschner Rn 12). 3. Entstehung und Entziehung von Sonderrechten. Die Sonderrechte entstehen aufgrund der Satzung (BGH MDR 1970, 913); das gilt auch für Begründung durch Satzungsänderung, der auch die nicht entspr begünstigten Mitglieder zustimmen müssen (Löffler NJW 1989, 2656, 2659; Lettl AcP 2009, 189). Die Begründung eines Sonderrechts setzt darüber hinaus aber nicht die Zustimmung aller nichtbegünstigten Mitglieder voraus (Nürnberg DNotI-Report 2021, 125). Die zur Entziehung nötige Zustimmung kann auch konkludent (zB Mitwirkung bei der Beschlussfassung) erfolgen. Ein Sonderrechte verletzender Beschl ist unwirksam, Geltendmachung in jedem Verfahren (auch inzident) möglich.
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Berufung auf Verlangen einer Minderheit
(1) Die Mitgliederversammlung ist zu berufen, wenn der durch die Satzung bestimmte Teil oder in Ermangelung einer Bestimmung der zehnte Teil der Mitglieder die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangt. (2) Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen; es kann Anordnungen über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung treffen. Zuständig ist das Amtsgericht, das für den Bezirk, in dem der Verein seinen Sitz hat, das Vereinsregister führt. Auf die Ermächtigung muss bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden. 1. Minderheitenschutz. Als Teil des Minderheitenschutzes und der Vorstandskontrolle ist die Vorschrift im Grundsatz zwingend, vgl § 40, wohl aber nähere Regelung durch die Satzung möglich (Stuttgart NJW-RR 1986, 995), zB bzgl des Einberufungsquorums, wobei aber nicht eine Mehrheit gefordert werden kann (KG NJW 1962, 1919; BayObLG NJW 1973, 151). Nach Stuttgart NJW-RR 1986, 995 verletzt eine Vorschrift, die bei einer Normalzahl von 9 Mitgliedern jew 1/3 zur Einberufung berechtigt, den § 37 insofern, als die Mitgliederzahl sinken kann und dann nicht mehr derselbe Minderheitenschutz verwirklicht wird. Hier dürfte aber Auslegung helfen. Der durch § 37 bezweckte Minderheitenschutz muss effektiv bleiben, weshalb das Quorum wohl durch 190
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§ 38
Satzung heraufgesetzt werden kann (BayObLG MDR 2001, 948 m zust Anm Hüttinger NotBZ 2001, 268 für Anhebung auf 20 %), aber jedenfalls deutlich unter 50 % bleiben muss (KG NJW 1962, 1919; NK/Heidel/Lochner Rn 3, 4; für Flexibilität bis 49,9 % Hüttinger NotBZ 2001, 268; für das gesetzl Quorum als Höchstgrenze Soergel/ Hadding Rn 5; BeckOGK/Schöpflin Rn 16ff), eine Senkung des Quorums (für Zulässigkeit MüKo/Leuschner Rn 14) kann dem Bestreben nach Verstärkung der Vorstandskontrolle entsprechen, muss aber auf Rechtsmissbrauch kontrolliert werden können. § 37 ist als allg Grundsatz des Vereinsrechts auch auf Verein des § 22 und auf nicht rechtsfähigen Verein anzuwenden (vgl Soergel/Hadding Rn 3), so dass dessen Mitglieder etwa ein Überhandnehmen wirtschaftl Nebengeschäfte verhindern können (Beuthien NZG 2015, 449, 455). Wo eine Delegiertenversammlung besteht, ist § 37 nach umstr Ansicht (näher MüKo/Leuschner Rn 12; Soergel/Hadding Rn 4) in dem Sinne anwendbar, dass das Recht einer Minderheit sowohl der Mitglieder als auch der Delegierten zusteht. § 37 behandelt nicht das praktisch wichtige Minderheitsverlangen auf Ergänzung der Tagesordnung; die vorgeschlagene Analogie zu Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts oder die Erweiterung dieses Minderheitsrechts liegt zwar nahe, lässt allerdings einige Lücken und Unsicherheiten (näher Stefanik/Punte NZG 2017, 1161ff), so dass Lösungen nur durch Gesetze möglich erscheinen. 2. Voraussetzungen. Voraussetzung ist Verlangen durch die erforderliche Zahl; als Begründung genügt die 2 Angabe dessen, was in der Mitgliederversammlung geschehen soll, idR eine Beschlussfassung, so dass der Gegenstand der Tagesordnung oder ihrer Änderung anzugeben ist. Adressat ist der Vorstand, dem ein Prüfungsrecht nur im Hinblick auf das Vorliegen von offensichtlichem Rechtsmissbrauch zusteht (MüKo/Leuschner Rn 5), wie er etwa gegeben ist, wenn die Mitgliederversammlung für den vorgesehenen Beschl nicht zuständig ist, darüber schon mehrfach oder kürzlich (KG ZIP 2022, 129 m Anm Jaspers EWiR 2022, 45) abl entschieden hat oder ohnehin demnächst im Rahmen ordentlicher Abhaltung entscheiden muss, schließlich, wenn der angestrebte Beschl nichtig wäre (Köln WM 1959, 1402, Frankfurt OLG 1973, 137, 140). Voraussetzung ist weiter, dass der Vorstand einem wirksam gestellten Antrag nicht unverzüglich nachgekommen ist. Das Verlangen ist nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil eine Mitgliederversammlung nicht zeitnah oder nur eingeschränkt stattfinden könnte (München MDR 2021, 109 zum Einberufungsverlangen während der COVID-19-Pandemie). 3. Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Erzwingbarkeit des Anspruchs gem § 37 II im Verfahren nach dem 3 FamFG. Das Gericht ermächtigt die Antragsteller zur Einberufung, die dann unter Bezugnahme auf den Beschl zu geschehen hat; der Beschl gibt die Tagesordnungspunkte an (Hamm MDR 1973, 929). Ist die Versammlung zwar einberufen worden, aber nicht mit der von den Antragstellern benannten Tagesordnung, hat das Gericht die Ermächtigung zu einer Ergänzung der Tagesordnung zu erteilen (MüKo/Leuschner Rn 8), einstw Vfg insoweit daher nicht zulässig (Hamm MDR 1973, 729). Der Verein – nicht dessen Vorstand – ist Antragsgegner, da unmittelbar in seine Verfassung eingegriffen wird (BayObLG NJW-RR 1986, 1499). Der Vorstand ist vom Gericht zu hören, das allerdings nicht zu prüfen hat, ob angestrebter Beschl sachdienlich ist, wohl aber die sachliche Zuständigkeit der Mitgliederversammlung; BayObLG JW 1933, 1470 verlangt außerdem Nachweis eines schutzwürdigen Interesses; nach KG JW 1935, 3336 Ablehnung, falls offensichtlich missbräuchliche oder rechtswidrige Zwecke verfolgt werden oder der Vorstand nicht in die Lage versetzt wurde, einem Einberufungsverlangen stattzugeben. Das Gericht kann auch nicht nachprüfen, ob die Abhaltung einer Mitgliederversammlung zweckmäßig ist, Staudinger/Schwennicke Rn 19. Zur Klage des Einzelmitglieds vgl § 36. Für das Verfahren nach Abs II müssen die Voraussetzungen des Abs I erfüllt sein (Frankfurt OLG 1973, 140) und ein Antrag an das für die Einberufung zuständige Organ erfolglos geblieben sein (KG ZIP 2022, 129 m Anm Jaspers EWiR 2022, 45). Die Zustellung des Beschl zumindest an die Antragsteller ist Wirksamkeitsvoraussetzung der späteren Versammlungsbeschlüsse, BayObLG 1970, 120. Die Versammlung kann nicht vor Rechtskraft des Beschl stattfinden (BayObLG 1971, 84, 87). Bei einer – zulässigen – Befristung der Ermächtigung in dem Beschl kann die Versammlung nur innerhalb der Frist stattfinden (BayObLG 1971, 84, 87). Die Antragsteller können von dem Beschl durch Einladung zur Versammlung (unter ausdrückl Erwähnung der gerichtlichen Ermächtigung) Gebrauch machen, bis es zu einer beschlussfähigen Mitgliederversammlung gekommen ist, BayObLG Rpfleger 1978, 377. Die das Verfahren betreibenden Mitglieder haben gegen den Verein einen Aufwendungsersatzanspruch (Grü/Ellenberger Rn 4). Die Bestimmung des Gerichts über die Führung des Vorsitzes soll weiteren Schutz schaffen; sie muss auch noch erg nach Anordnung der Versammlung möglich sein. Ungeklärt ist, ob bei Weigerung des Vorstandes, entsprechend dem Ermächtigungsbeschluss die Versammlung einzuberufen, den Antragstellern eine Vollstreckungsmöglichkeit zusteht (MüKo/Leuschner Rn 10).
§ 38
Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar und nicht vererblich. Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem anderen überlassen werden. 1. Definition der Mitgliedschaft. Mitgliedschaft ist die Gesamtheit der körperschaftlichen Beziehungen zw 1 Verein und Mitgliedern, deren personenrechtl Einschlag (RGZ 163, 203), durch die Verfolgung ideeller Zwecke verursacht, an sich der Übertragbarkeit entgegensteht, andererseits aber nicht so stark ausgeprägt ist, dass die Satzung nicht etwas anderes bestimmen könnte (§ 40). Das gilt unabhängig davon, ob iÜ das Rechtsverhältnis zw Mitglied und Verein mehr als Anschluss an den überindividuellen (körperschaftlichen) Verband oder als vertragl Verbindung mit den Personen verstanden wird, die gleiche oder ähnl Förderungspflichten übernommen haben. Diese Antinomie, die früher die Rechte und Pflichten der Mitglieder bestimmte, beherrscht seit den – alWestermann
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lerdings nicht unbestrittenen – Überlegungen von Lutter (AcP 180, 84, 95) und Wiedemann (GesR § 2 I 1, dagegen noch Flume BGB/AT I 2 § 8 I) das Bild dessen, was unter Mitgliedschaft verstanden wird, nicht mehr (so auch MüKo/Leuschner Rn 3), indem angenommen wird, dass die Beziehungen der Mitglieder untereinander dadurch gekennzeichnet sind, dass alle gleiche oder ähnl Förderpflichten im Hinblick auf den Vereinszweck haben. Dazu gehört auch eine horizontale und vertikale Treuepflicht, wenn auch die Intensität der Pflichtenbindung nach dem Verbandstypus variiert (idS MüKo/Leuschner Rn 3). Das eröffnet den Weg zu einer Anerkennung der Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis und zugleich als subj Recht einzelner Mitglieder (Lutter AcP 180, 84, 101; aM Soergel/Hadding Rn 3). Klar ist aber auch, dass die verbandsrechtl Unterschiede zw Personengesellschaften und Körperschaften nicht, wie in der jüngeren Entwicklung der Publikumspersonengesellschaften, ignoriert werden dürfen. Somit bezeichnet der Ausdruck „Mitgliedschaft“ gleichzeitig ein Bündel von „mitgliedschaftlichen“ Rechten und Pflichten, also sowohl ein Rechtsverhältnis und innerhalb dessen ein subj, dem Mitglied zustehendes Recht (K. Schmidt GesR § 19 I 3b; zum Schutz über § 823 I BGHZ 110, 323, 327) als auch – mit gewissen Einschränkungen – das Objekt bestimmter Rechtsgeschäfte wie etwa einer Übertragung oder Belastung (s auch § 705 Rn 105); näher Habersack, Die Mitgliedschaft, 62ff, 98, dort – S 117ff – auch zur Qualität als „sonstiges Recht“. Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass bzgl der Parteienstellung an mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten vielfältige Lösungen des positiven Rechts denkbar und tatsächlich anzutreffen sind. So kann ein Mitgliedschaftsverhältnis an einem Verein insb auch eine Unterwerfung unter die Vereinsgewalt umfassen (§ 25 Rn 2), die bis zur Disposition des Vereins über das subj Recht des Mitglieds oder auch zu einer Veränderung der Beitragslage (BGH ZIP 2015, 1867) reichen kann, ohne dass dies auf das Modell des vertragl Zusammenschlusses zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke gestützt werden müsste (anders Hadding/van Look ZGR 1988, 277). Hinsichtl der Intensität von Treupflichten und der Befugnis, die Erfüllung vereinsrechtl begründeter Leistungs- und Verhaltenspflichten zu fördern, ist die tatsächliche Verbandsstruktur maßgeblich (Lutter AcP 180, 84, 105; Dütz, FS Herschel, 1981, 55, 63; Dütz, FS Hilger/Stumpf, 1983, 99); somit ist die Mitgliedschaft im Rahmen der satzungsmäßigen Ordnung der Vereinsgewalt durchaus möglicher Gegenstand durch Leistungs- und Unterlassungsklage durchsetzbarer Mitgliedspflichten (für die Möglichkeit, Sonderpflichten eines Mitglieds mit Haftungssanktionen auszustatten, KG MDR 1985, 230). Die Mitgliedschaft kann bei entspr Vereinszweck auch zur Leistung von Diensten verpflichten, ohne dass ohne weiteres ein Arbeitsverhältnis entstünde (BAG MDR 1996, 75 zur Rote-Kreuz-Schwesternschaft); doch darf dies nicht zur Umgehung arbeitsrechtl Schutzvorschriften führen (BAG ebenda; so auch BAG NJW 2003, 161). Durch Satzung können aus der Mitgliedschaft hervorgehende Rechte übertragbar ausgestaltet werden (RGZ 100, 2; BaRo/Schöpflin Rn 33; so auch LAG Baden-Württemberg AP Nr 18 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit für Rechtsnachfolge durch Übernahme des bisherigen Verbandsmitglieds durch anderen Rechtsträger), dazu auch Rn 5. Die Satzung kann jedoch nicht bestimmen, dass der Komplex von mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten bei Ausscheiden eines Mitglieds automatisch (ohne Beitritt) einem bislang außenstehenden Dritten zufällt, auch wenn dieser Funktionsnachfolger des Mitglieds ist, es bedarf also eines rechtsgeschäftlichen Übertragungsvorgangs, Hamm NZG 2011, 35. Auch ist die Schaffung von Eintritts- oder Mitgliedspflichten ohne eigenes Zutun unzulässig, es bedarf eines satzungsmäßigen Eintritts (RGZ 106, 120, 126; BGH WM 1980, 1286; NJW 1987, 2503). Die klare Formulierung des Gesetzestextes, wonach die „Mitgliedschaft“ nicht übertragbar ist, was aber nach § 40 satzungsdispositiv ist, steht der Begründung übertragbarer und sogar vererblicher Mitgliedschaften nicht grundsätzlich entgegen (MüKo/Leuschner Rn 49), auch Ansprüche auf Teilnahme an Vereinseinrichtungen können danach übertragbar ausgestaltet werden, für die Übernahme von Pflichten eines Mitglieds gegenüber dem Verein kann mit §§ 414, 415 operiert werden (MüKo/Leuschner Rn 48), während ggü einer möglichen Rechtseinräumung an Dritte die Anwendung des § 328 auf Bedenken (von Reuter JZ 1985, 536) gestoßen ist. Die Übertragung einzelner Mitgliedschaftsrechte an andere soll gegen das allg aus § 717 (auch für den Verein) angenommene Abspaltungsverbot verstoßen (BGH WM 1980, 1286; Stuttgart NZG 2010, 753; Soergel/ Hadding Rn 29; MüKo/Leuschner Rn 48), das, wenn nicht eindeutig nur eine Übertragung zur Ausübung gewollt ist (Stuttgart NZG 2010, 753), in engen Grenzen durch Bestellung einer Treuhand oder eines Bevollmächtigten überwunden werden kann. Auch dies bedarf dann aber einer satzungsmäßigen Zulassung, auch wenn es sich, in welchem Fall sich eine solche Regelung auch empfiehlt, um die Wahrnehmung der einer jur Person oder einer Personenhandelsgesellschaft zustehenden Stimmrechte durch einen nicht zu ihrer Vertretung Befugten handelt (Hamm WM 1990, 879). 2. Erwerb der Mitgliedschaft. Die Mitgliedschaft wird erworben durch Teilnahme am Gründungsakt und Beitritt (Rn 4); ausnahmsw (für einen kirchliche Aufgaben wahrnehmenden Verein) hat Hamm NJW-RR 1995, 119 zugelassen, dass die Satzung, die nach § 58 Bestimmungen über Ein- und Austritt von Mitgliedern enthalten soll, bestimmte kirchliche Funktionsträger als „geborene“ Vereinsmitglieder einsetzen kann. Zur Entstehung der Mitgliedschaft durch Verschmelzung § 20 I Nr 3 Hs 1 UmwG; zu den Einzelheiten § 41 Rn 2. Hinsichtl der Erheblichkeit von Willensmängeln unterscheidet die hM danach, ob eine rückwirkende Leugnung der Eingliederung in den Verein dem Zweck der Regeln über den Willensmangel entspricht, was für Geschäftsunfähigkeit, Sitten- und Verbotswidrigkeit angenommen wird, nicht aber für Dissens und Irrtum, die im Zuge einer entspr Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband den Willensmangel nicht als Hindernis für das Entstehen der gewollten Mitgliedschaft, sondern nur als Grund für ein Austrittsrecht nehmen (MüKo/Leuschner Rn 2; Walter NJW 1975, 1023; anders für arglistige Täuschung des Beitretenden Vieweg, FS Reuter, 2010, 395, 406). Bzgl des der Zustimmung des gesetzl Vertreters bedürftigen Eintritts eines Minderjährigen kann die Satzung besondere 192
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Juristische Personen – Vereine
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Vorkehrungen treffen, Hamm NJW-RR 2000, 42; NK/Heidel/Lochner Rn 5. Die Gültigkeit von Abstimmungen und Beschl bleibt unberührt, soweit ihnen nicht derselbe Mangel anhaftet. Die Mitgliedschaft wird auch erworben durch Aufnahme, die aus Erklärung des Beitretenden und Erklärung 4 des Vereins besteht, für welche im Zweifel die Mitgliederversammlung zuständig ist. Es handelt sich um einen körperschaftlichen Akt (Soergel/Hadding Rn 7a), der auch konkludent geschehen kann, was gerade in Fällen einer Funktionsnachfolge und anschließender Mitarbeit im Verein in Betracht kommt (Hamm NZG 2011, 35; BGHZ 105, 306, 313). Der Beitritt kann mit dem Vorstand auch rückwirkend vereinbart werden (BGH ZIP 2015, 1067 gegen Reichert Kap 2 Rn 958 unter Verweisung auf BAG NZA 2001, 982 für Arbeitgeberverband). Die Satzung kann die Aufnahme von einer der vereinsinternen Willensbildung nachfolgenden Formalität wie der Aushändigung einer Mitgliedskarte abhängig machen; vor Erfüllung solcher Voraussetzungen hat der Bewerber noch keinen Anspruch auf Aufnahme (BGHZ 101, 193; s auch Rn 6). Aufnahme ist nicht mit Annahme iSd § 151 identisch, muss allerdings auch in angemessener Frist erfolgen. Aufgrund satzungsmäßiger Regelung ist auch Erwerb der Mitgliedschaft durch bloße Einzelerklärung möglich. Mitgliedsfähig sind nat und jur Personen, auch die GbR (BGHZ 116, 86; NK/Heidel/Lochner Rn 3; Soergel/ 5 Hadding Rn 5). Mitgliedschaft jur Personen bedeutet nicht Mitgliedschaft ihrer Mitglieder, soweit die Satzungen des Einzelvereins und des Verbands nichts anderes bestimmen (BGH NJW 1958, 1867), was im Bereich der Sportverbände verbreitet ist und die mittelbaren Verbandsmitglieder der Vereinsgewalt (auch) des Verbandes unterwirft (Vor § 21 Rn 13). Möglich ist eine Organisation derart, dass die in Untergliederungen zusammengeschlossenen Einzelmitglieder zugleich dem Gesamtverein angehören (BGHZ 89, 153, 155), aber auch in der Weise, dass dem Dachverband nur die rechtl als Verein verselbständigten Untergliederungen als Mitglieder angehören (Vereinsverband, zu der Unterscheidung zum Gesamtverein und zu gegliederten Mitgliedschaften Vor § 21 Rn 13). Die bei den Sportverbänden verbreitete Organisation als Vereinsverband schließt nicht aus, dass durch Satzung und/oder Individualverträge Beziehungen zw Mitgliedern des Einzelvereins und dem Dachverband geschaffen werden, was für die Organisation der Vereinsgerichtsbarkeit Folgen hat (§ 25 Rn 6–8). Denkbar ist auch, dass alle Mitglieder eines Vereins Mitglieder eines anderen werden. Ohne Satzungsregelungen entweder des Verbands oder der in ihm zusammengeschlossenen Einzelvereine steht dem Verband keine Entscheidungsmacht in Vereinsangelegenheiten der Mitgliedervereine zu. Nicht rechtsfähige Gemeinschaften wie etwa die Erbengemeinschaft können nicht Vereinsmitglieder werden (Soergel/Hadding Rn 5; MüKo/Leuschner Rn 10 – der aber die Erben in gesamthänderischer Verbundenheit als Mitglieder anerkennt). Die Satzung kann für Umwandlungsfälle ein Verbot der Rechtsnachfolge statuieren, um Doppelmitgliedschaften oder sonstige Rechtsunsicherheit zu verhindern. Dann endet die Mitgliedschaft des bisherigen Rechtsträgers oder sie kann von beiden Seiten ohne einen über den Umwandlungsfall hinausgehenden Grund beendet werden (eingehend zu diesem Vorschlag Rieble ZIP 1997, 301, 307, 309ff). 3. Freiheit zur Aufnahme? Grds besteht kein Anspruch auf Aufnahme, auch Satzungsregelungen, die die 6 Mitgliedschaft für jedermann öffnen und eine möglichst große Mitgliederzahl anstreben (wie etwa bei Gewerkschaften), lassen im Zweifel dem Verein einen Ermessensspielraum, Bewerber nicht aufzunehmen (BGH NJW 1985, 1214f; 1987, 2503f; krit Reuter EWiR § 25 BGB 1/87). Das gilt auch in Bezug auf die Ableistung eines in der Satzung vorgesehenen Probejahres (LG Lübeck MDR 1993, 292). Die Entscheidungsfreiheit des Vereins über Aufnahme ist umso ausgeprägter, je stärker das personenrechtl Verhältnis der Vereinsmitglieder ist. Aufnahmezwang somit nur ausnahmsw, und zwar außerhalb der Fälle einer den § 826 verletzenden Ablehnung (BGH NJW-RR 1986, 583f; BGHZ 63, 282, 285; näher Stöber/Otto Rn 296ff) dann, wenn die Ablehnung zu einer im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung des Bewerbers führt (BGHZ 63, 282, 285; 93, 151, 153f), in engen Grenzen kann hier auch aus §§ 18, 19 AGG argumentiert werden (MüKo/Leuschner Rn 43), ferner bei überragender Machtstellung des Vereins im wirtschaftl oder sozialen Bereich und gleichzeitigem erheblichen Interesse des Bewerbers am Erwerb der Mitgliedschaft (BGHZ 93, 151f zur Gewerkschaft m krit Anm Reuter JZ 1985, 534; BGH NJW 1980, 186 – „Anwaltverein“; NJW 1969, 316 – „Universitätssportclub“; NJW-RR 1986, 583 – „Landessportbund“, auch bei nur regional begrenzter Bedeutung, BGHZ 140, 74 m zust Anm van Look WuB II M § 38 BGB 1.99 u Kurzkomm Kirberger EWiR 1999, 1097; Stuttgart NZG 2001, 997 – regionaler Sportbund; Stuttgart NJW-RR 1987, 995 keine Monopolstellung; im Grundsatz zust Ehlert JR 2000, 105; s auch Grunewald AcP 181, 205). Der Aufnahmezwang folgt dann mittelbar aus Art 9 I GG, BGHZ 140, 174 (zur mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten in diesem Bereich Nolte/Polzin NZG 2001, 838). Diff Übersicht über Fälle im Verbandswesen bei Vieweg, FS Reuter, 2010, 395ff; dort S 406ff auch Lösungsvorschläge über die Figur der vormitgliedschaftlichen Förderpflicht. In derartigen Fällen kann der Aufnahmeanspruch auch durch einstw Vfg durchgesetzt werden (Düsseldorf NJW-RR 1998, 328 – Landessportbund). Gegen Aufnahmezwang sprach nach BGH NJW 1980, 186 die hohe Zahl der in dem beklagten Verein nicht organisierten Anwälte, was im Fall BGHZ 93, 151 zur Klageabweisung hätte führen müssen; deshalb ist (anders als der BGH aaO) der selbsterhobene Anspruch eines Vereins, die auch bei einem Bewerber vorhandenen Interessen zu repräsentieren, als Grundlage für einen Aufnahmeanspruch heranziehbar, was etwa für den ADAC in Betracht kommen könnte (aufgrund kartellrechtl geprägter Überlegungen ebenso Bartodziej ZGR 1991, 517, 523f). Zu dem Anspruch, bestimmte Interessen verantwortlich zu repräsentieren, muss eine tatsächlich überragende Stellung in dem fraglichen Bereich kommen, die den Zurückgewiesenen in den betreffenden für ihn bedeutsamen Kreisen zum Außenseiter stempelt (deshalb kein Aufnahmeanspruch gegen baltischen Adelsverein, Celle NJW-RR 1989, 313); diese Kriterien sind nicht erfüllt, wenn der AufnahmewilWestermann
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§ 38
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Personen
lige genügende Ausweichmöglichkeiten hat (zu diesem Merkmal Bartodziej ZGR 1991, 517, 529). Alle diese Überlegungen waren, wie der BGH auch außerhalb wettbewerbsrechtl relevanter Vorgänge feststellt (BGHZ 93, 151, 153), auch an den Maßstäben des jetzt auf Wirtschafts- und Berufsvereinigungen und Gütezeichengemeinschaften anwendbaren § 20 V GWB orientiert, der der Kartellbehörde erlaubt, die Aufnahme eines Bewerbers anzuordnen, wenn die Ablehnung eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung im Wettbewerb darstellt, dazu aber auch dem Bewerber einen Aufnahmeanspruch gibt (BGHZ 29, 344; zu den Voraussetzungen BGH NJW 1969, 316 – Universitätssportclub; NJW 1980, 186 – Anwaltsverein; NJW-RR 1986, 583 – Aikido-Verband; München NJOZ 2009, 4035; Scholz/Hoppe, FS Pfeiffer, 1988, 785ff). Zur Verfügung der Kartellbehörde, die dem Verein untersagt, die Aufnahme zu verweigern, BGH NJW 1995, 462. Schließlich haben die Vereine das Recht, Bewerber abzulehnen, wenn – eine Satzungsgrundlage vorausgesetzt – ihre Aufnahme den Bestand des Vereins und die Erfüllung seiner Ziele gefährden würde (BGH NJW 1973, 35f; zur Aufnahme eines NPD-Landtagsabgeordneten Frankfurt EWiR § 25 BGB 1/89 m Kurzkomm Reuter; BGH NJW 1991, 485); dies sind dieselben Gesichtspunkte, die zum Ausschluss aus dem Verein berechtigen würden (§ 25 Rn 10, § 39 Rn 4ff). Satzungsmäßige Erschwerung der Aufnahme kann, falls sie diffamierend wirkt, unzulässig sein, nicht aber kann hierfür der satzungsmäßig gewählte Zweck erweitert werden (Fuchs NJW 1965, 1509). Auch bei einer monopolartigen Machtstellung des Vereins ist dieser also zur Ablehnung des Bewerbers bei sachlich gerechtfertigten Gründen in seiner Person berechtigt, etwa bei Zugehörigkeit zur politischen Gegnerschaft der abl Gewerkschaft (BGHZ 93, 151, 154f; ähnl BGH NJW 1973, 35, der auch keine satzungsmäßige Festlegung der Unvereinbarkeit fordert). Differenzierungen nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit und dgl sind früher diskutiert worden, ältere Judikatur ist aber unter dem AGG überholt. Denkbar sind satzungsmäßige Anforderungen an berufliche Qualifikation, auch wird die grds Freiheit von politischen Parteien als Tendenzvereinigungen, Bewerber aufzunehmen oder nicht (BGH NJW 1987, 2503; ähnl insoweit Reuter EWiR § 25 BGB 1/87) nicht zu bestreiten sein. Allg ist die Freiheit von Vereinen, auch Sportvereinen, allgemein politisch oder gesellschaftspolitisch Andersdenkenden, heute besonders „rechter“ oder rassistischer Gesinnungen verdächtigen Personen, die Aufnahme zu verwehren, als gegeben zu betrachten; aktuell ist vor diesem Hintergrund die Nichtaufnahme von Personen, die im Zuge von Hooliganismus oder der Störung von Veranstaltungen Stadionverbote erhalten haben (Leuschner in NJW-aktuell 3/2019). 4. Ende der Mitgliedschaft. Ende der Mitgliedschaft erfolgt durch Austritt und Ausschluss, dazu § 39, Tod oder Eintritt eines satzungsmäßigen Tatbestandes, zB Wohnsitzwechsel, längerer Verzug mit Beitragszahlung, Wegfall der Voraussetzungen für Erwerb der Mitgliedschaft (BGH WM 1978, 1086; Oldenburg OLGRp 2009, 612). Die Mitgliedschaft ist mit Rücksicht auf ihren personenrechtl Bezug unvererblich; BGH WM 1980, 1286 hielt aber eine Satzungsklausel, die Eintrittsrecht des Erben begründet, für möglich (weitergehend bzgl der Vererblichkeit des in der Mitgliedschaft enthaltenen Vermögenswerts Reuter ZHR 145, 273, 280); zur Lage bei Vererblichkeit der Mitgliedschaft Rn 5. 5. Verletzung der Mitgliedschaft. Eine Verletzung der Mitgliedschaft kann gesehen werden in einer Nichtoder Schlechterfüllung der aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließenden Pflichten durch den Verein, der das jedem Mitglied zustehende Recht auf gesetzes- oder satzungsmäßige Behandlung (MüKo/Leuschner Rn 16) zu beachten hat, ferner in einem deliktischen Eingriff in das subj Recht (zu dieser Unterscheidung Rn 1), das dann ein „sonstiges Recht“ iSd § 823 I sein muss (anerkannt durch BGHZ 110, 323 – Schärenkreuzer; K. Schmidt JZ 1991, 157; Habersack, Die Mitgliedschaft, 143ff). Ein solcher Eingriff kann auch von einem anderen Mitglied ausgegangen sein (Hadding/van Look ZGR 1996, 326, 334). Freilich ist das von BGHZ 110, 323 (dem folgend Schleswig OLGRp 2002, 457) angenommene Nebeneinander beider Anspruchsgrundlagen nicht selbstverständlich, da es mit den gesellschaftsrechtl Sondernormen über den Schutz von Mitgliedsinteressen abgestimmt werden muss (sZöllner ZGR 1988, 392, 429ff). Bei einem mangels Zuständigkeit unwirksamen Ausschluss hat BGHZ 90, 92 (dazu Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 284) einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Mitgliedschaftsrechte des Ausgeschlossenen ähnl der pVV angenommen; hier wäre daneben auch ein Deliktsanspruch in Betracht gekommen, weil das als sonstiges Recht iSd § 823 I zu verstehende Mitgliedschaftsrecht als Ganzes in seinem Bestand berührt wurde (ebenso K. Schmidt JZ 1991, 157, 159; Habersack, Die Mitgliedschaft, 248ff). Diese Beschränkung auf Eingriffe in Bestand und Zuweisungsgehalt des Rechts selbst, die eine Relevanz etwa mittelbarer Entwertungen der Beteiligung durch Eingriff ins Vereinsvermögen ausschließt (so auch Habersack, Die Mitgliedschaft, 164ff; Hadding, FS Kellermann, 1991, 102), ist wichtig, um den deliktsrechtl Schutz nicht zu einem allg Ersatz-Aufsichtsrecht ggü dem Organverhalten ausufern zu lassen (gegen die Anerkennung der Vereinsmitgliedschaft als sonstiges Recht darum noch Zöllner ZGR 1988, 425, 430). Diese Bedenken werden verständlich angesichts der Annahme des BGH (BGHZ 110, 323, 327), die Achtung bestimmter mitgliedschaftlicher Interessen, die in concreto auf eine richtige Anwendung von Satzungen und Ordnungen gerichtet waren, gehöre zum deliktisch verletzbaren „Kern“ der Mitgliedschaft (krit insoweit K. Schmidt JZ 1991, 157, 160; anders Habersack, Die Mitgliedschaft, 297ff). Dem ist nicht zu folgen, vielmehr handelt es sich insoweit um die Nicht- oder Schlechterfüllung individueller Rechte des Mitglieds, für die der Verein nach § 31 haftet (zur Berechtigung auch eines Mitglieds aus dieser Norm s § 31 Rn 6). Stets ist dann noch mit dem BGH der mögliche Einwand zu prüfen, ob mitgliedschaftliche Pflichten des Mitglieds zur Abwendung oder Minderung des Schadens verletzt sind, wobei freilich die Ansprüche aus dem Treupflichtgedanken nicht überspannt werden dürfen (Hadding, FS Kellermann, 1991, 108f).
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Juristische Personen – Vereine
§ 39
Eigenhaftung von Vorstands- ggü Vereinsmitgliedern soll nicht über den deliktischen Schutz der Mitglied- 10 schaft, sondern im vertragl Bereich durch Ausdehnung der Pflichten des Organs gegen den Verein auf den Schutz der Mitglieder oder auf der Grundlage unmittelbarer Treupflichten der Mitglieder untereinander begründet werden können, wie sie im Kapitalgesellschaftsrecht anerkannt sind (BGHZ 103, 184 m Anm Timm NJW 1988, 1582; MüKo/Leuschner Rn 7; anders für das Vereinsrecht noch BGHZ 110, 323, 334; krit K. Schmidt JZ 1991, 157, 161). Die persönliche Deliktshaftung des Organmitglieds will BGHZ 110, 323, 335 ausschließen, wenn die Entscheidung nur in Vollzug bindender Entschlüsse der Mitgliederversammlung erging; darüber hinaus ist außerhalb der jetzt in § 31a erfassten Fälle im Einzelfall schlüssige Haftungsbeschränkung eines ehrenamtlichen Organmitglieds auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu prüfen.
§ 39
Austritt aus dem Verein
(1) Die Mitglieder sind zum Austritt aus dem Verein berechtigt. (2) Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass der Austritt nur am Schluss eines Geschäftsjahrs oder erst nach dem Ablauf einer Kündigungsfrist zulässig ist; die Kündigungsfrist kann höchstens zwei Jahre betragen. 1. Austritt. a) Grundsätzliche Austrittsmöglichkeit. Die Austrittsmöglichkeit kann Ausgleich für die mit dem Mehrheitsprinzip gegebene Möglichkeit der Majorisierung sein, sie kann daher durch die Satzung nicht ausgeschlossen und nur im Rahmen des Abs II erschwert werden (vgl dazu BGH LM Nr 2 zu § 39; Reichert Kap 2 Rn 1027, 1049ff), auch nicht durch die Zahlungspflicht für bislang unentgeltlich erhaltene Leistungen (LG München I NJW 1987, 847). Eine Satzungsbestimmung, nach der bei Austritt Zahlungspflicht des Mitglieds für satzungsmäßige Zahlungen und Leistungen entstehen soll, ist unwirksam, ebenso Festsetzung eines „Austrittsgeldes“ (RGZ 33, 65, 130, 209; LG München I NJW 1987, 848) oder eine Bestimmung, nach der Wirksamkeit des Austritts von der Bezahlung aller bestehenden Verpflichtungen abhängt. Auch bei Time-sharing-Vereinen ist neben der Inhaltskontrolle der Satzungen (dazu § 25 Rn 5) das zwingende Austrittsrecht ein wichtiger Schutz (LG Stuttgart NJW-RR 1995, 1009; Hildenbrand NJW 1996, 3249). Die Rückzahlung eines Aufnahmebeitrags, die nicht unbedingt geboten ist, kann auch von der Werbung eines neuen Vereinsmitglieds abhängig gemacht werden, Brandenburg MDR 2005, 640; anders Stuttgart NJW-RR 1995, 1009. Möglich ist eine zwingende Anordnung von Förmlichkeiten der Austrittserklärung. b) Austrittserklärung. Austritt erfolgt durch einseitige zugangsbedürftige Erklärung des Austretenden über das Ausscheiden aus dem Verein ggü Vorstand, unter Anwendung auch des § 26 II 2; zeitl Aufschiebung im Rahmen des Abs II möglich, nicht aber Abhängigkeit von einer Annahme durch den Vorstand. Auch Schriftform der Austrittserklärung kann die Satzung vorsehen, die dann gewillkürte Form gem § 127 ist und durch Telefax eingehalten werden kann (BGH NJW-RR 1996, 866). In diesem Fall bleibt das Mitgliedschaftsverhältnis bis zum satzungsmäßigen Termin in vollem Umfang bestehen. Eine satzungsmäßige Austrittsfrist darf nicht so lang sein, dass das Austrittsrecht praktisch erheblich beschränkt wird (RG JW 1937, 3236 nahm eine Maximalfrist von zwei Jahren an, zust MüKo/Leuschner Rn 4, was aber zu lang erscheint). Bei wichtigem Grund, der Verbleiben bis zum satzungsgemäßen Ausscheiden unzumutbar macht, ist sofortiges Ausscheiden möglich (BGH NJW 1954, 953; BGHZ 9, 157, 162; s auch Oldenburg OLGRp 2009, 612). An die Gründe, die ein sofortiges Ausscheiden rechtfertigen, sind angesichts der Vorbehalte in Abs II strenge Anforderungen zu stellen. Beitragserhöhungen oder die Erhebung vom Umlagen reichen nur, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Belastung, die mit dem Verbleiben bis zum nächsten satzungsmäßigen Kündigungstermin verbunden wäre, unzumutbar ist (LG Aurich Rpfleger 1987, 115f verneint dies zu Unrecht bei einer 83 % betragenden Beitragserhöhung eines Tennisclubs, s auch § 33 Rn 3 und AG Nürnberg Rpfleger 1988, 109). Bei Gewerkschaften will BGH NJW 1981, 340 eine mehr als halbjährige Frist wegen Art 9 III GG nicht hinnehmen, s auch AG Hamburg NJW 1987, 3380; fraglich aber, ob, etwa in entspr Anwendung des § 10 II 3 PartG, ein Gewerkschaftsmitglied immer sofort kündigen kann (so AG Ettenheim NJW 1985, 979; ähnl AG Köln NJW 1987, 2450, das bei Zusammenarbeit der Gewerkschaft mit der DKP auch einen wichtigen Grund zu fristloser Kündigung als gegeben ansah, was zu der hM zur Ausschließung aus wichtigem Grund, § 38 Rn 7, passt. c) Wirkung. Trotz des Ausscheidens ist eine gewisse Fortwirkung mancher Treuepflichten (Schweigepflicht) und einer Schiedsklausel für entstandene Rechte und Pflichten möglich (RGZ 113, 321). Der Ausscheidende hat keinen Auseinandersetzungsanspruch (Gegensatz zu § 730 – Folge des nicht wirtschaftl Zwecks), BGHZ 48, 207; MüKo/Leuschner Rn 10. Keine Beitragspflicht eines ausgeschiedenen Mitglieds besteht, wenn die Beiträge zwar vor dem Ausscheiden festgesetzt, aber erst danach fällig gestellt wurden (Soergel/Hadding Rn 9). Anders für bei Austritt schon fällige Verpflichtungen BGHZ 48, 207. 2. Ausschluss. a) Beendigung der Mitgliedschaft durch Verein. Eine Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses durch körperschaftlichen Akt des Vereins, und zwar durch die Mitgliederversammlung (München 26.7.2017 – 20 U 5009/16; Flume, FS Bötticher, 101ff; Grunewald, Ausschluss, 39ff, s auch § 25 Rn 10, dort auch zur Kontrolle von Ausschließungsbeschlüssen), setzt wichtigen Grund voraus. Unstatthaft ist ein gruppenweiser Ausschluss von Mitgliedern, falls er individuelle Bewertung des einzelnen Mitgliedschaftsverhältnisses nicht zulässt (Köln NJW 1968, 992; näher Grunewald, Ausschluss, 119). Bei Sportvereinen stellt sich in der neueren Entwicklung die Frage, ob Fanclubs, deren Mitglieder durch gemeinsame Störungen von Wettspielen, Beschimpfungen von Vereinsfremden oder „gegnerischer Spieler“ (zT mit rassistischem Anstrich) für den Verein die Westermann
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Gefahr hoher Bußen durch Verbandsstrafen begründen, nicht geschlossen aus dem Verein entfernt werden können, was unabhängig davon, bejaht werden sollte, ob der Ausschluss Vereinsstrafe ist oder Kündigungscharakter hat (für Strafe Grü/Ellenberger § 25 Rn 27; für Kündigung NK/Heidel/Lochner § 25 Rn 4; zum ganzen Reuter NJW 1987, 201). Ausschluss erfolgt durch Beschl der Mitgliederversammlung, falls die Satzung nicht Zuständigkeit eines anderen Organs vorsieht, ein Betroffener kann nicht mitstimmen (Grunewald, Ausschluss, 119; Soergel/Hadding Rn 13 gegen Köln NJW 1968, 992). Beschl wird mit Bekanntgabe an Ausgeschlossenen wirksam (str), er kann nur von einfach feststellbaren Bedingungen abhängig gemacht werden, KG OLG 22, 115. Er setzt Mitgliedschaft voraus, ist also nicht mehr nach wirksamem Austritt möglich, fraglich wegen möglicher Diskriminierung ist ein Feststellungsurteil, dass ohne Austritt Ausschluss erfolgt wäre (dagegen RGZ 122, 266), das aber noch zw Austrittserklärung und -wirkung zulässig ist (RG JW 1927, 2996). Satzungsbestimmungen, die denjenigen, der sich durch Austritt dem Ausschluss entzieht, als ausgeschlossen behandeln, sollen nichtig sein (RGZ 143, 1), desgl solche mit Verbot des Austritts nach Einleitung eines ehrengerichtlichen Verfahrens (RGZ 108, 160). Die Satzung kann aber Tatbestände bestimmen, bei deren Eintreten die Mitgliedschaft automatisch endet (KG NZG 2021, 986; Reichert Kap 2 Rn 1079; Grunewald, Ausschluss, 202). Verschulden ist wegen der Funktion des Ausschlusses, für das Vereinsleben nicht tragbare Mitglieder zu entfernen, nicht unbedingt erforderlich, kann aber für die Abwägung eine Rolle spielen (vgl BGHZ 29, 352 m zust Anm Fischer LM zu § 25 Nr 3; BGH NJW 1973, 35). b) Regelung in der Satzung. Satzungsmäßige Regelung des Ausschlusses bzgl Voraussetzung und Verfahren ist möglich, etwa Anordnung automatischen Ausscheidens bei Säumnis mit dem Beitrag, dauerhaftem Fernbleiben von Vereinsveranstaltungen, zurückhaltend aber Saarbrücken NJW-RR 1994, 251 (Verweigerung der Kosten für Jugendtraining der minderjährigen Kinder des Mitglieds). Zugelassen wurde eine Regelung, nach der der nach dem Ausscheiden nächstfällige Beitrag noch zu zahlen war, RG JW 1927, 2976; zust MüKo/Leuschner Rn 9). Unabhängig davon hat der BGH ein Recht des Vereins anerkannt, den Mitgliederbestand mit Rücksicht auf den Satzungszweck zu bereinigen, was darauf hinauslaufen kann, dass nicht mehr passende Mitglieder automatisch ausgeschlossen sind (Hamm NZG 2011, 35; BGH Rpfleger 1978, 962). Zu Kontrollmaßstäben eines Gerichts § 25 Rn 4, 5. Ausgeschlossenes Mitglied kann mit Feststellungsklage das Fortbestehen der Mitgliedschaft feststellen lassen (nicht Freiwilligkeit des Austritts, da dann kein Rechtsverhältnis iSd § 256 ZPO Streitgegenstand ist), RG JW 1926, 2283; bei unzutreffender Behauptung eines Ausschlusses, die einen Angriff auf die Mitgliedschaft darstellt, Klage auf Unterlassung und Schadensersatz nach allg Gesichtspunkten (RG JW 1929, 248 und RGZ 143, 6; s auch § 38 Rn 9). Ausschluss wegen Unterstützung einer anderen als von der Gewerkschaft aufgestellten Liste zur Betriebsratswahl ist nicht schlechthin wegen Verstoßes gegen § 20 II BetrVG unwirksam, maßgebend ist vielmehr, ob in dem Handeln des Ausgeschlossenen ein Verhalten liegt, das mit der satzungsmäßigen Zielsetzung unvereinbar ist und die weitere Mitgliedschaft des Ausgeschlossenen für die Gewerkschaft schwer erträglich macht (BGHZ 45, 314; 71, 126; BGH NJW 1981, 2178; JZ 1984, 186; WM 1991, 948; krit Säcker/Ranke AuR 1981, 1; diff Reuter JZ 1985, 537, s aber auch in § 25 Rn 11). Ausschluss aus einer Gewerkschaft wegen aktiver Zugehörigkeit zu einer gewerkschaftsfeindlichen Partei ist möglich (BGH NJW 1973, 35), s auch BGHZ 93, 151ff zur Ablehnung der Aufnahme aus diesem Grund (näher § 38 Rn 5). IÜ unterliegt Entscheidung über Ausschluss aus Gründen, die nicht mit Kandidatur für gewerkschaftsfremde Liste zusammenhängen, keiner weitergehenden Beschränkung als sonstige Entscheidungen über Ausschluss (BGHZ 102, 265; klarstellend BGH WM 1991, 948 m Bespr Wank JR 1994, 367; s auch § 25 Rn 11). Ausschluss aus einer politischen Partei richtet sich nach § 10 IV PartG, wobei als „schwere Schäden“ auch Einbußen am Ansehen und an Wahlchancen anzusehen sind, BGH NJW 1994, 2610. Bei der Beurteilung von politisch-inhaltlichen Aspekten des Verhaltens, namentlich der Äußerungen des Mitglieds, sind als verfassungsrechtl geschützte Güter die Meinungs- und die Vereinigungsfreiheit zu berücksichtigen, während bei politisch neutralen (oder sich so gebenden) Vereinen ein letztlich doch allgemein-politischer Tendenzschutz nicht durch Vereinsausschluss durchgesetzt werden sollte (anders i Erg LG Bremen NJWRR 2013, 1123 zum Ausschluss eines NPD-Mitglieds aus Sportverein; zum ganzen Ullrich, JZ 2014, 1084ff). Im Rahmen der Satzungautonomie kann die Ausrichtung des Vereins auf freiheitlich-demokratische Werte und integrative Bemühungen festgelegt und damit der Ausschluss von Mitgliedern begründet werden, die rassistischen und extremistischen Organisationen angehören und sich zu diesen Grundsätzen gerade nicht bekennen (Schleswig 16.12.2020 – 9 U 238/19 zum Ausschluss eines NPD-Landesvorsitzenden aus Breitensportverein, dazu Begr Nichtannahmebeschluss BVerfG 2.2.2023 – 1 BvR 187/21). c) Fehlen einer satzungsmäßigen Regelung. Ohne satzungsmäßige Grundlage ist Ausschluss aus wichtigem Grund möglich, der Verein muss die Möglichkeit der Lösung des Mitgliedschaftsverhältnisses bei unheilbarer Zerrüttung des persönlichen Verhältnisses haben; der körperschaftlichen Natur des Vereins entspr tritt der Ausschluss an die Stelle der Kündigung. Wichtiger Grund ist gegeben, falls nach Art des Körperschaftsverhältnisses Lösung erforderlich ist; dafür von Bedeutung: Enge der körperschaftlichen Beziehung, Verbindung des Grundes mit Vereinszweck (zum Ausschluss aus Umweltschutzverein Frankfurt NJW-RR 1991, 1276). Nachschieben von Gründen nicht möglich, da Mitgliederversammlung zunächst über den Grund entscheiden muss, s Hamm NJW-RR 2001, 1480; BGHZ 102, 265, 273, sonst Behandlung wie in Rn 4 ausgeführt.
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Juristische Personen – Vereine
§ 40
§ 41
Nachgiebige Vorschriften
Die Vorschriften des § 26 Absatz 2 Satz 1, des § 27 Absatz 1 und 3, der §§ 28, 31a Abs. 1 Satz 2 sowie der §§ 32, 33 und 38 finden insoweit keine Anwendung als die Satzung ein anderes bestimmt. Von § 34 kann auch für die Beschlussfassung des Vorstands durch die Satzung nicht abgewichen werden. Die auch für den nicht eingetragenen Verein geltende Vorschrift legt Umfang und Grenzen der Satzungsdisposi- 1 tivität fest. Diese kann aber im Einzelfall auch unter Gesichtspunkten der Inhaltskontrolle und der Treupflicht eingeschränkt sein. Verschiedentlich, etwa in § 26 I 3, § 27 II 2, § 30 S 1, finden sich gesetzl Öffnungsklauseln. Die Auslegung von Satzungsvorschriften hat das Prinzip der Satzungsautonomie zu beachten. Zu den Abbedingungsmöglichkeiten und ihren Grenzen s Erläuterungen der genannten Vorschriften.
§ 41
Auflösung des Vereins
Der Verein kann durch Beschluss der Mitgliederversammlung aufgelöst werden. Zu dem Beschluss ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich, wenn nicht die Satzung ein anderes bestimmt. 1. Definition Auflösung. Auflösung bedeutet Wegfall des Vereins als Rechtssubjekt und als Personenvereini- 1 gung, steht also im Gegensatz zur Entziehung der Rechtsfähigkeit in §§ 42, 43, bei der die Personenvereinigung als nicht rechtsfähige erhalten bleibt, von MüKo/Leuschner Vor § 41 Rn 3 als „identitätswahrender Rechtsformwechsel“ bezeichnet. Dies kann auch durch eine Löschung im Register verursacht werden (Oetker NJW 1991, 389). Eine Auflösung kann sich auch aus einer Sitzverlegung ins Ausland ergeben (Soergel/Hadding Vor § 41 Rn 6; Grü/Ellenberger § 24 Rn 3), zu deren Wirkung Rn 2 und § 43 Rn 3; zur europarechtl Lage s Vor § 21 Rn 15. Ob bei Eintreten von Auflösungsgründen ein Liquidationszwang besteht, ist bei § 47 zu behandeln. Im Anschluss an die Liquidation folgt durch die Registereintragung die Vollbeendigung des Vereins. 2. Beendigung ohne Auflösung. Eine Beendigung des Vereins ohne vorherige Auflösung kann nach dem 2 UmwG durch Verschmelzung und Spaltung unter vollständiger oder teilw Gesamtrechtsnachfolge sowie durch eine identitätswahrende Umwandlung geschehen. Nach § 3 I Nr 4 UmwG kann ein nicht wirtschaftl Verein sowohl übertragender als auch aufnehmender Rechtsträger im Rahmen einer Verschmelzung sein, mit der Maßgabe (§ 99 II UmwG), dass ein eV durch Verschmelzung nur andere eV aufnehmen, mit ihnen einen neuen eV bilden, aber nicht einen Rechtsträger anderer Rechtsform aufnehmen (Registeranmeldung bei beiden Vereinen, Bamberg NZG 2012, 1268) oder gründen kann. Danach ist auch die Verschmelzung mehrerer bestehender Vereine auf einen hierdurch neu zu gründenden eV möglich. Ein durch übertragende Umwandlung oder Aufspaltung beendeter Verein erlischt liquidationslos, was auch für einen Verein iSd § 22 gilt. Schwierigkeiten bestehen bei der Verschmelzung von eV auf Kapitalgesellschaften oder Personenhandelsgesellschaften, indem der eV nur als übertragender Rechtsträger in Betracht kommt und beim Formwechsel nur der Weg in eine Kapitalgesellschaft einschl der Genossenschaft möglich ist, § 99 II, § 149 II, § 272 I UmwG (dazu näher Katschinski, Die Verschmelzung von Vereinen 1999, 88ff; Lutter/Hennrichs, UmwG6, 2019, § 99 Rn 6, 16). Nach § 3 I Nr 4, § 124 I, § 191 I Nr 4 UmwG kann ein wirtschaftl Verein gem § 22 nur übertragender oder formwechselnder Rechtsträger sein. Der in § 99 I UmwG für den eV vorgesehene Vorbehalt, dass die Satzung einer Verschmelzung nicht entgegenstehen darf, hat zur Folge, dass vor einer Verschmelzung eine entgegenstehende Satzungsbestimmung beseitigt werden muss, was aber praktischerweise zugleich mit der korrekt beschlossenen Verschmelzung ins Register sollte eingetragen werden können (Katschinski aaO, 32f). Der Verschmelzungsvertrag ist von den Vorständen der an der Verschmelzung beteiligten Vereine auszuarbei- 3 ten, schriftl zu erläutern und durch unabhängige Sachverständige zu prüfen, wenn mindestens 10 % der Mitglieder dies verlangen (§§ 8–12, 100 UmwG). Dem Vertrag müssen, wenn er wirksam werden soll, die Mitgliederversammlungen in notariell zu beurkundenden Beschl zustimmen (§ 65 UmwG). Die Verschmelzung wird zuerst beim übertragenden, sodann beim übernehmenden Rechtsträger im Register eingetragen, mit der zweiten Eintragung treten gem § 20 UmwG die Verschmelzungsfolgen ein. Da die Mitgliedschaft beim eV keinen wirtschaftl oder gar kapitalistischen Charakter hat, braucht der Verschmelzungsvertrag Angaben über ein Umtauschverhältnis von Anteilen nicht zu enthalten, wohl aber solche zur Mitgliedschaft der Mitglieder der durch die Verschmelzung untergehenden Vereine am übernehmenden Rechtsträger, s § 5 I Nr 3 UmwG und dazu Kallmeyer/Lanfermann § 5 UmwG Rn 21. Dabei muss gesichert werden, dass die Mitgliedschaftsrechte der Mitglieder eines untergehenden Vereins am aufnehmenden bzw neu gegründeten Rechtsträger ihrem Beitrag zu Vermögen und Aktivitäten des neuen Rechtsträgers entsprechen. Im Verhältnis zu den Rechten der Mitglieder eines übernehmenden Rechtsträgers gilt das Gleichbehandlungsgebot (Katschinski aaO, 81). Soweit dies nicht möglich ist, kann der Zustimmungsbeschluss der Mitglieder eines übertragenden Vereins genügen; Mitglieder mit Sonderrechten (§ 35) müssen, wenn sie die Rechte verlieren sollen, zustimmen, andernfalls bedarf es der Zustimmung der Mitglieder eines aufnehmenden Vereins. Soweit nach der Satzung des übertragenden Vereins Mitglieder einer Übertragung der Anteile zustimmen müssen, bedarf es der Zustimmung dieser Personen in der Mitgliederversammlung, ebenso, wenn Mitglieder eines übertragenden Vereins im neuen Rechtsträger eine mit Haftungsfolgen versehene Mitgliedschaft übernehmen sollen (Katschinski aaO, 158). Auch ein Verschmelzungsbericht an die Mitglieder beider Vereine ist bei notariell beurkundeten Verzichtserklärungen entbehrlich (Wagner NZG 2015, 1383). Die Zustimmungserfordernisse können nach § 103 S 1 UmwG (satzungsdispositiv) mit 3/4-Mehrheit beWestermann
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gründet werden. Für den Inhalt des Verschmelzungsvertrags stellt § 5 I Nr 2 UmwG „Anteile“ und „Mitgliedschaften“ gleich, näher Lutter/Drygala, UmwG6, 2019, § 5 Rn 17. Für eine Verschmelzung zur Neugründung fordert § 37 UmwG, dass der Verschmelzungsvertrag die Satzung des neuen Rechtsträgers feststellt, die dann durch die Zustimmungsbeschlüsse der Mitgliederversammlungen und die Eintragung wirksam wird; zur Registeranmeldung § 38 UmwG. Auch eine Spaltung eines eV auf mehrere übernehmende oder hierbei neu gegründete Rechtsträger, durch die der übertragende Rechtsträger erlischt, sowie eine Abspaltung durch Übertragung von Teilen seines Vermögens auf eine oder mehrere aufnehmende oder neu gegründete Rechtsträger, bei der der übertragende Verein bestehen bleibt, schließlich eine Ausgliederung durch Übertragung von Vermögensteilen auf aufnehmende oder neu gegründete Rechtsträger, an denen dann der übertragende eV Mitgliedschaftsrechte erwirbt, lassen § 123 UmwG für den eV und § 124 UmwG für den wirtschaftl Verein zu. Hierdurch lässt sich grundsätzlich auch eine partielle Rechtsnachfolge nach Maßgabe der durch die Spaltung oder Ausgliederung verteilten Vermögensgüter erreichen. Schließlich ist auch ein Formwechsel eines eV möglich, nach §§ 272ff UmwG allerdings nur in eine Kapitalgesellschaft oder eingetragene Genossenschaft. 3. Auflösungsgründe. Auflösungsgründe sind außer den in § 42 oder in der Satzung genannten (etwa Eintritt einer Bedingung): Zeitablauf (§ 74 II), hauptsächlich Beschl der Mitgliederversammlung als Akt der Vereinsautonomie, Zuständigkeit der Mitgliederversammlung zwingend, Einzelheiten durch Satzung zu regeln. Daneben Begründung eines Auflösungsrechts für andere Stellen denkbar, nicht aber der Mitgliederversammlung ganz entziehbar, zu den Grenzen der Übertragung auf Dritte § 25 Rn 2a. Auflösungsgrund ist auch Wegfall aller Mitglieder (BGHZ 19, 51; BGH BB 1965, 1267; BAG JZ 1987, 420; MüKo/Leuschner Vor § 41 Rn 8, zu den Folgen Rn 7). Bei Wegfall bis auf ein Mitglied aber Fortbestand möglich (BGH LM zu § 21 Nr 2, vgl aber § 73). Dagegen führt Unmöglichwerden des Zwecks wegen der damit verbundenen Gefahr der Rechtsunsicherheit nicht zum automatischen Wegfall, zumal Erhaltung des Vereins mit geändertem Zweck möglich ist (BGHZ 49, 175). Selbst wenn die Satzung bei Erreichen oder Unmöglichwerden des Zwecks Auflösung vorsieht, bedarf es hierzu eines Beschl der Mitgliederversammlung (Staudinger/Schwennicke Rn 30). Erst bei endgültiger Aufgabe des Vereinszwecks soll der Verein liquidationslos erlöschen (BGH WM 1976, 686), doch sollte gerade diese Aufgabe Gegenstand eines Beschl sein, wodurch dann der Verein ins Liquidationsstadium treten kann. 4. Wirkung der Auflösung. Wirkung der Auflösung ist Eintritt ins Liquidationsverfahren; der Verein kann jedoch mit satzungsändernder Mehrheit Fortsetzung beschließen, wenn Auflösungsreife beseitigt wird (K. Schmidt, Verbandszweck, 305, 306f, Soergel/Hadding Vor § 41 Rn 23; MüKo/Leuschner Vor § 41 Rn 17), falls die Satzung nichts anderes bestimmt. Fortbestehen der Rechtsfähigkeit für das Abwicklungsverfahren ist allg Grundsatz (BGH MDR 1958, 756). Bei Wegfall aller Mitglieder ist Erlöschen ohne Liquidation angebracht, § 49 II soll nicht gelten, der Verein sei weder vermögens- noch insolvenzfähig (s aber § 42) und müsse durch Pfleger gem § 1913 abgewickelt werden (BGHZ 19, 51; BAG JZ 1987, 420; Köln NJW-RR 1996, 989; Staudinger/Schwennicke Rn 43). Stehen die Umstände fest, erfolgt Amtslöschung gem § 395 FamFG (PWW/Schöpflin Rn 5). Dies bringt die Gefahr einer willkürlichen Vollbeendigung ohne Liquidation und unter Anfall des Vereinsvermögens an den Fiskus nach § 45 III, die nicht unbedingt dem satzungsmäßigen Zweck entspricht. Auch wird ein uU angebrachtes Insolvenzverfahren ausgeschaltet. Daher ist mit K. Schmidt JZ 1987, 394 Ausscheiden (auch: durch Tod) aller Mitglieder zwar als Auflösungstatbestand, aber nicht als Beseitigung des Rechtssubjekts aufzufassen, so dass Abwicklung durch Vorstand oder Insolvenzverfahren stattfinden kann (so auch NK/Eckhardt Rn 21). Fehlt es an Vorstandsmitgliedern, so ist nach § 29 vorzugehen, der Notvorstand kann uU neue Mitglieder finden, die satzungsmäßige Regeln über die Beendigung des Vereins beschließen können. Neuer Verein ist keine Fortsetzung, sondern Neugründung, noch nicht durchgeführter Auflösungsbeschluss kann aber rückgängig gemacht und alter Verein mit Erhaltung der Identität fortgesetzt werden (LG Frankenthal Rpfleger 1955, 106; s auch K. Schmidt JZ 1987, 394). Zu den Voraussetzungen einer Nachtragsliquidation Saarbrücken NZG 2019, 152; sie kann auch durch einen Unternehmenskäufer erfolgen, Saarbrücken NZG 2018, 924. 5. Verzicht auf Rechtsfähigkeit. Ein Verzicht des Vereins auf die Rechtsfähigkeit ist als Minus zum Auflösungsbeschluss möglich und entspr § 41 zu behandeln, der Verein besteht dann als nicht rechtsfähiger weiter. Der Verzichtsbeschluss kann durch die Mitglieder wieder aufgehoben werden, wobei in dem Verzicht eine Satzungsregelung liegen kann. Der Fortbestand ist vor allem wegen des Minderheitenschutzes in § 41 angebracht (näher Kollhosser ZIP 1984, 1434, 1436). Beim wirtschaftl Verein ist zu beachten, dass der Verlust der Rechtsfähigkeit den Verein unter den dafür bestehenden Voraussetzungen den handelsrechtl Personenvereinigungen zuordnen kann. Zu den Folgen des Verzichts § 47 Rn 2; zur Entziehung der Rechtsfähigkeit § 43.
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(1) Der Verein wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und mit Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden ist, aufgelöst. Wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand des Vereins vorsieht, aufgehoben, so kann die Mitgliederversammlung die Fortsetzung des Vereins beschließen. Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass der Verein im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als nicht rechtsfähiger Verein fortbesteht; auch in diesem Falle kann unter den Voraussetzungen des Satzes 2 die Fortsetzung als rechtsfähiger Verein beschlossen werden. 198
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Juristische Personen – Vereine
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(2) Der Vorstand hat im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner. 1. Rechtsfolgen von Eröffnung bzw Nichteröffnung. Entspr der Rechtslage bei der OHG und den Kapitalgesellschaften führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw die Nichteröffnung mangels Masse zur Auflösung, nicht lediglich zum Verlust der Rechtsfähigkeit; anstelle einer Liquidation findet das Insolvenzverfahren statt, innerhalb dessen der Verein rechtsfähig und die Organe handlungsfähig bleiben, allerdings mit der Einschränkung gem § 80 InsO. Der Verein ist während des Insolvenzverfahrens als eV zu bezeichnen (MüKo/Leuschner Rn 22). Die Beitragspflicht der Mitglieder endet vorbehaltlich einer abw Satzungsregelung (BGHZ 96, 253, 256 zum Konkurs nach altem Recht). Die Regeln gelten auch für den nicht eingetragenen Verein, was aus § 11 I 2 InsO gefolgert wird (Rugullis DZWIR 2008, 404ff); zum wirtschaftl Verein BGH ZIP 2007, 1462. Die Gleichstellung der Eröffnung mit der Ablehnung mangels Masse gilt seit der Vereinsrechtsreform von § 2009, iÜ datiert die Regelung von 1999, so dass Übergangsprobleme erledigt sein sollten. Die Auflösung kann unter den in Abs I S 2 genannten Voraussetzungen durch die Mitgliederversammlung in Gestalt eines Fortsetzungsbeschlusses rückgängig gemacht werden, besonders auch nach Aufhebung des Verfahrens unter den in Abs I S 2 genannten Voraussetzungen. Die Mehrheitserfordernisse hierfür sind im Gesetz nicht angesprochen, so dass wohl von § 32 I 3 auszugehen ist, Stöber/Otto Rn 1333. Die Fortsetzung als nicht rechtsfähiger Verein nach Abs I S 3 geschieht mit der Maßgabe (§ 49 II), dass der Verein als fortbestehend gilt, soweit der Abwicklungsanspruch es erfordert (BAG ZIP 2001, 129 m Anm Bezani EWiR 2001, 443 und Anm Reuter DZWIR 2001, 242). Damit besteht auch die Mitgliedschaft zunächst fort (BGHZ 96, 253; Staudinger/ Schwennicke Rn 28ff), desgleichen die Möglichkeit (eines in der Insolvenz befindlichen Sportvereins), Teilnahmerechte am Wettbewerb einer „Bundesliga“ zu verwerten (BGH ZIP 2001, 889 m Anm Mohrbutter WuB VI B § 37 KO 1.01 und Stürner LM KO § 32 Nr 15). Später, wenn die Voraussetzungen des Abs I S 2 eintreten (Verfahrenseinstellung auf Antrag des Schuldners, womit die Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds gem § 212 InsO gemeint ist, oder Aufhebung nach Bestätigung eines Insolvenzplans gem § 258 InsO), kann wiederum die Fortsetzung als rechtsfähiger Verein beschlossen werden. Fehlt es an einer entspr Satzungsbestimmung, hat dies nach dem Wortlaut nur zur Folge, dass der Verein im Liquidationsstadium nicht als nicht rechtsfähiger Verein fortgeführt wird, was aber dem begrenzten Fortbestand nicht im Wege stehen kann. Eine Neugründung braucht nicht stattzufinden, wenn die in Abs I S 2 genannten Voraussetzungen vorliegen, andernfalls bedürfte es einer Satzungsänderung, die auch im Insolvenzverfahren möglich ist (MüKo/Leuschner Rn 17). Allerdings ist der Fortbestand als nicht rechtsfähiger Verein für die Mitglieder bedenklich, wenn noch Verbindlichkeiten verblieben sind, für die nach Vereinsrecht zu haften ist, in extremen Fällen kann das auch zu einem Insolvenzverfahren über den nicht eingetragenen Fortsetzungsverein führen (MüKo/Leuschner Rn 24); s auch BGH ZIP 2001, 889; uU empfiehlt sich doch eine Neugründung (Reichert Kap 2 Rn 4365). Die Fortsetzung aufgrund eines Beschlusses ist mit deklaratorischer Wirkung im Register einzutragen. 2. Auflösungswirkung. Die Auflösungswirkung, also die Vollbeendigung, tritt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, die gem § 75 von Amts wegen im Register einzutragen ist, die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts muss nach § 31 Nr 2 InsO dem Registergericht eine Ausfertigung des Beschlusses zuleiten (Grü/Ellenberger Rn 1). Der Verein ist Gemeinschuldner, das gesamte Vereinsvermögen fällt in die Insolvenzmasse. Bei Einstellung des Verfahrens kein automatisches Aufleben des Vereins; wird kein Fortsetzungsbeschluss gefasst, müsste sich das Liquidationsverfahren anschließen, doch hat nach § 199 S 2 InsO iVm § 47 Hs 1 der Insolvenzverwalter nach Beendigung des Insolvenzverfahrens etwaige Überschüsse an die Anfallberechtigten zu verteilen. Die Mitglieder können aber, auch um nicht nach den Regeln über den nicht rechtsfähigen Verein zu haften, eine Liquidation betreiben und anschließend neu gründen. Bei Einstellung des Verfahrens mangels Masse (§ 207 I 1 InsO) muss etwa noch vorhandenes Restvermögen des Vereins nach vereinsrechtl Vorschriften liquidiert werden (MüKo/Leuschner Rn 16). 3. Gründe für Insolvenzeröffnung. Eröffnungsgründe sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 I InsO), bei eigenem Antrag des Schuldners auch drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 I InsO), beim eV auch Überschuldung (§ 19 I InsO). Letztere liegt vor, wenn der Zeitwert des Aktivvermögens die Verbindlichkeiten nicht deckt (Köln NJWRR 1998, 686). Die Regelung des § 19 II S 1 Hs 2 InsO, wonach bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners uU die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen ist, kommt beim eV, der nicht wirtschaftl Zwecke verfolgt, nicht in Betracht. Antragsrecht haben gem § 15 I, II InsO beim eV und auch beim nicht rechtsfähigen Verein außer Gläubigern auch alle Mitglieder des Vertretungsorgans einschl des Liquidators (für den nicht rechtsfähigen Verein näher Rugullis DZWIR 2008, 404, 406), gem § 15 II InsO genügt die Stellung durch einzelne Mitglieder, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird; freilich hat das Insolvenzgericht dann alle übrigen Mitglieder des Vertretungsorgans zu hören (§ 15 II 2 InsO). Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit kann der Antrag allerdings nur von Mitgliedern eines Vertretungsorgans gestellt werden, die allein zur Vertretung berechtigt sind (§ 18 III InsO). 4. Antragspflicht. Die bestehende Antragspflicht war im Rahmen der gesetzl Versuche zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie durch Art 1 § 1 des G zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (hier im Speziellen: COVInsAG, BGBl I 2020, 569, später SanInsKG, BGBl I 2022, 1966) bis zum 30.9.2020 ausgesetzt, was allerdings nicht galt, wenn die Insolvenzreife auf Westermann
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anderen Gründen als der Ausbreitung des SARS-COV-2-Virus, also nicht auf der COVID-Pandemie, beruhte; desgl, wenn keine Aussicht darauf bestand, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Nach Art 1 § 1 S 3 dieses Gesetzes wurde für den Fall, dass der Verein am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, vermutet, dass die eingetretene Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht und Aussichten bestehen, eine jetzt bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Art 1 § 2 des Gesetzes bestimmt die Folgen der Aussetzung (in Abs I Nr 1) dahin, dass im ordnungsmäßigen Geschäftsgang erfolgte Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienten, als mit den in § 64 S 2 GmbHG bezeichneten Kriterien vereinbar gelten, was in Art 1 § 2 I Nr 2 und 3 auf im Aussetzungszeitraum gewährte Kredite ausgedehnt wird. Art 1 § 2 I Nr 4 der Vorschrift enthält Bestimmungen zur Anfechtung von Rechtshandlungen während des Aussetzungszeitraums in späteren Insolvenzverfahren. Zu beachten sind schließlich die Verordnungs-Ermächtigungen des Art 1 § 4 für das BMJV und für den wirtschaftl Verein die durch G v 31.10.2022 (BGBl I 2022, 1966) in § 4 II SanInsKG verkürzten Prognosezeiträume für die Anwendung des § 19 II 1 InsO. Soweit nach geltendem Recht die Antragspflicht besteht, ist sie für jedes einzelne Vorstandsmitglied in § 15a I InsO auf Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit bezogen. Diese Umstände festzustellen, ist für Vereine, die nicht nach bilanzrechtl Regeln Rechnung legen, uU schwierig, doch müssen die Vorstände schon im Hinblick auf die mögliche Aussetzung der Pflicht (Rn 5) auf Anzeichen einer Krise achten und sich notfalls sachverständiger Hilfe bedienen; die Beobachtungspflicht bleibt auch nicht ressortzuständigen Vorstandsmitgliedern nicht erspart (zu den Pflichten eingehend Grunewald/Hennrichs, FS Hopt, 2010, 93ff). Dass drohende Zahlungsunfähigkeit nicht als Grund für eine Insolvenzantragspflicht genannt ist, bedeutet, dass der Vorstand sich für einen Insolvenzantrag entscheiden kann (Rn 4), dies aber nicht muss (Rugullis NZI 2007, 323, 324). Bei einer solchen Lage des Vereins wären die sonst an die Unterlassung des Eröffnungsantrags geknüpften Folgen unangebracht. Zur Verpflichtung und Haftung der Liquidatoren § 53. Die Ersatzpflicht, die nach ausdrückl Gesetzeswortlaut ggü den Vereinsgläubigern besteht, so dass es eines Rückgriffs auf § 823 II nicht bedarf (Staudinger/Schwennicke Rn 50; BaRo/Schöpflin Rn 16; NK/Eckardt Rn 47; für deliktische Qualifikation Haas SpuRt 1999, 1, 4), setzt in jedem Fall Verschulden voraus. Fahrlässigkeit kann etwa darin liegen, trotz deutlicher Anzeichen nicht für die Erstellung einer Überschuldungsbilanz gesorgt zu haben (NK/Eckardt Rn 45; zu den Einzelheiten der diesbzgl Bilanz Crezelius, FS Röhricht, 2005, 787ff). In den Fällen des § 31a II 1 müsste das Vorstandsmitglied gegen den Verein einen Freistellungsanspruch haben (§ 31a Rn 3), trägt also das Insolvenzrisiko (Leuschner NZG 2014, 281, 283). was aus Sicht der Vereine als verfehlt kritisiert wird (Kreutz DZWIR 2013, 497, 503f; gegen Haftungserleichterungen – auch für einen ehrenamtlichen Vorstand – MüKo/Leuschner Rn 28). Zu billigen, wenn auch nicht als gesichert anzusehen, ist die Ansicht (Hamm OLGRp 2001, 265; s auch Köln WM 2006, 2006), dass der Vereinsgläubiger, der in Kenntnis der Insolvenzreife des Vereins mit diesem kontrahiert, keinen Anspruch nach § 42 II 2 gegen den Vorstand hat. Die frühere Rspr beschränkte die Haftung wie bei der GmbH auf den Quotenschaden, der durch die infolge des verspäteten Antrags verringerte Haftungsmasse entstand (BGH NJW 1998, 3277). Dies gilt jetzt nur noch für Altgläubiger, deren Forderung schon bei Insolvenzreife bestand, während der Anspruch von Neugläubigern nach der zu § 64 GmbHG ergangenen Rspr (BGHZ 126, 181, 194; Bork ZGR 1995, 505; Hirte NJW 1995, 1202) dahin geht, so gestellt zu werden, als sei es nicht zu Geschäften mit dem Verein gekommen, BGHZ 164, 50, 61, BGH NZG 2003, 923; für eine Beschränkung auf vertragl Neugläubiger MüKo/Leuschner Rn 30. Die hierin liegende Haftungsverschärfung, vor allem bei Sanierungsversuchen (andere Bewertung bei Wischemeyer DZWIR 2005, 230, 234), soll auf den Verein übertragen werden (Köln NJW-RR 1998, 686; Haas SpuRt 1999, 1, 4; Reichert Kap 2 Rn 3680; BaRo/Schöpflin Rn 12). Die Entwicklung im GmbH-Recht ist weiter gegangen, indem BGHZ 138, 311 und ZIP 2003, 1005 die Haftung aus § 64 Abs II GmbHG (Zahlungsverbot) stärker ausgebaut haben (krit K. Schmidt ZHR 168, 637ff). Die Überlegungen, diese Vorschrift im Vereinsrecht entspr anzuwenden (so Passarge ZInsO 2005, 176; dagegen Koza DZWIR 2008, 98), sind von Hamburg NZG 2009, 1036 und Karlsruhe NZG 2009, 998 mit gründlichen Erwägungen zur Planwidrigkeit der hier angeblich vorliegenden Gesetzeslücke und sodann von BGH NZG 2011, 711 verworfen worden, ebenso unter Einbeziehung der forensischen Probleme H.P. Westermann, FS v Westphalen, 2000, 755, 765ff, 770ff, zust auch Grunewald/Hennrichs, FS Hopt, 105f; Müller ZIP 2010, 153, 158; Wagner NZG 2015, 1384f; PWW/Schöpflin Rn 3; krit Reuter NZG 2010, 808ff wegen Gleichartigkeit der Interessenlage, die freilich kaum allg bejaht werden kann. Für den wirtschaftl Verein kommt eine Analogie eher in Betracht. Aber auch für den eV ist zu erörtern, ob nicht das Zahlungsverbot als Schutzgesetz iSd § 823 II zu betrachten ist, so dass eine Haftung wegen Fahrlässigkeit zu erwägen ist. Die Parallelen zur Rechtslage in der GmbH, namentlich die Beweislastverteilung, sollten aber für die Vorstände eines nicht wirtschaftl Vereins nicht angewendet werden, zumal die Haftung auch für Zahlungen eingreifen würde, die zw Antragstellung und Verfahrenseröffnung oder der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gem § 21 InsO erbracht wurden (Leuschner ZHR 175 (2011), 787, 802). Der Vorstand kann sich auch ggü dem Verein ersatzpflichtig machen. § 42 Abs II 1 bestimmt auch die Pflichten als Organ, so dass nach § 280 gehaftet wird (NK/Eckardt Rn 48; MüKo/Leuschner Rn 34), doch ist zumindest beim reinen Idealverein zu prüfen, ob sich nicht aus der Satzung oder dem Anstellungsvertrag eine Haftungserleichterung ergibt, für reduzierten Sorgfaltsmaßstab auch Grunewald/Hennrichs FS Hopt, 2010, 106ff. Zu den weiteren insolvenzrechtl Folgen Thole ZIP 2020, 650.
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Juristische Personen – Vereine
§ 43
§ 45
Entziehung der Rechtsfähigkeit
Einem Verein, dessen Rechtsfähigkeit auf Verleihung beruht, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen anderen als den in der Satzung bestimmten Zweck verfolgt. 1. Voraussetzungen und Verfahren. Die Vorschrift betrifft die der allg Behandlung wirtschaftl Zielsetzungen 1 entspr Entziehung der Rechtsfähigkeit eines Idealvereins wegen der Verfolgung gesetzwidriger Zwecke, die nach früherem Gesetzestand zur Folge haben konnte, dass der Verein als nicht rechtsfähiger fortbestand; man kann die Neuregelung durch die Reform von 2009 und die Streichung des früheren § 43 II daher so verstehen, dass gegen diese Vereine nach dem Entziehungsverfahren gem § 44 vorzugehen ist. Manchmal werden diese Zwecke auch durch eine Auflösung gem § 3 VereinsG erreicht. Sowohl zum früheren als auch zum geltenden Recht wird ein „Vollzugsdefizit“ im Hinblick auf Rechtsformverfehlungen beklagt, das im Interesse des Rechtsverkehrs, das dem manchmal anerkannten Bestandsinteresse eines eV vorgehe, durch die Möglichkeit zur Löschung eines wirtschaftl Aktivitäten ausübenden eV durch das Registergericht im Rahmen des § 395 FamFG zu beheben sei (Könen AcP 2018, 632, 640ff). Der Vergleich der tatsächlich verfolgten mit den satzungsmäßigen Zwecken wird nicht immer ganz eindeutig 2 ausfallen, deshalb liegt es nahe, der Behörde einen Ermessensspielraum für die Prüfung zuzubilligen, ob im Einzelfall der Entzug der Rechtsfähigkeit mit der Folge der Liquidation geboten ist (VG Hamburg NJW 1996, 3363; BayObLG Rpfleger 1986, 528; näher Böttcher Rpfleger 1988, 170; Soergel/Hadding Rn 6; abl Könen AcP 2018, 643; K. Schmidt NJW 1998, 1125). Das BVerwG (NJW 1998, 1166) ließ einen Ermessensspielraum nur für atypische Fälle gelten, beließ es aber bei der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde, zweifelnd MüKo/Leuschner Rn 2 (für Übertragung auf die Registergerichte auch K. Schmidt NJW 1998, 1124ff). Der Zweckbegriff ist eng, denn hier soll Begrenzung auf den im Verleihungsverfahren festgelegten Zweck sichergestellt werden. 2. Folgen. Zu den Folgen der Entziehung der Rechtsfähigkeit vgl § 47 Rn 1; falls die nicht rechtsfähige Per- 3 sonenvereinigung bestehen bleibt, ist sie mit dem alten rechtsfähigen Verein identisch (str). Neugründung ist also nicht nötig, Mitgliedschaften bleiben bestehen, Vermögen wird automatisch Gesamthandsvermögen der Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins (vgl Soergel/Hadding Rn 7, § 45 Rn 10), die Haftungsfolgen sind für die Mitglieder zu bedenken, sonst gilt § 45.
§ 44
Zuständigkeit und Verfahren
Die Zuständigkeit und das Verfahren für die Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 bestimmen sich nach dem Recht des Landes, in dem der Verein seinen Sitz hat. Die Zuständigkeit für das Verfahren richtet sich ausschließlich nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der 1 Länder (Übersicht über die in den Ländern zuständigen Behörden bei MüKo/Leuschner Rn 1), damit auch die Fragen des Rechtsschutzes, der über die Verwaltungsgerichte erfolgt. Eine Anregung zu einem Tätigwerden der Behörde (§ 24 I FamFG) führt nicht zu einer Verfahrensbeteiligung (KG NJW-RR 2001, 966). Die Entscheidung wirkt im ganzen Bundesgebiet. Die konstitutive Wirkung des Beschl tritt mit Rechtskraft ein.
§ 45
Anfall des Vereinsvermögens
(1) Mit der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit fällt das Vermögen an die in der Satzung bestimmten Personen. (2) Durch die Satzung kann vorgeschrieben werden, dass die Anfallberechtigten durch Beschluss der Mitgliederversammlung oder eines anderen Vereinsorgans bestimmt werden. Ist der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, so kann die Mitgliederversammlung auch ohne eine solche Vorschrift das Vermögen einer öffentlichen Stiftung oder Anstalt zuweisen. (3) Fehlt es an einer Bestimmung der Anfallberechtigten, so fällt das Vermögen, wenn der Verein nach der Satzung ausschließlich den Interessen seiner Mitglieder diente, an die zur Zeit der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit vorhandenen Mitglieder zu gleichen Teilen, anderenfalls an den Fiskus des Landes, in dessen Gebiet der Verein seinen Sitz hatte. 1. Anwendungsbereich. Die Vorschrift gilt direkt für alle Fälle der Auflösung und der Entziehung der Rechts- 1 fähigkeit, entspr für sonstige Fälle der Beendigung des Vereins mit Liquidation (zur Insolvenz des Vereins s § 42), also nicht für den Fortsetzungsverein (Staudinger/Schwennicke Rn 2), zum Schicksal des Vereins bei Wegfall aller Mitglieder s aber § 41 Rn 7. Anfall bedeutet nicht allg Erwerb des Vereinsvermögens im Wege der Gesamtnachfolge, wie sie beim Erwerb durch den Fiskus § 46 geschieht, anders bei Fortsetzung des Vereins nach Verlust der Rechtsfähigkeit, aber unter Wahrung seiner Identität, § 43 Rn 3, sondern im Rahmen der Liquidation (§ 47), die nur in diesem Fall durchzuführen ist (PWW/Schöpflin Rn 1). In diesem Zusammenhang entsteht ein schuldrechtl Anspruch des Berechtigten gegen den Liquidationsverein auf Verschaffung des Überschusses nach Bezahlung der Schulden (vgl KGJ 25 A 130; 43 A 184) oder Sicherung der Gläubiger gem § 52. Zu übertragen sind alle mit dem Vereinsvermögen verbundenen Rechte, auch solche – wie etwa Urheberrechte – mit ideellem Einschlag (MüKo/Leuschner Rn 3). Satzungsregelung gem Abs II ist zwingend erforderlich für Vereine, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgen wollen, s § 55 I Nr 4, § 61 AO. Der Erwerber haftet nicht für Schulden des Vereins, bzgl § 812 Westermann
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Anfall an den Fiskus
Fällt das Vereinsvermögen an den Fiskus, so finden die Vorschriften über eine dem Fiskus als gesetzlichem Erben anfallende Erbschaft entsprechende Anwendung. Der Fiskus hat das Vermögen tunlichst in einer den Zwecken des Vereins entsprechenden Weise zu verwenden. Behandlung des Anfalls an den Fiskus wie einen Erbfall, dies kann in der Satzung vorgesehen oder von der Mitgliederversammlung bestimmt sein; gilt in materieller und formeller Hinsicht, also Gesamtrechtsnachfolge, § 1922, Unmöglichkeit der Ausschlagung, § 1942 II, bzgl der Schuldenhaftung vgl §§ 2011, 780 ZPO sowie § 45 Rn 1. Der Fiskus kann aber die Haftung auf das Angefallene beschränken, BGH DtZ 1996, 344; MüKo/Leuschner Rn 3. Die Feststellung des Anfalls durch den Fiskus obliegt dem Nachlassgericht (§ 1964), das aber nach Eintragung des Erlöschens im Vereinsregister zu prüfen hat, ob der frühere Verein in anderer Rechtsform weiterbesteht (KG ZErb 2011, 251; näher Stöber/Otto Rn 1337), und das auf Antrag einen Erbschein ausstellen kann (BayObLG NJW-RR 1994, 914). Die Verwendungspflicht gem S 2 löst als öffentlich-rechtl Auflage keine Klagemöglichkeit für die interessierten Privatpersonen aus; dagegen wollen Staudinger/Weick, 2005, Rn 2ff und MüKo/Leuschner Rn 5 die Möglichkeit nach § 40 VwGO geben; wie hier Soergel/Hadding Rn 3; Reichert Kap 2 Rn 4079f; Grü/Ellenberger Rn 1; Staudinger/Schwennicke Rn 13. Die Freiheit des Vereins in der Bestimmung des Anfallberechtigten ist als Interessenschutz ausreichend.
§ 47 1
Personen
vgl zu § 51 und RGZ 124, 213 (str). Gesamtrechtsnachfolge mit Eintreten in Verbindlichkeiten aber bei Anfall an den Fiskus, § 46, das gilt auch für Auflösung durch Hoheitsakt, anders bei Vermögenseinziehung (KG 44, 117). Die §§ 45–47 sind bei Auflösung einer jur Person des öffentlichen Rechts anwendbar, jedoch mit der Maßgabe, dass die Haftungsbeschränkung gem § 46 dem Fiskus nicht zugutekommt (BGH WM 1996, 1968). Das Anfallrecht ist entziehbar durch anderweitige Bestimmung des Anfallberechtigten (RGZ 169, 65, 82), die auch noch nach Eintritt ins Liquidationsverfahren möglich ist (RG JW 1935, 3636). Der Anfallberechtigte – nicht der Fiskus – kann den Anfall ablehnen. Die Nachfolge eines privatrechtl Verbands in die Funktionen einer anderen, nicht mehr bestehenden jur Person des Privatrechts (Funktionsnachfolge) bewirkt nicht ohne besondere gesetzl Regelung einen Vermögensübergang (KG NJW 1969, 752 und § 41 Rn 1). 2. Anfallberechtigte. Bestimmung des Anfallberechtigten ist grds Sache des Vereins, also immer in der Satzung möglich. Satzung kann auch Mitgliederversammlung Recht auf Bestimmung einschl Entziehungsrecht einräumen, etwa zugunsten einer öffentlichen Anstalt oder Stiftung (MüKo/Leuschner Rn 10), nach verbreiteter Ansicht (Staudinger/Schwennicke § 45 Rn 22; Soergel/Hadding Rn 6) auch zugunsten öffentlicher Körperschaft, sie kann auch das Vermögen dem als nicht rechtsfähig fortlebenden Verein zuweisen, dazu näher § 47 Rn 2. Bei Schweigen der Satzung: Beim Idealverein entspricht dem überpersönlichen Zweck die Möglichkeit, durch Beschl der Mitgliederversammlung Überweisung an öffentliche Stiftung (vgl Vor § 80 Rn 14) oder Anstalt vorzunehmen. Weite Bestimmung des Begriffs ist zweckmäßig, darunter fällt also auch Körperschaft des öffentlichen Rechts, zB Staat, Gemeinden usw. Entscheidend, dass nach Ansicht der Mitgliederversammlung diese Verwendung des Vermögens am besten dem Vereinszweck entspricht. Im Schrifttum wird zT die Regelung dahin verstanden, in diesen Fällen könne das Vermögen nur einer öffentlichen Stiftung oder Anstalt zugewiesen werden (NK/Eckardt Rn 11; Grü/Ellenberger Rn 3), was freilich der Wortlaut nicht hergibt. Bei ausschließlich selbstnützigen Vereinen besteht ein nur durch die Satzung entziehbares Recht der einzelnen Mitglieder auf Anfall; das entspricht dem eigennützigen Zweck des Zusammenschlusses. Bei Idealvereinen bleibt der Anfall an den Fiskus, dies auch dann, wenn der Verein keine für den Anfall geeigneten Mitglieder hat (MüKo/Leuschner Rn 14). Insg knüpft das Gesetz auf diese Weise die Bestimmung des Anfallberechtigten an den aus dem Vereinszweck entnommenen fiktiven Willen der Mitglieder.
§ 46
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Liquidation
Fällt das Vereinsvermögen nicht an den Fiskus, so muss eine Liquidation stattfinden, sofern nicht über das Vermögen des Vereins das Insolvenzverfahren eröffnet ist. 1. Bedeutung und Anwendungsbereich der Liquidation. Liquidation ist die geordnete Abwicklung der Vermögensverhältnisse mit dem Zweck der Befriedigung der Gläubiger und der Aushändigung des Überschusses an den Anfallberechtigten. § 47 soll im Zusammenhang mit § 41 verhindern, dass eine Auskehrung des Vereinsvermögens außerhalb einer Liquidation, deren Zwecke auch in einem Insolvenzverfahren erreicht werden können und ggf müssen, stattfindet. Dh aber auch, dass die Mitglieder nach Eintreten eines Auflösungstatbestandes die Fortsetzung des Liquidationsvereins als nicht rechtsfähiger Verein beschließen können, ohne dass eine Liquidation stattfindet, es gibt keinen Liquidationszwang (Oetker NJW 1991, 385, 390; BaRo/Schöpflin § 41 Rn 1; Staudinger/Schwennicke Rn 12). Dasselbe sollte gelten, wenn der Verein unter den Voraussetzungen des § 21 durch Mitgliederbeschluss in einen werbenden rechtsfähigen Verein rückverwandelt wird (dazu § 42 Rn 3). Zum Verzicht auf die Rechtsfähigkeit Rn 2. Bei alledem ist freilich der Gläubigerschutz zu beachten, zB bei Behandlung des Sperrjahres, dazu § 51; andererseits muss bei Vorliegen der Gründe eine Liquidation auch stattfinden, wenn keine Verbindlichkeiten vorhanden sind, BayObLG WM 1982, 1288; Stöber/Otto Rn 1340ff. Ist der Verein ver202
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Juristische Personen – Vereine
§ 49
mögenslos, kann keine Liquidation stattfinden, doch müssen Personen bestellt werden, die beim Register die Vermögenslosigkeit darlegen und die Eintragung der Löschung des Vereins betreiben (Düsseldorf NZG 2013, 1185). Auf schwebende Geschäfte ist die Liquidation ohne Einfluss. Aktivprozesse mit nicht vermögensrechtl Streitgegenstand sind nicht fortzusetzen (RG JW 36, 2651), die Vorschrift führt jedoch nicht zum Verlust der (passiven) Parteifähigkeit für nicht vermögensrechtl Streitigkeiten (Feststellungsklage im Kündigungsrechtsstreit und Zeugnisanspruch gegen liquidierte und gelöschte GmbH, BAG NJW 1982, 1831); anders bei Ansprüchen, deren Erfüllung Vermögensmasse erfordert (BGHZ 74, 212). Zur Liquidation aufgelöster Zweckverbände Sponer LKV 2009, 401ff. 2. Verzicht auf Rechtsfähigkeit. Neben den Möglichkeiten zur Verschmelzung und Abspaltung von Vereinen 2 nach UmwG (§ 41 Rn 2ff) kann es von Interesse sein, durch Verzicht auf die Rechtsfähigkeit eine Übertragung des Vereinsvermögens auf einen anderen rechtsfähigen Träger zu erreichen (näher § 41 Rn 7). Nach früher verbreiteter Meinung hat dies zur Folge, dass der rechtsfähige Verein nach den gesetzl Regeln zu liquidieren ist, und dass auch nach einem Beschl der Mitglieder über die Gründung eines nicht rechtsfähigen Vereins erst nach Einhaltung der Frist des § 51 das Vermögen auf diesen Verein übertragen werden kann (Staudinger/Weik, 2005, § 41 Rn 19; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 418). Daher soll eine Liquidation nach den gesetzl Regeln unterbleiben können, wenn die Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins das Vermögen übernehmen. Nach der mit guten praktischen Gründen vertretenen „Identitätstheorie“ gilt dagegen § 47 für den Verzicht auf die Rechtsfähigkeit nicht, und eine Liquidation muss nicht stattfinden, weil der nach Verlust der Rechtsfähigkeit verbleibende nicht rechtsfähige Verein für die Verbindlichkeiten des eV uneingeschränkt haftet, so dass sich für die Gläubiger nichts ändert (Staudinger/Schwennicke § 41 Rn 59; Kollhosser ZIP 1984, 1434, 1438; NK/Eckardt Rn 5; s auch Soergel/ Hadding Vor § 41 Rn 4; näher auch Schäfer RNotZ 2008, 22ff). Dies entspricht auch der Entwicklung vom nicht rechtsfähigen Verein zur jur Person bei der Gründung (§ 21 Rn 10).
§ 48
Liquidatoren
(1) Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand. Zu Liquidatoren können auch andere Personen bestellt werden; für die Bestellung sind die für die Bestellung des Vorstands geltenden Vorschriften maßgebend. (2) Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des Vorstands, soweit sich nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein anderes ergibt. (3) Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so sind sie nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt und können Beschlüsse nur einstimmig fassen, sofern nicht ein anderes bestimmt ist. 1. Grundsätzlich Liquidation durch Vorstand. Liquidation ist Sache des Vereins; daher Durchführung 1 durch Vereinsorgan, das ist grds der Vorstand. Die Bestellung anderer Personen nach Art der Vorstandsbestellung ist möglich und notwendig, falls der Vorstand sein Amt niedergelegt hat; tut er dies nicht, ist er zur Mitwirkung an der Liquidation verpflichtet, NK/Eckardt Rn 2; Grü/Ellenberger Rn 1, er kann allerdings nicht auf seiner Zuständigkeit bestehen, wenn die Satzung oder die Mitglieder andere Personen berufen, MüKo/Leuschner Rn 4. Für Notfälle gilt § 29 (Reichert Kap 2 Rn 4127), auch § 27 II gilt. Liquidator kann auch eine jur Person (etwa eine Kommune oder Kirchengemeinde) oder eine Gesellschaft des Handelsrechts sein, Stöber/Otto Rn 1344, nicht aber eine GbR (MüKo/Leuschner Rn 4). 2. Rechtliche Stellung der Liquidatoren. Die Stellung der Liquidatoren ergibt sich daraus, dass sie Vorstand 2 des Vereins sind, wie dieser werden sie durch die Mitgliederversammlung oder ein anderes satzungsmäßiges Vereinsorgan bestellt. Geschäftsführung und Vertretungsmacht sind auf Abwicklungszweck beschränkt, deshalb ist die in Abs III dispositiv vorgesehene Gesamtgeschäftsführung und -vertretung hinnehmbar, den Liquidatoren kann aber – auch durch Mitgliederbeschluss – Einzelvertretung eingeräumt werden (Soergel/Hadding Rn 6; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 411), wenn dies die Satzung nicht verbietet; zur Passivvertretung s § 26 Rn 5. Das Bestellungsorgan kann Liquidatoren jederzeit auch ohne wichtigen Grund abberufen (Reichert Kap 2 Rn 4136), es sei denn, einer der Liquidatoren übt das Amt kraft Sonderrechts (§ 35) aus, Haftung für die Liquidatoren nach § 31. Für Eintragung vgl § 76.
§ 49
Aufgaben der Liquidatoren
(1) Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen, die Gläubiger zu befriedigen und den Überschuss den Anfallberechtigten auszuantworten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. Die Einziehung der Forderungen sowie die Umsetzung des übrigen Vermögens in Geld darf unterbleiben, soweit diese Maßregeln nicht zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung des Überschusses unter die Anfallberechtigten erforderlich sind. (2) Der Verein gilt bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert. 1. Aufgabenkreis der Liquidatoren. Die Bestimmung des Geschäftskreises der Liquidatoren ist zwingend, 1 sie folgt aus dem Zweck der Liquidation, unter „Einziehung“ der Forderungen ist auch andere Art der Geltendmachung, etwa Aufrechnung oder Abschluss eines Vergleichs, zu verstehen. Auch rückständige Beiträge sind zu Westermann
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§ 49
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erheben, nicht dagegen fortlaufend neue, wenn nicht die Satzung Abweichendes vorschreibt (BGHZ 96, 253). Ein Geschäft kann die Abwicklung auch mittelbar fördern, zB Ankauf, um Verpflichtungen des Vereins erfüllen zu können. Flüssigmachung des Vermögens auch nur für Abwicklungszwecke ist zulässig. Der Verkauf der Masse als Ganzes ist nicht besonders geregelt, daher zulässig, auch Zustimmung der Mitgliederversammlung ist nicht erforderlich, MüKo/Leuschner Rn 7. Befriedigung der Vereinsgläubiger entweder vor dem Verkauf oder aus dem Erlös; ist dies mangels ausreichenden Vermögens nicht möglich, haben die Liquidatoren gem § 48 II, § 42 II 1 Insolvenz zu beantragen. Keine Aufnahme neuer Mitglieder, BGH NJW-RR 1995, 1237. 2. Einzelne Auflösungsmaßnahmen. Die Vertretungsmacht der Liquidatoren gilt für alle Geschäfte, die unter den Liquidationszweck fallen können; die Mitgliederversammlung kann insoweit keine Weisungen erteilen (NK/Eckardt § 48 Rn 7 gegen Reichert Kap 2 Rn 3903). Satzungsmäßige Beschränkung der Vertretungsmacht ist aber möglich, BeckOGK/Schöpflin Rn 23. Darüber hinaus wird verbreitet angenommen, dass die Vertretungsmacht der Liquidatoren nicht auf Geschäfte zur Erfüllung des Liquidationszwecks beschränkt sei. Ein Dritter muss eine Beschränkung der Vertretungsmacht nur dann gegen sich gelten lassen, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass das Geschäft nicht mehr vom Liquidationszweck gedeckt war (BGH NJW 1984, 982 für KG; für Verein ähnl RGZ 146, 376). Das ist erträglich, da Eintritt ins Liquidationsverfahren bekannt gemacht wird und jeder mit den entspr Einschränkungen rechnen muss, s NK/Eckardt § 48 Rn 2. Auch muss das Handeln für einen in Liquidation befindlichen Verein deutlich gemacht werden. Die Aushändigung an die Anfallberechtigten erfolgt im Wege der Einzel-Nachfolge, sie bezieht sich nur auf den Überschuss und geschieht, wie § 45 III vorschreibt, an die Mitglieder zu gleichen Teilen, bzgl Außerachtlassung einzelner Verbindlichkeiten vgl § 51. Soweit möglich (nur ein Anfallberechtigter, Teilbarkeit der Gegenstände), Aushändigung in Natur, vgl auch §§ 752ff. Die Schlussabrechnung ist der Mitgliederversammlung vorzulegen. Eine öffentliche Bek des Verfahrensabschlusses findet nicht statt. 3. Fortbestehende Rechtsfähigkeit für Zwecke der Liquidation. Abs II ordnet Fortbestehen in den Grenzen des Liquidationszwecks an, also eine Relativierung der Rechtsfähigkeit oder Teilrechtsfähigkeit; dies deutet die heute ganz hM schon aus praktischen Gründen (Zuordnung eines bestimmten Geschäfts zum Liquidationszweck) als fortbestehende uneingeschränkte Rechtsfähigkeit (K. Schmidt AcP 177, 1974, 55, 67f; MüKo/Leuschner Rn 17; BaRo/Schöpflin Rn 5; s auch § 41 Rn 7), sie kommt aber um eine dem Liquidationszweck entspr Beschränkung der Vertretungsmacht der Liquidatoren (Rn 2) nicht herum; soweit dennoch unbeschränkte Vertretungsmacht der Liquidatoren angenommen und die gesetzl Regelung auf die Geschäftsführungsmacht bezogen wird (K. Schmidt AcP 184, 529, 553; Soergel/Hadding Rn 13), ist bei Überschreiten mit der Figur des Missbrauchs der Vertretungsmacht zu arbeiten (Staudinger/Schwennicke Rn 30; PWW/Schöpflin Rn 2); zur Parteifähigkeit § 47 Rn 1. Bzgl bestehender Rechte keine Einschränkung der Rechtsträgerschaft, anders beim Erwerb neuer Rechte (BGH ZIP 2001, 889; Staudinger/Schwennicke Rn 28), der möglich ist, soweit dies mit dem Liquidationszweck vereinbar ist. Eintritt zusätzl Auflösungsgründe während des Liquidationsverfahrens bedeutungslos (KG 68, 206). Nach Beendigung der Liquidation (durch Verteilung des Vermögens und Löschung im Register) ohne Fortsetzungsbeschluss ist der Verein kein Rechtssubjekt mehr. Handeln für ihn daher nicht möglich (Düsseldorf NJW 1966, 1035), so dass auch in Passivprozessen wegen vermögenswerter Rechte die Klage unzulässig wird (BGHZ 74, 212). Stellt sich hiernach heraus, dass noch Vermögen vorhanden ist, auch Forderungen gegen Mitglieder oder Organpersonen, auch dann, wenn noch formale Rechtspositionen wie etwa eine Grundbucheintragung zu erledigen sind (Stöber/Otto Rn 1366), so hat Nachtragsliquidation stattzufinden (Düsseldorf DB 2004, 924), für die nach Registeranmeldung nach Beendigung das Gericht nach § 48 I Hs 2 iVm § 29 Liquidatoren zu bestellen hat.
§ 50
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Bekanntmachung des Vereins in Liquidation
(1) Die Auflösung des Vereins oder die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist durch die Liquidatoren öffentlich bekannt zu machen. In der Bekanntmachung sind die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern. Die Bekanntmachung erfolgt durch das in der Satzung für Veröffentlichungen bestimmte Blatt. Die Bekanntmachung gilt mit dem Ablauf des zweiten Tages nach der Einrückung oder der ersten Einrückung als bewirkt. (2) Bekannte Gläubiger sind durch besondere Mitteilung zur Anmeldung aufzufordern. Abs I S 3 ist durch § 50a für den Fall ergänzt, dass die Satzung des Vereins kein Blatt für Bek bestimmt. Bek unterliegt keiner Form, sie ist Mittel des Gläubigerschutzes, Verstoß macht die Liquidatoren nach § 53 ersatzpflichtig. Zu den aufzufordernden bekannten Gläubigern gehören die Anfallberechtigten nicht, doch ist § 50 analog anzuwenden, falls die anfallberechtigten Mitglieder unbekannt sind (LG Berlin MDR 1958, 768; krit dazu Kubisch NJW 1959, 48). Die schweigenden Gläubiger verlieren ihre Forderungen nicht (MüKo/Leuschner Rn 8), bekannte Gläubiger sind nach § 52 geschützt.
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Juristische Personen – Vereine
§ 50a
§ 53
Bekanntmachungsblatt
Hat ein Verein in der Satzung kein Blatt für Bekanntmachungen bestimmt oder hat das bestimmte Bekanntmachungsblatt sein Erscheinen eingestellt, sind Bekanntmachungen des Vereins in dem Blatt zu veröffentlichen, welches für Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmt ist, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat. Die Regelung gilt – in Erweiterung der bisherigen Ordnung – auch für den Fall, dass das in der Vereinssatzung 1 bestimmte Bekanntmachungsblatt sein Erscheinen eingestellt hat. Das ist mit Rücksicht auf die Zwecke der Bek (§ 50 Rn 1) zu begrüßen, doch gilt § 50a nicht nur für Bek der Liquidation.
§ 51
Sperrjahr
Das Vermögen darf den Anfallberechtigten nicht vor dem Ablauf eines Jahres nach der Bekanntmachung der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit ausgeantwortet werden. Die Sperrfrist ist Schutzvorschrift für die Gläubiger, stellt also keine Ausschlussfrist für die Geltendmachung 1 der Ansprüche dar. Wird das Vermögen vor Ablauf verteilt, haften die Liquidatoren nach § 53 und die Anfallberechtigten nach § 812, wobei dieser Anspruch dem in Liquidation befindlichen Verein zusteht (BAG NJW 1982, 1831, 1832; MüKo/Leuschner Rn 4; aM Braunschweig MDR 1956, 352; Staudinger/Schwennicke Rn 11, die den Gläubigern unmittelbar einen Bereicherungsanspruch zuerkennen). Der Anfallberechtigte kann sich auch nicht auf § 814 berufen, da den Liquidatoren bei wissentlichem Handeln die Vertretungsmacht fehlt, BaRo/ Schöpflin Rn 3; anders Soergel/Hadding Rn 3, der § 814 wegen des Gläubigerschutzes nicht für anwendbar hält, anders der Einwand aus § 818 III, der allerdings meist an fehlender Gutgläubigkeit des Anfallberechtigten scheitern wird. Verfügungen über Vereinsvermögen im Rahmen des § 49 fallen nicht unter § 51. Nach Ablauf des Sperrjahres ist zw bekannten und unbekannten Gläubigern zu unterscheiden. Bekannte Gläu- 2 biger sind, da § 51 keine Ausschlussfrist enthält, zu befriedigen (Rn 1). Darüber hinaus erfolgt die Ausschüttung, die nach ordnungsmäßiger Durchführung der Liquidation vorgenommen wird, mit Rechtsgrund. Das gilt nach Vornahme der Verteilung auch ohne Rücksicht auf bis dahin noch nicht hervorgetretene, bisher unbekannte Gläubiger (RGZ 124, 210; Staudinger/Schwennicke Rn 15), da die Vereinsmitglieder nicht jahrelang der Ungewissheit ausgesetzt sein können, einem nachträgl bekannt werdenden Gläubiger haften zu müssen. Zu den bekannten sollten auch diejenigen Anfallberechtigten gehören, die vor Ablauf des Sperrjahres als Anfallberechtigte etwas erhalten, aber den Bereicherungsanspruch des Vereins (Rn 1) erfüllt haben. IÜ gehen bekannte Gläubiger den Anfallberechtigten vor, näher § 52. Über das Sperrjahr hinaus müssen daher keine Rückstellungen gebildet werden, Stöber/Otto Rn 1362.
§ 52
Sicherung für Gläubiger
(1) Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegen. (2) Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf das Vermögen den Anfallberechtigten nur ausgeantwortet werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist. An Gläubiger, deren Forderung nach Art und Höhe bekannt ist, haben die Liquidatoren zu zahlen. Hinterle- 1 gung bei Zahlungshinderung nach allg Regeln, §§ 372ff, Sicherheitsleistung bestimmt sich nach §§ 232–240, die also auch den Hinterlegungsgrund, etwa Annahmeverzug, bestimmen (MüKo/Leuschner Rn 3), was auch bei unbekannten Forderungs-Inhabern in Betracht kommt. Bei Unausführbarkeit der Zahlung, zB inhaltlicher Unbestimmtheit, Bedingtheit oder bei Streit über die Berechtigung eines (an sich bekannten) Gläubigers, ist Ausschüttung an die Anfallberechtigten von Sicherheitsleistung abhängig, das gilt freilich nicht in den Fällen des Abs I, in denen die Liquidatoren durch Hinterlegung zu erfüllen haben (NK/Eckardt Rn 4). Liquidatoren können stattdessen auch Ausschüttung an Anfallberechtigten bis zur Befriedigung des Gläubigers bzw Klarstellung aufschieben (BaRo/Schöpflin Rn 1; aM MüKo/Leuschner Rn 4).
§ 53
Schadensersatzpflicht der Liquidatoren
Liquidatoren, welche die ihnen nach dem § 42 Abs. 2 und den §§ 50, 51 und 52 obliegenden Verpflichtungen verletzen oder vor der Befriedigung der Gläubiger Vermögen den Anfallberechtigten ausantworten, sind, wenn ihnen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner. § 53 folgt daraus, dass Liquidation Einrichtung im Interesse der Gläubiger ist, die aus dieser Norm unmittelbar 1 berechtigt sind. Behandlung im Einz nach Maßgabe der §§ 823ff, da die Grundlage der Haftung mit der Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 II) vergleichbar ist (Staudinger/Schwennicke Rn 2; für deliktische Natur des Anspruchs, der nur auf den Quotenschaden geht, MüKo/Leuschner Rn 3; Reichert Kap 2 Rn 4277; NK/Eckardt Rn 1). Daneben besteht Anspruch des Vereins aus § 27 III. Schaden muss durch die Pflichtverletzung herbeigeführt sein. Durchzusetzender Anspruch gegen Anfallberechtigten, etwa aus ungerechtfertigter Bereicherung, Westermann
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§ 53
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Personen
schließt den Schaden und damit einen Anspruch aus (Soergel/Hadding Rn 4; aA MüKo/Leuschner Rn 4). Zur Verhinderung eines Schadens der hier gemeinten Art wird im Schrifttum (K. Schmidt ZIP 1981, 1, 46; MüKo/ Leuschner Rn 5) ein vorbeugender Unterlassungsanspruch nach § 1004 gewährt, der auch einstw Rechtsschutz nach § 935 ZPO genieße.
§ 54
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Vereine ohne Rechtspersönlichkeit
(1) Für Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch Eintragung in das Vereinsregister Rechtspersönlichkeit erlangt haben, sind die Vorschriften der §§ 24 bis 53 entsprechend anzuwenden. Für Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch staatliche Verleihung Rechtspersönlichkeit erlangt haben, sind die Vorschriften über die Gesellschaft entsprechend anzuwenden. (2) Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines Vereins ohne Rechtspersönlichkeit einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, haften sie als Gesamtschuldner. 1. Ansätze zur theoretischen Einordnung der Vereine ohne Rechtspersönlichkeit und MoPeG. Durch das G zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v 10.8.2021 (MoPeG, BGBl I 2021, 3436) ist mWv 1.1.2024 die bereits in der Rspr entwickelte Differenzierung zw nicht eingetragenen Idealvereinen mit entspr Anwendung der vereinsrechtl Vorschriften und nicht eingetragenen oder nach § 22 konzessionierten wirtschaftl Vereinen mit entspr Anwendung der für die Gesellschaft geltenden Vorschriften im reformulierten Wortlaut des § 54 I zum Ausdruck gebracht worden. Nach der Gesetzesbegr sollte durch die Änderung der Vorschrift nur eine „bereits seit langem bestehende Rechtslage“ festgeschrieben werden (BT-Drs 19/27635, 123f). Die Kommentierung nimmt iSd vom Gesetzgeber angestrebten Kontinuität noch einmal die Altkommentierung für die bis zum 31.12.2023 geltende Gesetzesfassung zum Ausgangspunkt und behält die Perspektive einer späteren systematischen Neubearbeitung. Zweck der Unterstellung des – in der nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR widersprüchlich gewordenen Terminologie des § 54 aF – „nicht rechtsfähigen Vereins“ unter das Gesellschaftsrecht war, den Vereinen, die sich dem Verfahren zur Erlangung der Rechtsfähigkeit und der damit verbundenen staatlichen Kontrolle nicht unterziehen wollen, die schwächere Stellung der GbR zu geben; dies hat historisch als Anreiz zur Eintragung nicht durchweg ausgereicht. Viele der kleineren Vereine und sogar manche größeren (s etwa Koblenz NJW-RR 1993, 697; München NJW 1969, 617; LG Düsseldorf NJW-RR 1990, 832) verzichteten auf die Eintragung. Die Praxis der nicht eingetragenen und nicht konzessionierten Vereine hat zudem gezeigt, dass es sich um auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse einer großen Zahl von gemeinsame Zwecke verfolgenden Personen handeln konnte, die durch einen Vorstand verwaltet und vertreten werden, unabhängig von Mitgliederwechseln bestehen und im Verkehr unter einem Gesamtnamen auftreten. Hierdurch entstand ein Spannungsverhältnis zw dem körperschaftlichen Wesen der nicht eingetragenen und nicht nach § 22 konzessionierten Vereine und der gesetzl Form der als persönliche Beziehung der Gesellschafter behandelten GbR, das die Praxis durch weitestgehende (soweit es nicht auf die Registereintragung ankommt, Stöber/Otto Rn 1755) Anpassung an den eV bewältigt hat. Demgemäß war die allg Verweisung der bis 31.12.2023 geltenden Fassung des § 54 auf das Gesellschaftsrecht weitgehend als überholt betrachtet worden (BT-Drs 19/27635, 123f; BGH NJW 1979, 2304f; Frankfurt ZIP 1985, 213; MüKo/Leuschner Rn 4, 5). Bereits das RG hatte beim Idealverein die vereinsrechtl Vorschriften angewandt (RGZ 113, 125, 135; RGZ 143, 212, 215) und der BGH diese Rechtsprechungslinie zur Vermeidung der gesellschaftsrechtl Haftungsverfassung zuerst für die nicht eingetragenen Gewerkschaften fortgesetzt (BGHZ 50, 235). Bis zur Reform durch das MoPeG blieb rechtspolitisch umstritten, was an die Stelle des im Wortlaut nicht mehr passenden § 54 S 1 treten sollte. ZT war vertreten worden, auf den nicht eingetragenen wirtschaftl Verein sei nicht erst nach § 54 S 1, sondern schon nach § 22 Gesellschaftsrecht anzuwenden (BGH JZ 1985, 186; K. Schmidt GesR § 25 I 2; ähnl Flume ZHR 148, 503, 512; dagegen aber MüKo/ Leuschner Rn 14); nach anderen folgte die Anwendung von BGB-Gesellschaftsrecht aus dem Gesetz, was aber als ursprüngliche gesetzl Fehlentscheidung qualifiziert wurde, die teleologisch zu reduzieren sei (MüKo/Leuschner Rn 16). Aber diese Konzeptionen waren nach dem grundlegenden Wandel der Verfassung und des Haftungsstatuts bei der GbR (Vor § 705 Rn 43) daraufhin zu überprüfen, ob wirklich schon alle Regeln des BGB-Gesellschaftsrechts auf den danach ebenfalls rechtsfähigen, nicht eingetragenen Verein anzuwenden sind (zur Fragestellung K. Schmidt ZHR 172 (2013) 712, 726). Das war zwar für die aktive und passive Parteifähigkeit bereits anerkannt (BGHZ 146, 341; BGH NJW 2008, 69 – hier Rn 8), was aber für die wirtschaftl Vereine iSd § 22 und für den nicht eingetragenen Idealverein Differenzierungen namentlich bzgl der Mitgliederhaftung nicht verhinderte. Dem nicht eingetragenen Verein konnte danach zwar nicht die Rechtsfähigkeit, wohl aber die Rechtspersönlichkeit einer jur Person abgesprochen werden, wobei bereits vor dem MoPeG davon auszugehen war, dass ein Verein dem Typus der Außengesellschaft vergleichbar ist, auf den die Rspr zur Gesellschaft die Rechtsfähigkeit beschränkt hat. Weiterhin erwies sich dabei § 54 als gesetzgeberischer Fehlgriff (aM Bergmann ZGR 2005, 654ff, der die Entwicklung der Verfassung des nicht rechtsfähigen Vereins als Rechtsanwendung lege artis betrachtet), weil der nicht rechtsfähige Verein keine Gesellschaft ist, sondern ein Gebilde mit körperschaftlicher Struktur und auf Ausschluss der persönlichen Haftung der Mitglieder mit ihrem Privatvermögen angelegt ist (Stöber/Otto Rn 1751). So konnte schon vor der Wende in der gesellschaftsrechtl Rspr durch BGHZ 142, 315; 146, 341 vertretbar von der Rechtsfähigkeit der nicht rechtsfähigen Vereine gesprochen werden (Stoltenberg 206
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Juristische Personen – Vereine
§ 54
MDR 1989, 494; K. Schmidt NJW 2001, 993, 1003; grds krit Schöpflin, Der nicht rechtsfähige Verein, 2003, 101ff; Zweifel an der Rechtsfortbildung im Hinblick auf Rechtsfähigkeit bei Lehmann AcP 2007, 225ff; gegen eine Haftungsprivilegierung der Mitglieder nicht rechtsfähiger Vereine Meyer ZGR 2008, 702ff). Dazu passte, dass eine starke Annäherung an den rechtsfähigen Verein stattgefunden hat, wobei aber die Einzelzüge des Rechts der GbR nicht ohne weiteres auf den rechtsfähigen Verein mit körperschaftlicher Struktur übertragen werden konnten (Dauner-Lieb DStR 2001, 356), so etwa nicht bei der Regelung der Geschäftsführung, für die § 709 aF nicht passt. So hat BGHZ 146, 190 (m Anm K. Schmidt JuS 2001, 505) auf einen im Gründungsstadium befindlichen kommunalen Zweckverband je nach dem Grad der körperschaftlichen Verselbständigung Gesellschaftsrecht oder das Recht des nicht rechtsfähigen Vereins anwenden wollen, was freilich unter dem Gesichtspunkt angegriffen werden konnte, dass das öffentliche Recht keine nicht rechtsfähige Körperschaft kennt und die Bestimmungen über die Gründung von Kapitalgesellschaften hätten herangezogen werden sollen (Anm Gramlich WuB I E 1 Kreditvertrag 3.01); zu einer Art Mischverfassung zw dem Recht der GbR und dem des nicht rechtsfähigen Vereins bei einem genossenschaftsähnl Verein s BGH NJW 1979, 2304. I Erg war daher bereits vor dem MoPeG der nicht rechtsfähige Verein als Träger von Rechten und Pflichten zu betrachten, dem das Vereinsvermögen zu Eigentum zusteht, der im Rechtsverkehr durch den Vorstand als Organ vertreten wird, im Prozess aktiv und passiv parteifähig ist, wenn er auch nicht alle denkbaren verfahrensrechtl Positionen einnehmen kann (NK/Eckardt Rn 4; MüKo/Leuschner Rn 19; Reichert Kap 2 Rn 4994; K. Schmidt GesR § 8 III 2a; aM Wagner ZZP 117 (2004) 305, 359ff). Für den nicht eingetragenen Idealverein werden durch die klarstellende Regelung der Anwendung der vereinsrechtl Vorschriften diese Widersprüche weitgehend aufgelöst. Für den nicht eintragungsfähigen wirtschaftl Verein sind Widersprüche zw der Organisationsverfassung der gesetztestypischen GbR und der körperschaftlichen Struktur des Vereins im Recht der Gesellschaft aufzulösen. Der Neuregelung des § 54 I 2 muss aber jedenfalls entnommen werden, dass wirtschaftl Vereine ohne Rechtspersönlichkeit anzuerkennen sind und dass sie nicht stets als Gesellschaften zu qualifizieren sind (BT-Drs 19/27635, 124; mit Hinw auf den bei MüKo/ Leuschner Rn 9ff dargestellten Streitstand). Der Verweis des § 54 I 2 auf die Vorschriften über die Gesellschaft umfasst nach der Gesetzesbegr nicht nur die Vorschriften für die GbR in den §§ 705ff, sondern auch die Vorschriften für die Handelsgesellschaften in den §§ 105ff HGB (BT-Drs 19/27635, 124). Für Vereine, deren Zweck im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht, liegt dies nahe, weist aber auch auf das Spannungsverhältnis zu den für die Handelsgesellschaften bestehenden Eintragungspflichten hin. Vereine können auch Untergliederungen in der Rechtsform eines nicht rechtsfähigen Vereins haben, wenn diese 2 auf Dauer eigene Aufgaben selbständig wahrnehmen, einen eigenen Namen führen und vom Mitgliederbestand unabhängig sind. Davon zu unterscheiden sind unselbständige Untergliederungen, die trotz der bei ihnen bestehenden körperschaftlichen Struktur nach dem Mitgliederwillen nicht rechtsfähig sind und nach BGH NJW 2008, 69 Beschl der Mitglieder des Hauptvereins nicht anfechten können (s schon Vor § 21 Rn 13), obwohl sie wie alle Mitglieder etwa auch an der Haftung teilnehmen (Oschütz SpuRt 2008, 97). Bei den rechtl selbständigen „Abteilungen“ können sich Zweck und Organisation auch aus der Satzung des übergeordneten Vereins ergeben (BGHZ 90, 331). Relevanz kommt § 54 I 2 (§ 54 S 1 aF) hier insofern zu, als im wirtschaftl Bereich einer freien Körperschaftsbildung Hindernisse entgegengesetzt werden, was ursprünglich als eines der Motive des § 54 galt. So wäre zwar beim nicht eingetragenen wirtschaftl Verein wegen der ebenfalls regelmäßig körperschaftlichen Struktur die Anwendung von Vereinsrecht zu erwägen, doch ist hier davon auszugehen, dass der Verein sich der notwendigen Verleihung der Rechtsfähigkeit nach Maßgabe des Konzessionssystems entzogen oder sie nicht erhalten hat, so dass die Anwendung des Gesellschaftsrechts, wie sie § 54 I 2 anordnet, nicht verfehlt erscheint, abgesehen davon, dass bei Verfolgung handelsgewerblicher Zwecke nach wie vor OHG-Recht zur Geltung kommt (BGHZ 22, 244). Daher ist zwar im Innenverhältnis bei tatsächlich bestehender körperschaftlicher Struktur Vereinsrecht anzuwenden, im Außenverhältnis gilt aber § 54 I 2 und wie bei der Außengesellschaft des BGB die akzessorische Gesellschafterhaftung (BaRo/Schöpflin Rn 35; BGHZ 146, 190, 201 = BGH NJW 2001, 748; s auch hier Rn 11) nunmehr über § 54 I 2 iVm § 721. 2. Vermögenszuordnung. Der hauptsächliche Unterschied zum eV liegt in den immer noch bestehenden Ge- 3 fahren im Hinblick auf die Haftung. Beim Verein ohne Rechtspersönlichkeit entsteht zw Mitgliedern und Verein ein körperschaftliches Verhältnis, wobei der Mitgliederwechsel ohne Wirkung ist. Dies kann allerdings auch bei der Gesellschaft ähnl sein, Vor § 705 Rn 7. Ob Verein (ohne Rechtspersönlichkeit) oder Gesellschaft gewollt ist, entscheidet sich dann aber nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Beteiligten (RGZ 74, 371), der auch bei Benutzung vereinsmäßiger Formen auf Gründung einer Gesellschaft gehen kann (RG JW 1906, 452). Hinsichtl der Vermögenszuordnung haben sich beim weder eingetragenen noch konzessionierten wirtschaftl Verein die Folgen aus der Rechtsfähigkeit des Gebildes praktisch durchgesetzt, K. Schmidt NJW 2001, 993, 1002, was vor dem MoPeG bedeutete, dass zw dem Modell der Gesamthandsgemeinschaft und den Folgen aus der Rechtsfähigkeit des Verbandes abzugrenzen und dabei der großen Zahl verschiedene Zwecke verfolgender Zusammenschlüsse, die als nicht rechtsfähiger Verein behandelt wurden, Rechnung zu tragen war: Untergliederungen politischer Parteien (BGHZ 73, 275, 277; s auch Bamberg NJW 1982, 895); Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften (RGZ 76, 25, 27; BGHZ 50, 325, 327); Kleingärtnervereine (BSGE 17, 211); Sport- und Geselligkeitsvereine (RGZ 78, 101). Die im Schrifttum vor dem MoPeG unterschiedlich akzentuierte Unterscheidung zw Vermögensinhaberschaft des Vereins (K. Schmidt NJW 2001, 993, 1002; NK/Eckhardt Rn 3f) und Gesamthandsvermögen der Mitglieder war in ihrer praktischen Bedeutung möglicherweise überschätzt und hat
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mit dem begrifflichen Abschied von der Gesamthand in der Modernisierung des Personengesellschaftsrecht durch MoPeG vollends an Bedeutung eingebüßt (s § 705 Rn 158). 4 Der Name des weder eingetragenen noch nach § 22 konzessionierten Vereins, der das Gebilde als Ganzes erfasst, ist nach § 12 geschützt (RGZ 78, 101; BayObLG EWiR § 12 BGB 1/87 [Kurzkomm Weipert]; LG Marburg NJWRR 2000, 661; Staudinger/Schwennicke Rn 77). Der Verein ohne Rechtspersönlichkeit kann auch Mitglied eines anderen Vereins mit oder ohne Rechtspersönlichkeit sein (RGZ 73, 96; MüKo/Leuschner Rn 32f). Wegen Eintragung im Grundbuch und wegen Aktivprozess s Rn 8. 5 3. Organisation. Die Organisation ergibt sich – weiter auch beim wirtschaftl nicht eingetragenen und nicht nach § 22 konzessionierten Verein iSd § 54 I 2 – aus der Verfassung bzw Satzung. Ergänzung durch Auslegung und entspr Anwendung der §§ 21ff, soweit Eintragung nicht zwingend vorausgesetzt ist (Frankfurt ZIP 1985, 213, 215). Anwendbar ist danach auch § 25 mit der Anerkennung von Vereinsautonomie (BGHZ 21, 370, 374) und Gewährleistung, dass die Grundentscheidungen des Vereinslebens in der Satzung und durch die Mitglieder getroffen werden (Frankfurt ZIP 1985, 213, 215 – IG Metall). Zu den Maßstäben der Auslegung von Satzungen und Nebenordnungen § 25 Rn 12. Soweit neben der Mitgliederversammlung ein Vorstand tätig werden soll, ist Begründung seiner Zuständigkeit in der Satzung nötig. Für die Bestellung des Vorstands sind §§ 27, 28 entspr anwendbar, dagegen § 29 nach einer verbreiteten Ansicht nicht (vgl München HRR 1937, 75; Krönig MDR 1953, 217), weil ohne Eintragung der Registerrichter nicht tätig werden könne; dagegen spricht aber, dass ein Eingreifen des Gerichts insb im Interesse Dritter erforderlich sein kann (vgl Neumann JherJ 87, 212; Habscheid MDR 1952, 653; LG Berlin NJW 1970, 1047; Soergel/Hadding Rn 14), wie auch § 37 II anwendbar sein sollte (Habscheid AcP 155, 398; LG Heidelberg NJW 1975, 1661; MüKo/Leuschner Rn 35, 37; Soergel/Hadding Rn 13; s auch hier § 37 Rn 1; aM RG JW 1935, 3626). §§ 68, 70 sind mangels Eintragung nicht anwendbar, die an sich mögliche Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands (§ 26 I 3) kann also nur Dritten entgegengesetzt werden, die um die Beschränkung wussten (PWW/Schöpflin Rn 9). UU greift auch eine Haftung für die Verursachung einer Anscheinsvollmacht ein. Es gibt auch die Möglichkeit der Drittorganschaft, MüKo/Leuschner Rn 34, zum wirtschaftl Verein ebd Rn 45. 6 Die Vorschriften über Mitgliederversammlung (dazu Frankfurt ZIP 1985, 213, 219) und Mitgliedschaft sind anwendbar, ebenso die Grundsätze über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft einschl Ausschluss- und Disziplinarstrafgewalt des Vereins (BGHZ 13, 5, 11; Habscheid AcP 185, 392). Beendigung der Mitgliedschaft als körperschaftliches Verhältnis nicht durch Kündigung nach § 725 idF MoPeG, sondern durch Austritt, für den § 39 gilt, RGZ 143, 4 (zu den Folgen für vermögensrechtl Stellung s Rn 7). Bei Mischform zw Verein und Gesellschaft (Rn 2) kann freier Austritt ausgeschlossen sein, wenn der Mitgliederkreis geschlossen ist und Majorisierung des Mitglieds durch nicht vorhersehbar veränderte Mehrheiten unwahrscheinlich ist (BGH NJW 1979, 2305). Für die Haftung der Mitglieder und des Vorstands ggü dem Verein wegen Pflichtverletzung gilt nicht der durch MoPeG aufgehobene § 708 aF, sondern Haftung für jedes Verschulden (RGZ 143, 214), allerdings kann im Bestellungsakt eine Haftungserleichterung vereinbart sein (auch schlüssig); zur Anwendung des § 31a s § 31a Rn 1. Der körperschaftlichen Struktur entspricht die Geltung des Mehrheitsprinzips entspr § 32 I 3 (Stöber/Otto Rn 1778), das hier §§ 714ff (§§ 709ff aF) verdrängt (MüKo/Leuschner Rn 35). Wie beim Verein mit Rechtspersönlichkeit ist widerspruchslose Hinnahme einer diesbzgl satzungsmäßigen Regelung als Zustimmung anzusehen; auch Observanz kann bedeutsam sein (MüKo/Leuschner Rn 35). Entspr gilt für eine mit korporativer Verfassung und eigenem Namen ausgestattete Verwaltungsorganisation von Miteigentümern (BGH NJW 1957, 1800). 7 4. Einzelne Folgen der (teilweisen) Rechtsfähigkeit des Vereins ohne Rechtspersönlichkeit. Zur Vermögensfähigkeit des Vereins s bereits Rn 3. Durch die körperschaftliche Struktur ist die vermögensrechtl Bindung der Mitgliedschaftsrechte eher enger als bei der Gesellschaft. Eine Pfändung des Anteils durch Gläubiger des Mitglieds ist nicht möglich, da das Mitglied nicht der eigentliche Rechtsinhaber ist, aM BaRo/Schöpflin Rn 27 für Beteiligungen mit wirtschaftl Wert. Unmöglich ist auch die Verfügung über den Anteil, Stöber/Otto Rn 1786. Bei Ausscheiden besteht im Gegensatz zu § 728 (§ 738 aF) kein Auseinandersetzungsanspruch des aus einem nicht eingetragenen Idealverein Ausscheidenden (RGZ 113, 135; BGHZ 50, 323, 329; AG Grevenbroich NJW-RR 2001, 967), bei wirtschaftl Zweck des Vereins ist dagegen ein Abfindungsanspruch gegeben. 7a Hinsichtl der Grundbuchfähigkeit ist zw Idealverein und wirtschaftl Verein und zw der Rechtslage vor und nach dem MoPeG zu differenzieren (zutr Enneking/Wöffen NZG 2023, 308). Da seit BGHZ 179, 202 die GbR als grundbuchfähig anzusehen war und unter der Bezeichnung im Grundbuch eingetragen werden konnte, die ihr Gesellschaftsvertrag bestimmt, hätte es nahegelegen, dies auf den – in alter Terminologie – nicht rechtsfähigen Verein zu übertragen, um zu vermeiden, dass ggf eine große Zahl von Mitgliedern mit einem das Rechtsverhältnis klarstellenden Zusatz eingetragen werden müssten. In der Rspr (Zweibrücken NJW-RR 2000, 749; LG Berlin Rpfleger 2003, 291) war zunächst nur die Grundbuchfähigkeit politischer Parteien bejaht worden, dies aber nicht auf alle nicht konzessionierten wirtschaftl Vereine übertragen (Celle NJW 2004, 1743; § 22 Rn 2) und schließlich durch den BGH mit der Begründung fehlender Registerpublizität (BGH ZIP 2016, 1163 m krit Anm Prütting EWiR 2016, 361) auch für den nicht eingetragenen Idealverein ausgeschlossen worden. Mit der danach vorzunehmenden entspr Anwendung des § 47 II GBO, der für die Eintragung einer GbR bestimmt, dass neben dem Verein auch die Gesellschafter eingetragen werden müssen, sowie des darauf abgestimmten § 899a auch für den Verein ohne Rechtspersönlichkeit nimmt der Verein an einer Reihe von nicht widerspruchsfrei klärbaren Fragen teil (Enneking/Wöffen NZG 2023, 308, 309f; Tolani JZ 2013, 224ff; H.P. Westermann WM 2013, 441), die etwa das Vorgehen beim Erwerb von Grundstücksrechten (mit den nach §§ 20, 259 GBO zu fordernden Nach208
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weisen) sowie die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung in das Vereinsvermögen betreffen. Demnach war bei Vereinen mit großer Mitgliederzahl bereits vor dem MoPeG die Eintragung von Treuhändern zu empfehlen, wobei wohl auch die unterschiedlichen Typen von Vereinen berücksichtigt werden müssen (Terner RNotZ 2009, 132, 137). Nicht durchgesetzt hat sich ein Vorschlag von Habscheid (AcP 155, 402) für eine Eintragung „der jew Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins“ ohne Angabe der einzelnen Namen. Nach dem MoPeG ist zunächst die Grundbucheintragung eines nicht eingetragenen und nicht konzessionierten wirtschaftl Vereins noch deutlicher durch eine Neufassung des § 47 II GBO ausgeschlossen. Mit dem fortgesetzten Verweis auf das Recht der Gesellschaft in § 54 I 2 wird diese Vorschrift der GBO für den wirtschaftl Verein weiter in Bezug genommen, sie setzt nach MoPeG aber voraus, dass die GbR im GbR-Gesellschaftsregister eingetragen ist. Fehlt es an dieser Eintragung, sind alle Gesellschafter im Grundbuch einzutragen. Möglich erscheint aber die Eintragung eines körperschaftlich organisierten wirtschaftl Zusammenschlusses, der ein Handelsgewerbe betreibt, als OHG im Handelsregister (zutr Enneking/Wöffen NZG 2023, 308, 310). Damit wäre die Grundbuchfähigkeit hergestellt, aber das Problem der Eintragung als jetzt als Gesellschafter zu bezeichnenden Mitglieder mit entspr Notwendigkeit der Eintragung jedes Mitgliederwechsels nur in ein anderes Register verlagert (Enneking/Wöffen NZG 2023, 308, 310). Für den nicht eingetragenen Idealverein verweist § 54 I 1 nicht mehr auf das Recht der Gesellschaft, sondern auf die vereinsrechtl Bestimmungen. Damit scheidet eine unmittelbare Anwendung des § 47 II GBO aus und mit der Rechtsfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins ließe sich wie zuvor für die GbR auch die Grundbucheintragungsfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins begründen (so auch Schäfer/Wertenbruch, Das neue PersGesR, 2022, 408ff). Die Folge wäre, dass der nicht eingetragene Idealverein eine höhere Rechtsfähigkeitsqualität als die nicht eingetragene GbR aufweisen würde und ein Wertungswiderspruch zum neu gefassten § 47 II GBO entstünde. Im Schrifttum ist mit diesem Argument die Grundbuchfähigkeit des nicht eingetragenen Idealvereins nach dem MoPeG weiter hinterfragt worden (Enneking/Wöffen NZG 2023, 308, 310). Rechtfertigen lässt sich eine Differenzierung zur GbR aber durch die körperschaftliche Struktur und den auf Mitgliederwechsel angelegten Charakter des nicht eingetragenen Idealvereins, der keine entspr Anwendung des § 47 II GBO erlaubt. Dieser Unterschied spricht auch gegen die Auffassungen im Schrifttum, nach denen die Mitglieder neben dem Verein im Grundbuch einzutragen (Böhringer NotBZ 2022, 161, 164f) oder § 47 II GBO analog anzuwenden ist (Enneking/Wöffen NZG 2023, 308, 311). Gegen diese Analogie sprechen Zweifel sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Der Gesetzgeber hat sich in § 54 I bewusst für eine Differenzierung zw wirtschaftl Verein und Idealverein entschieden und die Reform des § 47 II GBO im gleichen Gesetz beschlossen. Das spricht gegen Planwidrigkeit und dafür, die vereinsrechtl Vorschriften bis zur Grundbuchfähigkeit konsquent anzuwenden. Die Interessen sind bei Verein und Gesellschaft unterschiedlich. Der Verein ist auf Mitgliederwechsel angelegt, die Gesellschaft nicht. Für die Auffassung, die sich für eine Eintragung aller Mitglieder neben dem Verein selbst ausspricht, spricht freilich die Intention des Gesetzgebers, in der Reformulierung des § 54 nur die bisherige Rechtslage festzuschreiben (BT-Drs 19/27635, 123f). Das schließt die Rspr zur fehlenden Grundbuchfähigkeit des nicht eingetragenen Idealvereins, aber auch zur Ausnahme für politische Parteien ein. Da gerade letztere zum einen durch Grundbesitz und zum anderen durch große Mitgliederzahlen und häufigen Mitgliederwechsel geprägt sind, sind jedenfalls für diese die Auffassungen abzulehnen, die nach dem MoPeG die Grundbuchfähigkeit des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit geschwächt sehen. Ohnedies wird nicht jeder Verein seine Existenz mit den § 29 GBO entspr Mitteln nachweisen können, so dass außer bei Großgebilden mit eigenständiger Verkehrsgeltung (Koblenz NJW-RR 2000, 749; Morlok/Schulte-Trux NJW 1992, 2060) eine Eintragung des nicht eingetragenen Idealvereins in der Praxis nach allen Auffassungen nicht in Betracht kommt. Nach früher hM war der „nichtrechtsfähige Verein“ nicht wechselfähig (RGZ 112, 124; Koblenz MDR 1955, 424; anders die heute hM, MüKo/Leuschner Rn 25; Staudinger/Schwennicke Rn 79; Soergel/ Hadding Rn 19; PWW/Schöpflin Rn 14), was zur Rspr zur Scheckfähigkeit der GbR (BGH NJW 1997, 2754 m Anm Mutter DZWIR 1997, 419) passt. Zweifelhaft ist die Behandlung nicht rechtsgeschäftlichen Erwerbs, zB im Erbgang. Der früheren Lehre entsprach es, die Mitglieder – also in Erbengemeinschaft – als Erben zu behandeln, denen die Auflage gemacht ist, den Nachlass in das Vermögen des Vereins einzubringen; die neuere Lehre geht darüber insofern hinaus, als eine Nachfolge der Vereinsmitglieder in die Inhaberschaft an der Erbmasse unmittelbar als Erwerb durch den insoweit rechtsfähigen Verein verstanden wird (Soergel/Hadding Rn 17; PWW/ Schöpflin Rn 14; Grü/Ellenberger Rn 9; zw Ideal- und Wirtschaftsverein diff MüKo/Leuschner Rn 28). Der Verein schuldet auch die Erbschaftsteuer, FG Münster EFG 2007, 1037. 5. Parteifähigkeit. Bereits der im Jahre 2009 reformierte § 50 II ZPO billigt dem nicht rechtsfähigen Verein 8 die aktive und passive Parteifähigkeit zu; für politische Parteien liegt sie in § 3 PartG. Mit der Neufassung des § 54 durch das MoPeG ist § 50 II ZPO entbehrlich geworden und konnte, ohne eine Änderung der bisherigen Rechtslage auszulösen, ebenfalls durch das MoPeG aufgehoben werden. Die aktive und passive Parteifähigkeit des nicht eingetragenen Idealvereins ergibt sich nunmehr unmittelbar aus dem Verweis in § 54 I 1 auf die vereinsrechtl Vorschriften, die des nicht eingetragenen und nicht konzessionierten wirtschaftl Vereins aus dem Verweis in § 54 I 2 auf die Gesellschaft (BT-Drs 19/27635, 202). In der Regierungsbegr reflektierte Bedenken aus der fehlenden Registerpublizität und daraus möglicherweise folgenden Unsicherheit hinsichtl der Kostentragung bei Aktivprozessen veranlassten den Gesetzgeber weder zu einer Beschränkung der aktiven Parteifähigkeit der nicht eingetragenen Gesellschaft noch des nicht eingetragenen Vereins (BT-Drs 19/27635, 202). Der Prozessbevollmächtigte des Vereins im Passivprozess wird für den Verein und nicht für seine Mitglieder als mehrere Auftraggeber tätig (München MDR 1994, 735 gegen Düsseldorf MDR 1993, 1020). Für Gewerkschaften ArbGeb-Verbände ist die Parteifähigkeit im arbeitsgerichtl Verfahren (§ 10 ArbGG) besonders geregelt. Im FamFGWestermann/Anzinger
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Verfahren ergibt sich die Parteifähigkeit aus § 8 Nr 2 FamFG. Die Klagebefugnis des Vereins schließt nicht aus, dass die Mitglieder durch den aufgrund der Satzung dazu als bevollmächtigt ausgewiesenen Vorstand vertreten werden (RGZ 57, 92); eine besondere Einverständniserklärung der Mitglieder ist dann nicht nötig (RG HRR 1928, 1554), bei Mitgliederwechsel Fortgang des Verfahrens (RGZ 78, 105). Überlegungen, inwieweit Verteidigungsmöglichkeiten und auch eine Widerklage möglich sind, erübrigen sich also. Für die Zwangsvollstreckung ergab sich vor dem MoPeG aus § 735 ZPO, § 11 I InsO, dass für die Vollstreckung ins Vereinsvermögen dessen Verurteilung nötig ist, wobei § 735 ZPO auch für nicht vermögensrechtl Ansprüche angewendet wurde (MüKoZPO/Heßler § 735 Rn 4). Mit der Neufassung des § 54 I durch das MoPeG ist auch diese Vorschrift entbehrlich geworden und konnte ohne Änderung der Rechtslage im selben Gesetz aufgehoben werden (BT-Drs 19/27635, 202). Der Verein ist im Titel zu bezeichnen (Schmidt ZHR 177 (2013), 712, 726) und ist Vollstreckungsschuldner (MüKo/Leuschner Rn 21). Aus einem Titel gegen den Verein findet keine Zwangsvollstreckung ins Einzelvermögen der Mitglieder statt, RGZ 143, 216. 6. Haftung der Mitglieder. Hinsichtl der Haftung der Mitglieder war bereits vor dem MoPeG eine Differenzierung zw dem nicht eingetragenen Idealverein und dem nicht konzessionierten wirtschaftl Verein vorgenommen worden. Sie kommt nunmehr in § 54 I 1 und 2 idF MoPeG auch im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck. Beim Idealverein ohne Rechtspersönlichkeit, der selbst Haftungssubjekt ist, scheidet eine Haftung der Mitglieder für dessen Verbindlichkeiten aus. Das ergibt sich nach dem MoPeG aus § 54 I 1 und II. Bereits die Rechtsfortbildung über § 54 aF hinaus hatte zu dem Ergebnis geführt, dass eine persönliche Haftung der Mitglieder grds nicht in Betracht kommt, wenn die Vereinigung in der Satzung als Verein bezeichnet wird und nach außen als solcher auftritt (BGHZ 50, 326, 329; BGH NJW 1979, 2304, 2306; NJW-RR 2000, 1265; 2003, 1265; Beuthien WM 2012, 1; abl Flume ZHR 148, 503, 519). Der notwendige Verkehrsschutz musste danach allein durch die Handelndenhaftung gem § 54 II (§ 54 S 2 aF) hergestellt werden. Diese Handelndenhaftung unterscheidet sich allerdings von der Behandlung der Außen-GbR, bei der vorbehaltlich besonderer Vereinbarung akzessorische Haftung gem § 721 (früher analog §§ 128ff HGB) gilt. Demggü wurde bereits vor dem MePeG für einen nicht eingetragenen wirtschaftl Verein, der auch keine Konzession nach § 22 hat, volle Haftung der Mitglieder für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten vertreten (BGHZ 22, 244; BGH NJW 2001, 748, 750; Stöber/Otto Rn 1799; MüKo/Leuschner Rn 44), auch wenn nicht bereits ein Handelsgewerbe betrieben wird (Staudinger/Schwennicke Rn 109; MüKo/Leuschner Rn 45). Diese Rechtsfolgen ergeben sich nunmehr aus § 54 I 2 iVm §§ 721ff und §§ 126ff HGB (BT-Drs 19/27635, 124). Problematisch ist diese Differenzierung für die Geschäftspartner des Vereins ohne Rechtspersönlichkeit. Bei einem nach außen tätigen Zusammenschluss muss die körperschaftliche Struktur und die daraus folgende Ausschließung der Mitgliederhaftung klar erkennbar sein (Andeutungen in diese Richtung bei BGH ZIP 2002, 851). Bei unerlaubter Handlung der Organe ist für die Haftung des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit nunmehr über § 54 I 1 die Vorschrift des § 31 entspr anzuwenden (Staudinger/Schwennicke Rn 98; Soergel/Hadding Rn 22; PWW/Schöpflin Rn 17). Eine persönliche Haftung der Mitglieder ist aus § 31 nicht herzuleiten. Auch bei der Haftung nach § 831 beim Handeln von Verrichtungsgehilfen kommt eine persönliche Haftung nicht in Betracht. Auch eine Gewerkschaft haftet somit für ihre Organe nach § 31 (LAG Frankfurt BB 1950, 702; Denecke BB 1959, 637). LAG Bremen BB 1954, 773 und AG Hannover BB 1953, 590 wollten Streikposten als Verrichtungsgehilfen der Streikleitung, diese wieder als Verrichtungsgehilfen der Gewerkschaft behandeln. BAGE 2, 76 nahm bei rechtswidrigem Streik gesamtschuldnerische Haftung von Gewerkschaft und Gewerkschaftsvorstand an. Die Halterhaftung des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit ist auf das Vereinsvermögen beschränkt. Zu anderen gesetzl Verbindlichkeiten Rn 12. 7. Handelndenhaftung. Die Vorschläge des Mauracher Entwurfs zur Reform des § 54 (dazu Grunewald nPoR 2020, 279, 280) hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern die bestehende Regelung des § 54 I 2 aF unverändert in § 54 II übernommen. Die Haftung des Handelnden ist danach von seiner Stellung innerhalb des Vereins und von der Vertretungsmacht unabhängig. Unter § 54 II (§ 54 I 2 aF) fällt nach hM jeder, der für den Verein auch nur mittelbar handelt, ausgenommen nur der Bote. Handelnder iSv § 54 II (§ 54 I 2 aF) ist bei einem Idealverein auch nicht das Vorstands- oder Vereinsmitglied, das lediglich im Innenverhältnis einem Geschäft zustimmt, wohl aber der, der aktiv mitwirkt (RGZ 77, 429f; BGH NJW 1957, 1186; BaRo/Schöpflin Rn 40; Staudinger/Schwennicke Rn 123 – nur derjenige, der für die Vornahme des Rechtsgeschäfts im Rahmen des Vereins verantwortlich ist; s auch Soergel/Hadding Rn 27, dagegen wiederum MüKo/Leuschner Rn 50, 51). Für ein weiteres Verständnis des Begriffs des Handelnden spricht, dass sich jeder, der im Namen des Vereins auftritt, der fehlenden Registerpublizität und der daraus folgenden Unsicherheit für den Erklärungsgegner in Bezug auf das Haftungssubstrat bewusst sein muss. Geschäftsfähigkeit des Handelnden bzw Zustimmung des gesetzl Vertreters ist erforderlich. Die Haftung folgt dem Akzessorietätsprinzip, geht somit auf das positive Interesse des Vertragspartners, also auf Erfüllung bzw Schadensersatz wegen Nichterfüllung einschl der Sekundäransprüche; BGH MDR 2003, 1241; die Haftung ist von der des Vereins unabhängig. Umstr ist, ob die Haftung des Handelnden auch ggü Vereinsmitgliedern gilt; das wird, da die Haftungsverfassung nur Schutz vor der fehlenden Registerpublizität bieten soll, verbreitet abgelehnt, wogegen eine Schutzwirkung des Vereinsregisters zugunsten der Mitglieder angeführt wird (Soergel/Hadding § 68 Rn 7), jedenfalls dann, wenn das Rechtsgeschäft Bezug zur mitgliedschaftlichen Sphäre hat (Stöber/Otto Rn 1801). Der BGH (ZIP 2003, 2023; krit Reuter NZG 2004, 217, 219f) hat die Handelndenhaftung in Bezug auf ein in unmittelbarer Durchführung des Vereinszwecks durchgeführtes Geschäft mit einem Vereinsmitglied nicht durchgreifen lassen, weil bei Umsetzung und Konkretisie210
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Juristische Personen – Vereine
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rung des Vereinszwecks das Mitglied nicht als „Dritter“ iSd § 54 S 2 angesehen werden könne, s auch Frankfurt NZG 2002, 1071. Dies ist unter Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes hinnehmbar (van Look EWiR 2004, 5), erschöpft aber die Problematik der Handelndenhaftung nicht (näher Staake JA 2004, 94ff), und auch der BGH hat das Problem wohl nicht allg entscheiden wollen. Beim Handeln für eine nicht selbständige Abteilung eines nicht rechtsfähigen Vereins haftet der Handelnde nach BGH NZG 2013, 672 entspr § 179. Die Haftung des Handelnden ist im Gesetz ausdrückl auf Rechtsgeschäfte beschränkt, die im Namen des Vereins 12 ggü einem Dritten vorgenommen werden; das bedeutet, dass an gesetzl Verbindlichkeiten nicht gedacht ist (Soergel/Hadding Rn 27; BaRo/Schöpflin Rn 42; Staudinger/Schwennicke Rn 126,127). Aus Rechtsgeschäften können sich allerdings gesetzl Pflichten ergeben, etwa aus cic, die dann unter die Handelndenhaftung fallen (BGH NJW 1957, 1186), ebenso bei Leistungskondiktion (zust MüKo/Leuschner Rn 60). Gegen eine Haftungsbegrenzung wird geltend gemacht, dass die Gläubiger gesetzl Verbindlichkeiten an der Ausgleichs- und Sicherungsfunktion der Handelndenhaftung angesichts des Fehlens einer schuldenden jur Person ebenso interessiert seien wie die Partner von Rechtsgeschäften, die bestehende planwidrige Lücke sei durch Analogie zu schließen (eingehend Schwab NZG 2012, 481ff). Dazu bedarf es aber auch einer Rechtsähnlichkeit der Quellen der betreffenden Verbindlichkeit, wie sie etwa bei Ansprüchen aus GoA wegen der Geschäftsähnlichkeit der Handlung bejaht werden kann, während bei Delikts- und Steuerschulden angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs des „Handelnden“ und der dadurch verursachten Gefahr einer zu starken Ausweitung des Kreises der Haftungsschuldner der bisher hM zu folgen ist. Bei genereller Ausdehnung der Handelndenhaftung auf gesetzl Verpflichtungen müsste sonst auf die bloße (und für Außenstehende leidlich erkennbare) Mitgliedschaft im Vorstand abgestellt werden, weil etwa für Verstöße gegen die Verkehrspflichten oft gar keine bestimmte Person als Verantwortlicher ausgemacht werden kann (so in der Tat Schwab S 485); das überzöge den Gläubigerschutz. Ausschluss der Haftung durch Vertrag mit dem Dritten möglich und zur Wirkung des Ausschlusses auch nötig 13 (BGH MDR 2003, 1241), ein stillschw Ausschluss ist nicht anzunehmen (RGZ 82, 298; JW 1937, 392). Ein Haftungsausschluss kann auch nicht allein in der Tatsache gesehen werden, dass die Vereinigung sich schon vor ihrer Eintragung als eV bezeichnet (BGH NJW 1957, 1186). Dass der Verein später Rechtspersönlichkeit erlangt, befreit den Handelnden nicht von der Haftung. Wenn allerdings alle Beteiligten bei Abschluss des Vertrags von der alsbald entstehenden Rechtsfähigkeit des Vereins ausgingen, sollte der Handelnde nur dafür verantwortlich gemacht werden können, dass der Verein ohne Rechtspersönlichkeit nicht in die Haftung eintritt (Celle NJW 1976, 806; ebenso BGHZ 80, 182f für die GmbH und § 11 II GmbHG). Die Eintragung des Vereins ins Register lässt die Haftung nicht automatisch erlöschen, anders, wenn der Verein die Erlangung der Rechtspersönlichkeit im Zeitpunkt des Abschlusses der Geschäfte bereits in die Wege geleitet hatte und zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit nur noch die Eintragung fehlte (Düsseldorf MDR 1984, 489). 8. Ende des Vereins. Bzgl des Endes des Vereins ist zw Ereignissen, die die Körperschaft als solche treffen, 14 und den auf die Person des Mitglieds beschränkten Ausscheidensgründen zu unterscheiden. Der Verein ohne Rechtspersönlichkeit endet mit Zeitablauf, Zweckerreichung, Beschl der Mitglieder, Fortfall aller und Herabsinken auf ein Mitglied (s aber § 41 Rn 6), Insolvenzverfahren über das Vereinsvermögen, Auflösung durch Staatsakt, wie beim Verein mit Rechtspersönlichkeit aber nicht durch Tod, Insolvenz oder Austritt eines Mitglieds. Für den Idealverein ohne Rechtspersönlichkeit gelten über § 54 I 1 die vereinsrechtl Bestimmungen und damit im Grundsatz auch die §§ 47ff entspr (zu § 54 aF: BGHZ 50, 325; Stöber/Otto Rn 1814, 49; MüKo/Leuschner Rn 69). Sie können durch Satzung modifiziert oder ausgeschlossen werden. Die mit der Abwicklung betrauten Personen haften entspr § 53. Für die Auflösung eines wirtschaftl Vereins ohne Rechtspersönlichkeit gelten demggü die §§ 729ff entspr. Das ergibt sich nunmehr aus § 54 I 2 (ebenso vor dem MoPeG MüKo/Leuschner Rn 70). Eine Umwandlung nach dem UmwG ist für den nicht rechtsfähigen Verein nicht vorgesehen, der dies anstrebende Verein müsste zunächst die Rechtsfähigkeit erwerben; gegen eine abw Rechtsfortbildung MüKo/Leuschner Rn 29, 30.
Kapitel 2 Eingetragene Vereine (§§ 55–79a)
§ 55
Zuständigkeit für die Registereintragung
Die Eintragung eines Vereins der in § 21 bezeichneten Art in das Vereinsregister hat bei dem Amtsgericht zu geschehen, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat. Die §§ 55ff betreffen die Registrierung der Idealvereine, die seit der Vereinsrechtsreform nicht durch ein Bun- 1 desland bei einem bestimmten AG konzentriert werden kann, so dass es allein auf den Sitz des Vereins ankommt, allerdings kann die Justizverwaltung einem Amtsgericht in Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Zuständigkeit für mehrere zuweisen (§ 23d GVG). Nach § 3 Nr 1 lit a RPflG obliegen die Führung des Vereinsregisters und die Bearbeitung der Vereinsregistersachen dem Rechtspfleger. Zur Form des Registers s die VRV v 10.2.1999, BGBl I 1999, 1047 idF v 10.11.2006, BGBl I 2006, 2553. Die mit der elektronischen Anmeldung und Buchung zusammenhängenden praktischen Fragen sind aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 14 IV FamFG zu regeln (BT-Drs 16/12813, 12). Zu Voraussetzungen und Wirkung der Eintragung vgl § 21. Bzgl des Sitzes § 24. Eintragung beim örtlich un- 2 zuständigen Gericht ist wegen § 2 III FamFG nicht unwirksam, und der Verein ist bis zur Löschung als rechtsWestermann/Anzinger und Westermann
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Personen
fähig anzuerkennen. Nach § 395 FamFG muss aber das Registergericht die Löschung verfügen; weigert es sich, so kann hiergegen (nicht gegen die Eintragung als solche) Beschwerde eingelegt werden, Staudinger/Schwennicke Rn 13f; MüKo/Leuschner Rn 3. Eine Sitzverlegung setzt eine entspr Satzungsänderung voraus und muss auch ins Register eingetragen werden. Zu den verfahrensrechtl Einzelheiten § 6 I VRV und dazu Keilbach DNotZ 2000, 671. Wenn das Registergericht bei der Erstanmeldung eines Vereins die Beseitigung eines Eintragungshindernisses fordert, liegt darin eine beschwerdefähige Verfügung gem § 58 FamFG (vgl LG Bonn Rpfleger 2001, 432), im Einz zur Eintragungsverfügung sowie zur Zwischenverfügung § 9 VRV. Eine solche ist aber bzgl eines zur Eintragung angemeldeten Beschlusses nur angebracht, wenn begründete Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen, Düsseldorf DNotZ 2009, 145.
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Elektronisches Vereinsregister
(1) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass und in welchem Umfang das Vereinsregister in maschineller Form als automatisierte Datei geführt wird. Hierbei muss gewährleistet sein, dass 1. die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung eingehalten, insbesondere Vorkehrungen gegen einen Datenverlust getroffen sowie die erforderlichen Kopien der Datenbestände mindestens tagesaktuell gehalten und die originären Datenbestände sowie deren Kopien sicher aufbewahrt werden, 2. die vorzunehmenden Eintragungen alsbald in einen Datenspeicher aufgenommen und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden können und 3. die nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 erforderlichen Anforderungen erfüllt sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung nach Satz 1 auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (2) Das maschinell geführte Vereinsregister tritt für eine Seite des Registers an die Stelle des bisherigen Registers, sobald die Eintragungen dieser Seite in den für die Vereinsregistereintragungen bestimmten Datenspeicher aufgenommen und als Vereinsregister freigegeben worden sind. Die entsprechenden Seiten des bisherigen Vereinsregisters sind mit einem Schließungsvermerk zu versehen. (3) Eine Eintragung wird wirksam, sobald sie in den für die Registereintragungen bestimmten Datenspeicher aufgenommen ist und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann. Durch eine Bestätigungsanzeige oder in anderer geeigneter Weise ist zu überprüfen, ob diese Voraussetzungen eingetreten sind. Jede Eintragung soll den Tag angeben, an dem sie wirksam geworden ist. 1. Entstehungsgeschichte. Aus der durch Art 10 des RegVBG v 20.12.1993 (BGBl I 1993, 2182) geschaffenen Vorschrift sind durch das FGG-RG von 2008 zwei Absätze in § 387 FamFG überführt worden. Ziel dieser Regelung war im Rahmen der erstrebten Beschleunigung und Entlastung (dazu Walter MDR 1994, 429; Holzer NJW 1994, 481) die Einführung von Regelungen über die Einrichtung eines vollelektronischen Systems der Registrierung mit automatisierter Datei und einem Abrufverfahren. Die Bestimmungen stehen in engem Zusammenhang mit §§ 8a, 9a HGB, 128, 129 GBO, § 14 IV FamFG. Die VRV regelt eingehend den Aufbau des Vereinsregisters in Karteiform (§ 2), die Gestaltung und Benutzung des Registerblatts (§ 3), seine Neufassung bei Unübersichtlichkeit (§ 5), Einrichtung und Inhalt der Registerakten (§ 7), die Eintragungsverfügung und die Form der Eintragungen (§§ 9, 10), das Verfahren bei Löschung und Berichtigung von Eintragungen (§§ 11, 12). Abs II S 2 Nr 3 ist im Zuge neuerer Entwicklungen des Datenschutzrechts bei der Registrierung personenbezogener Daten hauptsächlich wegen zusätzlicher Voraussetzungen einer Einsichtnahme des Registers oder des Abrufs registrierter Dateien neu gefasst worden, zum einen durch eine Kumulierung der in Nr 2 und 3 bezeichneten Erfordernisse, zum anderen durch Umsetzung der genuin unionsrechtl Regelung. Diese betraf die RL EU 2016/680 und die VO (EU) 2016/679 und geschah durch G v 20.11.2019 (BGBl I 2019, 1724ff), das auch die neue Regelung des § 79a zum Vereinsregisterverfahren schuf. Das Gesetz enthält zahlreiche und weitgehend einander angepasste Bestimmungen über Registerverfahren, so etwa in der StPO (einschließl EGStPO), im GVG, in der Testamentsregister-VO, im RDG, in der ZPO, verschiedene Bestimmungen zu Schuldnerverzeichnissen und der GBO. Insb die Zustimmung der Betroffenen zur Weiterleitung ihrer personenbezogenen Daten und das durchzuführende Verfahren werden eingehend geregelt, was auch im Vereinsrecht wegen der nicht seltenen Aktivitäten von Vereinsorganen und -mitgliedern im Grenzbereich wirtschaftl und nicht wirtschaftl Zielsetzungen faktisch bedeutsam werden kann, etwa im Hinblick auf in § 79a jetzt näher behandelte Berichtigungswünsche. 2. Elektronisches Vereinsregister. Abs I ermächtigt die Landesregierungen, die Umstellung des Vereinsregisters auf EDV für ihren Bereich anzuordnen; die Ermächtigung kann an die Landesjustizverwaltungen delegiert werden. Nr 1–3 legen die Voraussetzungen fest, deren Vorliegen vor einer diesbzgl Anordnung gewährleistet sein muss, wobei die „Grundsätze ordnungsgemäßer Datenverarbeitung“ hauptsächlich in Bezug auf Datenschutz und Sicherung der Software zu beachten sind; dies geschieht namentlich durch die entspr Anwendung der Anlage zu § 126 I 2 Nr 3 GBO. Insb sollen also unbefugte Eingriffe Dritter ausgeschlossen sein, bevor überhaupt ein System eingeführt wird. Das beruht auf der Vorstellung, dass ein Verzeichnis der Vereine und später weitere für die Registerführung wichtige Verzeichnisse bestehen werden (nach Staudinger/Schwennicke Rn 6 kann die Einrichtung eines maschinellen Registers auf einzelne Teile der erforderlichen Angaben beschränkt werden). Das entspricht § 126 II GBO. Diesem Grundsatz folgt auch Abs II, wonach jeweils für einen bestimmten Verein das 212
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Juristische Personen – Vereine
§ 57
maschinelle Register seitenweise an die Stelle des bisherigen Registers tritt, sobald die darin enthaltenen Angaben in den (neuen) Datenspeicher aufgenommen sind; die Seiten des bisherigen Registers sind dann zu schließen (schrittweises Vorgehen). Zur Führung einer Registerakte § 67 I, § 26 S 1 VRV. Im Einz besteht das Vereinsregister aus Registerblättern für die einzelnen Vereine, die Akten werden zu diesen Registerblättern geführt, so dass im Register grds nicht nach den beteiligten natürlichen Personen gesucht werden kann; da aber bei manchen von ihnen aus Registerakten auch personenbezogene Daten hervorgehen können, zumal diese Personen häufig an den Eintragungen mitgewirkt haben, sind Einschaltungs- und Abrufmöglichkeiten aus dem Registerportal für diesen Personenkreis uU bedenklich, und von den Registergerichten wird eine Pflicht zur Speicherung von oder zur Suche nach den personenbezogenen Daten dieses Personenkreises als möglicher Grund für hohen Aufwand befürchtet. Dies und die unionsrechtl Schwankungen zw Transparenz der Vereinsverhältnisse und Datenschutz haben im Zuge der in Rn 2 genannten Reformen den Gesetzgeber zu vermittelnden Lösungen veranlasst, die aus § 55a nicht recht ersichtlich, aber im Einz in § 79a niedergelegt sind (zu den Begründungen BTDrs 19/4671, 112ff). Die Ausarbeitung befasst sich allerdings mit den Änderungen des BGB und weiterer zivilrechts-relevanter Normen nur am Rande, was damit zusammenhängen mag, dass die zivilrechtl Aspekte der Registrierung personenbezogener Daten geringeres Gewicht haben dürften als die Eintragung in einem Strafregister für Verfahren nach StGB und StPO. Die für die Wirksamkeit einer Registereintragung maßgebendeUnterzeichnung einer Eintragung ist jetzt er- 4 setzt durch den Zeitpunkt der Aufnahme in die dafür bestimmte Datei, der die Eingabe durch den Rechtspfleger in sein Terminal vorausgegangen sein soll. Nach Abs III soll noch eine Angabe des Tages der Eintragung stattfinden, was aber als Sollvorschrift ausgestaltet ist, nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung (Staudinger/Schwennicke Rn 9). Zur Überprüfung der Richtigkeit der durch die Aufnahme in die Datei rechtswirksam gewordenen Umstände, für die Abs III S 2 eine Bestätigung verlangt, kann die Freigabeanzeige gem § 25 VRV dienen. Zur Zentralisierung der hier stattfindenden Datenverarbeitung und zur Heranziehung der bei anderen staatlichen (nicht: privaten) Stellen verfügbaren Daten s § 387 FamFG. Zu den Beschränkungen der Weitergabe personenbezogener, im Vereinsregister vermerkter Daten und zur Notwendigkeit von Zustimmungen der Betroffenen im Einz die neu eingefügte Regelung des § 79a. Zur Einsicht ins Vereinsregister auch §§ 31ff VRV.
§ 56
Mindestmitgliederzahl des Vereins
Die Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Zahl der Mitglieder mindestens sieben beträgt. Das Register soll von unbedeutenden Vereinen freigehalten werden (vgl auch § 73) und für die Willensbildung 1 ein Mindestmaß an Meinungsvielfalt gewährleisten. Deshalb sind auch bei einem Vereinsverband sieben Mitglieder zu verlangen (LG Hamburg Rpfleger 1981, 198; KG OLG-NL 2001, 205; MüKo/Leuschner Rn 3; aM LG Mainz MDR 1978, 312). Für den Fall, dass die Zahl der Gründungsmitglieder die am Vereinszweck überhaupt nur Interessierten widerspiegelt (die fünf Diözesen der katholischen Kirche in einem Bundesland), hat Hamm NJW-RR 1997, 1397 eine Ausnahme zugelassen (zust BaRo/Schöpflin Rn 3; krit v Campenhausen NJW 1990, 887; MüKo/Leuschner Rn 4). Setzen sich die Gründer aus nat Personen und von diesen beherrschten jur Personen zusammen, ist für § 56 nur auf die Zahl der nat Personen abzustellen (Stuttgart MDR 1983, 840; Köln NJW 1989, 173, abl MüKo/Leuschner Rn 5). Fehlt es an der Mindestzahl, ist der Eintragungsantrag zurückzuweisen, trotzdem erfolgte Eintragung ist wirksam, selbst eine durch Täuschung erschlichene (BGH NJW 1983, 993). Anderes gilt, falls nur ein Mitglied vorhanden ist (Staudinger/Schwennicke Rn 7). Eine gewisse Sicherung schafft § 59 III. Zur Verminderung der Mitgliederzahl s § 73.
§ 57
Mindesterfordernisse an die Vereinssatzung
(1) Die Satzung muss den Zweck, den Namen und den Sitz des Vereins enthalten und ergeben, dass der Verein eingetragen werden soll. (2) Der Name soll sich von den Namen der an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bestehenden eingetragenen Vereine deutlich unterscheiden. Der Mindestinhalt der Satzung ist in Abs I zwingend festgelegt. Bei Verstoß Nichtigkeit und Möglichkeit der 1 Amtslöschung, wenn nicht Zwischenverfügung ergeht. Heilung durch nachträgl Ergänzung der Satzung möglich. Schriftform der Satzung mag nicht Gültigkeitserfordernis sein (s auch Staudinger/Schwennicke Rn 3), ist wegen § 59 aber praktisch unentbehrlich. Der Zweck muss so angegeben sein, dass das Vereinsziel im Allg erkennbar ist (zB „Sportausübung“), wobei die Bezeichnung so konkret sein muss, dass die beabsichtigte Tätigkeit und ihr idealer oder wirtschaftl Charakter (nicht: die dazu einzusetzenden Mittel) von ihr geprägt werden (weitergehend K. Schmidt BB 1987, 556, 559). Die konkrete Angabe des Zwecks, auf die das Registergericht zu sehen hat, soll die Prüfung, ob ein nicht wirtschaftl oder ein wirtschaftl Zweck verfolgt werden soll, erleichtern. Düsseldorf (NZG 2017, 1314) hat die Beanstandung einer Zweckbestimmung durch das Registergericht („die Bürger über das Thema „Terror“ und dessen mögliche Beherrschung zu informieren“) als zu begriffsunscharf nicht für eine Zurückweisung des Eintragungsantrags genügen lassen und hat stattdessen eine Zwischenverfügung zur Beseitigung dieses Hindernisses für geboten gehalten (zust Engel NZG 2018, 25ff), was nach den letzten Entwicklungen überdacht werden muss. Hamm NZG 2010, 1113 billigt dem Registergericht eine Beanstandung durch Zwischenverfügung bereits für den Fall zu, dass eine summarische Prüfung ergibt, dass der (bei einer SatzungsWestermann
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änderung) angemeldete Wortlaut die aktuelle Fassung der Satzung nicht korrekt wiedergibt, zum Umfang registergerichtlicher Prüfungskompetenz Fleck Rpfleger 2009, 58ff. Ohnedies erscheint es unmöglich – was etwa der Fall des OLG Düsseldorf zeigt (Düsseldorf NZG 2017, 1314) –, alle künftig in Betracht kommenden Einzelaktionen im Rahmen der Zwecksetzung anzugeben. Solange klar ist, dass der Verein eingetragen werden soll, braucht das Registergericht (bei einer Sitzverlegung auch nicht das künftige) nicht in der Satzung angegeben zu werden (Karlsruhe NZG 2014, 110). Die Prüfung durch das Registergericht, das sich auch mit dem Sollinhalt der Satzung gem § 58 befasst, unterscheidet sich von der Kontrolle der Handhabung von Satzungsvorschriften durch Vereinsorgane, dazu bereits § 25 Rn 4; näher Fleck Rpfleger 2009, 58ff. In der Wahl des Namens ist der Verein frei, eintragungsfähig ist aber nur ein aussprechbarer Name (auch Fremdsprache), aber nicht eine bloße Reihe von Konsonanten, München NJW-RR 2007, 187. Das in Abs II genannte Erfordernis der Unterscheidbarkeit ist als Sollvorschrift formuliert und es kommt nach der Reform der entspr angewandten Bestimmung des § 18 II HGB durch das HRefG 1998 nicht mehr darauf an, ob die abstrakte Möglichkeit einer Täuschung über Art und Größe des Vereins, die Zusammensetzung seiner Mitglieder oder über sonstige Verhältnisse besteht. Mit der seither gelockerten Rspr hindert nur noch eine Irreführung in den für die adressierten Verkehrskreise wesentlichen Verhältnissen eine Eintragung (Hamm NZG 2023, 180). Bei der Prüfung muss daher nach den Eindrücken der beteiligten Verkehrskreise über den prägenden Zweck unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls gefragt werden, Stuttgart Die Justiz 2000, 126; Frankfurt NJW 2002, 176. Nach Hamburg MDR 1991, 439 darf sich ein Verein, der die Interessen von Kindern und Jugendlichen wirksam vertreten will, „Anwalt des Kindes eV“ nennen; s auch BayObLG NJW 1992, 2362: „Ärztetag für Medizin ohne Nebenwirkung“ und nach Hamm NZG 2023, 180 kann auch der Namensbestandteil „Consulting“ zulässig sein. Der Umstand, dass auch ein nicht rechtsfähiger Verein Namensschutz gem § 12 genießt, führt bei Verwechslungsfähigkeit dieses Namens mit dem eines die Eintragung begehrenden Vereins nicht zur Registersperre, weil diese nur auf die am gleichen Ort eingetragenen Vereine abgestellt ist (BayObLG m Kurzkomm Weipert EWiR § 12 BGB 1/87). Eine Anlehnung an eine Berufsgruppe (etwa als deren Arbeitskreis) ist unzulässig, wenn nicht ein repräsentativer Teil der Mitglieder diesem Beruf angehört (Karlsruhe OLGZ 1978, 428; Hamm Rpfl 1978, 132). Fehlvorstellungen können besonders auch durch die Beifügung besondere Aufmerksamkeit weckender Zusätze entstehen, so in Bezug auf „Akademie“ (Bremen NJW 1972, 164), auf „Institut“, wenn dies nicht mit einer Tätigkeitsbezeichnung verbunden ist (Frankfurt NJW-RR 2002, 459; anders KG NZG 2015, 360; BayObLG NJW-RR 1990, 1125; zweifelnd MüKo/Leuschner Rn 5). Diese Bezeichnung erfordert aber eine Klarstellung, dass es sich nicht um öffentliche oder öffentlich geförderte Einrichtungen handelt – bedenklich auch die Bezeichnung als „Bundeszentrale“, BGH GRUR 1980, 791; hierher kann auch die Bezeichnung Gegenleistungen erfordernder Tätigkeit als „gemeinnützig“ gehören (BGH GRUR 1981, 670). Unzulässig ist nach BayObLG 1959, 287, 290 die Bezeichnung als „Stiftung“, wenn der gemeinnützige Zweck ausschließlich durch Beiträge gefördert werden soll (ähnl Köln NJW-RR 1997, 1531), oder wenn der Verein nicht über eine kapitalartige Vermögensausstattung verfügen wird; bei Vorliegen einer stiftungsähnl Struktur und einer ausreichenden Vermögensausstattung durch die öffentlichen Zuschüsse ist die Bezeichnung als „Stiftung“ aber zulässig (Frankfurt OLGRp 2001, 53). Nach Frankfurt BB 1974, 577 ist der Name „Wirtschaftskammer“ nicht zulässig, dgl der mit einer Jahreszahl verbundene Name, wenn diese Zahl nicht das Gründungsjahr wiedergibt (KG OLG 1983, 272, s auch Brandenburg NZG 2011, 475). Hinweise auf Zugehörigkeit zur Universität sind auch dann täuschend, wenn Vorstandsmitglieder die entspr öffentliche Lehrbefugnis haben (BayObLG MDR 1990, 824: „Institut für steuerwissenschaftliche Information“), die Bezeichnung eines Lehrveranstaltungen anbietenden Vereins als „Akademie“ erweckt den Eindruck von Hochschulähnlichkeit oder öffentlicher Förderung (Stuttgart NJW-RR 2001, 755). Der Zusatz „…tag“ ist zulässig, wenn er nicht als Hinweis auf eine öffentlich-rechtl Körperschaft verstanden werden kann (BayObLG NJW 1992, 2362). Fehlvorstellungen auch bzgl der Größe und Zusammensetzung des Mitgliederkreises kann die Bezeichnung als „Verband“ hervorrufen, Wagner NZG 2006, 1384; großzügig Frankfurt NZG 2011, 1234 für „Europäischen Fachverband“. Wird für den Namenskern der Name einer historischen Person gewählt, so muss dieser Bezug zum Vereinszweck haben, wenn er eine programmatische Aussage enthält (Celle OLG 1985, 266f). Zur Amtslöschung ist öffentliches Interesse erforderlich, das auch darin liegen kann, dass der unzulässige Name den Verein ggü anderen zu Unrecht hervorhebt, wie es auch für Hinweise auf eine bestimmte räumliche Herkunft gesehen wurde (Celle Rspr 1974, 222). Hieraus wurde Gesamtlöschung und nicht nur Änderung des Namens gefolgert (BayObLG NJW 1972, 957; Hamm OLG 1978, 431). Bedenklich sind Vereinsnamen, die auf religiösen Gemeindebezeichnungen aufbauen. Während der Name „die Gemeinde in …“ wegen fehlender Individualisierungskraft nicht eingetragen werden kann (LG Bonn Rpfleger 1987, 205), ließ BayObLG 1982, 278 die Bezeichnung „Griechische Gemeinde in … und Umgebung“ zu, weil sie nicht den (täuschenden) Eindruck erwecke, dass alle oder fast alle in diesem Raum ansässigen griechischen Staatsangehörigen Mitglieder seien, so auch für Namen mit einer bestimmten Berufsbezeichnung BayObLG NJW-RR 1993, 184. Krit zu betrachten sind Hervorhebungen eines internationalen Charakters bei unbedeutendem oder keinerlei Kontakte zu den hiermit angesprochenen staatlichen Stellen oder Wirtschaftsverbänden unterhaltendem Verein, LG Tübingen Rpfleger 1995, 362; Stuttgart WRP 1996, 945. Großzügiger ggü Zusätzen wie „European“ Hamm NJW-RR 1999, 1710, ähnl Frankfurt NZG 2011, 1234 („Europäischer Fachverband“). Eine Eintragung bedeutet keine Entscheidung bzgl des Namensrechts des Vereins, ein gegen § 12 verstoßender Name wird nicht mit Eintragung zulässig (BGH NJW 1953, 577). Ein nach § 18 II HGB (nicht nur nach § 57 II) unzulässiger Name führt zur Ablehnung des Eintragungsantrags (MüKo/Leuschner Rn 10) bzw Löschung von 214
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Juristische Personen – Vereine
§ 58
Amts wegen nach § 395 FamFG oder auf Antrag eines Dritten (BayObLG NJW 1972, 957; Hamm OLG 1981, 433). Auch bei offensichtlicher Verletzung des Namensrechts eines anderen, die aber nicht die sonstigen Erfordernisse der Unterschiedlichkeit und der inhaltlichen Zulässigkeit verletzt, muss eingetragen werden (BayObLG DNotZ 1987, 353; Jena NJW-RR 1994, 698). Ob Namenslöschung den Bestand des Vereins als eV nicht antastet (BGH NJW 1984, 668; Soergel/Hadding Rn 9), ist umstr (abl MüKo/Leuschner Rn 11, der eine Auflösung des Vereins annimmt), muss in der Praxis aber nicht ausgetragen werden, weil das Registergericht vor der Löschung des Namens den antragstellenden Verein anhören und ihm Gelegenheit zur Beseitigung des Mangels geben kann und wohl auch muss.
§ 58
Sollinhalt der Vereinssatzung
Die Satzung soll Bestimmungen enthalten: 1. über den Eintritt und Austritt der Mitglieder, 2. darüber, ob und welche Beiträge von den Mitgliedern zu leisten sind, 3. über die Bildung des Vorstandes, 4. über die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliederversammlung zu berufen ist, über die Form der Berufung und über die Beurkundung der Beschlüsse. 1. Ratio. Bei Nichtberücksichtigung des § 58 ist der Antrag zurückzuweisen, s § 60. Da es sich aber anders als in § 57 I um eine Sollvorschrift handelt, ist eine trotzdem erfolgte Eintragung voll rechtsbeständig, ein Amtslöschungsverfahren findet nicht statt (MüKo/Leuschner Rn 8), auch ist Zwischenverfügung geboten. An die Stelle der fehlenden Satzungsbestimmung treten die gesetzl. 2. Sollinhalt der Satzung. Die einzelnen Punkte müssen genügend bestimmt sein; zwar gibt es wegen § 310 IV keine AGB-ähnl Inhaltskontrolle (anders in der Tendenz für das Transparenzgebot Dresden VersR 2009, 1260), doch muss eine Satzungsbestimmung nach Nr 2 bzgl der finanziellen Belastung der Mitglieder die Obergrenze deutlich hervorheben und auch die Art der Beitragsleistung bezeichnen (MüKo/Leuschner Rn 4), nicht notwendig ist die ziffernmäßige Festlegung der Beitragshöhe, die der Entscheidung eines Vereinsorgans überlassen bleiben kann (BGH NZG 2008, 38). Das gilt auch für die Vorstandsbestellung, BayObLG DNotZ 1972, 79 (vgl zu § 26 Rn 1); für Ein- und Austritt BayObLG NZG 2001, 126; bestimmte Berufungsform für Mitgliederversammlung muss bezeichnet werden (vgl Hamm OLG 1965, 66). Die Form der Berufung der Mitgliederversammlung darf nicht nur dem zuständigen Organ überlassen werden (Hamm MDR 1966, 48). Ausdrückl Regelung von Ein- und Austritt nur nötig, falls die gesetzl Regelung nicht gelten soll (BayObLG NJW 1972, 1323). Beitragspflicht muss grds aus der Satzung hervorgehen (s schon § 25 Rn 3), nur ausnahmsw kann es genügen, wenn Vereinsweck eindeutig ergibt, dass ohne Beiträge Zweckerreichung nicht möglich ist; diese Anforderungen gelten auch, wenn die Beiträge sich nach einem bestimmten Schlüssel richten sollen, Oldenburg OLGRp 2009, 612. Nachdem BGHZ 105, 206, 216 im Wege der Inhaltskontrolle eine Satzungsbestimmung als zu pauschal verworfen hat, die bei Errichtung eines Sicherungsfonds durch den Verband eine gesonderte Beitragszahlung vorsah, wird man in der Satzungspraxis grds eine Angabe über das Erfordernis von Beiträgen und das Verfahren ihrer Festsetzung, nicht unbedingt auch über die Beitragshöhe vorsehen müssen (BGH NJW 1995, 2981), so dass es genügt, auf den Umsatz des Vorjahres abzustellen (BGH NJW 2010, 3521), so auch zur (korporationsrechtl) Pflicht des Mitglieds, neben der Beitragszahlung dem Verein auf der Grundlage eines Vertrags ein Darlehen zu gewähren (BGH ZIP 2008, 1423), wo auch eine Satzungsangabe über die Obergrenze des Darlehensbetrags gefordert wird, zust van Look LMK 2009, 273641. Demggü lassen Beuthien BB 1987, 6, 10; Soergel/Hadding Rn 3 es ausreichen, das für die Bestimmung zuständige Organ zu bezeichnen, was aber hinlänglich genau geschehen muss, Stuttgart NZG 2012, 317. Eine rückwirkende Beitragserhöhung bedarf einer zweifelsfreien Satzungsgrundlage, Stuttgart NZG 2012, 318, ebenso eine Umlage (näher Müller MDR 1992, 924 und München NJW-RR 1998, 966, das ferner die allg Beitragspflicht nicht für einen „13. Monatsbeitrag“ genügen ließ), auch für Umlagen müssen sich Grund und Höhe, letzteres zB in Gestalt einer Obergrenze, aus der Satzung ergeben, München, NZG 2023, 117; BGH ZIP 2007, 2264 und zust Schöpflin Anm WuB II N § 58 BGB 1.08. Unter besonderen Umständen soll die Umlage auch ohne satzungsmäßige Festlegung der Obergrenze möglich sein, das Mitglied hat dann aber Austrittsrecht, BGH ebd; s auch Schubert WM 2008, 1197ff. Zur Beitragserhöhung § 33 Rn 3. Die Beiträge sind mit Pflichten iwS gleichzusetzen, zB auch Pflicht zur Amtsübernahme möglich (weitere Bsp bei Dütz, FS Hilger/ Stumpf, 1983, 99, 103). Satzung muss Bestellung des Vorstands ermöglichen, s auch zu § 27. Ist eine Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern festgelegt, kann die Satzung der Mitgliederversammlung die Zuwahl weiterer Vorstandsmitglieder überlassen, ohne eine Mindest- oder Höchstgrenze festzulegen (LG Gießen MDR 1984, 312). Die Satzung kann auch vorsehen, dass die Inhaber bestimmter Ämter den Vorstand bilden; Auslegungssache ist dann, ob die Mitgliederversammlung eine bestimmte Person in Personalunion in mehrere Vorstandsämter wählen kann; wenn nicht, ist sie in der Besetzung frei (Düsseldorf NJW-RR 1989, 894). Bedingte Bestellung eines Vorstandsmitglieds unzulässig, so dass Vertretungsverhältnisse unter den bestellten und eingetragenen Personen sogleich geregelt werden müssen (BayObLG NJW-RR 1992, 802; MDR 2001, 948; Mittenzwei MDR 1991, 496), s auch § 26 Rn 1. Ohne Satzungsregelung besteht der Vorstand aus einer Person (Soergel/Hadding Rn 4; MüKo/Leuschner Rn 5). Zu Nr 4 s §§ 32, 36. Zu den Berufungsgründen und zur Einberufung durch Minderheit § 37. Berufung ist Einladung aller (auch nicht stimmberechtigter) Mitglieder zur Versammlung unter Nennung von Zweck, TagesordWestermann
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§ 58
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Personen
nung, Zeit und Ort, die nach den konkreten Interessen des Vereins (§ 36) geboten sind, wenn die Satzung keine diesbzgl Regelung enthält. Für die Beurkundung der Beschl besteht keine gesetzl Regelung, die Satzung kann (auch schlüssig) von Beurkundung ganz absehen. Ohne diesbzgl Satzungsregeln kann der Eintragungsantrag (vorbehaltlich einer Lösung durch Zwischenverfügung) zurückgewiesen werden (MüKo/Leuschner Rn 7). Sie braucht auch keine Bestimmungen über die Mitteilung des Ergebnisses einer schriftl Beschlussfassung zu enthalten (Köln NJW-RR 1994, 1547); wenn aber Beurkundung vorgeschrieben ist, muss auch angegeben werden, wer zu unterschreiben hat (LG Lübeck Rpfleger 1986, 263; Staudinger/Schwennicke Rn 28). Zur Form der Einberufung § 36 Rn 1.
§ 59
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§ 60 1
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Anmeldung zur Eintragung
(1) Der Vorstand hat den Verein zur Eintragung anzumelden. (2) Der Anmeldung sind Abschriften der Satzung und der Urkunden über die Bestellung des Vorstands beizufügen. (3) Die Satzung soll von mindestens sieben Mitgliedern unterzeichnet sein und die Angabe des Tages der Errichtung enthalten. 1. Antragsgrundsatz. Der Entschlussfreiheit des Vereins über Erwerb der Rechtsfähigkeit und der konstitutiven Wirkung der Eintragung entspricht der Antragsgrundsatz; das Verfahren ist im FamFG geregelt. Antragsteller ist der Vorverein, vertreten durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl (umstr, wie hier LG Schwerin Rpfleger 1997, 264 m Anm Hüttinger NotBZ 1997, 31; MüKo/Leuschner Rn 3; für Satzungsänderung ebenso BGHZ 96, 245; NK/Heidel/Lochner Rn 2; BayObLG NJW-RR 1991, 958; Jena NJW-RR 1994, 698). Mitwirkung sämtlicher Vorstandsmitglieder verlangen unter Berufung auf den Wortlaut des § 77 LG Bonn Rpfleger 2001, 432; Hamm Rpfleger 1984, 487; Reuter NZG 2009, 1368, 1372. Vertretung ist aufgrund beglaubigter Vollmacht zulässig, wobei eine öffentliche Beglaubigung etwa iSv § 129 I iVm §§ 39, 40 BeurkG erforderlich ist, für die die nach einzelnen Landesgesetzen vorgesehene „amtliche Beglaubigung“ etwa durch einen Bürgermeister nicht ausreicht (Zweibrücken NZG 2014, 1020 zur Anmeldung nach § 67; MüKo/Leuschner Rn 4). Vorlage der Urschrift der Satzung ist nicht erforderlich. Rechtsgeschäftliche Alleinvertretungsmacht einzelner Vorstandsmitglieder reicht für die Anmeldung nicht aus (KG HRR 1942, 438), anders für Bevollmächtigung eines der Vorstandsmitglieder durch Beschluss der anderen, Soergel/Hadding Rn 3; MüKo/Leuschner Rn 4. Mitwirkung eines stellvertretenden Mitglieds nicht nötig. Pflicht des Vorstands zur Anmeldung nur ggü Verein, keine Erzwingung durch Registergericht gem § 78. Eintragung ist auch ohne Antrag wirksam, sofern satzungsmäßiger Beschl des Vereins auf Erwerb der Rechtsfähigkeit vorliegt; durfte nicht eingetragen werden, ist Eintragung unwirksam und von Amts wegen nach § 395 FamFG zu löschen (Soergel/Hadding Rn 5); für Wirksamkeit bzgl Form vgl § 77. Die in Nr 1 und 2 erwähnten Abschriften sind formlos, zur Anmeldung von Satzungsänderungen s aber § 71, zur Liquidation § 72 Rn 1. Ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied kann nicht mehr anmelden, auch nicht sein eigenes Ausscheiden (Stöber/Otto Rn 1572). Eines Antrags nach § 59 bedarf auch die Eintragung eines grds innerhalb EU/EWR zulässigen grenzüberschreitenden Formwechsels (KG MDR 2021, 245). 2. Anlagen zum Antrag. Beifügung der aufgezählten Anlagen ist Sollvorschrift (Staudinger/Schwennicke Rn 21; NK/Heidel/Lochner Rn 4), für Behandlung des Abs II als Mussvorschrift KG JFG 1, 273; zur Aufbewahrung der Dokumente vgl § 66 II. Die nicht eingereichten Urkunden werden nicht Bestandteile der Satzung (RGZ 73, 187, 193). Unterschrift durch sieben Mitglieder bloße Ordnungsvorschrift. Obliegt einem anderen Organ die Wahl des Vorstands (zB: Kuratorium), ist der Anmeldung die Urkunde über die Bestellung beizufügen (BayObLG 1984, 1).
Zurückweisung der Anmeldung
Die Anmeldung ist, wenn den Erfordernissen der §§ 56 bis 59 nicht genügt ist, von dem Amtsgericht unter Angabe der Gründe zurückzuweisen. 1. Eintragungszwang. Die Erzwingbarkeit der Eintragung bei Vorliegen der gesetzl Voraussetzungen ist Folge des Normativsystems, das Gericht hat Prüfungspflicht und muss sich dabei um materiell richtige Entscheidungen bemühen (MüKo/Leuschner Rn 1). Dem entspricht auch die Einschränkung des Ermessens der Behörden bei hemmenden Umständen. 2. Zurückweisung des Antrags. Zurückweisung des Antrags hat zu erfolgen, falls eine der materiellen oder formellen Voraussetzungen fehlt (zB bei wirtschaftl Zweck), auch bei bloßen Soll-Vorschriften (Düsseldorf Rpfleger 2013, 539; Grü/Ellenberger Rn 1; Stuttgart OLG 1983, 307) und bei Gesetzesverstoß, zB §§ 134, 138 (BGH NJW 1952, 1216); allerdings muss der Vereinszweck dann direkt gegen Gesetz (auch Strafgesetz) verstoßen, also nicht bei Wettbewerbsfischerei (LG Hamburg NJW-RR 1991, 892). § 60 zählt die Prüfungsgegenstände nicht abschließend auf, so dass auch bei unzulässigem Namen oder bei unzulässigem Zweck (Eintreibung rückständiger Forderungen für Vereinsmitglieder, LG Bonn NJW-RR 1995, 1515) der Antrag zurückzuweisen ist. Im Bereich des durch §§ 56–59 Geregelten darf sich die Prüfung durch das Registergericht auf die hierfür notwendigen Umstände beschränken, iÜ bleibt es aber bei dem Grundsatz, dass alle die Rechtmäßigkeit betreffenden Gegebenheiten, nicht auch die Zweckmäßigkeit und Klarheit der Regelungen, bei bestehendem Anlass zu prüfen 216
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Juristische Personen – Vereine
§ 66
sind (Staudinger/Schwennicke Rn 3ff, gegen weitere Prüfungskompetenz aber Köln Rpfleger 1994, 15), zur Prüfung der Bestimmtheit der Angaben über den Vereinszweck § 57 Rn 1, dort auch zu einer im Rahmen einer Zwischenverfügung erhobenen Aufforderung, Eintragungshindernisse zu beseitigen, s ferner § 55 Rn 2; s auch § 9 VRV. Wenn nur einzelne Satzungsbestimmungen ungültig sind, heißt das nicht, dass die Eintragung als ganze zu verwerfen ist, wenn und solange ihr Fehlen die Satzung nicht ganz unbrauchbar macht, anders, wenn unzulässige Verfolgung eines wirtschaftl Zwecks festgestellt wird (KG DNotZ 2011, 634). Gegen eine Zurückweisung ist Beschwerde gem § 11 I RPflG, § 58 FamFG statthaft. Wird zu Unrecht eingetragen, ist die Eintragung wirksam, MüKo/Leuschner Rn 8.
§§ 61–63 § 64
(weggefallen)
Inhalt der Vereinsregistereintragung
Bei der Eintragung sind der Name und der Sitz des Vereins, der Tag der Errichtung der Satzung, die Mitglieder des Vorstands und ihre Vertretungsmacht anzugeben. 1. Inhalt der Registereintragung. Die Fassung beruht auf dem ERJuKoG v 10.12.2001 (BGBl I 2001, 3422), 1 früher waren auch Bestimmungen einzutragen, die den Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands beschränken oder die Beschlussfassung des Vorstands abw von der Vorschrift des § 28 I aF regeln, s aber § 70. Das bedeutet praktisch, dass auch eine dem Gesetz entspr Zuteilung der Vertretungsmacht eingetragen werden muss (MüKo/Leuschner Rn 4). Der Inhalt der Eintragung muss, um die konstitutive Wirkung des § 21 zu äußern, die Identität des Vereins und die Vertretungsverhältnisse erkennen lassen, also mindestens Namen und Sitz angeben. Sonstige Punkte nur Sollvorschrift, über § 64 hinausgehende Eintragungen sind zulässig; zu Einschränkungen der Vertretungsmacht BGHZ 69, 250, 253; Düsseldorf Rpfleger 1982, 477. Für Satzung ist Aufbewahrung der Abschrift, § 66 II, zu beachten; zum Umfang der Wirksamkeitskontrolle § 60 Rn 2. 2. Weitere Eintragungspflichten. Sonstige Eintragungen, zB §§ 67 und 71 (Vorstands- und Satzungsände- 2 rung) sind nicht nach Belieben der Beteiligten, sondern nur nach Maßgabe des Gesetzes möglich (zur Eintragung von Satzungsänderungen Krafka NZG 2019, 81); fehlt eine Eintragung zu einer bestehenden Beschränkung der Vertretungsmacht, so ist die Eintragung des Vorstands nicht unwirksam. Nach KG NZG 2022, 1068 und BayObLG NJW 1981, 2068 ist auch die Eintragung des besonderen Vertreters gem § 30 eintragbar (ebenso Sauter/Schweyer/Waldner Rn 313; anders für bloß rechtsgeschäftlichen Vertreter), ebenso für Einzelvertretung bei Vorhandensein mehrerer Vorstandsmitglieder BGHZ 69, 250; ähnl für Zuständigkeitsverteilung unter mehreren Vorständen BGH NJW 1992, 1453. Einzutragen ist auch Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (MüKo/ Leuschner Rn 4); auch Stellvertretung nur für den Verhinderungsfall, wenn man diese für zulässig hält (§ 27 Rn 1), ist eintragungsfähig (Staudinger/Schwennicke Rn 6; Soergel/Hadding Rn 5).
§ 65
Namenszusatz
Mit der Eintragung erhält der Name des Vereins den Zusatz „eingetragener Verein“. Der Zusatz wird automatisch Bestandteil des Namens, Führung des Zusatzes in deutscher Sprache (KG JW 1930, 1 3777) ist Pflicht, doch löst ein einmaliger Verstoß nicht etwa eine Rechtsscheinshaftung des Vorstands gem § 54 S 2 aus (Celle NJW-RR 1999, 1052), während wiederholte Verstöße bei entspr subj Tatbestand sogar unter § 826 fallen sollen (MüKo/Leuschner Rn 3; fraglich laut Staudinger/Schwennicke Rn 4), was überzogen erscheint, solange nicht die subj Anforderungen entspr hoch angesetzt werden.
§ 66
Aufbewahrung von Dokumenten
Die mit einer Anmeldung eingereichten Dokumente werden vom Amtsgericht aufbewahrt. Bis zum Inkrafttreten des G zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRuG, BGBl I 2021, 3338) regelte 1 die Vorschrift des § 66 in Abs I die Bekanntmachung der Eintragung. Sie war für Eintragungen bis zum 31.7.2022 zwingend vorgeschrieben, aber für die Wirkung des § 21 nicht erforderlich (Soergel/Hadding Rn 1). Zu veröffentlichen war der nach § 64 notwendige Inhalt der Satzung, also jedenfalls Name und Sitz des Vereins (MüKo/Leuschner Rn 2). Außer öffentlicher Bekanntmachung auch Mitteilung an Beteiligte nach den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Einzelheiten regelten §§ 13ff VRV, dort (in § 17) sowie in § 72 auch Regelung über bestimmte Bescheinigungen. Weil nach dem Inkrafttreten des DiRuG alle Eintragungen über das Registerportal abrufbar sind, ist die Bekanntmachung entbehrlich und die Regelung dazu aufgehoben worden (BTDrs 19/28177, 148f). Die nach der Streichung des Abs I verbleibende Regelung einer Aufbewahrungspflicht betrifft auch elektronisch eingereichte Dokumente, § 14 FamFG, § 268 ZPO.
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§ 67
Änderung des Vorstands
(1) Jede Änderung des Vorstands ist von dem Vorstand zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist eine Abschrift der Urkunde über die Änderung beizufügen. (2) Die Eintragung gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder erfolgt von Amts wegen. Rechtsänderungen im Vorstand erfolgen durch Beschl der Mitgliederversammlung, Eintragung nur deklaratorisch, hat aber die Vermutung der Richtigkeit für sich (BayObLG Rpfleger 1981, 487; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 428a), so dass Eintragung nötig ist. Erneute Bestellung eines Vorstandsmitglieds ist nicht anmeldepflichtig, Soergel/Hadding Rn 4. Einzutragen auch das Erlöschen des Amtes; dasselbe gilt für besondere Vertreter gem § 30 (MüKo/Leuschner Rn 3). Schutz Dritter nach § 68. Anzumelden ist eine Änderung auch dann, wenn sie vor der Anmeldung bereits erloschen ist, etwa durch Ablauf der Amtszeit (dafür Reichert Kap 2 Rn 2291; aM BayObLG Rpfleger 1986, 292, 295; dagegen MüKo/Leuschner Rn 3). Zur Zahl der zur Mitwirkung verpflichteten Vorstandsmitglieder § 59 Rn 1; dass es hier auf die Mitglieder in vertretungsberechtigter Zahl ankommt, folgt daraus, dass für einen bestehenden Verein gehandelt wird (Staudinger/Schwennicke Rn 4). Anmeldung ist erzwingbar, vgl § 78, die Ordnungsstrafen treffen die Vorstandsmitglieder. Die richterliche Prüfung der Anmeldung (§ 60 Rn 2) betrifft auch die Einhaltung satzungsmäßiger Formen (zB Unterschrift eines Protokollführers, Hamm NJW-RR 1997, 484) und bezieht sich zuerst auf die vorzulegendenen Urkunden und erst bei begründeten Zweifeln an deren materieller Richtigkeit auf die weiteren Umstände (Düsseldorf NZG 2022, 78), doch ist nicht zu prüfen, ob ständig alle Vorstandsämter besetzt sind (Stöber/Otto Rn 1483,1570). Der Eintragungsantrag kann zurückgenommen werden; wenn die Anmeldung inhaltlich richtig war, ist das Gericht auf § 78 verwiesen (MüKo/Leuschner Rn 9). Die Änderung des Familiennamens eines Vorstandsmitglieds muss in öffentlich beglaubigter Form zur Eintragung angemeldet werden (Düsseldorf Rpfleger 2021, 53). Zur Form vgl § 77. Zur kostenrechtl Behandlung der Eintragungen Hamm OLGRp 2009, 679.
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Vertrauensschutz durch Vereinsregister
Wird zwischen den bisherigen Mitgliedern des Vorstands und einem Dritten ein Rechtsgeschäft vorgenommen, so kann die Änderung des Vorstands dem Dritten nur entgegengesetzt werden, wenn sie zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts im Vereinsregister eingetragen oder dem Dritten bekannt ist. Ist die Änderung eingetragen, so braucht der Dritte sie nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie nicht kennt, seine Unkenntnis auch nicht auf Fahrlässigkeit beruht. 1. Negative Publizität des Vereinsregisters. Änderung des Vorstands (auch in Bezug auf einen Besonderen Vertreter) ohne Eintragung bedeutet Gefahr für den Dritten, der sich auf die unrichtig gewordene Eintragung verlässt. Dritter kann auch ein Vereinsmitglied sein (allerdings ist Gutgläubigkeit besonders zu prüfen), Staudinger/Habermann, 2005, Rn 6, nicht aber ein vom (früheren) Vorstand prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt. Er kann sich nicht auf die negative Publizität berufen (BGH MDR 2021, 1016 m Anm Grimm/Fuchs EWiR 2021, 645). Grundsatz der negativen Publizität des Registers gilt, wie im früheren § 15 HGB. Die dort entwickelten gewohnheitsrechtl Sätze gelten für § 68 aber nicht, da hier das gesteigerte Verkehrsschutzbedürfnis des Handelsrechts fehlt. Die negative Publizität erfasst über § 70 auch die Vertretungsbefugnis. Die Bedeutung des Vertrauensschutzes auf eine nach § 26 I 3 unterbliebene Beschränkung der Vertretungsmacht beschränkt sich auf die ursprüngliche Satzung. Eine Satzungsänderung wird ohnehin erst gem § 71 mit Eintragung wirksam (Staudinger/Schwennicke § 70 Rn 3). Schutz genießt immer nur der Partner eines Rechtsgeschäfts (BGH NJW-RR 1986, 282), auch bei Prozesshandlungen (Frankfurt Rpfleger 1978, 134; MüKo/Leuschner Rn 2), nicht ein deliktischer Gläubiger. Schutz nicht gegen jede Unrichtigkeit des Registers, sondern nur für Fortbestand der einmal gültig entstandenen Vertretungsmacht eingetragener Vorstände (Umfang der Vertretungsmacht nach § 70). Also kein Schutz bei von Anfang an unrichtiger Eintragung (evtl § 839), wohl bei Nichteintragung des Erlöschens einer nicht eingetragenen Vertretungsmacht oder bei Änderung der Vertretungsmacht eines gültig bestellten, aber nicht eingetragenen (dazu Staudinger/Schwennicke Rn 5) Vorstandsmitglieds. Die Änderung oder das Erlöschen ist hier die eintragungspflichtige Tatsache. Schutz bedeutet, dass dem Dritten ggü die Vertretungsmacht als bestehend gilt; § 68 schützt nicht gegen fehlende Geschäftsfähigkeit des Eingetragenen (MüKo/Leuschner Rn 4). 2. Gutgläubigkeit. Gutgläubigkeit ist Voraussetzung für S 1, ausgeschlossen durch positive Kenntnis der Unrichtigkeit sowie durch fahrlässige Unkenntnis. Kausalität zw Registereintragung und Verhalten des Außenstehenden nicht erforderlich, Staudinger/Schwennicke Rn 15. Die eingetragene Tatsache (S 2) wirkt grds gegen jeden. Wer sie nicht gelten lassen will, hat Beweislast für seine Nichtkenntnis und die Unzumutbarkeit der Kenntnisnahme. 3. Prozessrecht. Die analoge Anwendung des § 68 für Prozessrecht ist für die Haftung des Vereins aus § 31 bedeutungslos. Die Norm gilt nicht für das Innenverhältnis des Vereins, zur Einberufung der Mitgliederversammlung durch (noch) eingetragenen, aber nicht (mehr) im Amt befindlichen Vorstand s § 32 Rn 3.
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Juristische Personen – Vereine
§ 69
§ 71
Nachweis des Vereinsvorstands
Der Nachweis, dass der Vorstand aus den im Register eingetragenen Personen besteht, wird Behörden gegenüber durch ein Zeugnis des Amtsgerichts über die Eintragung geführt. Der Legitimationsnachweis durch den Registerauszug anstelle von Originalurkunden dient zur Erleichterung 1 des Verkehrs mit Behörden, zB GBA (zum Nachweis gem § 29 GBO Staudinger/Schwennicke Rn 10), hat keine Bedeutung im rechtsgeschäftlichen Verkehr. Das Zeugnis bezieht sich auf Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht nach der Regelung der ursprünglichen Satzung (MüKo/Leuschner Rn 2). Dritte können weitergehenden Nachweis verlangen, Vertrauen auf Auszug kann aber nicht als Fahrlässigkeit iSv § 68 gewertet werden. Gutglaubensschutz nur im Rahmen der §§ 68, 70; da auch hier nur negative Publizität gemeint ist, ist das Vertrauen auf die Wirksamkeit einer eingetragenen Befreiung durch § 181 nicht geschützt (MüKo/Leuschner Rn 3).
§ 70
Vertrauensschutz bei Eintragungen zur Vertretungsmacht
Die Vorschriften des § 68 gelten auch für Bestimmungen, die den Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands beschränken oder die Vertretungsmacht des Vorstands abweichend von der Vorschrift des § 26 Absatz 2 Satz 1 regeln. Zu unterscheiden ist die nachträgl Einschränkung der Vertretungsmacht durch Satzungsänderung, die erst 1 durch Eintragung ins Register wirksam wird (unter der Voraussetzung näherer inhaltlicher Bezeichnung, BGHZ 18, 303, 306), von der von Anfang an im Vergleich mit § 26 beschränkten Vertretungsmacht, s dazu § 64 Rn 1, § 68 Rn 1. Wirksamkeit gegen gutgläubige Dritte richtet sich nach § 70; bei Schweigen des Registers kann also der Dritte sich auf die unbeschränkte Vertretungsmacht gem § 26 verlassen, BGH NJW 1980, 2799. Im Innenverhältnis des Vereins hat ein eingetragenes Vorstandsmitglied jedenfalls die Befugnis, die Mitgliederversammlung einzuberufen, ohne dass es auf Gutgläubigkeit der Mitglieder ankommt (MüKo/Leuschner Rn 5).
§ 71
Änderungen der Satzung
(1) Änderungen der Satzung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Vereinsregister. Die Änderung ist von dem Vorstand zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung sind eine Abschrift des die Änderung enthaltenden Beschlusses und der Wortlaut der Satzung beizufügen. In dem Wortlaut der Satzung müssen die geänderten Bestimmungen mit dem Beschluss über die Satzungsänderung, die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt eingereichten vollständigen Wortlaut der Satzung und, wenn die Satzung geändert worden ist, ohne dass ein vollständiger Wortlaut der Satzung eingereicht wurde, auch mit den zuvor eingetragenen Änderungen übereinstimmen. (2) Die Vorschriften der §§ 60, 64 und 66 finden entsprechende Anwendung. 1. Eintragung von Satzungsänderungen. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung, also Beschl der Mitglie- 1 derversammlung nicht ausreichend, auch für das Innenverhältnis des Vereins (BGHZ 23, 122, 128). Wegen der konstitutiven Wirkung der Eintragung kann sich der Beschl keine Rückwirkung beilegen, Hamm NZG 2007, 318, wohl kann ein erst späterer Zeitpunkt für das Wirksamwerden der Änderung vorgesehen sein (MüKo/ Leuschner Rn 5 gegen LG Bonn Rpfleger 1984, 192). Sonst wird ein Beschl, dessen Grundlage eine noch nicht eingetragene Satzungsänderung ist, mit der Eintragung wirksam (München NJW-RR 1998, 966). Zu aufschiebenden Bedingungen Rn 3. Die Eintragung ist von den Mitgliedern des Vorstands in vertretungsberechtigter Zahl (auch ein alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied, BGHZ 96, 245; Kirberger ZIP 1986, 346ff) zu beantragen (nicht auch erweiterter Vorstand, BGHZ 96, 245, 247 und § 59 Rn 1). Beizufügen ist der Wortlaut der bereinigten Satzung, der aber nicht von den Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl unterschrieben werden muss, Hamm NZG 2010, 1113. Daran ist auch angesichts der Entscheidung zur Ersteintragung des Vereins (§ 59 Rn 1) und zu den Änderungen der Vorstandsbesetzung (§ 67 Rn 1) festzuhalten. 2. Prüfung der Satzungsänderung. Die gerichtliche Prüfung entspricht der bei Eintragung des Vereins, eben- 2 so die Aufbewahrung des Beschl (§ 66 II). Die Eintragung ist abzulehnen, falls sie eine unzulässige Gestaltung verlautbaren würde, so Stuttgart OLG 1971, 465 für eine Eintragung, die einen wirtschaftl Zweck des Vereins ergeben würde. Nach Anmeldung einer Satzungsänderung ist Prüfungsgegenstand (auch der materiellen Wirksamkeit, MüKo/Leuschner Rn 11) die gesamte neue Satzung, auch der nicht geänderte Teil (München MittBayNot 2012, 58). Freilich kann das Registergericht dem anmeldenden Vorstand nicht im Wege der Zwischenverfügung eine Erklärung aufgeben, dass der eingereichte Satzungswortlaut mit der Ursprungsfassung übereinstimmt, Düsseldorf NZG 2010, 754. 3. Inhalt der Eintragung. Inhalt der Eintragung ist durch § 3 I Nr 4a VRV dahin bestimmt, dass die geänder- 3 ten Vorschriften und ihr Gegenstand zu benennen sind. Dies betrifft auch gem § 64 eintragungspflichtige Umstände, die dann mit der geänderten Satzungsbestimmung schlagwortartig näher zu bezeichnen sind (Nürnberg NZG 2012, 1155, das aber dieses Erfordernis nicht auf die Satzungsänderung bzgl anderer Gegenstände ausdehnt, so auch Sauter/Schweyer/Waldner Rn 140). Wünschenswert sind derartige Angaben aber doch, und es ist auch weiterhin davon auszugehen, dass eine Einschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands nur wirksam ist, wenn dies klar aus dem Vereinsregister hervorgeht (München MDR 1955, 160; BGHZ 18, 303, 307). In begrenztem Umfang können auch aufschiebend bedingte und befristete Satzungsänderungen vorab eingetragen Westermann
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werden, wenn der Zeitpunkt des Inkrafttretens aus der Eintragung entnommen werden kann und nicht allzu weit entfernt ist (Ziegler Rpfleger 1984, 320 gegen LG Bonn Rpfleger 1984, 192); gegen Eintragung aufschiebender Bedingungen vor Eintritt der Bedingung um der Rechtssicherheit willen MüKo/Leuschner Rn 5; Reichert Kap 2 Rn 572, was jedenfalls für eine auflösende Bedingung zutrifft.
§ 72 1
§ 73
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Unterschreiten der Mindestmitgliederzahl
Sinkt die Zahl der Vereinsmitglieder unter drei herab, so hat das Amtsgericht auf Antrag des Vorstands und, wenn der Antrag nicht binnen drei Monaten gestellt wird, von Amts wegen nach Anhörung des Vorstands dem Verein die Rechtsfähigkeit zu entziehen. Die Form des eV soll nicht von ganz unbedeutenden Vereinen benutzt werden, vgl auch § 59 III. Aber nicht automatischer Verlust der Rechtsfähigkeit (zu den Rechtsfolgen bei Wegfall des letzten Mitglieds § 56 Rn 1), sondern Entziehung durch konstitutiv wirkenden Beschl, der ohne weiteres zu ergehen hat, wenn der Vorstand Antrag stellt (MüKo/Leuschner Rn 1). Dreimonatsfrist soll Auffüllung der Mitglieder ermöglichen, so dass die Entziehung nicht stattfinden soll, wenn der Vorstand eine Erhöhung der Mitgliederzahl über drei in Aussicht stellen kann (Soergel/Hadding Rn 2), dem ist dann aber nach § 26 FamFG nachzugehen. Frist beginnt mit Sinken der Mitgliederzahl unter drei. Falls Vorstand fehlt, Vorgehen nach § 29 auch ohne Antrag eines Beteiligten (BayObLG NJW-RR 1989, 765). Zum Verfahren Böttcher Rpfleger 1988, 169; dort auch zu dem Fall, dass weder Mitglieder noch Vorstand vorhanden sind. Auch wenn der Vorstand einen fristgemäßen Antrag nicht gestellt hat, kann von Amts wegen die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn nicht der Vorstand, der darüber anzuhören ist, darlegen konnte, dass sich die Mitgliederzahl bald erhöhen wird (MüKo/Leuschner Rn 4). Die Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 58 FamFG kann mit Beschwerde angegriffen werden.
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Bescheinigung der Mitgliederzahl
Der Vorstand hat dem Amtsgericht auf dessen Verlangen jederzeit eine schriftliche Bescheinigung über die Zahl der Vereinsmitglieder einzureichen. Hilfsvorschrift für §§ 37 und 73. Bescheinigung bezieht sich nur auf die Mitgliederzahl, nicht auf die Namen der Mitglieder. Erzwingung gem § 78. Die Vorschrift gilt nicht für nach § 22 konzessionierte oder nicht eingetragene Vereine (Staudinger/Schwennicke Rn 4; BaRo/Schöpflin Rn 2), weil sie die Prüfung der Existenzfähigkeit (kleiner) Idealvereine im Auge hat. Die Bescheinigung, die von Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl zu unterzeichnen ist, kann nach § 14 II FamFG auch elektronisch eingereicht werden.
Auflösung
(1) Die Auflösung des Vereins sowie die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist in das Vereinsregister einzutragen. (2) Wird der Verein durch Beschluss der Mitgliederversammlung oder durch den Ablauf der für die Dauer des Vereins bestimmten Zeit aufgelöst, so hat der Vorstand die Auflösung zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist im ersteren Fall eine Abschrift des Auflösungsbeschlusses beizufügen. Eintragung ist in allen Fällen der Auflösung ohne Rücksicht auf Art der Liquidation sowie auch bei Entziehung der Rechtsfähigkeit erforderlich, zu Insolvenzfolgen § 75. Wirkung tritt auch ohne Eintragung ein, diese ist also lediglich deklaratorisch (Soergel/Hadding Rn 3). Bei Auflösungsbeschluss und Zeitablauf Eintragung auf Anmeldung des Vorstands, erzwingbar nach § 78. Wie im Fall des § 73 auch hier Bestellung eines Vorstands nach § 29 von Amts wegen (MüKo/Leuschner Rn 5; Soergel/Hadding Rn 4; aM Muscheler, FS Reuter, 2010, 225, 233). Eine Veröffentlichung oder Bekanntmachung der Maßnahmen ist nicht vorgeschrieben.
§ 75
Eintragungen bei Insolvenz
(1) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Beschluss, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse rechtskräftig abgewiesen worden ist, sowie die Auflösung des Vereins nach § 42 Absatz 2 Satz 1 sind von Amts wegen einzutragen. Von Amts wegen sind auch einzutragen 1. die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses, 2. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, wenn zusätzlich dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder angeordnet wird, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, und die Aufhebung einer derartigen Sicherungsmaßnahme, 3. die Anordnung der Eigenverwaltung durch den Schuldner und deren Aufhebung sowie die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte des Schuldners, 4. die Einstellung und die Aufhebung des Verfahrens und 5. die Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans und die Aufhebung der Überwachung.
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Juristische Personen – Vereine
§ 76
(2) Wird der Verein durch Beschluss der Mitgliederversammlung nach § 42 Absatz 1 Satz 2 fortgesetzt, so hat der Vorstand die Fortsetzung zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist eine Abschrift des Beschlusses beizufügen. 1. Systematische Stellung der Regelung. Die seit 1.1.1999 geltende Regelung beruht auf Art 33 EG InsO. Sie 1 betrifft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, neuerdings auch die Abweisung mangels Masse, mit den in §§ 80ff InsO geregelten Folgen, und sie erfasst auch die Pflicht zur Eintragung eines vorläufigen Insolvenzverwalters unter den in Nr 2 genannten Voraussetzungen sowie die „Aufhebung“ einer „derartigen Sicherungsmaßnahme“, die also vor der eigentlichen Eröffnung liegen (näher Rn 2). Schließlich regelt sie (Nr 4) die Einstellung und Aufhebung des Verfahrens. Die Regelung hängt mit § 52 I 1 zusammen, der an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nur den Verlust der Rechtsfähigkeit, sondern die Auflösung des Vereins knüpft, für den Verzicht auf die Rechtsfähigkeit gilt § 75 nicht, sondern die Generalklausel des § 74. Nr 3 stellt eine praktisch notwendige Klarstellung dar. Generell zu den Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die im Vereinsregister zu bewirkenden Eintragungen einschl der Eigenverwaltung (Nr 3) Wentzel Rpfleger 2001, 334, gem Abs II ist auch die Fortsetzung des aufgelösten Vereins nach § 42 I 2 einzutragen, dies geschieht auf Antrag des Vorstands. 2. Vorläufige Insolvenzverwaltung, Einstellung und Aufhebung des Verfahrens, Eigenverwaltung. Die Vo- 2 raussetzungen, unter denen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Vereinsregister einzutragen ist, sind diejenigen des § 21 II Nr 1 InsO, die allg als „Sicherungsmaßnahmen“ angesehen werden. Für die Registereintragung bedeutet dies, dass die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nur bei „zusätzl“ Erlass des Verfügungsverbots oder der Anordnung, dass der Vereinsvorstand oder Liquidatoren Verfügungen nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters treffen dürfen, einzutragen ist. Publizität dahingehend, dass das Verfahren eröffnet, aber ein vorläufiger Insolvenzverwalter nicht bestellt ist, geht also vom Fehlen der entspr Eintragung im Register nicht aus, da das Gericht bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters weitere Sicherungsmaßnahmen nicht für erforderlich gehalten haben kann. Ist die Einsetzung des Verwalters dagegen eingetragen, so folgt daraus, dass auch die eine der genannten – eintragungspflichtigen – Sicherungsmaßnahmen (Verfügungsverbot oder Abhängigkeit der Verfügung des Vereins von der Zustimmung des Verwalters) getroffen sein muss. Ferner ist nach § 23 I 1 InsO der Beschl über die Verfügungsbeschränkungen und die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters öffentlich bekannt zu machen. Daneben hat angesichts eines eV als Schuldners die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts gem § 23 II InsO eine Ausfertigung des Beschl über die Verfügungsbeschränkung dem Registergericht zu übermitteln. Hingegen betrifft § 23 III InsO, der die Registereintragung der Verfügungsbeschränkung regelt, nur das Grundbuch und sonstige Register, in denen Pfandrechte vermerkt werden können, nicht auch Handels- und Vereinsregister. Einem Schluss dahin, dass die Verfügungsbeschränkung beim eV nicht eingetragen werden muss, steht aber entgegen, dass nach dem letzten Hs der in Abs I Nr 2 getroffenen Regelung die Aufhebung des Verfügungsverbots oder der ihm gleichstehenden Verfügungsbeschränkung einzutragen ist (ebenso für Eintragung der Eigenverwaltung gem § 270 InsO und deren Aufhebung, § 272 InsO, NK/Eckardt Rn 6). Einen abweichenden Schluss legt die Regelung im ersten Hs nahe, besonders das Wort „zusätzl“, das den Eindruck entstehen lassen muss, dass nur bei Notwendigkeit der genannten Sicherungsmaßnahmen die Eintragung des vorläufigen Insolvenzverwalters überhaupt nötig erscheint. Es liegt daher nahe, § 75 I Nr 2 dahin zu verstehen, dass mit der Aufhebung der Sicherungsmaßnahme auch das Vorhandensein eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht mehr aus dem Register hervorzugehen braucht. Dieser verliert aber iÜ mit der Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen nicht seine Stellung, da das Gericht von § 22 II 1 InsO Gebrauch gemacht haben und die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters bestimmt haben kann, ohne dem Schuldner ein allg Verfügungsverbot aufzuerlegen. In diesem Fall ist seine Bestellung gem § 75 nicht eintragungspflichtig. Die Eintragungen durch das Registergericht erfolgen von Amts wegen aufgrund der vom Insolvenzgericht zu übermittelnden Daten, die InsO regelt auch die Bek durch das Insolvenzgericht. Einstellung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens, die nach Abs I Nr 4 von Amts wegen einzutragen sind, ha- 3 ben ihren Grund einmal im Fehlen hinlänglicher Masse (§ 207 I InsO), zum anderen (§ 200 InsO) im Vollzug der Schlussverteilung. In beiden Fällen kann nach § 42 I 2 die Mitgliederversammlung die Fortsetzung des Vereins beschließen. Die Eintragung der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans (Abs I Nr 5) hängt mit der Befriedigung der in § 217 InsO genannten Gläubigergruppen, ua der Absonderungsberechtigten, durch einen Insolvenzplan zusammen, der eine von den Vorschriften der InsO abw Gläubigerbefriedigung, Verteilung der Masse und Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Verfahrens, nach den Erfahrungen im „Suhrkamp“-Fall (dazu H.P. Westermann NZG 2015, 1341) uU auch Umwandlungen oder verbandsrechtl Neuordnungen bestimmen kann; zum Inhalt der Bekanntmachung § 267 II InsO. Die Eintragung ist aus Sicht des Rechtsverkehrs wichtig, weil auch in diesem Stadium der Insolvenzplan die Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Geschäfte begründen kann (§ 263 InsO). Dementspr ist auch die Aufhebung der Überwachung (§ 268 InsO) einzutragen und wie die Begründung der Überwachung bekanntzumachen.
§ 76
Eintragungen bei Liquidation
(1) Bei der Liquidation des Vereins sind die Liquidatoren und ihre Vertretungsmacht in das Vereinsregister einzutragen. Das Gleiche gilt für die Beendigung des Vereins nach der Liquidation. (2) Die Anmeldung der Liquidatoren hat durch den Vorstand zu erfolgen. Bei der Anmeldung ist der Umfang der Vertretungsmacht der Liquidatoren anzugeben. Änderungen der Liquidatoren oder ihrer VertreWestermann
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§ 76
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Anmeldepflichtige und Form der Anmeldungen
(1) Die Anmeldungen zum Vereinsregister sind von Mitgliedern des Vorstands sowie von den Liquidatoren, die insoweit zur Vertretung des Vereins berechtigt sind, mittels öffentlich beglaubigter Erklärung abzugeben. Die Erklärung kann in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift beim Gericht eingereicht werden. (2) Die öffentliche Beglaubigung mittels Videokommunikation gemäß § 40a des Beurkundungsgesetzes ist zulässig. Es besteht Mitwirkungspflicht der Vorstandsmitglieder und der Liquidatoren in vertretungsberechtigter Zahl (AG Mannheim Rpfleger 1979, 196; dazu auch Terner DNotZ 2010, 5, 20; s ferner § 59 Rn 1). Das Formerfordernis ist Grundlage für die ordnungsgemäße Registerführung (vgl § 12 HGB, § 29 GBO) und gilt auch für die Vollmacht bei Vertretung bei der Anmeldung (KGJ 26 A 232; MüKo/Leuschner Rn 3). Als Form genügt die Vorlage einer elektronischen Abschrift, die nach § 39a BeurkG elektronisch beglaubigt wurde, Begr RegE BT-Drs 16/12813, 14, nicht aber auch eine „amtliche Beglaubigung“. Auch hier berühren Mängel der Form die Wirksamkeit der Eintragung nicht (Richert NJW 1958, 894, 896; dort auch über Heilbarkeit rechtl mangelhafter Registeranmeldungen durch Eintragung). Anmeldungen zum Vereinsregister kann auch ein für vereinsrechtl Angelegenheiten bestellter besonderer Vertreter (§ 30) vornehmen (KG 23.7.2020 – 22 W 1005/20). Durch das G zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften v 15.7.2022 (DiReG, BGBl I 2022, 1146) wurde die bereits durch das DiRuG zum 1.8.2022 für Kapitalgesellschaften eröffnete Möglichkeit der öffentlichen Beglaubigung mittels Videokommunikation nach § 40a BeurkG durch Einfügung eines neuen Abs II auf Anmeldungen zum Vereinsregister ab dem 1.8.2023 erweitert (dazu Noack MDR 2022, 1505, 1509).
§ 78
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tungsmacht sowie die Beendigung des Vereins sind von den Liquidatoren anzumelden. Der Anmeldung der durch Beschluss der Mitgliederversammlung bestellten Liquidatoren ist eine Abschrift des Bestellungsbeschlusses, der Anmeldung der Vertretungsmacht, die abweichend von§ 48 Absatz 3 bestimmt wurde, ist eine Abschrift der diese Bestimmung enthaltenden Urkunde beizufügen. (3) Die Eintragung gerichtlich bestellter Liquidatoren geschieht von Amts wegen. Im Rahmen der Vereinsrechtsreform ist die Eintragungspflicht erweitert worden. Klargestellt wird in Abs I S 1, dass Gegenstand der Eintragung die Vertretungsmacht der Liquidatoren ist, die anderen Eintragungen verlautbaren die Durchführung der Liquidation. Folgerichtig ist auch die Beendigung des Vereins nach Abschluss der Liquidation einzutragen. Die Regelung ist insg eine Folge der Gleichstellung von Liquidatoren und Vorstand, vgl § 48 II, sowie des Umstands, dass die Liquidation Folge der in den §§ 45ff genannten eintragungspflichtigen Tatsachen ist. Auch §§ 68–70 gelten. Die Eintragungspflicht besteht auch bei Personengleichheit von Vorstand und Liquidatoren, MüKo/Leuschner Rn 3. Die ersten Liquidatoren hat noch der Vorstand anzumelden. Ist der Vorstand schon vor Wirksamwerden des Auflösungsbeschlusses aus seinem Amt ausgeschieden und ist bereits ein Liquidator bestellt, so kann dieser die Auflösung des Vereins und die Bestellung des ersten Liquidators anmelden (Hamm WM 1990, 879 m Anm Buchegger Rpfleger 1991, 17), das muss auch für den Fall gelten, dass die Auflösung des Vereins und die Liquidatoren eingetragen sind (LG Siegen m Anm Meyer-Stolte Rpfleger 1991, 115). Die Liquidatoren handeln als Gesamtvertreter (Stöber/Otto Rn 1346), bei der Anmeldung müssen sie in vertretungsberechtigter Zahl tätig werden. Eine abstrakte Vertretungsregelung (etwa nach § 67 I GmbHG) ist auch dann einzutragen, wenn nur ein erster Liquidator bestellt ist, BGH WM 2007, 1372 m zust Anm Müller/Rieg WuB II C § 67 GmbHG 1.07. Liquidation muss auch dann angemeldet werden, wenn der Verein bei Fehlen eines verteilungsfähigen Vermögens durch Mitgliederbeschluss erloschen ist, Düsseldorf NZG 2013, 1185, zumal die Eintragungen gem § 76 auch bei anfänglicher Vermögenslosigkeit geboten sind (Düsseldorf NZG 2013, 1185). Die Eintragungen wirken deklaratorisch, s aber § 48 II (MüKo/Leuschner Rn 11).
§ 77
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Festsetzung von Zwangsgeld
(1) Das Amtsgericht kann die Mitglieder des Vorstands zur Befolgung der Vorschriften des § 67 Abs. 1, des § 71 Abs. 1, des § 72, des § 74 Abs. 2, des § 75 Absatz 2 und des § 76 durch Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. (2) In gleicher Weise können die Liquidatoren zur Befolgung der Vorschriften des § 76 angehalten werden. Das Verfahren der Festsetzung von Zwangsgeld, das keine Strafe iSd Strafrechts ist, regelt sich nach den §§ 388–391 FamFG. Der Strafrahmen ist in Art 6 I 1 EGStGB geregelt. Die Strafe trifft jedes anmeldepflichtige Vorstandsmitglied persönlich, nicht den Verein (KGJ 26 A, 232), deswegen kann nicht in das Vereinsvermögen vollstreckt werden (Soergel/Hadding Rn 2; Staudinger/Schwennicke Rn 5). Das Gericht hat tätig zu werden, wenn es von anmeldepflichtigen, aber nicht angemeldeten Umständen erfährt, ihm steht kein Entschließungsermessen zu (Hamm OLGZ 1989, 148; BeckOGK/Schöpflin Rn 13). Das Verfahren ist näher in § 388 FamFG geregelt.
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Juristische Personen – Vereine
§ 79
§ 79a
Einsicht in das Vereinsregister
(1) Die Einsicht des Vereinsregisters sowie der von dem Verein bei dem Amtsgericht eingereichten Dokumente ist jedem gestattet. Von den Eintragungen kann eine Abschrift verlangt werden; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen. Wird das Vereinsregister maschinell geführt, tritt an die Stelle der Abschrift ein Ausdruck, an die der beglaubigten Abschrift ein amtlicher Ausdruck. (2) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das die Übermittlung von Daten aus maschinell geführten Vereinsregistern durch Abruf ermöglicht, ist zulässig, wenn sichergestellt ist, dass 1. der Abruf von Daten die zulässige Einsicht nach Absatz 1 nicht überschreitet und 2. die Zulässigkeit der Abrufe auf der Grundlage einer Protokollierung kontrolliert werden kann. Die Länder können für das Verfahren ein länderübergreifendes elektronisches Informations- und Kommunikationssystem bestimmen. (3) Der Nutzer ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zu Informationszwecken verwenden darf. Die zuständige Stelle hat (z.B. durch Stichproben) zu prüfen, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die nach Satz 1 zulässige Einsicht überschritten oder übermittelte Daten missbraucht werden. (4) Die zuständige Stelle kann einen Nutzer, der die Funktionsfähigkeit der Abrufeinrichtung gefährdet, die nach Absatz 3 Satz 1 zulässige Einsicht überschreitet oder übermittelte Daten missbraucht, von der Teilnahme am automatisierten Abrufverfahren ausschließen; dasselbe gilt bei drohender Überschreitung oder drohendem Missbrauch. (5) Zuständige Stelle ist die Landesjustizverwaltung. Örtlich zuständig ist die Landesjustizverwaltung, in deren Zuständigkeitsbereich das betreffende Amtsgericht liegt. Die Zuständigkeit kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung abweichend geregelt werden. Sie kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. Die Länder können auch die Übertragung der Zuständigkeit auf die zuständige Stelle eines anderen Landes vereinbaren. 1. Funktion im Rahmen von Publizität und Datenschutz. Es handelt sich um die Folgen der Öffentlichkeit 1 des Vereinsregisters, die durch das RegVBG v 20.12.1993 (BGBl I 1993, 2182) im Zusammenhang mit der in § 55a geregelten Umstellung der Registerführung auf EDV neu geordnet worden ist. Die Regelung dient den in § 79a I bezeichneten unionsrechtl Zielen eines länderübergreifenden Informations- und Kommunikationssystems, das aber auch an die Notwendigkeiten des Datenschutzes anzupassen ist. Mit Abs I S 1 und 2 sowie mit Abs II S 1 stimmen § 9 I und II 1 HGB überein, wobei allerdings das Recht, von Eintragungen eine beglaubigte Abschrift zu verlangen, beim Handelsregister in § 9 II 2 und 3 HGB auf zum Register eingereichte Schriftstücke ausgedehnt ist, während für das Vereinsregister für die Fertigung einer beglaubigten Abschrift eingereichter Dokumente nach § 12 III FamFG ein berechtigtes Interesse glaubhaft zu machen ist (MüKo/Leuschner Rn 3). Nach dem früheren § 55a V aufbewahrte Stücke sind vom Einsichtsrecht umfasst; entspr den Gegebenheiten der Datenspeicherung kann von der „Wiedergabe“ eine Abschrift verlangt werden, die auf Verlangen zu beglaubigen ist. Dasselbe gilt für das Verzeichnis der beim Gericht eingetragenen Vereine, § 8 VRV. Für Abschriften sind Gebühren zu entrichten (MüKo/Leuschner Rn 3). 2. Einsichtsrecht. Auch in der geltenden Fassung bleibt es bei dem Grundsatz, dass Einsicht jedermann ohne 2 Nachweis eines berechtigten Interesses zusteht; sie betrifft die Registereintragung. Zu den Einzelheiten § 16 VRV, zur Einsicht in das maschinell geführte Register § 31 VRV. Abschriften von Registereintragungen können nach Abs I S 2 ohne Nachweis eines Interesses verlangt werden, s auch § 17 VRV, aber auch die Einschränkungen gem § 79a. Aus dem maschinell geführten Register können nach § 32 VRV „Ausdrucke“ erstellt werden. Zum Nachweis der Vertretungsmacht von Vorständen und Liquidatoren s § 69. Nach § 386 FamFG besteht auch ein Anspruch auf eine Bescheinigung, dass weitere Eintragungen nicht erfolgt sind (Negativattest). Die bis 2001 in den Abs II–X enthaltene Regelung der Voraussetzungen, von denen die Datenübermittlung auf 3 Abruf abhängen sollte, diente im Wesentlichen dem Ziel, die Korrektheit des Datenabrufs kontrollieren zu können. Die Kriterien für die Zulässigkeit eines Abrufs von Daten aus dem maschinell geführten Register sind in Abs II genannt, die Abs III und IV begründen die Kontrollpflichten und Sanktionsmöglichkeiten (bei Missbrauchsgefahr) der „zuständigen Stelle“, die in Abs V definiert ist. Missbräuchlich wäre die Nutzung der Informationen für Werbung (Grü/Ellenberger Rn 3) oder zum Aufbau einer Auskunftei. Das Gericht kann, wenn Anhaltspunkte für ein Vorhaben des Nutzers dieser Art gegeben sind, auch vorbeugend tätig werden (MüKo/Leuschner Rn 7). Einen Ausschluss rechtfertigt es auch, wenn vom Nutzer Software-Viren übertragen werden, RegE BT-Drs 14/6855, 18.
§ 79a
Anwendung der Verordnung (EU) 2016/679 im Registerverfahren
(1) Die Rechte nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) werden nach § 79 und den dazu erlassenen Vorschriften der Vereinsregisterverordnung durch Einsicht in das Register oder den Abruf von Registerdaten über das länderübergreifende Informations- und Kommunikationssystem gewährt. Das Westermann
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§ 79a
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Personen
Registergericht ist nicht verpflichtet, Personen, deren personenbezogene Daten im Vereinsregister oder in den Registerakten gespeichert sind, über die Offenlegung dieser Daten an Dritte Auskunft zu erteilen. (2) Das Recht auf Berichtigung nach Artikel 16 der Verordnung (EU) 2016/679 kann für personenbezogene Daten, die im Vereinsregister oder in den Registerakten gespeichert sind, nur unter den Voraussetzungen und in dem Verfahren ausgeübt werden, die im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie der Vereinsregisterverordnung für eine Löschung oder Berichtigung von Eintragungen geregelt sind. (3) Das Widerspruchsrecht nach Artikel 21 der Verordnung (EU) 2016/679 ist auf personenbezogene Daten, die im Vereinsregister und in den Registerakten gespeichert sind, nicht anzuwenden. 1. Problemkreis. Die Datenschutz-Grundverordnung hat im Bereich der Einführung und Verwaltung, besonders der Transparenz, der öffentlichen Register, auch solche zur Verlautbarung privatrechtl Verhältnisse, eine Gemengelage von Informationsbedürfnissen, Zeit- und Kostenaufwendungen von Behörden und Gerichten, aber auch Befürchtungen betroffener Personen im Hinblick auf Publizität ihrer (personenbezogenen) Daten ausgelöst, die zu gewissen Gegensätzen zw der Unterstützung von Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und dem Interesse an Vertraulichkeit (nicht gerade: Geheimhaltung) personenbezogener Daten geführt haben, wobei es – was bisher weniger beachtet wurde – nicht nur um Eintragungen über Personen geht, sondern um das Interesse solcher Personen, die Einsicht ins Register genommen haben (was auf dem betreffenden Registerblatt vermerkt worden sein kann) und die die dabei erlangten Informationen mglw weiter kommuniziert haben. Derartige Probleme, die sich naturgemäß stärker im Hinblick auf Eintragungen in solchen Registern stellen, die strafrechtsrelevante Tatsachen verlautbaren, haben das Pro und Contra des Datenschutzes aufgezeigt, was den nationalen Gesetzgeber zum G v 20.11.2019 (BGBl I 2019, 1724) veranlasst hat. Dabei wurde außer der Schaffung des § 79a die in § 55a stehende Regelung modifiziert und schließlich wurde § 1563 II 1 geändert. Der Anwendungsbereich des neuen Rechts (dazu § 55a Rn 2f) ist, wenn man die ZPO und mehrere Register zu familien- und erbrechtl Umständen und Gegebenheiten einbezieht, bedeutend und umfangreich, was auch den über 200 Seiten ausmachenden Umfang der Regierungsbegr (BT-Drs 19/4671) rechtfertigt. Im Grundsatz legt der Gesetzgeber weiterhin Wert auf das bekannte öffentliche Interesse an verlässlichen (für von Eintragungen erfasste nat und jur Personen, ihre Vertragspartner und Gläubiger) Verlautbarungen, die besonders bei abgelaufenen Registrierungen von Veränderungen und Korrekturen keinen allzu hohen Kosten- und Arbeitsaufwand verursachen, aber trotzdem Erleichterungen für den privaten Rechtsverkehr darstellen sollen, deshalb aber auch den „Inhabern“ registrierter Daten gewisse Opfer (auch in Gestallt der Beschränkung von Widerspruchsmöglichkeiten) auferlegen sollen. Dass hierbei Differenzierungen bei der Lösung strafprozessualer Probleme oder Fragen zum RDG oder zum Zivilprozess notwendig sein können, liegt auf der Hand; wichtig ist, dass für den zivilrechtl Rahmen Vereinsund Handelsregister in etwa gleichbehandelt werden. Zu beachten ist schließlich, dass nach der Regierungsbegr (BT-Drs 19/4671, 112) nicht hier, sondern im speziellen Registerrecht, weiterhin der „Grundsatz der Datensparsamkeit“ beachtet werden sollte. 2. Auskunftsrecht. In Abs I geht es um das Auskunftsrecht der von einer Eintragung betroffenen Person nach Art 15 DSGVO, das die Einsicht für jedermann in das Vereinsregister und die dazu geführten Registerakten, ferner den Abruf solcher Daten über das Registerportal der Bundesländer regelt. Es soll mit Rücksicht darauf relativiert werden, dass dies für die Vereinsregistergerichte einen unvertretbaren Aufwand erfordere, der nicht gerechtfertigt sei, zumal den betroffenen Personen, die zumeist selbst den Eintragungsantrag gestellt haben, die relevanten Daten bekannt seien, während Außenstehende im Register nach Vereinen und nicht nach Personen zu suchen pflegen (BT-Drs 19/4671, 11). Diese Personen müssen nach Maßgabe der gesetzl Bestimmungen zum Inhalt der Registervermerke uU eine Erwähnung ihrer Person, dh Namen, Alter und Wohnsitz, hinnehmen, was die Publizität betrifft und nach der Neuregelung dahin erweitert wird, dass das Gericht nicht jeden Fall einer Einsichtnahme registrieren muss und dem „Daten-Inhaber“ keine Auskunft zu geben braucht, wer sich durch sein Einsichtnahme-Verfahren für ihre Daten interessiert hat und diese ggf weitergeben kann. Das ist, was in der Begründung zT anders klingt, keine Beschränkung des Einsichtsrechts, sondern betrifft die Daten von Personen, die das Register einsehen oder Daten abrufen. 3. Abs II. Demggü geht es in Abs II um Daten, die nach Vorschriften des FamFG und der VRV und Art 16 DSGVO korrigiert oder unleserlich gemacht werden müssten. Derartige Änderungen oder Eintragungen sollen nur unter Berücksichtigung der Ausschlusstatbestände in Art 17 III lit b und e DSGVO erfolgen dürfen, auch wenn die Voraussetzung des § 395 FamFG und des § 12 VRV an sich vorliegen, so dass es, wie die Regierungsbegr betont, bei den registerrechtl Vorschriften über Löschung und Berichtigung bleibt; auf der anderen Seite ist weiterhin das öffentliche Interesse zu beachten, wonach die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art 18 II der DSGVO weiterhin uneingeschränkt möglich sein soll. Auch dies soll der Bewältigung der Arbeitslast der Gerichte dienen, die Berücksichtigung personenbezogener Daten muss dann durch Einsendung eines berichtigten Dokuments beim Gericht geschehen. Der Hinweis auf Art 16 DSGVO steht allerdings so, wie es die Begr auf S 113 (BT-Drs 19/4671) schreibt, nicht ausdrückl im Gesetz. Wieder anders Abs III, der wirklich ein Datenschutz-Einzelrecht, nämlich das Widerspruchsrecht einer betroffenen Person gem Art 21 DSGVO, wie es in Art 23 DSGVO vorgesehen ist, mit der Folge ausschließt, dass Beschwerdemöglichkeiten nach § 383 III FamFG ausscheiden; das soll nach Art 18 II DSGVO weiterhin uneingeschränkt möglich sein und etwa verhindern, dass Eintragungen für einen bestimmten Zeitraum entgegen den öffentlichen Interessen nicht einsehbar sind, was auch die Verarbeitung von Registerdaten erschweren würde (Begr S 113). 224
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Juristische Personen – Stiftungen
Vor § 80
4. Mitteilungspflicht. Der Gesetzgeber betont weiter, dass die Registergerichte nicht die Mitteilungspflichten nach Art 19 DSGVO haben, was sie unverhältnismäßig belasten würde. Auch ein Recht nach Art 20 I DSGVO, das das Führen des Vereinsregisters und der Registerakten erschweren würde, soll nicht bestehen. Insg hat die BReg, wie sie im Eingang der Regierungsbegr betont, nicht nur die sachliche Vertretbarkeit des Arbeits- und Kostenaufwands der öffentlichen Hände, sondern, wie bei jeder Gesetzesreform, auch die Notwendigkeit im Auge gehabt, die Belastungen sowohl der öffentlichen Hände als auch die der betroffenen Bürger im Rahmen zu halten (BT-Drs 19/4671, 55ff); ob dies aus der Perspektive unionsrechtl Datenschutz-Bestrebungen auf Dauer überzeugen wird, bleibt abzuwarten.
Untertitel 2 Rechtsfähige Stiftungen (§§ 80–88) Vorbemerkung vor § 80 Schrifttum: Arnold, Satzungsvorbehalt für die Vorstandsvergütung bei Vereinen und Stiftungen?, FS Reuter, 2010, 3; Autenrieth, Werdende Stiftung vor staatlicher Anerkennung ist steuerlich wie eine unselbständige Stiftung zu behandeln, GmbHR 2016, 745; Bertelsmann Stiftung (Hrsg), Handbuch Stiftungen, 2. Aufl 2014; Bertelsmann Stiftung (Hrsg), Handbuch Bürgerstiftungen, 2. Aufl 2004; Beyer, Satzungsänderungen und Stifterwille – Eine Analyse des neuen Stiftungsrechts, ZStV 2021, 161; Brandmüller/Klinger, Unternehmensverbundene Stiftungen, 4. Aufl 2014; Büch, Stiftung und Blockchain – Erste praktische und theoretische Überlegungen, npoR 2018, 100; Burgard, Reform des Stiftungsrechts, ZStV 2016, 81; Burgard, Ist § 31a BGB im Stiftungsrecht zwingend oder dispositiv? – Zur Auslegung von § 86 S 1 Hs 2 BGB, FS Reuter, 2010, 43; v Campenhausen/ Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 4. Aufl 2014; Cranshaw/Hippeli, Bestellung, Abberufung und Anstellungsverhältnis des Vorstands der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts, ZIP 2018, 668; Eberbach, Eine Rechtsform für Wissenschaftskooperationen, OdW 2018, 51; Feick, Stiftung als Nachfolgeinstrument, 2015; Fein/Articus, Der zweite Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Stiftungsrecht, npoR 2019, 49; D. Fischer, Stiftungen – Stiftungszivilrecht Grundzüge des Stiftungssteuerrechts, 7. Aufl 2019; Förster/Fast, Stiftungserrichtung von Todes wegen, ZAP 2019, 307; Fritz/Römer, Auf der Suche nach Substanz: Stiftungen und Sachwerte, ZStV 2012, 86; Gollan, Stiftungsrecht – Werkzeugkasten für die Errichtung einer gemeinnützigen rechtsfähigen Stiftung, ErbR 2016, 294; Götz/Pach-Hanssenheimb, Handbuch der Stiftung, 4. Aufl 2020; Gräwe, Besicherung von Darlehen aus dem Stiftungsgrundstockvermögen, ZStV 2013, 26; Gräwe/Frhr v Maltzahn, Die Untreuestrafbarkeit von Stiftungsvorstand und -beirat: Vermeidungsstrategien bei stiftungstypischen Maßnahmen, BB 2013, 329; Gräwe/v Harder, Die Exkulpation von Vorstandsmitgliedern bei Einholung von Rechtsrat, npoR 2016, 148; Grambow, Die betriebsverfassungsrechtliche Behandlung von Vereinen, Stiftungen und gGmbHs, ZStV 2013, 161; Hippeli, Weitreichende Haftungsbeschränkung von Stiftungsvorständen gegenüber der Stiftung qua Stiftungssatzung?, ZStV 2016, 161; Hüttemann, Die Vorstiftung – ein zivilrechtliches und steuerrechtliches Phantom, FS Spiegelberger, 2009, 1292; Hüttemann/Rawert, Die notleidende Stiftung, ZIP 2013, 2136; Hüttemann/Richter/Weitemeyer, Landesstiftungsrecht, 2011; Koch, Fehlerhafte Weisungen eines Stiftungsrates und die Haftung des Stiftungsvorstandes, WM 2016, 2105; Koch, Die Ersatzpflicht des Stiftungsvorstands für Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung, ZStV 2010, 92; Krüsmann, Treuhänderwechsel bei der gemeinnützigen Treuhandstiftung, DStZ 2018, 503; Lange, Die unselbständige Stiftung von Todes wegen, ZErb 2013, 324; Lorenz/ Mehren, Das neue Stiftungsrecht ist da – Kernpunkte der gesetzlichen Neuregelungen und deren Bedeutung für bestehende und noch zu errichtende Stiftungen, DStR 2021, 1774; Markworth, Das Stiftungsrecht am Scheideweg, NZG 2021, 100; Meinecke, Stiftungen als Instrument zur Unternehmensnachfolge, 2019; H.-F. Müller, Die Rechtsstellung der Stiftungsorgane in der Insolvenz, ZStV 2010, 201; H.-F. Müller, Haftung des Stiftungsvorstands wegen Insolvenzverschleppung, ZIP 2010, 153; Muscheler, Der Übergang von der unselbständigen Stiftung in die rechtsfähige Stiftung, ZEV 2018, 187; Muscheler, Der Zuwendungsvertrag zwischen Stiftung und Destinatär, NJW 2010, 341; Muscheler, Der Notvorstand in Verein und Stiftung, FS Reuter, 2010, 225; Muscheler, Stiftungsrecht – Gesammelte Beiträge II, 2019; Neuhoff, Erkenntnisse der institutional economics bezüglich realer Vermögenserhaltungen in Stiftungen, ZStV 2010, 215; v Oertzen, Stiftungsrecht nach der Reform, 2022; Olbing, Steuerfolgen von Stiftungsgestaltungen, DB 2018, 2897; Orth, Zur Neuregelung der Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen, ZStV 2020, 81; Otto, Handbuch der Stiftungspraxis, 2. Aufl 2015; Papsthart, Stiftungsrecht am Scheideweg: Festigung einer „starken Marke“ oder Eröffnung eines Experimentierfelds für Stifter?, npoR 2016, 105; Paukstadt, Anlagerichtlinien für gemeinnützige Stiftungen – Entwicklung und Dokumentation einer wirtschaftl Vermögensanlage, BB 2017, 2666; Pawlytta/ Pfeiffer, Die Reform des Stiftungsrechts – Ausgewählte Aspekte und erste praktische Erfahrungen, ZErB 2022, 255; Ponath/ Tolksdorf, Was lange währt, wird nicht immer gut: Diskussionsfelder des neuen Stiftungsrechts, ZEV 2021, 605; Pruns, Ein Überblick über das neue Stiftungsrecht, ZErb 2021, 301; Rawert, Grundrecht auf Stiftung?, FS Reuter, 2010, 1323; Reuter, Der funktionale Stiftungsbegriff – ein Meilenstein in der stiftungsrechtlichen Diskussion?, Non Profit LAW Yearbok 2010/2011, 65; Richter, Stiftungsrecht, 2019; Röcken, Satzungsanforderungen aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht, MDR 2018, R6; Schauer, Grundlagenänderungen nach der Reform des Stiftungsrechts, npoR 2022, 54; Schauhoff/Mehren, Stiftungsrecht nach der Reform, 2022; Schauhoff/Mehren, Die Reform des Stiftungsrechts, NJW 2021, 2993; Schiffer, Anforderungen an die Errichtung einer Stiftung von Todes wegen, npoR 2018, 105; Schiffer, Die Stiftung in der Beraterpraxis, 4. 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Aufl 2018; Theuffel-Werhahn, Trägt die Stiftungsrechtsreform die „Stiftung
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Vor § 80
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Personen
& Co. KG“ zu Grabe?, ZStV 2022, 43; Theuffel-Werhahn, Forum Shopping: Ein Mangel des Stiftungsgeschäfts, mit welchen Auswirkungen?, ZStV 2018, 132; Thölke, Die Umwandlung eines gemeinnützigen Vereins in eine Stiftung, npoR 2017, 54; Tielmann, Die Familienverbrauchsstiftung, NJW 2013, 2934; Wachter, Stiftung von Todes wegen – Praxisempfehlungen für eine wirksame Gründung, BB 2017, 2631; Wachter, Stiftungen im neuen Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, FR 2017, 69; Weitemeyer, Impulse der Stiftungsrechtsreform zur Governance und Transparenz von Stiftungen?, ZGR 2019, 238; Weitlich/Dittmer, Noch weitgehend unbekannt: Die Kombination von Stiftung und Behindertentestament, ZStV 2010, 68; Weitz, Rechtshandbuch für Stiftungen, 2012; Werder/Wystrcil, Familienstiftungen in der Unternehmensnachfolge, BB 2016, 1558; O. Werner/Saenger/ Fischer (Hrsg), Die Stiftung – Recht, Steuern, Wirtschaft, 2. Aufl 2019; R. Werner, Aktuelle Probleme der Enthaftung des Stiftungsvorstands, ZIP 2017, 2089; Wigand/Haase-Theobald/Heuel/Stolte, Stiftungen in der Praxis, 4. Aufl 2015; Zimmermann/ Raddatz, Die Entwicklung des Stiftungsrechts 2019, NJW 2020, 517. S auch die Angaben vor Rn 11, 14, 17, 19, 22 und 27.
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I. Allgemeines. 1. Bedeutung von Stiftungen. Da die Stiftung ihre Zwecke grds aus dem Ertrag eines vorhandenen, unantastbaren Vermögens erfüllt, ist neben der Dauerhaftigkeit garantiert, dass die jew Stifter dieses Vermögen zum Nutzen jetziger und späterer Generationen als Destinatäre zur Verfügung stellen. Von diesem Grundgedanken weicht die vom Gesetzgeber durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts (BGBl I 2021, 2947) in § 80 I 2, § 81 II geregelte sog Verbrauchsstiftung ab, die zur Erfüllung ihrer Zwecke auch das Stiftungsvermögen einsetzen darf. Im Gegensatz zu einem – spätere Generationen verpflichtenden und belastenden – Umlagesystem besteht bei den Stiftungen (in verwässerter Form auch bei der Verbrauchsstiftung) ein Kapitalertragssystem, das spätere Generationen als Destinatäre begünstigt. Damit eignet sich die Stiftung als Instrument der Sozial-, Gesundheits- und Altenfürsorge (insb bei Familienstiftungen, Rn 14) ebenso wie als Träger von Kultur- oder Wissenschaftseinrichtungen (zB Stiftungsuniversitäten). Das Vermögenserhaltungsgebot kann ebenso wie das (je nach Stifterwillen) mögliche Umschichtungsverbot bei einer unternehmensverbundenen Stiftung verhindern, dass ein Stiftungsunternehmen veräußert wird (Rn 24). Damit dient auch späteren Generationen das Unternehmen als Betätigungs- und Einnahmequelle. Arbeitsplätze bleiben erhalten. Denkbar wäre sogar eine Ausschüttung der Gewinne an die ArbN als Destinatäre, gewissermaßen als sichere Form einer gewünschten ArbNBeteiligung, indem Zuwendungen der Gewinne an Anteilseigner ausgeschlossen sind. Zunehmend erkannt wird auch die Gefahr einer nicht mehr vorhandenen Finanzierbarkeit der Pflicht- und freiwilligen Aufgaben der Kommunen. Durch Zuwendungen der Gemeinde an eine diese Aufgabe sichernde Stiftung sowie durch finanzielle Zustiftungen von privater Seite kann die Attraktivität der Kommune auch für spätere Generationen gesichert werden (O. Werner, FS Knemeyer, 2012, 107). Die Stiftung kann damit ein Instrument für die Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Probleme unserer Gesellschaft bieten, zumal sie durch die am Einzelfall orientierte Satzungsgestaltung der nötigen Flexibilität und Individualität den jew Bedürfnissen gerecht wird (dazu O. Werner in Beer/ Hanusch/Seidel, Stiftungen als bürgerschaftliches Engagement, 2000, 123). Die Stiftung bietet dem Stifter die Möglichkeit, sein Vermögen oder Teile hiervon auf Dauer zur Errichtung und Erfüllung eines von ihm bestimmten Zwecks derart zu verwenden, dass entweder bei wertmäßiger Unantastbarkeit die Zweckerfüllung allein aus den Erträgen (Zinsen, Mieten usw) oder/und eingeworbenen Spenden oder/ und sogar unter Verbrauch des Stiftungsvermögens erfolgt. Die Anerkennung des Stifterwillens und die Freiheit, Stiftungen zu errichten, sind Ausfluss der Privatautonomie einschl der Testierfreiheit bei Errichtung einer Stiftung von Todes wegen (dazu Förster/Fast ZAP 2019, 307). Damit garantiert die Verfassung mit Art 2, 14 GG dem Stifter den Freiraum, derartig über sein Vermögen zu Lebzeiten und/oder letztwillig zu verfügen. Das Recht auf Stiftungsgründung wurde durch die Regelung eines Anspruchs auf Anerkennung der Stiftung im Rahmen der Neufassung von § 80 durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts bestärkt. Zum verfassungsrechtl Bestandsschutz vgl Schmidt-Jortzig, FS Reuter, 1339ff. Allein eine „Gemeinwohlgefährdung“ (§ 82 Rn 11) schränkt das Recht auf Anerkennung ein. 2. Rechtsquellen des Stiftungsrechts. Das Stiftungsrecht ist in den letzten Jahren durch Veränderungen gekennzeichnet: Nach den Gesetzen zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen v 17.7.2000 (BGBl I 2000, 1034) und zur Modernisierung des Stiftungsrechts v 15.7.2002 (BGBl I 2002, 2634) sowie nach weiteren Änderungen durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz v 21.3.2013 (BGBl I 2013, 556) ist nach intensiver Vorarbeit am 22.7.2021 das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes verkündet (BGBl I 2021, 2947) worden, das in weiten Teilen zum 1.7.2023 in Kraft trat und das Stiftungsrecht bundesweit abschließend vereinheitlichen soll. Durch Neuregelungen werden dabei die Maßgeblichkeit des Stifterwillens als oberstes Prinzip des Stiftungsrechts sowie Regelungen zur Zusammensetzung des Stiftungsvermögens und seine Verwaltung kodifiziert. Darüber hinaus werden die Rechte und Pflichten sowie die Haftung der Stiftungsorgane einheitlich im Stiftungsrecht – und nicht mehr wie bisher nur durch einen Verweis auf das Vereinsrecht – gesetzl geregelt und modifiziert, insb im Hinblick auf eine gesetzl Haftungsprivilegierung sowie auf die Regelung einer Business Judgement Rule im Stiftungsrecht. Neu eingeführt wurden Regelungen zu Strukturänderungen – die Satzungsänderung, die Zu- und Zusammenlegung sowie die Auflösung und Aufhebung von Stiftungen –, die im Stufenkonzept detaillierter ausgestaltet und erweitert werden. Der auf dem Professorenentwurf zur Reform (Beil zu ZIP 10/2020) beruhende Vorschlag für ein Klagerecht von Organmitgliedern („actio pro fundatione“) und die damit einhergehende Befugnis, Rechte der Stiftung im eigenen Namen zugunsten der Stiftung geltend zu machen, wurde nicht aufgegriffen. Klagerechte gegen Stiftungsorgane zugunsten von Dritten (insb Destinatären) wurden ebenfalls nicht normiert. Ein solches Klagerecht wird vereinzelt aber wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Stiftung und dem verfassungsrechtl Gebot eines effektiven Rechtsschutzes gem Art 19 IV GG anerkannt (Weitemeyer NZG 2020, 574f; Markworth NZG 2021, 104). Dem Vorschlag, ein Register mit Publizitätswirkungen einzuführen, kommt das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts 226
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Juristische Personen – Stiftungen
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durch Einrichtung eines Stiftungsregisters beim Bundesamt der Justiz nach, die entspr Vorschriften treten allerdings erst zum 1.1.2026 in Kraft, ebenso wie das Stiftungsregistergesetz. Dieses regelt im Wesentlichen die Voraussetzungen für die Eintragung einer Stiftung sowie das Verfahren bei Eintragungen und Löschungen und die Festsetzung eines Zwangsgeldes bei fehlender oder unrichtiger Eintragung. Nach den Neuregelungen des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts ist eine Stiftung zur Eintragung in das Stiftungsregister anzumelden (§ 82b nF) und sodann mit einem Namenszusatz („eingetragene Stiftung“ bzw „e.S.“ oder „eingetragene Verbrauchsstiftung“ bzw „e.VS.“) zu führen (§ 82c nF). Dabei soll der Anmeldung das Stiftungsgeschäft beizufügen sein. Zudem sind jegliche Änderungen beim Vorstand oder bei besonderen Vertretern (§ 84d nF) sowie Satzungsänderungen (§ 85b nF), die Zulegung und Zusammenlegung (§ 86i nF) und die Auflösung und Aufhebung (87d nF) einer Stiftung in das Stiftungsregister einzutragen. Nach § 15 StiftRG nF soll die Einsichtnahme in das Stiftungsregister sowie in die zum Stiftungsregister eingereichten Dokumente jedermann gestattet sein. § 82d nF spricht Eintragungen in das Stiftungsregister einen den Rechtswirkungen von § 15 HGB vergleichbaren Vertrauensschutz zu. Eine Kommentierung der vorgenannten, erst 2026 in Kraft tretenden Vorschriften bleibt der Folgeauflage vorbehalten. Die §§ 80–88 regeln allein die selbständige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie enthalten eine abschließende 4 Regelung des materiellen Stiftungsrechts. Hinsichtl des Anerkennungs- und Aufsichtsverfahrens finden sich weitere Regelungen in den Landesstiftungsgesetzen, die seit der Stiftungsrechtsreform 2002 zwischenzeitl ebenfalls angepasst worden sind. Der Bundesgesetzgeber hat sich trotz frühen Bestrebens hinsichtl eines einheitlichen Stiftungsrechts auch außerhalb des BGB bislang nicht zu einem einheitlichen bundesrechtl Verfahren bewegen lassen (zur Diskussion Rawert/Hüttemann ZIP 2002, 2019ff; Peiker ZSt 2003, 47ff, 79ff; Backert/Carstensen ZIP 2003, 284ff). Es bleibt abzuwarten, ob eine entspr Kodifizierung Bestandteil der zu erwartenden weiteren Änderungen des Stiftungsrechts wird. Zzt gelten folgende Landesstiftungsgesetze: BaWüStiftG idF v 16.12.2003 (GVBl 720), zuletzt geändert durch VO v 23.2.2017 (GBl 99); BayStiftG idF v 26.9.2008 (GVBl 834), zuletzt geändert durch VO v 26.3.2019 (GVBl 98), Komm von Voll/Störle, 6. Aufl 2016; StiftG Bln idF v 22.7.2003 (GVBl 293) zuletzt geändert durch G v 22.1.2021 (GVBl 75); StiftGBbg v 20.4.2004 (GVBl 150), zuletzt geändert durch G v 8.5.2018 (GVBl I/18, Nr 8, 3), Komm von Fritsche 2007; BremStiftG v 7.3.1989 (GBl 163), zuletzt geändert durch Geschäftsverteilung des Senats v 2.8.2016 (GBl 434); HbgStiftG v 14.12.2005 (GVBl 521); HessStiftG v 4.4.1966 (GVBl I, 77), zuletzt geändert durch G v 23.6.2020 (GVBl 430); MecklVPStiftG v 7.6.2006 (GVBl 366), zuletzt geändert durch G v 15.11.2012 (GVOBl 502, 503); NdsStiftG 24.7.1968 (GVBl 119), zuletzt geändert durch G v 25.6.2014 (GVBl 168); StiftG NRW v 15.2.2005 (GVBl 52), zuletzt geändert durch ÄndG v 9.2.2010 (GV NRW 112); LStiftG Rh-Pf v 19.7.2004 (GVBl 385); SaarlStiftG v 9.8.2004 (ABl 1825) zuletzt geändert durch G v 15.2.2006 (ABl 474); SchlHStiftG idF v 2.3.2000 (GVBl 208), zuletzt geändert durch G v 23.6.2020 (GVOBl 364); SächsStiftG v 7.8.2007 (SächsGVBl 386), zuletzt geändert durch G v 26.4.2018 (SächsGVBl 198); LSAStiftG v 20.1.2011 (GVBl LSA), zuletzt geändert durch G v 17.6.2014 (GVBl 341); ThürStiftG v 16.12.2008 (GVBl 561), zuletzt geändert durch G v 6.6.2018 (GVBl 229). Zum ThürStiftG O. Werner ZSt 2009, 3. Die Stiftungsgesetze der Länder können mangels Gesetzgebungskompetenz keine materiell-rechtl Regelungen treffen und haben sich auf das Anerkennungsverfahren und die Stiftungsaufsicht als Rechtsaufsicht zu beschränken (Schlüter/Stolte Kap 3, 1; Achilles ZRP 2002, 23). Krit Otte, FS O. Werner, 2009, 75ff; umfassend zu Inhalt und Kompetenz der Landesstiftungsgesetze Hüttemann/Richter/Weitemeyer, Landesstiftungsrecht, 2011. II. Abgrenzung. Die Abgrenzung zu anderen Instituten ist wegen Ineinandergreifens privat- und öffentlich- 5 rechtl Regelungen und der durch Landesrecht und Anerkennungspraxis teilw eingeschränkten Verwendungszwecke der rechtl selbständigen Stiftung schwierig. Der Name „Stiftung“ für Institutionen ist nicht auf die selbständigen Stiftungen iSd §§ 80–88 beschränkt. Er ist nicht für diese Stiftungsform ieS geschützt. Insb aus „Imagegründen“ bezeichnen sich auch Vereine oder Kapitalgesellschaften als Stiftungen (zB Robert-Bosch-Stiftung GmbH, Kinderhilfestiftung eV). Trotz entspr Anregungen (so bereits Saenger, FS O. Werner, 2009, 165ff) hat der Gesetzgeber bislang nicht die gewünschte Klarheit geschaffen. Die Verwendung des Wortes „Stiftung“ in einer Firma wird jedoch in der Rspr dann für unzulässig gehalten, wenn der Charakter des unter der Firma betriebenen Unternehmens nicht dem einer Stiftung entspricht (Stuttgart NJW 1964, 1231; dazu auch Köln NJWRR 1997, 1531; Brandenburg OLGR 2004, 429). Wird eine Einrichtung in der Rechtsform der GmbH oder des eV als Stiftung bezeichnet, ist dies unzulässig, wenn jeweils ein Zusatz fehlt, der die tatsächliche Rechtsform klarstellt und es dadurch zu einer Täuschung des Rechtsverkehrs im Hinblick auf die Rechtsform kommen kann (BayObLG NJW 1973, 249). Ausf zur Problematik der „Stiftungs-GmbH“ Wagner GmbHR 2016, 858. 1. Unselbständige Stiftung. Die rechtl selbständige Stiftung iSd §§ 80ff ist von der unselbständigen oder fi- 6 duziarischen Stiftung zu unterscheiden. Als unselbständige Stiftung definiert man die Zuwendung von Vermögenswerten an eine juristische oder natürliche Person mit der Vorgabe, die zugewendeten Vermögenswerte dauerhaft als Sondervermögen getrennt von Eigenvermögen zur Verwirklichung des vom Stifter bestimmten Zwecks zu verwenden (ähnl Herzog, Die unselbständige Stiftung bürgerlichen Rechts, 2006, 26). Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist daher die Rechtsfähigkeit: Da es der unselbständigen Stiftung hieran fehlt, kann sie nicht selbst Trägerin des Stiftungsvermögens sein und zB auch nicht beteiligungsfähig iSv § 61 VwGO (BVerwG ZStV 2015, 59). Es bedarf immer eines Dritten, der Rechtsträger der unselbständigen Stiftung ist (zB eine selbständige Stiftung). Als unselbständige Stiftung werden auch Zuwendungen verstanden, mit denen nicht ein bestimmter Zweck auf Dauer verfolgt wird, sondern die in bestimmten Zeitabschnitten idR rasch verbraucht werden (sog unechte unselbständige Stiftung). Ausf zur Struktur der unselbständigen Stiftung A. Werner ZSt 2008, 51ff. Auch Wiese
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unselbständige Stiftungen können als solche des Privatrechts und des öffentlichen Rechts begründet werden (zu den unselbständigen Stiftungen des öffentlichen Rechts O. Werner, FS Frotscher, 2007, 461). Auf die unselbständige Stiftung sind §§ 80ff nicht anwendbar (RGZ 88, 335, 339), vielmehr gilt Schuld- bzw Erbrecht (RGZ 105, 305, 308) unter Beachtung der Besonderheiten der jew Stiftung. Indes dürfte die praxisübliche Ausrichtung der „Satzungen“ unselbständiger Stiftungen an den Formulierungen der Satzungen rechtsfähiger Stiftungen zumindest gewisse Reflexwirkungen für unselbständige Stiftungen haben (Schwalm NotBZ 2022, 81). Die unselbständige Stiftung ist mangels Stiftungseigenschaft nicht der Anerkennung durch die staatliche Anerkennungsbehörde unterworfen, allerdings sehen die Landesstiftungsgesetze teilw (zB § 3 StiftG NRW) eine Kompetenz der Stiftungsaufsicht zur Klärung von Statusfragen vor. Unselbständige Stiftungen können durch Rechtsgeschäft zu Lebzeiten errichtet werden, aber auch durch letztwillige Verfügung, also von Todes wegen (zu letzterem s ausf Lange ZErb 2013, 324; Muscheler ZEV 2014, 573; zur Abgrenzung zw selbständiger und unselbständiger Stiftung Hamm ZErb 2012, 195). Nach Ansicht des OLG München (ZEV 2014, 605) soll die Auswahl des Stiftungsträgers und die inhaltliche Ausgestaltung der Satzung im Falle der Errichtung von Todes wegen sogar einem Testamentsvollstrecker überlassen werden können. Die lebzeitige Errichtung einer unselbständigen Stiftung erfolgt durch eine vertragl Vereinbarung zw dem Stifter und dem Rechtsträger. Die unselbständige Stiftung ist damit letztlich nichts anderes als eine schuldrechtl vereinbarte Vermögenstrennung, weshalb auch der Stifter nicht personenidentisch sein kann mit dem Stiftungsträger. Dabei ist str, ob das Stiftungsgeschäft eher als Treuhandvertrag (Schlüter/Stolte Kap 1 Rn 43; Erman/O. Werner14), als Schenkung unter Auflage (vgl auch Celle ZStV 2016, 215) oder auch als eine Kombination aus beidem (Hübner/Currle/Schenk DStR 2013, 1967) eingeordnet werden kann. Richtigerweise dürfte sich eine pauschale Einordnung verbieten, stattdessen ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Stiftungsgeschäfts sowohl eine Treuhandstiftung als auch eine Auflagenstiftung und selbst ein typengemischter Vertrag denkbar (Richter/Godron § 17 Rn 76ff). Regelmäßig liegt dem Vertrag zudem ein Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis zw Stifter und Stiftungsträger zugrunde, aus dem etwa Auskunftsund Rechnungslegungsansprüche des Stifters (und seiner Erben) resultieren (Naumburg NZG 2014, 470, dazu auch Graewe/Bott BB 2015, 919, 921f). Bei mehreren Stiftern als Treugeber ist der Stiftungsträger grds nicht an einseitige Weisungen eines einzelnen Stifters gebunden (BGH NZG 2015, 264). An der fehlenden Rechtsfähigkeit der unselbständigen Stiftung ändert dies nichts. Soweit teilw eine Teilrechtsfähigkeit der fiduziarischen Stiftung befürwortet wird (dazu Elicker ZStV 2012, 135, 169), ist dies mit den Eigenheiten auch einer durch Treuhandvertrag errichteten unselbständigen Stiftung nicht vereinbar (vgl auch Naumburg NZG 2014, 470). Folgerichtig hat das VG Karlsruhe (ZStV 2011, 224) einer unselbständigen Stiftung die Gewerbeerlaubnis versagt und das BVerwG (ZStV 2015, 59) die Beteiligungsfähigkeit iSv § 61 VwGO verneint. Eine Einordnung der unselbständigen Stiftung als GbR (vgl Bruns JZ 2009, 840ff) mit der Konsequenz der Rechtsfähigkeit dürfte im seltensten Fall mit den Interessen der Beteiligten übereinstimmen. Stiftungsträger ist (wegen der Dauerhaftigkeit) regelmäßig eine juristische Person des privaten oder des öffentlichen Rechts. Aber auch natürliche Personen sind als Stiftungsträger nicht ausgeschlossen. Zwingende Voraussetzung für die Existenz einer unselbständigen Stiftung ist neben der Person des Stiftungsträgers das Stiftungsvermögen oder zumindest eine gesicherte Anwartschaft des Stiftungsträgers hierauf (BayObLG 72, 343). Das Stiftungsvermögen muss vom Stiftungsträger nach Maßgabe des Stiftungszwecks gehalten und verwendet werden (Hamburg NJW-RR 1986, 1305). Bei treuhänderischer Übertragung des Stiftungsvermögens ist eine weitgehende Bindung des Stiftungsträgers möglich. Im Stiftungsgeschäft können Vorkehrungen für die Stiftungsorganisation getroffen werden. So können auch für eine unselbständige Stiftung (in einer eigenen „Satzung“) ein Beirat geschaffen und Regelungen für die Abstimmung zw Stiftungsträger bzw dessen Organen und dem Beirat vorgesehen werden. Hinsichtl des Stiftungszwecks bestehen keine Unterschiede zw selbständiger und unselbständiger Stiftung. Auch bei letzterer sind grds alle Zweckbestimmungen denkbar, soweit diese nicht gesetzoder sittenwidrig sind. Bei der unselbständigen Stiftung empfiehlt es sich umso mehr, besondere Vorkehrungen für Satzungsänderungen, insb für Änderungen des Stiftungszwecks zu treffen. Fehlen solche Regelungen, sind Änderungen zu Lebzeiten des Stifters unproblematisch durch eine Änderung des schuldrechtl Stiftungsgeschäfts möglich. Probleme können sich aber ergeben, wenn zB die Erben des Stifters unauffindbar sind. In solchen Fällen dürfte aufgrund der fortbestehenden schuldrechtl Verpflichtung des Stiftungsträgers eine einseitige Änderung durch diesen ausscheiden. Die für den Fall der Unmöglichkeit der Zweckverfolgung oder der Gemeinwohlgefährdung teilw empfohlene Analogie zu § 87a (Grü/Ellenberger Rn 10; auch noch Erman/O. Werner14) muss indes schon mangels vergleichbarer Interessenlage ausscheiden, da es der unselbständigen Stiftung gerade an Rechtsfähigkeit fehlt und maßgeblich immer das schuldrechtl Stiftungsgeschäft zw Stifter und Stiftungsträger ist. Jede Einflussnahme der Stiftungsaufsicht (für die sich iÜ schon aus den Landesstiftungsgesetzen keine Grundlage ergibt) wäre daher rechtswidrig und von den Beteiligten ggf auf dem Verwaltungsrechtsweg angreifbar (v Campenhausen/Richter/Hof § 36 Rn 176, 177). 2. Sammelvermögen. Das Sammelvermögen (vgl § 1914) hat ebenso wie die unselbständige Stiftung keine eigene Rechtspersönlichkeit (Grü/Ellenberger Rn 11). Es unterscheidet sich von ihr durch das Fehlen eines dauerhaften Zwecks (Staudinger/Hüttemann/Rawert Rn 405). Sammelvermögen entsteht durch Beiträge der Spender zu einem vom Veranstalter der Sammlung gegebenen Verbrauchszweck. Das Sammelvermögen kann als GbR einzuordnen sein, wobei die Anwendung der §§ 705ff den spezifischen Gegebenheiten des Sammelvermögens Rechnung zu tragen hat. Diese Einordnung ist jedoch abhängig von einer Gemeinsamkeit hinsichtl des Zwecks 228
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Juristische Personen – Stiftungen
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der Sammlung (zB keine GbR zw Rotem Kreuz und Sammler). Differenziert je nach Zweck der Veranstaltung und nach dem Veranstalter selbst sind auch die Eigentumsverhältnisse an dem Sammelvermögen zu betrachten. IdR wird es fiduziarisches Eigentum des Veranstalters oder der Gesellschaft der Sammler (dazu Staudinger/Hüttemann/Rawert Rn 406). Möglich ist aber auch, dass das Eigentum bei den Spendern verbleibt, bis es zweckgerecht verwendet wird (RGZ 62, 386, 391; Grü/Ellenberger Rn 11). 3. Zustiftung. Unter Zustiftungen versteht man Vermögenswerte, die der Stifter oder Dritte der Stiftung zu- 10 wenden, um den Grundstock zu erhöhen (ausf A. Werner Stiftung & Sponsoring, 2011, 44). Die Zustiftung erfolgt durch zweiseitiges Rechtsgeschäft zw dem Zustifter und der Stiftung. Die Zustiftung ist eine (zweckgebundene) Schenkung, die weder stiftungsbegründenden noch fiduziarischen Charakter hat, sondern die Stiftung bereichern und gleichzeitig in der Verwendung binden soll. Auch die Zweckbindung der Zustiftung ändert nichts an ihrer Unentgeltlichkeit. Abzugrenzen ist die Zustiftung von der Spende, die nicht dem unantastbaren Grundstockvermögen, sondern dem sofort verbrauchbaren Verwaltungsvermögen zufließt. Ob Zustiftung oder Spende vorliegt, bestimmt grds der Zuwendende. Es empfiehlt sich jedoch, in der Satzung eine Regelung (etwa zugunsten des Grundstockvermögens) festzulegen für den Fall, dass der Zuwendende keine ausdrückl Bestimmung trifft. Beide Zuwendungen, Spende und Zustiftung, sind Schenkungen iSd §§ 516ff und unterfallen dem Pflichtteilergänzungsanspruch des § 2325 (Lieder ZSt 2004, 74; BGH ZEV 2004, 115; Matschke ZSt 2004, 263; aA Neuhoff ZSt 2004, 90; Dresden NJW 2002, 3181) und dem Zugewinnausgleich gem § 1375 II 1 Nr 1 (zu beiden ausf O. Werner ZSt 2005, 83; O. Werner, FS D. Schwab, 2005, 581 jew mwN). III. Arten und Erscheinungsformen von Stiftungen. 1. Öffentlich-rechtliche bzw Öffentliche Stiftungen Schrifttum: Bellezza/Kilian/Vogel, Der Staat als Stifter, Stiftungen als Public-Private-Partnerships im Kulturbereich, 2003, darin: Stiftungserrichtung durch die öffentliche Hand, S 11; Fiedler, Die staatliche Errichtung von Stiftungen als verfassungswidrige Formenwahl des Bundes, ZSt 2003, 191; Gemmerich/Kins, Compliance in öffentlich-rechtlichen Stiftungen, LKV 2016, 257; Kilian, Inhalt und Grenzen staatlicher Organisationshoheit in Bezug auf staatliche Stiftungen, ZSt 2003, 179; Rawert, Vom Umgang des öffentlichen Rechts mit der Stiftung des BGB, JöR 65 (2017), 109; Stettner, Die Stiftung des öffentlichen Rechts – Rechtsnatur, Zweckbestimmung, Nutzbarkeit für den öffentlich-rechtlichen Bundes- und Landesrundfunk, ZUM 2012, 202.
a) Öffentlich-rechtl Stiftung. Die öffentlich-rechtl Stiftung ist eine von drei juristischen Personen des öffent- 11 lichen Rechts (neben der Körperschaft des öffentlichen Rechts und der Anstalt des öffentlichen Rechts). Die Unterscheidung zw privatrechtl und öffentlich-rechtl Stiftung ist oft schwierig (Flume Die juristische Person, § 4 V 1; Reuter FS Schmidt-Jortzig, 2011, 783), denn beide erfordern neben dem Stiftungskapital eine Zweckerfüllung aus den Erträgen, sodass über die Zuordnung lediglich die Art der Entstehung entscheidet. Die Stiftung des Privatrechts entsteht neben der Anerkennung durch privatrechtl Willenserklärung des Stifters (dies kann auch die öffentliche Hand sein; dazu Bellezza/Kilian/Vogel/Kilian 11–134; M. Kilian ZSt 2003, 179; Fiedler ZSt 2003, 191), die des öffentlichen Rechts durch Gesetz oder Verwaltungsakt. In der historischen Entwicklung ist dies jedoch nicht immer sauber durchgeführt worden. Die Eingliederung in die öffentliche Ordnung und die Übernahme öffentlicher Aufgaben ist daher ebenso wenig wie die Zuordnung des Stifters (Privatperson/öffentliche Hand) oder die Bezeichnung in der Anerkennungsurkunde (VG Ansbach 7.10.2015 – AN 11K 14.01842) ein brauchbares Abgrenzungskriterium. Lediglich aus den Gesamtumständen lässt sich eine Zuordnung folgern (BVerfGE 15, 46; BGH WM 1975, 198; BFH BB 2003, 993; OVG Münster DÖV 1985, 983; Grü/Ellenberger Rn 9, O. Werner, FS Frotscher, 2007, 463ff). Die öffentlich-rechtl Stiftung zeichnet sich dadurch aus, dass sie hoheitliche Befugnisse wahrnehmen kann (Schlüter/Stolte Kap 1 Rn 56) und vor allem dadurch, dass es in der Sache um mittelbare Staatsverwaltung geht (BVerfGE 15, 46, 66). Ist eine ältere Stiftung schon immer als Stiftung des öffentlichen Rechts behandelt worden, bleibt diese Einordnung ohne Rücksicht auf den Entstehungsvorgang erhalten (Grü/Ellenberger Rn 9; BVerfGE 15, 46, 66). Zu den Strukturen öffentlich-rechtl Stiftungen Peiker ZStV 2015, 68ff. Eine einheitliche Kodifizierung für öffentlich-rechtl Stiftungen existiert nicht. Teilw enthalten die Landestiftungs- 12 gesetze jedoch auch Regelungen über öffentlich-rechtl Stiftungen (zB §§ 17ff StiftG BW; Art 1 II, 3 II BayStG). §§ 80ff gelten für die öffentlich-rechtl Stiftung nicht, die landesstiftungsrechtl Regelungen verweisen jedoch teilw auf das bürgerliche Recht (zB Art 3 II 1 BayStG). b) Öffentliche Stiftung. Die sog öffentliche Stiftung dagegen ist eine Stiftung des Privatrechts und im Gegensatz 13 zur privatnützigen eine gemeinnützige, die dem kulturellen, sozialen, wissenschaftlichen, sportlichen oder wirtschaftl Wohl der Allgemeinheit dient (zB Art 1 BayStG; Richter/v Campenhausen/Stumpf § 1 Rn 18). Stifter einer öffentlichen Stiftung muss aber nicht zwangsläufig die öffentliche Hand sein, wenn dies auch häufig der Fall sein wird. 2. Familienstiftungen Schrifttum: Beltenberg/Hunius, Die „Stifterrente“ oder die Versorgung des Stifters und seiner nächsten Angehörigen durch eine gemeinnützige Stiftung, ZStV 2012, 187; Boving, Die Stiftung als Instrument der Nachlassgestaltung in Österreich und Deutschland, ZErb 2017, 153; Förster, Stiftung und Nachlass, 3. Aufl 2010; Freye/Heuser, Die deutsche Familienstiftung – steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten für Familienvermögen, BB 2011, 983; Frieling, Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung im Rahmen von Vermögensübertragungen auf Familienstiftungen, DB 2017, 317; v Oertzen/Reich Die unternehmensverbundene Familienstiftung als Trägerin von Sondervermögen verschiedener Stifter – Anwendung der Steuerklasse I, DStR 2019, 317; v Oertzen/ Reich, Postmortale Verschonungsoptimierung durch die Familienstiftung von Todes wegen?, BB 2018, 1367; Rawert, Die Stiftung als Familiengesellschaft(?) – Zur Virtualisierung gesellschaftsrechtlicher Strukturen durch das Stiftungsrecht, ZGR 2018, 835; Rücker, Unter welchen Voraussetzungen haben Destinatäre einer rechtsfähigen Familienstiftung einen Anspruch gegen die
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Personen
Stiftung auf Leistungen?, ZEV 2018, 451; Theuffel-Werhahn, Familienstiftungen als Königsinstrument für die Nachfolgeplanung aufgrund der Erbschaftsteuerreform, ZEV 2017, 17; Werder/Wystrcil, Familienstiftungen in der Unternehmensnachfolge, BB 2016, 1558; Werkmüller, Die „Familienstiftung & Co. KG“ als Instrument der „kontrollierten“ Vermögensnachfolge, ZEV 2015, 522; Werkmüller, Übertragung von Unternehmensanteilen auf eine Familienstiftung, ZEV 2018, 446.
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Die Familienstiftung ist eine besondere Erscheinungsform der Stiftung, deren Destinatäre ausschließlich oder überwiegend die Mitglieder einer oder mehrerer Familien sind. Ihr Stiftungszweck ist die Förderung der (nicht notwendig materiellen) Interessen eines oder mehrerer Familienmitglieder (v Löwe Familienstiftung und Nachfolgegestaltung, 1999, 17). Als Zweck kann der Stifter etwa festsetzen, allen Destinatären nach einem bestimmten Schlüssel Unterhaltszahlungen zukommen zu lassen. Der Stifter ist frei darin, den Kreis der Destinatäre zu bestimmen, er kann auch „willkürlich“ Voraussetzungen für eine Begünstigung aufstellen. Die Familienstiftung ist vor allem für Unternehmer interessant. Denn sie bietet dem Stifter die Möglichkeit, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und dieses vor einer Zersplitterung zu schützen und dabei zugleich die Familie in finanzieller Hinsicht abzusichern. Hierbei können Einflussnahmemöglichkeiten der Familienmitglieder – je nach Vorstellung des Stifters – entweder abgesichert (zB durch Mitsprache der Destinatäre bei der Besetzung der Stiftungsorgane) oder vollständig ausgeschlossen werden (Familienmitglieder als reine Destinatäre ohne Mitspracherechte). Familienstiftungen können daher helfen, Streit unter Erben zu vermeiden und werden auch häufig im Zusammenhang mit unternehmerischen Nachfolgeüberlegungen errichtet. Zur unternehmensverbundenen Stiftung s Rn 22ff. Wegen der Privatnützigkeit sind mittlerweile in den meisten Bundesländern die Familienstiftungen nur noch eingeschränkt aufsichtsbedürftig (zB § 6 III StiftG NRW, § 13 II StiftG BW, Art 10 I 1 BayStG, § 21 II HessStiftG, § 9 I 2RhPfStiftG, § 10 II NdsStifG, § 19 SchlHStiftG, § 17 BremStiftG, § 5 I 2 HbgStiftG, § 14 II,). Zur Sonderform der Fideikommissauflösungsstiftung s Grü/Ellenberger § 80 Rn 8. Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht versteht unter einer Familienstiftung eine Stiftung, die wesentlich im Interesse einer oder mehrerer Familien errichtet worden ist. Dies soll der Fall sein, wenn der Stifter, seine Angehörigen und dessen Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind oder wenn sie zwar zu nur einem Viertel bezugs- oder anfallsberechtigt sind, jedoch zusätzl ein wesentliches Familieninteresse zB durch wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung gegeben ist (R E 1.2 ErbStR 2011). Familienstiftungen sind hinsichtl der Übertragung des Vermögens auf die Stiftung begünstigt. Dafür unterliegt die Familienstiftung mit Sitz in Deutschland der sog Erbersatzsteuer gem § 1 I Nr 4 ErbStG, allerdings nur wenn es sich dabei um eine rechtsfähige Stiftung handelt (BFH GmbHR 2017, 495; aA zuvor FG Köln DStRE 2016, 1304). Danach wird das Vermögen der Familienstiftung alle 30 Jahre besteuert (Schienke-Ohletz/Mehren ZStV 2022, 4). Das BVerfG hat diese Besteuerung für verfassungsgemäß erklärt (BVerfG NJW 1983, 1841 gegen FG Düsseldorf BB 1982, 483). Die Vorteile einer steuerbegünstigten Stiftung können mit der Versorgung des Stifters und dessen nächsten Angehörigen verbunden werden, vgl § 58 Nr 6 AO. So kann die Stiftung bis zu einem Drittel ihres Einkommens dem Stifter und seinen nächsten Angehörigen zukommen lassen, ohne die steuerlichen Vorteile der Gemeinnützigkeit zu gefährden (zum Ganzen Feick/Ponath, Stiftung als Nachfolgeinstrument, § 18). Zur zeitl Grenze der steuerlichen Vorteile bei gemeinnützigen Stiftungen von Todes wegen s FG Münster ZEV 2018, 230. 3. Kommunale Stiftungen, Bürgerstiftungen Schrifttum: Bertelsmann Stiftung, Handbuch Bürgerstiftungen, 2004; Denecke, Die rechtliche Bedeutung der kommunalen Stiftung – Eine Analyse am Beispiel der Entwicklung des Stiftungswesens in Ostdeutschland, FS O. Werner, 2004, 97; Lüdtke, 10 Merkmale einer Bürgerstiftung, ZStV 2013, 238; Martini, Kommunale Stiftungen, in Hüttemann/Richter/Weitemeyer, Landesstiftungsrecht, 2011, 849; Schulte/Herbrich, Die Errichtung privatrechtlicher Stiftungen durch kommunale Gesellschaften, ZStV 2014, 1; R. Werner, Kommunale Stiftungstätigkeit und ihre Schranken, NVwZ 2013, 1520.
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Stiftungen, deren Zwecke im Aufgabenbereich einer kommunalen Körperschaft liegen und die von dieser errichtet werden, können ebenfalls als privatrechtl Stiftungen iSd §§ 80–88 errichtet werden. Solche Stiftungen gewinnen in der kommunalen Praxis zunehmend an Bedeutung (Schulte/Herbrich ZSTV 2014, 2). Auch für diese Stiftungen gilt der Anerkennungsanspruch aus § 80 II 1 (VG Münster ZStV 2010, 149). Allerdings sind bestehende kommunalrechtl Regelungen zu beachten. So darf zB gem § 100 III GO NRW kommunales Vermögen nur im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Gemeinde und nur dann in Stiftungsvermögen eingebracht werden, wenn der mit der Stiftung verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Bei dieser Regelung handelt es sich um ein Verbotsgesetz iSv § 134, welches im Rahmen der Anerkennungsentscheidung durch die Stiftungsaufsicht zu berücksichtigen ist (OVG Münster DVBl 2013, 449; ausf dazu Schulte/Herbrich ZStV 2014, 1ff). Keine kommunalen Stiftungen, wohl aber meist Stiftungen mit kommunalem Bezug, sind die Bürgerstiftungen, die aktuell und in letzter Zeit auf zunehmendes Interesse gestoßen sind. Bürgerstiftungen sind Ausdruck privaten bürgerlichen Engagements. Mit ihrem lokal begrenzten, sozialen und kulturellen Wirkungsfeld haben sie als gemeinnützige Institutionen zum Ziel, Bürger und Unternehmen zu mehr Mitverantwortung für die Gestaltung ihres Gemeinwesens zu mobilisieren. Dafür dienen diese Stiftungen als Sammelbecken für Spenden und Zustiftungen (Bertelsmann Stiftung, Hdb Bürgerstiftungen, 2004). Bürgerstiftungen sehen häufig eine Einbeziehung der stiftenden Bürger und Unternehmen in die Organisation der Stiftung vor, etwa durch eine Stiftungsversammlung oder einen Stifterrat. Bürgerstiftungen haben daher durchaus ein körperschaftliches Element, dem uU sogar mit der Wahl der Rechtsform eines eV eher Rechnung getragen werden könnte.
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Juristische Personen – Stiftungen
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4. Kirchliche Stiftungen Schrifttum: Achilles, Stiftungsrechtsreform und kirchliche Stiftungen (Teil 1), npoR 2021, 161; Andrae, Merkmale kirchlicher Stiftungen ZStV 2014, 34; v Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl 2006; Hörstrup, Maßstab kirchlicher Stiftungsaufsicht – Staatliche Anforderungen an das kirchliche Stiftungsaufsichtsrecht am Beispiel Nordrhein-Westfalen, KuR 2018, 104; Joussen, Vertragsänderungen und die Beteiligung der Mitarbeitervertretung in Stiftungen unter Geltung eines kirchlichen Arbeitsrechts, FS O. Werner, 2009, 346; Mummenhoff, Zustiftungen zu katholischen Sammelstiftungen, FS O. Werner, 2009, 333.
Stiftungen mit einer kirchlichen oder religiösen Zwecksetzung können grds entweder als privatrechtl Stiftungen 19 iSd §§ 80ff oder aber als „kirchliche“, dh dem kirchlichen Sonderrecht unterfallende Stiftungen errichtet werden. Eine einheitliche Definition für kirchliche Stiftungen im letzteren Sinne existiert nicht. Versucht man aus den Regelungen der Landesstiftungsgesetze eine einheitliche Definition herauszulesen, so könnte man unter einer kirchlichen Stiftung eine solche verstehen, die ausschließlich oder überwiegend kirchliche Aufgaben erfüllt und eine besondere organisatorische Verbindung zur Kirche aufweist (Richter/v Campenhausen/Stumpf § 1 Rn 22). Teilw wird zusätzl oder alternativ darauf abgestellt, dass eine kirchliche Stiftung als solche von der zuständigen Kirchenbehörde anerkannt sein muss (§ 2 III HambStiftG) oder dass die Aufsicht durch die Kirchenbehörde ausgeübt wird (zB § 13 IV StiftG NRW). Zur Vorrangigkeit des statusrechtl Verfahrens gem § 22 HessStiftG bei Zweifeln über das Vorliegen einer kirchlichen Stiftung s VG Gießen 12.11.2013 – 8 K 818/13 GI. Die rein kirchliche Stiftung unterliegt der Fach- und Rechtsaufsicht der nach Kirchenrecht zuständigen kirchli- 20 chen Behörden. Sie sind von der staatlichen Aufsicht ganz oder weitgehend zugunsten der kirchlichen Aufsicht befreit (ausf MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 160f), da den Kirchen weitgehend das Recht zusteht, ihre Angelegenheiten frei zu ordnen und zu verwalten (Art 140 GG iVm Art 138 II, 137 III WRV; vgl auch BVerfG NJW 1980, 1895). Privatrechtl Stiftungen können aufsichtsrechtl den kirchenrechtl Stiftungen (weitgehend) gleichgestellt werden, wenn sie nach dem Willen des Stifters kirchlichen Zielen dienen und einer kirchlichen Stiftungsaufsicht unterliegen sollen. Solche Stiftungen sind organisatorisch mit einer Religionsgemeinschaft mehr oder weniger eng verbunden (vgl BVerfGE 46, 73, 83f). Eine Eigenstiftung ist eine kirchenhistorisch zu sehende Separierung eines Vermögens, das in der Verfügungs- 21 gewalt des Stifters verbleibt, aber an die Verwendung zum Stiftungszweck gebunden ist (dazu Liermann S 65f, 70f). 5. Unternehmensverbundene Stiftungen Schrifttum: Bork, Ausschüttungsbemessung des Stiftungsunternehmens, ZSt 2003, 14; Brandmüller/Klinger, Unternehmensverbunde Stiftungen, 4. Aufl 2014; Feick, Stiftung als Nachfolgeinstrument, 2015; Hüttemann, Unternehmensnachfolge mit Stiftungen, DB 2017, 591; Ihle, Stiftungen als Instrument der Unternehmens- und Vermögensnachfolge, RNotZ 2009, 557, 621; Lüdicke/Oppel, Stiftungen in der Nachfolgegestaltung: Neue Einsatzmöglichkeiten aufgrund der Neuregelung des Unternehmenserbschaftsteuerrechts, BB 2017, 2646; 165; Schiffer, Unternehmensnachfolge mit Stiftungen, ZErb 2014, 337; Schiffer/ Pruns, Die unternehmensverbundene Stiftung – ein Überblick zur vielfältigen Praxis, BB 2013, 2755; O. Schmidt, Die Errichtung von Unternehmensträgerstiftungen durch Verfügung von Todes wegen und Testamentsvollstreckung, ZEV 2000, 438; Soeffing/Henrich, Die gemeinnützige Stiftung als Unternehmensnachfolger, BB 2016, 1943; Stolte, Stiftungen in der Vermögensnachfolgeplanung, notar 2015, 311; Theuffel-Werhahn, Trägt die Stiftungsrechtsreform die „Stiftung § Co. KG“ zu Grabe?, ZStV 2022, 43; Werder/Wystrcil, Familienstiftungen in der Unternehmensnachfolge, BB 2016, 1558; Werkmüller, Die „Familienstiftung & Co. KG“ als Instrument der „kontrollierten“ Vermögensnachfolge, ZEV 2015, 522; O. Werner, Perpetuierung einer GmbH durch Stiftungsträgerschaft, GmbHR 2003, 331; Werner, Der BFH äußert sich zur Stiftung & Co. KG, NZG 2022, 1244.
a) Allgemeines. Bei den unternehmensverbundenen Stiftungen wird unterschieden zw der Unternehmensträ- 22 gerstiftung, die selbst Rechtsträger eines Unternehmens ist, und der Beteiligungsträgerstiftung, die (gleich einer Holdinggesellschaft) Gesellschaftsanteile am eigentlichen Unternehmensträger hält. Die Stiftung & Co (KG) und auch die Doppelstiftung sind keine Sonderformen der Stiftung, binden die Stiftung aber in besonderer Form in gesellschaftsrechtl Strukturen ein. An der grds Zulässigkeit sowohl von Beteiligungsträger- als auch von Unternehmensträgerstiftungen bestehen heute nach ganz hM zu Recht keine Zweifel mehr (Grü/Ellenberger § 80 Rn 9; Richter/Richter § 10 Rn 127ff; Brandmüller/Klinger S 21ff; krit MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 201ff). Problematisch sind lediglich Gestaltungen, bei denen die Stiftung keinen (externen) Zweck verfolgt, sondern ausschließlich auf die Führung eines Unternehmens gerichtet ist. Denn bei einer solchen Stiftung wäre letztlich unklar, welchem Zweck das Stiftungsvermögen und dessen Erträge zugutekommen sollen (Ihle RNotZ 2009, 621, 622). Eine solche Selbstzweckstiftung ist nach hM unzulässig, ihr wäre seitens der Stiftungsaufsicht die Anerkennung zu versagen (§ 81 Rn 12; für die Zulässigkeit einer Unternehmensselbstzweckstiftung s aber Geck ZEV 2015, 401, 402). Selbstverständlich darf die Unternehmensführung aber Nebenzweck der Stiftung sein (Richter/Richter § 10 Rn 133a), wenn zB klargestellt ist, zu welchem Zweck die Erträge des Unternehmens verwendet werden sollen. b) Unternehmensträgerstiftung. Die Unternehmensträgerstiftung betreibt unmittelbar ein Unternehmen. Es ist 23 kein separater Rechtsträger zwischengeschaltet, Unternehmen und Stiftung bilden vielmehr eine rechtl Einheit (Hennerkes/Binz/Sorg DB 1986, 2217, 2220). Als juristische Person ist die Stiftung selbst Rechtsträger des Unternehmens und damit Zuordnungssubjekt für alle Rechte und Pflichten. Reine Unternehmensträgerstiftungen sind in der Praxis selten anzutreffen. Auch die häufig als Bsp angeführte Carl-Zeiss-Stiftung ist schon seit längerer Zeit keine Unternehmensträgerstiftung mehr, sondern hat ihre Unternehmen in rechtl selbständige AG überführt. Die Gründe hierfür liegen sicherlich in der im Vergleich doch unflexiblen Struktur der Stiftung, die Kapitalmaßnahmen erschwert und eine gewisse Trägheit mit sich bringt. Zur betriebsverfassungsrechtl Einordnung s Grambow ZStV 2013, 161. Wiese
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c) Beteiligungsträgerstiftung. Im Unterschied hierzu betreibt die Beteiligungsträgerstiftung kein eigenes Unternehmen, sondern ist als Gesellschafterin am eigentlichen Unternehmensträger beteiligt, der wiederum Personen- oder Kapitalgesellschaft ist. Die Beteiligungsträgerstiftung kombiniert die gestalterischen Vorteile der Stiftung aus Sicht des Stifters mit der nötigen unternehmerischen Flexibilität. Beteiligungsträgerstiftungen machen den Großteil der unternehmensverbundenen Stiftungen aus und erfreuen sich im Mittelstand wachsender Beliebtheit. Diese Stiftungsform ist oft als Familienstiftung (uU auch als Doppelstiftung) gestaltet und dient der Perpetuierung eines Unternehmens ebenso wie dem Erhalt für spätere Generationen. Sie kann auch ein geeignetes Nachfolgemodell darstellen, wenn es an geeigneten Unternehmensnachfolgern im Familienkreis fehlt. Die Stiftungssatzung kann zB ein Veräußerungsverbot im Hinblick auf die Anteile am Unternehmen vorsehen oder andere, konkrete Vorgaben für die Unternehmensführung machen. Allerdings muss bereits bei der Gestaltung der Stiftungssatzung unbedingt daran gedacht werden, dass die nötige Flexibilität für die Führung des Unternehmens erhalten bleibt. So können etwa wirtschaftl schwierige Phasen für Kapitalbedarf sorgen, der die Aufnahme von Mitgesellschaftern oder im Extremfall auch einen Verkauf des Unternehmens erzwingt. Zu den Anforderungen an die Gestaltung der Satzung s Werder/Wystrcil BB 2016, 1558; Schiffer/Pruns BB 2013, 2755ff; Richter/Richter § 10 Rn 19ff. Der Einsatz von Stiftungen als Beteiligungsträger erfolgt mitunter auch, um eine unternehmerische Mitbestimmung unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter zu vermeiden, da eine Stiftung (anders als Kapitalgesellschaften) nicht der unternehmerischen Mitbestimmung unterliegt (Stumpf/Suerbaum/ Schulte/Pauli/Pauli Kap F Rn 43ff). d) Stiftung & Co KG. Die Stiftung & Co KG ist ein Sonderfall der Beteiligungsträgerstiftung. In dieser Konstellation übernimmt die Stiftung die Funktion des Komplementärs einer Kommanditgesellschaft, die Familienmitglieder des Stifters werden häufig als Kommanditisten beteiligt. Häufig hält die Stiftung gar keinen oder nur einen Kleinstanteil am Vermögen der KG. Vor dem Hintergrund des Verbots der Selbstzweckstiftung (§ 81 Rn 12) ist zu beachten, dass die Stiftung neben der Übernahme der Geschäftsführung und Vertretung in der KG noch mindestens einen weiteren Zweck aufweisen muss. Je nach Ausgestaltung von Stiftungssatzung und/oder Gesellschaftsvertrag der KG kann die Komplementärstellung der Stiftung entweder dazu dienen, den Familienmitgliedern (oder einzelnen hiervon) die Kontrolle über das Unternehmen zu sichern oder diese weitgehend zu „entmachten“. Die Stiftung & Co KG wird heute von der hM sowohl aus gesellschaftsrechtl als auch aus stiftungsrechtl Sicht für zulässig gehalten (Ihle RNotZ 2009, 639ff; Richter/Richter § 10 Rn 80ff; Brandmüller/Klinger Unternehmensverbundene Stiftungen, 102ff; krit aber MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 203ff). Nach der Gesetzesbegr zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts soll eine Stiftung & Co KG hingegen unzulässig sein, da sich der Zweck einer Stiftung nicht in der bloßen Erhaltung des eigenen Vermögens erschöpfen könne (BTDrs 19/28173, 46); für die Unternehmensleitung als Komplementärin sei die Nutzung eines Vermögens jedoch nicht erforderlich. Hiermit verkennt der Gesetzgeber allerdings, dass der Zweck einer der Stiftung als Komplementärin einer Stiftung & Co KG sich nicht in der bloßen Verwaltung ihres eigenen Vermögens erschöpft, sondern die Stiftung mit ihrem Vermögen gerade der Haftung ggü den Gläubigern der KG nach § 161 II iVm § 128 HGB dient (so auch Werner NZG 2022, 1246). Damit kann die Komplementärstellung in einer KG durchaus die Nutzung eigenen Vermögens erfordern, sodass eine Stiftung & Co KG allein aus diesem Grund keine unzulässige Selbstzweckstiftung trotz fehlender oder nur geringer Kapitalbeteiligung darstellen kann. Ausreichend ist demnach, dass die Nutzung des Vermögens der Zweckverwirklichung dienen kann, zwingend erforderlich ist eine solche Nutzung aber nicht (Ponath/Tolksdorf ZEV 2021, 606; Schauhoff/Mehren/Schienke-Ohletz Kap 3 Rn 5). Darüber hinaus erhält die Stiftung für die Übernahme der Komplementärstellung eine angemessene Haftungsvergütung und kann damit auch durchaus Nutzen aus dem Stiftungsvermögen ziehen (Werner NZG 2022, 1246; MHdB-GesR V/Gummert § 82 Rn 7; Theuffel-Werhahn ZStV 2022, 49). Dies gilt umso mehr im Falle der Nutzungsüberlassung des Stiftungsvermögens an die KG (zB durch Darlehensgewährung), da die Stiftung neben der Haftungsvergütung im Gegenzug auch Zinsen erhält (Theuffel-Werhahn ZStV 2022, 49), oder in dem Fall, dass die Stiftung als Komplementärin auch selbst am Vermögen der unternehmenstragenden KG beteiligt wird. Es ist anerkannt, dass der Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft im Erbfall auch Nachlassbestandteil ist und damit auch „Vermögen“ iSd § 1922 I. Insb kann das Stiftungsgeschäft nach § 80 II 2 auch in einer Verfügung von Todes wegen bestehen, sodass sich die Vermögensbegriffe im Stiftungs- und Erbrecht decken. Damit ist die Komplementärstellung an einer Personengesellschaft auch vom stiftungsrechtl Vermögensbegriff umfasst (Pruns ZErB 2021, 302). Die Grenzen der Zulässigkeit einer Stiftung ergeben sich aus den Voraussetzungen für die Anerkennung nach § 82 S 1, wonach die dauerhafte und nachhaltige Zweckerfüllung gesichert erscheinen muss und die Stiftung das Gemeinwohl nicht gefährden darf. Da ein Verbot der Stiftung & Co KG aber gesetzl nicht normiert ist, kann darin kein Verstoß gegen Verfassungsrecht, die guten Sitten oder allg Gesetze liegen und damit keine Gemeinwohlgefährdung angenommen werden, sodass die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt wären (Theuffel-Werhahn ZStV 2022, 49). Für die Zulässigkeit einer Komplementärsstiftung spricht zudem die Einbeziehung der Stiftung & Co KG in die Publizitätspflichten gem §§ 264a ff HGB mit Inkrafttreten des KapCoRiLiG sowie im Umwandlungsgesetz das Vorsehen einer Vereinbarung der Komplementär- oder Kommanditistenstellung der Stiftung im Ausgliederungsvertrag nach § 135 I 1, § 125 S 1, § 40 I UmwG (Werner NZG 2022, 1247). Auch wurde der Stiftung & Co KG in einigen Gerichtsentscheidungen nicht die Rechts- oder Parteifähigkeit aberkannt (Theuffel-Werhahn ZStV 2022, 50; Werner NZG 2022, 1247). Die Vorteile der Stiftung & Co KG liegen darin, dass diese (anders als eine GmbH & Co KG) derzeit nicht mitbestimmungspflichtig ist, vor allem aber darin, dass sie durch die stiftungsrechtl Eigenart der „Eigentümerlosigkeit“ eine ganz eigene Gestaltungsvariante für die Geschäftsführung in der KG darstellt. Darüber hinaus besteht eine umfassendere 232
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Juristische Personen – Stiftungen
Vor § 80
Haftungsbeschränkung als bei der GmbH & Co KG, da Zuwendungen an die Kommanditisten als Destinatäre in der Praxis zumeist nur aus den Erträgen der Stiftung erfolgen, sodass die §§ 30, 31 GmbHG nicht (analog) anwendbar sind und damit keine Einlagenrückzahlung nach § 172 IV HGB erfolgt ist (Werner NZG 2022, 1244). Die ursprünglichen publizitätsrechtl Vorteile sind hingegen entfallen, seitdem die §§ 264a ff HGB auch für die Stiftung & Co KG gelten. e) Doppelstiftung. Einen weiteren Sonderfall der Beteiligungsträgerstiftung stellt die sog Doppelstiftung dar (zu 26 dieser Gestaltung Theuffel-Werhahn ZStV 2015, 201). Hierunter versteht die Lit eine Konstruktion, in der gleich zwei Stiftungen als Beteiligungsträger eines Unternehmens verwendet werden, und zwar eine steuerlich als gemeinnützig anerkannte Stiftung neben einer (privatnützigen) Familienstiftung (Ihle RNotZ 2009, 634ff; Feick/ Feick, Stiftung als Nachfolgeinstrument, § 3; Richter/Richter § 10 Rn 191ff). Die Einrichtung einer solchen Doppelstiftung kombiniert die Vorteile der Familienstiftung mit den Steuervorteilen der Gemeinnützigkeit. Regelmäßig hält daher die gemeinnützige Stiftung einen hohen Anteil am Vermögen des Unternehmens, während die Familienstiftung nur soweit beteiligt wird, wie dies zur finanziellen Absicherung der Familie für erforderlich gehalten wird. Dies geht häufig einher mit einer disquotalen Zuordnung der Stimmrechte, teilw auch der Gewinnbezugsrechte am Unternehmensträger. 6. Verbrauchsstiftung Schrifttum: Hüttemann, Das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes, DB 2013, 774; Muscheler, Die Verbrauchsstiftung, FS O. Werner, 2009, 129; v Oertzen/Fritz, Steuerliche Fragen der neuen (Familien-)Verbrauchsstiftung nach dem „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes“, BB 2014, 87; Rawert, Die Stiftung auf Zeit – insb die Verbrauchsstiftung – in der zivilrechtlichen Gestaltungspraxis, npoR 2014, 1; Segna, Die Verbrauchsstiftung – ein Fremdkörper im Stiftungsrecht, JZ 2014, 126; Tielmann, Die Familienverbrauchsstiftung NJW 2013, 2934; A. Werner, Praktische Einsatzmöglichkeiten der Verbrauchsstiftung, ZStV 2015, 25; Zimmermann, Die Entwicklung des Stiftungsrechts 2013, NJW 2013, 3558.
Das Stiftungsrecht wurde und wird geprägt durch den Grundsatz der Vermögenserhaltungspflicht. Da das Stiftungsvermögen dauernd und nachhaltig den Stiftungszweck erfüllen soll, ist es zu erhalten. Die Zweckerfüllung erfolgt grds nur aus den Erträgen des Stiftungsvermögens, den Stiftungsmitteln (Schlüter/Stolte Kap 5 Rn 3ff). Die durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts in § 80 I 2 geregelte Verbrauchsstiftung stellt den Grundsatz der Vermögenserhaltung endgültig zur Disposition durch den Stifter. Nach der Legaldefinition der Verbrauchsstiftung kann eine Stiftung, „auch auf bestimmte Zeit errichtet werden, innerhalb derer ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist“. Die knappe Regelung zur Verbrauchsstiftung lässt viele Fragen offen (Tielmann NJW 2013, 2936; Zimmermann NJW 2013, 3558). Da § 10b Ia 2 EStG bei Verbrauchsstiftungen den Spendenabzug von Zuwendung in das Stiftungsvermögen ausschließt („verbrauchbares Vermögen“, dazu auch Söffing/Henrich BB 2016, 1943, 1944), ist weiterhin fraglich, ob die Verbrauchsstiftung auf große Akzeptanz stoßen wird (zu den praktischen Einsatzmöglichkeiten der Verbrauchsstiftung A. Werner ZStV 2015, 25ff; zu den bestehenden steuerlichen Fragestellungen v Oertzen/Fritz BB 2014, 87ff). IV. Stiftungsaufsicht. Die Stiftungsaufsicht ist landesrechtl geregelt (Richter/Fischer § 8). In Ausübung der staatlichen Obhutspflicht ggü den Stiftungen ist es ihre Aufgabe, über die Verwirklichung des Stifterwillens zu wachen, da sonst regelmäßig niemand vorhanden ist, der die Stiftungsorgane zur Beachtung der Satzung und der sonstigen für die Stiftung geltenden Bestimmungen, insb des Stifterwillens, anhalten könnte. Die Bedeutung des Stifterwillens und die damit einhergehende Aufsicht über dessen Einhaltung folgt aus § 83 II (s ausf dazu § 83 Rn 3). Damit liegt die Stiftungsaufsicht im öffentlichen Interesse (BGHZ 99, 344, 349). Sie dient aber nicht irgendwelchen Einzelinteressen (grundlegend BVerwGE 40, 347; BVerwG NJW 1985, 2964) und auch nicht verwaltungspolitischen Zielen, wohl aber den Interessen der Stiftung selbst, der ggü eine entspr Amtspflicht besteht (BGHZ 99, 344, 349). Die Vernachlässigung der Stiftungsaufsicht kann daher zu Ersatzansprüchen nach § 839 BGB, Art 34 GG führen (BGHZ 68, 142, 145; Grü/Ellenberger Rn 14). Die Stiftung muss sich ein Mitverschulden ihres Vorstands nach § 254 entgegenhalten lassen (BGHZ 68, 142, 151). Die Stiftungsaufsicht ist dabei allerdings grds auf eine Rechtskontrolle beschränkt; die Aufsichtsbehörde darf ihr Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Stiftungsorgane setzen (BVerwGE 40, 347, 352). Gleichsam darf der nach § 9 III StiftG NRW eingesetzte Sachwalter für die Stiftung nur im Rahmen der Rechtsaufsicht tätig werden und den im Amt belassenen Vorstand nicht an Maßnahmen zur Erreichung des Stiftungszwecks hindern (Hamm NJW-RR 1995, 120). Gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet MüKo/Weitemeyer Rn 81). V. Internationales Privatrecht. Das deutsche IPR enthält keine Regelung zur Bestimmung des Personalstatuts einer ausl Stiftung, also hinsichtl des auf die Rechtsverhältnisse der Stiftung anwendbaren nationalen Rechts. Traditionell folgt das deutsche IPR insofern der sog Sitztheorie, wonach das Recht des Staates anwendbar ist, in dem die Stiftung ihren Verwaltungssitz, also den tatsächlichen Tätigkeitsort der Stiftungsleitung, hat (Richter/ Jakob § 30 Rn 32; in diesem Sinne wohl auch schon BayObLG NJW 1965, 1438, das sich allerdings nicht mit der Frage der Sitzverlegung befasst). Das Personalstatut wäre danach bei ausl Stiftungen mit Sitz im Ausland dem Recht des betroffenen Staates zu entnehmen, auch wenn die Stiftung im Einzelfall in Deutschland tätig wird (BayObLG NJW 1965, 1438; München ZEV 2009, 512). Ein Übergang zur Gründungstheorie auch für Stiftungen im Anschluss an die Rspr des EuGH zur Niederlassungsfreiheit (EuGH 1988, 5505 – Daily Mail; 1999, I-1459 – Centros; 2002, I-9919 – Überseering; 2003, I-10155 – Inspire Art; 2005, I-10805 – Sevic) wird von der hM abgelehnt (Schlüter/Stolte Kap 8 Rn 7; Richter/Jakob § 30 Rn 42; MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 318), da die sich im Fall einer Sitzverlegung ergebenden Probleme insb hinsichtl der Stiftungsaufsicht de lege lata nicht lösbar erWiese
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scheinen (für die Anwendung der Gründungstheorie jetzt aber – ohne differenzierte Betrachtung der stiftungsrechtl Problematik – BGH NZG 2016, 1187ff). Verlegt daher eine ausl Stiftung ihren Verwaltungssitz nach Deutschland („Zuzugsfall“), führt dies nach hM zum Verlust der Rechtsfähigkeit dieser Stiftung, die nach §§ 80ff neu errichtet und insb anerkannt werden muss (Richter/Jakob § 30 Rn 32 mwN). Der umgekehrte „Wegzugsfall“ einer deutschen Stiftung beurteilt sich nach dem Recht des Zuzugsstaats, in Deutschland verliert eine solche Stiftung jedenfalls ihre Rechtsfähigkeit (Schlüter/Stolte Kap 8 Rn 7). VI. Europäische Stiftung. Nicht zuletzt die kollisionsrechtl Problematik hat Überlegungen über die Einführung einer supranationalen Rechtsform für die Stiftung veranlasst, die sog Europäische Stiftung oder Fundatio Europaea (FE). Nach dem vorliegenden Entwurf sollte die FE anders als die deutsche Stiftung nicht zweckneutral sein, sondern muss gemeinnützigen Zwecken gewidmet sein. Ausf zum Vorschlag für eine FE Cranshaw DZWIR 2013, 299; Hopt/v Hippel ZEuP 2013, 235. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die FE jemals geltendes Recht wird, da die Kommission den Verordnungsvorschlag aus dem Jahr 2012 im Frühjahr 2015 insb wegen der automatischen steuerlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit der FE in der EU sowie des Erfordernisses und der Höhe eines Mindestvermögens offiziell zurückgenommen hat (ABl 2015 C 80/17; Werner/Saenger/Fischer/Saenger § 49 Rn 1; MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 25).
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Ausgestaltung und Entstehung der Stiftung
(1) Die Stiftung ist eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person. Die Stiftung wird in der Regel auf unbestimmte Zeit errichtet, sie kann aber auch auf bestimmte Zeit errichtet werden, innerhalb derer ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist (Verbrauchsstiftung). (2) Zur Entstehung der Stiftung sind das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung der Stiftung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll. Wird die Stiftung erst nach dem Tode des Stifters anerkannt, so gilt sie für Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden. I. Allgemeines. § 80 regelt die Ausgestaltung und die Voraussetzungen für das Entstehen einer rechtsfähigen Stiftung. Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts neu gefasst worden (vgl Vor § 80 Rn 3). Wichtigste Neuerung ist die gesetzl Definition der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts und die modifizierte Legaldefinition der Verbrauchsstiftung. Bereits durch die vorangegangenen Reformen ist der Rechtsanspruch auf Stiftung in Abs II S 1 (Vor § 80 Rn 2) festgeschrieben worden. Aufgrund des abschließenden Charakters der Regelung kann das Landesrecht die Entstehung von Stiftungen nicht an weitere Voraussetzungen knüpfen (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 80 Rn 2). Die Regelung des Anerkennungsverfahrens ebenso wie das Aufsichtsverfahren bleiben jedoch dem Landesrecht vorbehalten (§ 82 Rn 2). II. Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung. Die §§ 80–88 regeln die rechtl selbständige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Der Stiftungsbegriff ist durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts nunmehr in § 80 I definiert. Danach wird die Stiftung als „eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person“ verstanden. Kennzeichnend sind damit die Merkmale des Stiftungszwecks, des Stiftungsvermögens und der Stiftungsorganisation. Sämtliche Merkmale werden grds durch den Stifterwillen vorgegeben, wie er im Stiftungsgeschäft (§ 81) zum Ausdruck kommt (zur Ergänzung des Stiftungsgeschäfts durch die Behörde s § 81 Rn 9) und durch den die Stiftung dauerhaft geprägt wird. Die selbständige Stiftung ist eine juristische Person des Privatrechts, sie kann selbständig Träger von Rechten und Pflichten sein. Sie ist jedoch keine Körperschaft (vergleichbar dem eV oder den Kapitalgesellschaften), denn anders als die Körperschaften hat eine Stiftung keine Mitglieder (bzw Gesellschafter). Die Stiftung gehört sich selbst und wird vom grds unwandelbaren Willen des bzw der Stifter geprägt. 1. Stiftungszweck. Der Stiftungszweck ist das prägende Element, die „Leitlinie“ (Richter/v Campenhausen/ Stumpf § 1 Rn 9) der Stiftung, ihm dienen das Vermögen und die Organisation der Stiftung. Er ist nicht zu verwechseln mit der Motivation des Stifters zu ihrer Errichtung (Motiv ist zB die Nachfolgeregelung zur Sicherung eines Vermögens, eines Unternehmens usw), kann aber hiermit übereinstimmen (zB Sicherung des Lebensunterhalts der Angehörigen des Stifters). Der Zweck wird vom Stifter privatautonom (willkürlich) im Stiftungsgeschäft festgelegt und bestimmt die Individualität der Stiftung. Er kann gemeinnützig und/oder privatnützig sein (Grü/Ellenberger § 81 Rn 7). Mit Ausnahme des Verbots der Gemeinwohlgefährdung existieren keine inhaltlichen Beschränkungen. Allerdings darf die Stiftung nicht lediglich sich selbst zu dienen bestimmt sein (zum Verbot der sog Selbstzweckstiftung s § 81 Rn 12). Auch kann er aus mehreren Teilzwecken bestehen. Bedeutsam wird dies insb bei Bürgerstiftungen (s Vor § 80 Rn 18), deren Tätigkeit zahlreiche Bereiche des kommunalen Lebens abdecken soll (BT-Drs 19/28173, 45f). Str ist, ob der Stiftungszweck in zeitl Hinsicht auf Dauer angelegt sein muss (so MüKo/Weitemeyer Rn 136; aA Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 51; dazu ausf § 82 Rn 6f). Eine Stiftung mit einem endlichen Zweck (Stiftung auf Zeit) war bereits vor erstmaliger gesetzl Regelung zulässig, sofern sich dies aus der Natur des betroffenen Zwecks ergeben und die Zweckerfüllung eine gewisse Dauer erfordert hat (v Campenhausen/Richter/Hof § 4 Rn 52ff). Mit der Neufassung von § 80 ist nunmehr gesetzl verdeutlicht, dass eine vom gesetzl Regeltypus abw Stiftung auf Zeit nur in Form der Verbrauchsstiftung zulässig ist (s Vor § 80 Rn 27). 234
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2. Stiftungsorganisation. Mangels verbandsmäßiger Struktur und wegen fehlender Mitglieder hat die Ausgestaltung der Stiftungsorganisation durch den Stifter für die Stiftung besondere Bedeutung. Die Stiftung ist eine reine Verwaltungsorganisation als Hilfsmittel zur Verwirklichung des Stiftungszwecks (BGHZ 99, 344). Grds einziges personales Element und daher notwendiges Organ ist der Vorstand (§ 84), der den in der Satzung und mit dem Stiftungszweck zum Ausdruck kommenden Stifterwillen umzusetzen und einzuhalten hat. Der Vorstand vertritt die Stiftung nach außen und führt die Geschäfte. Ihm kann beratend und kontrollierend ein fakultatives Organ (zB Beirat, Kuratorium, Stiftungsrat) zur Seite gestellt werden, dessen Kompetenzen dann im Einz vom Stifter in der Satzung bestimmt werden müssen. Die Destinatäre sind lediglich Nutznießer der Stiftungserträge und haben idR keinen Einfluss auf die Stiftungsorganisation oder die Geschäfte der Stiftung. Insb sind sie nicht mit den Mitgliedern eines Vereins oder den Gesellschaftern einer GmbH zu verwechseln. Ihnen können aber vom Stifter in der Satzung Rechte zB auf Mitbestimmung, Kontrolle oder Organbestellung eingeräumt werden (zur Rechtsstellung der Destinatäre s § 84 Rn 13). 3. Stiftungsvermögen. Unabdingbares konstitutives Merkmal der Stiftung ist schließlich das Stiftungsvermögen, das auf Dauer dem Stiftungszweck gewidmet sein muss (Hamburg NJW-RR 1986, 1305; MüKo/Weitemeyer Rn 4ff). Das Gesetz kennt keine Vorgaben zum Gegenstand des Stiftungsvermögens. Es kann aus Sachen und/oder Rechten aller Art bestehen (Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 53), etwa aus Bargeld, Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder aber auch Patent- oder Markenrechten. Entscheidend ist, dass das Stiftungsvermögen vom Umfang ausreichend sein muss, um eine dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks sicherzustellen (Richter/v Campenhausen/Stumpf § 1 Rn 9). Eine dauerhafte Zweckerfüllung setzt voraus, dass die Stiftung ihren Zweck mit dem Vermögen über einen längeren Zeitraum erfüllen kann. Nachhaltig ist eine Zweckerfüllung, wenn sie wirksam ist, mithin sich das Tätigwerden der Stiftung spürbar – mithin mit einer gewissen Intensität – auswirkt (BT-Drs 19/28173, 46). Das Stiftungsrecht geht davon aus, dass das Stiftungsvermögen, das sog Grundstockvermögen, grds erhalten bleibt und der Stiftungszweck damit nur aus den Erträgen des Stiftungsvermögens zu realisieren ist (anders die Verbrauchsstiftung, dazu ausf § 82 Rn 10). Allerdings sind auch laufende oder einmalige Zuzahlungen durch den Stifter oder Dritte möglich (Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 54). Die Existenz eines ausreichenden Stiftungsvermögens ist Voraussetzung für die Anerkennung der Stiftung, ein gesetzl „Mindestkapital“ besteht aber nicht. Allerdings entspricht es weithin der Praxis der Stiftungsbehörden, nur solchen Stiftungen mit einem ertragbringenden Vermögen von min 50 000 t bis 250 000 t die Anerkennung zu erteilen (hierzu Strobel JuS 2020, 1151; Werner/Saenger/Fischer/Werner § 11 Rn 22; etwa Schiffer/Schiffer/Pruns/ Schürmann § 3 Rn 94ff; Wigand/Haase-Theobald/Heuel/Stolte/Haase-Theobald Kap 7 Rn 8ff), dies wird im Einzelfall von Art und insb nachhaltiger Ertragskraft des designierten Stiftungsvermögens abhängig sein. Wird die Zweckverfolgung wegen eines Absinkens des Stiftungsvermögens oder wegen veränderter wirtschaftl Rahmenbedingungen nachträgl unmöglich, können die Stiftungsorgane die Stiftung auflösen (§ 87) oder die Stiftungsaufsicht die Stiftung aufheben (§ 87a) oder infolge der Insolvenz auflösen (§ 87b). III. Verbrauchsstiftung. Mit dem Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts ist die gesetzl geregelte Definition der Verbrauchsstiftung modifiziert worden (ausf dazu § 82 Rn 10). Von der Norm erfasst ist indes nur die Vollverbrauchsstiftung. Teilverbrauchsstiftungen gehören zum gesetzl Regeltypus und unterliegen damit nicht den Ausnahmeregelungen der Verbrauchsstiftungen (vgl § 83b III). Nach wie vor unzulässig sollen dagegen Stiftungen auf Zeit sein, bei denen der Stiftungszweck nur für einen bestimmten Zeitraum mit den Erträgen aus dem Stiftungsvermögen erfüllt wird, bis es wieder zurück an den Stifter oder an einen Dritten fällt; Stiftungen mit in gewisser Zeit erreichbaren Zwecken, bei denen sich die Existenz auf Zeit aus der Zweckerreichung ergibt, sollen aber nach wie vor zulässig sein (Schwalm NotBZ 2022, 84; Schuck/Medinger ZEV 2021, 299). IV. Voraussetzungen der Entstehung. Die Entstehung der Stiftung erfordert gem Abs II das Stiftungsgeschäft und die staatliche Anerkennung. Den Rechtserfolg, die Entstehung der Stiftung als selbständige juristische Person, können nur Stiftungsgeschäft und Anerkennung gemeinsam herbeiführen. Der Erfolg tritt ein mit der konstitutiven Anerkennung, eine gewisse Rückwirkung ergibt sich lediglich aus § 80 II 2 im Fall der Stiftungserrichtung von Todes wegen. 1. Stiftungsgeschäft. Das Stiftungsgeschäft ist die Erklärung des Stifters, ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zwecks zu widmen und kann als Rechtsgeschäft unter Lebenden (§ 81 I, II) oder als Verfügung von Todes wegen (§ 81 III) gestaltet werden. Bei mehreren Stiftern können beide Arten zusammentreffen (BGHZ 70, 313, 322). Es muss als Rechtserfolg den Willen auf Errichtung einer selbständigen Stiftung erkennen lassen und den in § 81 geregelten Mindestinhalt ausweisen. Das Stiftungsgeschäft ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Selbst wenn die Stiftung durch eine Mehrheit von Stiftern errichtet wird, ist es einseitiges Rechtsgeschäft und kein Vertrag, auch dann, wenn es im Zusammenhang mit vertragl Vereinbarungen erklärt wird (Grü/Ellenberger Rn 1). Inhaltlich enthält es einen organisationsrechtl (Errichtung der jur Person) und einen vermögensrechtl (Zuwendung des Vermögens) Teil. Auch hinsichtl des vermögensrechtl Teils liegt keine Schenkung vor (Staudinger/Hüttemann/Rawert § 81 Rn 27), sondern mit der hM ein Rechtsgeschäft sui generis (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 80 Rn 24ff). Zur Rechtsnatur des Stiftungsgeschäfts unter Lebenden s § 81 Rn 3ff. Stifterfähig sind natürliche und juristische Personen (des privaten und des öffentlichen Rechts), auch Personengesellschaften (Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 34). Besondere Voraussetzungen existieren nicht. Eine Stiftung kann auch durch mehrere Personen gemeinsam errichtet werden. Stellvertretung beim Stiftungsgeschäft ist mangels entgegenstehender Vorschriften zulässig (BayObLG NJW-RR 1991, 523; Grü/Ellenberger § 81 Rn 2). Die VorWiese
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nahme des Stiftungsgeschäfts durch die sorgeberechtigten Eltern, den Betreuer oder Vormund ist wegen §§ 1641, 1798 III analog jedoch unzulässig (Richter/Stumpf § 4 Rn 21). 2. Anerkennung. Abschließende Voraussetzung des Entstehens einer Stiftung ist nach dem Stiftungsgeschäft deren Anerkennung durch die zuständige Landesbehörde. Die Anerkennung ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, sie wirkt allerdings nicht unabhängig vom Stiftungsgeschäft. Die Anerkennung hat konstitutive Wirkung, kann jedoch das Stiftungsgeschäft nicht ersetzen und auch nicht etwaige Mängel des Stiftungsgeschäfts heilen (BGHZ 70, 313, 321; v Campenhausen/Richter/Hof § 6 Rn 264; diff hinsichtl leichter Rechtsfehler im Stiftungsgeschäft aber Richter/Stumpf § 4 Rn 148ff). Nach hM behält die Stiftung jedoch bis zu ihrer Aufhebung wegen eines mangelhaften Stiftungsgeschäfts ihre Rechtsfähigkeit (anders wohl ausf Muscheler Stiftungsrecht 34ff). Die Aufhebung wirkt ex nunc (BVerwG NJW 1969, 339; Staudinger/Hüttemann/Rawert Rn 6; idS wohl auch Richter/Stumpf § 4 Rn 152). Ausf zur Anerkennung s § 82. 3. Vorstiftung. In der Zeit zw Abschluss des Stiftungsgeschäfts und Zugang der Anerkennung beim Stifter besteht ein Schwebezustand. Entgegen einer beachtlichen Auffassung, die ein dem Vor-Verein oder der Vor-GmbH vergleichbares rechtsfähiges Gebilde konstruieren will (LG Heidelberg NJW-RR 1991, 969; Grü/Ellenberger Rn 2; Werner ZErb 2011, 237ff), ist mit der hM (BFH ZEV 2015, 359; Braunschweig ZErB 2020, 384; MüKo/Weitemeyer § 81 Rn 62; Brandmüller/Klinger S 41f; Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 113; Schiffer/Pruns BB 2015, 1756; wohl auch Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf2 Teil Pauli Kap B § 80 Rn 74ff; v Campenhausen/Richter/Hof § 6 Rn 271f) die Existenz einer Vorstiftung jedoch abzulehnen. Insofern bestehen wesentliche Unterschiede zu den im Gesellschaftsrecht existierenden Vorgesellschaften (etwa der Vor-GmbH). So muss etwa die Vor-GmbH bereits vor ihrer Gründung rechtsfähig sein, um Vermögen (Einzahlungen auf das Stammkapital) erwerben zu können. Der Stifter hat hingegen das Vermögen erst nach Anerkennung an die Stiftung zu übertragen. Auch organisatorisch ist die Stiftung nicht verselbständigt. Während zB bei der Vor-GmbH der Geschäftsführer die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anmeldet, stellt den Antrag auf Anerkennung der Stiftung der Stifter. Mit der Errichtung des Stiftungsgeschäfts und aufgrund eines einseitigen Widmungsakts des Stifters entsteht auch nicht per se eine unselbständige Stiftung als Vorstiftung. Denn die unselbständige Stiftung setzt eine schuldrechtl vereinbarte Zweckbindung des Stiftungsträgers ggü dem Stifter voraus, an der es in diesem Stadium gerade fehlt. Das schließt allerdings naturgemäß nicht aus, dass der selbständigen Stiftung seitens des Stifters eine unselbständige „Vorstiftung“ vorgelagert wird, etwa indem der Stifter zunächst einem Stiftungsträger das Stiftungsvermögen zwecks Errichtung einer unselbständigen Stiftung überträgt und dies mit der Weisung zur Errichtung einer selbständigen Stiftung verbindet (s dazu Schiffer/Pruns BB 2015, 1756; ähnl auch Richter/Stumpf § 4 Rn 154ff). V. Stiftung von Todes wegen. § 80 II 2 fingiert die Rechts- bzw Erbfähigkeit einer Stiftung, die erst nach dem Tod des Stifters anerkannt wird und gilt für Stiftungsgeschäfte von Todes wegen und für solche unter Lebenden, wenn der Stifter vor der Anerkennung gestorben ist (Düsseldorf NJW-RR 2014, 262; Grü/Ellenberger Rn 1; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 84 Rn 2). Erfasst werden alle Zuwendungen des Stifters, bei Rechtsgeschäften unter Lebenden (zB Schenkungen) allerdings nur, sofern diese im Rahmen des Stiftungsgeschäfts erfolgen (mit überzeugenden Argumenten v Campenhausen/Richter/Hof § 6 Rn 48; MüKo/Weitemeyer § 84 Rn 1; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 84 Rn 3; anders noch Erman/O. Werner14). Nicht erfasst sind hingegen Zuwendungen Dritter (KG Berlin ZEV 2021, 692f). Bedeutung der Rückwirkung. § 80 II 2 ermöglicht zunächst (mit Blick auf § 1923 I) die Erbeinsetzung der Stiftung bereits vor deren Anerkennung. Die Stiftung wird mit Anerkennung rückwirkend Vollerbin des Stifters. Die Erbeinsetzung der Stiftung durch Dritte ist im Zweifel als Nacherbeinsetzung der Stiftung zu bewerten (Grü/Ellenberger Rn 1). Darüber hinaus ermöglicht die Vorschrift in den Fällen des § 82a S 2 im Falle eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden bei Tod des Stifters vor Anerkennung der Stiftung einen Direkterwerb der Stiftung ohne den Umweg eines Durchgangserwerbs der Erben. Hat der (Schein-)Erbe über Rechte iSd § 82a S 2 vor der Anerkennung verfügt, ist dies wegen § 80 II 2 die Verfügung eines Nichtberechtigten und der Stiftung ggü unwirksam (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 84 Rn 7). Teilw wird vertreten, dass eine Verfügung des Erben in analoger Anwendung von § 184 II wirksam sein soll, wenn der Erbe im Zeitpunkt der Verfügung noch berechtigt war, den Antrag auf Anerkennung der Stiftung zu widerrufen (MüKo/Weitemeyer § 84 Rn 7; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 84 Rn 8). Diese Widerrufsmöglichkeit stelle den Erben dem „Genehmigenden“ iSv § 184 II gleich (v Campenhausen/Richter/Hof § 6 Rn 47). Dies erscheint allerdings konstruiert und blendet aus, dass der Erbe zwar uU die Möglichkeit hat, die Anerkennung zu verhindern. Widerruft er den Anerkennungsantrag, kommt § 80 II 2 mangels Anerkennung gar nicht zur Anwendung. Widerruft er den Anerkennungsantrag aber nicht, ist „Genehmigender“ allenfalls die Anerkennungsbehörde, nicht aber der Erbe selbst (so i Erg wohl auch Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 84 Rn 8).
§ 81
Stiftungsgeschäft
(1) Im Stiftungsgeschäft muss der Stifter 1. der Stiftung eine Satzung geben, die mindestens Bestimmungen enthalten muss über a) den Zweck der Stiftung, b) den Namen der Stiftung, c) den Sitz der Stiftung und d) die Bildung des Vorstands der Stiftung sowie 236
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Juristische Personen – Stiftungen
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2. zur Erfüllung des von ihm vorgegebenen Stiftungszwecks ein Vermögen widmen (gewidmetes Vermögen), das der Stiftung zu deren eigener Verfügung zu überlassen ist. (2) Die Satzung einer Verbrauchsstiftung muss zusätzlich enthalten: 1. die Festlegung der Zeit, für die die Stiftung errichtet wird, und 2. Bestimmungen zur Verwendung des Stiftungsvermögens, die die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks und den vollständigen Verbrauch des Stiftungsvermögens innerhalb der Zeit, für welche die Stiftung errichtet wird, gesichert erscheinen lassen. (3) Das Stiftungsgeschäft bedarf der schriftlichen Form, wenn nicht in anderen Vorschriften ausdrücklich eine strengere Form als die schriftliche Form vorgeschrieben ist, oder es muss in einer Verfügung von Todes wegen enthalten sein. (4) Wenn der Stifter verstorben ist und er im Stiftungsgeschäft zwar den Zweck der Stiftung festgelegt und ein Vermögen gewidmet hat, das Stiftungsgeschäft im Übrigen jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 genügt, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde das Stiftungsgeschäft um die Satzung oder um fehlende Satzungsbestimmungen zu ergänzen. Bei der Ergänzung des Stiftungsgeschäfts soll die Behörde den wirklichen, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Stifters beachten. Wurde im Stiftungsgeschäft kein Sitz der Stiftung bestimmt, ist im Zweifel anzunehmen, dass der Sitz am letzten Wohnsitz des Stifters im Inland sein soll. I. Allgemeines. § 81 spezifiziert das für die Entstehung und Anerkennung erforderliche Stiftungsgeschäft (§ 80 Rn 8) und regelt bundeseinheitlich und abschließend dessen Mindestinhalt und Form. Die Vorschrift gilt für die Stiftung unter Lebenden, Abs I aber auch für die Stiftung von Todes wegen. Abs II wurde durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts hinsichtl der Verbrauchsstiftung modifiziert (s Vor § 80 Rn 27). Etwaig bestehenden Mängeln und Unvollkommenheiten kann durch Beratung der Anerkennungsbehörde ebenso begegnet werden, wie bei einer Stiftung von Todes wegen diese die erforderlichen Ergänzungen vornehmen kann (§ 81 IV), wobei als oberstes Gebot die Verwirklichung des Stifterwillens gilt. II. Bestandteile des Stiftungsgeschäfts. Das Stiftungsgeschäft ist neben der Anerkennung Voraussetzung für die Entstehung der Stiftung (vgl § 80 Rn 8) und besteht aus zwei Teilen: (1) der Satzung als Grundlage (Verfassung) der Stiftungstätigkeit und (2) der Gründungs- und Vermögensausstattungserklärung. In der Praxis ist die Satzung meist als getrennte Urkunde in Form einer Anlage zum eigentlichen Stiftungsgeschäft vorgesehen, auch wenn dies nicht zwingend ist (vgl etwa das Muster bei Meyn/Richter/Koss/Gollan Die Stiftung3 2013, 685ff). Die Satzung muss nicht gesondert unterschrieben werden, wenn sich das Stiftungsgeschäft ausdrückl auf sie bezieht und sie zum Inhalt des Stiftungsgeschäfts macht. 1. Rechtsnatur. Das Stiftungsgeschäft ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Selbst wenn die Stiftung durch eine Mehrheit von Stiftern errichtet wird, ist es einseitiges Rechtsgeschäft und kein Vertrag, auch dann, wenn es im Zusammenhang mit vertragl Vereinbarungen erklärt wird (Grü/Ellenberger § 80 Rn 1). Für das Stiftungsgeschäft gelten grds die allg Vorschriften über Rechtsgeschäfte, insb zur Frage der Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff), über die Behandlung von Willenserklärungen (§§ 116ff), die Stellvertretung (§§ 164ff) etc. Die Auslegung des Stiftungsgeschäfts richtet sich nach § 133, nicht hingegen nach § 157. Bis zur Anerkennung der Stiftung ist das Stiftungsgeschäft (frei und formlos) widerruflich, dazu § 81a. Aufgrund des organisationsrechtl Bestandteils des Stiftungsgeschäfts ist die Anfechtbarkeit des Stiftungsgeschäfts nach Anerkennung eingeschränkt: Die Anfechtung folgt zwar den allg Vorschriften, das Entstehen der Stiftung als juristische Person kann aber nicht mehr rückgängig gemacht werden. Insb kann sich der Stifter nur noch von seinem Zuwendungsversprechen lösen und ggf von der Stiftung die Rückgewähr des übertragenen Vermögensgegenstands verlangen (Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 34; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 80 Rn 8). Die Konsequenzen für die Stiftung ergeben sich aus §§ 87–87b, im Zweifel ist die Stiftung wieder aufzuheben. Nichts anderes gilt auch, wenn die anfängliche Nichtigkeit des Stiftungsgeschäfts (zB wegen § 134) erst nach Anerkennung der Stiftung festgestellt wird (MüKo/Weitemeyer Rn 2). Das Stiftungsgeschäft ist – auch hinsichtl des vermögensrechtl Teils – nach zutr hM keine Schenkung, sondern ein Rechtsgeschäft sui generis (Meyn/Richter/Koss/ Gollan Die Stiftung3 2013, 130, jew mwN; ausf Richter/Stumpf § 4 Rn 53ff). Zur (analogen) Anwendbarkeit schenkungsrechtl Haftungserleichterungen s § 82a Rn 2. Mit Rücksicht auf den Rechtsverkehr wird in der Lit teilw vertreten, dass das Stiftungsgeschäft grds bedingungsfeindlich sei, um jede Unsicherheit über die Existenz der Stiftung zu vermeiden (Schiffer/Schiffer/Pruns/Schürmann4 2016, § 3 Rn 19). Die Sicherheit im Rechtsverkehr ist aber jedenfalls dann nicht gefährdet, wenn gesichert ist, dass die Anerkennung einer Stiftung erst nach Eintritt einer aufschiebenden Bedingung erfolgt und dass eine einmal anerkannte Stiftung nicht automatisch kraft Eintritts einer auflösenden Bedingung wieder erlischt. Es spricht daher viel für die wohl hL, wonach das Stiftungsgeschäft zwar sowohl unter auflösenden als auch unter aufschiebenden Bedingungen stehen kann, die Stiftung aber erst dann anerkannt werden kann, wenn die aufschiebende Bedingung eingetreten ist bzw das Ausbleiben der auflösenden Bedingung endgültig feststeht (MüKo/Weitemeyer Rn 51; Richter/Stumpf § 4 Rn 23ff). Auch der BGH (BGHZ 70, 313) hat ein aufschiebend bedingtes Stiftungsgeschäft ohne weiteres anerkannt. Ohne weiteres zulässig ist nach wohl einhelliger Auffassung die Festlegung von Gründen für eine (ex nunc erfolgende) Auflösung der Stiftung durch ein Stiftungsorgan in der Stiftungssatzung (Koblenz NZG 2002, 135; Schiffer/Schiffer/Schürmann4 § 6 Rn 60ff; Richter/Stumpf § 4 Rn 25ff; MüKo/Weitemeyer Rn 51). Wiese
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2. Form. Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden bedarf der Schriftform (§ 126). Nach § 126a kann die Schriftform durch elektronische Form ersetzt werden. Die Schriftform ist nach Abs III ausreichend, wenn nicht in anderen Vorschriften ausdrückl eine strengere Form vorgeschrieben ist. In der Praxis soll eine notarielle Beurkundung unter Hinweis auf die Warn- und Belehrungsfunktion des Anerkennungsverfahrens auch dann nicht erforderlich sein, wenn der vermögensrechtl Teil des Stiftungsgeschäfts auf die Übertragung von Grundbesitz oder GmbH-Geschäftsanteilen gerichtet ist, sodass § 311b I 1 und § 15 IV GmbHG insofern nicht gelten sollen (Schwalm/Thiele ZEV 2020, 527; Schleswig DNotZ 1996, 770; MüKo/Weitemeyer Rn 8; Richter/Stumpf § 4 Rn 13ff; Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 33). Teilw wird eine analoge Anwendbarkeit von § 311b I 1 BGB, § 15 IV GmbHG befürwortet (Grü/Ellenberger Rn 3; Grü/Grüneberg § 311b Rn 16; MüKo/Ruhwinkel § 311b Rn 32); so hat auch das OLG Köln die Vorschriften für anwendbar erklärt, da die notarielle Beratungs- und Belehrungspflicht über die Warn- und Belehrungsfunktion des Anerkennungsverfahrens hinausgehe und die Anerkennungsbehörde damit zwar die Belange der Stiftung, nicht aber die Belange des Stifters prüfe, wohingegen der Notar die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen habe (Köln ZEV 2019, 729). Gleichwohl sind Formerfordernisse, die für Verträge gelten, nach der Gesetzesbegr nicht analog auf das Stiftungsgeschäft – das eine einseitige Willenserklärung darstellt – anzuwenden (BT-Drs 19/28173, 50). Vielmehr beziehen sich sowohl § 311b I 1 als auch § 15 IV GmbHG nur auf Verträge (Saenger/Inhester/Pfisterer § 15 Rn 25). Der Gesetzgeber hat von einem Beurkundungserfordernis für das Stiftungsgeschäft bewusst abgesehen, da die Beurkundungsfunktionen bereits durch das Genehmigungserfordernis gewährleistet seien (BT-Drs 19/28173, 50). Damit ist nunmehr gesetzl klargestellt, dass für eine analoge Anwendung der Vorschriften kein Raum besteht. Außerdem bleiben die Formvorschriften für den dinglichen Vollzug des Zuwendungsversprechens (also zB die Auflassung von Grundstücken (§ 925) nach Anerkennung der Stiftung unberührt. Hinsichtl der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen bedarf es allerdings keiner Abtretung, diese gehen gem § 82a S 2 kraft Gesetzes mit Anerkennung auf die Stiftung über (§ 82a Rn 3). Unberührt bleiben ferner die geltenden Formerfordernisse für nach Stiftungserrichtung erfolgende sonstige Zuwendungsversprechen (Zustiftung, Spende, Zuwendung zum Verwaltungsvermögen). Ein Stiftungsgeschäft kann nach Abs III auch in einer Verfügung von Todes wegen enthalten sein. Das Schriftformerfordernis gilt insoweit nicht; vielmehr müssen die entspr erbrechtl Formvorgaben beachtet werden (vgl Rn 25). 3. Inhalt des Stiftungsgeschäfts. Mindestinhalt des Stiftungsgeschäfts ist die Aufstellung einer Satzung mit den in Abs I Nr 1 lit a–d vorgegebenen Regelungen und die Erklärung des Stifters, ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zwecks zu widmen. Das Stiftungsgeschäft lässt sich insofern unterteilen in einen personenrechtl und einen vermögensrechtl Teil. a) Personenrechtl Teil. Das Stiftungsgeschäft muss zunächst die Erklärung enthalten, eine selbständige Stiftung des Privatrechts mit einer bestimmten Zweckrichtung gründen zu wollen (Richter/Stumpf § 4 Rn 52). Ebenso muss die Abgrenzung zu anderen Formen juristischer Personen durch die nicht verbandsmäßige Organisation der Stiftung (keine Mitglieder) deutlich werden. Viele Landesstiftungsgesetze sehen für Zweifelsfragen ein Statusklärungsverfahren vor, wonach auf Antrag die zuständige Behörde darüber entscheidet, ob eine Stiftung iSd jew Gesetzes vorliegt (zB § 3 StiftG NRW). IÜ wird der personenrechtl Teil des Stiftungsgeschäfts durch die Satzung abgebildet (Rn 9ff). b) Vermögensrechtl Teil. Ferner muss das Stiftungsgeschäft die verbindliche Verpflichtungserklärung des Stifters enthalten, nach behördlicher Anerkennung der Stiftung bestimmte Vermögenswerte zu übertragen, die als wirtschaftl unantastbares Grundstockvermögen die Erträge erbringen, aus denen der Stiftungszweck zu erfüllen ist bzw das bei der Verbrauchsstiftung gem § 80 II zum Verbrauch bestimmt ist. Bei einer Stiftung unter Lebenden reichen die Verpflichtung und die Festlegung, auf welche Weise die Stiftung dieses Vermögen erlangen soll (Grü/ Ellenberger Rn 4). Die dingliche Übertragung der Vermögensgegenstände erfolgt hingegen erst nach Anerkennung der Stiftung. Stiftungsfähig sind alle materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände, wie Bargeld, bewegliche und unbewegliche Vermögensgegenstände, Marken- oder Patentrechte. Die Vermögensgegenstände können im Stiftungsgeschäft konkret bezeichnet werden, denkbar ist aber auch eine wertmäßige Bezeichnung unter Vorbehalt des Stifters, diese Werte entweder in bar oder durch Sachwerte zu leisten. Regelmäßig wird allerdings der zu stiftende Vermögensgegenstand im Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts bereits feststehen und sollte dann – zur Vermeidung von Zweifelsfragen – auch möglichst genau bezeichnet werden. Zur erforderlichen Höhe des Stiftungsvermögens, für die auch die Zusammensetzung des Stiftungsvermögens entscheidend sein kann (Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 98), s § 80 Rn 5. III. Stiftungssatzung. Das Stiftungsgeschäft muss schließlich die Satzung der Stiftung enthalten mit dem in Abs I Nr 1 lit a–d bzw bei einer Verbrauchsstiftung mit dem in Abs II bezeichneten Mindestinhalt. Dem Stifter verbleibt privatautonom ein großer Spielraum, der nur durch die Gemeinwohlgefährdung eingeschränkt ist (§ 82 Rn 11). Auf diese Weise kann für jede Stiftung eine individuell angepasste Satzung erstellt werden. Der Stifter ist nicht an Formulierungsvorgaben gebunden, er genießt die volle Formulierungsfreiheit. Die Unantastbarkeit und Bedeutung des Stifterwillens schränkt eine spätere Abänderung der Satzung hinsichtl ihrer identitätsprägenden Merkmale weitgehend ein (Schwalm NotBZ 2022, 83). Die Satzung gibt der Stiftung als juristischer Person damit grds für deren Lebensdauer ihre Verfassung und sollte daher mit großer Sorgfalt erstellt werden. Zu unterscheiden ist zw dem gesetzl vorgeschriebenen Mindestinhalt und fakultative Regelungen, über deren Inhalt und Reichweite der Stifter als Ausprägung der Stiftungsautonomie frei entscheiden kann. Abs I Nr 1 bzw Abs II legt bundeseinheitlich abschließend und verbindlich lediglich die Mindestinhalte fest, die der Stifter auf jeden Fall in der Satzung zu regeln hat. Darüber hinaus kann – das ist die Regel – die Satzung weitere 238
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Juristische Personen – Stiftungen
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Bestimmungen enthalten, zB über die Einsetzung eines Beirats, Vermögensanfall, Vermögensanlage, Destinatäre usw (dazu § 84 Rn 10ff). Fehlt es der Satzung an dem Mindestinhalt, wird die Anerkennungsbehörde zunächst auf eine entspr Ergänzung seitens des Stifters hinwirken. Gem Abs IV nimmt die jew Behörde nach dem Tod des Stifters entspr Ergänzungen vor. 1. Notwendiger Inhalt. Der zwingende Mindestinhalt ergibt sich für die Stiftungssatzung aus § 81 I Nr 1, für das Stiftungsgeschäft iÜ aus § 81 I Nr 2, § 82. Allen anderen Regelungen übergeordnet ist danach die Erklärung des Stifters, ein Vermögen dem Stiftungszweck zu widmen, wobei § 82 insofern inhaltlich vorgibt, dass die dauernde und nachhaltige Zweckerfüllung im Zeitpunkt der behördlichen Anerkennung gesichert erscheinen muss (ausf dazu § 82 Rn 6ff). Nach § 81 I Nr 1 muss die Satzung mindestens Zweck, Namen, Sitz und die Bildung des Vorstands regeln. a) Stiftungszweck (Abs I Nr 1 lit a) Der Stiftungszweck ist das prägende Merkmal einer jeden Stiftung und daher schon zwingender Bestandteil der Gründungserklärung. Die darin enthaltene generelle Zweckbestimmung wird in der Satzung wiederholt und konkretisiert, was bei gemeinnützigen Stiftungen schon vor dem Hintergrund der Anforderungen des § 60 AO notwendig ist (Götz/Pach-Hanssenheimb/Götz Rn 190f). Inhaltlich ist die Ausgestaltung des Stiftungszwecks dem Willen des Stifters vorbehalten, gesetzl Vorgaben bestehen – mit Ausnahme des Verbots der Gemeinwohlgefährdung gem § 82 S 1 (dazu § 82 Rn 11f) – nicht. Es sind sowohl gemeinnützige als auch privatnützige Zwecke möglich, insb kann die Stiftung auch den Stifter selbst und/oder seine Familie als Destinatär vorsehen (v Campenhausen/Richter/Hof § 7 Rn 60; Feick/Fischer Stiftung als Nachfolgeinstrument, § 7 Rn 11; Schiffer/Schiffer/Pruns/Schürmann § 3 Rn 104ff; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/ Stumpf Kap B Vorbem Rn 8; gegen die reine „Stiftung für den Stifter“ MüKo/Weitemeyer Rn 33ff; Richter/Dutta § 5 Rn 18f; Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 50; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap C Vorbem Rn 115). Der Stifter kann sich für einen oder mehrere Zwecke entscheiden und sowohl einen weiten als auch einen engen Zweck wählen. Der Stifter kann sich auf die Angabe des bloßen Zwecks beschränken oder noch weitere Einzelheiten zum Zweck regeln, insb die Art und Weise der Zweckerfüllung. Der Stiftungszweck konkretisiert den Stifterwillen und bestimmt das Stiftungsleben einschl der Förderprojekte und der Destinatäre (§ 84 Rn 13). Er ist auch für die erforderliche Vermögensausstattung der Stiftung maßgeblich (§ 80 Rn 5). Je konkreter die Zweckbestimmung in der Satzung erfolgt, desto enger ist die Bindung der Stiftungsorgane. Bei einem Stiftungsgeschäft von Todes wegen, das sich in der Erbeinsetzung einer noch zu errichtenden „wohltätigen Stiftung“ erschöpft, fehlt eine solche konkrete Zweckbestimmung, sodass der Stiftungszweck mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam ist und damit ein zwingendes Anerkennungshindernis vorliegt (VG Ansbach ZStV 2021, 217f). Von der zulässigen eigennützigen – etwa auf die Förderung des Stifters und/oder seiner Familie gerichteten – Stiftung zu unterscheiden ist die sog „Selbstzweckstiftung“, die lediglich auf den Erhalt und die Vermehrung des Stiftungsvermögens gerichtet ist. Denn Kern des Stiftungsgeschäfts ist nach § 80 I 1 die Widmung eines Vermögens zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks. Das Vermögen muss also der Zweckerfüllung dienen und kann nicht dem reinen Erhalt oder der reinen Mehrung des Vermögens dienen. Dafür spricht auch die in § 82 genannte Voraussetzung für die Anerkennung der Stiftung, nach der die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheinen muss, die auf einer das Funktionsinteresse der Stiftung bestimmenden Zweck-Vermögens-Relation basiert; der Gesichtspunkt einer Deckungsgleichheit ist dagegen (system-)fremd (MüKo/Weitemeyer Rn 33ff; Feick/Fischer Stiftung als Nachfolgeinstrument, § 7 Rn 11; Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 50). Besonderheiten ergeben sich dabei bei der Stiftung & Co KG. Eine solche Stiftung stellt gerade keine unzulässige Selbstzweckstiftung dar (Vor § 80 Rn 25). Der Stifter kann in der Satzung Zweckänderungen zulassen oder aber bestimmte Zweckbestimmungen als unabänderbar bezeichnen (Grü/Ellenberger Rn 7). Bei dauerhafter Unmöglichkeit der Zweckerfüllung und Gefährdung des Gemeinwohls darf ein Stiftungsorgan oder die Aufsichtsbehörde unter Berücksichtigung des (mutmaßlichen) Stifterwillens eine andere Zweckbestimmung vorgeben (§ 85 Rn 5). b) Name der Stiftung (Abs I Nr 1 lit b) Zur Kennzeichnung ihrer Identität und zur Sicherheit des Rechtsverkehrs (Richter/Stumpf § 4 Rn 93) bedarf die Stiftung eines Namens, der sie von anderen Rechtssubjekten unterscheidet und der nach Anerkennung der Stiftung Namensschutz gem § 12 genießt (Richter/Stumpf § 4 Rn 91; München NJW-RR 97, 724; vgl auch zum Namensschutz einer unselbständigen Stiftung Jena ZStV 2013, 192). Bei der Wahl des Namens ist der Stifter weitgehend frei. Die firmenrechtl Grundsätze des HGB (Firmenwahrheit, Firmenklarheit) gelten nur, sofern die Stiftung selbst (ausnahmsw) Kaufmann sein sollte. In diesem Fall wäre die Stiftung auch gem § 33 HGB in das Handelsregister einzutragen (Baumbach/Hopt/Hopt37 2016, § 33 HGB Rn 1). Der Name muss keinen Hinweis auf den Stiftungszweck enthalten. Überdies ist der Grundsatz der Namenswahrheit zu berücksichtigen, wonach der Name keine falschen Vorstellungen über Zwecke, Art und Größe der Stiftung erwecken darf (MüKo/Weitemeyer Rn 28; Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 44). Ein Rechtsformzusatz ist erst durch die Neuregelung des § 82c ab 1.1.2026 vorgesehen (Vor § 80 Rn 3). c) Stiftungssitz (Abs I Nr 1 lit c) Der Stiftungssitz ist maßgeblich für das heranzuziehende LandesstiftungsG, die Zuständigkeit der Anerkennungs- und Aufsichtsbehörde nach dem jew LandesstiftungsG und den Gerichtsstand (§ 17 ZPO). Der Sitz ist der räumliche Teil der Identität der Stiftung und kann vom Stifter grds frei bestimmt werden. Aus Abs IV S 3 folgt im Umkehrschluss, dass der satzungsmäßige Sitz der Stiftung nicht zwingend mit dem Verwaltungssitz übereinstimmen muss (so auch Götz/Pach-Hanssenheimb/Götz Rn 193; Richter/Stumpf § 4 Rn 98; Grü/Ellenberger Rn 6). Umstritten ist, ob es eines inhaltlichen Zusammenhangs oder eines sachlichen Wiese
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Bezugs der Stiftung zu ihrem satzungsmäßigen Sitz bedarf (so Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 45; Stumpf/Suerbaum/ Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 81 Rn 23; MüKo/Weitemeyer Rn 30; Grü/Ellenberger Rn 6). Ein solches Erfordernis ist allerdings dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch fehlt es an einer triftigen Begründung für eine derartige Einschränkung der Stiftungsfreiheit. Insb vermag der Hinweis nicht zu überzeugen, dass ohne das Erfordernis eines inhaltlichen Zusammenhangs zw Stiftung und satzungsmäßigem Sitz „die Existenz von Landesstiftungsrecht ad absurdum“ geführt sei (MüKo/Weitemeyer Rn 30). Tatsächlich hat der Stifter ein berechtigtes Interesse daran, sich die stiftungsfreundlichste und entgegenkommendste Stiftungsbehörde auszusuchen. Es kommt dann eben das Stiftungsrecht zur Anwendung, welches der Stifter durch die Auswahl des Stiftungssitzes wünscht (wie hier Götz/Pach-Hanssenheimb/Götz Rn 193; Feick/Fischer, Stiftung als Nachfolgeinstrument, § 7 Rn 6; Hüttemann/Richter/Weitemeyer/Jakob Rn 6.9). Die Nennung eines Doppelsitzes oder mehrerer Sitze in der Satzung wird zunehmend für zulässig erachtet (Grü/Ellenberger Rn 6; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 81 Rn 24), erscheint aber bedenklich, da bei der Festlegung mehrerer Sitze die Anwendbarkeit des Landesstiftungsrechts und die Behördenzuständigkeit offen ist. Verlangt man, dass der Stifter den hierfür maßgeblichen Sitz festlegen muss (Hüttemann/Richter/ Weitemeyer/Jakob Rn 6.12), wird man wohl nur diesen Sitz als eigentlichen satzungsmäßigen Stiftungssitz bezeichnen können. Fehlt im Stiftungsgeschäft und in der Satzung eine Sitzbestimmung, wird die Stiftungsbehörde den Stifter zu dessen Lebzeiten zu einer entspr Ergänzung auffordern. Nach dem Tod des Stifters ist eine solche durch Auslegung zu ermitteln und letztlich entspr Abs IV S 3 mit dem Sitz der Verwaltung oder im Zweifel dem letzten Wohnsitz des Stifters festzulegen. Eine Sitzverlegung in einen anderen Ort oder ein anderes Bundesland kann der Stifter durch einen entspr Satzungsänderungsvorbehalt ermöglichen. Es gelten die allg Anforderungen an Satzungsänderungen (§ 85 Rn 2ff). Eine Sitzverlegung in einen anderen Staat verstößt nach § 83a hingegen gegen das Wegzugsverbot und kann damit nicht unter Wahrung der Rechtsform der Stiftung erfolgen (§ 83a Rn 2). d) Bildung des Vorstands (Abs I Nr 1 lit d) Einziges Pflichtorgan der Stiftung ist der Vorstand als Vertretungsorgan, den der Stifter auch als Kuratorium, Direktorium usw bezeichnen kann (MüKo/Weitemeyer Rn 45). Entscheidend ist insofern nicht die Bezeichnung, sondern die dem Organ zugewiesenen Aufgaben (Geschäftsführung und Vertretung der Stiftung). Da die Stiftung keine Mitglieder/Gesellschafter hat, die Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung nehmen könnten, sondern der Stifterwille entscheidet, sind die Mitglieder des Vorstands der entscheidende Personenkreis, der den Stifterwillen umzusetzen, die Zweckerfüllung herbeizuführen und über die Verwaltung des Stiftungsvermögens die Existenz der Stiftung zu garantieren hat. Ausf zur Satzungsbestimmung über die Bildung des Vorstands s § 84 Rn 3. e) Stiftungsvermögen Die Bestimmung zum Stiftungsvermögen wurde durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts aus dem Katalog der zwingenden Satzungsbestimmungen gestrichen. Die Widmung eines Vermögens für den Stiftungszweck ist nach Abs I Nr 2 aber zwingender Bestandteil des Stiftungsgeschäfts. Erg werden in den §§ 83b und 83c künftig für jede Stiftung umfassende Regelungen zum Stiftungsvermögen und seiner Verwaltung getroffen, die nicht zwingend durch Satzungsbestimmungen ergänzt werden müssen, auch wenn eine Ergänzung ggf durchaus sinnvoll sein kann (s dazu ausf § 83b und § 83c). 2. Verbrauchsstiftung. Die Satzung einer Verbrauchsstiftung muss neben den Voraussetzungen des Abs I zusätzlich die Festlegung der Zeit angeben, für die die Stiftung errichtet wird. Dadurch soll wegen der meist schwer vorhersehbaren zeitlichen Umsetzung der Erfüllung des Stiftungszwecks die benötigte zeitliche Flexibilität gewährleistet werden. Ausreichend ist nach der Gesetzesbegründung aber auch das Anknüpfen an ein bestimmtes Ereignis, das sicher eintritt, zB den Tod einer Person (BT-Drs 19/28173, 49). Ebenfalls sollten die Anforderungen an die nach Abs II Nr 2 erforderlichen Bestimmungen zur Verwendung des Stiftungsvermögens über den Lebenszeitraum der Verbrauchsstiftung nicht über den Gesetzeswortlaut hinaus verengt werden. Ein konkreter Verbrauchsplan ist nicht erforderlich (Lorenz/Mehren DStR 2021, 1775). Ausreichend ist vielmehr die Sicherstellung, dass das gewidmete Vermögen kein Grundstockvermögen wird und künftig auch kein Grundstockvermögen gebildet werden kann, da das gesamte Vermögen für den Stiftungszweck zu verbrauchen ist. Die zusätzlichen Satzungsbestimmungen für die Verbrauchsstiftung sind erforderlich, um den zuständigen Anerkennungsbehörden die Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen nach § 82 S 1 zu ermöglichen. 3. Fakultative Regeln über die Stiftungsorganisation. Regelmäßig enthalten Stiftungssatzungen über den Mindestinhalt hinaus Regelungen über die Organstruktur, vor allem die Einrichtung eines weiteren (Aufsichts-)Organs neben dem Vorstand (§ 84 Rn 11f), über die Verwendung des Stiftungsvermögens während der Dauer der Stiftung und nach ihrem (möglichen) Ende, über die Rechtsstellung der Destinatäre (§ 84 Rn 13) und über Änderungen der Satzung (§ 85 Rn 1ff). Neben dem zwingend vorgesehenen Vorstand als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Stiftung (§ 81 I Nr 1 lit d) kann die Satzung ein oder mehrere weitere Organe vorsehen und deren Kompetenzen (Aufsicht, Beratung, Repräsentation usw) regeln (dazu ausf s § 84 Rn 10ff). Zudem kann die Haftung des Vorstands abw geregelt werden (ausf dazu s § 84a Rn 6). 4. Auslegungsfragen. Der Auslegung des Stiftungsgeschäfts und ggf der Satzung ist der Wille des Stifters zugrunde zu legen, soweit er Eingang in das Genehmigungsverfahren gefunden hat (MüKo/Weitemeyer Rn 18; Köln NZG 2019, 70; BGHZ 23, 282). Entscheidend ist der Stifterwille im Zeitpunkt der Stiftungserrichtung (dazu O. Werner Stiftungen in Deutschland und Europa, 243). Der Stifter kann die Auslegung der Satzung aus240
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schließlich auf ein Satzungsorgan oder die Aufsichtsbehörde übertragen (RGZ 100, 230, 234; Grü/Ellenberger Rn 2), auch er selbst muss sich an den in Satzung und Stiftungsgeschäft festgeschriebenen, „objektivierten“ Stifterwillen halten (Richter/Godron § 6 Rn 105) und kann nicht etwa subj über die Auslegung der Satzung entscheiden. Die Auslegungsentscheidung ist reversibel (BGH NJW 1957, 708). Dies gilt jedoch nur für die Satzung selbst, nicht für den sonstigen Inhalt des Stiftungsgeschäfts (BGHZ 70, 313, 322). IV. Stiftungsgeschäft von Todes wegen. Die Stiftung von Todes wegen kann durch letztwillige Verfügung in der Form des (auch gemeinschaftl) Testaments oder eines Erbvertrags errichtet werden. Bei mehreren Stiftern ist die Kombination einer Stiftung von Todes wegen mit einer Stiftung unter Lebenden zulässig. So ist beim Erbvertrag die gemeinsame Errichtung einer Stiftung nach dem Tod des Erstversterbenden für den Erstversterbenden eine Verfügung von Todes wegen, für den Überlebenden ein Rechtsgeschäft unter Lebenden (BGHZ 70, 311, 322). Nichts anderes dürfte auch bei einem entspr gemeinschaftl Testament gelten (zur Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung einer Stiftung von Todes wegen iSv §§ 2270, 2271 II s München ZEV 2000, 104). Hinsichtl des Stiftungsgeschäfts gelten die allg erbrechtl Anforderungen, etwa im Hinblick auf die Testierfähigkeit (§ 2229) und die Höchstpersönlichkeit (§§ 2064 und 2065, 2274; s aber München ZEV 2014, 605 zur Möglichkeit der Auswahl des Stiftungsträgers einer unselbständigen Stiftung durch einen Testamentsvollstrecker bei hinreichender Bestimmung des Stiftungszwecks). Auch die Formvorschriften des Erbrechts (§§ 2231ff, 2276) gelten entspr. Auch bei der Stiftung von Todes wegen muss der Erblasser in der letztwilligen Verfügung die Satzung festlegen. Daher muss auch die Satzung der gewählten Form der Erklärung (§§ 2229ff, 2274ff) entsprechen, also ggf eigenhändig niedergeschrieben werden (Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 145). Die maschinenschriftliche Beifügung der Satzung genügt nicht. Trotz fehlender eigenhändiger Abfassung der Stiftungssatzung ist eine Stiftung von Todes wegen formwirksam errichtet, wenn der Wille des Erblassers zur Errichtung der Stiftung im Testament hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist (Stuttgart ZEV 2010, 200f). Die gem § 81 I erforderlichen Angaben über Name und Sitz, Stiftungszweck, Organisation und Vermögen können ggf nach Abs IV S 1durch die Anerkennungsbehörde ergänzt werden. Die Anfechtung der letztwilligen Verfügung unterliegt den allg Regeln der §§ 2078 f (Richter/Stumpf § 4 Rn 49; O. Schmidt ZEV 2000, 308ff). Ein Recht zur Ausschlagung des Erbes steht der Stiftung von Todes wegen nicht zu, da sich die Stiftung damit ihrer Existenzgrundlage berauben würde. Allerdings wird eine Stiftung bei fehlender Werthaltigkeit des Nachlasses gem § 82 S 1 nicht anerkannt werden. Bei Unklarheiten des Stiftungsgeschäfts folgt die Auslegung den allg Regeln der Willensermittlung hinsichtl letztwilliger Verfügungen, hinsichtl des personenrechtl Teils, also der Satzung, soll § 133 heranzuziehen sein (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 83 Rn 8; ausf O. Schmidt ZEV 2000, 219; O. Schmidt ZSt 2003, 227ff). Die Zuwendung des Vermögens kann Erbeinsetzung (Allein-, Mit-, Vor-, Ersatz-, Nacherbe) sein, ferner Vermächtnis oder Auflage (Zweibrücken NJW-RR 2000, 815; ausf MüKo/Weitemeyer § 83 Rn 7ff). Ist nicht nur die Vermögenszuwendung Auflage, sondern ist die Errichtung einer Stiftung Auflage zu Lasten des Erben, errichtet der Erbe die Stiftung durch Stiftungsgeschäft unter Lebenden. Der Stiftung steht kein Anspruch auf Übertragung des ihr im Wege der Auflage zugedachten Vermögens zu. Die Auflage kann nur nach § 2194 S 2 oder durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers durchgesetzt werden (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 83 Rn 19). Der Stifter als Erblasser kann zwar nach der Gesetzesbegr (BT-Drs 19/28173, 48) über den Erbteil der Stiftung eine Abwicklungstestamentsvollstreckung bis zum Entstehen der Stiftung, aber keine Dauertestamentsvollstreckung für die Verwaltung des Nachlasses anordnen, sodass der Testamentsvollstrecker nach Anerkennung der Stiftung das ihr zugedachte Vermögen freigeben muss (Frankfurt ZStV 2011, 183 m Anm Reimann S 605; A. Werner ZStV 2011, 183; Peiker ZStV 2012, 179; ausf dazu Neuhoff ZErb 2013, 81; s auch Pauli ZEV 2012, 461). Im Gegensatz zur Stiftung unter Lebenden ist ein Antrag auf Anerkennung der Stiftung von Todes wegen nicht zwingend erforderlich. Es genügt, dass die Stiftungsbehörde – gleich auf welchem Weg – Kenntnis von der Stiftungserrichtung und dem Erbfall erlangt. Da der Erblasser nach seinem Tod evtl Mängel des Stiftungsgeschäfts wegen Nichteinhaltung der Erfordernisse des § 81 I nicht mehr beseitigen kann, dem Stifterwillen aber auf jede mögliche Weise Geltung verschafft werden soll, hat die Anerkennungsbehörde das Stiftungsgeschäft und/oder die Satzung zu ergänzen und damit die Mängel zu beheben und die Stiftung zur Entstehung zu bringen. Dabei ist die Behörde an den feststellbaren Willen des Stifters gebunden (Grü/Ellenberger § 83 Rn 2). Die Ergänzung kommt erst und nur in Betracht, wenn die Mängel durch Auslegung nicht zu beseitigen sind und der Stiftungsgründungswille erkennbar ist (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 83 Rn 24). Voraussetzung für eine Ergänzungsbefugnis ist aber, dass der Stifter im Stiftungsgeschäft zumindest den Zweck der Stiftung festgelegt und ein Vermögen gewidmet hat. Ohne diese Bestimmungen ist ein Stiftungsgeschäft unwirksam und damit nicht ergänzungsfähig. Die Pflicht zur Ergänzung des Stiftungsgeschäfts besteht aber nur, wenn die dauernde und nachhaltige Erfüllung des vom Stifter festgelegten Stiftungszwecks gesichert erscheint. Lässt sich dem Stiftungsgeschäft trotz Auslegung kein Stiftungssitz entnehmen, gilt gem S 3 im Zweifel der letzte inländische Wohnsitz des Stifters iSd §§ 7ff. Hatte der Stifter bis zu seinem Tode mehrere Wohnsitze im Inland, kann die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet sein, deren Bestimmung sich dann nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts der betroffenen Länder richtet. Der Erbe hat gegen die Entscheidung der Anerkennungsbehörde die verwaltungsrechtl Rechtsmittel (Grü/Ellenberger § 83 Rn 2). Wiese
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§ 81a
Personen
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Widerruf des Stiftungsgeschäfts
Bis zur Anerkennung der Stiftung ist der Stifter zum Widerruf des Stiftungsgeschäfts berechtigt. Ist die Anerkennung bei der zuständigen Behörde des Landes beantragt, so ist der Widerruf dieser gegenüber zu erklären. Der Erbe des Stifters ist zum Widerruf des Stiftungsgeschäfts nicht berechtigt, wenn der Stifter den Antrag auf Anerkennung der Stiftung bei der zuständigen Behörde des Landes gestellt oder im Falle der notariellen Beurkundung des Stiftungsgeschäfts den Notar mit der Antragstellung betraut hat. I. Allgemeines. § 81a entspricht dem bisherigen § 81 II. Das Stiftungsgeschäft kann vom Stifter bis zur Anerkennung der Stiftung frei widerrufen werden. Stiftungsgeschäfte, die in letztwilligen Verfügungen enthalten sind, können nur vom Stifter nach den erbrechtl Vorschriften widerrufen werden. II. Widerrufsvoraussetzungen. Der Widerruf ist eine auch konkludent mögliche, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, ein besonderer Widerrufsgrund ist nicht erforderlich. Es genügt jede Handlung, die den Widerrufswillen nach außen erkennen lässt, § 133 (MüKo/Weitemeyer § 81 Rn 53). Bei der Stiftung von Todes wegen gelten die für den Widerruf letztwilliger Verfügung bestehenden Bestimmungen (Grü/Ellenberger § 81 Rn 12). Ist der Antrag auf Anerkennung bei der zuständigen Behörde gestellt, kann der Widerruf nur ggü der Anerkennungsbehörde erklärt werden, S 2. Eine besondere Form für die Widerrufserklärung ist aber auch in diesem Fall nicht vorgesehen. Nach dem Tod des Stifters geht das Widerrufsrecht zwar grds gem § 1922 auf dessen Erben über (Grü/Ellenberger Rn 12; aA ohne Begr Götz/Pach-Hanssenheimb/Götz Rn 116). Diese können die mittels Rechtsgeschäft unter Lebenden errichtete Stiftung jedoch dann nicht mehr widerrufen, wenn der Erblasser den Antrag auf Anerkennung bei der zuständigen Behörde gestellt oder im Falle der notariellen Beurkundung des Stiftungsgeschäfts den Notar mit der Antragstellung beauftragt hat (S 3). Fraglich ist, ob die Erben den Auftrag des Erblassers an den Notar zur Stellung des Anerkennungsantrags widerrufen können, bevor dieser den Antrag gestellt hat. Das Gesetz verhält sich hierzu nicht, gleichwohl dürfte dies ausgeschlossen sein, da ansonsten S 3 insofern ausgehöhlt wäre und dem Erben eine vom Gesetz gerade ausgeschlossene faktische Widerrufsmöglichkeit eingeräumt wäre. Sind mehrere Stifter am Stiftungsgeschäft beteiligt, hat jeder einzelne das Widerrufsrecht, dessen Ausübung nach § 139 im Zweifel das Stiftungsgeschäft insgesamt unwirksam macht (Grü/Ellenberger Rn 12; v Campenhausen/Richter/Hof § 6 Rn 60).
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Anerkennung der Stiftung
Die Stiftung ist anzuerkennen, wenn das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 Absatz 1 bis 3 genügt und die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint, es sei denn, die Stiftung würde das Gemeinwohl gefährden. Bei einer Verbrauchsstiftung erscheint die dauernde Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert, wenn die in der Satzung für die Stiftung bestimmte Zeit mindestens zehn Jahre umfasst. I. Allgemeines. § 82 entspricht inhaltlich dem bisherigen § 80 II. Für die Frage der Gemeinwohlgefährdung nach § 82 S 1 wird nunmehr auf die Stiftung und nicht mehr nur auf den Stiftungszweck abgestellt. Damit wird ein Gleichlauf mit den Vorschriften über die Aufhebung der Stiftung wegen Gemeinwohlgefährdung erreicht (§ 87a Rn 2). II. Verfahren. Die zuständige Anerkennungsbehörde bestimmt sich nach dem Stiftungsgesetz des Bundeslandes, in dem die zukünftige Stiftung ihren satzungsmäßigen Sitz haben soll. Der tatsächliche Verwaltungssitz ist nicht relevant und muss auch nicht mit dem satzungsmäßigen Sitz übereinstimmen (Stumpf/Suerbaum/ Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 80 Rn 70). Die landesrechtl Zuordnung liegt teils beim Innenminister, so in Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Schl-Holst, Thüringen, bei der Bezirksregierung in Nds, NRW, Rh-Pf, beim Regierungspräsidenten in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, in Berlin bei der Senatsverwaltung für Justiz. Die Anerkennung erfolgt nur auf Antrag. Während die inhaltlichen Voraussetzungen der Anerkennung abschließend im BGB geregelt sind, bestimmt sich das Anerkennungsverfahren nach den Landesstiftungsgesetzen. Da es sich bei der Anerkennung um einen Verwaltungsakt handelt, ist deren Zugang beim Stifter erforderlich. Eine landesrechtl etwaig gebotene öffentliche Bekanntmachung ist nicht konstitutiv (Staudinger/Hüttemann/Rawert Rn 13). Bei Versagung der Anerkennung, Erteilung unter Auflagen oder Untätigkeit der Anerkennungsbehörde sind die verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfe zu wählen. Die Versagung der Anerkennung hat keine Konsequenzen für die Wirksamkeit des Stiftungsgeschäfts, insb ist dieses für einen erneuten Antrag nicht etwa zu wiederholen (MüKo/Weitemeyer § 81 Rn 1). III. Voraussetzungen der Anerkennung. Der Rechtsanspruch des Stifters auf Anerkennung der Stiftung (dazu bereits Vor § 80 Rn 2) folgt aus § 82. Danach ist die Stiftung anzuerkennen, wenn (1) das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 I–III genügt, (2) die dauernde und nachhaltige Zweckerfüllung gesichert erscheint und (3) der Stiftungszweck nicht gemeinwohlgefährdend ist. Der Gesetzgeber hat sich mit der Neuregelung durch das Stiftungsrechtsreformgesetz klarstellend der bis dahin hM angeschlossen, die ein gebundenes Ermessen angenommen hat (vgl hierzu Andrick/Suerbaum NJW 2002, 2907). Bei Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzung hat die Behörde keinen Beurteilungsspielraum, sondern muss die Anerkennung aussprechen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hinsichtl Tat- und Rechtsfragen verwaltungsgerichtlich voll überprüfbar, und zwar auch hinsichtl der erforderlichen Kapitalausstattung (Grü/Ellenberger § 80 Rn 4; MüKo/Weitemeyer § 80 242
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 82
Rn 122). S 1 enthält eine (bundeseinheitlich) abschließende Regelung der materiell-rechtl Voraussetzungen für die Anerkennung der Stiftung. Für die Landesgesetze besteht kein weiterer (einengender oder erweiternder) Gestaltungsraum (vgl Vor § 80 Rn 4). 1. Anforderungen des § 81 I–III. Als grds Anerkennungsvoraussetzung muss das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 I–III genügen (vgl § 81 Rn 5ff). 2. Dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks. Darüber hinaus muss die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheinen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll diese Regelung zum einen zum Schutz des Rechtsverkehrs die dauerhafte Existenz der mitgliederlosen Stiftung gewährleisten und zum anderen dem der Rechtsform der Stiftung eigenen Wesen Rechnung tragen, dass sie grds auf unbegrenzte Dauer angelegt ist (BT-Drs 14/8765, 8). Der Gesetzgeber wollte mit dem Merkmal der Dauerhaftigkeit ausdrückl nicht solche Stiftungen verhindern, die nach dem Willen des Stifters zwar für längere Dauer errichtet werden, deren zeitl Ende aber bereits angelegt ist (BT-Drs 14/8765, 8: dazu auch bereits § 80 Rn 3). Wesentliches Kriterium für die Frage nach der nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks ist die angemessene Vermögensausstattung der Stiftung. Aus der Formulierung „gesichert erscheint“ folgt, dass zum Zeitpunkt der Anerkennung der Stiftung eine Prognoseentscheidung erforderlich ist. a) Dauerhaftigkeit. Erste Anerkennungsvoraussetzung ist also, dass die Stiftung ihrem Zweck nach auf eine gewisse „längere Dauer“ angelegt ist. Eine feste Mindestdauer sieht das Gesetz nicht vor (MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 143ff). Die für Verbrauchsstiftungen in Abs II S 2 vorgesehene Mindestdauer von 10 Jahren (dazu Rn 10) gilt nicht für andere zeit- oder zweckbefristete Stiftungen (MüKo/Weitemeyer Rn 143ff). Vielmehr sind sowohl zeitbefristete als auch zweckbefristete Stiftungen („Stiftung auf Zeit“) mit kürzerer Dauer grds denkbar, sofern der Zweck nicht „flüchtig“ ist (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 80 Rn 46). Die Gesetzesbegr liefert insofern das Bsp der Wiederherstellung eines kunsthistorischen Bauensembles (BT-Drs 14/8765, 8). Die Ausstattung einer Verbrauchsstiftung, die nur für eine kurze Zeit besteht, muss gesichert erscheinen lassen, dass der Zweck innerhalb der Zeitdauer der Stiftung auch nachhaltig erfüllt werden kann. Da bei der Verbrauchsstiftung kein Grundstockvermögen gebildet wird, ist das Bewältigen eines erheblich größeren Mitteleinsatzes als bei Stiftungen auf unbestimmte Zeit für den gleichen Zeitraum möglich (BT-Drs 14/8765, 46). b) Vermögensausstattung. Maßgebliche Voraussetzung der Anerkennung ist, dass die Vermögensausstattung der Stiftung eine hinreichende Aussicht dafür bieten muss, dass der Stiftungszweck erfüllt werden kann. Wegen der unterschiedlichen Stiftungszwecke kann hier keine bestimmte Summe zugrunde gelegt werden (Schwake NZG 2008, 248; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 80 Rn 60f). Vielmehr prägt der jew Zweck den Kapitalbedarf, sodass sich eine pauschale Betrachtung verbietet. Der Anerkennung entgegen steht in jedem Fall eine Unterkapitalisierung, die der Lebensfähigkeit der Stiftung von vornherein entgegensteht, etwa, wenn für die erwartete Dauer bereits Zweifel an der Deckung der Verwaltungskosten bestehen. Die Prüfung der Angemessenheit der Vermögensausstattung erfordert in jedem Fall eine Prognose, bei der nicht nur die Vermögensausstattung zum Zeitpunkt der anstehenden behördlichen Anerkennung maßgeblich ist (ausf Richter/Godron § 7 Rn 8ff). Darüber hinaus sind einzuwerbende Spenden oder in Aussicht gestellte Zustiftungen zu berücksichtigen, wenn diese Zuwendungen als „gesichert erscheinen“. Bei der Prüfung der Vermögensausstattung steht der Anerkennungsbehörde kein eigener Beurteilungsspielraum zur Verfügung. Vielmehr obliegt der Behörde lediglich eine – verwaltungsgerichtlich voll prüfbare – Kontrolle der Prognose des Stifters (MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 131). Der Verweigerung der Anerkennung wegen zu geringen Stiftungskapitals kann dadurch begegnet werden, dass in der Satzung eine Abstufung der Zweckerfüllung vorgenommen wird, indem ein wenig kostenträchtiger Zweck als grds erfüllbar vorangestellt und weitere Zwecke (evtl in einer bestimmten Reihenfolge) von der Finanzsituation abhängig gemacht werden (etwa abhängig von Zuwendungen Dritter). In § 82 wird auch die Grundlage für den stiftungsrechtl Grundsatz der Vermögenserhaltungspflicht gesehen (dazu bereits Vor § 80 Rn 1; ausführlicher § 83c Rn 2). Danach ist das der Stiftung für die Erfüllung ihres Zwecks zugewendete Vermögen zu erhalten, auch die Zweckverfolgung darf grds nur aus den Erträgen dieses Vermögens erfolgen. c) Verbrauchstiftungen. Mit dem Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts ist die auch bis dahin schon gesetzl geregelte Verbrauchsstiftung modifiziert worden. Eine Verbrauchsstiftung darf – abw vom gesetzl Leitbild – auch ihr Stiftungsvermögen für die Zweckverfolgung einsetzen und verbrauchen. Für die Verbrauchsstiftung sieht S 2 einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren vor, für den die Stiftung gem Festlegung im Stiftungsgeschäft bestehen soll. Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich dabei nicht um eine starre Untergrenze (so aber wohl Rawert npoR 2014, 1, 3; Tielmann NJW 2013, 2934, 2935; Grü/Ellenberger § 80 Rn 5), sondern um eine gesetzl Vermutung dahingehend, dass bei Verbrauchsstiftungen für mehr als 10 Jahre die Dauerhaftigkeit der Zweckerfüllung lediglich vermutet wird (so mit guten Gründen MüKo/Weitemeyer Rn 143; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 80 Rn 64). Im Einzelfall können daher auch auf kürzere Zeit angelegte Verbrauchsstiftungen das Merkmal der Dauerhaftigkeit erfüllen. 3. Gemeinwohlgefährdung. Einer Stiftung ist die Anerkennung zu versagen, wenn die Stiftung das Gemeinwohl gefährdet. Die Gemeinwohlgefährdung schränkt damit die privatautonome Stifterfreiheit ein. Das Gesamtinteresse der staatlichen Gemeinschaft hat als unbestimmter Rechtsbegriff Eingang in die Anerkennungsbewertung gefunden. Unstr ist eine Gemeinwohlgefährdung bei Verstoß gegen die Verfassung, ein allgemeingesetzl Verbot oder die guten Sitten gegeben (BVerwGE 172, 85ff; Andrick/Suerbaum Nachtrag S 10, 11), ebenso wenn Wiese
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Personen
der Stiftungszweck mit dem Schutz der Menschenwürde (zB Rassendiskriminierung) unvereinbar ist (BVerwG NJW 1998, 2545; OVG Münster NVwZ 1996, 913; ausf Andrick/Suerbaum NJW 2002, 2908; Hüttemann/Rawert ZIP 2013, 2136). Die Gemeinwohlgefährdung beschränkt sich ausschließlich auf den Stiftungszweck, die geplante oder tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Die Person des Stifters, etwa dessen Vorstrafen, muss außer Betracht bleiben (BVerwGE 172, 85ff; Veltmann ZSt 2006, 150; Veltmann 2007, 64; Neuhoff ZSt 2007, 20). Ergibt sich die Gemeinwohlgefährdung nicht bereits aus dem Stiftungsgeschäft (einschl Satzung), sondern wird erst später aus sonstigen Programmen oder Tätigkeiten transparent, kann die Stiftungsaufsichtsbehörde über § 87a II Nr 2 eingreifen. Für die Beurteilung, ob eine Gemeinwohlgefährdung vorliegt, kommt es nicht allein auf die Satzung und den vordergründig zum Ausdruck gebrachten Stiftungszweck an, sondern auch auf die im Hintergrund liegenden tatsächlichen Absichten der Stifter, die nicht in der Satzung dokumentiert werden; dabei sind insb die mutmaßlichen tatsächlichen Ziele der Stifter maßgeblich, die unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeiten, ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit und der sonst über sie bekannten Erkenntnisse zu ermitteln sind (BVerwG ZStV 2022, 23). Darüber hinaus sind auch die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände, etwa die Haltung des Stifters, in die Auslegung einzubeziehen; dabei können auch Umstände wie die vom Stifter für die Besetzung der Stiftungsorgane vorgesehenen Personen oder Besonderheiten der Stiftungsorganisation Berücksichtigung finden (BVerwG ZStV 2022, 21). Bei der Prüfung, ob eine Gemeinwohlgefährdung zu besorgen ist, können daher bei einer parteinahen Stiftung auch das Parteiprogramm und Äußerungen der Funktionäre herangezogen werden (BVerwGE 106, 177). Der Versagungsgrund der Gemeinwohlgefährdung unterliegt wegen Art 19 IV GG der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerwGE 106, 177).
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Übertragung und Übergang des gewidmeten Vermögens
Ist die Stiftung anerkannt, so ist der Stifter verpflichtet, das gewidmete Vermögen auf die Stiftung zu übertragen. Rechte, zu deren Übertragung eine Abtretung genügt, gehen mit der Anerkennung auf die Stiftung über, sofern sich nicht aus dem Stiftungsgeschäft ein anderer Wille des Stifters ergibt. I. Allgemeines. § 82a entspricht inhaltlich dem bisherigen § 82, der geänderte Wortlaut stellt eine Anpassung an den neuen § 81 I Nr 2 dar. Mit der Anerkennung erwirbt die Stiftung neben der Rechtsfähigkeit einen Anspruch gegen den Stifter auf Übertragung der im Stiftungsgeschäft zugesicherten Vermögenswerte, der durch einen separaten Übertragungsakt nach Maßgabe der jew geltenden Vorschriften (zB §§ 929ff; §§ 873ff) zu erfüllen ist. Abw hiervon beinhaltet § 82a S 2 einen gesetzl Erwerbstatbestand, wonach solche Rechte, die durch Abtretungsvertrag (§§ 398, 413) übertragen werden können, ohne einen weiteren Übertragungsakt allein mit Anerkennung auf die Stiftung übergehen. § 82a gilt für die durch Stiftungsgeschäft unter Lebenden errichtete Stiftung, auch wenn diese erst nach dem Tod des Stifters anerkannt wurde (in diesem Fall gilt die Stiftung gem § 80 II 2 hinsichtl der Zuwendung als schon vor dessen Tod entstanden). Die Übertragungsverpflichtung trifft dann die Erben (Staudinger/Hüttemann/Rawert § 83 Rn 13f; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 82 Rn 10). Errichten die Erben die Stiftung aufgrund testamentarischer oder erbvertragl Auflage, handelt es sich ebenfalls um eine Errichtung unter Lebenden. II. Haftung des Stifters. Der Übertragungsanspruch der Stiftung wird unmittelbar mit der Anerkennung fällig. Erforderlich sind die zur Vermögensübertragung notwendigen Verfügungen, dh der Stifter schuldet die zum Erwerb der einzelnen Vermögensgegenstände erforderlichen Übertragungshandlungen (BayObLG NJW-RR 1987, 1418). Die seitens der Stiftung erforderlichen Erklärungen werden durch den Vorstand als zuständiges Vertretungsorgan vorgenommen. Streitig ist, ob (ungeachtet der Einordnung des Stiftungsgeschäfts als Rechtsgeschäft sui generis, s § 80 Rn 8) die schenkungsrechtl Haftungserleichterungen (§§ 519ff) auf die Haftung des Stifters ggü der Stiftung analog anwendbar sind (dafür die bislang wohl hM, Grü/Ellenberger § 82 Rn 1; Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 111; Muscheler AcP 203, 469, 507ff; Götz/Pach-Hanssenheimb/Götz Rn 131). Dagegen wird eingewandt, dass das eingeschränkte schenkungsrechtl Haftungsregime im Hinblick auf die Notwendigkeit des Entstehens einer lebensfähigen juristischen Person durch das Stiftungsgeschäft nicht sachgerecht Vorkehrungen treffen kann (MüKo/Weitemeyer Rn 4ff; i Erg wohl auch v Campenhausen/Richter/Hof § 6 Rn 36f; diff Richter/ Stumpf § 4 Rn 56ff). Gegen die bislang hM spricht, dass die Interessenlage beim Stiftungsgeschäft der Schenkung nicht vergleichbar ist, da es der Stifter in der Hand hat, durch eine sach- und interessengerechte Ausgestaltung des Stiftungsgeschäfts Vorkehrungen zu treffen (so auch Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 80 Rn 27a), während die Stiftung dies mangels Existenz (anders als der Beschenkte beim Schenkungsvertrag) nicht kann. So sind etwa (naturgemäß von der Stiftungsbehörde bei Beurteilung der Anerkennungsfähigkeit zu beachtende) Haftungsbeschränkungen oder eine wohl überlegte Dotierung des Stiftungsgeschäfts denkbar (und aus Stiftersicht dringend anzuraten). Anders zu beurteilen ist die Situation bei Zustiftungen oder Spenden an existierende Stiftungen, auf die ohne weiteres Schenkungsrecht anwendbar ist (BGH NJW 2004, 1382). Die bestehenden Ansprüche der Stiftung auf Vermögensübertragung oder Schadensersatz müssen im Stiftungsinteresse durch den Vorstand geltend gemacht werden. III. Übergang kraft Gesetzes. Soweit Rechte nach §§ 398, 413 übergehen (etwa Forderungen, Urheber- und Patentrechte), bedarf der Übergang keiner besonderen Übertragungshandlungen. Dies soll nach der wohl hM auch für Gesellschaftsanteile, ungeachtet der Formvorgabe des § 15 III GmbHG sogar für GmbH-Geschäftsanteile, gelten (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 82 Rn 8; Richter/Godron § 7 Rn 15), und zwar ohne dass dadurch das Stiftungsgeschäft beurkundungsbedürftig würde (dazu bereits § 81 Rn 5). Der Übergang 244
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 83
erfolgt kraft Gesetzes, soweit das Stiftungsgeschäft keine anderslautende Bestimmung enthält. Eine ausdrückl Regelung im Stiftungsgeschäft erscheint allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit sinnvoll, da sich aufgrund der nicht vorhersehbaren Dauer des Anerkennungsvorgangs der Zeitpunkt des Forderungsübergangs nicht vorhersagen lässt (Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht3 2021, § 82 Rn 1).
§ 83
Stiftungsverfassung und Stifterwille
(1) Die Verfassung der Stiftung wird, soweit sie nicht auf Bundes- oder Landesgesetz beruht, durch das Stiftungsgeschäft und insbesondere die Satzung bestimmt. (2) Die Stiftungsorgane haben bei ihrer Tätigkeit für die Stiftung und die zuständigen Behörden haben bei der Aufsicht über die Stiftung den bei der Errichtung der Stiftung zum Ausdruck gekommenen Willen, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Stifters zu beachten. I. Allgemeines. Die Stiftungsverfassung ist die Summe der rechtl Grundlagen für die inhaltliche und organisatorische Struktur der Stiftung. § 83 I entspricht inhaltlich weitgehend der vereinsrechtl Parallelvorschrift des § 25 und legt die Bedeutung des Stiftungsgeschäfts und insb der Satzung als „Kernstück“ (Richter/v Campenhausen/Stumpf § 1 Rn 46f) der Verfassung fest: Primär bestimmt sich die Stiftungsverfassung nach dem Inhalt des Stiftungsgeschäfts sowie der Stiftungssatzung, bundes- oder landesrechtl Vorschriften greifen nur ein, soweit es sich um zwingende Normen handelt oder das Stiftungsgeschäft oder die Satzung keine Regelung enthält (Burgard Non Profit Law Yearbook 2005, 95, 121; zur spannenden Frage der Anwendung altrechtl Vorschriften s Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 85 Rn 6). Die Satzung wird wiederum durch den gesamten Inhalt des Stiftungsgeschäfts bestimmt und ergänzt, selbst wenn in der Satzungsurkunde einzelne Bestimmungen fehlen (RGZ 158, 185, 188; Grü/Ellenberger § 85 Rn 1). Der Begriff Verfassung ist damit dem der Satzung übergeordnet (RGZ 158, 185, 188; ausf zu dieser Entscheidung Hahn, Die Stiftungssatzung, Tübingen 2010, 117ff). Die durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts eingeführte ausdrückl Nennung der Satzung in § 83 hebt neben der Bedeutung der Satzung für die Stiftungsverfassung zudem hervor, dass die Verfassung der Stiftung nicht durch die Errichtungssatzung, sondern die jew gültige Satzung bestimmt wird. Die Satzung kann auch durch Ordnungen, die die Stiftungsverwaltung erlässt, nicht modifiziert werden (BAG NJW 1991, 514 für den Modus der Wahl von ArbN-Vertretern in Stiftungsorgane). Es muss dann im hierfür vorgesehenen Verfahren (§ 85a Rn 1f) eine Satzungsänderung stattfinden. Schreibt das Statut die Beteiligung von ArbN-Vertretern der Stiftungsunternehmen vor, so können diese gegen die von der Stiftungsverwaltung erlassene Wahlordnung auch gerichtlich vorgehen (BAG aaO). Ein Klagerecht des Stifters zur Durchsetzung seines in der Stiftungssatzung manifestierten Willens besteht nach dem Trennungs- und Erstarrungsprinzip wegen der Emanzipation der Stiftung vom Stifter mit ihrer Anerkennung nicht (Hamm NZG 2022, 677f). II. Inhalt der Stiftungsverfassung. Der Inhalt der Stiftungsverfassung ergibt sich in erster Linie aus der Stiftungssatzung, dem Stiftungsgeschäft iÜ unter Berücksichtigung zwingenden Rechts und unter erg Heranziehung dispositiven Rechts. Zum Stiftungsgeschäft und zur Stiftungssatzung s ausf § 81 Rn 2ff. III. Maßgeblichkeit des Stifterwillens. Die Maßgeblichkeit des Stiferwillens ist als das oberstes Prinzip im Stiftungsrecht nunmehr ausdrückl in § 83 II kodifiziert. Danach haben die Stiftungsorgane bei ihrer Tätigkeit für die Stiftung und die Stiftungsbehörden bei der Aufsicht über die Stiftung den bei der Errichtung der Stiftung zum Ausdruck gekommenen Willen, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Stifters zu beachten. Der Stifterwille ist insb auch bei Satzungsänderungen zu berücksichtigen (§ 85 Rn 1f) und bei Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen (§ 86 Rn 1). Primär maßgeblich ist der im Stiftungsgeschäft zum Ausdruck gekommene Wille, wobei vorrangig der tatsächliche bzw wirkliche Wille zu ermitteln ist, zu dessen Ermittlung auch die im Rahmen der Stiftungserrichtung relevanten Begleitdokumente herangezogen werden dürfen (BT-Drs 19/28173, 52). Ist der wirkliche Wille des Stifters nicht eindeutig feststellbar, haben die Stiftungsorgane so zu handeln, wie es dem mutmaßlichen Willen des Stifters entspricht. Dieser meint den Willen, der dem obj Interesse der Stiftung entspricht (BT-Drs 19/28173, 52; Pawlytta/Pfeiffer ZErB 2022, 261). Üblicherweise wird zur Ermittlung des mutmaßlichen Stifterwillens die Frage aufgeworfen, wie der Stifter reagiert hätte, wenn ihm die zukünftige Unvollständigkeit seiner Erklärung bekannt gewesen wäre (Schwalm NotBZ 2022, 88). Auf ein obj Interesse ist über den Stifterwillen hinaus nicht abzustellen. Obj Interesse und subj Stifterwille können auseinanderfallen, zB dann, wenn ein Stifter bewusst gewisse Gefährdungen des Fortbestands seiner Stiftung in Kauf genommen hat (Schwalm NotBZ 2022, 88). Im Hinblick auf die Reichweite des Stifterwillens ist im Zweifel davon auszugehen, dass moderate Fortentwicklungen der Stiftungssatzung vom Stifterwillen gedeckt sind, um das Fortwirken der Stiftung auf Dauer sicherzustellen. Zeitgemäße Anpassungen können daher im Sinne des Stifters sein. Erfasst sind im Zweifel auch die Aufhebung von Unklarheiten in der Stiftungssatzung oder die Auflösung von Widersprüchlichkeiten zw einzelnen Bestimmungen der Satzung (Schauhoff/Mehren NJW 2021, 2996 Rn 18). Obwohl § 83 II dem § 23 V 1 AktG, der das Prinzip der Satzungsstrenge statuiert und ein Abweichen vom Gesetz nur bei ausdrückl Anordnung der Dispositivität erlaubt, nachgebildet ist, dominiert im Stiftungsrecht das umgekehrte Prinzip der Satzungsautonomie (Schwalm ZEV 2021, 71). Die mit dem Prinzip der Satzungsstrenge primär verfolgten Regelungsziele des Anlegerschutzes im Aktienrecht finden bei der Stiftung keine Entsprechung. Trotz fehlendem Klagerecht (Rn 1) kann sich der Stifter im Wege der Satzungsgestaltung vor Gründung der Stiftung gewisse Kontrollrechte vorbehalten, deren Einhaltung gerichtlich geltend gemacht werden kann (Hamm NZG 2022, 676). Eine Einflussmöglichkeit ist zB über eine vom Stifter ausgeübte oder bestimmte OrganfunkWiese
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tion im Vorstand oder einem Kontrollorgan möglich, der damit etwa das Recht auf gesetz- und satzungsgemäßes Verhalten des Stiftungsvorstands im Namen der Stiftung einfordern (MHdB-GesR V/Schwarz v Berk/Fischer § 101 Rn 52) oder auch Einfluss auf spätere Satzungsänderungen nehmen kann (§ 85a Rn 2). In der Praxis ist dem Einflussbedürfnis und den Einflussmöglichkeiten des Stifters damit bereits in der Planungs- und Entstehungsphase der Stiftung größte Aufmerksamkeit zu widmen, sodass alle möglichen zukünftigen Veränderungen berücksichtigt werden.
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Verwaltungssitz der Stiftung
Die Verwaltung der Stiftung ist im Inland zu führen. I. Allgemeines. § 83a ist neu eingeführt durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und gilt auch für bereits zum 1.7.2023 errichtete Stiftungen. Die Verwaltung der Stiftung muss danach im Inland geführt werden, um die Ausübung einer wirksamen Stiftungsaufsicht zu ermöglichen. Die Vorschrift stellt jedoch keine interlokale Kollisionsnorm dar, dh die Verwaltung darf auch in einem anderen Bundesland geführt werden als dem, in dem sich der Sitz der Stiftung iSd § 81 I Nr 1 lit c befindet (Schwalm NotBZ 2022, 88; Baßler/Stöffler/ Blecher GmbHR 2021, 1131 Rn 32). II. Wegzugsverbot. Die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland ist einer deutschen Stiftung nach § 83a verwehrt, sodass mit der Vorschrift ein Wegzugsverbot bezweckt wird. Nach der geltenden Sitztheorie ist auf das Recht am tatsächlichen und effektiven Verwaltungssitz abzustellen. Dieser meint den Ort, an dem schwerpunktmäßig die Geschäftsführungsorgane der Stiftung tätig sind und damit die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (v Oertzen Kap 10 Rn 7; MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 312). Mit Begründung des Verwaltungssitzes im Ausland würde es nach der Sitztheorie demnach zum Verlust des inländischen Stiftungsstatuts kommen und dies wiederum zur Auflösung der Stiftung führen. Bei Zuzug müsste eine Stiftung im Inland erneut gegründet werden (v Oertzen Kap 10 Rn 9). Nach der Gesetzesbegr soll durch den Wegzug jedoch keine automatische Auflösung der Stiftung herbeiführt werden können; vielmehr hat die nach Landesrecht zuständige Behörde bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes einer Stiftung ins Ausland zunächst darauf hinzuwirken, dass der Verwaltungssitz im Inland begründet wird (BT-Drs 19/28173, 53). Die Aufsichtsbehörden haben dabei mit den ihnen zur Verfügung stehenden aufsichtsrechtl Maßnahmen eine Einhaltung des § 83a anzustreben. Nur wenn es der Behörde nicht innerhalb angemessener Zeit gelingt, die Stiftung zur Verwaltung im Inland zu bewegen, ist die Stiftung nach § 87a II Nr 3 aufzuheben (Pruns ZErB 2021, 304; Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1132 Rn 34). III. Unionsrechtswidrigkeit. Bei Sitzverlegung in einen EU-/EWR-Staat ist das Wegzugsverbot vor dem Hintergrund der Art 49, 54 AEUV unionsrechtswidrig, wenn es die Niederlassungsfreiheit nach Art 49, 54 AEUV im Zuzugsstaat vollständig negiert (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1132 Rn 33; Schwalm ZEV 2021, 73). Dazu müssten Stiftungen jedoch zunächst dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit unterfallen. Die Niederlassungsfreiheit gilt nach Art 54 AEUV auch für sonstige juristische Personen und damit auch für Stiftungen, sofern sie keinen Erwerbszweck verfolgen. Nach dem Normzweck des Art 54 AEUV, der eine größtmögliche grenzüberschreitende Wettbewerbsmöglichkeit schaffen will, ist der Erwerbszweck sehr weit zu verstehen. Es wird jede Tätigkeit erfasst, die auf eine obj Teilhabe am wirtschaftl Geschehen ausgerichtet ist und entgeltliche Leistungen am Markt in Anspruch nimmt (Feick/Schwalm NZG 2021, 33; Omlor DStR 2021, 2646). Das Fehlen eines Erwerbszwecks liegt hingegen bei ausschließlich unentgeltlich tätigen Stiftungen im religiösen, karitativen oder kulturellen Bereich, die ideelle oder altruistische Zwecke verfolgen und nicht auf einem Markt in Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern auftreten (Werner/Saenger/Fischer/Saenger § 48 Rn 18; (MüKo/ Weitemeyer § 80 Rn 317). Die Rspr des EuGH (EuGH NJW 2012, 2715, Rn 48) enthält zwar eine Einschränkung der Wegzugsfreiheit von Gesellschaften und ist damit in bestimmtem Umfang vereinbar mit der Niederlassungsfreiheit, jedoch ist sie in solchen Fällen verletzt, in denen die Gesellschaft aufgrund der Auflösung daran gehindert ist, sich der Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats identitätswahrend zu unterstellen. Der Zuzugstaat ist damit innerhalb der EU verpflichtet, einen grenzüberschreitenden Formwechsel unter Wahrung der Rechtsfähigkeit der Stiftung zuzulassen, wenn sein eigenes Recht einen identitätswahrenden Formwechsel für inländische Stiftungen zulässt (v Oertzen Kap 10 Rn 10). Eine Zwangsauflösung verstößt damit bei einem Wegzug in einen Gründungstheoriestaat gegen die Niederlassungsfreiheit, sodass die Sitztheorie durch die Gründungstheorie überlagert wird (MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 316; Fischer NZG 2021, 484). Maßgeblich ist danach das Recht des Gründungsstaates, selbst wenn keinerlei Beziehung mehr zw der Stiftung und dem Gründungsstaat besteht (v Oertzen Kap 10 Rn 8). Ggü Drittstaaten ist weiterhin die Sitztheorie anzuwenden (MüKo/Weitemeyer § 80 Rn 316).
§ 83b
Stiftungsvermögen
(1) Bei einer Stiftung, die auf unbestimmte Zeit errichtet wurde, besteht das Stiftungsvermögen aus dem Grundstockvermögen und ihrem sonstigen Vermögen. Bei einer Verbrauchsstiftung besteht das Stiftungsvermögen aufgrund der Satzung nur aus sonstigem Vermögen.
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 83b
(2) Zum Grundstockvermögen gehören 1. das gewidmete Vermögen, 2. das der Stiftung zugewendete Vermögen, das vom Zuwendenden dazu bestimmt wurde, Teil des Grundstockvermögens zu werden (Zustiftung), und 3. das Vermögen, das von der Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt wurde. (3) Der Stifter kann auch bei einer Stiftung, die auf unbestimmte Zeit errichtet wird, im Stiftungsgeschäft abweichend von Absatz 2 Nummer 1 einen Teil des gewidmeten Vermögens zu sonstigem Vermögen bestimmen. (4) Das Stiftungsvermögen ist getrennt von fremdem Vermögen zu verwalten. Mit dem Stiftungsvermögen darf nur der Stiftungszweck erfüllt werden. I. Allgemeines. § 83b ist neu eingeführt durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Die Neuregelung enthält erstmals eine bundeseinheitliche Definition des Stiftungsvermögens. Unter Stiftungsvermögen ist das gesamte Vermögen einer Stiftung zu verstehen, welches ihr nach zivilrechtl Grundsätzen zuzurechnen ist (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 3). Innerhalb des Stiftungsvermögens wird zw verschiedenen Vermögensteilen unterschieden. Bei Stiftungen, die auf unbestimmte Zeit errichtet wurden, setzt sich das Stiftungsvermögen aus dem Grundstockvermögen und dem sonstigen Vermögen und im Fall einer Verbrauchsstiftung ausschließlich aus sonstigem Vermögen zusammen, die Teilverbrauchstiftung (Abs III) ermöglicht auch den Verbrauch eines Teils des Grundstockvermögens. Abs IV enthält eine zwingende Regelung zur Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens, die sowohl für das Grundstockvermögen als auch für das sonstige Vermögen der Stiftung gilt. II. Grundstockvermögen. Das Grundstockvermögen umfasst alle bei bzw für die Errichtung der Stiftung übertragenen Vermögenswerte, deren Wert grds dauerhaft und ungeschmälert zu erhalten ist, um daraus Erträge zu generieren, mit denen der Stiftungszweck erfüllt wird (Richter/Godron § 7 Rn 2; Strobel JuS 2020, 1151). Das Vermögen ist über eine wertmäßige Bezifferung hinaus auch gegenständlich konkretisierbar (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 4). Sowohl die Annahme von Zustiftungen als auch die Umwidmung von sonstigem Vermögen zu Grundstockvermögen steht grds unter dem Vorbehalt eines nicht entgegenstehenden Stifterwillens. Die Annahme einer Zustiftung sowie die Umwidmung von sonstigem Vermögen können durch die Satzung ausgeschlossen oder beschränkt werden (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 4). Die Zusammensetzung des Grundstockvermögens erfolgt durch das vom Stifter im Stiftungsgeschäft zu Grundstockvermögen gewidmete Vermögen (Nr 1), Zustiftungen (Nr 2) und das Vermögen, das von der Stiftung selbst zu Grundstockvermögen bestimmt bzw umgewidmet wurde (Nr 3). Das Grundstockvermögen unterliegt dem Vermögenserhaltungsgebot nach § 83c I 1. Dies gilt auch für Grundstockvermögen, das durch Zustiftung erworben oder von der Stiftung selbst gebildet wurde, sodass die Stiftung auch letzteres nicht mehr für die Erfüllung des Stiftungszwecks verbrauchen kann. Nach Abs II Nr 1 wird das gesamte vom Stifter im Stiftungsgeschäft gewidmete Vermögen (§ 81 I Nr 2) zum Grundstockvermögen, soweit in der Errichtungssatzung keine Regelung zum Verbrauch von Teilen des gewidmeten Vermögens besteht. Die Festsetzung eines verbindlichen Mindestvermögens, welches bei Errichtung einer Stiftung gewidmet werden müsste, ist aufgrund der unterschiedlichen Stiftungsarten nicht sachgerecht (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 9). Die Zulässigkeit einer Belastung des gewidmeten Vermögens (zB mit Nießbrauchrechten oder Grund- und Rentenschulden) richtet sich im Einzelfall danach, ob eine uneingeschränkte Verwaltung des gewidmeten Vermögens entspr der Stiftungsverfassung und eine Verwendung desselben für die Zweckerfüllung über die bloße Sachherrschaft hinaus möglich ist (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 10). Zustiftungen werden in Abs II Nr 2 legaldefiniert als Vermögen, das der bestehenden Stiftung zugewendet wird und das vom Zuwendenden dazu bestimmt wurde, Teil des Grundstockvermögens der Stiftung zu werden. Zuwendender kann der Stifter oder ein Dritter sein; Zustiftungen dürfen von der Stiftung angenommen werden, soweit die Annahme nicht durch Satzung ausgeschlossen ist und die Zustiftung sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung positiv auf die Erfüllung des Stiftungszwecks auswirkt (BT-Drs 19/28173, 54). Grundstockvermögen kann ferner dadurch entstehen, dass die Stiftung sonstiges Vermögen – insb Erträge, die nicht zwingend für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden müssen – zu Grundstockvermögen bestimmt. Eine solche Umwidmung kann durch verpflichtende Bestimmungen zur Umwidmung in der Satzung sowie –bei fehlenden Satzungsbestimmungen – durch eine den Stifterwillen berücksichtigende pflichtgemäße Ermessensausübung der Stiftungsorgane erfolgen (Pawlytta/Pfeiffer ZErB 2022, 260; Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 14). Konkrete Anforderungen an die Umwidmung stellt das Gesetz weder in formeller noch in materieller Hinsicht auf. Auch besteht keine Anzeige- oder Genehmigungsobliegenheit ggü der zuständigen Stiftungsbehörde (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1128 Rn 14). Durch eine solche Satzungsbestimmung können zB unternehmensbezogene Stiftungen, die zur Teilnahme an Kapitalerhöhungen gebildeten Rücklagen sowie die im Rahmen der Kapitalerhöhung erworbenen zusätzlichen Geschäftsanteile oder Aktien zu Grundstockvermögen bestimmen (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1128 Rn 15). Eine Verpflichtung zur Umwidmung kann insb durch Thesaurierungsklauseln erfolgen, indem ein bestimmter Prozentsatz der Erträge zur Erhöhung des Grundstockvermögens verwendet werden soll (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 14). Im umgekehrten Fall stellt sich die Frage, ob die Umwidmung von sonstigem Vermögen durch Satzung beschränkt oder ganz ausgeschlossen werden kann. Abs II Nr 2 und Nr 3 sind grds dispositiv und können gemessen an den Bedürfnissen der Stiftung individuell festgelegt werden. Zwar ist nicht zu erkennen, warum ein zwingendes Verbot des Ausschlusses einer Umwidmung auf eine abstrakte Verpflichtung der Stiftung zur Mehrung des Grundstockvermögens hinauslaufen Wiese
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sollte (so aber Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1128 Rn 16). Allerdings ist nicht zu erkennen, warum nicht der Stifter verbindlich über den Umfang des Grundstockvermögens entscheiden können sollte, da ein zur dauerhaften und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks ausreichendes Grundstockvermögen bereits zwingende Voraussetzung für die Anerkennung der Stiftung überhaupt ist. III. Sonstiges Vermögen. Aus der Definition des Grundstockvermögens ergibt sich im Umkehrschluss, dass das sonstige Vermögen der Stiftung alle Vermögensgegenstände umfasst, die nicht zum Grundstockvermögen gehören. Im Wesentlichen gehören dazu laufende Erträge, die nicht für die Verwirklichung des Stiftungszwecks benötigt wurden, Zuwächse aus Vermögensumschichtungen, Zuwendungen des Stifters oder anderer Dritter zum Verbrauch (zB Spenden und Zuschüsse) sowie sonstige Rücklagen und Umschichtungsgewinne (Pawlytta/Pfeiffer ZErB 2022, 260; Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 81; Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1127 Rn 7; Theuffel-Werhahn ZStV 2020, 50). Durch Satzung kann der Stifter inhaltliche oder zeitliche Vorgaben für die Vermögensverwendung (zB für einen bestimmten Stiftungszweck oder einen bestimmten Zeitraum) und Anforderungen an den Verbrauch des Vermögens festlegen. Fehlen Regelungen in der Satzung, steht die Verwendung des sonstigen Vermögens zur Erfüllung des Stiftungszwecks im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Stiftungsorgane (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 17). Das Stiftungsvermögen besteht bei Verbrauchsstiftungen aufgrund der Satzung nur aus sonstigem und damit verbrauchbarem Vermögen. Zuwendungen Dritter kann die Verbrauchsstiftung nur annehmen, wenn der Dritte sie zum Verbrauch bestimmt. Zustiftungen kann eine Verbrauchsstiftung hingegen mangels Möglichkeit zur Bildung von Grundstockvermögen nicht annehmen. Anders als die aus dem Vermögen erzielten Erträge unterliegt das gewidmete Vermögen, das der Stifter zu sonstigem Vermögen bestimmt hat, nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung nach § 55 I Nr 5 AO, da es von der Ausnahmeregelung in § 62 III Nr 2 AO erfasst wird (BTDrs 19/28173, 54). IV. Teilverbrauchsstiftungen. § 83b III legitimiert ausdrückl die sog Hybridstiftungen („Teilverbrauchsstiftung“, s auch § 83c II). Diese werden durch die Bestimmung im Stiftungsgeschäft nicht zu Verbrauchsstiftungen; vielmehr handelt es sich um Ewigkeitsstiftungen, sodass sie nicht den Ausnahmevorschriften der Verbrauchsstiftung unterliegen. Neben Grundstockvermögen kann damit im Stiftungsgeschäft ein Teil des zugewandten Vermögens als sonstiges Vermögen bestimmt werden, was insb sinnvoll ist, um die Stiftung mit Barvermögen auszustatten, das sie zur Deckung der Anlaufkosten verwenden kann, solange noch keine ausreichenden Erträge erwirtschaftet werden (Pruns ZErB 2021, 305). Im Gegensatz zur Möglichkeit einer satzungsmäßigen Grundlage für einen Teilverbrauch des Grundstockvermögens gem § 83c II, die ggf auch durch spätere Satzungsänderung ohne Mitwirkung des Stifters geschaffen werden kann (s auch § 83c Rn 6), kann nach § 83b III nur der Stifter von der Errichtung einer Hybridstiftung im Stiftungsgeschäft Gebrauch machen. Eine spätere Änderung der Erscheinungsform ist nach § 83c II im Wege der Satzungsänderung möglich, jedoch geht diese mit einer Vermögensaufholungspflicht einher. Der Gesetzeswortlaut spricht ohne nähere Konkretisierung nur von der Bestimmung eines Teils des gewidmeten Vermögens. In welchem Umfang der Stifter das gewidmete Vermögen zu sonstigem Vermögen bestimmen kann, hängt von der Höhe des gewidmeten Vermögens und vom Stiftungszweck ab. Für die Prognose, ob das Vermögen für die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint, kommt es nur auf die Höhe des Grundstockvermögens der Stiftung und gerade nicht an auf die Höhe des zum Verbrauch bestimmten Vermögens der Stiftung an (BT-Drs 19/28173, 54f). Das gewidmete Vermögen, das zu Grundstockvermögen wird, muss so hoch sein, dass es die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks auch noch gewährleisten kann, wenn das sonstige Vermögen für die Erfüllung des Stiftungszwecks verbraucht wurde. Die Hybridstiftung hat ggü der auf unbestimmten Zeit errichteten Stiftung als Idealstiftung den Vorteil, dass sie durch den Einsatz des zum Verbrauch bestimmten Vermögensteils auch in Zeiten der Nullzinspolitik ihre Stiftungszwecke erfüllen kann. Hingegen ist dies bei der Ewigkeitsstiftung wegen des Vermögenserhaltungsgrundsatzes teilw nur sehr eingeschränkt möglich. Da ein dem Verbrauchsvermögen zugewendeter Vermögensteil weder dem Grundsatz der dauerhaften Vermögenserhaltung noch dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegt, kann durch die Stiftung überdies ein flexibler und ihren Bedürfnissen entsprechender Einsatz erfolgen (Weidlich/Huh ZStV 2020, 109). V. Verwaltung des Stiftungsvermögens. Das Stiftungsvermögen ist nach § 83b IV 1 nach dem zwingenden Grundsatz der Vermögenstrennung und der Zweckbindung des Vermögens zu verwalten und zu verwenden (Schauhoff/Mehren Kap 9 Rn 32). Diese gelten gleichermaßen für das Grundstock- wie auch für das sonstige Vermögen (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1127 Rn 8; Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 32). Zu trennen ist danach das Gesamtvermögen der Stiftung vom Vermögen anderer Rechtsträger. Nach der Gesetzesbegr müssen für die Stiftung eigene Bankkonten geführt werden; eine Vermengung oder Vermischung von Vermögensgegenständen der Stiftung und fremden Vermögensgegenständen ist zu vermeiden (BT-Drs 19/28173, 55); ein rein buchhalterischer gesonderter Ausweis in der Rechnungslegung soll nicht ausreichend sein. Von konkreten Anforderungen an die Verwaltung des Stiftungsvermögens hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen, damit den Stiftungen eine Ausgestaltung nach ihren individuellen Bedürfnissen durch Satzungsbestimmungen möglich bleibt (BT-Drs 19/31118, 7). Die zusätzliche Verwaltung von treuhänderischem Vermögen gehört wegen der zivilrechtl Eigentümerstellung der Stiftung zu dem Stiftungsvermögen iwS (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 39). Für die Verwaltung und die Anlage des Vermögens der Stiftung gilt der Sorgfaltsmaßstab des § 84a II 1 (§ 84a Rn 7). Sofern keine Satzungsbestimmungen oder Anlagerichtlinien bestehen, obliegt den zuständigen Stiftungsorganen bei der Bestimmung der Geeignetheit bestimmter Anlagen (zB bestimmte Aktien oder Anteile an Investmentfonds) ein 248
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weiter Ermessensspielraum (Schwalm NotBZ 2022, 89). Insb bleibt die Business Judgement Rule anwendbar (§ 84a Rn 8), sodass eine Haftung nach § 280 I – jedenfalls bei entspr sorgfältigem Wirtschaften – regelmäßig nicht in Betracht kommt.
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Verwaltung des Grundstockvermögens
(1) Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten. Der Stiftungszweck ist mit den Nutzungen des Grundstockvermögens zu erfüllen. Zuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens können für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden, soweit dies durch die Satzung nicht ausgeschlossen wurde und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet ist. (2) Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass die Stiftung einen Teil des Grundstockvermögens verbrauchen darf. In einer solchen Satzungsbestimmung muss die Stiftung verpflichtet werden, das Grundstockvermögen in absehbarer Zeit wieder um den verbrauchten Teil aufzustocken. (3) Durch Landesrecht kann vorgesehen werden, dass die nach Landesrecht zuständigen Behörden auf Antrag einer Stiftung für einen bestimmten Teil des Grundstockvermögens eine zeitlich begrenzte Ausnahme von Absatz 1 Satz 1 zulassen können, wenn dadurch die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht beeinträchtigt wird. I. Allgemeines. Die Pflicht zum ungeschmälerten Erhalt des Grundstockvermögens wird durch § 83c I erstmals bundesrechtl geregelt und gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Die Verwaltung des Grundstockvermögens richtet sich nach den gesetzl und satzungsmäßigen Vorgaben. Durch die Satzung können erg Regelungen zur Verwaltung des Grundstockvermögens oder von Teilen des Grundstockvermögens getroffen werden. Diese müssen aber mit dem Grundsatz der Vermögenserhaltung vereinbar sein. Durch diese Erhaltungspflicht unterscheidet sich das Grundstockvermögen vom sonstigen Vermögen der Stiftung, das für die Erfüllung des Stiftungszwecks verbraucht werden kann. II. Vermögenserhaltungsgebot. Die Vermögenserhaltungspflicht bezieht sich grds auf das Grundstockvermögen als Ganzes, nicht auf die einzelnen Vermögensgegenstände, die das Grundstockvermögen bilden (Baßler/ Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1127 Rn 10). Aus Abs I S 3 folgt aber, dass auch eine gegenständliche Konkretisierung des Grundstockvermögens möglich sein muss. Das Vermögenserhaltungsgebot soll als Mittel zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks dienen. Zentraler Inhalt der Pflicht zur Erhaltung des Grundstockvermögens ist das Verbot, Grundstockvermögen für die Erfüllung des Stiftungszwecks zu verbrauchen; die daraus resultierenden Anforderungen an die Vermögensverwaltung sind abhängig vom Stiftungszweck, von Art und Umfang ihres Grundstockvermögens sowie von der konkreten Nutzung des Grundstockvermögens für den Stiftungszweck (BT-Drs 19/28173, 57). Das Gebot der möglichst gleichbleibenden Erhaltung der Ertragskraft des Stiftungsvermögens und das Verbot des Verbrauchs von Grundstockvermögen stehen dadurch naturgemäß in einem Spannungsverhältnis (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 1). Demnach kann eine Anlage von Grundstockvermögen, die hohe Wertzuwächse oder Erträge für die Stiftung verspricht und damit dem Vermögenserhaltungsgebot nachkommt, mit einem erheblichen Verlustrisiko verbunden sein, sodass gegen das Verbot, Grundstockvermögen zu verbrauchen, verstoßen würde (BT-Drs 19/28173, 57). Eine nähere Konkretisierung der Art und Weise der Vermögenserhaltung enthält die Regelung nicht, da Stiftungen nach der Gesetzesbegr hinsichtl ihrer Zwecke und der Zusammensetzung ihres Vermögens sehr verschieden sind und sie ihr Vermögen unterschiedlich für die Erfüllung ihrer Zwecke nutzen; vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf die bestehenden Anlagemöglichkeiten für das Grundstockvermögen der Stiftung und die Anknüpfung an den Stifterwillen geboten (BT-Drs 19/28173, 57). Den Stiftern steht es wiederum frei, die Anforderungen an die Verwaltung des Grundstockvermögens und seinen Erhalt inhaltlich durch Satzung zu konkretisieren, wie etwa durch Gestaltung eines Vermögenserhaltungskonzepts für die Stiftung (zB durch Festsetzung eines realen oder nur nominalen Kapitalerhalts) oder durch das Aufstellen von Anlagerichtlinien (Pruns ZErB 2021, 305; Ponath/Tolksdorf ZEV 2021, 608). Bestehen keine Satzungsregelungen oder Anlagerichtlinien, steht den zuständigen Stiftungsorganen bei der Anlage des Stiftungsvermögens ein weiter Ermessensspielraum zu (Schauhoff/Mehren Kap 7 Rn 45). Wesentlich ist, dass der Stiftungsvorstand angemessene Informationen einholt und auf dieser Grundlage Risiko und Chance der speziellen Anlage und der gesamten Vermögensanlagen unter Diversifikationserfordernissen einschätzt (Schwalm NotBZ 2022, 89). Der Grundsatz der Vermögenserhaltungspflicht wird hingegen durch Abs I S 2 dahingehend konkretisiert, dass der Stiftungszweck mit den Nutzungen des Grundstockvermögens zu erfüllen ist, mithin nach § 100 entweder durch die Früchte (insb Erträge, die aus den Vermögensgegenständen gezogen wurden) und die Gebrauchsvorteile, die die Vermögensgegenstände gewähren. Bei Kapitalstiftungen mit einer diversifizierten Vermögensanlage werden typischerweise nicht nur Zinsen und Dividenden, sondern auch die erzielten Umschichtungsgewinne zum Ertrag gehören, welcher eine Nutzung darstellt und zur Zweckerfüllung verwendet werden darf; zu thesaurieren ist nur Vermögen, welches den Kapitalerhalt gewährleisten muss (Schauhoff/Mehren NJW 2021, 2997 Rn 22). III. Verwendung von Umschichtungsgewinnen. Die zuständigen Stiftungsorgane können die Zusammensetzung des Grundstockvermögens durch Vermögensumschichtungen ändern, um höhere Erträge für die Stiftung zu erwirtschaften. Werden dabei Umschichtungsgewinne erzielt, können diese Zuwächse aus der Umschichtung von Grundstockvermögen unter Beachtung des Vermögenserhaltungsgrundsatzes zur Erfüllung des StiftungsWiese
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zwecks verwendet werden, sofern sie nicht durch Satzung dem Grundstockvermögen zugeordnet wurden und eine Umschichtung nicht die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gefährdet (Baßler/Stöffler/ Blecher GmbHR 2021, 1129 Rn 19). Eine Gefährdung kann vor allem bei einer Veräußerung solcher vom Stifter auf die Stiftung übertragenen Vermögensgegenstände gegeben sein, die unmittelbar der Erfüllung des Stiftungszwecks dienen (zB Grundstücke oder Einrichtungen, die nicht durch gleichwertige Vermögensgegenstände ersetzt werden können); der Stifter kann einer gefährdenden Veräußerung jedoch durch Bestimmungen in der Errichtungssatzung entgegenwirken (BT-Drs 19/28173, 56). Durch Satzung kann die Verwendung von Umschichtungsgewinnen auch nur in qualitativer Hinsicht (gegenständlich umrissenes Grundstockvermögen oder bestimmte Arten der Zweckverwirklichung) oder in quantitativer Hinsicht (zB Prozentsatz des Zuwachses) begrenzt werden (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1129 Rn 20). Von der Regelung umfasst sind auch Umschichtungsgewinne, die möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschüttet werden können (Ponath/Tolksdorf ZEV 2021, 607). Hat die Stiftung vor der Umschichtung Teile ihres Grundstockvermögens auf Grundlage einer Satzungsbestimmung nach § 83c II verbraucht, wird der Umschichtungserlös iS der Vermögensaufholungspflicht im Zweifel in vollem Umfang zu Grundstockvermögen und damit der Verwendung für Zwecke der Stiftung entzogen (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1129 Rn 19). Nach § 55 I Nr 5 S 4 AO sind gemeinnützige Stiftungen mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als 45 000 t von dem gemeinnützigkeitsrechtl Gebot der zeitnahen Mittelverwendung befreit (Zimmermann/Raddatz NJW 2022, 521). Damit besteht gemeinnützigkeitsund stiftungsrechtl ein Wahlrecht, die Gewinne dem Grundstockvermögen zuzuführen, sie in eine Umschichtungsrücklage einzustellen oder für die satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden (Lorenz/Mehren DStR 2021, 1776). Durch die gesetzl Klarstellung ist damit die bisherige Streitfrage geklärt, inwieweit die von der Finanzverwaltung oder verschiedenen Stiftungsaufsichtsbehörden bereits in der Vergangenheit zugelassene Verwendung von Umschichtungsgewinnen für die Zweckverwirklichung zulässig ist (Pruns ZErB 2021, 304; Ponath/Tolksdorf ZEV 2021, 607). Da Abs I S 3 nur von „Zuwächsen“ spricht, bleibt der Umgang mit Umschichtungsverlusten (zB bei Verkauf verlustträchtiger Anlagen zur Verhinderung weiterer Einbußen) fraglich. Bei Verlusten besteht eine Vermögensaufholungspflicht, jedoch ist eine Verrechnung mit Umschichtungsgewinnen zulässig (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1129 Rn 21). Das Abbedingen der Verpflichtung zur Vermögensaufholung durch abw Satzungsregelungen ist zweifelhaft, da dies letztlich zur Aushöhlung des Vermögenserhaltungsgrundsatzes führen würde. Satzungsregelungen, die die Modalitäten des Ausgleichs bei der Verrechnung mit Umschichtungsgewinnen regeln, sind hingegen zulässig (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1129 Rn 21). IV. Ausnahme von der Vermögenserhaltungspflicht. Durch Satzung oder spätere Satzungsänderung können für einen Teil des Grundstockvermögens temporäre Ausnahmen vom Vermögenserhaltungsgrundsatz bestimmt werden, um den Handlungsspielraum der Stiftungsorgane bei der Verwaltung des Grundstockvermögens zu erweitern (BT-Drs 19/28173, 58). In Abgrenzung zu § 83b III kann eine solche Satzungsbestimmung nicht nur durch den Stifter in der Errichtungssatzung, sondern auch durch spätere Satzungsänderung durch die Stiftungsorgane vorgenommen werden. Zulässig sind aber nur zeitlich beschränkte Ausnahmen von der Vermögenserhaltungspflicht; eine solche Ausnahme darf nicht dazu führen, dass die dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht mehr gesichert erscheint (BT-Drs 19/28173, 58). Die Höhe des zum Verbrauch bestimmten Grundstockvermögens richtet sich nach dem Einzelfall mit Blick auf die jew Stiftung (BT-Drs 19/28173, 58). Mit der Bestimmung zum Verbrauch von Teilen des Grundstockvermögens muss die Satzung (zwingend) nach Abs II S 2 zugleich die Verpflichtung der Stiftung begründen, das Grundstockvermögen in absehbarer Zeit wieder um den verbrauchten Teil aufzufüllen. Zum Schutz der Bedeutung des Grundstockvermögens für den Bestand der Stiftung soll damit nach der Gesetzesbegr ein nur zeitweiser Rückgriff auf das Grundstockvermögen erreicht werden; idRl werden solche Satzungsbestimmungen für die Finanzierung eines größeren Projekts vorgenommen, wenn es dadurch in den Folgejahren wieder aufgefüllt wird (BT-Drs 19/28173, 58). Darüber hinaus ermächtigt Abs III die zuständigen Behörden zur Zulassung eines temporären Teilverbrauchs von Grundstockvermögen nach den Vorschriften des jew Landesrechts.
§ 84
Stiftungsorgane
(1) Die Stiftung muss einen Vorstand haben. Der Vorstand führt die Geschäfte der Stiftung. (2) Der Vorstand vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so wird die Stiftung durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Stiftung abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Vorstands. (3) Durch die Satzung kann von Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2 abgewichen und der Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden. (4) In der Satzung können neben dem Vorstand weitere Organe vorgesehen werden. In der Satzung sollen für ein weiteres Organ auch die Bestimmungen über die Bildung, die Aufgaben und die Befugnisse enthalten sein. (5) Die §§ 30, 31 und 42 Absatz 2 sind entsprechend anzuwenden.
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§ 84
I. Allgemeines. § 84 ist durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts § 26 I 1 nachgebildet und gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Die Organverfassung der Stiftung ist nunmehr eigenständig im Stiftungsrecht geregelt, um die Besonderheiten einer Stiftung hervorzuheben und um die Regelungen für den Rechtsanwender einfacher zugänglich und verständlich zu machen (BT-Drs 19/28173, 58; Hüttemann/ Rawert ZIP 2021, 20). Eine weitere Änderung besteht darin, dass die neuen Vorschriften in den §§ 84ff nicht allein für Vorstandsmitglieder, sondern allg für Organmitglieder formuliert sind. § 84 bestimmt, dass der Vorstand auch weiterhin das einzige Pflichtorgan der Stiftung ist und die Stellung eines gesetzl Vertreters hat. Die Vertretungsmacht kann allerdings nach Abs III der Vorschrift ggü Dritten beschränkt werden. Die Neufassung berücksichtigt in Abs IV und V, dass Stiftungen nicht selten neben dem Vorstand weitere Organe haben, die durch Satzung vorgesehen werden können. II. Vorstand. Der Vorstand ist nach Abs I S 1 der Vorschrift notwendiges Stiftungsorgan und führt nach Abs I S 2 die Geschäfte der Stiftung. Gem Abs II S 1 ist der Vorstand gesetzl Vertreter der Stiftung und vertritt diese unbeschränkt gerichtlich und außergerichtlich, sofern nichts anderes durch Satzung bestimmt wurde. Enthält die Satzung bei einem mehrgliedrigen Vorstand keine Regelung über Einzel- oder Gesamtvertretung, wird die Stiftung nach Abs II S 2 durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten. Die Passivvertretung der Stiftung obliegt nach Abs II S 3 nur dem Vorstand und kann – anders als die Beschränkung der Vertretungsmacht ggü Dritten nach Abs III – nicht ausgeschlossen werden. Im Innenverhältnis zw Vorstand und Stiftung findet über § 84a I 1 das Auftragsrecht Anwendung (s ausf dazu § 84a Rn 3f); für das Handeln im Außenverhältnis gilt nach Abs V der Vorschrift § 31. 1. Satzungsregelungen zu Zahl und Anforderungen. Einzelheiten über die Bildung des Vorstands müssen nach § 81 I Nr 1 lit d in der Satzung enthalten sein. Zu den notwendigen Satzungsbestimmungen gehören die Mitgliederzahl des Vorstandes und die Art der Bestellung der Vorstandsmitglieder. Eine Mindestzahl ist gesetzl nicht vorgeschrieben. Der Stifter kann vorsehen, dass der Vorstand nur aus einer Person besteht, er kann aber auch (was üblich ist, etwa zur Wahrung eines Vier-Augen-Prinzips) einen mehrgliedrigen Vorstand bestimmen. Denkbar ist auch die Festlegung einer Mindest- und Höchstzahl der Vorstandsmitglieder. Auch Regelungen für den Fall einer Unterbesetzung sind möglich und von Vorteil, um Notmaßnahmen zu verhindern (Schauhoff/ Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 5). Besteht der Vorstand aus mehreren Mitgliedern, kann ein Vorstandsvorsitzender benannt werden, der über Sonderrechte und -pflichten verfügt (zB Recht zur Einberufung von Versammlungen). Die Vorstandsfähigkeit ist bei Stiftungen gesetzl nicht beschränkt. Als Vorstandsmitglieder kommen natürliche Personen sowie juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts in Betracht, wie etwa Gemeinden, Kreise oder Bezirke und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen (MüKo/Weitemeyer § 86 Rn 4). Die Organbefugnisse werden in diesem Fall vom jew Vertretungsorgan der juristischen Person wahrgenommen (dazu Rawert, FS O. Werner, 2009, 119). Bei unternehmensverbundenen Stiftungen kann die Vorstandsfähigkeit auch an ein Amt innerhalb des Unternehmens geknüpft werden, wonach ein Vorstandsamt zwingend von einem Vorstands- bzw Geschäftsführungs- oder Aufsichtsratsmitglied im Unternehmen besetzt werden muss oder eine Person gerade nicht gleichzeitig ein Amt im Unternehmen und in der Stiftung innehaben darf (Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 6). Möglich ist darüber hinaus das durch Satzung bestimmte Vorsehen eines Vorstandspostens für Familienmitglieder des Stifters oder für den Stifter selbst, der mit Sonderrechten verbunden ist, sowie die Festsetzung einer Altersgrenze (Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 8f). Fachliche Qualifikationen der Vorstandsmitglieder richten sich nach der Art und der Größe der Stiftung. Gesetzl Anforderungen bestehen dazu nicht, jedoch kann der Stifter bestimmte Vorgaben durch Satzung regeln; die Mitglieder müssen jedenfalls fähig sein, ihre Vorstandspflichten wirksam zu erfüllen (Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 9). Überdies kann der Stifter in der Satzung bestimmte persönliche Voraussetzungen für Vorstandsmitglieder festlegen (zB Befähigung zum Richteramt, Verwandtschaft mit dem Stifter, kein Inhaber politischer Ämter, Mindest- oder Höchstalter). 2. Bestellung und Abberufung. Die Sicherstellung der Existenz eines handlungsfähigen Vorstands erfordert, dass die Satzung das Verfahren der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder regelt. Sinnvollerweise wird der Stifter den Gründungsvorstand bereits im Gründungsgeschäft oder in der Satzung namentlich benennen, wobei er nicht an die Voraussetzungen der späteren Auswahl gebunden ist (auch hinsichtl der Zahl und Amtsdauer, s hierzu Hamm NZG 2014, 271ff). Sollen diese Gründungsvorstandsmitglieder ihre Nachfolger selbst bestimmen, empfiehlt es sich, bereits die Annahme des Amtes mit dem Vorschlag eines etwaigen Nachfolgers zu verbinden. Bzgl des Bestellungsverfahrens stehen dem Stifter grds alle Gestaltungsmöglichkeiten offen (s hierzu Richter/Godron § 6 Rn 50ff; Schlüter/Stolte Kap 2 Rn 58ff): Die Bestellung der Vorstandsmitglieder kann zB durch Beschluss eines anderen Stiftungsgremiums (zB fakultativer Beirat) oder durch Entsendung eines außenstehenden Dritten (zB Familienrat, Fakultät, Gerichtspräsident, Oberbürgermeister) erfolgen, sog gekorene Mitglieder. Der Stifter kann sich auch selbst ein Entsendungsrecht oder Vorstandsamt vorbehalten. Legt der Stifter sein Vorstandsamt nieder und bestehen keine anderweitigen Regelungen in der Satzung, entfällt damit auch sein Bestellungsrecht als Vorstand, sodass er die Bestellung auch nicht in seinem Testament vornehmen kann (Köln NZG 2019, 74). Denkbar ist auch ein Kooptationsverfahren, wonach die vorhandenen Vorstandsmitglieder ihre Kollegen bzw Nachfolger selbst auswählen. Schließlich können auch bestimmte Amtsinhaber als sog geborene Mitglieder vorgesehen werden (zB der Universitätsrektor, der Oberbürgermeister), wobei es sich empfiehlt, vor Anerkennung der Satzung die Zustimmung des derzeitigen Amtsinhabers einzuholen. Im Falle eines mehrgliedrigen Vorstands richtet sich die Aktivvertretung der Stiftung nach Abs II S 2 nach dem Prinzip der Wiese
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Mehrheitsvertretung, soweit die Satzung keine andere Vertretung (Einzelvertretung, Gesamtvertretung) vorsieht. Jedes Mitglied des mehrgliedrigen Vorstands hat nach Abs II S 3 unabhängig von der Satzungsregelung zwingend Passivvertretungsmacht. Neben dem Bestimmungsverfahren sollte die Satzung Angaben über die Amtsdauer (hierzu Rüdebusch ZStV 2013, 218, zur Amtsdauer von Kuratoriumsmitgliedern und zur Frage der Übertragbarkeit des Rechtsgedankens aus § 102 AktG s Frankfurt ZStV 2010, 181) und die Möglichkeit einmaliger oder mehrmaliger Wiederberufung enthalten. Vererblich ist die Position des Stiftungsvorstands nicht (BGH NZG 2011, 910). Ferner ist das Verfahren der Abberufung der Organmitglieder zu regeln. Dies ist zunächst einmal zu unterscheiden von dem stiftungsaufsichtsrechtl Abberufungsrecht (dazu nach dem StiftG NRW aF: VG Düsseldorf ZSt 2006, 139), welches nach den meisten Landesstiftungsgesetzen in Fällen grober Pflichtverletzungen besteht (zB Art 13 BayStG, § 9 StiftG NRW), dazu VG Bayreuth 20.1.2015 – B5 K 13.570. Auch in Fällen pflichtwidrigen Verhaltens gehen die satzungsmäßigen Abberufungsrechte den aufsichtsrechtl Möglichkeiten grds vor. Sinnvoll ist, die Kompetenz für die Abberufung dem Bestellungsorgan oder einem etwaig existierenden Aufsichtsorgan zuzuweisen (krit hinsichtl satzungsmäßiger Abberufungsrechte externer Dritter, auch des Stifters, MüKo/Weitemeyer § 81 Rn 48; v Campenhausen/Richter/Hof § 8 Rn 179). Fehlt – aus welchen Gründen auch immer – ein handlungsfähiger Stiftungsvorstand, erfolgt eine Notbestellung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde gem § 84c I (§ 84c Rn 2). 3. Geschäftsführung und Vertretung. Die Aufgaben des Vorstands ergeben sich aus seiner Stellung als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan. Zur Aufgabenerfüllung sollte die Satzung erg Regelungen beinhalten, zB zur Beschlussfassung (Götz/Pach-Hanssenheimb/Götz Rn 208ff) und zu den Vertretungsbefugnissen der einzelnen Vorstandsmitglieder (Einzelvertretung vs Gesamtvertretung, Befreiung von § 181) oder auch zur Verteilung von Geschäftsbereichen. Zwar ist eine vollständige Übertragung der Organstellung eines Vorstandsmitglieds auf ein anderes Organ ausgeschlossen, jedoch ist die Ausübung der mit der Organstellung verbundenen Rechte nicht höchstpersönlich, sodass eine Stellvertretung zulässig ist oder durch Satzung Geschäftsführungsbefugnisse mit Ausnahme der Stiftungsvertretung auf andere Stiftungsorgane übertragen werden können (MüKo/Weitemeyer § 86 Rn 15; Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 14). Die Geschäftsführung beinhaltet sämtliche Tätigkeiten zur Verfolgung des Stiftungszwecks bei gleichzeitiger dauerhafter Erhaltung des Stiftungskapitals bzw bei Verbrauchsstiftungen im Rahmen des vorgegebenen Verbrauchskonzepts (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 66). Zur Geschäftsführung zählen auch Sonderaufgaben; so besteht etwa nach § 84 V iVm § 42 II 1 bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eine Insolvenzantragspflicht des Vorstands (ausf zur Insolvenz § 87b Rn 2). Verletzt der Vorstand bei Überschuldung seine sich aus § 42 II 1 ergebenden Pflichten, haftet er den Gläubigern bei schuldhaftem Handeln unmittelbar, § 42 II 2 (ausf zur Pflichtenstellung der Stiftungsorgane in der Insolvenz Müller ZStV 2010, 201; s auch Sommer ZInsO 2013, 1715). Ist der Vorstand mehrgliedrig, so entscheidet er mittels Beschlussfassung (Richter/Godron § 6 Rn 37). Der Vorstand verfügt bei der Geschäftsführung über einen weiten Ermessensspielraum, der jedoch durch Vorgaben in der Satzung eingeschränkt werden kann (Schauhoff/ Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 13). Als Vertretungsorgan vertritt der Vorstand die Stiftung nach außen gerichtlich und außergerichtlich; der Vorstand hat die Stellung eines gesetzl Vertreters. Die aktive und passive Vertretung der Stiftung ist zwingend dem Vorstand vorbehalten. In der Praxis werden die Vertretungsbefugnisse der Vorstandsmitglieder bislang durch sog Vertretungsbescheinigungen nachgewiesen, die die Stiftungsbehörden ausstellen (vgl zB § 12 III StiftG NRW) und die auch von Grundbuchämtern als tauglicher Nachweis akzeptiert werden (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Suerbaum Kap C Rn 156ff). Allerdings sind ab 1.1.2026 Vertretungsbefugnisse der Vorstandsmitglieder nach § 2 Nr 5 StiftRG nF sowie Änderungen beim Vorstand und Vertretungsbeschränkungen nach § 5 StiftRG nF ins Stiftungsregister einzutragen (Vor § 80 Rn 3), wobei die Eintragung Legitimationswirkung entfaltet und die Vertretungsbescheinigung damit ablöst. Die Vertretungsmacht des Stiftungsvorstands ist umfassend und unbeschränkt. Nach § 84 III kann die Vertretungsmacht des Stiftungsvorstands allerdings durch die Satzung beschränkt werden, ohne dass es auf die Gutgläubigkeit des Vertragspartners ankommt (Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Stumpf Kap B § 86 Rn 13; Richter/Godron § 6 Rn 31f; aA noch v Campenhausen/Richter/Hof § 8 Rn 35). Ein vollständiger Ausschluss der Vertretungsmacht ggü Dritten ist jedoch nicht möglich. Zulässig sind Beschränkungen gegenständlicher Art (zB hinsichtl eines Grundstücks), für bestimmte Arten von Geschäften oder der Höhe nach (Burgard NZG 2022, 19). Auch können Vertretungshandlungen an die Zustimmung anderer Organe, zB eines Aufsichtsrats, gebunden werden sowie die Einhaltung bestimmter Formvorschriften zur Voraussetzung wirksamer Stellvertretung gemacht werden (Burgard NZG 2022, 19). Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht kann insb auch durch Zustimmungsvorbehalt bzw Mitwirkungsrechte anderer Organe bei der Vertretung der Stiftung vorgesehen werden (Uhl ZStV 2021, 207). An die Bestimmtheit des Umfangs der Beschränkung der Vertretungsmacht sind dabei wegen der hiermit verbundenen gravierenden Folgen für die rechtsgeschäftliche Handlungsfähigkeit der Stiftung und zum Schutze des Rechtsverkehrs hohe Anforderungen zu stellen. Die Beschränkung der Vertretungsmacht sowie der Umfang der Vertretungsmacht sind nach BGH klar und eindeutig zu bestimmen (BGH NJW 2021, 2037; ausf dazu Uffmann, NJW 2021, 3087). Die Beschränkung muss für den Außenstehenden leicht in der Satzung auffindbar sein, systematisch in Zusammenhang mit den Regelungen zum Vorstand stehen und so genau wie möglich bezeichnet sein (Nürnberg DStR 2015, 1700; Uffmann NJW 2021, 3087; Udwari GWR 2022, 22; Strobel ZEV 2022, 58). Die Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands darf darüber hinaus nicht die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hindern und damit solche Geschäfte nicht 252
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Juristische Personen – Stiftungen
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umfassen, die im Hinblick auf die Zweckerfüllung unerlässlich sind (Burgard NZG 2022, 18f). Der Vorstand kann im Rahmen seiner Vertretungsmacht auch ungewöhnliche oder riskante Rechtsgeschäfte vornehmen; Grenzen der Vertretungsmacht ergeben sich aus allg Gesetzen, wie etwa das Verbot des Insichgeschäfts gem § 181 und den Missbrauch der Vertretungsmacht (Burgard NZG 2022, 88; MüKo/Weitemeyer § 86 Rn 16). Aus Gründen der Rechtssicherheit kann eine Vertretungsmacht nicht allein durch den Stiftungszweck selbst beschränkt werden (BGH NJW 2021, 2038; Strobel ZEV 2022, 58; Udwari GWR 2022, 19). Die aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis bekannte ultra-vires-Doktrin ist dem deutschen Vertretungsrecht fremd. Die bloße Beschränkung der Vertretungsmacht auf „gemeinnützige Zwecke“ ist nach BGH zulässig (BGH NJW 2021, 2040). Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob dadurch den Anforderungen an eine klare und eindeutige Satzungsbestimmung entsprochen wird (Strobel ZEV 2022, 58; Uffmann NJW 2021, 3085 Rn 22; Udwari GWR 2022, 21). In der Praxis bleibt dem Stifter zu empfehlen, Einschränkungen der Handlungsmacht des Vorstands regelmäßig nur für das Innenverhältnis vorzusehen, dh lediglich die Geschäftsführungsbefugnisse einzugrenzen, die Vertretungsbefugnis jedoch ggf nur durch Anordnung einer Gesamtvertretung zu beschränken. Gleichwohl sollte der Rechtsverkehr sich wegen der Möglichkeit der Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands aus Rechtssicherheitsgründen vor Abschluss von Verträgen mit Stiftungen durch Einsicht in die Satzung, ab 1.1.2026 (auch) in das Stiftungsregister von der Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder überzeugen. 4. Vergütung. Organmitglieder sind grds unentgeltlich tätig, vgl § 84a I 2. Ausf zur Vergütung von Organmitgliedern s § 84a Rn 3. 5. Haftung. Für Schäden, die durch Pflichtverletzungen im Rahmen der Geschäftsführung entstanden sind, haften die Organmitglieder ggü der Stiftung nach § 280 I iVm § 84a, §§ 664f. Ausf zur Haftung s § 84a Rn 6. III. Weitere Organe. Neben dem Vorstand können in der Satzung weitere Organe vorgesehen werden. Diese verfügen satzungsmäßig über eigene Rechte und Pflichten und nehmen regelmäßig Kontroll- und Beratungsfunktionen wahr. Darüber hinaus werden häufig Repräsentationsorgane für die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung eingesetzt, die jedoch idR keine Entscheidungsbefugnisse innehaben (Richter/Godron Kap 6 Rn 93). Der Stifter ist iÜ kein Stiftungsorgan (Richter/Godron § 6 Rn 10). Um eine vollständige Unabhängigkeit der einzelnen Organe zu gewährleisten, sollte darauf geachtet werden, dass die Mitgliedschaft in einem Stiftungsorgan die Mitgliedschaft in einem anderen Organ ausschließt. Ist ein weiteres Organ in der Stiftung vorgesehen, sind nach Abs IV S 2 in der Satzung auch Bestimmungen über die Bildung, die Aufgaben und die Befugnisse aufzunehmen. 1. Besondere Vertreter. Durch Satzung können neben dem Vorstand besondere Vertreter als zusätzl Organ bestellt werden. Als besondere Vertreter kommen insb hauptamtlich für die Stiftung tätige Personen in Betracht, die eine Stellung unterhalb des ehrenamtlichen Vorstandes innehaben (Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 22). Im Zweifel erstreckt sich deren Vertretungsmacht auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihnen zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt. Nur der besondere Vertreter verfügt neben dem Vorstand über Außenvertretungsmacht (Richter/Godron § 6 Rn 114). Im Gegensatz zum Vorstand bezieht sich die Zuständigkeit des besonderen Vertreters nach § 30 nur auf gewisse Geschäfte und nicht auf sämtliche Bereiche der Stiftung. Erfasst sind Geschäftskreise, die der besondere Vertreter selbständig und regelmäßig unabhängig vom Vorstand ausführt (Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 14; Richter/Godron § 6 Rn 115). Eine ausdrückl Festschreibung des Geschäftsbereichs in der Satzung ist empfehlenswert, wenn auch nicht notwendig. Bei unternehmensverbundenen Stiftungen können besondere Vertreter zB für die Ausübung von Gesellschafterrechten im Unternehmen eingerichtet werden, damit keine unternehmensfremden Personen an den Gesellschafterversammlungen teilnehmen (Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 27). Abzugrenzen ist der besondere Vertreter vom rechtsgeschäftlichen Vertreter, dessen Vertretungsmacht auf der Bevollmächtigung durch den Vorstand gründet. Der besondere Vertreter leitet seine Vertretungsmacht hingegen aus seiner Organstellung ab, die der Vorstand ihm nicht entziehen kann. Die Passivvertretungsmacht gilt auch für besondere Vertreter uneingeschränkt (Richter/Godron § 6 Rn 115). 2. Beratungs- und Kontrollorgan. Stiftungen beinhalten aufgrund ihrer Rechtsform als mitgliederlose juristische Personen sowie aufgrund der Beschränkung der Stiftungsaufsicht auf eine Rechtsaufsicht ein Kontrolldefizit im Hinblick auf den Vorstand und weitere Stiftungsorgane. Auch bei gemeinnützigen Stiftungen beschränkt sich die steuerliche Prüfung durch das Finanzamt nur auf Umstände, die die Gemeinnützigkeit betreffen (Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 27). Zur Durchsetzung von Ansprüchen und um einer evtl Verjährung entgegenzuwirken erscheint die Einrichtung eines Beratungs- und Kontrollorgans geboten, das den Vorstand und weitere Organe überwacht. Als Kontrollorgan kommt regelmäßig die Einrichtung eines Aufsichtsrates, eines Kuratoriums oder eines Stiftungsrates oder Beirates in Betracht (Werner/Saenger/Fischer/Veltmann § 17 Rn 49f; MüKo/Weitemeyer § 86 Rn 57; Richter/Godron Kap 6 Rn 86). Die Überwachung bezieht sich regelmäßig insb auf die Berufung und Abberufung der Vorstandsmitglieder, die Prüfung des Jahresberichts sowie des Haushalts- und Wirtschaftsplans sowie die Aufstellung von Richtlinien zur Förderung des Stiftungszwecks, ebenso wie ggf den Abschluss und die Beendigung von Anstellungsverträgen (Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 27; Richter/Godron Kap 6 Rn 87; MHdB-GesR V/Gummert § 91 Rn 22). Dem Kontrollorgan kann damit – anders als der Stiftungsaufsicht – eine Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitskontrolle eingeräumt werden (Richter/Godron Kap 6 Rn 88). Maßstab für die Kontrolle ist der durch den Stifter verbindlich und unabänderlich vorgegebene Stiftungszweck (Werner/Saenger/Fischer/Veltmann § 17 Rn 50). Über die Überwachung des Vorstands hinaus kann dem Kontrollorgan zudem ein Weisungsrecht geschaffen und Zustimmungserfordernisse Wiese
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geschaffen werden (Richter/Godron Kap 6 Rn 87f). Um eine umfassende Überwachung zu ermöglichen und Interessenkonflikte der Organe zu verhindern, ist das Vermeiden einer personellen Überschneidung in Vorstand und Kontrollorgan von erheblicher Bedeutung. Zum Klagerecht eines Mitglieds des Stiftungsbeirats einer Familienstiftung LG Mainz NZG 2002, 738; OVG Berlin DVBl 2003, 342; zur einstweiligen Verfügung der Mitglieder des Stiftungsvorstands gegen den Stiftungsrat Frankfurt NZG 2019, 22. 3. Destinatäre und Destinatärsversammlung. Destinatäre sind keine Mitglieder, sondern Nutznießer der Stiftung. Die Auswahl der Destinatäre richtet sich ausschließlich nach dem Willen des Stifters und damit nach dem Stiftungsgeschäft und der Satzung (BGH NZG 2017, 268; BGHZ 99, 344, 351). Die privatautonome Bestimmung des Stifters gestattet die willkürliche Bestimmung der Destinatäre (Stifterfreiheit), sodass er nicht an das Gleichbehandlungsgebot zw Mann und Frau gebunden ist, sondern die Zuwendung an das Geschlecht knüpfen kann (BGHZ 70, 313, 322). Auch die Vorgaben des AGG sind bei der Bestimmung der Destinatäre nicht zu berücksichtigen (ausf MüKo/Weitemeyer § 85 Rn 50). Zur Grundrechtsbindung einer öffentlichen Stiftung, deren Stiftungsvermögen aus öffentlichen Mitteln stammt, Saarl VerfGH 8.7.2014 – Lv 6/13. Der Stifter muss die Person der Destinatäre nicht explizit benennen, auch muss er keinen bestimmbaren Personenkreis definieren. Allerdings muss das Stiftungsgeschäft erkennen lassen, wer als Destinatär in Betracht kommt. Die Auswahl der konkreten Personen steht dann im Ermessen des Vorstands. Bei obj durch die Satzung festgelegten Kriterien hinsichtl des Kreises der Berechtigten haben diese grds einen klagbaren Anspruch. Soll eine Auswahl aus einem bestimmten Kreis von Destinatären durch die Stiftungsorgane oder durch Dritte erfolgen, besteht ein solcher Anspruch hingegen nicht (grundlegend BGH NJW 1957, 708; NZG 2017, 268). ISd Rechtsklarheit sollte die Satzung regeln, dass der Vorstand frei über die Zuteilung von Stiftungsmitteln entscheiden kann und ein klagbarer Anspruch der Destinatäre nicht besteht. Ansprüche der Destinatäre auf Beachtung ihrer Interessen durch Vorstandsentscheidungen gehören vor die ordentlichen Gerichte, selbst wenn die Destinatäre ArbN der Stiftung sind (BGH NJW 1998, 909). Das Zuwendungsversprechen an einen Destinatär ist idR keine Schenkung iSd §§ 516, 518 (st Rspr: BGH NJW 1957, 708; 2010, 234 mwN; KG ZStV 2013, 107; Stumpf/Suerbaum/Schulte/ Pauli/Stumpf Kap B § 85 Rn 27; aA Muscheler NJW 2010, 341; auch noch Erman/O. Werner14). Es ist auch keine Auslobung iSd § 657 oder ein Schuldverhältnis sui generis; Rechtsgrundlage ist vielmehr der Stiftungszweck selbst (BGH NZG 2017, 268). Verwendet der Destinatär die Zuwendung abw vom Zuwendungsbescheid, besteht ein Rückforderungsanspruch (KG ZStV 2013, 107 m Anm Bergsdorf; ausf Tschirschke ZStV 2013, 12). Destinatäre einer Stiftung sind grds Begünstigte und verfügen damit nicht über organschaftliche Rechte. Einzelne Destinatäre können durch die Stiftungssatzung allerdings Verwaltungs-, Mitbestimmungs- und Kontrollrechte eingeräumt bekommen, wie zB Mitwirkungsrechte bei Bestellung und Abberufung anderer Organmitglieder oder anderer Destinatäre als Mitglieder anderer Stiftungsorgane (Richter/Godron § 6 Rn 96). Solche organschaftlichen Rechte können dann grds nicht gegen den Willen der Destinatäre durch Satzungsänderung beseitigt werden (Hamburg ZIP 1994, 1950, 1951; Mankowski FamRZ 1995, 851). Darüber hinaus kann auch ein eigenes Destinatärsorgan (sog Destinatärsversammlung) eingerichtet werden, das über etwaige Rechte verfügt. Eine solche Einräumung von Rechten kann allerdings nur erfolgen, soweit lediglich die Beachtung des Stifterwillens gesichert werden soll und keine Gremien geschaffen werden, die autonome Willensbildungsorgane darstellen (Werner/Saenger/Fischer/Veltmann § 17 Rn 54). Bei vollumfänglichen oder sehr weitreichenden Einflussrechten der Destinatäre besteht die Gefahr, dass es zu einer dem Stifterwillen widersprechenden autonomen Willensbildung in der Stiftung kommt, sodass darauf zu achten ist, dass die den Destinatären eingeräumten Rechte nicht so weit gefasst sind, dass diese ihre Macht missbrauchen könnten und das geschaffene Destinatärsorgan wie auch alle anderen Organe dem Stiftungszweck und damit dem Stifterwillen unterstellt bleibt (Richter/Godron § 6 Rn 96f). Ein Klagerecht kann sich bei Beeinträchtigung ihrer organschaftlichen Rechte ergeben und richtet sich in erster Linie nach der Stiftungssatzung (Werner/Saenger/Fischer/Veltmann § 17 Rn 54; Richter/Godron § 6 Rn 96). Zu Frage sonstiger Klagerechte der Destinatäre s Vor § 80 Rn 3.
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Rechte und Pflichten der Organmitglieder
(1) Auf die Tätigkeit eines Organmitglieds für die Stiftung sind die §§ 664 bis 670 entsprechend anzuwenden. Organmitglieder sind unentgeltlich tätig. Durch die Satzung kann von den Sätzen 1 und 2 abgewichen werden, insbesondere auch die Haftung für Pflichtverletzungen von Organmitgliedern beschränkt werden. (2) Das Mitglied eines Organs hat bei der Führung der Geschäfte der Stiftung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. (3) § 31a ist entsprechend anzuwenden. Durch die Satzung kann die Anwendbarkeit des § 31a beschränkt oder ausgeschlossen werden. I. Allgemeines. § 84a regelt das Innenverhältnis zw der Stiftung und dem Mitglied eines Stiftungsorgans. Die wesentliche Änderung der Rechtslage stellt der durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts neu definierte Sorgfaltsmaßstab für Organmitglieder sowie die Kodifizierung der sog Business Judgement Rule im Stiftungsrecht dar. Die Regelung gilt auch für bereits am 1.7.2023 bestehende Stiftungen. Die Vorschriften sind dispositiv, sodass die Rechte und Pflichten von Organmitgliedern sowie deren Haftung abw durch Satzung ausgestaltet werden können. Eine Stiftungsaufsichtsbeschwerde der Stiftungsorgane zum Schutz des Stifterwil254
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Juristische Personen – Stiftungen
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lens hat sich durch die Neuregelung des § 84a nicht durchgesetzt (Schauhoff/Mehren NJW 2021, 2998 Rn 30; Beschluss des 72. Deutschen Juristentags unter Nr 30). II. Rechte und Pflichten. Rechte und Pflichten der Organmitglieder ergeben sich nach Abs I S 1 aus den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664–670. Die Stiftungsorgane handeln im Auftrag des Stifters, der sich aus der Satzung und dem Stiftungsgeschäft ergibt (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 62). Dies gilt nach der Neuregelung des § 84a im Gegensatz zum bisher geltenden § 86 neben den Mitgliedern des Vorstands auch für die Mitglieder weiterer Organe der Stiftung. 1. Aufwendungsersatz und Vergütung. Sofern die Satzung keine Einschränkung enthält, kann das Stiftungsorgan aufgrund der Verweisung in das Auftragsrecht Ersatz seiner Aufwendungen gem § 670 verlangen. Erstattet werden hiernach diejenigen Ausgaben, die im eigenen Namen für die Stiftung getätigt wurden (Richter/Godron § 6 Rn 59). Dies sind grds Kosten durch Geldleistungen an Dritte oder auf sonstiger Weise, wie zB Reisekosten, Telefon- und Postspesen oder Beherbergungs- und Verpflegungskosten (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 63; Richter/Godron § 6 Rn 59). Pauschale Zahlungen sind vom Aufwendungsersatz umfasst, sofern entstandene Kosten (zB Fahrtkostenpauschale) und nicht etwa der Zeitaufwand für die Tätigkeit als Organmitglied abgegolten werden (Sanders/Berisha ZStV 2021, 58f; Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 64). Die Regelungen der §§ 84a, 670 gelten auch für steuerbegünstigte Stiftungen iSd §§ 51ff AO; tatsächlich entstandene Auslagen können ohne explizite Regelung in der Satzung ersetzt werden, da hierin keine Abgeltung von Arbeits- und Zeitaufwand liegt (Richter/Godron § 6 Rn 59). Abzugrenzen ist der Aufwendungsersatz von einer Vergütung für eingesetzte Arbeitszeit und Arbeitskraft, die hingegen nur verlangt werden kann, wenn die Stiftungssatzung dies ausdrückl vorsieht (vgl Abs I S 2). Bestehen Satzungsbestimmungen zur Vergütung und wird kein ausdr Anstellungsvertrag geschlossen, wird mit der Bestellung zum Vorstand idR zugleich konkludent ein Anstellungsvertrag geschlossen, für dessen Vergütung die Satzung als Vorgabe heranzuziehen ist (BSGE 131, 266ff; Hamm NJW-Spezial 2017, 432); Kündigungsmöglichkeiten für das Anstellungsverhältnis richten sich dann idR nach den Abberufungsgründen für die Organstellung (näher Hamm aaO; zur Abberufung s § 84 Rn 5). Vergütungen entgegen der satzungsmäßigen Regeln gelten als satzungswidrige Zuwendungen und verstoßen gegen § 55 AO (Richter/Godron § 6 Rn 62). Dem Satzungsvorbehalt kommt gerade bei gemeinnützigen Stiftungen besondere Relevanz zu. Bei mangelnder Vergütungsgewährung in der Satzung wird bei tatsächlicher Zahlung einer Vergütung oder bei einer unangemessen hohen Vergütung gegen die Prinzipien der Gemeinnützigkeit und Selbstlosigkeit verstoßen, woraufhin der Stiftung aufgrund von Mittelverfehlungen ihre Gemeinnützigkeit aberkannt werden kann (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 65; Richter/Godron § 6 Rn 62). 2. Pflichtenprogramm der Organmitglieder. Wichtigste Pflicht des Vorstands ist die dauerhafte Erfüllung des Stiftungszwecks unter Beachtung des Stifterwillens bei gleichzeitiger dauerhafter Erhaltung des Stiftungskapitals bzw bei Verbrauchsstiftungen im Rahmen des vorgegebenen Verbrauchskonzepts (Schauhoff/Mehren/ Kraus Kap 6 Rn 96). Die Stiftungsorgane haben insoweit in der Sache eine treuhänderische Funktion. In diesem Zusammenhang kommt dem Vorstand eine besondere Treuepflicht zu, die insb die Pflicht zum loyalen Einsatz für die Stiftung, das Verbot der Verfolgung eigennütziger Interessen durch Ausnutzen der Organstellung, Wettbewerbsverbote, das Verbot der Wahrnehmung eigener Geschäftsinteressen zu Lasten der Stiftung und die Verschwiegenheitspflicht in Stiftungsangelegenheiten beinhaltet (Richter/Godron § 6 Rn 144). Zur Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder ggü der Stiftung Seifert ZStV 2014, 41ff. Darüber hinaus besteht die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Vermögens (Richter/Godron § 6 Rn 138; Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 111; dazu ausf § 83c Rn 2ff). Die Stiftungsorgane haben ferner die Genehmigungs- und Anzeigepflichten ggü der Stiftungsbehörde zu beachten (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 113). So ist zB für Satzungsänderungen (§ 85a I 2), für die Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen (§ 86b I 2) oder für die Auflösung der Stiftung (§ 87 III) die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich. Beachtet der Stiftungsvorstand eine an sich erforderliche Anzeige- oder Genehmigungspflicht nicht, stellt dies grds eine Pflichtverletzung dar; ggf kann aber der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens vorgebracht werden, wenn die Stiftungsbehörde, wäre sie gefragt worden, keine Einwände gehabt bzw die Genehmigung erteilt hätte (Scholz ZIP 2021, 1947f). Darüber hinaus müssen die Stiftungsorgane die Einhaltung und Beachtung weiterer gesetzl Vorschriften und Sorgfaltspflichten sicherstellen, zB die Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten und der Rechnungslegungspflichten der Stiftung oder die Sicherstellung von Arbeits- und Datenschutz (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 68). Alle Organmitglieder sind der Stiftung ggü zudem zur Auskunft und Rechenschaft über ihre Tätigkeit verpflichtet (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 70). III. Haftung der Organmitglieder. Ein Stiftungsorgan haftet ggü der Stiftung für Schäden, die durch Pflichtverletzungen im Rahmen der Geschäftsführung entstanden sind (ausf Stürner DStR 2015, 1628; Werner ZEV 2009, 366; Kiethe NZG 2007, 810). Insoweit gilt grds dasselbe wie für Geschäftsführungsorgane anderer juristischer Personen (vgl § 43 II GmbHG, § 93 II AktG). Ein etwaig bestehendes Kontrollorgan ist im Fall von Pflichtwidrigkeiten des Organmitglieds seinerseits (zur Vermeidung einer eigenen Ersatzpflicht) verpflichtet, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen das Organmitglied zu prüfen und diese ggf geltend zu machen (Köln 13.8.2013 – 9 U 253/12; Burgard/Heimann NZG 2016, 166). Ein etwaiges stiftungsaufsichtliches Vorgehen ist insofern subsidiär. Ein Organmitglied kann sich nicht iS eines Mitverschuldenseinwands (§ 254) auf die unzureichende Aufsicht durch ein Aufsichtsorgan berufen (BGH NZG 2015, 38; Richter/Godron § 6 Rn 212), anders soll dies sein, wenn der Stiftungsaufsicht der Sachverhalt insgesamt bekannt war und diese trotzdem nicht Wiese
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eingeschritten ist (v Campenhausen/Richter/Hof § 8 Rn 305 mwN; zum umgekehrten Fall einer Pflichtverletzung des Vorstands als Mitverschulden der Stiftung bei aufsichtsbehördlichen Fehlern BGHZ 68, 142, 151). Existiert ein Aufsichtsorgan nicht, so sind etwaige Schadensersatzansprüche durch die Aufsichtsbehörde zu verfolgen und zwar je nach Landesrecht entweder durch die Behörde selbst im Namen und auf Rechnung der Stiftung (zB Art 15 BayStG) oder durch Bestellung eines besonderen Vertreters für die Stiftung (zB § 11 StiftG NRW). Die Aufsichtsbehörde kann sich ihrerseits bei Vernachlässigung ihrer Pflichten gem § 839 iVm Art 34 GG ersatzpflichtig machen, vgl U. Kilian, FS O. Werner, 2004, 77. Zu strafrechtl Implikationen für die handelnden Organmitglieder s Graewe/v Maltzahn BB 2013, 329. Zur Reduzierung des Haftungsrisikos der einzelnen Organmitglieder kann eine interne Ressortverteilung vorgenommen werden, durch die den einzelnen Mitgliedern innerhalb des Organs durch die Satzung oder die Geschäftsordnung einzelne Bereiche zur alleinigen Verantwortung übertragen werden (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 72). Innerhalb der Ressorts, die anderen Organmitgliedern zugeordnet sind, besteht statt der vollumfänglichen Haftung für die eigene Erfüllungspflicht nur noch eine Haftung bei Pflichtverletzungen der Überwachungs- und Kontrollpflicht der anderen Ressorts (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 73). 1. Allgemeine Haftungsregelung. Das Stiftungsorgan haftet der Stiftung ggü gem § 280 I iVm § 84a, §§ 664 f für alle vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Pflichtverletzungen, wenn es sich nicht auf die Haftungserleichterungen nach Abs III S 1 iVm § 31a I 1 berufen kann. Bisher galt der allg Sorgfaltsmaßstab nach § 276 II, der zur Beurteilung der Fahrlässigkeit auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt abstellt. Durch die Neuregelung in § 84a II 1 ist nunmehr auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers nach dem Vorbild von § 93 I 1 AktG, § 43 I GmbHG abzustellen. Zur Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers gehört es insb, die Geschäftsführungsentscheidungen sorgfältig vorzubereiten, indem eine angemessene Informationsgrundlage geschaffen wird (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 80). Ob der Sorgfaltsmaßstab durch die Neuregelung abgemildert oder verschärft wird, lässt sich dem Wortlaut und der Gesetzesbegr nicht entnehmen; für die Praxis darf jedenfalls von einem gleichbleibenden Sorgfaltsmaßstab ausgegangen werden (Scholz npoR 2022, 51; Baßler/Stöffler/ Blecher GmbHR 2021, 1130 Rn 25). Neben diesem vertragl Schadenersatzanspruch kommt auch eine deliktische Haftung des Stiftungsvorstands ggü der Stiftung gem § 823 II iVm einem Schutzgesetz (zB §§ 246, 263, 266 StGB) und § 826 in Betracht; eine Haftung nach § 823 I wird selten relevant, da häufig ein reiner Vermögensschaden vorliegen wird (Sanders/Berisha ZStV 2021, 50). 2. Stiftungsrechtliche Business Judgement Rule. Abs II S 2 kodifiziert die aktienrechtl Business Judgment Rule im Stiftungsrecht. Danach hat ein Organmitglied seine Pflichten nicht verletzt, wenn es bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzl und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln und der Schaden damit aus einer unter Unsicherheit getroffenen Prognoseentscheidung entstanden ist (Willy VersR 2022, 82; Baßler/Stöffler/ Blecher GmbHR 2021, 1130 Rn 26). Eine Pflichtverletzung ist deshalb nur dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des geschäftsführenden Organs innerhalb seines Handlungsspielraums den vertretbaren Rahmen überschritten hat; innerhalb des vertretbaren Rahmens ist nur zu prüfen, ob die Entscheidung aus der ex anteSicht vertretbar war, um eine Pflichtverletzung zu verneinen (Schauhoff/Mehren/Kraus Kap 6 Rn 82). Die Anerkennung eines weiten Handlungsspielraums lässt sich damit rechtfertigen, dass unternehmerische Entscheidungen regelmäßig aufgrund einer zukunftsbezogenen Gesamtabwägung von Chancen und Risiken getroffen werden müssten, die wegen ihres Prognosecharakters die Gefahr erst nachträglich erkennbarer Fehlbeurteilungen enthielten (Richter/Godron § 6 Rn 192). Die gesetzl Verankerung der Business Judgement Rule ist damit insb für unternehmensverbundene Stiftungen relevant, da unternehmerische Entscheidungen sowie Anlageentscheidungen der Stiftungsorgane im Immobilien- oder Kapitalmarkt zu erheblichen Vermögensverlusten führen können (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1130 Rn 27). Stiftungsorgane können hingegen bei einem Irrtum über die zukünftige Entwicklung der Kapital- oder Immobilienmärkte nicht für den reinen Erfolg einer Vermögensanlage haftbar gemacht werden, sofern die Entscheidungsgrundlagen und die vorgenommene Abwägung nachvollziehbar sind und ausreichend dokumentiert wurden (Lorenz/Mehren DStR 2021, 1777). Voraussetzung für die Haftungsprivilegierung und damit jedem Stiftungsorgan unbedingt zu empfehlen ist somit die Dokumentation der Entscheidungsfindung und der Entscheidungsparameter (Baßler/Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1130 Rn 27). Ungeklärt ist damit aber die Frage, ab wann ein Stiftungsorgan alle angemessenen Informationen berücksichtigt hat. Um Unsicherheiten über die Haftungsfrage zu vermeiden, empfiehlt es sich, bereits in der Satzung Maßstäbe für die Reichweite der Business Judgement Rule festzulegen. Eine durch die Satzung etwaig vorgesehene strengere Haftungsregelung hat Vorrang vor Geltung der Business Judgement Rule (Baßler/ Stöffler/Blecher GmbHR 2021, 1131 Rn 29). 3. Haftungserleichterung für ehrenamtlich tätige Stiftungsorgane. Allerdings kommt dem Stiftungsvorstand unter den Voraussetzungen von § 84a III, § 31a I (unentgeltliche Tätigkeit bzw Vergütung von weniger als 840 t pro Jahr) die in § 31a I vorgesehene Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zugute sowie ein Anspruch auf Freistellung gem § 31a II (zur Abgrenzung zw grober und einfacher Fahrlässigkeit bei pflichtwidrigem Verhalten des Stiftungsvorstands Köln 13.8.2013 – 9 U 253/12). Die Beweislast für das Verschulden liegt bei der Stiftung (§ 31a I 3). Die Anwendbarkeit des § 31a ist für Stiftungen wegen Abs III S 2 nicht mehr zwingend, sodass sie durch die Satzung ausgeschlossen oder beschränkt werden kann und eine Haftung des Organmitglieds danach auch für Fälle leichter Fahrlässigkeit bestehen kann. Dies ist nicht nur durch die Errichtungssatzung, sondern auch noch durch nachträgliche Satzungsänderung möglich (BT-Drs 19/28173, 62). 256
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 84c
Dem liegt zugrunde, dass die Stiftung – anders als zB Vereine – keine Mitglieder hat und demnach nicht über Mitgliedsbeiträge finanziert wird. Demnach können Haftungsfälle, durch die die Stiftung hohe Verluste erleidet und für die sie wegen der Haftungserleichterungen keinen Schadensersatz verlangen kann, dazu führen, dass die Stiftung ihren Zeck nicht mehr dauernd und nachhaltig verfolgen kann und deshalb aufgelöst werden muss (BTDrs 19/28173, 62). Wie die Gesetzesbegr zeigt, ist ein Ausschluss des § 31a durch Satzung insb sinnvoll, wenn für die Tätigkeit der Stiftungsorgane Versicherungsschutz besteht (BT-Drs 19/28173, 62). In der Praxis ist damit der Abschluss einer D&O Versicherung iVm einer Haftungserweiterung durch die Satzung ratsam, um der Stiftung die Möglichkeit, Verluste wieder ausgleichen zu können, zu eröffnen.
§ 84b
Beschlussfassung der Organe
Besteht ein Organ aus mehreren Mitgliedern, erfolgt die Beschlussfassung entsprechend § 32, wenn in der Satzung nichts Abweichendes geregelt ist. Ein Organmitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Stiftung betrifft. I. Allgemeines. § 84b ist den für Vereine geltenden Vorschriften der §§ 28, 32 und 34 nachgebildet und gilt 1 auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Stiftungsorgane, die mehrere Mitglieder haben, fassen ihre Beschlüsse entspr § 32, der die Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung regelt, wenn in der Satzung nichts anderes geregelt ist. § 32 wird analog auch auf andere Organe von Stiftungen angewandt, wenn Satzungsbestimmungen für die Beschlussfassung dieser Organe fehlen, sodass es zweckmäßig erscheint, den Anwendungsbereich der dispositiven Vorschrift auf alle Stiftungsorgane auszudehnen (BT-Drs 19/28173, 62). Die Verweisung auf § 32 ist dispositiv und subsidiär, dh durch Satzung können – zB im Hinblick auf die erforderlichen Mehrheiten oder die Beschlussfähigkeit des Organs – abw Regelungen getroffen werden. S 2 regelt nunmehr eigenständig für alle Organe von Stiftungen einen Stimmrechtsausschluss bei Interessenkollisionen. Anders als S 1 ist diese Regelung zwingend und kann nicht durch Satzung abbedungen werden (so auch Hüttemann/Rawert ZIP 2021, 23). II. Voraussetzungen für die Beschlussfassung. Die Vorstandsmitglieder sind ordnungsgemäß zu laden, un- 2 ter Angabe von Zeit, Ort und Bezeichnung des Beschlussgegenstandes (MüKo/Leuschner § 28 Rn 6). Um dem Willen des Stifters, Organrechte einem Gremium bestimmter Größe zu übertragen, gerecht zu werden, sollten alle in der Satzung vorgesehenen Vorstandsämter besetzt sein (Richter/Godron § 6 Rn 37). Oft wird mittels Satzung oder Geschäftsordnung ein Anwesenheitsquorum festgelegt (Staudinger/Hüttemann/Rawert § 86 Rn 59). Vorbehaltlich anderweitiger Regelungen in der Satzung entscheidet die Vorstandsversammlung durch Mehrheitsbeschluss (§ 32 I 3). Durch Satzungsbestimmungen kann der Stifter aber auch andere Prinzipien zur Willensbildung, wie etwa ein Ressortprinzip oder ein Einstimmigkeitsprinzip aufstellen oder unterschiedliche Stimmgewichte verteilen (Richter/Godron § 6 Rn 38). Umstritten ist, inwiefern eine Stellvertretung der Vorstandsmitglieder bei der Beschlussfassung möglich ist. Vereinzelt wird vertreten, eine Stellvertretung sei mit der Höchstpersönlichkeit des Vorstandsamtes – in Anlehnung an die Unzulässigkeit einer Stellvertretung des Vorstandes einer AG – grds unvereinbar (BeckOGK/Segna § 28 Rn 5). Überwiegend wird allerdings davon ausgegangen, dass eine Stellvertretung durch ein anderes Vorstandsmitglied stets möglich sei (Hamm OLGZ 1978, 28; Richter/Godron § 6 Rn 38). Um mögliche Unsicherheiten zu vermeiden, erscheint es jedenfalls sinnvoll, über die Frage der Möglichkeit einer Stellvertretung durch Satzungsregelungen zu entscheiden. Beschlüsse können außerhalb der Vorstandsversammlung im sog Umlaufverfahren iSd § 32 II gefasst werden, wenn die Vorstandsmitglieder schriftlich zustimmen (Richter/Godron § 6 Rn 39). Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift muss danach auch eine Sitzung ohne Präsenz möglich sein, etwa in einer Telefon- bzw Videokonferenz (MüKo/Leuschner § 28 Rn 4). Stellt sich im Nachhinein heraus, dass dem Beschluss ein formeller oder materieller Mangel zugrunde lag, ist der Beschluss grds nichtig, es sei denn der Mangel stellt sich bei wertender Betrachtung als nicht relevant heraus (Richter/Godron § 6 Rn 40). S 2 der Vorschrift entspricht § 34, der einen Stimmrechtsausschluss bei Interessenkollisionen vorsieht. Darüber hinaus sind Satzungsregelungen zur Befangenheit bei der Beschlussfassung des Vorstands durchaus empfehlenswert; Vorstandsmitglieder sollten von Entscheidungen ausgeschlossen sein, die ihnen selbst oder einem nahestehenden Dritten unmittelbar oder mittelbar Vor- oder Nachteile erbringen (Richter/Godron § 6 Rn 43).
§ 84c
Notmaßnahmen bei fehlenden Organmitgliedern
(1) Wenn der Vorstand oder ein anderes Organ der Stiftung seine Aufgaben nicht wahrnehmen kann, weil Mitglieder des Organs fehlen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen notwendige Maßnahmen zu treffen, um die Handlungsfähigkeit des Organs zu gewährleisten. Die Behörde ist insbesondere befugt, Organmitglieder befristet zu bestellen oder von der satzungsmäßig vorgesehenen Zahl von Organmitgliedern befristet abzuweichen, insbesondere indem die Behörde einzelne Organmitglieder mit Befugnissen ausstattet, die ihnen nach der Satzung nur gemeinsam mit anderen Organmitgliedern zustehen. (2) Die Behörde kann einem von ihr bestellten Organmitglied bei oder nach der Bestellung eine angemessene Vergütung auf Kosten der Stiftung bewilligen, wenn das Vermögen der Stiftung sowie der Umfang und Wiese
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Personen
die Bedeutung der zu erledigenden Aufgabe dies rechtfertigen. Die Behörde kann die Bewilligung der Vergütung mit Wirkung für die Zukunft ändern oder aufheben. I. Allgemeines. § 84c wurde durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts neu und abschließend geregelt und gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Die Neuregelung ersetzt die Verweisung im bisherigen § 86 S 1 auf die vereinsrechtl Vorschrift in § 29. Die wesentlichen Änderungen liegen darin, dass eine Notbestellung nunmehr auch beim Fehlen anderer Organmitglieder als solchen des Vorstands möglich ist und die Zuständigkeit auf die nach Landesrecht zuständige Behörde verlagert wurde, die anders als bisher auch von Amts wegen tätig werden kann. Um einen Eingriff der Stiftungsbehörde für stiftungsinterne Unstimmigkeiten möglichst zu vermeiden, besteht für Stiftungen die Möglichkeit der Statuierung eindeutiger Regelungen für Notbestellungen in der Satzung (Gollan npoR 2021, 280). II. Voraussetzungen des Notbestellungsrechts. Durch die Neuregelung des § 84c sind für Notmaßnahmen beim Fehlen von Vorstandsmitgliedern oder den Mitgliedern anderer Organe der Stiftung die Stiftungsbehörden zuständig und nicht mehr – wie vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts – die Amtsgerichte. Hintergrund soll nach der Gesetzesbegr sein, dass Stiftungsbehörden oftmals mit den Stiftungen vertraut seien und besser einschätzen könnten, welche Maßnahmen getroffen werden sollten und außerdem schneller als die Amtsgerichte geeignete Personen für eine Bestellung zum Vorstandsmitglied oder Mitglied eines anderen Stiftungsorgans finden könnten (BT-Drs 19/28173, 63). Die Stiftungsbehörden werden auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen tätig. Antragsberechtigter Beteiligter ist jeder, der ein berechtigtes Interesse an der Notmaßnahme hat (BT-Drs 19/28173, 63). In Betracht kommt ein Organmitglied der Stiftung; antragsberechtigt kann aber auch ein Gläubiger der Stiftung sein (Arnold npoR 2021, 88; Schauhoff/Mehren/Rohn Kap 8 Rn 31). Das Antragsrecht erlischt mit dem Tod des Beteiligten (MüKo/Weitemeyer § 86 Rn 18). Ein Tätigwerden von Amts wegen erscheint insb deswegen sinnvoll, da Stiftungen nicht über Mitglieder verfügen und das Vorhandensein eines Antragstellers deshalb nicht immer gewährleistet ist; insb bei Stiftungen mit Einzelvorständen wird es regelmäßig keinen Antragsteller geben, wenn das einzige Vorstandsmitglied fehlt (BT-Drs 19/28173, 63; Schauhoff/ Mehren/Rohn Kap 6 Rn 42). Notmaßnahmen können allerdings nur in dringenden Fällen getroffen werden. Ein dringender Fall liegt vor, wenn die Handlungsfähigkeit eines Organs nicht gewährleistet ist, wie etwa bei der Amtsniederlegung bzw dem Fehlen notwendiger Vorstandsmitglieder oder anderer Organmitglieder ohne Nachfolgerberufung sowie der Unfähigkeit der Amtsausübung des Einzelvorstands (BT-Drs 19/28173, 63; Schauhoff/ Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 43). III. Eingriffsrecht der Stiftungsbehörde. Die Stiftungsbehörde kann neben der Notbestellung eines Stiftungsorgans auch andere Maßnahmen treffen, durch die die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit von Stiftungsorganen, denen notwendige Mitglieder fehlen, hergestellt werden kann. Demnach kann die Behörde auch zeitweise Organmitglieder befristet bestellen, die Zahl der Organmitglieder beschränken oder die noch vorhandenen Organmitglieder mit zusätzlichen Befugnissen – insb Mehrstimmrechte und Mehrfachvertretungen – ausstatten (MüKo/Weitemeyer § 86 Rn 20; Schauhoff/Mehren/Windeknecht Kap 6 Rn 44). Die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme ist dabei durch die Behörde im jew Einzelfall zu beurteilen (BT-Drs 19/28173, 63). Die Bestellung eines Notvorstands dient allein der Ersetzung fehlender oder aus Rechtsgründen verhinderter Vorstandsmitglieder, nicht der Durchsetzung von Ansprüchen der Stiftung gegen den Willen der Vorstandsmitglieder und der Stiftungsaufsicht (MüKo/Weitemeyer § 86 Rn 19). Auch Stiftungsinteressierte wie zB Destinatäre oder Gläubiger könnten die Bestellung eines Notvorstands nicht zu dem Zweck beantragen, Ansprüche der Stiftung durchzusetzen (MüKo/Weitemeyer § 85 Rn 29). Abs II S 1 ermöglicht als lex specialis zu § 84a I 2, dass die Stiftungsbehörde den von ihr bestellten Organmitgliedern eine Vergütung auf Kosten der Stiftung gewähren kann, auch wenn die Satzung der Stiftung eine Vergütung der Organmitglieder nicht zulässt. Dadurch soll gewährleistet werden, dass geeignete Personen bereit sind, sich zum Mitglied eines Stiftungsorgans bestellen zu lassen (BT-Drs 19/28173, 64). Eine bewilligte Vergütung kann mit Wirkung für die Zukunft wieder geändert oder aufgehoben werden. Abzugrenzen ist die Notbestellung von der in einigen Landesstiftungsgesetzen vorgesehene Bestellung eines Sachwalters (zB § 9 III StiftG NRW). Der Sachwalter nimmt als externe Person anstelle des an sich zuständigen Stiftungsorgans bestimmte Aufgaben der Stiftungsorgane kommissarisch wahr und verdrängt damit die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsbefugnis der Stiftungsorgane insgesamt (Richter/Fischer Kap 8 Rn 112; Schauhoff/Mehren/Rohn Kap 8 Rn 34). Die Einsetzung eines Sachwalters gilt demnach als ultima ratio der Stiftungsaufsicht (Schauhoff/Mehren/Rohn Kap 8 Rn 34).
§ 85
Voraussetzungen für Satzungsänderungen
(1) Durch Satzungsänderung kann der Stiftung ein anderer Zweck gegeben oder der Zweck der Stiftung kann erheblich beschränkt werden, wenn 1. der Stiftungszweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann oder 2. der Stiftungszweck das Gemeinwohl gefährdet. Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 1 liegen insbesondere vor, wenn eine Stiftung keine ausreichenden Mittel für die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hat und solche Mittel in absehbarer Zeit auch nicht erwerben kann. Der Stiftungszweck kann nach Satz 1 nur geändert werden, wenn gesichert erscheint, dass die Stiftung den beabsichtigten neuen oder beschränkten Stiftungszweck dauernd und nachhaltig er258
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 85
füllen kann. Liegen die Voraussetzungen nach Satz 1 Nummer 1 und Satz 3 vor, kann eine auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung auch abweichend von § 83c durch Satzungsänderung in eine Verbrauchsstiftung umgestaltet werden, indem die Satzung um Bestimmungen nach § 81 Absatz 2 ergänzt wird. (2) Durch Satzungsänderung kann der Stiftungszweck in anderer Weise als nach Absatz 1 Satz 1 oder es können andere prägende Bestimmungen der Stiftungsverfassung geändert werden, wenn sich die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung wesentlich verändert haben und eine solche Änderung erforderlich ist, um die Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Als prägend für eine Stiftung sind regelmäßig die Bestimmungen über den Namen, den Sitz, die Art und Weise der Zweckerfüllung und über die Verwaltung des Grundstockvermögens anzusehen. (3) Durch Satzungsänderung können Bestimmungen der Satzung, die nicht unter Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 fallen, geändert werden, wenn dies der Erfüllung des Stiftungszwecks dient. (4) Im Stiftungsgeschäft kann der Stifter Satzungsänderungen nach den Absätzen 1 bis 3 ausschließen oder beschränken. Satzungsänderungen durch Organe der Stiftung kann der Stifter im Stiftungsgeschäft auch abweichend von den Absätzen 1 bis 3 zulassen. Satzungsbestimmungen nach Satz 2 sind nur wirksam, wenn der Stifter Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festlegt. I. Allgemeines. Das praktische Bedürfnis einer Satzungsänderung ergibt sich regelmäßig aus der Verände- 1 rung der Rahmenbedingungen der Stiftung im Vergleich zum Errichtungszeitpunkt (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 2). Die Besonderheit von Satzungsänderungen bei Stiftungen liegt darin, dass Stiftungsorgane ihre Entscheidungen nicht eigenständig nach eigenen Vorstellungen treffen können, sondern bei Änderungen dem mutmaßlichen oder tatsächlichen Stifterwillen verpflichtet sind, der bei jeder Satzungsänderung auf seine Vereinbarkeit mit der angedachten Veränderung hin geprüft werden muss. Neben der Satzungsänderung bleiben als weitere Instrumente zur Anpassung der Stiftung an veränderte Rahmenbedingungen nur noch die Auflösung oder Aufhebung der Stiftung oder die Möglichkeit einer Zulegung oder Zusammenlegung. § 85 immanent ist damit das Spannungsverhältnis zw Perpetuierung des Stifterwillens und Flexibilität durch Umgestaltungsmöglichkeiten durch die Stiftungsorgane bzw die Stiftungsbehörde (Beyer ZStV 2021, 161). Durch das bisher geltende Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht existierten unterschiedliche Rechtsgrundlagen für Satzungsänderungen, aus denen sich in einzelnen Bundesländern eine eigene Stiftungspraxis entwickelt hat (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 4). Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts konnte eine Satzungsänderung nur vorgenommen werden, sofern die Errichtungssatzung eine solche Ermächtigung enthalten hat oder ein Gesetz dies bestimmt hat, wobei die Landesstiftungsgesetze nur wenig differenzierte Regelungen vorsehen (so zB § 5 III StiftG NRW, der eine wesentliche Änderung des Stiftungszwecks zulässt, wenn eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist und soweit die Satzung dies nicht ausschließt; eine Zweckänderung durch die Stiftungsbehörde richtet sich nach § 87 I, § 10 StiftG NRW). Durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts ist eine deutliche Erweiterung der Möglichkeiten zur Satzungsänderung nunmehr abschließend und bundeseinheitlich in § 85 geregelt. Die Vorschrift gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Eine Satzungsänderung ist in Anlehnung an den bisher geltenden § 87, der sich allein auf Zweckbestimmungsänderungen durch die Stiftungsaufsicht bezogen hat, nunmehr auch durch die Stiftungsorgane (§ 85a I 1) bundesweit einheitlich möglich. Neben der Satzungsänderung kann durch die Neufassung auch eine erhebliche Beschränkung des Zwecks vorgenommen werden. § 85 statuiert eine gestufte Regelung für Satzungsänderungen. Bestimmungen in der Satzung können danach 2 geändert, ergänzt oder aufgehoben werden. Die Vorschrift unterscheidet zw drei Möglichkeiten zur Änderung der Stiftungsverfassung durch Satzungsänderung: (1) die grundlegende Zweckänderung iSv § 85 I, (2) die einfache Zweckänderung iSv § 85 II und (3) die einfache Satzungsänderung nach § 85 III. Je höher die Eingriffsintensität in die Stiftungsverfassung, desto strenger sind dabei die Voraussetzungen. Im Mittelpunkt steht dabei der Stifterwille, der nach § 83 II bei jeder Entscheidung zu beachten ist (so auch bereits: BGHZ 99, 344, 348; Frankfurt NZG 2019, 22; Grü/Ellenberger Rn 3; Beyer ZStV 2021, 163). Die Regelungen in § 85 I-III sind nach Abs IV nur für den Stifter im Rahmen der Errichtungssatzung dispositiv (BT-Drs 19/28173, 64; s ausf Rn 10). II. Änderung des Stiftungszwecks iSv § 85 I. Nicht jede Ergänzung, Erweiterung oder Begrenzung der 3 Zweckbestimmung stellt eine Zweckänderung dar. Eine Änderung der Zweckbestimmung in der Satzung entspricht vielmehr nur dann einer Zweckänderung, wenn sich die inhaltliche Ausrichtung der Stiftung in einer für den Stifter zum Errichtungszeitpunkt unvorhersehbaren Weise ändert, weil sich zB das typische Aufgabengebiet der Stiftung ändert oder das bestehende Aufgabengebiet um ein Weiteres ergänzt werden soll (BT-Drs 19/28173, 64). Eine Änderung von Teilen der Zweckbestimmung in der Satzung, die nur die Mittel zur Zweckerreichung aufführen, ist grds keine Zweckänderung, es sei denn, es kam dem Stifter gerade auf die besondere Art und Weise der Zweckerfüllung an (BT-Drs 19/28173, 64). Als grundlegende Änderung kommen nach Abs I der Zweckaustausch, die erhebliche Beschränkung bestehender Zwecke sowie die Umwandlung einer Ewigkeitsin eine Verbrauchsstiftung in Betracht. Eine erhebliche Zweckbeschränkung liegt in Fällen vor, in denen eine Identitätsveränderung mit der Beschränkung einhergeht, weil zB einer von zwei gleichwertigen Stiftungszwecken weggefallen ist (BT-Drs 19/28173, 65), wobei sich in der Praxis allerdings nur selten klären lassen wird, ob mehrere Stiftungszwecke iSd Stifterwillens „gleichwertig“ sein sollten (Schauer npoR 2022, 55). Von der erheblichen Zweckbeschränkung umfasst ist ferner die erhebliche Verengung eines sehr weit gefassten Zwecks; Gleiches
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gilt für die Ergänzung eines neuen Zwecks, der die Erfüllung des alten Zwecks erheblich einschränkt (BT-Drs 19/28173, 65). 1. Voraussetzungen für eine grundlegende Änderung des Stiftungszwecks. Zweckaustausch und Zweckbeschränkung. Die Stiftung darf einen anderen Zweck nur erhalten oder der Zweck der Stiftung nur erheblich beschränkt werden, wenn der Stiftungszweck (1) nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann oder (2) das Gemeinwohl gefährdet. Ein Austausch des Zwecks oder eine Beschränkung kann insb erfolgen, wenn eine Stiftung keine ausreichenden Mittel für die dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hat und solche Mittel in absehbarer Zeit auch nicht erwerben kann. Eine Unmöglichkeit der Erfüllung des Stiftungszwecks ist dafür nicht erforderlich (Pawlytta/Pfeiffer ZErB 2022, 256). Der Wortlaut des Abs I S 1 Nr 1 knüpft an den Anerkennungstatbestand nach § 82 S 1 an, sodass der Vorstand für eine Änderung oder Beschränkung des Stiftungszwecks belegen muss, dass das ursprüngliche Lebensfähigkeitskonzept im Zeitpunkt der Anerkennung mit diesem Zweck nicht mehr nachhaltig verfolgt werden kann (Pawlytta/Pfeiffer ZErB 2022, 256; Beyer ZStV 2021, 162). Ein solches Scheitern des ursprünglichen Lebensfähigkeitskonzepts kann dadurch begründet sein, dass die Stiftung Vermögen eingebüßt hat oder mit ihrem Vermögen aufgrund der Entwicklungen am Kapitalmarkt keine Anlagemöglichkeiten mehr hat, um ausreichende Erträge für eine dauerhafte und nachhaltige Zweckerfüllung zu erzielen (BT-Drs 19/28173, 65). Ein Scheitern ist auch bei Verlust des Vermögens dann nicht gegeben, wenn ein erneuter Vermögenszufluss – zB durch eine Zustiftung – bereits rechtl bindend vereinbart ist, nicht hingegen im Falle einer bloßen Erwartungshaltung oder eines Zuwendungsversprechens von Todes wegen, jedenfalls dann, wenn Letzteres weder den Zeitpunkt des Zuflusses noch eine Einflussnahmemöglichkeit der Stiftung erkennen lässt (Beyer ZStV 2021, 162). Erfasst werden darüber hinaus auch Konstellationen, bei denen die Zweckverwirklichung die Erträge nicht ausschöpft, weil der gesetzte Zweck zu eng oder das Kapital der Stiftung beträchtlich angewachsen ist (Beyer ZStV 2021, 162). Die Zweckverwirklichung erfasst damit nicht die „zwecklose“Anhäufung von Finanzmitteln (Staudinger/Hüttemann/Rawert § 87 Rn 5; Beyer ZStV 2021, 162). Gemeinwohlgefährdung. Alternativ kommen ein Zweckaustausch oder eine Zweckbeschränkung nur dann in Betracht, wenn der Stiftungszweck das Gemeinwohl gefährdet. Abs I Nr 2 knüpft nach seinem Wortlaut für die Gemeinwohlgefährdung – anders als § 82 S 1 und § 87a II Nr 2 – an den Stiftungszweck und nicht an die Stiftung selbst an. Das BVerwG hat zu § 80 II 1 aF entschieden, dass eine Gemeinwohlgefährdung iSd § 80 II 1 aF vorliege, wenn es hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Zweckverwirklichung durch die Stiftung zu einer Beeinträchtigung von Verfassungsrechtsgütern führt (BVerwG NVwZ-RR 2021, 609 Rn 20). Erforderlich ist ein konkreter Verstoß des Stiftungszwecks gegen die Rechtsordnung; nicht ausreichend ist hingegen die abstrakte Möglichkeit eines Verstoßes (Beyer ZStV 2021, 162f). Für Abs I Nr 2 wird man unterscheiden müssen, ob der Stifterwille und damit die Stiftung selbst eine Gefahr für die Allgemeinheit begründet, oder ob es sich um eine Stiftung handelt, die zwar einen gemeinwohlgefährdenden Zweck verfolgt, deren zugrundeliegender Stifterwille jedoch keine Gefahr für das Gemeinwohl darstellt. Eine solche Stiftung kann durch eine Zweckänderung „gerettet“ werden (Beyer ZStV 2021, 162), wohingegen eine Stiftung, die nach dem Stifterwillen selbst gemeinwohlgefährdend ist, nach § 87 II Nr 2 aufzuheben ist. 2. Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung. Liegen neben den Voraussetzungen von Abs I S 1 auch die Voraussetzungen von Abs I S 3 vor, kann die Stiftung in eine Verbrauchsstiftung umgewandelt werden. Dazu ist die Ergänzung der Satzung um Bestimmungen nach § 81 II erforderlich, durch die die Stiftung befristet und das gesamte Grundstockvermögen abw von § 83c nachträglich zu sonstigem Vermögen bestimmt werden kann. Nach der Umgestaltung besteht das Stiftungsvermögen nur noch aus sonstigem Vermögen. Nach der Gesetzesbegr darf die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung kein Liquidationsersatz sein (BT-Drs 19/28173, 66), erforderlich ist auch für die Verbrausstiftung die Wiederherstellung der Möglichkeit zur dauerhaften und nachhaltigen Zweckerfüllung. Für die Dauer der Verbrauchsstiftung ist allerdings eine Lebensfähigkeitsprognose und gerade nicht die in § 82 normierte Mindestbestandsdauer einer Verbrauchsstiftung von zehn Jahren maßgeblich; erforderlich ist vielmehr, dass die Stiftung nach der Umwandlung noch für einen relevanten Zeitraum selbst eine nachhaltige Zweckverwirklichung erwarten lassen muss und die Maßnahme sich nicht faktisch darauf beschränken darf, das Stiftungsvermögen kurzfristig an den Anfallberechtigten auszukehren (Schauer npoR 2022, 55; Beyer ZStV 2021, 164). III. Einfache Zweckänderung bzw Änderung prägender Satzungsbestimmungen iSv § 85 II. Der Stiftungszweck oder andere sog prägende Bestimmungen der Stiftungsverfassung iSd § 85 II können geändert werden, wenn sich die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung wesentlich verändert haben und eine solche Änderung erforderlich ist, um die Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Zweckänderungen iSd Vorschrift sind solche, die nicht schon unter Abs I fallen und demnach nicht die Identität der Stiftung berühren (Pawlytta/ Pfeiffer ZErB 2022, 257). Als prägende Bestimmungen sollen nach Abs II S 2 regelmäßig der Name der Stiftung, der Sitz, die Art und Weise der Zweckerfüllung und die Verwaltung des Grundstockvermögens gelten. Die Gesetzesbegr nennt als prägend darüber hinaus die Zusammensetzung und Aufgabenverteilung zw den Organen (BT-Drs 19/28173, 67). Bei Ewigkeitsstiftungen werden auch die Bestimmungen der Stiftungsverfassung zum Erhalt des Grundstockvermögens als prägend anzusehen sein; für Verbrauchsstiftungen sind regelmäßig auch die Satzungsbestimmungen nach § 81 II prägend (BT-Drs 19/28173, 67). Kann durch Auslegung des Stifterwillens nicht festgestellt werden, ob eine Regelung vom Stifter als identitätsstiftend angesehen worden ist, so sind nur solche Normen prägend, die von Gesetzes wegen vom Stifter festgelegt werden mussten oder die die grund-
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sätzliche innere Organisation betreffen (Beyer ZStV 2021, 165), regelmäßig nicht hingegen zB Vorgaben zur Art und Weise der Vermögensanlage (Ponath/Tolksdorf ZEV 2021, 610). Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist anzunehmen, wenn sich die gesetzl oder tatsächlichen Rahmen- 8 bedingungen seit der Errichtung so verändert haben, dass das derzeitige Handlungskonzept nach seiner Zielrichtung die Zweckerfüllung erschwert (Beyer ZStV 2021, 165). Die geplante Satzungsänderung muss schließlich erforderlich sein, um die Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Die Umgestaltung der Satzung muss sich damit als Mittel zum Zweck darstellen, die Zweckverwirklichung dauerhaft zu erleichtern oder zu verbessern. Die Änderung darf sich daher nicht als bloße Anpassung der Stiftung an die Arbeitsweise der derzeitigen Organmitglieder darstellen oder willkürlich in die Stiftungsverfassung eingreifen, was etwa bei einem reinen Modernisierungswunsch der Fall wäre (Beyer ZStV 2021, 165). Erforderlich können nur solche Änderungen sein, welche die geringste Eingriffsintensität in den ursprünglichen Stifterwillen haben. Neben bestimmten Zweckänderungen werden sowohl die Änderung oder Aufhebung bestehender Satzungsbestimmungen als auch die Ergänzung der Satzung um neue Satzungsbestimmungen erfasst. IV. Einfache Satzungsänderungen iSv § 85 III. Für einfache Satzungsänderungen iSd § 85 III ist ausreichend, 9 dass sie der Erfüllung des Stiftungszwecks dienlich sind. Der Zweckverwirklichung dienen Satzungsänderungen, welche die Leistungsfähigkeit nicht nur unerheblich erleichtern oder verbessern (BT-Drs 19/28173, 67) und damit nützlich erscheinen. Die Einschätzung, welche Anpassung der Satzung der Erfüllung des Stiftungszwecks dient, obliegt stets dem zuständigen Stiftungsorgan; diesem wird ein Einschätzungsspielraum zugestanden, ob die vorgesehene Änderung tatsächlich den gewünschten Vorteil für die Zweckverwirklichung iSd Stifterwillens bringt (Schauer npoR 2021, 56; Ponath/Tolksdorf ZEV 2021, 610). Umfasst sind danach insb organisatorische Änderungen und nähere Bestimmungen zu zulässigen Vermögensanlagen (Lorenz/Mehren DStR 2021, 1777). V. Disponibilität des § 85 I–III. Die Regelungen zu Satzungsänderungen sind nach Abs IV nur dann disposi- 10 tiv, wenn der Stifter im Stiftungsgeschäft die Voraussetzungen für die Änderung der Stiftungssatzung abw geregelt hat. Nach Abs IV kann der Stifter im Stiftungsgeschäft Satzungsänderungen ausschließen oder beschränken bzw Änderungen durch die Organe im Stiftungsgeschäft nur dann zulassen, wenn der Stifter Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festlegt. Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind umso höher, je bedeutsamer die Änderungsermächtigung für die Stiftung ist. Nach der Gesetzesbegr darf der Stifter keine Blanko- oder Pauschalermächtigung zur Änderung der Satzung erteilen, sondern muss den Stiftungsorganen Leitlinien und Orientierungspunkte für die Satzungsänderung vorgeben (BT-Drs 19/28173, 68; Lorenz/Mehren DStR 2021, 1777). Nicht ausreichend ist die Einräumung des Rechts zur Satzungsanpassung nach eigenem Ermessen des Stiftungsvorstandes durch den Stifter, wenn dies die Stiftungsarbeit erleichtert; nach zutreffender Ansicht ist eine Ermächtigung zur autonomen Satzungsänderung damit unzulässig (Schauer npoR 2022, 57; Lorenz/Mehren DStR 2021, 1777). Die Stiftungsaufsicht kann in diesem Zusammenhang nicht ihr eigenes Ermessen bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen an die Stelle der Entscheidung der Stiftungsorgane setzen oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen der Stiftungsorgane kontrollieren; ihr obliegt nur die Rechtsaufsicht, nicht die Fachaufsicht, sodass sie lediglich überprüfen kann, ob die getroffene Entscheidung aus rein rechtl Sicht zutreffend war (Pawlytta/Pfeiffer ZErB 2022, 258; Beyer ZStV 2022, 166; MüKo/Weitemeyer Rn 69).
§ 85a
Verfahren bei Satzungsänderungen
(1) Die Satzung kann durch den Vorstand oder ein anderes durch die Satzung dazu bestimmtes Stiftungsorgan geändert werden. Die Satzungsänderung bedarf der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde. (2) Die Behörde kann die Satzung nach § 85 ändern, wenn die Satzungsänderung notwendig ist und das zuständige Stiftungsorgan sie nicht rechtzeitig beschließt. (3) Wenn durch die Satzungsänderung der Sitz der Stiftung in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde verlegt werden soll, bedarf die nach Absatz 1 Satz 2 erforderliche Genehmigung der Satzungsänderung der Zustimmung der Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich der neue Sitz begründet werden soll. I. Allgemeines. § 85a sieht ein zweistufiges Verfahren für Satzungsänderungen vor und gilt auch für bereits 1 am 1.7.2023 bestehende Stiftungen. Eine Satzungsänderung setzt zunächst eine Entscheidung durch den Vorstand oder das zuständige Stiftungsorgan und sodann die Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde voraus. Für die Genehmigung von Satzungsänderungen, durch die der Satzungssitz einer Stiftung in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde verlegt werden soll, ist nach Abs III zusätzlich zur Genehmigung nach Abs I S 2 die Zustimmung der Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich der neue Sitz begründet werden soll, erforderlich. Dadurch soll einem möglichen Dissens zw den Stiftungsbehörden über die Wirksamkeit der Sitzverlegung zu Lasten der Stiftung entgegengewirkt werden. Wird die Zustimmung verweigert, darf die Genehmigung nicht erteilt werden (BT-Drs 19/28173, 69). Nach § 85a II kann eine Satzungsänderung nach § 85 auch durch die nach Landesrecht zuständige Behörde vorgenommen werden. Gesetzl Regelungen zum Verfahren der zuständigen Behörden werden nicht getroffen; vielmehr soll das Verfahren wie bisher von den Ländern geregelt werden (BT-Drs 19/28173, 68). II. Satzungsänderungsbefugnis und Verfahrensvoraussetzungen. Die Satzungsänderungsbefugnis steht 2 primär dem Vorstand oder einem anderen durch Satzung bestimmten Stiftungsorgan zu, das die Verhältnisse Wiese
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Personen
und Entwicklungsmöglichkeiten der Stiftung besser als die Stiftungsbehörde kennt und einschätzen kann und demnach den (mutmaßlichen) Stifterwillen zu ermitteln hat. Obwohl der Wortlaut von der Satzungsänderungsbefugnis nur eines Organs spricht („oder“), ist das Zusammenwirken mehrerer Organe nach den landesrechtl Vorschriften, auf die die Gesetzesbegr verweist, zulässig (BT-Drs 19/28173, 68; so zB § 5 I 1 StiftG NRW). Auch wird in der Praxis in der Satzung regelmäßig die Zustimmung zweier Organe gefordert, zB des Stiftungsvorstands und des Stiftungsrates (Pruns ZErb 2021, 307). Durch den Genehmigungsvorbehalt der nach Landesrecht zuständigen Behörde soll der Behörde eine Überprüfung der Einhaltung der gesetzl oder satzungsmäßigen Voraussetzungen für die jew Satzungsänderung ermöglicht werden (BT-Drs 19/28173, 68). Liegen die Voraussetzungen für eine Satzungsänderung vor, muss die Behörde die Genehmigung erteilen; ein Ermessen der Behörde besteht insoweit nicht (Pruns ZErb 2021, 307; Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 46). Eine Überprüfung der Handlungen der Stiftungsorgane obliegt vielmehr den Gerichten (Ponath/Tolksdorf ZEV 2021, 609). Die Genehmigung der Behörde wirkt konstitutiv, dh die Satzungsänderung wird erst mit Erteilung der Genehmigung wirksam (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 46). Verweigert die Stiftungsbehörde die Erteilung der Genehmigung, steht der Stiftung der Verwaltungsrechtsweg offen (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 46). Der zuständigen Behörde steht nach Abs II der Vorschrift eine subsidiäre Satzungsänderungsbefugnis nur zu, soweit die Satzungsänderung für die Stiftung notwendig ist und das zuständige Stiftungsorgan die Satzungsänderung nicht oder nicht rechtzeitig beschließt. Die Stiftungsbehörde hat die Stiftungsorgane vor einer hoheitlichen Maßnahme anzuhören (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 48). Bei Änderung der Stiftungssatzung durch die Stiftungsbehörde übt diese nur eine reine Rechtaufsicht aus, sodass sie ihre eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen nicht über diejenigen der Stiftungsorgane stellen darf (Pruns ZErb 2021, 307). Etwas anderes gilt nur, wenn die Voraussetzungen für eine Satzungsänderung nach allen Auslegungsmethoden erfüllt sind und eine Maßnahme nach Zweckmäßigkeitserwägungen zwingend („notwendig“) erscheint (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 49). Gegen eine Satzungsänderung durch Verwaltungsakt kommt die Erhebung einer Anfechtungsklage der Stiftung beim Verwaltungsgericht in Betracht (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 48).
§ 86
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Voraussetzungen für die Zulegung
Durch Übertragung ihres Stiftungsvermögens als Ganzes kann die übertragende Stiftung einer übernehmenden Stiftung zugelegt werden, wenn 1. sich die Verhältnisse nach Errichtung der übertragenden Stiftung wesentlich verändert haben und eine Satzungsänderung nach § 85 Absatz 2 bis 4 nicht ausreicht, um die übertragende Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen, oder wenn schon seit Errichtung der Stiftung die Voraussetzungen für eine Auflösung nach § 87 Absatz 1 Satz 1 vorlagen, 2. der Zweck der übertragenden Stiftung im Wesentlichen mit einem Zweck der übernehmenden Stiftung übereinstimmt, 3. gesichert erscheint, dass die übernehmende Stiftung ihren Zweck auch nach der Zulegung im Wesentlichen in gleicher Weise dauernd und nachhaltig erfüllen kann, und 4. die Rechte von Personen gewahrt werden, für die in der Satzung der übertragenden Stiftung Ansprüche auf Stiftungsleistungen begründet sind. I. Allgemeines. Die §§ 86–86h regeln erstmals bundeseinheitlich und abschließend die Voraussetzungen und die Abwicklung einer Zulegung – der Übertragung des Stiftungsvermögens als Ganzes auf eine übernehmende Stiftung – und einer Zusammenlegung – der Übertragung der Stiftungsvermögen mehrerer Stiftungen als Ganzes auf eine neue übernehmende Stiftung – rechtsfähiger Stiftungen. Die Neuregelungen gelten auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Da eine Zulegung oder Zusammenlegung – anders als Verschmelzungen nach dem UmwG – nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 86ff möglich ist, werden sie als besondere stiftungsrechtl Verfahren der Vermögensübertragung zw Stiftungen ausgestaltet, durch welche die von den Stiftern der übertragenden Stiftungen geschaffene Verbindung von Zweck und Vermögen möglichst erhalten bleiben soll (Orth ZStV 2020, 83). Eine Zulegung oder Zusammenlegung ist damit insb für wirtschaftl notleidende Stiftungen eine interessante Gestaltungsalternative (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 94). Bei einer Zulegung oder Zusammenlegung ist die Durchführung eines Liquidationsverfahrens über das Vermögen einer übertragenden Stiftung nicht mehr erforderlich und im Unterschied zu einer Auflösung oder Aufhebung (§ 87c II 2 iVm § 51) muss kein Sperrjahr abgewartet werden; vielmehr erfolgt die Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (BT-Drs 19/28173, 69). Die Vorschriften sind zwingend und können nicht durch Satzung erleichtert, wohl aber ausgeschlossen werden (BT-Drs 19/28173, 70). Zulegung und Zusammenlegung sind jedoch subsidiär; nach § 86 Nr 1 bzw § 86a Nr 1 gehen Satzungsänderungen einschl der Umwandlung einer Ewigkeitsin eine Verbrauchsstiftung der Zulegung oder Zusammenlegung vor. Kam es dem Stifter wesentlich auf die Person des Anfallberechtigten an, ist eine Auflösung oder Aufhebung regelmäßig vorzugswürdig (Schauhoff/ Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 94); überhaupt ist der Wille des Stifters im Rahmen von § 83 II stets zu beachten. Aufgrund des Gesetzeswortlauts bleibt jedoch unklar, ob auch die Zulegung oder Zusammenlegung einer reinen Verbrauchsstiftung zulässig ist (vgl § 86c I 1 Nr 2: Übertragung des „Grundstockvermögens“). Nach der Gesetzesbegr scheint die Zulegung bzw Zusammenlegung für Verbrauchsstiftungen nicht primär ausgeschlossen zu sein, sodass konsequenterweise bei Verbrauchsstiftungen Regelungen zum Grundstockvermögen entbehrlich sind. 262
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 86a
II. Voraussetzungen für die Zulegung. Die Voraussetzungen für eine Zulegung nach § 86 müssen kumulativ vorliegen. Wesentliche Voraussetzung für eine Zulegung nach § 86 ist, dass sich die Verhältnisse nach Errichtung der übertragenden Stiftung wesentlich verändert haben und eine Satzungsänderung nach § 85 II–IV nicht ausreichend ist (Nr 1). Sämtliche Statusänderungen erfordern damit eine positive Lebensfähigkeitsprognose (s Rn 4), jedoch ist eine Zulegung nicht erst bei Unmöglichkeit einer dauernden und nachhaltigen Zweckerfüllung, sondern bereits bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse zulässig; dem liegt zugrunde, dass die Zulegung bei einer notleidenden Stiftung nicht so lange hinausgeschoben werden sollte, bis ihre künftige Zweckerfüllung unmöglich geworden ist (Orth ZStv 2020, 85). Zusätzlich soll die Zulegung nach Nr 1 aber auch möglich sein, wenn bereits seit Errichtung der Stiftung die Voraussetzungen für die Auflösung nach § 87 I 1 vorliegen. Der Zweck der übertragenden Stiftung muss im Wesentlichen mit einem Zweck der übernehmenden Stiftung übereinstimmen (Nr 2). Eine vollständige Zweckidentität der übertragenden und übernehmenden Stiftung ist nicht erforderlich, ausreichend ist vielmehr eine wesentliche Übereinstimmung der beiden Stiftungen (BT-Drs 19/28173, 70). Eine solche Übereinstimmung kann dadurch erfolgen, dass der Zweck der übertragenden Stiftung von der übernehmenden Stiftung fortgeführt wird, indem bereits eine (partielle) Zweckübereinstimmung besteht, oder indem die übernehmende Stiftung ihre Zwecke entspr ändert oder erweitert (Orth ZStV 2020, 85). Über die formelle Hürde der Zweckentsprechung hinaus kann nach der Gesetzesbegr im Rahmen des Zulegungsvertrags eine Regelung getroffen werden, wonach das übertragene Vermögen nur zur Verwirklichung der sich deckenden Stiftungszwecke verwendet werden darf, sofern die übernehmende Stiftung weitere Stiftungszwecke vorsieht (BT-Drs 19/28173, 70). Es muss gesichert erscheinen, dass die übernehmende Stiftung ihre Zwecke auch nach der Zulegung der übertragenden Stiftung im Wesentlichen in gleicher Weise dauernd und nachhaltig erfüllen kann (Nr 3). Zur hierzu anzustellenden Lebensfähigkeitsprognose s bereits § 82 Rn 6ff. Bei der Zulegung wird dies regelmäßig bereits dann gegeben sein, wenn die Zulegung für die übernehmende Stiftung zu einem Vermögenszuwachs führt und nicht mit übermäßigen Belastungen verbunden ist (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 95). Weiterhin müssen die Rechte von Personen gewahrt werden, für die in der Satzung der übertragenden Stiftung Ansprüche auf Stiftungsleistungen begründet sind (Nr 4). Dies erfasst nicht nur laufende Leistungen, sodass neben Destinatären auch Anfallberechtigte (Orth ZStv 2020, 85) zu berücksichtigen sind. Etwaige Rechte können zB gewahrt werden, indem für sie vergleichbare Ansprüche gegen die übernehmende Stiftung begründet werden oder ihre Rechte abgelöst werden; sind Ansprüche wertlos geworden, müssen neue Ansprüche gegen die übernehmende Stiftung nicht begründet werden und Ausgleichsleistungen durch die Anspruchsinhaber können nicht verlangt werden (BT-Drs 19/28173, 70). Nicht erfasst sind hingegen solche Personen, die in einer satzungsmäßigen Vermögensanfallklausel zu Anfallberechtigten bestimmt sind, die nur im Fall der Auflösung oder Aufhebung, nicht hingegen auch bei einer Zulegung oder Zusammenlegung gilt, da der Grundsatz eine vom Stifter ausdrückl angeordnete Anfallberechtigung aushebeln kann (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 96).
§ 86a
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Voraussetzungen für die Zusammenlegung
Mindestens zwei übertragende Stiftungen können durch Errichtung einer neuen Stiftung und Übertragung ihres jeweiligen Stiftungsvermögens als Ganzes auf die neue übernehmende Stiftung zusammengelegt werden, wenn 1. sich die Verhältnisse nach Errichtung der übertragenden Stiftungen wesentlich verändert haben und eine Satzungsänderung nach § 85 Absatz 2 bis 4 nicht ausreicht, um die übertragenden Stiftungen an die veränderten Verhältnisse anzupassen, oder wenn schon seit Errichtung der Stiftung die Voraussetzungen für eine Auflösung nach § 87 Absatz 1 Satz 1 vorlagen, 2. gesichert erscheint, dass die neue übernehmende Stiftung die Zwecke der übertragenden Stiftungen im Wesentlichen in gleicher Weise dauernd und nachhaltig erfüllen kann, und 3. die Rechte von Personen gewahrt werden, für die in den Satzungen der übertragenden Stiftungen Ansprüche auf Stiftungsleistungen begründet sind. I. Allgemeines. Die Neuregelung des § 86a gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Eine 1 Zusammenlegung bedeutet die Vermögensübertragung von zwei oder mehreren Stiftungen auf eine zu diesem Zweck neu zu errichtende Stiftung. Bei der Zusammenlegung entsteht die aufnehmende Stiftung durch den Zusammenlegungsvertrag und dessen Genehmigung durch die zuständige Behörde oder die behördliche Zusammenlegung (vgl § 86b). Der Zusammenlegungsvertrag oder die behördliche Zusammenlegungsentscheidung muss das Stiftungsgeschäft zur Errichtung der neuen Stiftung enthalten, das den Anforderungen des § 81 I entsprechen muss. Die Stifter der übernehmenden Stiftung sind die übertragenden Stiftungen. § 86a ist zwingend, sodass durch die Satzung keine Erleichterung der Voraussetzungen für die Zusammenlegung vorgenommen werden kann (BT-Drs 19/28173, 71). Bei einer organschaftlichen oder behördlichen Zusammenlegung ist nach § 83 II stets der Wille der Stifter der übertragenden Stiftungen zu beachten. Gegen den Willen der Stifter dürfen Stiftungen nicht zusammengelegt werden. II. Voraussetzungen für die Zusammenlegung. Die Voraussetzungen für die Zusammenlegung von Stiftun- 2 gen entsprechen – unter Berücksichtigung der technischen Besonderheiten der Zusammenlegung – den Voraussetzungen der Zulegung (s § 86 Rn 2ff); auch bei der Zusammenlegung ist es ausreichend, wenn zumindest die Wiese
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jew Hauptzwecke der beteiligten Stiftungen in gleicher Weise von der übernehmenden Stiftung erfüllt werden (BT-Drs 19/28173, 71), eine vollständige Zweckidentität ist nicht erforderlich. Eine Rangfolge zw Zulegung und Zusammenlegung sieht das Gesetz nicht vor, allerdings ist vorrangig immer die Möglichkeit einer Satzungsänderung zu berücksichtigen.
§ 86b
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2
Verfahren der Zulegung und der Zusammenlegung
(1) Stiftungen können durch Vertrag zugelegt oder zusammengelegt werden. Der Zulegungsvertrag oder der Zusammenlegungsvertrag bedarf der Genehmigung durch die für die übernehmende Stiftung nach Landesrecht zuständige Behörde. (2) Die Behörde nach Absatz 1 Satz 2 kann Stiftungen zulegen oder zusammenlegen, wenn die Stiftungen die Zulegung oder Zusammenlegung nicht vereinbaren können. Die übernehmende Stiftung muss einer Zulegung durch die Behörde zustimmen. (3) Ist nach Landesrecht für eine übertragende Stiftung eine andere Behörde zuständig als die Behörde nach Absatz 1 Satz 2, bedürfen die Genehmigung eines Zulegungsvertrags oder eines Zusammenlegungsvertrags und die behördliche Zulegung oder Zusammenlegung der Zustimmung der für die übertragenden Stiftungen nach dem jeweiligen Landesrecht zuständigen Behörden. I. Allgemeines. § 86b ist neu geregelt und gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Eine Zulegung oder Zusammenlegung erfolgt primär durch Abschluss eines Vertrages. Nach Abs I bedarf der Zulegungsbzw Zusammenlegungsvertrag der Genehmigung der für die übernehmende Stiftung nach Landesrecht zuständigen Stiftungsbehörde. Ist für eine übertragende Stiftung eine andere Stiftungsbehörde zuständig, so bedarf die Genehmigung nach Abs III auch der Zustimmung dieser anderen Stiftungsbehörde. Der Zweck der Genehmigung liegt in der Schutz- und Kontrollfunktion der Stiftungsaufsicht und ersetzt das Fehlen einer funktionsfähigen Kontrolle durch das Eigeninteresse natürlicher Personen (Orth ZStV 2020, 85). Die Genehmigung der Vermögensübertragung bedarf eines Antrags der beteiligten Stiftungen (Orth ZStV 2020, 87). Stiftungen können nach Abs II auch durch Verwaltungsakt von der zuständigen Behörde zugelegt oder zusammengelegt werden, wenn die Stiftungen die Zulegung oder Zusammenlegung nicht vereinbaren können. Für die Zulegung ist dabei die Zustimmung der übernehmenden Stiftung notwendig. II. Möglichkeiten der Zulegung oder Zusammenlegung. Eine Zulegung oder Zusammenlegung kann durch Abschluss eines Vertrages oder durch Verwaltungsakt der Stiftungsbehörde erfolgen. Ein Zulegungsvertrag wird zw einer übertragenden und einer übernehmenden Stiftung geschlossen, ein Zusammenlegungsvertrag zw mehreren übertragenden Stiftungen. Stifter einer im Wege der Zusammenlegung neu entstehenden Stiftung sind die übertragenden Stiftungen. Der historische Wille der Stifter gilt als oberste Leitlinien der neuen Stiftung. Zuständig für den Vertragsschluss sind die zur Vertretung befugten Stiftungsorgane, in aller Regel der Stiftungsvorstand (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 98). Die Satzung kann jedoch die Mitwirkung weiterer Stiftungsorgane vorsehen. Bei Zulegung und Zusammenlegung wird wegen des Erlöschens der übertragenden Stiftungen die Mitwirkung der nach Landesrecht zuständigen Behörde vorgesehen. Erforderlich ist die Genehmigung der Behörde, um das Vorliegen der gesetzl Voraussetzungen für die Zulegung oder Zusammenlegung zu überprüfen (BT-Drs 19/28173, 72). Die beteiligten Stiftungen haben auf die Genehmigung – ebenso wie bei der Stiftungserrichtung (Vor § 80 Rn 2 – einen gesetzl Anspruch, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen nach Stiftungsgeschäft und Gesetz erfüllt sind; ein Ermessen der Behörde besteht insoweit nicht (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 103). Bei Verweigerung der Erteilung der Genehmigung durch die Stiftungsbehörde kommt die Erhebung einer Verpflichtungsklage einer beteiligten Stiftung beim Verwaltungsgericht in Betracht (Orth ZStV 2020, 85; Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 103). Nach § 86b II 1 soll die behördliche Zulegung oder Zusammenlegung von Stiftungen nur nachrangig möglich sein. IdR kommt eine Zulegung oder Zusammenlegung durch die Behörde in Betracht, wenn die übertragenden Stiftungen nicht mehr handlungsfähig sind, weil notwendige Organmitglieder fehlen und die Bestellung neuer Mitglieder nicht oder nicht innerhalb angemessener Zeit möglich ist (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 104), nicht aber dann, wenn die Satzung eine Zulegung oder Zusammenlegung ausschließt (dann scheidet diese Möglichkeit per se aus). Die Stiftungsbehörde hat bzgl der Zulegung oder Zusammenlegung ein Ermessen, das im Einzelfall auf Null reduziert ist, sodass eine Zulegung oder Zusammenlegung vorzunehmen ist. Zur Zustimmung zur hoheitlichen Zulegung kann die übernehmende Stiftung rechtl nicht verpflichtet werden (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 105).
§ 86c
Zulegungsvertrag und Zusammenlegungsvertrag
(1) Ein Zulegungsvertrag muss mindestens enthalten: 1. die Angabe des jeweiligen Namens und des jeweiligen Sitzes der beteiligten Stiftungen und 2. die Vereinbarung, dass das Stiftungsvermögen der übertragenden Stiftung als Ganzes auf die übernehmende Stiftung übertragen werden soll und mit der Vermögensübertragung das Grundstockvermögen der übertragenden Stiftung Teil des Grundstockvermögens der übernehmenden Stiftung wird. Wenn durch die Satzung der übertragenden Stiftung für Personen Ansprüche auf Stiftungsleistungen begründet sind, muss der Zulegungsvertrag Angaben zu den Auswirkungen der Zulegung auf diese Ansprüche und zu den Maßnahmen enthalten, die vorgesehen sind, um die Rechte dieser Personen zu wahren. 264
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 86e
(2) Ein Zusammenlegungsvertrag muss mindestens die Angaben nach Absatz 1 enthalten sowie das Stiftungsgeschäft zur Errichtung der neuen übernehmenden Stiftung. (3) Der Zulegungsvertrag oder der Zusammenlegungsvertrag ist Personen nach Absatz 1 Satz 2 spätestens einen Monat vor der Beantragung der Genehmigung nach § 86b Absatz 1 Satz 2 von derjenigen Stiftung zuzuleiten, in deren Satzung die Ansprüche begründet sind. I. Allgemeines. Die Neuregelung des § 86c gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Neben 1 dem nach Abs I geforderten Mindestinhalt von Zulegungs- und Zusammenlegungsverträgen können die Stiftungen auch zusätzliche Vereinbarungen treffen, um die Zulegung und Zusammenlegung nach ihren Bedürfnissen auszugestalten. II. Erforderlicher Mindestinhalt. Ein Zulegungsvertrag muss mindestens Angaben zum Namen und zum 2 Sitz der an der Zulegung beteiligten Stiftungen enthalten, sodass die vertragsschließenden Stiftungen feststehen und die für die Genehmigung zuständige Behörde und die Behörden, deren Zustimmung zur Genehmigung erforderlich ist, einfach ermittelt werden können. Nach § 86c I 1 Nr 2 muss ein Zulegungsvertrag die Vereinbarung enthalten, dass das Vermögen der übertragenden Stiftung als Ganzes auf die übernehmende Stiftung übertragen werden soll. Dabei ist auch zu vereinbaren, dass das Grundstockvermögen der übertragenden Stiftung zu Grundstockvermögen der übernehmenden Stiftung wird (BT-Drs 19/28173, 73). Ein Zulegungsvertrag kann vorsehen, dass das Vermögen einer übertragenden Stiftung nach Wirksamwerden der Zulegung auf Ebene der übernehmenden Stiftung nur zur Erfüllung eines Zwecks verwendet werden darf, der im Wesentlichen einem Zweck der übertragenden Stiftung entspricht (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 100). Ein Zusammenlegungsvertrag muss neben den Angaben nach Abs II zudem das Stiftungsgeschäft enthalten. III. Anspruch auf Stiftungsleistungen. Destinatäre können nach entspr Satzungsbestimmungen Ansprüche 3 auf Stiftungsleistung haben sowie Verwaltungs- und Mitwirkungsrechte (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 101). Sofern solche Ansprüche konkret bestimmbaren Personen eingeräumt wurden, muss der Zulegungsvertrag nach Abs I S 2 Angaben zu den Folgen der Umstrukturierung sowie zu den vorgesehenen Maßnahmen für diese Personen enthalten. Eine übertragende Stiftung muss den Zulegungs- oder Zusammenlegungsvertrag den anspruchsberechtigten Destinatären spätestens einen Monat vor Beantragung der erforderlichen stiftungsbehördlichen Genehmigung zuleiten. Durch die Informationspflicht soll es den betroffenen Personen rechtzeitig möglich sein, ihre Rechte wahren zu können (BT-Drs 19/28173, 73).
§ 86d
Form des Zulegungsvertrags und des Zusammenlegungsvertrags
Zulegungsverträge und Zusammenlegungsverträge bedürfen nur der schriftlichen Form, insbesondere § 311b Absatz 1 bis 3 ist nicht anzuwenden. I. Allgemeines. Die Neuregelung des § 86d gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Der Über- 1 tragungsvertrag bedarf der schriftlichen Form nach § 126. Hs 2 lässt erkennen, dass Hs 1 im Verhältnis zu § 311b I–III lex specialis ist. Im Hinblick auf die behördlichen Genehmigungserfordernisse wird damit – anders als für Verschmelzungsverträge nach § 6 UmwG – keine notarielle Beurkundung vorgesehen. II. Notarielle Beurkundung. Eine notarielle Beurkundung soll nach Hs 2 auch dann nicht erforderlich sein, 2 wenn zu dem übergehenden Vermögen Grundstücke oder Geschäftsantile einer GmbH gehören oder sich die übertragende Stiftung durch Vertrag verpflichtet, ihr gesamtes Vermögen auf die übernehmende Stiftung zu übertragen; gerechtfertigt wird der Verzicht auf eine notarielle Beurkundung in der Gesetzesbegr damit, dass das Erfordernis der Genehmigung der Zulegung oder Zusammenlegung ebenso wie das Anerkennungserfordernis durch die Stiftungsbehörde die Beurkundungsfunktion gewährleiste (BT-Drs 19/28173, 74; Orth ZStV 2020, 87; Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 102). Zu beachten ist jedoch, dass Ausgliederungsverträge bei der Ausgliederung aus dem Vermögen rechtsfähiger Stiftungen gem §§ 161ff UmwG weiterhin gem § 125 iVm § 6 UmwG der notariellen Beurkundung bedürfen.
§ 86e
Behördliche Zulegungsentscheidung und Zusammenlegungsentscheidung
(1) Auf den Inhalt der Entscheidungen über die Zulegung oder Zusammenlegung von Stiftungen durch die nach Landesrecht zuständige Behörde ist § 86c Absatz 1 und 2 entsprechend anzuwenden. (2) Die Behörde hat Personen nach § 86c Absatz 1 Satz 2 mindestens einen Monat vor der Entscheidung über die Zulegung oder Zusammenlegung anzuhören und auf die möglichen Folgen der Zulegung oder Zusammenlegung für deren Ansprüche gegen eine übertragende Stiftung hinzuweisen. I. Allgemeines. § 86e statuiert den Inhalt der behördlichen Entscheidung über eine Zulegung oder Zusam- 1 menlegung und gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Nach Abs I ist auf die behördliche Entscheidung zur Zulegung und Zusammenlegung § 86c I und II entspr anzuwenden. Danach muss die behördliche Entscheidung denselben Mindestinhalt haben wie ein Zulegungs- oder Zusammenlegungsvertrag (§ 86c Rn 2). Die (konkret bestimmbaren) berechtigten Personen, für die in der Satzung der übertragenden Stiftung Ansprüche begründet werden, müssen nach Abs II mindestens einen Monat vor der Entscheidung über die Zulegung oder Zusammenlegung angehört und auf die Folgen der Zulegung oder Zusammenlegung für ihre Ansprüche hingewiesen werden. Wiese
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II. Verfahrensrecht. Für die beteiligte Stiftung kommen gegen eine behördliche Verfügung die Rechtsmittel der VwGO in Betracht. Demnach kann insb gegen einen belastenden Verwaltungsakt Anfechtungsklage nach § 42 I Alt 1 VwGO erhoben werden (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 104).
§ 86f
1
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Wirkungen der Zulegung und der Zusammenlegung
(1) Mit der Unanfechtbarkeit der Genehmigung des Zulegungsvertrags oder der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulegung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde geht das Stiftungsvermögen der übertragenden Stiftung auf die übernehmende Stiftung über und erlischt die übertragende Stiftung. (2) Mit der Unanfechtbarkeit der Genehmigung des Zusammenlegungsvertrags oder der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zusammenlegung durch die Behörde entsteht die neue Stiftung, geht das Stiftungsvermögen der übertragenden Stiftungen auf die neue übernehmende Stiftung über und erlöschen die übertragenden Stiftungen. (3) Mängel des Zulegungsvertrags oder des Zusammenlegungsvertrags lassen die Wirkungen der behördlichen Genehmigung unberührt. I. Allgemeines. § 86f gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen und regelt die Rechtswirkungen von Zulegung und Zusammenlegung. Mit Unanfechtbarkeit der stiftungsbehördlichen Genehmigung des Zulegungs- oder Zusammenlegungsvertrags oder mit Unanfechtbarkeit der stiftungsbehördlichen Entscheidung über die Zulegung oder Zusammenlegung erlischt jede übertragende Stiftung. Das Erlöschen ist ab dem 1.1.2026 im Stiftungsregister einzutragen (Vor § 80 Rn 3). Eine Beendigung der übertragenden Stiftung nach den §§ 87ff findet nicht statt; zugleich geht das Vermögen einer übertragenden Stiftung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Stiftung über (BT-Drs 19/28173, 74). Bei einer Zusammenlegung entsteht zugleich die neu errichtete Stiftung, Abs II. Die Wirksamkeit einer behördlichen Zulegung oder Zusammenlegung richtet sich nach dem für die jew Behörde geltenden Verwaltungsverfahrensrecht. II. Vermögensübergang. Sämtliche Aktiva und Passiva gehen bei der Zulegung oder Zusammenlegung ohne gesonderte Übertragungsakte über (Gesamtrechtsnachfolge); das Grundstockvermögen einer übertragenden Stiftung wird zu Grundstockvermögen der übernehmenden Stiftung (BT-Drs 19/28173, 74). Eine Zustimmung der Gläubiger der übertragenden Stiftung ist nicht erforderlich, jedoch steht diesen das Recht aus § 86h zu (§ 86h Rn 2). Eine Liquidation über das Vermögen einer übertragenden Stiftung findet nicht statt (Schauhoff/Mehren/ Kirchhain Kap 9 Rn 109). Mängel eines Zulegungs oder Zusammenlegungsvertrags lassen die rechtl Wirkungen der stiftungsbehördlichen Genehmigung nach Abs III unberührt. Eine vertragl vereinbarte Zulegung oder Zusammenlegung genießt damit Bestandsschutz (BT-Drs 19/28173, 75). Eine übertragende Stiftung hat danach selbst in dem Fall, in dem die Voraussetzungen einer Zulegung oder Zusammenlegung bei Vertragsschluss fehlten, keinen Anspruch auf Restitution und Rückübertragung von Vermögen (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 110).
§ 86g
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Bekanntmachung der Zulegung und der Zusammenlegung
Die übernehmende Stiftung hat die Zulegung oder die Zusammenlegung innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt, zu dem die Wirkungen der Zulegung oder Zusammenlegung nach § 86f Absatz 1 oder Absatz 2 eingetreten sind, durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt zu machen. In der Bekanntmachung sind die Gläubiger der an der Zulegung oder Zusammenlegung beteiligten Stiftungen auf ihr Recht nach § 86h hinzuweisen. Die Bekanntmachung gilt mit dem Ablauf des zweiten Tages nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger als bewirkt. I. Allgemeines. § 86g gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen und regelt die Pflicht der übernehmenden Stiftung zur Veröffentlichung der Zulegung oder Zusammenlegung durch Bekanntmachung. II. Bekanntmachung. Nach § 86g S 1 ist die Zulegung oder Zusammenlegung innerhalb eines Monats nach Übergang des Stiftungsvermögens auf die übernehmende Stiftung und Erlöschen der übertragenden Stiftung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Die Gläubiger sind nach S 2 in der Bekanntmachung auf ihr Recht nach § 86h hinzuweisen. Die Bekanntmachung der Zulegung oder Zusammenlegung gilt mit dem Ablauf des zweiten Tages nach der Veröffentlichung als bewirkt, S 3. Sie ist der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Sechsmonatsfrist nach § 86h Nr 1. Das Recht der Gläubiger, für noch nicht fällige Ansprüche Sicherheiten zu verlangen, kann durch die Bekanntmachung befristet werden, sodass eine zügige Bekanntmachung im Interesse der Stiftungen liegt (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 108).
§ 86h
Gläubigerschutz
Die übernehmende Stiftung hat einem Gläubiger nach § 86g Satz 2 für einen Anspruch, der vor dem Zeitpunkt entstanden ist, zu dem die Wirkungen der Zulegung oder Zusammenlegung nach § 86f Absatz 1 oder Absatz 2 eingetreten sind, und dessen Erfüllung noch nicht verlangt werden kann, Sicherheit zu leisten, wenn der Gläubiger 1. den Anspruch nach Grund und Höhe binnen sechs Monaten nach dem Tag, an dem die Zulegung oder Zusammenlegung bekanntgemacht wurde, bei der Stiftung schriftlich anmeldet und 266
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 87
2. mit der Anmeldung glaubhaft macht, dass die Erfüllung des Anspruchs aufgrund der Zulegung oder Zusammenlegung gefährdet ist. I. Allgemeines. Die Neuregelung des § 86h gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen und ge- 1 währt einem Gläubiger ab Wirksamwerden der Zulegung oder Zusammenlegung einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen die übernehmende Stiftung, sofern sein Anspruch bereits vor Wirksamwerden entstanden, aber noch nicht fällig geworden ist. II. Voraussetzungen. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung setzt voraus, dass ein Gläubiger seine noch nicht 2 fälligen Ansprüche bei der übernehmenden Stiftung innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Bekanntmachung nach § 86g S 3 bewirkt wurde, nach Grund und Höhe schriftlich anmeldet (Nr 1) und dass mit Anmeldung des Anspruchs glaubhaft gemacht wird, dass aufgrund der Zulegung oder Zusammenlegung die Erfüllung des Anspruchs gefährdet ist (Nr 2). Anspruchsberechtigt sind sowohl Gläubiger, die einen Anspruch gegen die übertragenden Stiftungen hatten, der auf die übernehmende Stiftung übergegangen ist, als auch andere Gläubigern der übernehmenden Stiftung (BT-Drs 19/28173, 75). Die erforderliche Gefährdung der Erfüllung des Anspruchs nach S 2 ergibt sich nicht bereits aus dem durch die Zulegung oder Zusammenlegung verbundenen Schuldnerwechsel, sondern aus der Vermögenslage bei der übernehmenden Stiftung. Für die Begründung eines Anspruchs muss der Gläubiger substanziiert darlegen, dass sein Anspruch gerade wegen der Zulegung bzw Zusammenlegung gefährdet ist, indem die übernehmende Stiftung ihre Verbindlichkeiten längerfristig nicht mehr erfüllen kann (Schauhoff/Mehren/Kirchhain Kap 9 Rn 112). Da Zulegungen nach § 86 Nr 3 und Zusammenlegungen nach § 86a Nr 2 nur zulässig sind, wenn gesichert erscheint, dass die übernehmende Stiftung ihre Zwecke im Wesentlichen in gleicher Weise dauernd und nachhaltig erfüllen kann, werden die Voraussetzungen des § 86h bei Zulegungen und Zusammenlegungen allerdings regelmäßig nicht vorliegen.
§ 87
Auflösung der Stiftung durch die Stiftungsorgane
(1) Der Vorstand soll die Stiftung auflösen, wenn die Stiftung ihren Zweck endgültig nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann. Die Voraussetzungen des Satzes 1 liegen nicht endgültig vor, wenn die Stiftung durch eine Satzungsänderung so umgestaltet werden kann, dass sie ihren Zweck wieder dauernd und nachhaltig erfüllen kann. In der Satzung kann geregelt werden, dass ein anderes Organ über die Auflösung entscheidet. (2) Eine Verbrauchsstiftung ist aufzulösen, wenn die Zeit, für die sie errichtet wurde, abgelaufen ist. (3) Die Auflösung einer Stiftung bedarf der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde. I. Allgemeines. Die Neuregelung des § 87 ist abschließend und zwingend und gilt auch für am 1.7.2023 be- 1 reits bestehende Stiftungen (BT-Drs 19/28173, 77). Aus einem Umkehrschluss zu § 87 I 3 ergibt sich, dass die Auflösung oder Aufhebung einer Stiftung durch Satzung nicht erleichtert oder erschwert werden kann (so auch Schwalm NotBZ 2022, 89; Ponath/Tolksdorf ZEV 2021, 611; Lorenz/Mehren DStR 2021, 1779; aA Schauer npoR 2022, 58). Eine Stiftung soll nach § 87 I durch den Vorstand aufgelöst werden, wenn die dauernde und nachhaltige Zweckerfüllung endgültig unmöglich geworden ist und eine solche nicht mehr durch eine Satzungsänderung gewährleistet werden kann. Der organschaftliche Charakter unterscheidet die Auflösung von der behördlichen Aufhebung der Stiftung und der Auflösung der Stiftung infolge der Insolvenz der Stiftung. Nach S 3 kann durch Satzung die Entscheidung über die Auflösung auch einem anderen Stiftungsorgan zugewiesen werden. II. Auflösungstatbestände. Für eine Auflösung wird verlangt, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung 2 des Stiftungszwecks endgültig unmöglich sein muss und ist damit subsidiär ggü der Satzungsänderung gem § 85, welche auch die Umwandlung einer Ewigkeits- in eine Verbrauchsstiftung einschließt (Lorenz/Mehren DStR 2021, 1779). Die Stiftung kann ihren Zweck endgültig nicht mehr dauernd und nachhaltig iSd § 87 I erfüllen, wenn die Zweckerfüllung rechtl oder tatsächlich unmöglich iSd § 275 I geworden ist. Die Zweckerfüllung wird unmöglich, wenn zB das Stiftungsvermögen auf Dauer verloren geht, ferner bei endgültiger Zweckerfüllung oder wenn die Zweckerfüllung verboten wird (ausf Dutta Rn 145). Eine nur vorübergehende sowie eine rein wirtschaftl Unmöglichkeit iSd § 275 II ist dagegen nicht ausreichend (Weidlich/Huh ZStV 2020, 105). Als endgültig ist die Unmöglichkeit der dauernden und nachhaltigen Zweckerfüllung anzusehen, wenn sie auf absehbare Zeit nicht mehr beseitigt werden kann (Lorenz/Mehren DStR 2021, 1779). Nach der Gesetzesbegr liegt eine solche insb vor, wenn die Stiftung nicht mehr über ein dafür ausreichendes Vermögen verfügt und auch nicht zu erwarten ist, dass die Stiftung durch Zuwendungen neues Vermögen in ausreichender Höhe erlangen wird (BTDrs 19/28173, 77). Es muss feststehen, dass sich die Prognose bei Errichtung der Stiftung nach § 82 nicht als zutreffend erwiesen hat. Damit wird an die gleichen Voraussetzungen angeknüpft, die § 85 I 1 Nr 1 für grundlegende Satzungsänderungen regelt. Liegt der Auflösungsgrund nach § 87 I 1 vor, „soll“ die Stiftung aufgelöst werden, dh sie ist regelmäßig aufzulösen; ggf kommt anstelle einer Auflösung aber auch eine Zulegung oder Zusammenlegung in Betracht (BT-Drs 19/28173, 77). Bei der Wahl der jew Maßnahme ist nach § 83 III immer der Stifterwille zu beachten. Regelmäßig wird eine mögliche Zulegung oder Zusammenlegung Vorrang vor einer Auflösung der Stiftung haben, weil dadurch die vom Stifter begründete Zweck-Vermögen-Bindung aufrechterhalten werden kann, was jedenfalls dem mutmaßlichen Stifterwillen eher entspricht als eine Beendigung der Stiftung durch Auflösung oder Aufhebung (BT-Drs 19/28173, 77). Ist die Schwelle der Unmöglichkeit der Zweckerfüllung noch nicht erreicht, das ursprüngliche Lebensfähigkeitskonzept des Stifters aber gescheitert, liegt noch keiWiese
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Personen
ne Unmöglichkeit der Zweckverfolgung vor (MüKo/Weitemeyer Rn 10; Weidlich/Huh ZStV 2020, 105; aA Staudinger/Hüttemann/Rawert Rn 5). Ein solches Scheitern ist dann gegeben, wenn die Stiftung dauerhaft geringe Erträge für die Erfüllung des Stiftungszwecks erwirtschaftet und der Stiftungszweck daher über einen gewissen Zeitraum nicht im vom Stifter vorgesehenen Umfang verwirklicht werden kann (Weidlich/Huh ZStV 2020, 105). Anderenfalls würde das ursprüngliche Lebensfähigkeitskonzept des Stifters nach Errichtung und Anerkennung der Stiftung durch eine weitere Prognose der Stiftungsaufsicht ersetzt, die wegen der Beschränkung auf die Rechtsaufsicht zu einer solchen Prognose jedoch nicht befugt ist (Weidlich/Huh ZStV 2020, 105). Eine Prognoseentscheidung steht der Stiftungsaufsicht nach dem Wortlaut des § 80 II 1 („erscheint“) nur im Rahmen des Anerkennungsverfahrens zu. Selbst dann ist es ihr verwehrt, die Prognoseentscheidung des Stifters durch ihr eigenes Ermessen zu verdrängen (MüKo/Weitemeyer Rn 11). § 87 II enthält eine Sonderregelung für die Auflösung von Verbrauchsstiftungen. Eine Verbrauchsstiftung ist aufzulösen, wenn die Zeit, für die sie errichtet wurde, abgelaufen ist. Verbrauchsstiftungen werden nicht schon durch bloßen Zeitablauf aufgelöst, vielmehr müssen sie wie alle anderen Stiftungen durch die Stiftungsorgane aufgelöst oder durch die zuständige Landesbehörde aufgehoben werden. Eine Auflösung einer Verbrauchsstiftung ist auch möglich, wenn bei der Stiftung die Voraussetzungen des § 87 I vorliegen oder die Aufhebungsgründe nach § 87a II Nr 2 oder Nr 3 gegeben sind (BT-Drs 19/28173, 78). III. Genehmigung der Stiftungsbehörde. Nach § 87 III bedarf die Auflösung der Stiftung nach § 87 I oder II der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde. Das Genehmigungserfordernis dient dem Schutz der Stiftung, denn Stiftungen sind anders als Körperschaften nicht frei auflösbar, sondern nur in Fällen, in denen gesetzl Auflösungsgründe vorliegen. Die Auflösungsentscheidung des zuständigen Stiftungsorgans wird erst mit seiner Genehmigung wirksam (BT-Drs 19/28173, 78).
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Aufhebung der Stiftung
(1) Die nach Landesrecht zuständige Behörde soll eine Stiftung aufheben, wenn die Voraussetzungen des § 87 Absatz 1 Satz 1 vorliegen und ein Tätigwerden der Behörde erforderlich ist, weil das zuständige Organ über die Auflösung nicht rechtzeitig entscheidet. (2) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat die Stiftung aufzuheben, wenn 1. die Voraussetzungen des § 87 Absatz 2 vorliegen und ein Tätigwerden der Behörde erforderlich ist, weil das zuständige Organ über die Auflösung nicht unverzüglich entscheidet, 2. die Stiftung das Gemeinwohl gefährdet und die Gefährdung des Gemeinwohls nicht auf andere Weise beseitigt werden kann oder 3. der Verwaltungssitz der Stiftung im Ausland begründet wurde und die Behörde die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland nicht innerhalb angemessener Zeit erreichen kann. I. Allgemeines. Die zuständige Behörde soll die Stiftung durch Verwaltungsakt aufheben, wenn ein Auflösungsgrund nach § 87a vorliegt. Die Vorschrift ist dem bisherigen § 87 nachgebildet, jedoch sieht der neue § 87a eine differenziertere Regelung der Aufhebung der Stiftung unter Berücksichtigung der Auflösung durch die Stiftungsorgane vor. Die Regelung gilt auch für am 1.7.2023 bereits bestehende Stiftungen. Zwar sind Auflösung und Aufhebung wirkungsgleich, jedoch soll die Auflösung durch die Stiftungsorgane bei Vorliegen der Auflösungsgründe nach § 87 grds Vorrang vor der hoheitlichen Aufhebung durch die zuständige Behörde haben. Die Aufhebung der Stiftung ist vielmehr ultima ratio (Schlüter/Stolte Kap 3 Rn 40; VG Ansbach ZStV 2019, 97). Die Vorschrift des § 87a ist zwingend (BT-Drs 19/28173, 78). II. Einschreitenstatbestände. Ein aufsichtsbehördliches Einschreiten gem § 87a setzt voraus, dass entweder die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist und ein Tätigwerden der Behörde erforderlich ist, weil das nach § 87 I zuständige Stiftungsorgan nicht rechtzeitig die Auflösungsentscheidung trifft (Abs I bei Ewigkeitsstiftungen und Abs II Nr 1 bei Verbrauchsstiftungen), dass von Versuchen zur Erfüllung des Stiftungszwecks eine Gefährdung des Gemeinwohls ausgeht (Abs II Nr 2) oder der Verwaltungssitz der Stiftung im Ausland begründet wurde und die Verlegung ins Inland nicht innerhalb angemessener Zeit erreicht werden kann (Abs II Nr 3). Abs I und Abs II Nr 1 erfassen sowohl den Fall, dass das zuständige Organ die Auflösung nicht rechtzeitig beschließen kann, weil es nicht ordnungsgemäß besetzt ist, als auch den Fall, dass das Organ die Stiftung pflichtwidrig nicht auflöst, obwohl sie nach § 87 I aufzulösen ist (BT-Drs 19/28173, 78). Der Tatbestand der Gefährdung des Gemeinwohls (vgl § 82 Rn 11) ist mit Rücksicht auf das Grundrecht der Stiftungsfreiheit eng auszulegen und greift nur, wenn der Stiftungszweck nachträgl mit den Grundentscheidungen von Rechtsordnung und Verfassung kollidiert (v Campenhausen/Richter/Hof § 7 Rn 145; zur Gemeinwohlgefährdung bei Genehmigung einer Stiftung BVerwG NJW 1998, 2545). Der Begriff der Gemeinwohlgefährdung in § 87a II Nr 2 entspricht dem in § 82 S 1. Wird das Gemeinwohl durch die Tätigkeit der Stiftung gefährdet, kommt die Aufhebung nach der Gesetzesbegr nur in Betracht, wenn die gemeinwohlgefährdende Tätigkeit nicht durch eine Zweckänderung ausgeräumt oder durch aufsichtsrechtl Maßnahmen unterbunden werden kann, insb auch durch Abberufung der Organmitglieder, die die gemeinwohlgefährdende Betätigung zu verantworten haben (BT-Drs 19/28173, 79). Die Begründung des Verwaltungssitzes der Stiftung im Ausland iSd Abs II Nr 3 führt nicht automatisch zur Auflösung der Stiftung, sodass es einer Aufhebung der Stiftung durch die zuständige Behörde bedarf, wenn diese entgegen § 83a ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt hat und die Verlegung nicht innerhalb angemessener Zeit rückgängig gemacht werden kann (Lorenz/Mehren DStR 2021, 1779). Dabei soll die Auf268
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Juristische Personen – Stiftungen
§ 88
hebung ebenso nur möglich sein, wenn die zuständige Behörde das Führen der Verwaltung der Stiftung im Inland nicht mit aufsichtsrechtl Mitteln innerhalb angemessener Zeit erreichen kann (BT-Drs 19/28173, 79). III. Verfahrensfragen. Die Zuständigkeit der Behörden bestimmt sich nach Landesrecht (Vor § 80 Rn 4). Liegen die Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten vor, ist die Behörde verpflichtet, tätig zu werden (Hüttemann/Rawert ZIP 2013, 2136, 2141). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist die Behörde allerdings im Rahmen des bestehenden Auswahlermessens gehalten, zu dem möglichst milderen Mittel zu greifen (Grü/Ellenberger Rn 2; Schlüter/Stolte Kap 3 Rn 40). Der Vorstand ist entspr § 28 VwVfG anzuhören, wenn die Stiftung aufgehoben werden soll (Grü/Ellenberger Rn 2). Gegen die Entscheidung der Aufsichtsbehörde kann im Verwaltungsrechtsweg Anfechtungsklage gem § 42 VwGO mit aufschiebender Wirkung erhoben werden (Grü/Ellenberger Rn 2; ausf Schlüter/Stolte Kap 3 Rn 44f; Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli/Suerbaum Kap C Rn 360ff).
§ 87b
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Auflösung der Stiftung bei Insolvenz
Die Stiftung wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden ist, aufgelöst. I. Allgemeines. Die Aufhebungsvorschrift bei Insolvenz der Stiftung ist dem für Vereine geltenden § 42 I 1 1 nachgebildet und galt bisher über § 86 S 1. II. Auflösungstatbestand. Als juristische Person ist die Stiftung gem § 11 I InsO insolvenzfähig. Die Eröff- 2 nung des Insolvenzverfahrens führt zur Auflösung der Stiftung, die jedoch bis zu ihrer Vollbeendigung ihre Rechtsfähigkeit behält. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit liegt bereits vor, wenn aus den zur Ausgabe zur Verfügung stehenden Erträgen und Spenden die fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllt werden können (§ 17 InsO), da das Stiftungsgrundkapital nicht angegriffen werden darf. Der Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) liegt dagegen erst vor, wenn die bestehenden Verbindlichkeiten das vorhandene Grundstockkapital und Verwaltungsvermögen übersteigen.
§ 87c
Vermögensanfall und Liquidation
(1) Mit der Auflösung oder Aufhebung der Stiftung fällt das Stiftungsvermögen an die in der Satzung bestimmten Anfallberechtigten. Durch die Satzung kann vorgesehen werden, dass die Anfallberechtigten durch ein Stiftungsorgan bestimmt werden. Fehlt es an der Bestimmung der Anfallberechtigten durch oder aufgrund der Satzung, fällt das Stiftungsvermögen an den Fiskus des Landes, in dem die Stiftung ihren Sitz hatte. Durch landesrechtliche Vorschriften kann als Anfallberechtigte an Stelle des Fiskus eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts bestimmt werden. (2) Auf den Anfall des Stiftungsvermögens beim Fiskus des Landes oder des Bundes oder bei einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts nach Absatz 1 Satz 4 ist § 46 entsprechend anzuwenden. Fällt das Stiftungsvermögen bei anderen Anfallberechtigten an, sind die §§ 47 bis 53 entsprechend anzuwenden. I. Allgemeines. § 87c entspricht inhaltlich dem bisherigen § 88. Die Vorschrift regelt die Anfallberechtigung 1 bei Auflösung oder Aufhebung der Stiftung, sofern die Satzung keine Regelung enthält. Dies bedeutet eine bundeseinheitliche Regelung dahingehend, dass bei Fehlen einer Satzungsbestimmung das Stiftungsvermögen dem Fiskus des Landes anfällt, in dem die Stiftung ihren Sitz hatte. Gem Abs I S 2 kann der Anfallberechtigte bei entspr Satzungsregelung durch ein Stiftungsorgan bestimmt werden und gem Abs I S 4 kann durch landesgesetzl Regelung (zB Art 9 BayStiftG) die Anfallberechtigung eines anderen Rechtsträgers – zB kirchliche oder kommunale Stiftungen – festgelegt werden. II. Rechtsfolgen der Beendigung. Die Stiftung wird durch die Stiftungsorgane bei Vorliegen der Vorausset- 2 zungen des § 87 (§ 87 Rn 2) oder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 87b Rn 2) aufgelöst, oder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 87a durch die nach Landesrecht zuständige Behörde aufgehoben (§ 87a Rn 2). Mit Auflösung oder Aufhebung verliert die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit. Enthält die Stiftung keine Regelung und kommt über Abs II S 1 § 46 zur Anwendung, tritt Gesamtrechtsnachfolge zugunsten des Fiskus oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts ein. In diesem Fall erlischt die Stiftung vollständig im Zeitpunkt der Auflösung oder Aufhebung. Ist hingegen der Anfallberechtigte – wie regelmäßig – durch die Satzung bestimmt, tritt die Stiftung mit Auflösung oder Aufhebung ins Liquidationsstadium ein. Die Liquidation richtet sich gem Abs II S 1 und 2 nach Vereinsrecht (§§ 46ff), sodass abgesehen vom Fall des § 46 nur ein schuldrechtl Anspruch des Anfallberechtigten auf Auskehrung des Liquidationserlöses besteht. Bis zur Beendigung der Liquidation gilt die Stiftung für Zwecke der Liquidation als fortbestehend (§ 49 II).
§ 88
Kirchliche Stiftungen
Die Vorschriften der Landesgesetze über die kirchlichen Stiftungen bleiben unberührt, insbesondere die Vorschriften zur Beteiligung, Zuständigkeit und Anfallsberechtigung der Kirchen. Dasselbe gilt entsprechend für Stiftungen, die nach den Landesgesetzen kirchlichen Stiftungen gleichgestellt sind. I. Allgemeines. § 88 ist dem bisherigen § 80 III nachgebildet. Aus der Regelung folgt, dass sich die Vorausset- 1 zungen für den Erwerb der Rechtsfähigkeit bei kirchlichen Stiftungen (Vor § 80 Rn 19) weiterhin nach den lanWiese
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desrechtl Vorschriften richten. Dies betrifft vor allem die Regelungen über die Mitwirkung der Kirchen bei der Errichtung kirchlicher Stiftungen, die Aufsicht über kirchliche Stiftungen und die Anfallsberechtigung der Kirchen bei der Auflösung oder Aufhebung der kirchlichen Stiftungen. Fehlen solche Vorschriften, gilt derselbe Grundsatz gem Art 140 GG iVm Art 137 III WRV (Grü/Ellenberger Rn 7). Gleiches gilt nach S 2 für Stiftungen, die nach Landesrecht kirchlichen Stiftungen gleichgestellt sind. II. Regelungskompetenz der Länder. S 1 lässt neben der Geltung bestehender landesrechtl Vorschriften auch zu, dass neue Regelungen zu kirchlichen Stiftungen durch die Länder getroffen werden können. Dadurch können die Länder auch künftig kirchliche Interessen durch entspr Sonderbestimmungen berücksichtigen. Insb kann es sich in den Fällen, in denen nicht zwingend eine Behörde des Landes (§ 80 II, § 81a I, § 87 II), sondern lediglich eine nach Landesrecht zuständige Behörde (§ 81 IV, § 83c IV, § 84c I, § 85a I, § 86b I, III, § 86e I, § 87a I) zur Aufgabenwahrnehmung berufen sein soll, auch um eine kirchliche Behörde handeln (Achilles npoR 2021, 172f). Zur originären Regelungskompetenz der Länder wird verbreitet das gesamte Verhältnis zw Stiftung und Aufsichtsbehörde mit Ausnahme der Genehmigungsvoraussetzungen – neben einer Bestimmung der aufsichtsführenden Behörden auch die Regelung der Aufsichtsmittel einschl der Modalitäten ihrer Ausübung, Regelungen zur Zweckänderung sowie zur Gestaltung und zum Umfang der Rechnungslegungspflichten der Stiftungen – gezählt (Werner/Saenger/Fischer/Schulte/Risch § 46 Rn 31 mwN; Achilles npoR 2021, 173). Diejenigen, die für landesrechtl Regelungen nur noch in sehr eingeschränktem Umfang Raum sehen, billigen den Ländern jedenfalls die originäre Kompetenz über die Entscheidung eines Erfordernisses einer aufsichtsrechtl Genehmigung für Beschlüsse der Stiftungsorgane über nicht den Zweck oder die Aufhebung der Stiftung betreffende Satzungsänderungen zu, da solche Genehmigungsvorbehalte eine präventive Maßnahme der Rechtsaufsicht über Stiftungen darstellten und somit in die Regelungskompetenz der Länder fielen (Staudinger/Hüttemann/Rawert § 85 Rn 27).
Untertitel 3 Juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 89)
§ 89
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Haftung für Organe; Insolvenz
(1) Die Vorschrift des § 31 findet auf den Fiskus sowie auf die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts entsprechende Anwendung. (2) Das Gleiche gilt, soweit bei Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts das Insolvenzverfahren zulässig ist, von der Vorschrift des § 42 Abs. 2. 1. Anwendungsbereich. § 89 enthält Sondervorschriften für jur Personen des öffentlichen Rechts in Bezug auf die Haftung für Organe (Abs I) und das Insolvenzverfahren (Abs II). a) Verwaltungsorganisationsrechtliche Grundlagen. Die in § 89 verwendeten Begriffe Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts sind Grundbegriffe des Verwaltungsorganisationsrechts, die im BGB (und damit auch in § 89) vorausgesetzt, nicht normativ vorgegeben werden (Grü/Ellenberger vor § 89 Rn 3). Sie bezeichnen diejenigen Organisationsformen, in welche die jur Personen des öffentlichen Rechts eingeteilt werden (Krebs HdbStR V, § 108 Rn 37; Maurer/Waldhoff, VerwR, § 21 Rn 8; ebenso Wolff/Bachof/Stober/ Kluth VerwR I, § 34 Rn 6); diese Organisationsformen werden durch das Verwaltungsorganisationsrecht nicht allg rechtsverbindlich vorgegeben, sondern sind Idealtypen, die in der Praxis vielfach nicht in Reinform, sondern vermischt vorkommen (Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 79 Rn 2, § 80 Rn 31). aa) Kennzeichen der jur Person des öffentlichen Rechts ist nach immer noch überwiegender Meinung ihre Rechtsfähigkeit, dh ihre Eigenschaft als Zuordnungssubjekt von (Außen-)Rechtssätzen und damit von Rechten und Pflichten, wobei die Zuordnung (in Abgrenzung zu den jur Personen des Privatrechts) im öffentlichen Recht wurzelt (Maurer/Waldhoff VerwR, § 21 Rn 4). bb) Körperschaften des öffentlichen Rechts sind mitgliedschaftlich verfasste, unabhängig vom Wechsel ihrer Mitglieder bestehende öffentlich-rechtl Verbände mit eigener Rechtspersönlichkeit (Krebs HdbStR V, § 108 Rn 39; Maurer/Waldhoff VerwR, § 23 Rn 38). Diese werden meist nach den Bedingungen für die Mitgliedschaft unterteilt in Gebietskörperschaften, deren Mitglieder aus den Bewohnern eines bestimmten Gebiets bestehen (Bund, Länder und Gemeinden), Personalkörperschaften, bei denen die Mitgliedschaft durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe bestimmt wird (so namentlich die verschiedenen berufsständischen Kammern, die Träger der Sozialversicherung – Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, LVA und BfA – sowie die wissenschaftlichen Hochschulen nach Maßgabe des jew einschlägigen Landesrechts), Verbandskörperschaften, deren Mitglieder ebenfalls Körperschaften sind (zB die Landschaftsverbände und die Zweckverbände) und Realkörperschaften (zu ihnen gehören die Wasser- und Bodenverbände, die Jagd- und die Fischereigenossenschaften) (vgl zum Ganzen etwa Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 85 Rn 30ff). Die Religionsgesellschaften haben den Status einer (besonderen) Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art 140 GG iVm Art 137 V WRV), so etwa die katholische Gesamtkirche und ihre Bistümer und Gemeinden (dazu BGHZ 124, 173), ebenso die EKD und ihre Landeskirchen und Gemeinden (dazu RGZ 62, 359; Hamburg MDR 1952, 175), ferner auch jüdische Kultusgemeinden und andere Religionsgesellschaften (dazu BVerfGE 102, 370; BVerwGE 105, 117; BVerwG NVwZ 2001, 924). Ausf s Shirvani VerwArch 2020, 201. 270
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Juristische Personen des öffentlichen Rechts
§ 89
cc) Stiftungen des öffentlichen Rechts sind vom Staat durch Gesetz oder Verwaltungsakt auf Ausstattung mit einem Vermögen angelegte, nicht in einem Personenverband bestehende Einrichtungen, deren Vermögensmasse zur Erfüllung eines bestimmten öffentlichen Zwecks verwendet werden soll (allg zum Stiftungsbegriff BVerwG NJW 1998, 2545, 2546; speziell zum Begriff der Stiftung des öffentlichen Rechts Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 87 Rn 12; Krebs HdbStR V, § 108 Rn 25). Unterschieden wird zw den rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, aber ohne Mitglieder, und unselbständigen Stiftungen, denen die eigene Rechtspersönlichkeit fehlt (Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 87 Rn 25). Einzelfälle: S etwa die Auflistung bei Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 87 Rn 21ff. dd) Anstalt des öffentlichen Rechts ist ein Bestand von personellen, finanziellen und sächlichen Mitteln, die durch Widmung des Anstaltsträgers einem bestimmten öffentlichen Verwaltungszweck dauerhaft zu dienen bestimmt sind (grundlegend Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd II1 [1896], 318; aus der neueren Lit vgl etwa Krebs HdbStR V, § 108 Rn 38; abw Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 86 Rn 8). Im Unterschied zur mitgliedschaftlich verfassten Körperschaft ist die eigene Rechtspersönlichkeit bei der Anstalt nicht begriffsnotwendig; jur Personen sind insoweit nur die rechtsfähige und die teilrechtsfähige, nicht hingegen die lediglich organisatorisch verselbständigte nicht-rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Einzelfälle: Rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind die öffentlich-rechtl Sparkassen, die Deutsche Bundesbank und (meist) die öffentlichen Förderbanken der Länder, ferner die Rundfunkanstalten; als teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts ausgestaltet sind die Börsen (§ 2 I 1 BörsG). ee) Fiskus schließlich ist in seinem ursprüngl Sinne der Staat (Bund und Länder), soweit er – als Träger des Staatsvermögens – am allg Privatrechtsverkehr teilnimmt (Isensee HdbStR V, § 122 Rn 39). b) Besonderheiten. Indem § 89 an diese idealtypischen Begriffe des Verwaltungsorganisationsrechts anknüpft, verleiht er ihnen keine eigene Verbindlichkeit iS eines subsumtionsfähigen rechtl Numerus Clausus (insofern zutr MüKo/Leuschner Rn 10); namentlich werden auch alle in der Praxis vorkommenden Mischformen erfasst. Im rechtl Kontext des § 89 bestehen aber folgende Besonderheiten: aa) § 89 begründet eine Haftung für jur Personen des öffentlichen Rechts, setzt damit also die Rechtsfähigkeit der dort genannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts voraus. Unselbständige Stiftungen und nicht-rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts werden also nicht erfasst, teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts nur soweit, wie sich ihre Rechtsfähigkeit gerade auch auf die Haftung für privatrechtl Handeln (Rn 15) erstreckt (nicht erfasst sind daher die Börsen, deren Teilrechtsfähigkeit gerade nur für ihre öffentlich-rechtl Tätigkeit gilt; dazu Frankfurt ZIP 2001, 730; 14.5.2013 – 1 U 176/10, Bl 23; zur Haftung der Börse bzw ihres Sitzlandes analog §§ 31, 89 Hammen Der Konzern 2018, 286). bb) Da Abs I den Fiskus eigenständig – neben den Körperschaften – erfasst, obwohl Bund und Länder selbst Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, kann § 89 I Alt 2 und II nur die sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts meinen, die nicht Fiskus sind. cc) Entgegen MüKo/Leuschner Rn 12 sind die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts iSv § 89 durchweg Träger mittelbarer Staatsverwaltung (ebenso Soergel/Hadding Rn 12; Staudinger/Hüttemann/Rawert Rn 11). Dies gilt auch für die Stiftung (Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 87 Rn 14) und solche Einrichtungen (zB das Bayerische Rote Kreuz, aber auch die Sparkassen), deren Aufgaben ebenso auch privatrechtl wahrgenommen werden könnten; solange diese Aufgaben nicht privatisiert, sondern dem Staat zugewiesen sind, ist ihre Wahrnehmung (mittelbare) Verwaltung. dd) Erfasst werden auch internationale jur Personen, auch wenn sie sich der Einordnung nach dt Verwaltungsorganisationsrecht entziehen. Entscheidend ist nicht ihre Völkerrechtssubjektivität, sondern ob ihnen Rechtsfähigkeit innerhalb der dt Rechtsordnung zuerkannt wird. Dies ist der Fall bei der EU (Art 335 S 1 AEUV), der UNO (Art 104 UN-Charta) und ihren Unterorganisationen, der NATO (BGBl II 1969, 2005) sowie dem Heiligen Stuhl (Grü/Ellenberger vor § 89 Rn 2; MüKo/Leuschner Rn 10; Soergel/Hadding Rn 32f). 2. Haftung (§ 89 I, § 31). a) Allgemeines. Abs I begründet iVm § 31 eine Haftung der jur Person des öffentlichen Rechts für Schäden, den ihre verfassungsmäßigen Vertreter verursacht haben. Die Haftung ist auf das Handeln der jur Personen des öffentlichen Rechts im privaten Rechtsverkehr beschränkt; für hoheitliches Handeln (zur Abgrenzung im Einz § 839 Rn 30ff) richtet sich die Haftung allein nach § 839 iVm Art 34 GG bzw sonstigen staatshaftungsrechtl Anspruchsgrundlagen. Ob und inwieweit neben die Haftung der jur Personen des öffentlichen Rechts nach § 89 I, § 31 eine Eigenhaftung des Handelnden tritt, bestimmt sich für Beamte im staatsrechtl Sinne nach § 839, für alle anderen Personen nach §§ 823ff (vgl § 839 Rn 23ff). Insg ergibt sich folgendes Haftungssystem: aa) Hoheitliches Handeln: Haftung der jur Person nach § 839 iVm Art 34 S 1 GG, ggf in Anspruchskonkurrenz zu Ersatzansprüchen aus verwaltungsrechtl Schuldverhältnissen und Sonderverbindungen und zu sonstigen staatshaftungsrechtl Ansprüchen (§ 839 Rn 19ff). Demggü idR keine Eigenhaftung des Handelnden, da Art 34 S 1 GG die Ersatzpflicht auf die öffentlich-rechtl Körperschaft verlagert, die ihm das Amt anvertraut hat (dazu § 839 Rn 27f). bb) Privates Handeln: Haftung der jur Personen für verfassungsmäßige Vertreter nach § 89 I, § 31 iVm der jew einschlägigen Anspruchsgrundlage (§ 823 für deliktische Haftung, §§ 280, 286 für vertragl Haftung), für andere Personen aus § 831 für deliktische, aus § 278 für vertragl Haftung (näher § 839 Rn 17). Für Eigenhaftung des Mayen
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Personen
Handelnden ist zu unterscheiden: Keine Haftung aus Vertrag oder Vertragsverletzung; für Haftung aus Delikt Eigenhaftung des Beamten im staatsrechtl Sinne, die aber idR nach § 839 I 2 durch Haftung der jur Person nach § 89 I, § 31 ausgeschlossen wird (dazu § 839 Rn 24ff), für alle übrigen handelnden Personen Haftung nach § 823 (BGHZ 120, 376). b) Verfassungsmäßig berufener Vertreter. Die Haftung der jur Person des öffentlichen Rechts nach § 89 I, § 31 setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter gehandelt hat. Für die übrigen Bediensteten, die nicht unter § 89 fallen, haftet die jur Person des öffentlichen Rechts im privatrechtl Funktionskreis über §§ 278, 832 (RGRK/Steffen Rn 12). aa) Verfassungsmäßig berufene Vertreter sind Amtsträger, die ihre Stellung auf eine Organisationsregelung stützen können, welche – vergleichbar einer Vereinssatzung – mit Anspruch auf eine gewisse Dauerwirkung die Binnenstruktur der jur Person festlegt, etwa ein (formelles) Gesetz, eine Rechtsverordnung oder eine Satzung (ähnl Soergel/Hadding Rn 50; MüKo/Leuschner Rn 32; beide mwN). bb) Auch im Rahmen des § 89 I findet die von der Rspr im Rahmen von § 31 vollzogene Erweiterung der Organhaftung zur allg Repräsentantenhaftung Anwendung. Eine Zurechnung findet danach auch dann statt, wenn dem Handelnden durch die allg Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der jur Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass die jur Person insoweit durch ein faktisches Organ vertreten wird (BGHZ 49, 19, 21; BGH NJW 1985, 677, 679; WM 2005, 1706; RdTW 2013, 398 Rn 13); nicht erforderlich ist, dass die Tätigkeit in der Satzung der jur Person vorgesehen oder die betreffende nat Person ordnungsgemäß mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattet ist (BGH NJW 1980, 115; RdTW 2013, 398 Rn 13). Darüber hinaus finden die § 89 I, § 31 auch Anwendung, wenn die jur Person des öffentlichen Rechts sich für wichtige Aufgabengebiete mit der Einsetzung bloßer Verrichtungsgehilfen begnügt; insoweit besteht eine Organisationspflicht, den mit solchen Aufgabengebieten betrauten Mitarbeitern Organstellung iSv §§ 30, 31 zu verschaffen (BGHZ 24, 200, 213; BGH NJW 1980, 2810, 2811). cc) Einzelfälle: Bei Gebietskörperschaften sind außer dem Bürgermeister (BGH MDR 1979, 832) die Leiter städtischer Ämter als Organe iSd § 89 angesehen worden (RGZ 70, 118, 120; BGH VersR 1962, 1013), ebenso der Intendant eines Stadttheaters (RG Recht 1919 Nr 2062) oder der Betriebsdirektor eines kommunalen Eigenbetriebs, dessen Stelle im Ortsstatut vorgesehen war (RG JW 1911, 640). Demggü wurden die Leiter kommunaler Energieversorgungsbetriebe (RGZ 74, 21, 23), Straßenmeister (Kassel OLG 12, 111), Vorstandsmitglieder des örtlichen Fremdenverkehrsvereins (BGH NVwZ 1984, 749) oder Bezirksbaumeister (Nürnberg Recht 1910, Nr 2272) nicht als verfassungsmäßig berufene Vertreter eingeordnet. Bei Krankenhäusern sind Chefärzte einer Klinik dem Träger (vgl dazu § 823 Rn 129) nach § 89 zuzurechnen (München NJW 1977, 2123; LG Köln VersR 1975, 458; Frankfurt MedR 2006, 294), ohne dass es entscheidend auf das Bestehen von Vertretungsmacht ankommt (BGH NJW 1972, 334). Wer in ärztlicher Hinsicht selbständig als Chef eine Abteilung leitet, ist Vertreter iSd § 89 (BGHZ 77, 74, 77f), auch wenn er einer dienstlichen Oberaufsicht unterliegt, ebenso andere leitende Ärzte, die im medizinischen Bereich Weisungen nicht unterworfen sind (BGH VersR 1984, 460, 462); medizinische Behandlungsfehler im Rahmen privater Behandlung durch den liquidationsberechtigten Chefarzt werden dem Krankenhausträger aber nicht über § 89 zugerechnet (BGH NJW 1975, 1463; BGHZ 120, 376, 382); so auch Frankfurt NJW-RR 1993, 1248 für ambulante Nachbehandlung durch den die Ambulanz aufgrund kassenärztlicher Bestellung betreibenden Chefarzt. Auf die fehlende Haftung des Krankenhauses muss der Patient beim gespaltenen Krankenhausvertrag deutlich aufmerksam gemacht werden (BGH JZ 1993, 1062). c) In Ausübung des Amtes. Die Haftung nach § 839 I, § 31 setzt voraus, dass der verfassungsmäßige Vertreter bzw Repräsentant in Ausübung des Amtes und nicht lediglich „bei Gelegenheit“ handelt. Insoweit gelten keine Besonderheiten ggü der Organhaftung bei jur Personen des Privatrechts. Insb muss die Handlung nicht durch die Vertretungsmacht des Organs gedeckt sein. Jur Personen des öffentlichen Rechts können daher durch Organe bzw Repräsentanten, die ohne Vertretungsmacht handeln, zwar nicht rechtsgeschäftlich verpflichtet werden; wohl aber kommt eine Haftung nach § 89 I, § 31 in Betracht, so bei bewusster Täuschung des Handelnden über den Umfang seiner Vertretungsmacht (BGH NJW 1986, 2939), ferner aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung vorvertragl Pflichten (vgl BGHZ 92, 164, 175f; BGH NJW-RR 2001, 1524), freilich mit strikter Begrenzung auf den Ersatz des negativen Interesses (BGH NJW-RR 2001, 1524). Für jur Personen des öffentlichen Rechts wird allerdings die Haftung weiter davon abhängig gemacht, dass sich die Handlung innerhalb des der jur Person gesetzl zugewiesenen Wirkungsbereichs (sog Verbandskompetenz; dazu Oldiges DöV 1989, 873ff) bewegt; ein Handeln außerhalb dieses Bereichs (ultra vires) führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (BGHZ 20, 119, 123, 126; 52, 283, 286) und schließt die Haftung nach § 89 I, § 31 aus. Im verwaltungsrechtl Schrifttum haben diese Grundsätze zu Recht Kritik erfahren (dazu etwa Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 83 Rn 83ff); ohnehin sind sie wegen § 44 II Nr 3 VwVfG strikt auf rechtsgeschäftliche und geschäftsähnl Amtsverrichtungen zu beschränken. d) Rechtsfolge. Nach § 89 I findet für jur Personen des öffentlichen Rechts die Haftungszuweisung nach § 31 entspr Anwendung. Ihnen wird das Handeln ihres verfassungsmäßigen Vertreters bzw ihres Repräsentanten als eigenes Handeln zugerechnet mit der Folge, dass die betreffenden jur Person selbst für den Schaden verantwortlich sind. Grund und Inhalt der Haftung nach § 89 I, § 31 richten sich nach den vertragl oder gesetzl Anspruchsnormen, deren Tatbestand durch den verfassungsmäßig berufenen Vertreter bzw Repräsentanten verwirklicht wird. Die Verwirklichung von § 839 durch einen beamteten Vertreter bzw Repräsentanten bleibt allerdings 272
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Sachen und Tiere
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unberücksichtigt (BGH MDR 1952, 674, 676; RGRK/Steffen Rn 12; Staudinger/Hüttemann/Rawert Rn 6), da andernfalls die durch § 89 für den privatrechtl Funktionskreis vorgenommene haftungsrechtl Gleichstellung mit der jur Person des Privatrechts fehlschlüge. Die jur Person des öffentlichen Rechts kann sich dementspr hier auch nicht auf den Ausschluss der §§ 823ff durch § 839 oder auf die einzelnen Haftungserleichterungen in § 839 I 2, III berufen; umgekehrt kommen auch die Haftungserweiterungen, die § 839 im Verhältnis etwa zu § 823 mit sich bringt (vor allem Ersatz auch von reinen Vermögensschäden), nicht zum Tragen. Trifft den Handelnden eine persönliche Haftung nach § 839 (nur bei Beamten im staatsrechtl Sinne; vgl § 839 Rn 23ff), kommt ihm die Subsidiaritätsklausel nach Abs I S 2 dieser Vorschrift zugute, wenn sein Handeln zugleich einen anderen Haftungstatbestand verwirklicht und über § 89 zur Haftung der jur Person führt (BGHZ 85, 393; BGH NJW 2001, 2626, 2629; NVwZ 2005, 484, 487). Neben der Handlungszurechnung begründen § 89 I, § 31 auch eine Wissenszurechnung des Wissens ihrer ver- 22 fassungsmäßigen Vertreter (BGHZ 109, 327, 331f) sowie ihrer (Wissens-)Repräsentanten (BGHZ 117, 104, 106f). Die Wissenszurechnung kommt selbst dann in Betracht, wenn der Organvertreter von dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft nichts gewusst hat (vgl BGH NJW 1984, 1953, 1954); auch das Ausscheiden des Organvertreters aus dem Amt steht dem Fortdauern der Wissenszurechnung nicht entgegen (BGH WM 1959, 81, 84; 109, 327, 331). Zuzurechnen ist dasjenige Wissen, das bei ordnungsgemäßer Organisation typischerweise aktenmäßig festzuhalten, weiterzugeben und vor Vertragsschluss abzufragen ist (BGHZ 109, 327, 331f; BGH NJW 2001, 359, 360); eine Pflicht zur Wissensspeicherung besteht aber nur, wenn ein konkreter Anlass bestand, dh ein Informationsaustausch möglich und naheliegend ist (BGH NJW 1989, 2879 und 2881; BGHZ 132, 30, 37). Zum Ganzen ausf Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 83 Rn 65ff. 3. Insolvenz (§ 89 II, § 42 II). Abs II erklärt die in § 42 II normierte Pflicht, im Fall der Zahlungsunfähigkeit 23 oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, bei jur Personen des öffentlichen Rechts für entspr anwendbar. Die Regelung steht unter dem Vorbehalt der Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens (MüKo/Leuschner Rn 1). Sie findet daher auf den Fiskus von vornherein keine Anwendung, da für Bund und Länder das Insolvenzverfahren generell ausgeschlossen ist (§ 12 I Nr 1 InsO). Für die sonstigen Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes unterstehen, ist das Insolvenzverfahren hingegen zulässig, sofern das Landesrecht das Insolvenzverfahren nicht ausschließt (§ 12 I Nr 2 InsO). Da der Landesgesetzgeber von dieser Möglichkeit indessen häufig Gebrauch macht (zur grds verfassungsrechtl Zulässigkeit BVerfGE 60, 135, 154ff; BVerfG ZIP 1984, 344), ist die praktische Bedeutung des § 89 II gering.
Abschnitt 2 Sachen und Tiere (§§ 90–103) Vorbemerkung vor § 90 1. Überblick. Die §§ 90ff treffen gemeinsame Bestimmungen für Sachen und Tiere. § 90 definiert Sachen als 1 körperliche Gegenstände und damit als eine Unterart der Gegenstände. Der Begriff Gegenstand wird im Gesetz nicht definiert. Betrachtet man allein die §§ 90ff, so lassen sich Gegenstände in drei Gruppen unterteilen: (1) unkörperliche Gegenstände (Rechte, Forderungen), (2) körperliche Gegenstände (Sachen) und (3) Tiere (auf die jedoch gem § 90a die für die Sachen geltenden Vorschriften entspr anzuwenden sind). Diese Einteilung hält das BGB nur im Sachenrecht ein. Sie wird an verschiedenen Stellen durchbrochen, so zB bei § 119 II, § 434. 2. Gegenstand. Die Definition des im BGB nicht erklärten Gegenstandsbegriffs ist umstr (ausf Staudinger/ 2 Stieper Vorbem §§ 90–103 Rn 4ff; BeckOGK/Mössner § 90 Rn 10ff). Im umfassenden Sinn ist unter Gegenstand (= Rechtsobjekt) alles das zu verstehen, was vom Menschen beherrschbar ist und ihm von der Rechtsordnung so zugeordnet wird, dass der Wille des Menschen rechtl maßgebend ist. Das BGB verwendet den Gegenstandsbegriff nicht einheitlich. In Vorschriften, welche eine dingliche Beherrschung oder eine Verfügung (vgl Einl § 104 Rn 21) über einen Gegenstand betreffen (ua §§ 135, 161, 185, 2040), zählen zu den Gegenständen neben den Sachen auch die Vermögensrechte (RGZ 89, 298, 300), wie zB Hypothek, Grunddienstbarkeit, Nießbrauch, Mitgliedschaftsrechte an Kapital- und Personengesellschaften (RGZ 92, 398, 401), Besitz-, Miet- und Pachtrecht, sowie Immaterialgüterrechte (RGZ 62, 320, 321f; 75, 217, 219), nicht hingegen Persönlichkeitsrechte (wie Namensrecht, Familienrechte) und selbständige Gestaltungsrechte (Anfechtungs-, Rücktrittsrecht etc). In Vorschriften, welche die Gegenstände als Objekte des schuldrechtl Verkehrs behandeln, umfasst der Gegenstandsbegriff außerdem Vermögenswerte rein tatsächlicher Art, wie Kundschaft (RG DR 1942, 465) oder ärztliche Praxis (RGZ 75, 120; BGH NJW 1959, 1584). S auch § 453, wonach ein Kaufvertrag auch über sonstige Gegenstände, wie Werbeideen, Know-how, Software und Energien, soweit sie technisch beherrschbar sind (leitungsgebunden, in Flaschen etc), geschlossen werden kann. 3. Abgrenzung: Sachen und Rechte. Sachen iSd Gesetzes sind körperliche Gegenstände (§ 90). Als Rechts- 3 objekte stehen den Sachen die Rechte ggü, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um absolute oder relative Rechte handelt. Die Rechte als Rechtsobjekte sind durch die fehlende Körperlichkeit gekennzeichnet. KörperMayen und J. Schmidt
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Sachen und Tiere
lichkeit bedeutet das räumliche Zutagetreten von Materie (fest, flüssig, gasförmig) in beherrschungsfähiger Einheit (s § 90 Rn 1). Der Unterschied zu den Sachen wirkt sich vor allem in den unterschiedlich gestalteten Verfügungstatbeständen über Rechte und Sachen aus. 4 4. Einteilung der Sachen. a) Bewegliche und unbeweglichen Sachen. Unbeweglich sind nur Grundstücke (RGZ 59, 19, 21), dh abgegrenzte Teile der Erdoberfläche, die im Grundbuch als selbständige Grundstücke eingetragen sind (Ausnahme § 3 II, III GBO, vgl Oldenburg Rpfleger 1977, 22), sowie deren Bestandteile. Den Grundstücken rechtl gleichgestellt sind das Erbbaurecht (§ 11 ErbbauRG), das Wohnungseigentum (§§ 1, 3, 7 WEG) sowie die nach Landesrecht als Immobiliarrechte ausgestalteten Rechte, vgl Vor § 873 Rn 5. Alle übrigen Sachen sind beweglich (vgl RGZ 87, 43, 51; 158, 368). Dies gilt auch für die nur vorübergehend mit dem Grund und Boden verbundenen Sachen (§ 95 I 1) und für Gebäude, sofern diese ausnahmsw keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks sind (§ 95 I 2). Schiffe und Luftfahrzeuge sind ebenfalls bewegliche Sachen, doch gelten für sie nach dem SchiffsRG und LuftFzgG zT ähnl Grundsätze wie für Grundstücke. 4a b) Weitere Differenzierungen. Zu differenzieren ist weiterhin zwischen: – vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen: vgl § 91; – verbrauchbaren und nicht verbrauchbaren Sachen: vgl § 92; – Gattungs- und Speziessachen: vgl § 243; – teilbaren und unteilbaren Sachen: vgl § 752; – Hauptsachen und Zubehör: vgl § 97; – Hauptsachen und Nebenbestandteilen: vgl § 947 II, § 97 I. 5 5. Abgrenzung zu Sach- und Rechtsgesamtheiten. Von den Sachen zu unterscheiden sind insb die Sachgesamtheit und die Rechtsgesamtheit. 5a a) Sachgesamtheiten. Die Sachgesamtheit oder der Sachinbegriff ist eine Zusammenfassung selbständiger Sachen (zB Herde, Briefmarkensammlung, Bibliothek [RG WarnR 1918 Nr 154], Warenlager, landwirtschaftliches Inventar, Sitzgruppe [Celle NJW-RR 1994, 1305]), bei dem sowohl die Gesamtheit als solche wie auch jede einzelne zu ihr gehörende Sache wirtschaftl Bedeutung hat. Gegenstand von Rechten können nur die einzelnen Sachen der Gesamtheit sein; doch sind schuldrechtl Verträge mit Bezug auf die Gesamtheit als solche zugelassen (RG WarnR 1918 Nr 154; BeckOGK/Mössner § 90 Rn 129; MüKo/Stresemann § 90 Rn 41). Zudem kann die Übereignung (und Verpfändung) der einzelnen Sachen unter der Benutzung der Gesamtheit geschehen (RGZ 53, 118, 220; 144, 62, 64). Rechtl bedeutsam ist die Zugehörigkeit zu einem Sachinbegriff ua für die Bestimmung nach § 92 II sowie iRd Pacht und des Nießbrauchs (§§ 585ff, 1035, 1048). Gegenstand des Nießbrauchs ist bei § 1035 trotz der Gesetzesfassung nicht der Sachinbegriff, sondern jede einzelne dazugehörige Sache (vgl § 1035 Rn 2). 6 b) Rechtsgesamtheiten. Die Rechtsgesamtheit oder der Rechtsinbegriff ist eine wirtschaftl Einheit von Sachen, Rechten und Vermögenswerten tatsächlicher Art wie das Vermögen oder Sondervermögen (Erbschaft, Gesellschaftsvermögen). An der Gesamtheit als solcher können auch hier Rechte nicht begründet werden (RGZ 70, 226ff). Doch können in bestimmten Fällen die zur Rechtsgesamtheit gehörenden Gegenstände einheitlich übergehen; so nach §§ 1416, 1922. Zudem sind einheitliche schuldrechtl Rechtsgeschäfte über Rechtsgesamtheiten zulässig. Sondervorschriften für diese Verträge enthalten ua § 311b, § 1854 Nr 1, §§ 2371ff. 7 Eine Rechtsgesamtheit besonderer Art ist das Unternehmen. Dabei handelt es sich um eine wirtschaftl Einheit, zu der Sachen (einschl Grundstücke) und Rechte aller Art gehören; wobei sich die wesentliche Beeinflussung der Einheit uU auch aus der Person des Unternehmers ergeben kann. Einen Rechtsbegriff des Unternehmens, der für diese wirtschaftl Einheit als rechtl Klammer wirkt, gibt es nicht. Institute der Zusammenfassung von Objekten (Bestandteil und Zubehör) tragen der Unternehmenseinheit nur sehr bedingt Rechnung, vgl § 97 Rn 3. Als einheitlicher Gegenstand schuldrechtl Geschäfte ist das Unternehmen anerkannt; zur Behandlung des eingerichteten Gewerbebetriebs (Unternehmen) als Schutzobjekt vgl BGH NJW 1959, 479; 1987, 2222, 2225; 2012, 2579 sowie § 823 Rn 49ff. Der Begriff des Unternehmens als einheitliches Rechtsobjekt ist zu unterscheiden vom Unternehmen in sonstigen Funktionen, insb in §§ 15ff AktG und § 1 GWB. In bestimmten, nicht extensiv auszulegenden Einzelfällen gilt bei Sondervermögen der Grundsatz der dinglichen Surrogation, zB § 1048 I 2 Hs 1, § 2019 I, § 2041 1, § 2111 I 1, II. 8 c) Wirtschaftsgut. Es hat 1970 mit § 2331a Eingang in das BGB gefunden. 9 6. Beschränkt verkehrsfähige Sachen. Eine Beschränkung der Verkehrsfähigkeit von Sachen kann sich aus zwei Gründen ergeben: entweder aus ihrer natürlichen Beschaffenheit (fehlende Beherrschbarkeit) oder aus einer rechtl wertenden Betrachtung (öffentliche Sachen). 10 a) Nicht beherrschbare Sachen. Das aufgrund der natürlichen Beschaffenheit Nichtbeherrschbare ist keine Sache im Rechtssinne, zB die freie Luft, das offene Meer oder die frei fließende Wasserwelle (RGZ 53, 98f); ebenso untersteht auch das Grundwasser einer vom Grundeigentum getrennten öffentlich-rechtl Benutzungsordnung (BVerwG ZUR 2012, 308) (vgl auch § 4 II WHG). Urkunden sind Sachen, auch soweit an ihnen nach § 952 Sondereigentum nicht zugelassen wird (RGZ 91, 155, 157 [Hypothekenbrief]; LG München I DAR 1958, 267 [Kfz-Brief (seit 2005: Zulassungsbescheinigung Teil II)]). Das Patentrecht als solches, dem jede Körperlichkeit fehlt, ist keine Sache (RGZ 153, 210, 213); GmbH-Anteile sind keine Sachen iSd § 90 (zur Rechtsnatur näher Lutter/Hommelhoff/Bayer § 14 GmbHG Rn 1 mwN). 274
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b) Öffentliche Sachen. Dem privaten Rechtsverkehr nur beschränkt zugänglich sind die öffentlichen Sachen. Darunter sind solche Gegenstände zu verstehen, die dazu bestimmt sind, entweder unmittelbar dem Gemeinwohl oder den eigenen Bedürfnissen der öffentlichen Verwaltung zu dienen (im Einz str; ausf zu öffentlichen Sachen Staudinger/Stieper Vorbem §§ 90–103 Rn 13ff; BeckOGK/Mössner § 90 Rn 36ff; NK/Ring § 90 Rn 122ff). Innerhalb des öffentlichen Sachbegriffs lässt sich zw im Gemeingebrauch (dazu Rn 12) und im Verwaltungsgebrauch (dazu Rn 13) stehenden Sachen unterscheiden. Eine Sonderstellung nehmen die res sacrae und res religiosae ein (dazu Rn 14). aa) Gemeingebrauch. Dem Gemeingebrauch gewidmet sind Sachen, deren Benutzung jedermann unmittelbar und ohne besondere Zulassung offensteht (Straßen, Plätze etc), vgl § 7 I 1 FStrG. Sie sind nicht schlechthin dem Rechtsverkehr entzogen, sondern können grds auch Gegenstand besonderer Rechte sein (RGZ 118, 91, 93; 123, 181, 183; 125, 108, 110) und können damit auch im Privateigentum stehen (vgl Schleswig NJW-RR 2003, 1171 zum Meeresstrand). Doch können Vorschriften des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtl Zweckbestimmungen den Sachen ganz oder teilw die Verkehrsfähigkeit nehmen. Diese Beschränkung gilt auch dann, wenn die Sachen nicht im Eigentum öffentlich-rechtl Körperschaften stehen, sondern Privateigentum bilden. Näheres § 905 Rn 7f. bb) Verwaltungsvermögen. Hierzu gehören alle Gegenstände, die durch ihren Gebrauch und ihre Zweckbestimmung unmittelbar der öffentlichen Verwaltung dienen (vgl BGH NJW 1995, 1492, 1493; näher Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR II, § 74 II 1a). Dazu zählen zB Verwaltungsgebäude, Kasernen oder Gefängnisse, jew mit dazugehörigem Inventar. Sie sind ebenfalls nur insoweit verkehrsfähig, als es die öffentliche Zweckbestimmung gestattet. Durch den öffentlich-rechtl Akt der Entwidmung können diese Gegenstände wieder voll verkehrsfähig werden. cc) Res sacrae und res religiosae. Res sacrae sind die unmittelbar dem religiösen Kult einer anerkannten oder als öffentlich-rechtl Körperschaft privilegierten Kirche oder Religionsgemeinschaft dienenden Sachen, insb Gotteshäuser und kirchliche Gerätschaften einschl der Kirchenglocken (Staudinger/Stieper Vorbem §§ 90–103 Rn 19). Sie sind nur verkehrsfähig, soweit es die Zweckbestimmung erlaubt. Eine Entwidmung durch den Eigentümer ohne Zustimmung des Widmungsbegünstigten ist nicht möglich (BayObLG 1980, 381, 389), und zwar auch dann nicht, wenn sich der Eigentümer bei der Widmung eine andere Verwendung vorbehalten hat (BayObLG 1980, 381). Grds Gleiches wie für res sacrae gilt auch für res religiosae, wie zB kirchliche Friedhöfe (vgl dazu und zu gemeindlichen Grabstätten Axer DÖV 2013, 165ff; Staudinger/Stieper Vorbem §§ 90–103 Rn 25ff; BeckOGK/Mössner § 90 Rn 46ff). Grabdenkmäler können aber Gegenstand privater Rechte sein (BGH NJW-RR 2006, 570). dd) Abgrenzung. Nicht zu den öffentlichen Sachen zählt das Finanzvermögen des Staates oder sonstiger öffentlicher Verwaltungsträger (zB Kapitalbeteiligungen an wirtschaftl Unternehmen). Diese nur mittelbar durch ihren Wert bzw Ertrag der öffentlichen Verwaltung dienenden Sachen sind voll verkehrsfähig und unterliegen dem Privatrecht. Allerdings wird die Zwangsvollstreckung idR durch § 882a ZPO und durch § 15 Nr 3 EGZPO iVm entspr landesrechtl Bestimmungen beschränkt.
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Begriff der Sache
Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände. 1. Begriff. Zur Definition, Abgrenzung und Einteilung von Sachen s Vor § 90 Rn 1ff. a) Körperlichkeit. Entscheidendes Merkmal für den Sachbegriff ist die Körperlichkeit. Sie bedeutet das räumliche Zutagetreten von Materie (fest, flüssig, gasförmig) in beherrschungsfähiger Einheit, die den sachenrechtl Rechtsinstituten (Besitz, Eigentum, Übergabe, Pfandrecht) zugänglich ist (näher Staudinger/Stieper Rn 1ff; BeckOGK/Mössner Rn 57ff). Der naturwissenschaftliche Sachbegriff ist daher insoweit nicht maßgebend, als er mit Maßstäben arbeitet, die der Funktion der Rechtsvorschriften nicht angemessen sind. aa) Elektrischer Strom. Er ist juristisch keine Sache, weil er weder besessen oder körperlich übergeben werden kann noch die Begriffe Eigentum und Pfandrecht auf ihn anwendbar sind (vgl schon RGZ 56, 403, 404; 67, 229, 232); er ist jedoch, vergleichbar anderen Energien, in leitungsgebundener Form ein sonstiger Gegenstand iSd § 453 I 1, so dass darauf die Vorschriften über den Sachkauf entspr anwendbar sind (BeckOK/Faust § 453 Rn 24). bb) Daten und Software. Daten und Software sind als solche mangels Körperlichkeit keine Sache (BGH MDR 2018, 227 Rn 15; Brandenburg NJW-RR 2020, 54 Rn 42; Rostock BeckRS 2021, 42957 Rn 7; LG Konstanz NJW 1996, 2662; Baur/Stürner § 3 Rn 2; Grü/Ellenberger Rn 2; BeckOK/Fritzsche Rn 27f, 30; Heymann CR 1990, 112f; zur Megede NJW 1989, 2580, 2582; Markendorf ZD 2018, 409, 410; Moritz CR 1994, 257, 263; Müller-Hengstenberg NJW 1994, 3128ff; Redeker NJW 1992, 1739f; Redeker NJOZ 2008, 2917, 2925f; NK/Ring Rn 19; Staudinger/ Stieper Rn 12; BeckOGK/Mössner Rn 83f; MüKo/Stresemann Rn 25; aA König NJW 1993, 3121, 3124; Marly BB 1991, 432, 435). Deshalb sind auch Bitcoins und sonstige Kryptowährungen keine Sache (Amend-Traut/Hergenröder ZEV 2019, 113, 117; Baier CCZ 2019, 123, 126; Engelhardt/Klein MMR 2014, 355, 357; Kütük/Sorge MMR 2014, 643, 644; Omlor ZRP 2018, 85, 87; Walter NJW 2019, 3609, 3611; aA John BKR 2020, 76ff); Gleiches gilt für NFT (Guntermann RDi 2022, 200, 204; Kraetzig CR 2022, 477, 479f; Rauer/Bibi ZUM 2022, 20, 24). Nach der Rspr ist jedoch eine auf einem Datenträger verkörperte Standardsoftware als Sache anzusehen, auf die je J. Schmidt
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nach der vereinbarten Überlassungsform Miet- oder Kaufrecht anwendbar ist (BGH NJW 1988, 406; 1990, 320, 321; 1993, 2436, 2437f; 1997, 2043, 2045; 2000, 1415; 2007, 2394, 2395). Im Rahmen des Kaufvertragsrechts hat sich die Problematik durch die Neufassung des § 453 I (Software als „sonstiger Gegenstand“) sowie die speziellen Vorschriften für den Kauf digitaler Inhalte weitgehend erledigt (vgl auch MüKo/Stresemann Rn 25; Spindler ZGE 3 [2011] 129, 140). Ausf zur Gesamtproblematik Staudinger/Stieper Rn 12ff; BeckOGK/Mössner Rn 78ff mwN; instruktiv insb auch Spindler ZGE 3 (2011), 129ff. Zur Legaldefinition des Begriffs Waren in § 241a I J. Schmidt GPR 2014, 73ff. 3a cc) Elektronische Wertpapiere gelten jedoch gem § 2 III eWpG als Sache iSd § 90 (dazu Bialluch/v Allwörden RDi 2021, 13ff; Guntermann AG 2021, 449, 454; Lahusen RDi 2021, 161ff; Omlor RDi 2021, 236, 237). 4 b) Verkehrsauffassung. Ferner wird der Sachbegriff von der Verkehrsauffassung bestimmt. Eine Sache im Rechtssinne liegt daher auch dann vor, wenn einzelne körperliche Gegenstände, die jew für sich keine wirtschaftl Bedeutung haben, bei einer nach Maß oder Gewicht gefassten Menge von der Verkehrsauffassung und der natürlichen Anschauung als eine Sache verstanden werden (sog Sacheinheiten) (zB bei Getreide, Kohlen, Kartoffeln etc); dies ändert nichts daran, dass auch die einzelne Sache Gegenstand des Rechtsverkehrs und selbständige Sache im Rechtssinne sein kann (Staudinger/Stieper Rn 66). 5 2. Sonderfälle. a) Lebender Mensch. Der lebende Mensch ist Person und keine Sache (Grü/Ellenberger Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 27; BeckOGK/Mössner Rn 15; NK/Ring Rn 23; MüKo/Stresemann Rn 2). Das gilt auch für den menschlichen Embryo (BeckOGK/Mössner Rn 16; Staudinger/Stieper Rn 37; MüKo/Stresemann Rn 27). Abgetrennte Körperteile (zB abgeschnittene Haare, Sperma, gespendetes Blut, amputierte Gliedmaßen oder zwecks Transplantation entnommene Organe) werden mit Rücksicht auf die Verkehrsanschauung bewegliche Sachen im Rechtssinne (BGH NJW 1994, 127, 128; Köln BeckRS 2016, 06177 Rn 12; Staudinger/Stieper Rn 29; BeckOGK/Mössner Rn 17f; NK/Ring Rn 31; MüKo/Stresemann Rn 26). Dies gilt jedoch nicht, wenn sie zur Bewahrung von Körperfunktionen oder zur späteren Wiedereingliederung in den Körper bestimmt sind (BGH NJW 1994, 127, 128; Grü/Ellenberger Rn 3; krit Taupitz NJW 1995, 745ff; Nixdorf VersR 1995, 740ff; MüKo/Stresemann Rn 27 mwN; diff jedoch BeckOGK/Mössner Rn 20). Künstliche Körperteile, die mit dem Körper fest verbunden werden, wie Zahnplomben oder Kunstrippen, verlieren mit der Einfügung die Eigenschaft als Sache und werden Bestandteile des Körpers (LAG Hamburg BeckRS 2013, 70585; Staudinger/Stieper Rn 35; BeckOGK/ Mössner Rn 21; NK/Ring Rn 27; MüKo/Stresemann Rn 28). Nicht fest verbundene „Hilfsmittel“ wie Prothesen, Gebisse etc bleiben dagegen verkehrsfähig und behalten die Sacheigenschaft, sind aber der Pfändung entzogen, § 811 I Nr 1 lit c ZPO (Grü/Ellenberger Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 36; BeckOGK/Mössner Rn 22; NK/Ring Rn 26; MüKo/Stresemann Rn 28). 6 b) Menschlicher Leichnam. Der menschliche Leichnam wird teils als Rückstand der Persönlichkeit qualifiziert (so etwa Larenz AT9 § 20 Rn 9; MüKo/Stresemann Rn 29 mwN), ist aber nach zutreffender hM eine (herrenlose) Sache (Bamberg NJW 2008, 1543, 1547; Hamburg NJW 2012, 1601, 1603; LG Detmold NJW 1958, 265; Grü/Ellenberger Überbl v § 90 Rn 11; Gottwald NJW 2012, 2231, 2232; Staudinger/C. Heinze § 958 Rn 4; Staudinger/Stieper Rn 39, 48; BeckOGK/Mössner Rn 24, 31; NK/Ring Rn 39f). Eine Aneignung kommt jedoch mit Blick auf das postmortale Persönlichkeitsrecht grds nicht in Betracht (Staudinger/Stieper Rn 48 mwN); Ausnahme: sog Anatomieleichen (BeckOK/Fritzsche Rn 35; Grü/Weidlich § 1922 Rn 37; aA Staudinger/Stieper Rn 48) oder Skelette, Mumien, Moorleichen etc (Staudinger/Stieper Rn 53; MüKo/Stresemann Rn 31). Von der Leiche abgetrennte natürliche und künstliche Körperteile sind Sachen; das Eigentum hieran fällt aber nicht etwa automatisch den Erben zu (so aber MüKo/Stresemann Rn 32); sie sind vielmehr (zunächst) herrenlos. Das Aneignungsrecht steht nach vorzugswürdiger Ansicht mit Blick auf das fortwirkende Persönlichkeitsrecht nicht den Erben (so jedenfalls für fest eingefügte Körperersatzteile etwa Staudinger/C. Heinze § 958 Rn 4 mwN), sondern den Totensorgeberechtigten zu (Hamburg NJW 2012, 1601, 1604; BeckOK/Fritzsche Rn 36; Gottwald NJW 2012, 2231, 2232f; Staudinger/Stieper Rn 49). Zur Totenfürsorge sind in Ermangelung eines abw Willens des Verstorbenen gewohnheitsrechtl die nächsten Angehörigen berechtigt und verpflichtet (RGZ 154, 269, 270f; BGH NJWRR 1992, 834; NJW 2012, 1651 Rn 10; NVwZ 2016, 870 Rn 12). Zur Obduktion und zur Exhumierung vgl Staudinger/Stieper Rn 46 mwN. 7 3. Rechtliche Bedeutung. Rechtl Bedeutung gewinnt § 90 insb im Sachenrecht, da nur an Sachen Eigentum iSd §§ 903ff, andere dingliche Rechte (Ausnahme §§ 1068ff, 1273ff) oder Besitz bestehen können. Außerhalb des Sachenrechts ist die Definition des § 90 nicht abschließend. Mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Verkehrs wird der Begriff Sache zB in § 119 II (RGZ 149, 235, 238; BGH LM Nr 2 zu § 779) auch auf unkörperliche Gegenstände ausgedehnt. Dasselbe gilt auch für § 849 (BGHZ 8, 288, 298; BGH NJW 2008, 1084).
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Tiere
Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. 1. Genese und Ratio. Die Norm wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht v 20.8.1990 (BGBl I 1990, 1762) eingeführt. Grundgedanke ist, dass der Mensch für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Wesen Verantwortung tragen soll (Begr RegE BT-Drs 11/4563, 5;
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Mühe NJW 1990, 2238; Lorz MDR 1990, 1057). I Erg beinhaltet § 90a jedoch nur eine „gefühlige Deklamation“ ohne rechtl Auswirkungen (Grü/Ellenberger Rn 1; humorvoll K. Schmidt JZ 1989, 790ff). 2. Tiere. Tiere sind keine Sachen (S 1). Dadurch gewinnen sie jedoch nicht die Qualität von Rechtssubjekten (vgl auch Begr RegE BT-Drs 11/4563, 5, 6); sie stellen vielmehr eine Kategorie sui generis dar (BeckOK/Fritzsche Rn 2; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 10; NK/Ring Rn 3; MüKo/Stresemann Rn 3). Tiere iSd § 90a sind alle lebenden Tiere im biologischen Sinn, auch solche nicht höherer Art und unabhängig von einer Schmerzempfindlichkeit; nicht erfasst sind dagegen Tierteile, -leichen oder -eier sowie Pflanzen (BeckOK/Fritzsche Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 6f; MüKo/Stresemann Rn 4). 3. Schutz durch besondere Gesetz (S 2). S 2 verweist rein deklaratorisch (vgl Lorz MDR 1990, 1057; BeckOGK/Mössner Rn 11; NK/Ring Rn 5; MüKo/Stresemann Rn 5) auf den Schutz durch besondere Gesetze; dazu gehören insb das TierSchG, das BJagdG, die Landesjagd- und -fischereigesetze sowie § 251 II 2, § 833f, § 903 S 2, §§ 960ff BGB; § 765a I 3, § 811 I Nr 8 ZPO; sie sind idR zugleich auch „andere Bestimmungen“ iSd S 3 Hs 2. 4. Auf Tiere anwendbare Vorschriften (S 3). a) Entsprechende Geltung der für Sachen geltenden Vorschriften (Hs 1). Grds gelten die für Sachen geltenden Vorschriften entspr (Hs 1), so insb die §§ 929ff (BeckOK/ Fritzsche Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 15; Obergfell RW 2016, 388, 401f; MüKo/Stresemann Rn 6; Staudinger/ Stieper Rn 10), §§ 953ff (Staudinger/Stieper Rn 10; BeckOGK/Mössner Rn 15), §§ 965ff (VGH München BeckRS 2016, 41758 Rn 20; OVG Koblenz BeckRS 2018, 40448 Rn 26; KG NJW-RR 1994, 688, 689; VG Ansbach BeckRS 2011, 31015; Staudinger/Stieper Rn 10; BeckOGK/Mössner Rn 15; Obergfell RW 2016, 388, 403; MüKo/Stresemann Rn 6), §§ 1204ff (s § 1204 Rn 2). Werden Tiere verletzt, gelten §§ 823ff sowie §§ 7, 18 StVG (BGH NJW 2012, 1730 Rn 8; BeckOK/Fritzsche Rn 5). Tiere können auch Zubehör sein (arg e § 98 Nr 2) (s § 97 Rn 3, § 98 Rn 13). Wenn sich auf einem zu räumenden Grundstück Tiere befinden, gelten die § 885 II-IV ZPO entspr (BGH NJW 2012, 2889; Staudinger/Stieper Rn 10). Anwendbar sind ferner auch §§ 433ff, 474ff, wobei allerdings die Besonderheiten des Tierkaufs zu berücksichtigen sind (BGH NJW 2006, 2250, Rn 22ff; NJW 2007, 674, Rn 25ff; 2007, 1351 Rn 12ff; Obergfell RW 2016, 388, 398f); so sind etwa verkaufte Tiere nicht generell als „gebraucht“ anzusehen (BGH NJW 2007, 674, Rn 26ff; 2020, 759 Rn 27ff); bei der Frage, ob sie „gebraucht“ sind, ist nicht nur eine nutzungs-, sondern auch eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos zu berücksichtigen (BGH NJW 2020, 759 Rn 30ff). Zudem kann die Vermutung des § 477 I 2 wegen der Art des Mangels bei bestimmten Tierkrankheiten ausgeschlossen sein (BGH NJW 2006, 2250) und auch bei der Determination der Mangelhaftigkeit sind die Tierspezifika zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 1351 Rn 12ff; 2020, 2879 Rn 25ff; Schleswig ZVertriebsR 2018, 387 Rn 22ff). Bei Trennung bzw Scheidung/Aufhebung von Ehe bzw Lebenspartnerschaft gelten für Tiere die §§ 1361a, 1568b bzw. §§ 13, 17 LPartG entspr (Schleswig NJW 1998, 3127; Celle NJW-RR 2009, 1306, 1307; Hamm NJW-RR 2011, 583; Nürnberg NZFam 2017, 158; Oldenburg FamRZ 2019, 784 Rn 3; Stuttgart NZFam 2019, 540, 541; BeckOK/Fritzsche Rn 7; BeckOGK/Mössner Rn 19; Obergfell RW 2016, 388, 406f; Staudinger/Voppel § 13 LPartG Rn 10); ein „Umgangsrecht“ lässt sich darauf jedoch nicht stützen (Schleswig NJW 1998, 3127; Hamm NJW-RR 2011, 583; Stuttgart NZFam 2019, 540, 542; BeckOK/Fritzsche Rn 7; Obergfell RW 2016, 388, 406f; Staudinger/Stieper Rn 10; BeckOGK/Mössner Rn 19; MüKo/ Stresemann Rn 8; aA AG Bad Mergentheim NJW 1997, 3033, 3034). IÜ sind bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über Sachen ganz generell etwaige tierspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen (vgl LG Hannover, NJW-RR 2000, 481; BeckOK/Fritzsche Rn 6; BeckOGK/ Mössner Rn 13; MüKo/Stresemann Rn 8; Staudinger/Stieper Rn 10). Tiere sind ferner nach hM auch Sachen iSd strafrechtl Tatbestände (näher Schönke/Schröder/Bosch § 242 StGB Rn 9 mwN). b) Abweichende Bestimmungen (Hs 2). Dies sind insb die in Rn 3 genannten. S zur Anwendung des § 251 II 2 im Falle der Heilbehandlung eines Tieres BGH NJW 2016, 1589.
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Vertretbare Sachen
Vertretbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen. 1. Legaldefinition. Eine Sache ist nach der Legaldefinition in § 91 vertretbar, wenn sie im Verkehr nach Zahl, 1 Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegt. Maßgeblich ist folglich, dass sie sich von anderen Sachen der gleichen Art nicht durch ausgeprägte Individualisierungsmerkmale abhebt und deshalb ohne weiteres austauschbar ist (vgl BGH NJW 1966, 2307; 1971, 1793, 1794; 1985, 2403). Nicht vertretbar sind hingegen Sachen, die auf die Betriebsverhältnisse des Bestellers ausgerichtet und seinen Wünschen angepasst sind und die deshalb für den Unternehmer anderweitig schwer oder gar nicht absetzbar sind (BGH NJW 1971, 1793, 1794; 2015, 2812 Rn 18). Abzustellen ist dabei auf die allg Verkehrsanschauung, der Maßstab ist also ein rein obj (BGH NJW 1985, 2403; Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 3; BeckOGK/Mössner Rn 18; NK/Ring Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 1; Staudinger/Stieper Rn 1). 2. Beispiele. a) Vertretbare Sachen. Geldscheine und -münzen (vgl § 783 Hs 1, § 363 I 1 HGB; BGH NJW 2 1963, 1259; NJW 1991, 990, 991; NStZ 1993, 538; NStZ-RR 2015, 282, 283; NK/Ring Rn 11; MüKo/Stresemann Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 6); Wertpapiere (zB Aktien) (vgl § 783; BeckOGK/Mössner Rn 21; NK/Ring Rn 11; MüKo/Stresemann Rn 2); Waren oder Maschinen aus Serienfertigung, selbst wenn sie nach Angaben des Bestellers, insb nach Muster, angefertigt werden (RG JW 1903, 244; BGH NJW 1971, 1793 [Möbel]; 1977, 379 [ReiJ. Schmidt
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nigungsanlage]; 1996, 836, 837 [Transportbeton]; 1998, 3197, 3198 [Förderanlage]; Hamm NJW-RR 1986, 477 [Wärmepumpe]; Karlsruhe NJW-RR 1988, 1400 [Möbel]; Hamm BB 1993, 1475 [Arbeitsbühne]; Hamm OLGRp 1998, 217 [Kühlanhänger]; Dresden BauR 2000, 1876 [Aufzugsteuerungsanlage]; Köln VersR 2000, 501 [Münzzentrale]); landwirtschaftl Erzeugnisse einer bestimmten Gattung (BGH NJW 1985, 2403 [Wein]; MüKo/Stresemann Rn 2); Neuwagen eines bestimmten Typs (München DAR 1964, 188, 189; Grü/Ellenberger Rn 2; Staudinger/Stieper Rn 4); veredelte Rohedelsteine (BGH NJW-RR 2009, 103, 104 Rn 16); Einheitsbierflaschen (BGH NJW 1956, 298). b) Unvertretbare Sachen. Kunstwerke (BeckOGK/Mössner Rn 22; NK/Ring Rn 14; MüKo/Stresemann Rn 4), historische Musikinstrumente (Frankfurt MDR 2017, 871, 872); Fotos (AG Regensburg NJW-RR 1987, 1008), Tiere (LG Heidelberg BeckRS 2015, 01446; NK/Ring Rn 14; MüKo/Stresemann Rn 4), nach Maß gefertigte Kleider (NK/Ring Rn 14; MüKo/Stresemann Rn 4), individuell gefertigte Möbel (RGZ 107, 339, 340f [Schrank]; BGH NJW 1994, 663 [Ladeneinrichtung]; Hamm NJW-RR 1992, 889; Celle BeckRS 2004, 00992 [Schrankwand]) sowie spezielle Einbauküchen (BGH NJW-RR 1990, 787, 788; Saarbrücken NJOZ 2003, 1001; Frankfurt BeckRS 2009, 26963); individuell gefertigte Schiffe (BGH NJW 2001, 3704), Farbstoffe (Düsseldorf NJW-RR 1997, 186) und Prospekte (BGH NJW 1966, 2307); individuell angepasste Maschinen, Anlagen und Bauteile (BGH NJW-RR 1992, 1141, 1142 [CPU-Karte]; NJW 1993, 882 [medizinische Geräte]; 1994, 1134, 1135 [Riegelstangen]; 1996, 789, 790 [Heizungsanlage]; 2015, 2812 Rn 17f [Thermoreaktoren]; Bremen NJOZ 2002, 1432, 1434 [Verpackungsanlage]; Hamm BauR 2003, 106 Rn 38 [Absauganlage]; Düsseldorf BeckRS 2012, 24671 [Garnherstellungsmaschine]; Jena 25.4.2017 – 5 U 849/15 Rn 86 juris [Sauerstoffgenerator]; MüKo/Stresemann Rn 4); gebrauchte Kfz (München DAR 1964, 188, 189; BeckOGK/Mössner Rn 22; MüKo/Stresemann Rn 4), speziell auch Oldtimer (BGH NJW 2010, 2121 Rn 4, 7). Unvertretbar sind ferner, da schon keine beweglichen Sachen, insb auch Grundstücke (BGH NJW 1995, 587, 588; NK/Ring Rn 14; MüKo/Stresemann Rn 4). 3. Rechtliche Bedeutung. Wichtig wird die Differenzierung des § 91 insb im Schuldrecht. So ist bei Untergang einer vertretbaren Sache idR Naturalrestitution durch Lieferung einer anderen Sache möglich, bei unvertretbaren Sachen hingegen nicht (BGH NJW 1985, 2413, 2414; NJW-RR 2009, 103 Rn 22). Bei Rechtsgeschäften, welche die wirtschaftl Nutzung vertretbarer Gegenstände zum Inhalt haben, wie zB Sachdarlehen (§ 607 I 1) oder unregelmäßige Verwahrung (§ 700 I), wird aufgrund des Eigentumsübergangs von vornherein nur die Pflicht zur Rückgabe einer Sache gleicher Art begründet. Bedeutung hat die Differenzierung ferner für das auf einen Werklieferungsvertrag anwendbare Recht (gem § 650 I 3 sind bei nicht vertretbaren Sachen bestimmte werkvertragl Vorschriften anwendbar) sowie im Rahmen der § 363 I 1, § 381 II, § 406 II, § 469 I HGB und § 592 S 1, § 884 ZPO. 4. Spielraum für Parteidisposition. Parteivereinbarungen über die Qualifikation als (un)vertretbar sind nicht möglich, diese bestimmt sich rein obj (vgl bereits Rn 1; Grü/Ellenberger Rn 1; Staudinger/Stieper Rn 11; BeckOGK/Mössner Rn 18; NK/Ring Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 1). Es ist den Parteien aber unbenommen, vertretbare Sachen rechtsgeschäftlich wie unvertretbare oder aber unvertretbare Sachen wie vertretbare zu behandeln. Im ersten Fall ist Vertragsgegenstand dann die bestimmte Sache; Vorschriften, die für vertretbare Sachen gelten, finden keine Anwendung. Im zweiten Fall bestimmen die Parteien die unvertretbare Sache nur nach Gattungsmerkmalen; Anwendung finden dann die für die Gattungssachen geltenden Vorschriften, nicht aber die für vertretbare Sachen (vgl Staudinger/Stieper Rn 11; BeckOGK/Mössner Rn 18.1; NK/Ring Rn 6f).
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Verbrauchbare Sachen
(1) Verbrauchbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen, deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in dem Verbrauch oder in der Veräußerung besteht. (2) Als verbrauchbar gelten auch bewegliche Sachen, die zu einem Warenlager oder zu einem sonstigen Sachinbegriff gehören, dessen bestimmungsmäßiger Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht. 1. Grundsätzliches. § 92 separiert die verbrauchbaren von den unverbrauchbaren Sachen. Die Differenzierung ist relevant ua für den Nießbrauch (§ 1067 I 1 Hs 1) sowie im Rahmen von § 2116 I 2, § 2325 II 1. 2. Legaldefinition in Abs I. Verbrauchbar sind bewegliche Sachen, deren bestimmungsmäßiger Gebrauch entweder im tatsächlichen Verbrauch (dazu Rn 3) oder in der Veräußerung (rechtl Verbrauch, dazu Rn 4) besteht. Maßgeblich ist dabei die Verkehrsanschauung (Mot III, 34; Staudinger/Stieper Rn 1; BeckOGK/Mössner Rn 11; MüKo/Stresemann Rn 2, 4; abw noch Erman/Michalski13 Rn 4). a) Tatsächlich verbrauchbare Sachen (Abs I Alt 1). Dies sind zB Brennmaterial, Nahrungs- und Genussmittel (Staudinger/Stieper Rn 1; BeckOGK/Mössner Rn 12; NK/Ring Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 2). Kein „Verbrauch“ ist dagegen der allmähliche Verschleiß durch Abnutzung; Möbel, Teppiche, Kleidung, Bücher etc sind daher keine verbrauchbaren Sachen (Staudinger/Stieper Rn 1; NK/Ring Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 3). b) Rechtlich verbrauchbare Sachen (Abs I Alt 2). Dies sind solche, deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in der Veräußerung besteht und die als Sachen selbst keinen Gebrauchswert besitzen (Grü/Ellenberger Rn 2; BeckOK/Fritzsche Rn 5; NK/Ring Rn 6). Dazu gehört insb Geld (Mot III, 35; Grü/Ellenberger Rn 2; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 13; NK/Ring Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 4) sowie Wertpapiere, die als Geldsurrogate fungieren, wie zB Schecks, Inhaberpapiere (BeckOK/Fritzsche Rn 5; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/ 278
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Mössner Rn 13; NK/Ring Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 4). Wertpapiere, die als Kapitalanlage dienen, fallen dagegen nicht hierunter (Mot III, 35; BeckOK/Fritzsche Rn 5; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 13; NK/Ring Rn 6; abw RGRK/Kregel Rn 5). 3. Fiktion der Verbrauchbarkeit gem Abs II. Als verbrauchbar gelten auch bewegliche Sachen, die zu einem Warenlager oder zu einem sonstigen Sachinbegriff (Vor § 90 Rn 5ff) gehören, dessen bestimmungsmäßiger Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht. Hierzu gehören zB der Warenvorrat eines Einzelhändlers (Grü/Ellenberger Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 4; BeckOGK/Mössner Rn 18; NK/Ring Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 5), aber zB auch das Schlachtvieh eines Fleischers (RGZ 79, 246, 248). Qua Abs II werden auch zu einem solchen Sachinbegriff gehörende Unikate verbrauchbar (BeckOK/Fritzsche Rn 6; Staudinger/Stieper Rn 4; NK/Ring Rn 9). Anders als im Rahmen des Abs I bestimmt sich die Zweckbestimmung im Rahmen des Abs II nicht nach der Verkehrsanschauung, sondern allein nach dem Willen des Berechtigten (Mot III, 35; Grü/Ellenberger Rn 3; BeckOK/Fritzsche Rn 6; Staudinger/Stieper Rn 3; BeckOGK/Mössner Rn 16; NK/Ring Rn 9; MüKo/ Stresemann Rn 5). 4. Rechtliche Bedeutung. Die rechtl Bedeutung des § 92 ist insg relativ gering. Sie liegt vor allem bei den Nutzungsrechten, da ein solches bei verbrauchbaren Sachen nur dann von Wert ist, wenn es dem Berechtigten das volle Verfügungsrecht und damit die volle wirtschaftl Verwertung der verbrauchbaren Sache gewährt, vgl § 1067 I 1 Hs 1 (Nießbrauch). Eine Sicherungsübereignung verbrauchbarer, insb der zu einem der Veräußerung dienenden Warenlager gehörenden Sachen ist möglich (vgl BGHZ 28, 16, 18f; BGH NJW 1984, 803; Staudinger/ Stieper Rn 6; NK/Ring Rn 12).
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Wesentliche Bestandteile einer Sache
Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. 1. Systematik der §§ 93ff. § 93 steht im systematischen Zusammenhang mit den §§ 94–96 und klärt, wann ein Bestandteil einer Sache wesentlich ist. Dabei statuiert § 93 den Grundsatz, § 94 dehnt diesen für Grundstücke und Gebäude aus, und § 96 enthält Besonderheiten für Rechte als Bestandteile von Grundstücken. Eingeschränkt wird diese Systematik von § 95, unter dessen Voraussetzungen entgegen den §§ 93, 94 die Annahme einer Qualität als wesentlicher Bestandteil verneint wird. 2. Ratio. Ratio des § 93 ist, einer nutzlosen Zerstörung wirtschaftl Werte vorzubeugen (Mot III, 41; RGZ 58, 338, 341; BGH NJW 1955, 1793, 1794; 1988, 2789, 2790; 2012, 778 Rn 19; 2022, 614 Rn 35). 3. Bestandteil. a) Körperliche Gegenstände. Der Begriff Bestandteil ist vom Gesetz nicht definiert. Bestandteile einer Sache iSd § 93 sind körperliche Gegenstände, die entweder von Natur aus eine Einheit bilden oder die durch die Verbindung miteinander ihre Selbständigkeit dergestalt verloren haben, dass sie fortan, solange die Verbindung dauert, als einzige Sache erscheinen (RGZ 67, 30, 32; BGH NJW 2012, 778 Rn 11). Maßgeblich dafür ist die Verkehrsanschauung (RGZ 158, 362, 370; BGH NJW 1988, 406, 409; 2012, 778 Rn 11) und – wenn diese fehlt oder nicht festgestellt werden kann – die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters (RGZ 158, 362, 370; BGH NJW 2012, 778 Rn 11). Dabei sind Zweck und Wesen der Sache und ihrer Bestandteile vom technisch-wirtschaftl Standpunkt aus zu beurteilen (BGH NJW 1956, 945; NJW 2012, 778 Rn 11). Ein starkes (wenn auch nicht zwingendes) Indiz für die Qualität als Bestandteil ist idR eine feste Verbindung (RGZ 158, 362, 369; Grü/Ellenberger Rn 2; BeckOK/Fritzsche Rn 7; Staudinger/Stieper Rn 9; NK/Ring Rn 15; MüKo/Stresemann Rn 5). Sofern nach der Verkehrsauffassung eine einheitliche Sache vorliegt, kann aber auch nur eine lose oder nur auf der Schwerkraft beruhende Verbindung genügen (RGZ 69, 150, 152; 83, 67, 69; VGH München NVwZ-RR 2004, 648, 649; KG NJW-RR 2004, 635; Staudinger/Stieper Rn 9; BeckOGK/Mössner Rn 13; NK/Ring Rn 15; MüKo/Stresemann Rn 5; krit insoweit Gehrlein ZInsO 2017, 563, 576). Dies gilt zB für einen Glastisch mit aufgelegter Glasplatte (Staudinger/Stieper Rn 9), die Blätter einer Loseblattsammlung oder eines Handelsbuchs (KG Rpfleger 1972, 441f; Staudinger/Stieper Rn 9; MüKo/Stresemann Rn 5), Deponiegut auf einem Grundstück (VGH München NVwZ-RR 2004, 648, 649) oder einen auf ein vorbereitetes Fundament gesetzten Heißwasserkessel (KG NJW-RR 2004, 635). Nicht ausreichend ist dagegen eine nur vorübergehende Zusammenfügung (RGZ 157, 244, 245 [Düsen einer Spinnmaschine; Bohrer einer Bohrmaschine]; VG Gera 30.10.2008 – 5 K 739/06 [geliehene Altarflügel]; Staudinger/Stieper Rn 10; BeckOGK/Mössner Rn 15; MüKo/Stresemann Rn 6; vgl auch § 95). Andererseits ist eine nur vorübergehende Trennung der Teile einer einheitlichen Sache, zB zum Transport, irrelevant (RG Gruchot 64, 95, 97; Staudinger/Stieper Rn 12; MüKo/Stresemann Rn 6). Ein Indiz für die Qualität als Bestandteil ist weiterhin, dass eine Sache allein nicht funktionsfähig und von vornherein dazu ausgelegt ist, mit anderen Anlagenteilen verbunden zu werden und nur so ihren Zweck erfüllen kann (BGH NJW 2012, 778 Rn 12 [Modul]). Eine einheitliche Sache ist etwa auch ein Kfz (BGH NJW 1955, 1793), nicht aber Matratzen und Lattenrost eines Betts (AG Esslingen NJW-RR 1987, 750). b) Rechte. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass nur Sachen Bestandteile von Sachen sein können, enthält § 96 betr Rechte als Bestandteile eines Grundstücks (näher § 96 Rn 1ff). Andererseits können Sachen Bestandteile eines Rechts sein, sofern es sich um grundstücksgleiche Rechte (Erbbaurecht, Bergwerkseigentum usw) handelt (vgl § 12 I 1, 2 ErbbauRG; RGZ 161, 203, 206; BGHZ 17, 223, 231f; Staudinger/Stieper Rn 13). J. Schmidt
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4. Wesentlichkeit. Bestandteile sind nach der Legaldefinition des § 93 wesentlich, wenn sie nicht voneinander getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Entscheidend ist also, ob die Restsache nach der Abtrennung des Bestandteils noch in der bisherigen Weise benutzt werden kann, sei es auch erst, nachdem sie zu diesem Zweck wieder mit anderen Sachen verbunden wird (BGH NJW 1955, 1793; 1956, 945; 1973, 1454f; 2012, 778 Rn 16; BGH ZRI 2022, 455 Rn 13). Kann das auszubauende Teil durch ein gleiches oder ähnl ersetzt und dadurch die Gesamtsache in gleicher oder ähnl Funktion wiederhergestellt werden, ist der abzutrennende Bestandteil grds als unwesentlich anzusehen (BGH NJW 1973, 1454f; WM 1987, 47; NJW-RR 1990, 586, 587; NJW 2012, 778 Rn 16). Ist eine Sache an die Gegenstände, mit denen sie verbunden ist, besonders angepasst und kann sie nur mit diesen verwendet werden, ist sie wesentlicher Bestandteil einer einheitlichen Sache, weil sie durch die Trennung wirtschaftlich wertlos würde (BGH NJW 1956, 788; 2012, 778 Rn 18). Ob die abtrennbare Sache serienmäßig produziert wird, ist irrelevant (BGH NJW 2012, 778 Rn 18); auch eine nicht serienmäßig hergestellte Sache, die Bestandteil einer (Gesamt-)Sache ist, kann unwesentlicher Bestandteil sein, wenn sie an die Gegenstände, mit denen sie verbunden ist, nicht besonders angepasst ist und durch eine andere gleichartige Sache ersetzt werden kann (BGH NJW 2012, 778 Rn 18). Ein Bestandteil einer Sache ist zudem nicht schon dann als wesentlich anzusehen, weil seine Abtrennung mit einem hohen Aufwand verbunden ist; die Kosten der Abtrennung müssen vielmehr im Vergleich zu dem Wert des abzutrennenden Bestandteils unverhältnismäßig sein (BGH NJW 2012, 778 Rn 26ff). Irrelevant ist hingegen der Aufwand des Besitzers der Restsache für eine Ersatzbeschaffung (BGH NJW 2012, 778 Rn 21). Die Beurteilung erfolgt von einem technisch-wirtschaftl Standpunkt aus unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (BGH NJW 1956, 788; NJW 2012, 778 Rn 23; MüKo/Stresemann Rn 11). 5a Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Verbindung; nachfolgende Wertveränderungen – insb Wertminderungen durch Abnutzung oder Alterung – sind grds nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 2012, 778 Rn 23f; 2022, 614 Rn 31; ZRI 2022, 455 Rn 14). Wenn es dagegen darum geht, ob Rechte Dritter an einem Bestandteil begründet werden können, der bereits in eine zusammengesetzte Sache eingefügt ist, kommt es auf die Verhältnisse bei der Entstehung des Rechts an (BGH NJW 2022, 614 Rn 31–32; ZRI 2022, 455 Rn 14; zum Ganzen auch Wietfeld NJW 2022, 1273ff). 6 5. Einzelfälle. a) Kfz. Wesentliche Bestandteile eines Kfz sind Karosserie und Fahrgestell (OGH NJW 1950, 64; Stuttgart NJW 1952, 145) sowie Bremstrommeln (Hamm MDR 1984, 842, 843). Keine wesentlichen Bestandteile sind dagegen: Reifen (Stuttgart NJW 1952, 145; Neustadt VersR 53, 324; BayObLG NVwZ 1986, 511; LG Düsseldorf BeckRS 2015, 03455); Sitze (BayObLG NVwZ 1986, 511); Navigationssystem (Karlsruhe NZV 2002, 132); Autotelefon (Köln NJW-RR 1994, 51: schon kein Bestandteil); Batterie (LG Düsseldorf BeckRS 2015, 03455); ein auf einen Schlepper montiertes Ladegerät (Hamburg BB 1957, 1246); insb aber auch serienmäßig hergestellte Motoren (BGH NJW 1955, 1793; NJW 1973, 1454) einschl Austauschmotoren (BGH NJW 1973, 1454), denn beim Ausbau eines Kfz-Motors und seinem Einbau in ein anderes Kfz werden weder Motor noch eines der Kfz beschädigt, der Motor kann ohne weiteres in ein anderes Kfz des gleichen Typs eingebaut werden. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn es sich um Spezialanfertigungen handelt, wie zB für Oldtimer oder Rennwagen (vgl Staudinger/Stieper Rn 20). 7 b) Schiffe. Dazu § 94 Rn 24. 8 c) Grundstücke und Gebäude. Bei ihnen kann sich die Qualität als wesentlicher Bestandteil sowohl aus § 93 als auch aus § 94 ergeben; Bsp gesammelt bei § 94 Rn 2ff. 9 d) Maschinen, Geräte, Anlagen. Wesentliche Bestandteile sind zB Schwungräder und Kurbelwelle einer Lokomobile (Kiel OLGE 39, 250); das einzelne Rad eines Getriebes (BGH NJW 1956, 945f); Schrauben oder Hebel einer Maschine (BGH NJW 1956, 945f); Absatzformen einer Absatzpresse (RG SeuffA 63 Nr 1). Nur einfache Bestandteile sind dagegen insb technisch selbständige Hilfsgeräte (BGH NJW 1956, 945, 946) wie serienmäßig hergestellte und katalogmäßig gehandelte Messgeräte (BGH NJW 1956, 945, 946), der Elektromotor einer Förderanlage (Köln NJW 1991, 2570) oder der Schalter eines Heizkissens (RGZ 130, 242, 245). Bei Gehäusen kommt es auf die konkrete Konstruktion an (BGH NJW 1956, 788, 789). 10 e) Sonstiges. Wesentliche Bestandteile sind die mit den Ergebnissen der Datenverarbeitung ausgefüllten Kontenblätter von Handelsbüchern (KG Rpfleger 1972, 441); Füllgut von Konservendosen (LG Braunschweig MDR 1950, 739). 11 6. Rechtliche Bedeutung des § 93. a) Mangelnde Sonderrechtsfähigkeit. Wesentliche Bestandteile können nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein (zu Ausnahmen s Rn 18). Diese Rechtsfolge ist der Schutzfunktion des § 93 entspr zwingend (RGZ 62, 410, 411; 63, 416, 421; 74, 201, 203; BGH NJW 1988, 2789, 2790). Wer Eigentümer der Sache ist, regeln §§ 946ff; einen schuldrechtl Ausgleich schafft § 951 I 1. 12 b) Konsequenzen. aa) Dingliche Rechte. Wesentliche Bestandteile können nicht separat übereignet werden, an ihnen kann kein Sondereigentum bestehen (RGZ 60, 317, 319; 97, 102, 103; BGH NJW 1988, 2789, 2790; Staudinger/Stieper Rn 25; BeckOGK/Mössner Rn 27; NK/Ring Rn 33; MüKo/Stresemann Rn 20). Eine isolierte Pfändung oder Verpfändung ist ebenfalls nicht möglich (Staudinger/Stieper Rn 36; BeckOGK/Mössner Rn 34f; MüKo/Stresemann Rn 20). Unwirksam ist ferner die Bestellung einer Abholzgerechtigkeit an Bäumen auf einem Grundstück (RGZ 60, 317, 319) oder eines Nießbrauchs am Stockwerk eines Hauses (RGZ 164, 196, 199) oder auch die Ausnahme einer bestimmten Wohnung vom Nießbrauch an einem Wohnhausgrundstück (BayObLG 1979, 361, 364). 5
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bb) Eigentumsvorbehalt. Wird eine Sache wesentlicher Bestandteil einer anderen, so erlischt ein an ihr bestehender Eigentumsvorbehalt (RGZ 63, 416, 421; 90, 198, 102; 152, 91, 100; Staudinger/Stieper Rn 26; MüKo/Stresemann Rn 21); er lebt mit der späteren Trennung auch nicht wieder auf (Stuttgart ZIP 1987, 1129; MüKo/Stresemann Rn 21). Umgekehrt erstreckt sich ein Eigentumsvorbehalt an einer Sache, die durch Verbindung zur Hauptsache wird, auch auf die wesentlichen Bestandteile (MüKo/Stresemann Rn 21); wird keine der Sachen Hauptsache, so setzt er sich analog § 949 S 2 an dem betr Miteigentumsanteil fort (MüKo/Stresemann Rn 21). cc) Zwangsversteigerung. Mit dem Zuschlag erwirbt der Ersteher notwendig auch das Eigentum an den wesentlichen Bestandteilen (§ 90, § 55 I, § 20 II ZVG, § 1120) (BGH MittBayNot 2004, 258, 259), und zwar selbst dann, wenn die Bestandteile von der Versteigerung ausgenommen wurden und im Zuschlagsbeschluss darauf hingewiesen ist (RGZ 152, 22, 24f; BGH NJW-RR 2007, 194 Rn 10). Solche Maßnahmen können jedoch uU einen schuldrechtl Anspruch auf Herausgabe begründen (RGZ 152, 22, 24f; München JW 1937, 329; Nürnberg JW 1938, 1021, 1022; Düsseldorf NJW 1955, 188; Staudinger/Stieper Rn 36; MüKo/Stresemann Rn 22; zweifelnd jedoch in Bezug auf ein Gebäude BGH NJW-RR 2007, 194 Rn 25). dd) Besitz. Sonderbesitz an wesentlichen Bestandteilen ist möglich (vgl § 865), weil der Besitz kein Recht iSd § 93 ist; Voraussetzung ist aber die tatsächliche Sachherrschaft gerade über den wesentlichen Bestandteil selbst (RGZ 108, 269, 272). ee) Immaterialgüterrechte. Für die Existenz von Immaterialgüterrechten (zB Urheber-, Patentrecht) ist es irrelevant, ob das betr Recht in einem wesentlichen Bestandteil verkörpert ist; näher Staudinger/Stieper Rn 35 mwN. ff) Schuldrechtl Verträge. Schuldrechtl Verträge in Bezug auf wesentliche Bestandteile sind grds zulässig, wenngleich ihre Realisierung die vorherige Trennung voraussetzt (RGZ 60, 317, 319; RG WarnR 1926 Nr 150; BGH NJW 2000, 504, 595). Doch kann ein dahingehender Vertrag weder durch Eintragung dingliche Kraft erlangen noch durch Vormerkung gesichert werden. c) Ausnahmen/Spezialregelungen. Gem § 3 WEG kann Wohnungseigentum an einer Wohnung sowie Teileigentum an anderen Räumen bestehen (näher § 3 WEG Rn 1ff). Gem § 12 I 1, 2 ErbbauRG gilt ein Bauwerk auf dem Grundstück als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts, nicht des Grundstücks (näher § 12 ErbbauRG Rn 1f). Weitere Ausnahmen/Spezialregelungen finden sich in § 810 I ZPO (Pfändung ungetrennter Früchte); Art 231 § 5 EGBGB (Gebäudeeigentum in den neuen Bundesländern); Art 181 II, 182 EGBGB (Fortbestand von Sondereigentum an stehenden Erzeugnissen eines Grundstücks und von Stockwerkseigentum); § 1 DüngMSaatG.
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Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes
(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. (2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. 1. Grundsätzliches, Ratio. § 94 ergänzt § 93 in einem wesentlichen Punkt, hat aber gleichwohl selbständige 1 Bedeutung (Mot III, 43; Staudinger/Stieper Rn 2; NK/Ring Rn 6): Sind die Voraussetzungen des § 94 gegeben, handelt es sich um wesentliche Bestandteile, unabhängig davon, ob auch die Voraussetzungen des § 93 (dazu § 93 Rn 3ff) erfüllt sind (RGZ 63, 416, 418; 90, 198, 201; 150, 22, 26; vgl auch BGH NJW 1958, 457; NJW-RR 2011, 1458 Rn 6; BFH DStR 2010, 2240, 2241; Staudinger/Stieper Rn 2; NK/Ring Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 1). § 94 ist jedoch nicht etwa lex specialis zu § 93; in der Praxis werden vielmehr vielfach die Voraussetzungen beider Tatbestände, die eine große Schnittmenge haben, erfüllt sein (vgl Staudinger/Stieper Rn 2; MüKo/Stresemann Rn 1). Ratio des § 94 ist – wie bei § 93 (vgl § 93 Rn 2) –, einer nutzlosen Zerstörung wirtschaftl Werte vorzubeugen (Mot III, 43; BGH NJW 1958, 457; 1999, 2434, 2435; 2011, 380 Rn 12; Schleswig NZM 2013, 877, 878; BeckRS 2016, 12387 Rn 31; Staudinger/Stieper Rn 3; MüKo/Stresemann Rn 1). Die Vorschrift dient aber insb auch der Rechtssicherheit, da gerade im Grundstücksverkehr die Schaffung klarer und sicherer Rechtsverhältnisse von besonderer Bedeutung ist (Mot III, 43; BGH NJW 1958, 457; 1970, 895, 896; 1979, 712; 1988, 2789, 2790; 1999, 2434, 2435; 2011, 380 Rn 12; Schleswig BeckRS 2016, 12387 Rn 31; Staudinger/Stieper Rn 3; NK/Ring Rn 1; MüKo/Stresemann Rn 1). Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes iSd § 94 fallen gem § 946 kraft Gesetzes zwingend ins Eigentum des Grundstückseigentümers (RGZ 62, 410, 411; BGH NJW 1978, 1311; Staudinger/Stieper Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 2). Zu den Ausnahmen vgl § 95; zum Überbau vgl § 912 Rn 1ff. 2. Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks (Abs I). a) Überblick. Wesentliche Bestandteile eines Grund- 2 stücks sind gem § 94 I 1 die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen (Rn 3ff), insb Gebäude (Rn 6ff) sowie Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (Rn 9); gem S 2 ferner Samen und Pflanzen (Rn 10). Keine wesentlichen Bestandteile sind hingegen Teilflächen eines Grundstücks (Staudinger/Stieper Rn 21; MüKo/Stresemann Rn 5); etwas anderes gilt nur in den Fällen des § 890 (vgl § 890 Rn 1ff). Keine wesentlichen Bestandteile im Rechtssinn sind ferner unmittelbare Bodenbestandteile wie Sand, Lehm, Kies, Torf, Ton etc; sie sind vielmehr von Natur aus Teil der einheitlichen Sache Grundstück (Grü/EllenJ. Schmidt
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berger Rn 3; BeckOK/Fritzsche Rn 9; Staudinger/Stieper Rn 19; NK/Ring Rn 23; MüKo/Stresemann Rn 5). Abgetrennte Bodenbestandteile können wesentliche Bestandteile eines anderen Grundstücks werden, wenn sie iSd § 94 I 1 mit dessen Grund und Boden fest verbunden werden (näher Rn 3ff) (vgl OVG Münster BauR 2012, 1237 [zur Abstützung aufgebrachtes Erdreich]; LG Landshut NJW-RR 1990, 1037 [zur Erstellung einer Parkfläche aufgebrachter Kies]; Staudinger/Stieper Rn 20; NK/Ring Rn 24; MüKo/Stresemann Rn 5). 3 b) Feste Verbindung mit Grund und Boden (§ 94 I 1 Alt 1). Ob eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden vorliegt, ist nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Umstände des jew Einzelfalls zu beurteilen (RGZ 158, 362, 374; BFH/NV 2011, 1392 Rn 14; Schleswig FGPrax 2016, 155 Rn 31; Grü/Ellenberger Rn 2; BeckOK/Fritzsche Rn 5; Staudinger/Stieper Rn 7; NK/Ring Rn 13; MüKo/Stresemann Rn 4). Maßgeblich sind dabei zwei Aspekte: (1) Dass eine Trennung nicht ohne Zerstörung oder erhebliche Beschädigung des Grundstücks oder des abzulösenden Teils möglich ist, oder (2) dass die Trennung im Vergleich zum Wert des Bestandteils unverhältnismäßige Kosten verursachen würde (RG WarnR 1932 Nr 114; RGZ 158, 362, 374; BGH NJ 2020, 307 Rn 10; Frankfurt NJW 1982, 653; VGH München BeckRS 2010, 53756 Rn 10; Schleswig FGPrax 2016, 155 Rn 31; LG Landshut NJW-RR 1990, 1037; LG Flensburg WM 2000, 2112, 2113; Grü/Ellenberger Rn 2; BeckOK/Fritzsche Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 8f; Staudinger/Stieper Rn 7; NK/Ring Rn 13; MüKo/Stresemann Rn 4). 4 Bejaht wurde eine feste Verbindung ua in folgenden Fällen: Anlage aus „schwimmenden Häusern“ (Schleswig FGPrax 2016, 155 Rn 29ff); Einfriedungsmauern (München BeckRS 2009, 08224); Sichtschutzzaun mit 80 cm tief eingegrabenen Pfosten (LG Hannover NJW-RR 1987, 208; Zäune können aber auch nur Scheinbestandteile iSd § 95 sein, vgl § 95 Rn 9); Spundbohlen der Uferwand eines Hafengrundstücks (BGH NJW 1984, 2569, 2570); Fundament aus 80 cm tief eingegrabenen Betonhöckern (BGH NJW 1978, 1311); Bootssteg (BGH MDR 1967, 749); ins Erdreich eingelassenes und mit einem Magerbetonkranz umgebenes Schwimmbecken (BGH NJW 1983, 567f); Rohrbrunnen (BGH NJW 1971, 2219); Slipanlage eines Werftgrundstücks (OVG Bremen NJW-RR 1986, 955); Wehranlage (VG Dresden BeckRS 2014, 58720); Bunkergang (VG Schleswig BeckRS 2016, 113637); Eisenbahngleise (BGH MDR 1972, 410); aufwendiges Pflaster (BayVGH RdL 2007, 316); Asphaltdecke eines Stichwegs (Köln BeckRS 2020, 48692 Rn 59); Stellplatzanlage (LG Hamburg ZMR 2020, 874); vgl zu aufgebrachten Bodenbestandteilen ferner bereits Rn 2 aE. Bei einem Mobilheim kommt es auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Falles an (BGH NJ 2020, 307 Rn 11). 5 Verneint wurde sie dagegen ua in folgenden Fällen: Bildstock (Frankfurt NJW 1982, 653, 654); Skulptur (Zweibrücken NJW 2016, 821 Rn 31); Silos auf einem Betonsockel (Celle IBR 2000, 621); Hopfenstangen oder Weinbergpfähle (Staudinger/Stieper Rn 8; MüKo/Stresemann Rn 15). 6 c) Insbesondere: Gebäude (§ 94 I 1 Alt 1). aa) Begriff. Der Begriff des Gebäudes ist enger als der des Bauwerks iSd § 634a I Nr 2 (BGH NJW 1999, 2434, 2435; 2022, 614 Rn 14) und mit Blick auf die Ratio des § 94, die Erhaltung der wirtschaftl Werte und der Wahrung rechtssicherer Vermögenszuordnungen (vgl Rn 1), auszulegen (BGH NJW 2011, 380 Rn 12; 2022, 614 Rn 13; Schleswig NZM 2013, 877, 878). Erfasst sind zum einen Gebäude im herkömmlichen Sinne, also Häuser und sonstige Bauwerke, die durch räumliche Einfriedung Schutz gewähren und den Eintritt von Menschen gestatten (BGH NJW 2022, 614 Rn 16 mwN). Erfasst sind zum anderen aber auch andere größere Bauwerke; bei diesen muss es sich aber um etwas mit klassischen Baustoffen „Gebautes“ von solcher Größe und Komplexität handeln, dass die Beseitigung die Zerstörung oder wesentliche Beschädigung und den Verlust der Funktionalität der Sache zur Folge hätte (vgl BGH NJW 2022, 614 Rn 17, 20; ZRI 2022, 455 Rn 9). 6a Beispiele: Erfasst sind auch Bauwerke, die mit dem Grund und Boden nicht fest verbunden sind, sowie Zeitbauten iSd § 95 (Grü/Ellenberger Rn 5; Staudinger/Stieper Rn 23; NK/Ring Rn 18; MüKo/Stresemann Rn 21; gegen das Ausreichen einer festen Verbindung durch Eigengewicht jedoch Gehrlein ZInsO 2017, 573, 576). Neben massiven Häusern sind damit zB auch erfasst: Blockhaus (BGH NJW 1988, 2789; MüKo/Stresemann Rn 6); Rohbau (BGH NJW 1979, 712); fest ggf auch aufgrund des Eigengewichts verankertes Holzfertighaus (Karlsruhe ZIP 1983, 330, 331; MüKo/Stresemann Rn 6); Pavillonaufbau mit Höckerfundamenten (BGH NJW 1978, 1311; krit dazu Gehrlein ZInsO 2017, 573, 576); Fertiggarage (auch ohne Verankerung, sofern gleichwertiges Eigengewicht, BFH NJW 1979, 392; Düsseldorf BauR 1982, 164; BayObLG WM 1989, 93); Tiefgarage (BGH NJW 1982, 756); Gewächshaus mit Stahlkonstruktion (BGH LM Nr 16 zu § 94); Brücke (BGH NJW 2011, 380 Rn 12; Karlsruhe NJW 1991, 926); Transformatorenstation (Schleswig NZM 2013, 877, 878). 6b Kein Gebäude sind dagegen zB ein nicht windsicher befestigter Bierpavillon (Düsseldorf VersR 1999, 854) oder eine Freiland-Photovoltaikanlage (BGH NJW 2022, 614 Rn 11ff; ZRI 2022, 455 Rn 9). 7 bb) Überbau. Hier kommt es zu einem Konflikt zweier widerstreitender gesetzl Gebote: dem Akzessionsprinzip des § 94 I 1 (Einheit von Grundstück und Gebäude) und dem der Gebäudeeinheit (§§ 93, 94 II), das nach st Rspr entspr der Ratio der Überbauvorschriften nach folgenden Grundsätzen zu lösen ist: Im Falle des rechtmäßigen bzw entschuldigten Überbaus (dazu § 912 Rn 1) wird dem Grundsatz des einheitlichen Eigentums an einer Sache der Vorrang eingeräumt, das Gebäude bildet einen wesentlichen Bestandteil desjenigen Grundstücks, von dem aus übergebaut wurde (§ 95 I 2 analog) (BGH NJW 1964, 1221; 1975, 1553, 1555; 1988, 1078; 1982, 756f; 1988, 1078; 2002, 54; VIZ 2004, 130, 131; NJW 2004, 1237; 2008, 1810 Rn 13; 2014, 311 Rn 15ff; KG FGPrax 2016, 3; Saarbrücken BeckRS 2020, 26835 Rn 17; Frankfurt BeckRS 2020, 59264 Rn 23); die Zufahrt ist allerdings regelmäßig nicht wesentlicher Bestandteil des Überbauwerks (BGH NJW 2014, 311 Rn 15). Bei nicht 282
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entschuldigtem Überbau wird das Eigentum dagegen auf der Grenzlinie der Grundstücke real geteilt (BGH NJW 1958, 1182f; 1975, 1553, 1555; 1988, 1078; KG FGPrax 2016, 3). Diese Grundsätze gelten auch im Fall des Eigengrenzüberbaus (BGH NJW 1975, 1553, 1555; 1989, 221; 2002, 54; 2014, 311 Rn 14; KG FGPrax 2016, 3), des wechselseitigen Überbaus einzelner Geschosse (BGH NJW 2008, 1810 Rn 14) sowie im Falle der nachträgl Teilung eines Grundstücks (BGH NJW 1988, 1078; 2002, 54; VIZ 2004, 130, 131; NJW 2008, 1810 Rn 14; MDR 2013, 329 Rn 16; KG FGPrax 2016, 3). Nur wenn die Grenzziehung zu einer Trennung des Gebäudes in zwei wirtschaftlich selbständige Einheiten führt, kann jeder Gebäudeteil eigentumsrechtl dem Grundstück zugeordnet werden, auf dem er steht (Grundsatz der vertikalen Teilung analog § 94 I) (BGH WM 2004, 1340, 1341; NJW 2008, 1810 Rn 14). cc) Grenzmauer. Vorstehende Grundsätze gelten nach st Rspr auch für eine auf der Grenze errichtete (halbscheidige) Giebelmauer (Kommunmauer): Bei rechtmäßigem bzw entschuldigtem Überbau steht sie im Alleineigentum des überbauenden Grundstückseigentümers (BGH NJW 1958, 1180f; 1962, 149; 1965, 811; 1972, 195, 196); bei nicht entschuldigtem Überbau wird real geteilt (BGH NJW 1958, 1180f; 1965, 811; 1972, 195, 196). Bauen beide Nachbarn – egal ob entschuldigt oder nicht – an die Mauer an, entsteht Miteigentum zu je 1/2 (BGH NJW 1958, 1180f; 1965, 811; 1962, 149; 1981, 866, 867; NJW-RR 2001, 1528, 1529; NJW 2015, 2489 Rn 11). Liegt hingegen kein Überbau vor, so bleibt es für Grenzanlagen bei den Regelungen in § 946, § 94 I, § 905 S 1, aus denen sich der Grundsatz der vertikalen („lotrechten“) Teilung ergibt; Folge ist, dass jedem Grundstückseigentümer derjenige Teil der Grenzeinrichtung gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet (BGH NJW 2004, 3328, 3329 [Grenzbaum]; BGH NJW 2005, 2489 Rn 10 [Ufermauer]). d) Erzeugnisse (§ 94 I 1 Alt 2). Erzeugnisse sind alle natürlichen Tier- und Bodenprodukte (näher § 99 Rn 2). e) Samen und Pflanzen. § 94 I 2 stellt aus Gründen der Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit (vgl Mot III, 46f; MüKo/Stresemann Rn 19) klar, dass Pflanzen schon mit dem Anpflanzen und Samen bereits mit dem Aussäen (nicht erst mit dem Einwurzeln bzw Keimen) wesentlicher Bestandteil werden. Vgl zu Bäumen als wesentlicher Bestandteil BGH BeckRS 2016, 11657 Rn 4; Brandenburg BeckRS 2021, 29193 Rn 9ff. Zu Pflanzen als Scheinbestandteil § 95 Rn 8. f) Sonderfälle. aa) Leitungen. Bei Ver- und Entsorgungsleitungen für Gas, Wasser, Elektrizität, Fernwärme, Telefon etc ist idR eine feste Verbindung gegeben, sie werden mit der Verlegung in einem dem Versorgungsträger gehörenden Grundstück dessen wesentlicher Bestandteil (RGZ 168, 288, 290; BGH NJW 1962, 1817, 1818; 2006, 990 Rn 10; Hamm BeckRS 2016, 117507 Rn 53; OVG Lüneburg NVwZ-RR 2015, 946 Rn 7f; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2018, 22801 Rn 33; Staudinger/Stieper Rn 11; NK/Ring Rn 20; MüKo/Stresemann Rn 16; näher Stieper EnZW 2020, 339ff). Sofern sie jedoch in fremden Grundstücken verlegt werden, sind sie gem § 95 I 1 bzw 2 nur Scheinbestandteile (RGZ 168, 288, 290; BGH NJW 1962, 1817f; NJW 2006 Rn 16ff; MMR 2016, 284 Rn 7; OVG Lüneburg NVwZ 2015, 946 Rn 9; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2018, 22801 Rn 33; näher Stieper EnZW 2020, 339ff; krit Schilling GRUR 2021, 349ff) und zugleich Zubehör des Betriebsgrundstücks des Versorgungsunternehmens iSd § 97 I 1 (RGZ 168, 288, 290; BGH NJW 1962, 1817f; NJW 2006, Rn 16ff; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2018, 22801 Rn 33; näher Staudinger/Stieper Rn 11, § 95 Rn 12a, 20;ausf Mahne Eigentum an Versorgungsleitungen, 2009; s ferner auch Brändle VersorgW 2014, 122ff; krit jedoch MüKo/Stresemann Rn 16). bb) EEG-Anlagen. (1) Windkraftanlagen. Bei Windkraftanlagen werden teils nur Fundament und Turm, nicht aber Gondel und Rotor als wesentliche Bestandteile des Grundstücks angesehen (Derleder/Sommer ZfIR 2008, 325, 330, 332); die wohl hM qualifiziert die Windkraftanlage dagegen insg als wesentlichen Bestandteil des Grundstücks (Koblenz CuR 2007, 107, 108; OVG Münster BeckRS 2000, 17399 Rn 24; Böttcher notar 2012, 383, 384; Ganter WM 2002, 105, 106; Mohr VW 2017, 289, 294; BeckOK/Fritzsche Rn 7; MüKo/Stresemann Rn 17; Staudinger/Stieper Rn 12; BeckOGK/Mössner Rn 12.3; Voß/Steinheber ZfIR 2012, 337, 338 [außer Generator]). Sie werden allerdings in der Praxis häufig Scheinbestandteile sein, entweder gem § 95 I 1 oder gem § 95 I 2, s dazu insb noch § 95 Rn 2ff. Zu Offshore-Windkraftanlagen näher Böttcher notar 2012, 383, 387ff mwN. (2) Photovoltaikanlagen. Hier ist zu differenzieren: Dachintegrierte Anlagen sind idR wesentliche Bestandteile des Gebäudes iSd § 94 II (dazu noch Rn 13ff) (AG Nürnberg RdE 2009, 36), bei Aufdachanlagen kommt es auf die Festigkeit der Verbindung im Einzelfall an (Böttcher notar 2012, 383, 390; Lange/Ländner EnWZ 2019, 99, 101; Meier MittBayNot 2019, 548, 549; BeckOGK/Mössner Rn 12.3; Reymann DNotZ 2010, 84, 96; Reymann ZIP 2013, 605; Welsch/Woinar NotBZ 2014, 161, 162f; vgl auch Nürnberg MittBayNot 2017, 146, 148; LG Passau RNotZ 2012, 511, 512f; Oldenburg JurBüro 2013, 96; LG Heilbronn BeckRS 2014, 20445) In der Praxis kommt aber häufig auch eine Scheinbestandteilsqualität gem § 95 I 1 oder 2 in Betracht, die Problematik ist hier ähnl wie bei Windkraftanlagen, näher Böttcher notar 2012, 383, 391ff; Lange/Ländner EnWZ 2019, 99, 101f; Meier MittBayNot 2019, 548, 550; Reymann DNotZ 2010, 84, 86ff; Reymann ZIP 2013, 605ff; Welsch/Woinar NotBZ 2014, 161, 162f; s ferner auch BGH ZRI 2022, 455 Rn 7). Eine Freiland-Photovoltaikanlage ist kein Gebäude iSd § 94 (s Rn 6b). Sie kann aber – abhängig von der Festigkeit der Verbindung im Einzelfall – ein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks iSv § 94 I 1 sein (vgl Bamberg MDR 2012, 904f [ja bei Verankerung durch fest ins Erdreich gerammte Metallpfosten]; auch Böttcher notar 2012, 383, 391; Lange/Ländner EnWZ 2019, 99, 101; Reymann ZIP 2013, 905).
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3. Wesentliche Bestandteile eines Gebäudes (Abs II). a) Überblick. Gem § 94 II gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes (Rn 14) – und damit qua § 94 I 1 Alt 1 (Rn 6) auch des Grundstücks – die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten (Rn 15) Sachen. b) Gebäude. Der Begriff des Gebäudes (Rn 6) ist im Rahmen des gesamten § 94 einheitlich zu verstehen (Grü/Ellenberger Rn 5; Staudinger/Stieper Rn 23; MüKo/Stresemann Rn 21). c) Einfügung zur Herstellung. Zur Herstellung eingefügt sind alle Teile, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung nicht fertiggestellt ist (BGH NJW 1984, 2277, 2278; NJW-RR 1990, 586, 587; MMR 2006, 29, 30; NJW-RR 2011, 1458 Rn 6; BGH BeckRS 2016, 116034 Rn 13). Dazu gehören nicht nur die Baumaterialien und -elemente, sondern auch Gegenstände, die zur Ausstattung oder Einrichtung des Bauwerks gehören, wenn nach der Verkehrsanschauung erst deren Einfügung dem Gebäude eine besondere Eigenart, ein bestimmtes Gepräge gibt (RG JW 1911, 532; RGZ 98, 198, 201; 150, 22, 26; JW 1932, 1200, 1201; BGH NJW 1955, 1180; 1970, 895, 896; 1984, 2277, 2278; 1987, 3187; NJW-RR 1990, 586, 587; MDR 2013, 329 Rn 11; BeckRS 2016, 116034 Rn 12). Eine feste Verbindung mit dem Gebäude ist hierfür nicht nötig (RGZ 60, 421, 423; 98, 198, 201; BGH NJW 1978, 1311; NJW-RR 2011, 1458 Rn 6; BeckRS 2016, 116034 Rn 12). Irrelevant ist zudem der Zeitpunkt der Einfügung, dh ob sie im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes bzw der erstmaligen Einfügung einer größeren Anlage oder erst später im Rahmen einer Erneuerung bzw eines Austauschs erfolgt (RGZ 158, 362, 367; BGH NJW 1970, 895, 896; MDR 2013, 329 Rn 11; Staudinger/Stieper Rn 28). Ferner braucht die Sache auch nicht zwingend komplett in das Gebäude selbst eingefügt zu werden; sondern es können – speziell bei Heizungsanlagen (näher Rn 17) – auch Teile außerhalb des Gebäudes positioniert sein (BGH NJW-RR 1990, 158, 159; MDR 2013, 329 Rn 11). d) Einzelfälle. aa) Baumaterialien und -elemente. Zur Herstellung eingefügt sind zunächst die den Baukörper bildenden Baumaterialien und -elemente, insb Mauern, Wände, Böden, Decken, Treppen und Dach (BFH DStRE 1998, 312, 313; Staudinger/Stieper Rn 30; MüKo/Stresemann Rn 23; s ferner auch BGH NJW-RR 2016, 588 Rn 6 [Grenzwand]), zB auch in massive Giebelwände eingepasste Wellblechwände (RG SeuffA 63 Nr 127), eingemauerter Bauschutt (Koblenz BeckRS 2019, 21149 Rn 41f) oder auch ein Wintergarten (BGH NJOZ 2017, 1516 Rn 11ff). Erfasst sind aber auch Türen (BFH DStRE 1998, 312, 313; BGH NJW 2014, 379 Rn 7 [Wohnungseingangstür]; Brandenburg BeckRS 2010, 31098; AG Essen r+s 1986, 188), Tore einer Halle (Stuttgart NJW-RR 2011, 669), Fenster (BFH DStRE 1998, 312, 313; Brandenburg BeckRS 2010, 31098; LG Lübeck NJW 1986, 2514) einschl Fensterläden (RGZ 60, 421, 422f; Hamburg MDR 78, 138), Rollläden (LG Memmingen Rpfleger 78, 101) und Jalousien (BFH BFH/NV 1989, 456; Dresden OLG 6, 215; Hamburg MDR 78, 138), Tapeten (KG NVersZ 1999, 336; LG Wuppertal BeckRS 2010, 10191; LG Essen BeckRS 2012, 10953; LG Bonn BeckRS 2014, 20483; Frankfurt NZM 2018, 901 Rn 14) und Wandmalereien (BFH DStRE 2004, 1207, 1208), nicht dagegen die Einfriedungsmauern des Grundstücks (Koblenz NJW-RR 2012, 277, 278). bb) Gebäudeausstattung. (1) Heizungs-, Belüftungs- und Klimaanlagen; Versorgungsleitungen. Zur Herstellung eingefügt ist grds auch die (Zentral-)Heizungsanlage bei Wohngebäuden (BGH NJW 1953, 1180; NJW 1970, 895, 896; NJW-RR 1990, 158, 159; MDR 2013, 329 Rn 11), und zwar sowohl solche Teile, die im Zusammenhang mit dem Ersteinbau in das Gebäude eingefügt werden, als auch solche, deren Einbau erst im Zusammenhang mit einer Renovierung oder einem Austausch der Heizanlage erfolgt (BGH NJW 1970, 895, 896; MDR 2013, 329 Rn 11). Das gilt auch im Falle eines Blockheizkraftwerks (LG Itzehoe ZWE 2012, 182, 183; FG Rh-Pf DStRE 2016, 200, 202; Suilmann ZWE 2014, 302, 304). Erfasst sind ferner nicht nur Aggregate, die in das Gebäude selbst eingefügt werden, sondern auch außerhalb desselben aufgestellte (BGH NJW-RR 190, 158, 159 [Wärmepumpe]; MDR 2013, 329 Rn 11 [ins Erdreich vergrabener Öltank]). Gleiches gilt für die Heizungsanlage in einer Schule (BGH NJW 1979, 712; Hamm NZM 2005, 158), einem Schwimmbad (Frankfurt CuR 2009, 65), einem Kino (LG Bochum MDR 66, 48) oder in Büro- (LG Itzehoe ZWE 2012, 182) und Fabrikgebäuden (Hamm MDR 75, 488; LG Itzehoe ZWE 2012, 182), aber auch in modernen Stallanlagen (BGH BeckRS 1987, 31065834; BFH DStR 2010, 2240 Rn 22). Zur Herstellung eingefügt sind zudem auch Belüftungsanlagen in Hotels (Stuttgart NJW 1958, 1685), Gaststätten (Hamm NJW-RR 1986, 376), Stall- bzw Mastanlagen (BGH BeckRS 1987, 31065834; BFH DStR 2010, 2240 Rn 22) oder Produktionshallen (Hamm BeckRS 2005, 05439). Wesentlicher Bestandteil sind ferner die innerhalb des Gebäudes verlegten Versorgungsleitungen (BGH ZWE 2017, 216 Rn 11). Kein wesentlicher Bestandteil sind hingegen zusätzl Heizgeräte/-anlagen, die zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Gebäudes nicht erforderlich sind (Celle NJW 1958, 632; LG Köln BeckRS 2011, 23631). (2) Sanitäre Anlagen. Zur Herstellung eingefügt sind Badewanne (RG HRR 1929 Nr 1298; RG WarnR 1933 Nr 21; RFH JW 1922, 238; BGH NZM 2017, 224 Rn 24; Braunschweig NdsRpfl 55, 193; LG Berlin BeckRS 1985, 30885320), Dusche (BGH NZM 2017, 224 Rn 24), Waschbecken (RG HRR 1929 Nr 1298; RG WarnR 1933 Nr 21; Braunschweig NdsRpfl 55, 193; LG Berlin BeckRS 1985, 30885320) und Toilette (RG WarnR 1933 Nr 21; BGH NZM 2017, 224 Rn 24; LG Berlin BeckRS 1985, 30885320), nicht hingegen Spiegel oder Waschunterschränke (Hamm MDR 2005, 1220). (3) Bodenbeläge. Teppichboden ist nicht nur dann zur Herstellung eingefügt, wenn er verklebt wurde, sondern auch wenn er nur zugeschnitten und lose verlegt wurde (Köln NJOZ 2003, 1011, 1012; LG Köln NJW 1979, 1608; LG Oldenburg VersR 1988, 1285; AG Karlsruhe NJW 1978, 2602; AG Nördlingen VersR 1983, 721; AG Charlottenburg r+s 1990, 350; vgl auch KG NVersZ 1999, 336; LG Frankenthal VersR 1978, 1106; LG Essen 284
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§ 94
BeckRS 2012, 10953; FG München BeckRS 2002, 21010579; aA LG Hamburg VersR 1979, 131); etwas anderes gilt nur, wenn er auf bewohnbarem Untergrund (zB Parkett) lose verlegt wurde (München NJWE-VHR 1996, 202; Köln NJOZ 2003, 1011, 1012; LG Oldenburg VersR 1988, 1285). Zur Herstellung eingefügt ist auch Parkett (FG Brandenburg BeckRS 1997, 31026513) sowie Linoleum (FG Köln EFG 2003, 1645 Rn 19; BeckOK/Fritzsche Rn 20; soweit dies von München SeuffA 74 Nr 157 und Hamburg OLGE 45, 110 verneint wurde, beruht dies maßgeblich darauf, dass das Linoleum auf bewohnbarem Untergrund verlegt war). (4) Einbaumöbel. Einbaumöbel sind zur Herstellung eingefügt, wenn sie an bestimmten Stellen fest eingepasst und mit dem umgebenden Mauerwerk vereinigt sind (BGH NJW-RR 1989, 1045, 1047; BFH DStRE 1998, 312, 313f; ThürFG BeckRS 1997, 14823; FG Sachsen-Anhalt BeckRS 2003, 26020102); nicht dagegen eine aus serienmäßigen Teilen hergestellte Schrankwand (Schleswig NJW-RR 1988, 1459, 1460) oder Schranktrennwand als Raumteiler (Düsseldorf OLG 1988, 115; Köln NJW-RR 2000, 697). (5) Einbauküchen. Bei Einbauküchen ist maßgeblich, ob im konkreten Einzelfall die allg Anforderungen bzgl der „Einfügung zur Herstellung“ (dazu Rn 15) erfüllt sind, wobei bzgl der Verkehrsanschauung auch regionale Spezifika zu berücksichtigen sind (BGH NJW-RR 1990, 914, 915; BFH DStR 2016, 2846 Rn 16). § 94 II ist insb erfüllt, wenn die Einbauküche speziell für einen bestimmten Raum angefertigt wurde, selbst wenn dabei serienmäßige Einbaugeräte verwendet wurden (Karlsruhe NJW-RR 1988, 459, 460; Zweibrücken NJW-RR 1989, 84; Hamm MDR 1990, 923; Saarbrücken VersR 1996, 97; Nürnberg NJW-RR 2002, 1485, 1486; Schleswig BeckRS 2012, 18626; AG Linz am Rhein ZMR 1996, 269, 271; Staudinger/Stieper Rn 35; BeckOGK/Mössner Rn 28.1; MüKo/Stresemann Rn 30). Bei Standardeinbauküchen aus seriengefertigten Teilen wird § 94 II dagegen idR verneint (BGH NJW 2009, 1078 Rn 13; Karlsruhe NJW-RR 1988, 459, 460; Saarbrücken VersR 1996, 97; Nürnberg NJW-RR 2002, 1485, 1486; Schleswig BeckRS 2012, 18626; Bremen FamRZ 2018, 250 Rn 16). Anders als früher teils speziell im norddeutschen Raum angenommen (so etwa Hamburg MDR 1978, 138), besteht auch keine Verkehrsanschauung dahin, dass ein Gebäude ohne Einbauküche nicht fertiggestellt ist (vgl Karlsruhe NJW-RR 1988, 459, 460; Frankfurt ZMR 1988, 136; Hamm NJW-RR 1989, 333; KG BauR 1991, 484, 485; Düsseldorf NJW-RR 1994, 1039; Saarbrücken VersR 1996, 97; Hamm FamRZ 1998, 1028; LG Siegen WE 2007, 65; AG Göttingen NJW-RR 2000, 1722; FG Schl-Holst BeckRS 1998, 15020; Schleswig BeckRS 2012, 18626). (6) Sonstige Ausstattung. Als zur Herstellung eingefügt angesehen wurde ferner zB: Markise (Hamburg MDR 1978, 138; Schleswig BeckRS 2012, 18626; BFHE 159, 303; aA FG Brandenburg EFG 1998, 777; FG Köln EFG 2003, 1645); Alarmanlage (BFH DStR 2000, 132, 133f; Hamm NJW-RR 1989, 923, 924); Kunstinstallation (Frankfurt BeckRS 2016, 5002 Rn 21); nicht hingegen zB: Beleuchtungsanlagen und -körper (RG JW 1909, 130; 1917, 809, 810; Köln HRR 1932 Nr 1029); Sauna (Koblenz JurBüro 2004, 506; LG Lübeck JurBüro 2004, 505); Bar oder Kletterwand in einem Wohnhaus (BGH NJW-RR 1989, 1045, 1047). cc) Einrichtungen des Gebäudes. Die Eigenschaft als betriebswirtschaftl Ausrüstung begründet für sich noch keine „Einfügung zur Herstellung“ iSd § 94 II (BGH MDR 1974, 298; MüKo/Stresemann Rn 34). Vielmehr gelten auch insoweit die allg Regeln (dazu Rn 15). Insb Maschinen sind grds nur dann wesentliche Bestandteile, wenn sie speziell für das Gebäude angefertigt wurden, das Gebäude gerade zur Aufnahme dieser Maschine konstruiert wurde oder Gebäude und Maschine besonders aneinander angepasst sind (RGZ 67, 30, 34; JW 1911, 532f; RGZ 130, 264, 266; BGH WM 1987, 47; Hamm BeckRS 2005, 30353137; Grü/Ellenberger Rn 6; Staudinger/ Stieper Rn 27; MüKo/Stresemann Rn 34). Als zur Herstellung eingefügt qualifiziert wurden ua: Maischwerk mit Pumpe eines Sudhauses (München JW 1937, 329); Squash-Courts einer Squash-Anlage (München OLGZ 1989, 335); speziell eingepasste Tresenanlage einer Gaststätte (Schleswig MDR 1995, 1212); Ladentheke (Zweibrücken ZInsO 2019, 1073 Rn 83); automatische Fütterungs- und Tränkanlage in Stall-/Mastanlage (BGH BeckRS 1987, 31065834; BFH DStR 2010, 2240 Rn 22); maschinelle Einrichtung eines E-Werks (BayObLG MittBayNot 1999, 310, 311 [gem § 93]); Lastenfahrstuhlanlage eines Fabrikgebäudes (BFH BB 1978, 186); Aufzug eines Hotels (RGZ 90, 198, 200f); Notstromaggregat eines Hotels (BFH NJW 1987, 3178) oder einer Disco (Saarbrücken NJW-RR 2001, 1632); Videoüberwachungsanlage eines Einkaufszentrums (Schleswig SchlHA 2006, 76); Geschirrspülband, Tauchbecken, Abflusssiebe und ggf Geschirrspülmaschine im Falle einer Spülküche eines Krankenhauses (LAG Saarland BeckRS 2016, 68631 Rn 49); Gepäckförderbandanlage eines Flughafengebäudes (Frankfurt BeckRS 2017, 102016 Rn 8). Nicht hingegen: Akkumulatorenbatterie eines Elektrizitätswerks auf Balken (RGZ 56, 288, 290); maschinelle Kühlanlage eines Hotels (RG JW 1932, 1901); Ladeneinrichtung einer Bäckerei (LG Aachen NJW-RR 1987, 272); Bierschankanlage einer Gaststätte (Celle MDR 1998, 463); Kegelbahn einer Gaststätte (BGH BB 1954, 456); Glocke einer Kapelle (BGH NJW 1984, 2277, 2278); Lokomobile in Fabrikhalle (RG JW 1911, 532f); Druckmaschinen in Druckereigebäude (RGZ 67, 30, 34); Dampferzeuger in einer Fabrik (BGH WM 1987, 47; Oldenburg NJW 1962, 2158); Brückenkrananlage in einer Produktionshalle (Hamm BeckRS 2005, 30353137); Kreisförderanlage einer Bonbonfabrik (BGH BauR 1972, 379). e) Schiffe und Luftfahrzeuge. aa) Schiffe. Für eingetragene Schiffe, die rechtl weitgehend wie Immobilien behandelt werden, gilt § 94 II analog (BGH NJW 1958, 457; Bremen BeckRS 2004, 30348140; vgl auch bereits RGZ 152, 91, 97); wesentliche Bestandteile sind daher etwa der Schiffsmotor (BGH NJW 1958, 457), Schiffsketten (LG Hamburg MDR 1955, 413); Lukendeckel eines Containerhochseeschiffs (Bremen OLGRp 2005, 248). Bei nicht eingetragenen Schiffen gilt § 94 II nicht analog, hier ist allein § 93 maßgeblich (Staudinger/Stieper Rn 38; BeckOGK/Mössner Rn 31; MüKo/Stresemann Rn 37).
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bb) Luftfahrzeuge. Auf eingetragene Luftfahrzeuge ist § 94 II hingegen nach zutr hM nicht analog anwendbar, da diese gem § 98 I 1 LuftFzgG wie bewegliche Sachen übereignet werden (Elbing ZLW 1995, 387ff; Grü/Ellenberger Rn 5; BeckOK/Fritzsche Rn 23; Staudinger/Stieper Rn 39; BeckOGK/Mössner Rn 32; Schmalenbach/Sester WM 2009, 725, 726; Schölermann/Schmid-Burgk WM 1990, 1137, 1143f; MüKo/Stresemann Rn 38; vgl auch BTDrs 16/11130, 40; aA Soergel/Marly Rn 21). 4. Rechtliche Bedeutung. Zur rechtl Bedeutung der Qualifikation als wesentlicher Bestandteil s § 93 Rn 11ff. Im Versicherungsrecht kann der Begriff der „wesentlichen Bestandteile“ zwar deckungsgleich mit demjenigen der §§ 93f sein, muss es aber nicht; maßgeblich ist letztlich der Sinnzusammenhang der jew Versicherungsbedingungen (BGH NJW-RR 1992, 793; NJW-RR 1994, 1300, 1301; Köln NJW-RR 2000, 697; AG München r+s 2010, 424; Grü/Ellenberger § 93 Rn 4; Staudinger/Stieper Rn 40; MüKo/Stresemann Rn 40). Relevant werden kann der Begriff des „wesentlichen Bestandteils“ auch im Steuerrecht; so verweist etwa § 2 I 1 GrEStG auf §§ 93f (vgl dazu Viskorf/Viskorf § 2 GrEStG Rn 26ff mwN); ertragssteuerlich sind aber zB Betriebsvorrichtungen auch dann selbständige bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn sie nach §§ 93f Bestandteil des Grundstücks sind (vgl BFH DStR 2010, 2240 Rn 37).
§ 95
Nur vorübergehender Zweck
(1) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist. (2) Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes. 1 1. Überblick und Ratio. § 95 normiert zwei Ausnahmetatbestände, in denen trotz Vorliegens der Voraussetzungen von §§ 93, 94 keine wesentlichen Bestandteile, sondern nur sog Scheinbestandteile vorliegen. Dies ist zum einen der Fall, wenn die Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt (§ 95 I 1, II, dazu Rn 2ff), denn dann mangelt es am inneren Moment der beabsichtigen Zusammengehörigkeit (vgl Mot III, 48); zum anderen dann, wenn die Verbindung in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten erfolgt (§ 95 I 2, dazu Rn 9ff), denn dann sind die Sachen nicht dem Grundstück, sondern akzessorisch dem Recht zuzuordnen (Mot III, 48). Die hiermit verbundene Einschränkung der Publizität wird vom Gesetz im Interesse der Verfügbarkeit über diese Sachen bewusst in Kauf genommen (BGH NJW 2006, 990 Rn 27; 2017, 2099 Rn 21; 2022, 614 Rn 41). Mit Blick auf dieses Telos ist § 95 I auf Bestandteile einer beweglichen Sachen iSv § 93 nicht entspr anwendbar (BGH NJW 2022, 614 Rn 41; ZRI 2022, 455 Rn 17). 2 2. Verbindung zu vorübergehendem Zweck (§ 95 I 1, II). a) Grundsätze. aa) Vorübergehender Zweck. Zu einem vorübergehenden Zweck geschieht die Verbindung, wenn die spätere Trennung von Anfang an beabsichtigt oder mit Sicherheit erwartet wird, wenn auch erst nach langer Dauer (RGZ 63, 416, 421; BGH NJW 1960, 1003; MDR 1974, 298; BeckRS 2016, 116034 Rn 16; Schleswig NZM 2013, 877, 879). Maßgeblich ist der Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung, der aber mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein muss, dh sein objektivierbarer, dem normalen Lauf der Dinge entsprechender Wille (RGZ 153, 232, 231; 158, 362, 376; BGH NJW 1968, 2331; 1984, 2878, 2879; 1988, 2789, 2790; NJWRR 1991, 1367, 1368; ZIP 1999, 75; NJW 2000, 1031, 1032; 2012, 778, Rn 39; NJOZ 2017, 1516 Rn 16; NJW 2017, 2099 Rn 7; Hamm BeckRS 2017, 149771 Rn 86). Ob und ggf welchen vertragl Regelungen er sich unterworfen hat, ist grds ebenso irrelevant (BGH ZIP 1999, 75; NJW 2012, 778 Rn 39) wie die Art und Festigkeit der Verbindung, dh insb steht auch eine massive Bauweise oder besonders feste Verbindung nicht entgegen (vgl Staudinger/Stieper Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 3; vgl auch BGH NJW 1953, 137; 1956, 1273, 1274; 1959, 1487; VIZ 1998, 582, 583; NJW 1984, 2878, 2879; BeckRS 2013, 04611 Rn 16; NJOZ 2017, 1516 Rn 16). 2a Zu verneinen ist ein nur vorübergehender Zweck dagegen im Falle einer Lieferung unter Eigentumsvorbehalt, denn der Parteiwille geht hier ja gerade auf den Eigentumserwerb mit vollständiger Zahlung (RGZ 63, 416, 421f; BGH NJW 1970, 895, 896); ein dauerhafter Zweck liegt ferner vor, wenn der Verbindende die Erwartung hatte, das Eigentum oder Erbbaurecht an dem Grundstück zu erwerben (BGH DNotZ 1973, 471, 472; NJW 1988, 2789, 2790; 2008, 69 Rn 77). 2b Speziell in Bezug auf Windkraftanlagen war lange Zeit umstritten, ob und welche Relevanz die wirtschaftl Lebensdauer der Sache hat. Teilweise wurde angenommen, dass eine Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck nur dann vorliege, wenn die Laufzeit des schuldrechtl Nutzungsvertrags kürzer ist als die wirtschaftl Lebensdauer der Sache (so etwa Celle CuR 2009, 150, 151; Rostock BeckRS 2004, 30997436; LG Flensburg WM 2000, 2112, 2113; Böttcher notar 2012, 383, 385; Grü/Ellenberger Rn 3; Ganter WM 2002, 105, 107f; Staudinger/ Stieper Rn 11; Stieper NJW 2017, 2101f). Nach der überzeugenden Gegenauffassung (Schleswig WM 2005, 1909, 1911f; Derleder/Sommer ZfIR 2008, 325, 329; Mohr VW 2017, 289, 295; Peters WM 2002, 110, 118; Peters WM 2007, 2003, 2006; Peters FS Lwowski, 2014, 139, 160ff; Peters WuB 2017, 493, 495; Peters WM 2019, 811, 816; MüKo/Stresemann Rn 17, Rn 12; Voß/Steinheber ZfIR 2012, 337, 341; vgl auch bereits Erman/J. Schmidt14 § 94 Rn 12), der sich inzwischen der BGH angeschlossen hat (BGH NJW 2017, 2099; NJW 2022, 614 Rn 8), kann eine Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck jedoch auch dann vorliegen, wenn die Sache für ihre gesamte 286
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wirtschaftl Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll; das Zeitmoment bezieht sich nicht auf die wirtschaftl Lebensdauer der Sache, sondern auf die Verbindung mit dem Grundstück. Die Gegenauffassung hätte nämlich die paradoxe Konsequenz, dass kurzlebige Sachen eher wesentliche Bestandteile würden als langlebige; dafür gibt es jedoch keinen sachlichen Grund (BGH NJW 2017, 2099 Rn 19). Zudem würden sich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, wenn der „Verbrauch“ der Sache während der Grundstücksnutzung das Vorliegen eines Scheinbestandteils ausschließen würde (BGH NJW 2017, 2099 Rn 24ff). bb) Relevanz der Person des Verbindenden. Wer die Verbindung vornimmt und ob er dazu berechtigt war, ist 3 grds irrelevant; die in § 785 I E vorgesehenen Einschränkungen („von einem anderen als dem Eigentümer … befugter Weise“) sind gerade nicht in die endgültige Gesetzesfassung übernommen worden (Staudinger/Stieper Rn 13; BeckOGK/Mössner Rn 22; MüKo/Stresemann Rn 4; aA Giesen AcP 202, 689, 706). Sofern die Verbindung jedoch in Ausübung eines zeitl begrenzten Nutzungsrechts erfolgt, spricht eine Vermutung für einen nur „vorübergehenden Zweck“, so insb im Falle der Verbindung durch einen Mieter, Pächter oder ähnl schuldrechtl Berechtigten (RGZ 55, 281, 284; 87, 43, 51; BGH NJW 1953, 137; 1984, 2878, 2879; VIZ 2003, 391, 392; BeckRS 2013, 04611 Rn 16; NJOZ 2017, 1516 Rn 16; NJW 2017, 2099 Rn 8; NJW 2022, 614 Rn 8; KG WuM 2019, 78, 79; Stuttgart EWeRK 2020, 130, 133; Brandenburg BeckRS 2022, 2637 Rn 31). Eine „ähnl Berechtigung“ wurde zB bejaht bei einer GbR (BGH NJW 1959, 1489), sie kann sich aber auch aus dem öffentlichen Recht ergeben (BGH NJW 1953, 137 [öffentlich-rechtl Anordnung]; Koblenz Justiz 1978, 276 [Bahnkonzession]; Frankfurt NJW 1984, 2303, 2304 [Grenzsteinsetzung]; Rostock BeckRS 2012, 01534 [„Interessengemeinschaft“ nach DDRKommunalrecht]). Entkräftet ist diese Vermutung erst dann, wenn der Verbindende bei der Einbringung den Willen hat, die Sache bei Beendigung des Vertrags- bzw sonstigen Verhältnisses in das Eigentum des anderen Teils bzw eines dritten Grundstückseigentümers fallen zu lassen (BGH NJW 1953, 137, 138; 1984, 2878, 2879; VIZ 2003, 391, 392; BeckRS 2013, 04611, Rn 13). So etwa, wenn er in der Erwartung handelt, einen langfristigen Miet-, Pacht- oder Leasingvertrag mit einer Übernahme des Gebäudes bzw der Anlage durch den Vermieter/Verpächter/Leasinggeber abzuschließen (BGH WM 1973, 560, 562; 1988, 2789, 2790; ZIP 1999, 75); ausreichend ist insoweit auch, dass dem Vermieter/Verpächter die Übernahme nach Ablauf der Vertragszeit nur freigestellt ist, er also insoweit ein Wahlrecht hat (RG JW 1937, 2265; BGH WM 1958, 564; 1964, 426, 427; 1971, 822, 824; NJW 1985, 789; Koblenz CuR 2007, 107, 108; Schleswig NZM 2013, 877, 879; Frankfurt BeckRS 2014, 20060 Rn 70). Kein nur vorübergehender Zweck liegt ferner vor, wenn der Mieter/Pächter in der Erwartung handelt, später das Eigentum oder Erbbaurecht am Grundstück zu erwerben (s Rn 2 aE). cc) Nachträgliche Änderungen. (1) Umwandlung von Scheinbestandteil in wesentlichen Bestandteil. Die 4 bloße nachträgl Änderung der ursprünglichen Zweckbestimmung durch den Verbindenden genügt für sich allein nicht zur Umwandlung eines Schein- in einen wesentlichen Bestandteil (BGH NJW 1957, 457). Hierzu bedarf es vielmehr einer dinglichen Einigung analog § 929 S 2, dass mit dem Übergang des Eigentums zugleich der Zweck der Verbindung geändert und die bisher rechtl selbständige Sache künftig ein Bestandteil des Grundstücks sein soll (BGH NJW 1957, 457; 1959, 1487, 1488; 1987, 774; 2004, 1237f; 2006, 990 Rn 16; 2022, 614 Rn 36; VGH Kassel NVwZ-RR 2015, 855 Rn 8; Stuttgart EWeRK 2020, 130, 133; aA Giesen AcP 202, 689, 715ff). (2) Umwandlung von wesentlichem in Scheinbestandteil. Str ist hingegen der umgekehrte Fall: Der BGH hat 5 in einem Versorgungsleitungen betreffenden Fall entschieden, dass eine Umwandlung eines wesentlichen in einen Scheinbestandteil ebenfalls durch eine dingliche Einigung analog § 929 S 2 möglich ist, dass mit dem Übergang des Eigentums zugleich der Zweck der Verbindung geändert und der bisherige wesentliche Bestandteil zu einer rechtl selbständigen Sache wird, ohne dass es hierfür einer physischen Trennung vom Grundstück bedarf (BGH NJW 2006, 990; ihm folgend BFH NZM 2007, 611, 612; Celle NJOZ 2007, 4202; CuR 2009, 150; München NJOZ 2012, 248, 249; VGH München BeckRS 2012, 51916, Rn 7; Derleder/Sommer ZfIR 2008, 325, 329; Klemm CuR 2006, 1, 6ff; Meier MittBayNot 2019, 548, 551ff; Meier MittBayNot 2020, 1ff; BeckOGK/Mössner Rn 15, 15.1; Peters WM 2007, 2003, 2007f; Peters FS Lwowski, 2014, 139, 162ff; Wicke DNotZ 2006, 252, 265f; ebenso auch bereits KG NJW-RR 2006, 301, 302; Brüning VIZ 1997, 398, 403). Im Schrifttum wird diese Entscheidung allerdings speziell im Hinblick auf die damit verbundene Einschränkung des Publizitätsprinzips heftig kritisiert (vgl Böttcher notar 2012, 383, 386; Ganter WuB IV A. § 95 BGB 2.06; Hertel MittBayNot 2006, 321, 322f; Staudinger/Stieper Rn 15; Kesseler ZNotP 2006, 251, 252ff; Kesseler ZNotP 2007, 330ff; Stieper WM 2007, 861, 867; MüKo/Stresemann Rn 14ff; Reymann DNotZ 2010, 84, 93ff; Tersteegen RNotZ 2006, 433, 437; Voß/ Steinheber ZfIR 2012, 337, 344); ihre Reichweite wird denn auch teils allein auf den spezifischen Bereich der Versorgungsleitungen beschränkt (vgl Böttcher notar 2012, 383, 386; Hertel MittBayNot 2006, 321, 322; Reymann DNotZ 2010, 84, 93; Stieper WM 2007, 861, 867; MüKo/Stresemann Rn 14ff; Voß/Steinheber ZfIR 2012, 337, 343f; etwas weiter BeckOK/Fritzsche Rn 17; offenlassend München NJOZ 2012, 248, 249). Diese Kritik ist allerdings nicht gerechtfertigt, denn wie der BGH zutreffend betont, hat sich der Gesetzgeber im Rahmen des § 95 ganz bewusst dafür entschieden, das sachenrechtl Publizitätsprinzip im Interesse der Verfügbarkeit über diese Sachen einzuschränken (vgl BGH NJW 2006, 990 Rn 27; s auch oben Rn 1; vgl auch BeckOK/Fritzsche Rn 17; Peters WM 2007, 2003, 2007f). Entgegen einer verbreiteten Lesart des Urteils (vgl etwa Celle NJOZ 2007, 4202; CuR 2009, 150; Grü/Ellenberger Rn 4; Kesseler ZNotP 2006, 251, 252; Kesseler ZNotP 2007, 330, 331f; Reymann DNotZ 2010, 84, 93; Reymann ZIP 2013, 605, 607; Schweizer WuM 2006, 415ff; Voß/Steinheber ZfIR 2012, 337, 343; Wicke DNotZ 2006, 252, 265f) besteht auch kein zusätzl Erfordernis eines „berechtigten Interesses“ (idS auch BFH NZM 2007, 611, 612; VGH München BeckRS 2012, 51916 Rn 7; Meier MittBayNot 2019, 548, 553); die diesbzgl Ausführungen des BGH in Rn 25ff beziehen sich vielmehr auf die bereits erwähnte in § 95 zum AusJ. Schmidt
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druck kommende Wertung, dem Interesse an der Verfügbarkeit der Sache Vorrang vor dem Publizitätsprinzip einzuräumen. (3) Sonderfall: Eigentumsvereinigung. Im Falle der Vereinigung von Eigentum am Grundstück und am Scheinbestandteil in einer Hand ist idR anzunehmen, dass nunmehr der „vorübergehende Zweck“ entfällt und die Sache damit ex lege zum wesentlichen Bestandteil wird; im Einzelfall kann aber auch ein anderer Wille des Eigentümers bestehen (RGZ 97, 102, 105; BGH WM 1971, 822, 824; NJW 1980, 771, 772). (4) Anbau. Errichtet der Eigentümer eines Gebäudes, das nur Scheinbestandteil ist, einen Anbau, so wird dieser selbst dann, wenn seine feste Verbindung mit dem Grundstück auf Dauer gewollt ist, nicht dessen wesentlicher Bestandteil, sondern bildet zusammen mit dem Altbau einen einheitlichen Scheinbestandteil (BGH LM Nr 7 zur PreisstopVO; BGH NJW 1987, 774; Köln NJWE-MietR 1996, 199, 200; Koblenz MDR 1999, 1059, 1060). Umgekehrt ist § 95 I 1 nicht anwendbar, wenn bei einem Altgebäude, das wesentlicher Bestandteil ist, ein Anoder Umbau erfolgt; dies kann nicht dazu führen, dass dieses Altgebäude nun zu einem Scheinbestandteil wird; denkbar ist lediglich, dass die verwendeten Baumaterialien nur Scheinbestandteile sind (BGH VIZ 1998, 582, 583). b) Kasuistik. aa) Scheinbestandteile iSd § 95 I 1. § 95 I 1 wurde ua in folgenden Fällen bejaht: Vom Mieter/ Pächter errichtete Gebäude, zB Fabrikgebäude mit Verpflichtung zum Abriss nach Ablauf der Pachtzeit (RGZ 59, 20); landwirtschaftl Maschinenhalle (Celle RdL 2005, 37); Ladengebäude (BGH NJW 1996, 916); Wohnhaus (LG Hamburg BB 1955, 940); Holzhaus (BGH NJW 1984, 2878); Gartenhaus (BGH NJW 1987, 774; Hamm NJW-RR 2009, 440); Baulichkeiten eines Kleingartenpächters (BGH BeckRS 2013, 04611 Rn 13; AG Brandenburg BeckRS 2017, 101433); zweigeschossiger Lagerschuppen (LG Stuttgart DGVZ 2003, 153); Jagdhütte (LG Landau BeckRS 2002, 16827); Bootsanlage (BGH NJW 2007, 2182 Rn 14; Naumburg NJ 2001, 652); vom Mieter/Pächter errichtete Tankstellenanlagen (Düsseldorf VersR 1993, 316; Hamburg BeckRS 1999, 17043; Düsseldorf NZM 2009, 242; Brandenburg BeckRS 2009, 15965) oder Silos (Brandenburg BeckRS 2011, 27418); in Ausübung einer öffentlich-rechtl Anordnung errichtetes Behelfsheim (BGH NJW 1953, 137); in Ausübung einer „Interessengemeinschaft“ nach DDR-Kommunalrecht errichtete Gaststätte und Schuppen (Rostock BeckRS 2012, 01534); aufgrund Nutzungsvereinbarung errichtete Slipanlage einer Werft (OVG Bremen NJW-RR 1986, 955); auf der Grundlage eines Nutzungsvertrags mit dem Grundstückseigentümer errichtete Freiland-Photovoltaikanlage (BGH NJW 2022, 614 Rn 8); aufgrund eines Wegenutzungsvertrags errichtete Fernwärmeversorgungsanlagen (Stuttgart EWeRK 2020, 130, 133); vom Mieter/Pächter angepflanzte Bäume/Pflanzen (RGZ 105, 213, 215 [Gärtnerei]; BGH BeckRS 2013, 04611 Rn 13 [Kleingartenpächter]; AG Oldenburg DGVZ 1988, 79 [Obstplantage]; anders aber Düsseldorf 1998, 1020 [vom Mieter gepflanzte Rhododendronsträucher]; Brandenburg BeckRS 2010, 10404 [vom Pächter als dauerhafte Einnahmequelle gepflanzte Rosenstöcke]; LG Detmold NZM 2014, 434 [vom Mieter als Sichtschutz gepflanzte Thuja-Hecke]); Pflanzen/Bäume einer Gärtnerei/Baumschule (RGZ 66, 88, 90; 105, 213, 215; LG Bayreuth DGVZ 1985, 42; Hamm NJW-RR 1992, 1438, 1439) oder Weihnachtsbaumkulturen (Hamm MDR 1992, 1034; FG Münster EFG 2019, 1995); Mobilheim als Ferienhaus auf einem Campingplatz (Koblenz MDR 1999, 1059); vom Mieter auf einen Campingstellplatz verbrachter Wohnwagen mit winterfestem Vorbau samt Zubehör (Bamberg BeckRS 2015, 15289 Rn 4); vom Mieter errichtete Kunstinstallation (Frankfurt BeckRS 2016, 5002 Rn 21); Baugerüst (RG WarnR 1910 Nr. 154); Grabstein (BGH JR 1977, 367f; Köln OLG 1993, 113; LG Braunschweig NJW-RR 2001, 715); historischer Grenzstein (Frankfurt NJW 1984, 2303, 2304); von der Stadt am Eingang zur Fußgängerzone aufgestellte Skulptur (Zweibrücken NJW 2016, 821 Rn 34); Kinderschaukel und Sandkasten (BGH NJW 1992, 1101, 1102; AG Hamburg-Blankenese ZMR 2004, 223); vom Käufer errichteter, relativ leicht versetzbarer Streckmetallzaun im Falle der Nichtigkeit des Kaufvertrags (Hamm 10.5.1999 – 22 U 52/98); Bunkerbauten des „Westwalls“ (BGH NJW 1956, 1273). Verneint wurde § 95 I 1 dagegen ua in folgenden Fällen: vom Ehemann auf einem der Ehefrau gehörenden Grundstück errichtete Laube (Brandenburg BeckRS 2009, 01225); Nebengebäude, das ein Versorgungsunternehmen teilw als Trafostation nutzt (Köln NJW-RR 1991, 99, 100); Luftschutzstollen (BGH NJW 1960, 1003); Bunkergang (VG Schleswig BeckRS 2016, 113637); auf Nachbargrundstück zur Abstützung des eigenen aufgeschüttetes Erdreich (OVG Münster BauR 2012, 1237); s ferner die in Rn 2, 3 zitierten Fälle. Zu Leitungen s § 94 Rn 11; zu EEG-Anlagen s § 94 Rn 12. bb) Scheinbestandteile iSd § 95 II. § 95 II wurde ua in folgenden Fällen bejaht: für die Dauer eines Wärmelieferungsvertrags errichtete Heizungsanlagen (Brandenburg BeckRS 2008, 23473; Düsseldorf RNotZ 2008, 24, 25; Brandenburg CuR 2009, 59; Frankfurt CuR 2009, 65); von einer Bank in gemieteten Räumen installierter Tresor (Jena JW 1933, 924); vom Mieter installierte Einbauküche (Celle NJW-RR 1989, 913, 914; Koblenz ZMR 1993, 66; LG Berlin NJW-RR 1997, 1097), Telefonanlage (LG Mannheim JW 1937, 3305) oder Kunstinstallation (BeckRS 2016, 05002 Rn 21); verneint dagegen ua bei Einrichtungsgegenständen einer Arztpraxis in einem Ärztehaus, das auf Dauer so genutzt werden sollte (Brandenburg BeckRS 2010, 31098); vom Mieter/Pächter in Ausübung einer Instandhaltungspflicht eingefügte Sachen (RG WarnR 1913 Nr 39; BFH BB 1994, 33, 34). 3. Verbindung in Ausübung eines Rechts (§ 95 I 2). a) Anwendungsbereich. Gem § 95 I 2 sind Gebäude oder andere Werke, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden werden, nur Scheinbestandteile; Verbindung mit dem Grundstück erfasst dabei auch die Verbindung mit einem Gebäude, das dessen wesentlicher Bestandteil ist (RGZ 106, 49, 51).
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b) Gebäude und andere Werke. Der Begriff Gebäude entspricht dem des § 94 (dazu § 94 Rn 6) (vgl BeckOK/ Fritzsche Rn 11; Staudinger/Stieper Rn 17). Andere Werke sind einem bestimmten Zweck dienende, nach gewissen Regeln der Kunst oder der Erfahrung unter Verbindung mit dem Erdkörper hergestellte Gegenstände (RGZ 60, 138, 139; 76, 260, 261; BGH NJW 1961, 1670, 1672). Als solche qualifiziert wurden zB ein Bahndamm (RG JW 1908, 196), ein Stauwehr (RG LZ 1928, 1327) oder ein Baugerüst (RG WarnR 1910 Nr 154). c) Recht an einem fremden Grundstück. aa) Dingliche Rechte. Rechte iSd § 95 I 2 sind nur dingliche Rechte (BGH LM Nr 16 zu § 95; Schleswig WM 2005, 1909, 1912; Koblenz CuR 2007, 107, 108; Brandenburg BeckRS 2009, 05895). Erfasst sind zB Nießbrauch (RGZ 106, 49, 50; BGH LM Nr 2 zu § 95; Celle MDR 1952, 744; BFH NJW-RR 1990, 1034), Grunddienstbarkeit (Köln NJW-RR 1993, 982f; München OLGRp 2000, 332; Stuttgart FGPrax 2011, 285; BWNotZ 2012, 39, 41), beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Hamburg OLGRp 1999, 362; München OLGRp 2000, 332; Schleswig WM 2005, 1909, 1912; Hamm BeckRS 2017, 149771 Rn 91); ferner an sich auch das Erbbaurecht, aufgrund eines solchen errichtete Gebäude und andere Werke gelten jedoch schon gem § 12 I, II ErbbauRG als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts (vgl Staudinger/Stieper Rn 18, 24; MüKo/ Stresemann Rn 24). § 95 I 2 gilt ferner analog beim rechtmäßigen bzw entschuldigten Überbau (dazu § 94 Rn 7f). bb) Öffentlich-rechtl gewährte Rechte mit quasi-dinglichem Charakter. Gleichgestellt sind öffentlich-rechtl gewährte Rechte, sofern sie quasi-dinglichen Charakter haben, dh einem dinglichen Recht gleichstehen (BGH BB 1955, 335; LM Nr 16 zu § 95). Dies ist insb der Fall bei den öffentlich-rechtl Befugnissen zur Verlegung von Ver-/Entsorgungsleitungen für Wasser/Abwasser (§ 8 AVBWasserV), Strom (§ 12 NAV), Gas (§ 12 NDAV), Fernwärme (§ 8 AVBFernwärmeV) (Düsseldorf BeckRS 2021, 46602 Rn 34; BeckOK/Fritzsche Rn 14; Staudinger/ Stieper Rn 20; BeckOGK/Mössner Rn 29.1; MüKo/Stresemann Rn 26f) sowie Telekommunikationsleitungen gem § 76 TKG (Stuttgart BeckRS 2012, 21818; VGH Mannheim BeckRS 2013, 53556; BeckOK/Fritzsche Rn 14; BeckOGK/Mössner Rn 29.1; MüKo/Stresemann Rn 29; vgl auch BGH NJW-RR 2004, 231 zu § 57 TKG aF). d) Verbindung in Ausübung des Rechts durch den Berechtigten. aa) „In Ausübung“. „In Ausübung“ bedeutet nicht, dass Inhalt und Zweck des Rechts gerade auf die Verbindung gerichtet sind, sondern nur, dass sie in rechtmäßiger Ausübung eines Rechts, das derartiges gestattet, erfolgt (RGZ 106, 49, 50). Die Ausübung muss zudem nicht zwingend unmittelbar durch den Berechtigten selbst erfolgen, sondern es genügt, wenn der Verbindende von diesem hierzu ermächtigt ist, zB als Mieter/Pächter eines Nießbrauchers (BGH LM Nr 2 zu § 95); nicht ausreichend ist hingegen ein Handeln eines Nichtberechtigten, zB im Wege der GoA (BGH LM Nr 2 zu § 95). bb) Existenz des Rechts. Das Recht muss tatsächlich existieren; § 95 I 2 greift nicht, wenn der Verbindende dies nur irrig annimmt (BGH LM Nr 14 zu § 951; Stuttgart BWNotZ 2012, 39, 41). Nach zutreffender hM ist jedoch nicht erforderlich, dass das Recht im Zeitpunkt der Verbindung bereits eingetragen ist (so aber etwa Goecke/Gamon WM 2000, 1309, 1312; Rastätter BWNotZ 1986, 79, 80f; wohl auch Klemm CuR 2006, 1, 8), sofern es später überhaupt eingetragen wird; es genügt vielmehr, dass die Bestellung zu diesem Zeitpunkt bereits in Aussicht genommen ist (BGH LM Nr 14 zu § 951; Breslau DJ 1938, 380; Hamburg OLGRp 1999, 362, 364; Schleswig WM 2005, 1909, 1912; Brandenburg BeckRS 2009, 15965; Grü/Ellenberger Rn 5; BeckOK/Fritzsche Rn 15; Mohr VW 2017, 289, 296; Peters FS Lwowski, 2014, 139, 156; Peters WuB 2017, 493, 496; Peters WM 2019, 811, 818; MüKo/Stresemann Rn 33). Dass bereits ein Anwartschaftsrecht besteht (dies fordernd etwa Derleder/Sommer ZfIR 2008, 325, 328f; Staudinger/Stieper Rn 21; Hagen CuR 2010, 44, 45; BeckOGK/Mössner Rn 33; Stieper WM 2007, 861, 866; Voß/Steinheber ZfIR 2012, 337, 342; sowie noch Peters WM 2002, 110, 114f) oder zumindest bereits die notarielle Einigung erfolgt ist (so etwa Koblenz CuR 2007, 107, 108; Stuttgart BWNotZ 2013, 39, 42; wohl auch Schleswig WM 2005, 1909, 1912), ist hingegen nicht erforderlich. Sofern das Recht später tatsächlich eingetragen wird, kann es – speziell mit Blick auf die Ratio des § 95 I 2 und die hier generell eingeschränkte Publizität – nicht darauf ankommen, wie sicher die Rechtsposition im Zeitpunkt der Verbindung bereits war (vgl MüKo/Stresemann Rn 33). cc) § 95 I 2 analog bei nachträgl Bestellung des Rechts. Von den in Rn 15 diskutierten Fällen strikt zu trennen ist die Frage, ob ein Gebäude/Werk, das als wesentlicher Bestandteil mit dem Grundstück verbunden wurde, durch nachträgl Bestellung eines Rechts analog § 95 I 2 in einen Scheinbestandteil umgewandelt werden kann. Ein Teil der Lehre verneint dies unter Hinw auf Wortlaut der Norm und Publizitätsaspekte generell (so etwa Staudinger/Stieper Rn 21; Stieper WM 2007, 861, 867f). Lässt man jedoch im Rahmen des § 95 I 1 eine solche „Umwidmung“ zu (Rn 5), muss dies erst recht im Rahmen des § 95 I 2 möglich sein, zumal hier durch die Eintragung des Rechts, selbst wenn diese erst nachträgl erfolgt, gerade Publizität geschaffen wird; eine analoge Anwendung des § 95 I 2 ist folglich mit der im Vordringen befindlichen Ansicht zu bejahen (Hertel MittBayNot 2006, 321, 323f; Kesseler ZNotP 2006, 251, 254; Meier MittBayNot 2020, 1ff; BeckOGK/Mössner Rn 34; Reymann DNotZ 2010, 84, 95; Reymann ZIP 2013, 605, 607; MüKo/Stresemann Rn 34; Tersteegen RNotZ 2006, 433, 450f; Wicke DNotZ 2006, 252, 262f; Voß/Steinheber ZfIR 2012, 337, 345; wohl auch Böttcher notar 2012, 383, 386). e) Wegfall von Recht/Berechtigung; Konsolidation. Das spätere Erlöschen des Rechts (BeckOK/Fritzsche Rn 15; Staudinger/Stieper Rn 23; BeckOGK/Mössner Rn 35; MüKo/Stresemann Rn 36) bzw der Berechtigung des Verbindenden (Staudinger/Stieper Rn 23) ist grds irrelevant; etwas anderes gilt gem § 12 III ErbbauRG nur beim Erbbaurecht, hier wird das Gebäude/Werk ex lege wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Im Falle der Konsolidation bleibt das Recht gem § 889 ohnehin bestehen (vgl Staudinger/Stieper Rn 23; BeckOGK/Mössner Rn 37).
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3. Rechtliche Bedeutung. a) Rechtlich selbständige Sachen. Scheinbestandteile iSd § 95 sind weder wesentliche noch unwesentliche Bestandteile, sondern rechtl selbständige bewegliche Sachen (RGZ 55, 281, 284; 87, 43, 51; BGH NJW 1962, 1817, 1818; 1980, 771, 772; 1987, 774; NJW-RR 2006, 1160 Rn 7; BGH BeckRS 2016, 116034 Rn 15; NJW 2017, 2099 Rn 6; Staudinger/Stieper Rn 27f; NK/Ring Rn 52; BeckOGK/Mössner Rn 46; MüKo/Stresemann Rn 37). Wegen § 97 II 1 (dazu noch § 97 Rn 14ff) sind jedenfalls Scheinbestandteile iSd § 95 I 1, II auch kein Zubehör (BGH NJW 1962, 1498; Staudinger/Stieper Rn 27, § 97 Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 49; MüKo/Stresemann Rn 37); denkbar ist eine Zubehöreigenschaft dagegen bei Scheinbestandteilen iSd § 95 I 2 (Staudinger/Stieper Rn 27; BeckOGK/Mössner Rn 50); ferner können beide Arten von Scheinbestandteilen Zubehör eines anderen Grundstücks als dem, mit dem sie verbunden sind, sein (RGZ 55, 281, 284f; Staudinger/ Stieper Rn 27, § 97 Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 51; MüKo/Stresemann § 97 Rn 8), was insb bei Versorgungsleitungen in Betracht kommt (s § 94 Rn 11). b) Anwendung des Mobiliarsachenrechts. Aufgrund ihrer Rechtsnatur als bewegliche Sachen (vgl Rn 18) gilt für Scheinbestandteile Mobiliarsachenrecht. Sie werden also gem §§ 929ff übereignet (RGZ 97, 102, 106; BGH NJW 1987, 774; BeckRS 2013, 04611, Rn 14; BGH NJW 2017, 2099 Rn 6; München OLGRp 2000, 332; Staudinger/Stieper Rn 29; BeckOGK/Mössner Rn 52; MüKo/Stresemann Rn 38); möglich ist auch gesetzl Eigentumserwerb gem § 947 und § 950 (Staudinger/Stieper Rn 29; BeckOGK/Mössner Rn 52); für die Verpfändung gelten §§ 1204ff (Staudinger/Stieper Rn 29; BeckOGK/Mössner Rn 52), und sie unterliegen der Mobiliarzwangsvollstreckung (Köln OLG 1993, 113; Rpfleger 1996, 296; LG Brandenburg NJW-RR 2001, 715; LG Stuttgart DGVZ 2003, 153; Staudinger/Stieper Rn 30; BeckOGK/Mössner Rn 53; MüKo/Stresemann Rn 40). Ein Kaufvertrag bedarf nicht der Form des § 311b I 1 (Celle MDR 1952, 744; Koblenz MDR 1999, 1059, 1060; LG Darmstadt RdE 2007, 239; Staudinger/Stieper Rn 29; BeckOGK/Mössner Rn 52; MüKo/Stresemann Rn 38). 4. Beweislast. Im Prozess trägt die Beweislast derjenige, der sich auf den Ausnahmetatbestand des § 95 beruft (RGZ 158, 362, 375; BGH NJW 2012, 778 Rn 39; BGH NJOZ 2017, 1516 Rn 17). Bei Verbindung in Ausübung eines zeitl begrenzten Nutzungsrechts spricht aber eine Vermutung für einen nur „vorübergehenden Zweck“ iSd § 95 I 1, II (vgl Rn 3).
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Rechte als Bestandteile eines Grundstücks
Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, gelten als Bestandteile des Grundstücks. 1. Ratio. § 96 fingiert die Bestandteilsqualität von Rechten, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, um zu gewährleisten, dass diese das rechtl Schicksal des Grundstücks akzessorisch teilen (vgl Mot III, 61; MüKo/Stresemann Rn 1). 2. Mit dem Eigentum verbundene Rechte iSd § 96. a) Subjektiv-dingliche Rechte. Rechte iSd § 96 sind vor allem subj-dingliche Rechte, die dem Eigentümer eines herrschenden Grundstücks als solchem an einem anderen Grundstück zustehen (BGH NJW-RR 2012, 845 Rn 8, 12, 14; BayObLG 1990, 124, 127; Grü/Ellenberger Rn 2; Staudinger/Stieper Rn 2; NK/Ring Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 2). Dazu gehören: Grunddienstbarkeit (RGZ 93, 71, 72; BGH NJW-RR 2012, 845 Rn 8; BFH BStBl II 1974, 767, 769; BayObLG NJW-RR 1990, 1043, 1044; Köln NJW-RR 1993, 982, 983; BayObLG NJW-RR 2003, 451f; Hamm NJW-RR 2008, 1609, 1610; München FGPrax 2017, 114 Rn 46); Reallast zugunsten des jew Eigentümers (§ 1105 II) (BGH NJW-RR 2012, 845, Rn 18; BFH BStBl II 1974, 767, 769; BayObLG 1961, 23, 30); dingliches Vorkaufsrecht zugunsten des jew Eigentümers (§ 1094 II) (RGZ 104, 316, 318f; BGH NJW-RR 2012, 845, Rn 18); Recht auf Erbbauzins (BayObLG 1961, 23, 30; 1990, 212, 215; BFH NJW 1991, 3176); Recht auf Duldung von Überbau (§ 912 I) (RGZ 160, 166, 177) und Notweg (§ 917 I 1) (Staudinger/Stieper Rn 3; NK/Ring Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 2) einschl des Rentenrechts des zur Duldung verpflichteten Nachbarn gem § 912 II, § 917 II; Heimfallanspruch gem § 3 ErbbauRG (BGH ZIP 1980, 652, 654) und § 36 I 2 WEG (Staudinger/Stieper Rn 3; MüKo/Stresemann Rn 2); darüber hinaus auch Anwartschaftsrechte bzgl eines der genannten Rechte (Köln OLG 1968, 453, 455f; Grü/Ellenberger Rn 2; NK/ Ring Rn 5). b) Sonstige Rechte iSd § 96. Sonstige Rechte iSd § 96 sind: Jagdrecht nach § 3 BJagdG (BFH BStBl II 1974, 767, 769; BFH/NV 2008, 1878; Grü/Ellenberger Rn 2; NK/Ring Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 3; aA Staudinger/ Stieper Rn 6; BeckOGK/Mössner Rn 5.1); Fischereirechte, die dem jew Grundstückseigentümer zustehen (BGH NJOZ 2009, 3307, Rn 12; MüKo/Stresemann Rn 3; NK/Ring Rn 6; aA Staudinger/Stieper Rn 6); Anliegerrecht (BGH NJW 1959, 1776; MüKo/Stresemann Rn 3; aA Staudinger/Stieper Rn 6); Realgemeindeanteile (Celle NdsRpfl 1961, 34; VG Lüneburg BeckRS 2012, 58199; VG Hannover RdL 2019, 32 Rn 22; anders aber, wenn statutarisch selbständig ausgestaltet, Celle AgrarR 1981, 291); Verbandsanteile an einer Forstgenossenschaft (BGH NJW-RR 1998, 1627; Braunschweig AgrarR 1990, 7); radizierte Gemeinderechte (BayObLG 1970, 21, 23); Apothekenprivileg (Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 10.1; NK/Ring Rn 7). c) Keine Rechte iSd § 96. Mangels Verbindung mit dem Eigentum sind keine dinglichen Rechte iSd § 96: Eigentümerhypothek (Staudinger/Stieper Rn 7; NK/Ring Rn 9); Amortisationsfonds zur Tilgung der hypothekarisch gesicherten Schuld (RGZ 104, 68, 73); Betriebslieferrecht für Zuckerrüben (BGH NJW 1990, 1723); Erdölförderzins (Celle RdL 2018, 197); deliktischer Anspruch gegen den Eigentümer (München DJ 1939, 193f); Brennrecht nach BranntweinmonopolG (RG HRR 1932 Nr 1157; BGH LM Nr 1 zu § 96; NJW 1991, 3280, 290
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3281); Milchkontingent (BGH NJW 1991, 3280); Zahlungsansprüche nach dem BetriebsprämiendurchführungsG (BGH NJW-RR 2010, 885 Rn 8f); Entschädigungsanspruch nach KriegssachschädenVO (BGH NJW 1955, 1516); Auflassungsvormerkung zugunsten des jew Eigentümers eines anderen Grundstücks (RGZ 128, 246, 248); Miteigentumsanteil an einem Grundstück (BayObLG 1987, 121, 128f); Ausgleichsanspruch gem § 9 III GBBerG (BGH NJW-RR 2015, 146 Rn 15). 3. Rechtsfolgen und rechtliche Bedeutung. a) Bestandteilseigenschaft. Rechte iSd § 96 gelten als Bestandtei- 5 le des Grundstücks. Die hM differenziert dabei auch insoweit zw wesentlichen Bestandteilen (Rechte, die nicht vom Grundstück getrennt werden können) und nicht wesentlichen Bestandteilen (Rechte, die vom Grundstück getrennt werden können) (RGZ 93, 71, 73; vgl auch BGH NJW-RR 2012, 845 Rn 8; NJW-RR 2008, 1609, 1610). Wesentliche Bestandteile sind insb die subj-dinglichen Rechte (Rn 2) (RGZ 93, 71, 73; BGH NJW-RR 2012, 845 Rn 8; Staudinger/Stieper Rn 8; BeckOGK/Mössner Rn 12; MüKo/Stresemann Rn 6). b) Konsequenzen. Als Bestandteile teilen Rechte iSd § 96 das rechtl Schicksal des Grundstücks (vgl nur BGH 6 NJW-RR 2012, 845 Rn 8; s ferner bereits Rn 1). Insb unterliegen sie der hypothekarischen Haftung nach §§ 1120ff (RGZ 83, 198, 200; BGH NJW 1991, 3280, 3281). Sie werden dadurch jedoch nicht etwa zu Sachen; insb sind auch diesbzgl Mängel nicht Sach-, sondern Rechtsmängel (RGZ 83, 198, 200; 93, 71, 73). c) Insbesondere: § 96 und Erbbaurecht. Gem § 11 I 1 ErbbauRG findet § 96 auch auf das Erbbaurecht An- 7 wendung, dh Rechte iSd § 96 gelten als Bestandteile des Erbbaurechts (BGH NJW-RR 2012, 845 Rn 9; Hamm OLG 1980, 270, 271; Staudinger/Rapp § 11 ErbbauRG Rn 8). Mit dem Erlöschen des Erbbaurechts werden gem § 12 III ErbbauRG jedenfalls für den jew Erbbauberechtigten bestellte Grunddienstbarkeiten mit dem Inhalt von Wege- und Leitungsrechten Bestandteile des Erbbaugrundstücks (BGH NJW-RR 2012, 845); ob § 12 III ErbbauRG auf alle mit dem Erbbaurecht verbundenen subj-dinglichen Rechte iSd § 96 anzuwenden ist, hat der BGH zwar bezweifelt, letztlich aber explizit offengelassen (BGH NJW-RR 2012, 845 Rn 18; dies ist sehr str, vgl zum Ganzen BeckOK/Maaß § 12 ErbbauRG Rn 7; Maaß NotBZ 2012, 208ff mwN).
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Zubehör
(1) Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehr nicht als Zubehör angesehen wird. (2) Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft. Die vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf. 1. Ratio und Systematik der §§ 97, 98. §§ 97, 98 tragen dem Umstand Rechnung, dass gewisse rechtl selbständige Sachen im Verkehr gleichwohl als zu einer anderen gehörig angesehen und daher auch deren rechtl Schicksal zumindest in gewissem Rahmen teilen sollen (vgl Mot III, 61f; BeckOK/Fritzsche Rn 1; MüKo/Stresemann Rn 1). § 97 legaldefiniert den Begriff des Zubehörs für das Privatrecht, § 98 konturiert ihn für gewerblich genutzte Gebäude und landwirtschaftl Betriebe (näher zum Verhältnis bei § 98 Rn 1). Eine Sonderregelung findet sich in § 3 HöfeO (Hofeszubehör); für Schiffszubehör gilt hingegen nach Streichung des § 478 HGB aF die allg Vorschrift des § 97 (MüKoHGB/Eckardt § 598 Rn 1). Im öffentlichen Recht kann – muss aber nicht – je nach Rechtsgebiet ein abw Zubehörbegriff gelten (vgl Staudinger/Stieper Rn 3; vgl zB für das Zollrecht BFH/NV 2007, 1940). 2. Begriff und Voraussetzungen. a) Überblick. Zubehör sind gem § 97 I 1 bewegliche Sachen (Rn 3), die, ohne Bestandteile der Hauptsache (Rn 4) zu sein, dem wirtschaftl Zweck der Hauptsache (Rn 7ff) zu dienen bestimmt sind (Rn 10ff) und zu ihr in einem dieser Bestimmung entspr räumlichen Verhältnis stehen (Rn 20); es sei denn, dass sich aus der Verkehrsanschauung etwas anderes ergibt (§ 97 I 2, dazu Rn 21). b) Zubehörsache. Zubehör können nur bewegliche Sachen sein, nicht Grundstücke (RGZ 87, 43, 50), Rechte (RGZ 83, 54, 56; 104, 68, 73; BGH NJW 1990, 1723, 1725; 1998, 78) oder good will (Karlsruhe WM 1989, 1229). Wie bewegliche Sachen behandelt werden insoweit auch Tiere (arg e § 98 Nr 2; vgl RGZ 69, 85, 87; Oldenburg DGVZ 1980, 94). Zubehör kann nur eine Sache sein, die nicht (einfacher oder wesentlicher) Bestandteil der Hauptsache ist. Einfache Bestandteile einer Sache können jedoch nach hM Zubehör einer anderen Sache sein (Köln NJW 1961, 461; BeckOK/Fritzsche Rn 4; Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 21; MüKo/Stresemann Rn 6; anders noch RGZ 87, 43, 50). Zu Scheinbestandteilen als Zubehör s § 94 Rn 11, § 95 Rn 18). Die Eigentumsverhältnisse sind irrelevant; auch fremde, dh nicht im Eigentum des Eigentümers der Hauptsache stehende Sachen können Zubehör sein (arg e § 1120 aE) (Mot III, 62; RGZ 53, 350, 351; LZ 1920, 695; BGH NJW 1972, 1187, 1188; Stettin JW 1927, 402; Frankfurt BeckRS 2007, 16199; Bremen FamRZ 2018, 250 Rn 29; Grü/Ellenberger Rn 2; Staudinger/Stieper Rn 6; BeckOGK/Mössner Rn 12; NK/Ring Rn 13; MüKo/Stresemann Rn 19). Eine Sachgesamtheit kann zwar nicht als solche Zubehör sein (aA noch Erman/Michalski13 Rn 2a; Rostosky JherJb 74 [1924] 75, 121ff, 137ff); die einzelnen in ihr zusammengefassten Sachen können jedoch Zubehör sein, J. Schmidt
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sofern sie jew die diesbzgl Anforderungen erfüllen (BGH LM Nr 3 zu § 97; KG 15.11.2012 – 12 U 101/09, Rn 94; Grü/Ellenberger Rn 2; BeckOK/Fritzsche Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 7; BeckOGK/Mössner Rn 11; NK/Ring Rn 12; MüKo/Stresemann Rn 4). c) Hauptsache. aa) Allgemeine Anforderungen. Zubehör setzt die Existenz einer Hauptsache voraus. Hauptsache können Grundstücke, bewegliche Sachen oder grundstücksgleiche Rechte, wie insb das Erbbaurecht (§ 11 I 1 ErbbauRG iVm § 97), das Wohnungseigentum oder landesrechtl Bergwerkseigentum (RGZ 161, 203, 206; BGH NJW 1955, 1186) sein (Grü/Ellenberger Rn 3; BeckOK/Fritzsche Rn 8; Staudinger/Stieper Rn 8; NK/ Ring Rn 15, 21; MüKo/Stresemann Rn 10). Ein Bestandteil einer anderen Sache kann Hauptsache sein, zB ein Gebäude oder Gebäudeteil (RGZ 89, 61, 63; BGH NJW 1974, 269, 270; 2006, 993; Bremen FamRZ 2018, 250 Rn 18); das Zubehör ist dann Zubehör des gesamten Grundstücks (RGZ 89, 61, 63; Stettin HRR 1934 Nr 161). bb) Mehrheit von Hauptsachen. Eine Sache kann Zubehör mehrerer Hauptsachen sein (RG SeuffA 84 Nr 98; Frankfurt HRR 1937 Nr 692 [Fuhrpark für zwei Betriebe]; KG 15.11.2012 – 12 U 101/09, Rn 96), selbst wenn diese verschiedenen Eigentümern gehören (Breslau OLG 35, 291; Stettin JW 1932, 1581). cc) Sach- und Rechtsgesamtheiten, Unternehmen. Sach- und Rechtsgesamtheiten sowie insb auch Unternehmen können als solche nicht Hauptsache sein. Nach der Rspr bestimmt sich jedoch das, was bei einem Gewerbebetrieb Hauptsache ist, danach, wo der wirtschaftl Schwerpunkt des Unternehmens, der wirtschaftliche, betriebstechnische Mittel- und Stützpunkt, der „Brennpunkt“ des Betriebs liegt (RG WarnR 1910 Nr 312; RGZ 130, 264, 267; BGH LM Nr 3 zu § 97; NJW 1983, 746, 747; s ferner auch BGH NJW 2006, 993f); da dies idR das Betriebsgrundstück ist, können die dem Unternehmen zugeordneten Sachen idR als Zubehör des Grundstücks, auf dem das Unternehmen betrieben wird, angesehen werden (BGH NJW 1983, 746, 747; s zum Ganzen auch Staudinger/Stieper Rn 11; MüKo/Stresemann Rn 13; Siebert, FS Gieseke, 1958, 58ff). d) Zweckbindung. Zubehör ist nur, was dem wirtschaftl Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt ist. aa) Wirtschaftlicher Zweck. Der Zweck der Hauptsache ergibt sich aus ihrer obj Beschaffenheit und anderen nach der Verkehrsanschauung maßgeblichen Umständen (BGH NJW 1974, 269, 270; Staudinger/Stieper Rn 13; BeckOGK/Mössner Rn 24; MüKo/Stresemann Rn 15). Der Begriff des wirtschaftl Zwecks ist extensiv auszulegen (BGH NJW 1984, 2277, 2278; Grü/Ellenberger Rn 4); er ist insb nicht etwa nur auf vermögensrechtl Zwecke beschränkt, sondern umfasst auch kulturelle oder ideelle Zwecke (vgl auch KG 15.11.2012 – 12 U 101/09, Rn 96; Staudinger/Stieper Rn 13; BeckOGK/Mössner Rn 25; MüKo/Stresemann Rn 15; abw Frankfurt NJW 1982, 653, 654 bzgl Bildstock), zB auch den kirchlichen Gebrauch einer Glocke (RG JW 1910, 466; BGH NJW 1984, 2277, 2278). bb) Dienende Funktion. Eine Sache dient dem wirtschaftl Zweck der Hauptsache, wenn sie dessen Erreichung ermöglicht oder zumindest fördert bzw erleichtert (vgl BGH NJW-RR 2011, 1458 Rn 9; Frankfurt NJW 1982, 653, 654; Hamm NJW-RR 1986, 376; KG 15.11.2012 – 12 U 101/09, Rn 96; LG Passau RNotZ 2012, 511, 513; Grü/Ellenberger Rn 5; Staudinger/Stieper Rn 14; BeckOGK/Mössner Rn 28; NK/Ring Rn 39; MüKo/Stresemann Rn 16), wobei es genügt, wenn dies mittelbar geschieht (RGZ 47, 197, 199f; Stettin JW 1932, 1581f). Erforderlich ist aber in jedem Fall eine Unterordnung im Verhältnis zur Hauptsache, dh ein wirtschaftl Abhängigkeitsverhältnis (RGZ 86, 326, 328f; BGH LM Nr 3 zu § 97; NJW 1983, 746, 747; KG 15.11.2012 – 12 U 101/09, Rn 96; Bremen FamRZ 2018, 250 Rn 20). Die Sache braucht aber andererseits nicht ausschließlich der Hauptsache zu dienen, sondern kann ggf auch noch einen anderen Zweck haben (RGZ 47, 197, 200 [Hotelbus, der nicht nur Hotelgäste, sondern auch andere Personen zur Bahn bringt]). Ausreichend ist auch die beabsichtigte künftige Verwendung (näher Rn 13). Eine dienende Funktion kann auch bei verbrauchbaren Sachen bestehen (näher Rn 17), grds nicht hingegen bei Erzeugnissen (näher Rn 18). cc) Widmung. Die Widmung, dh die Bestimmung der Zubehörsache als dem wirtschaftl Zweck der Hauptsache dienend, ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine Rechtshandlung, für die natürliche Willensfähigkeit genügt (RG HRR 1934 Nr 1273; Grü/Ellenberger Rn 6; BeckOK/Fritzsche Rn 13; Staudinger/Stieper Rn 21; BeckOGK/Mössner Rn 34; NK/Ring Rn 26; aA MüKo/Stresemann Rn 19). Sie kann durch jeden erfolgen, der die tatsächliche Verfügungsmacht über Hauptsache und Zubehörstück hat (BGH NJW 1969, 2135, 2136; Staudinger/Stieper Rn 21; BeckOGK/Mössner Rn 35; MüKo/Stresemann Rn 19), also zB durch den Mieter (BGH NJW 2009, 1078, Rn 21), den Eigentumsvorbehaltskäufer (BGH NJW 1969, 2135, 2136) oder sogar einen Dieb (vgl BeckOGK/Mössner Rn 35; MüKo/Stresemann Rn 19) (vgl zu fremden Sachen als Zubehör bereits Rn 5). Ein erkennbarer subj Wille ist auch dann maßgeblich, wenn die Sache für den Zweck der Hauptsache entbehrlich oder ungeeignet ist (RG WarnR 1909 Nr 175; JW 1909, 70; WarnR 1913 Nr 127; BGH NJW-RR 1990, 586, 588; Düsseldorf NJW 1966, 1714, 1715); dies kann allerdings ein Indiz für eine mangelnde Widmungsabsicht sein oder die Verkehrsanschauung über die Zubehörqualität prägen (RG WarnR 1909 Nr 175; JW 1909, 70; BGH NJW-RR 1990, 586, 588). IdR erfolgt die Widmung durch schlüssige Handlung (BGH NJW 2009, 1078 Rn 14). Der Inhaber der tatsächlichen Verfügungsmacht kann die Widmung auch jederzeit aufheben oder ändern, so dass die Sache nicht mehr Zubehör ist (BGH NJW 1969, 2135, 2136; 1973, 997, 998; 1984, 2277, 2278). Ausreichend ist auch die Widmung, dass die Sache künftig dem wirtschaftl Zweck der Hauptsache dienen soll (Staudinger/Stieper Rn 15; MüKo/Stresemann Rn 20). Dass die Sache bereits tatsächlich so genutzt wird, ist zwar ein Indiz, aber nicht zwingend erforderlich (RG HRR 1934 Nr 1273; BGH NJW 2009, 1078 Rn 14). Als Zubehör qualifiziert wurde daher zB auch: Materialreserve einer Fabrik (RGZ 66, 356, 357); für den Notfall bereitgehaltene Ersatzstücke (RG SeuffA 63 Nr 1; RGZ 66, 356, 359); als Zugtiere noch zu junge Pferde (Frankfurt HRR 1937 292
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Nr 692). Andererseits ist eine Widmung erst dann möglich, wenn die Hauptsache selbst bereits als solche rechtl existent bzw fertig ist (RGZ 89, 61, 64; BGH NJW 1969, 36; Düsseldorf NJW 1966, 1714, 1715). Baumaterialien können aber bereits Zubehör des Grundstücks sein, da sie dessen Zweck (Bebauung) dienen (RGZ 84, 284, 285; 86, 326, 330; 89, 61, 64f; BGH NJW 1972, 1187, 1188). e) Dauerhaftigkeit der Zweckbindung (Abs II). Die Sache muss dem wirtschaftl Zweck der Hauptsache dauerhaft zu dienen bestimmt sein, eine nur vorübergehende entspr Benutzung genügt nicht (Abs II S 1). Der Terminus „vorübergehend“ entspricht dabei demjenigen in § 95 I 1 (dazu § 95 Rn 2) (BGH NJW 1962, 1498; BeckOGK/Mössner Rn 38; MüKo/Stresemann Rn 22). Daher genügt es insb nicht, wenn die Verbindung nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum oder lediglich zur Befriedigung der Bedürfnisse des derzeitigen Nutzers erfolgt (Mot III, 62; BGH NJW 1974, 269, 270; NJW-RR 1990, 586, 587; NJW 2009, 1078 Rn 14; KG 15.11.2012 – 12 U 101/09 Rn 96). Ebenso wie iRd § 95 I 1 spricht im Falle der Ausübung eines zeitl begrenzten Nutzungsrechts oder einer „ähnl“ Berechtigung (dazu § 95 Rn 3) eine Vermutung für einen nur „vorübergehenden Zweck“ (BGH NJW 1984, 2277, 2279; LG Passau RNotZ 2012, 511, 513; Grü/Ellenberger Rn 7; Staudinger/Stieper Rn 19; NK/Ring Rn 35). Eine Lieferung unter Eigentumsvorbehalt begründet hingegen – ebenso wie iRd § 95 I 1 (dazu § 95 Rn 2) – nicht lediglich eine vorübergehende Benutzung (BGH NJW 1972, 1187). Ebenso wenig steht eine begrenzte Lebensdauer der Hauptsache und/oder des Zubehörstücks der Dauerhaftigkeit entgegen (RG HRR 1930 Nr 277; Kassel JW 1934, 2715; Staudinger/Stieper Rn 20; BeckOGK/Mössner Rn 40; MüKo/Stresemann Rn 23). Insb können auch verbrauchbare Sachen Zubehör sein, ihr Zweck besteht gerade im Verbrauch zum wirtschaftl Zweck der Hauptsache, zB Kohlevorrat einer Ziegelei (RGZ 77, 36, 38), Holzvorrat für Heizung eines Wohnhauses (Dresden Recht 1938 Nr 7247); nur einmal verwendete Fabrikationsmittel (RG HRR 1930 Nr 277); Heizöl im Heizöltank eines Wohnhauses (Düsseldorf NJW 1966, 1714; LG Aachen NZM 2009, 277f; LG Düsseldorf BeckRS 2016, 112056). Mangels dauerhafter Zweckbestimmung nicht Zubehör sind dagegen die zur Veräußerung bestimmten Erzeugnisse, Produkte etc, zB: Bäume einer Baumschule (RGZ 66, 88, 90); zu Verkauf/Schlachtung bestimmtes Vieh (RGZ 142, 379, 382); Ziegel einer Ziegelei (Breslau OLG 14, 105; Dresden OLG 14, 106, 108); Bier einer Brauerei (Kiel SeuffA 67 Nr 146); Speisen und Getränke eines Restaurants (Rostock OLG 31, 309, 311); Ausstellungsstücke im Möbelgeschäft (AG Viechtach DGVZ 1989, 29). Gleiches gilt für die zu ihrer Herstellung erforderlichen Rohstoffe und Halbfertigprodukte, zB Holzvorräte einer Möbelfabrik (RGZ 86, 326, 329f) oder eines Sägewerks (KG JW 1934, 435); Kunststoffformen, die nach Beendigung des Auftrags an den Kunden übergeben werden (Düsseldorf NJW-RR 1991, 1130). Unschädlich ist hingegen umgekehrt eine nur vorübergehende Trennung (§ 97 II 2), zB zu Instandhaltungszwecken (KG OLG 6, 213) oder im Rahmen der Natur der Nutzung (zB Lieferfahrzeuge, MüKo/Stresemann Rn 29). f) Räumliches Verhältnis. Für das erforderliche entspr räumliche Verhältnis zur Hauptsache bedarf es nicht etwa einer physischen Verbindung (BGH LM Nr 3 zu § 97; Staudinger/Stieper Rn 22; NK/Ring Rn 45; BeckOGK/Mössner Rn 43; MüKo/Stresemann Rn 27). Erforderlich ist aber in jedem Fall ein räumlicher Zusammenhang, der eine bestimmungsgemäße Benutzung ermöglicht (vgl RGZ 97, 197, 200; BGH LM Nr 3 zu § 97; BGH NJW-RR 2011, 1458 Rn 9; Grü/Ellenberger Rn 8; Staudinger/Stieper Rn 22; BeckOGK/Mössner Rn 43; NK/Ring Rn 44f; MüKo/Stresemann Rn 27). Grundstückszubehör braucht sich hierzu nicht unbedingt auf dem Grundstück selbst befinden, es kann vielmehr auch genügen, wenn es nur in der Nähe desselben untergebracht ist (RGZ 47, 197, 200; BGH LM Nr 3 zu § 97; NJW-RR 2011, 1458 Rn 9). Bejaht wurde das erforderliche räumliche Verhältnis zB in folgenden Fällen: Versorgungsleitungen als Zubehör zum Betriebsgrundstück des Versorgungsunternehmens (s § 94 Rn 11); innerhäusliche Versorgungsleitungen für ein Wohnhaus, die teils im Keller des Nachbarhauses laufen (BGH NJW-RR 2011, 1458); 1 km von einer Röhrenfabrik entfernt belegene Sauerstoffanlage (RGZ 157, 40, 47); Gebäude und Maschinen für eine Ziegelei auf einem zugepachteten Nachbargrundstück (RGZ 55, 281, 284f); Dalben einer Werft in einem Fluss (OVG Bremen NJW-RR 1986, 955, 957); Gondeln für Fahrten von Gästen auf einem zu einem Restaurant dazu gepachteten Seegrundstück (RGZ 47, 197, 200). Zu Betriebsfahrzeugen § 98 Rn 8. g) Verkehrsanschauung (Abs I S 2). Trotz Vorliegens aller genannten Voraussetzungen scheidet eine Zubehöreigenschaft jedoch gem § 97 I 2 aus, wenn eine entgegenstehende Verkehrsanschauung besteht. Maßgeblich sind die Lebens- und Geschäftsgewohnheiten der beteiligten Verkehrskreise (RGZ 77, 241, 244; vgl auch RG JW 1938, 1390). Die Verkehrsanschauung kann regional unterschiedlich sein (RGZ 77, 241, 244; BGH NJW 1992, 3224f; 2009, 1078, Rn 28; KG 15.11.2012 – 12 U 101/09 Rn 96; Bremen FamRZ 2018, 250 Rn 25) und sich im Laufe der Zeit ggf ändern (BGH NJW 1992, 3224, 3225; 2009, 1078 Rn 28; KG 15.11.2012 – 12 U 101/09 Rn 96). Wegen entgegenstehender Verkehrsauffassung verneint wurde die Zubehörqualität teils zB bei Gaststätteninventar (Hamburg OLG 38, 30; LG Kiel Rpfleger 1983, 167; ganz überwiegend wird die Zubehöreigenschaft jedoch bejaht, vgl § 98 Rn 8); Bedeutung hat die Frage zudem bei Einbauküchen (dazu bereits § 94 Rn 21); umfangreiche Kasuistik auch aus der älteren Rspr bei Staudinger/Stieper Rn 25f. 3. Weitere Einzelfälle. a) Betriebsinventar und -fahrzeuge. S § 98 Rn 8. J. Schmidt
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b) Gegenstände in privaten Wohnungen/Grundstücken. Bejaht: Photovoltaikaufdachanlage (LG Passau RNotZ 2012, 511; Oldenburg JurBüro 2013, 96); festinstallierte Satelliten-Empfangsanlage (LG Nürnberg-Fürth DGVZ 1996, 123); Rauchwarnmelder (LG Hamburg ZWE 2011, 286, 287; Riecke NZM 2016, 217, 218; offenlassend BGH NZM 2013, 512 Rn 15ff mwN auch zur Gegenansicht); fest installierte Sauna (AG Aschaffenburg DGVZ 1998, 158); Kleinkläranlage (LG Traunstein DGVZ 2009, 44); Elektrogeräte als Zubehör einer Einbauküche (Bremen FamRZ 2018, 250); verneint: Kunstgegenstände, Möbel etc aus dem Nachlass des Kaisers und zweier Prinzen kein Zubehör der Villa Monbijou (KG 15.11.2012 – 12 U 101/09 Rn 96f); im Kachelofen deponierte Geldkassetten (LG Düsseldorf BeckRS 2012, 16621); Spiegel oder Waschunterschränke (Hamm MDR 2005, 1220). c) Gegenstände in/an Pkw. Bejaht: Autoradio (VGH München BeckRS 2008, 38033); Pkw-Alarmanlage (Düsseldorf NZV 1996, 196); installiertes Autonavigationssystem (Karlsruhe NZV 2002, 132, 133); Autotelefon (Grü/Ellenberger Rn 11; BeckOK/Fritzsche Rn 18; BeckOGK/Mössner Rn 60; Karlsruhe NZV 2002, 132, 133; wohl auch Köln OLG 1999, 276; aA Köln NJW-RR 1994, 51); verneint: Reisegepäck (BGH VersR 1962, 557); auf eine Reise mitgenommenes Kfz-Werkzeug (AG Freiburg VersR 1980, 964); Kfz-Brief (seit 2005: Zulassungsbescheinigung Teil II) (LG München I DAR 1958, 267). d) Sonstige Gegenstände als Zubehör beweglicher Sachen. Bejaht: Stahltisch eines Schweißroboters (Frankfurt ZVI 2009, 498); Container eines Zugfahrzeugs (FG München EFG 1976, 255, 256); verneint: Rundballenpresse im Verhältnis zum Traktor (Saarbrücken NJW-RR 2012, 1388); Stofftragetasche im Verhältnis zur gekauften Ware (Düsseldorf NJW-RR 1994, 735, 737). 4. Ende der Zubehöreigenschaft. Die Zubehöreigenschaft endet, wenn eine ihrer Voraussetzungen dauerhaft – also nicht nur vorübergehend (vgl § 97 II 2, dazu Rn 14) – wegfällt (BGH NJW 1969, 2135, 2136; 1984, 2277, 2278; Grü/Ellenberger Rn 10; BeckOK/Fritzsche Rn 21; Staudinger/Stieper Rn 27; BeckOGK/Mössner Rn 50; NK/ Ring Rn 62). Nicht ausreichend sind dagegen zB: nur vorläufige Betriebseinstellung (RGZ 77, 36, 40); Verurteilung des tatsächlichen Benutzers zur Herausgabe (BGH NJW 1969, 2135, 2136); Übereignung des Zubehörs (BGH NJW 1979, 2514; 1987, 1266, 1267). 5. Beweislast. Wer sich auf die Zubehöreigenschaft beruft, hat die positiven Voraussetzungen gem § 97 I 1 sowie die ggf nur vorübergehende Natur der Trennung (§ 97 II 2) darzulegen und zu beweisen (RGZ 47, 197, 201f; Bremen FamRZ 2018, 250 Rn 26; BeckOK/Fritzsche Rn 22; Staudinger/Stieper Rn 36; BeckOGK/Mössner Rn 88; MüKo/Stresemann Rn 32). Wer die Zubehöreigenschaft bestreitet, ist darlegungs- und beweispflichtig bzgl der nur vorübergehenden Benutzung (RGZ 47, 197, 201f) (insoweit kann jedoch ggf die in Rn 15 genannte Vermutung helfen) sowie der entgegenstehenden Verkehrsanschauung (RG WarnR 1909 Nr 175; BGH LM Nr 3 zu § 97; NJW-RR 1990, 588; NJW 2009, 1078 Rn 28; Bremen FamRZ 2018, 250 Rn 26). 6. Rechtliche Bedeutung der §§ 97, 98. a) Allgemeines. Die Rechtsfolgen der Zubehöreigenschaft sind in den §§ 97, 98 nicht geregelt. Als selbständige bewegliche Sachen sind Zubehörstücke sonderrechtsfähig, dh sie können grds ohne die Hauptsache übereignet oder belastet werden. Da sie aus wirtschaftl Sicht in engem Zusammenhang mit der Hauptsache stehen, ordnet das Gesetz jedoch in einer Reihe von Vorschriften an, dass Zubehörstücke im Zweifel das rechtl Schicksal der Hauptsache teilen (vgl auch bereits Rn 1). b) Verpflichtungsgeschäfte. Eine Verpflichtung zur Veräußerung oder Belastung einer Sache erstreckt sich im Zweifel auf das Zubehör (§ 311c); ebenso ein Vermächtnis (§ 2164 I); der Wiederkäufer hat das Zubehör mitherauszugeben (§ 457 I). c) Verfügungsgeschäfte. Bei Grundstücken erstreckt sich die Veräußerung im Zweifel auf das Zubehör (§ 926 I 2); Entspr gilt für Bestellung und Aufhebung des Nießbrauchs an einem Grundstück (§§ 1031, 1062) und des Wohnungsrechts (§ 1093 I 2) sowie das dingliche Vorkaufsrecht (§ 1096 S 2). Bei beweglichen Sachen existieren keine derartigen Regeln; hier bestimmt sich nach den allg Auslegungsregeln, ob sich die Verfügung auch auf das Zubehör erstreckt (Staudinger/Stieper Rn 33; BeckOGK/Mössner Rn 82; MüKo/Stresemann Rn 45). d) Grundpfandrechte. Praktisch bedeutsam ist vor allem die Erstreckung des Haftungsverbands der Hypothek (§ 1120) sowie der Grund- und Rentenschuld (§ 1192 I, § 1199 I iVm § 1120) auf das Zubehör einschl daran bestehender Anwartschaftsrechte (BGH NJW 1961, 1349); die Enthaftung ist in §§ 1121f geregelt. Entspr gilt für eingetragene Schiffe (§§ 31, 39 III SchiffRG) und das Registerpfandrecht an Luftfahrzeugen (§ 31 LuftFzgG). e) Zwangsvollstreckung. Für die Zwangsvollstreckung gelten bzgl des Zubehörs die Sonderregeln der § 865 ZPO, § 20 II, § 21 I, § 55 II, § 146 I, § 148 I, § 153a ZVG.
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Gewerbliches und landwirtschaftliches Inventar
Dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache sind zu dienen bestimmt: 1. bei einem Gebäude, das für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist, insbesondere bei einer Mühle, einer Schmiede, einem Brauhaus, einer Fabrik, die zu dem Betrieb bestimmten Maschinen und sonstigen Gerätschaften, 2. bei einem Landgut das zum Wirtschaftsbetrieb bestimmte Gerät und Vieh, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirtschaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu welcher gleiche
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oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden, sowie der vorhandene, auf dem Gut gewonnene Dünger. 1. Hintergrund und Ratio. § 98 ist Ausfluss und Reflex der wirtschaftl Situation an der Wende vom 19. zum 20. Jh und der hierdurch geprägten Vorstellung der Abhängigkeit von Wert und Nutzbarkeit eines Grundstücks von der Aufrechterhaltung der Verbindung mit seinem Inventar (vgl Mot III, 66; Staudinger/Stieper Rn 1). Vor diesem Hintergrund soll die Norm den Zubehörbegriff des § 97 für Gewerbegebäude und Landgüter erläutern und verdeutlichen, nicht jedoch erweitern (vgl Mot III, 67; Prot III, 22; Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 1; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 3; MüKo/Stresemann Rn 1; abw noch Erman/Michalski13 Rn 1, 6; RGRK/Kregel Rn 1). Zubehör sind die in § 98 genannten Sachen somit nur dann, wenn sämtliche in § 97 genannten Voraussetzungen (§ 97 Rn 2ff) erfüllt sind (RGZ 63, 416, 418f; 66, 356, 358; WarnR 1909 Nr 175; Düsseldorf NJW-RR 1991, 1130f; Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 1; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/ Mössner Rn 3; MüKo/Stresemann Rn 3). § 98 enthält jedoch andererseits keine abschließende Aufzählung, dh auch Sachen, die nicht genannt sind, können Zubehör iSd § 97 sein (RGZ 47, 197, 199; 66, 356, 358; Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 5; Staudinger/Stieper Rn 3; MüKo/Stresemann Rn 2). Für Hofzubehör gilt die Sondernorm des § 3 HöfeO. 2. Gewerbliches Inventar (Nr 1). a) Legislatorische Zweckbestimmung. § 98 Nr 1 verdeutlicht, dass bei einem für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichteten Gebäude die zum Betrieb bestimmten Maschinen und Gerätschaften dem wirtschaftl Zweck des Gebäudes – und damit zugleich des Grundstücks – zu dienen bestimmt sind; die Norm leitet also vor dem in Rn 1 erläuterten wirtschaftl Hintergrund aus der Zweckbestimmung für den Gewerbebetrieb diejenige für das dafür eingerichtete Betriebsgebäude – und damit das Betriebsgrundstück – ab (vgl Staudinger/Stieper Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 4). b) Betriebsgebäude. aa) Gewerblicher Betrieb. Als Beispiele für einen gewerblichen Betrieb nennt § 98 Nr 1 ausdr Mühle, Schmiede, Brauhaus und Fabrik. IÜ ist der Gewerbebegriff iSd § 98 autonom zu bestimmen (ebenso i Erg Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 9; NK/Ring Rn 9; aA BeckOK/Fritzsche Rn 4: Handelsgewerbe iSd § 1 I HGB); er erfasst etwa insb auch freie Berufe, zB eine Apotheke (RG WarnR 1909 Nr 491; PrOVG JW 1920, 71). Zu Einzelfällen s die Bsp für Zubehörstücke in Rn 6ff. bb) Dauernde Einrichtung des Gebäudes für den Betrieb. Der Begriff des Gebäudes entspricht auch hier dem des § 94 (dazu § 94 Rn 6). Ein Gebäude ist für einen bestimmten Betrieb dauernd eingerichtet, wenn sich vermöge seiner Gliederung, Einteilung, Eigenart oder Bauart oder vermöge seiner Ausstattung mit betriebsdienlichen Maschinen und sonstigen Gerätschaften ergibt, dass es dem gewerblichen Betrieb auf Dauer dienen soll (BGH NJW 1969, 36; 1974, 269, 270; 1994, 864, 867; 2006, 993 Rn 7). Es genügt auch, wenn der Betrieb nur einen Teil des Gebäudes in Anspruch nimmt (RGZ 47, 207, 209; WarnR 1909 Nr 491; JW 1909, 485; WarnR 1912 Nr 286). Das Gebäude als Hauptsache muss aber in jedem Fall bereits als solches existieren (RGZ 89, 61, 64; vgl bereits § 97 Rn 13); soweit es nach der Verkehrsauffassung bereits betriebsbereit ist, braucht es aber nicht unbedingt schon vollständig ausgestattet zu sein (BGH NJW 1969, 36). c) Zubehörstücke (Nr 1). aa) Allgemeines. Zubehörstücke iSd § 98 Nr 1 sind die zum Betrieb bestimmten Maschinen und sonstigen Gerätschaften. Dies freilich nur, wenn sie nicht bereits wesentliche Bestandteile sind (dazu § 93 Rn 3ff, § 94 Rn 2ff). Zudem müssen sie sämtliche Anforderungen des § 97 erfüllen (vgl Rn 1). bb) Maschinen. Bsp: Goldringautomat eines Galvanikbetriebs (Jena OLG-NL 2001, 149, 150); Speiseeismaschine einer Bäckerei (LG Kassel MDR 1959, 487); Maschinen einer Tischlerei (Stettin HRR 1934 Nr 161); Zeichenmaschine für Konstruktionszeichnungen (LG Berlin DGVZ 1977, 156); Waschmaschinen einer Wäscherei (Braunschweig ZMR 1953, 274); Bimsstein-Fertigungsanlage (Koblenz BeckRS 2011, 23570); Brikettierpresse eines Schreinereibetriebes (Düsseldorf BeckRS 2007, 16200); Produktionsmaschinen einer Weberei (Köln NJWRR 1987, 751, 752), eines Schlachthofs (Kassel OLG 15, 327) oder einer Bettfederfabrik (Frankfurt OLGRp 2004, 58). cc) Sonstige Gerätschaften. Der Begriff „sonstige Gerätschaften“ ist weit auszulegen (BayObLG 1912, 306, 315; Grü/Ellenberger Rn 3; BeckOK/Fritzsche Rn 9; BeckOGK/Mössner Rn 20). Bsp: Herde, Öfen und Wannen einer Glashütte (RGZ 66, 356, 359); Ofenwagen einer Ziegelei (BGH NJW 1969, 36); Arbeitspferde eines Sägewerks (RGZ 69, 87, 87f); Flaschen und Kisten zur Verpackung der Ware (BayObLG 1912, 306, 315); Zahnpressformen eines Dentallabors (BGH NJW 1991, 695, 696); Einrichtungsgegenstände und Instrumente einer chirurgischen Praxis (Brandenburg BeckRS 2010, 31098); Apothekeneinrichtung (PrOVG JW 1920, 71); Schlächtereiinventar (Hamburg OLG 24, 247); Büroeinrichtung eines Gewerbebetriebs (BayObLG OLG 24, 250, 251; Köln NJW-RR 1987, 751, 752; AG Meppen DGVZ 1968, 92); spezielle Einrichtung eines Großraumbüros (LG Mannheim MDR 1977, 49); Zeichentische eines Metallbaubetriebs (LG Berlin DGVZ 1977, 156); Registrierkasse (Kiel JW 1933, 1422); Kostüme einer Singspielhalle (KG OLG 30, 328); Kegelaufstell- und Münzautomatik einer Gaststätte (BGH NJW 1969, 2135); Kühlanlage einer Gaststätte (Hamm NJW-RR 1986, 376); allg Gaststätteninventar (RGZ 47, 197, 200; 48, 207, 209; BGH NJW-RR 2005, 1175; LG Marburg DGVZ 67, 153; Celle OLG 1980, 13, 14; Schleswig Rpfleger 1988, 76; vgl aber zur vereinzelten Verneinung qua Verkehrsanschauung § 97 Rn 21); Hotelinventar (BGH NJW-RR 2005, 1175; FG Köln BeckRS 2015, 95246); Telekommunikationsanlage eines Hotels (LG Flensburg Rpfleger 2000, 345); Sauna eines Sauna-Clubs (AG Betzdorf DGVZ 1989, 189; vgl auch AG Ludwigsburg DGVZ 1991, 95).
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dd) Sonderproblem: Betriebsfahrzeuge. Hier ist maßgeblich, ob der wirtschaftl Schwerpunkt des Unternehmens auf dem Grundstück zu verorten ist (BGH NJW 1983, 746, 747; 1994, 864, 867). Bejaht wird die Zubehörqualität daher beim Fahrzeugpark einer Fabrik oder eines Handelsunternehmens, mit dem die Bedarfsgüter des Betriebs herangeschafft bzw die erzeugten Produkte ausgeliefert werden (BGH WM 1980, 1383, 1384; vgl auch schon RGZ 69, 85, 87 [Pferde]; JW 1907, 703 [Kutschwagen]) oder bei einem Hotelbus, der Hotelgäste zur Bahn bringt (RGZ 47, 197, 200); verneint hingegen beim Fuhrpark moderner Speditions- und Transportunternehmen (BGH NJW 1983, 746; anders noch für Pferde und Wagen eines Pferdefuhrunternehmens: RG JW 1936, 3377); bei praktisch ausschließlich auf den jew Baustellen eingesetzten Maschinen und Geräten eines Bauunternehmens (BGH NJW 1994, 864, 867; Koblenz MDR 1990, 49). 3. Landwirtschaftliches Inventar (Nr 2). a) Legislatorische Zweckbestimmung. § 98 Nr 2 verdeutlicht, dass bei einem landwirtschaftl Betrieb („Landgut“, dazu Rn 10) die genannten Gegenstände wirtschaftl Zwecken des Landguts – und damit zugleich des Grundstücks – zu dienen bestimmt sind; die Norm leitet also vor dem in Rn 1 erläuterten wirtschaftl Hintergrund aus der Zweckbestimmung für den landwirtschaftl Betrieb diejenige für das Betriebsgrundstück ab (vgl MüKo/Stresemann Rn 14). b) Landgut. Landgut sind – idR mehrere – Grundstücke, die durch ihre gemeinsame Zweckbestimmung zur landwirtschaftl Nutzung zusammengefasst werden, einen gemeinsamen Betriebsmittelpunkt mit Wohn- und Betriebsgebäude haben und zum selbständigen Betrieb der Landwirtschaft eingerichtet und geeignet sind (BFH DStRE 2013, 115, Rn 20; Rostock OLG 29, 211). Die Grundstücke brauchen dabei nicht notwendig aneinander zu liegen (BFH DStRE 2013, 115, Rn 20); zudem genügt es, wenn eine wirtschaftsfähige Betriebseinheit durch zugepachtete Grundstücke erreicht wird (Stettin JW 1932, 1581; BeckOK/Fritzsche Rn 13; Staudinger/Stieper Rn 9; NK/Ring Rn 26; BeckOGK/Mössner Rn 25; MüKo/Stresemann Rn 15). Nicht maßgeblich ist demggü wegen der divergierenden Ratio das vom BGH zu §§ 2312, 2049 entwickelte engere Verständnis (Grü/Ellenberger Rn 4; BeckOK/Fritzsche Rn 13; Staudinger/Stieper Rn 9). Landwirtschaft iSd § 98 Nr 2 sind nicht nur Ackerbau, Vieh- und Geflügelzucht sowie Milchwirtschaft, sondern auch Forstwirtschaft und Fischzucht (BeckOK/Fritzsche Rn 13; Staudinger/Stieper Rn 10; BeckOGK/Mössner Rn 27; MüKo/Stresemann Rn 15). Erfasst sind sowohl spezialisierte Betriebe (zB Geflügelmast) (Frankfurt HRR 1932 Nr 1915; Braunschweig JW 1932, 2456) als auch Kombinationsbetriebe (Dresden SeuffA 56, Nr 144; BeckOK/Fritzsche Rn 13; Staudinger/Stieper Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 15). Nicht landwirtschaftl Nebenbetriebe sind unschädlich (RG WarnR 1909 Nr 175). c) Landgutszubehör. aa) Allgemeines. Ebenso wie bei Nr 1 sind auch die in Nr 2 genannten Sachen nur Zubehör, wenn sie nicht bereits wesentliche Bestandteile sind (dazu § 93 Rn 3ff, § 94 Rn 2ff) und sämtliche Anforderungen des § 97 erfüllen (vgl Rn 1, 6). bb) Gerät. Gerät, das zum Wirtschaftsbetrieb des Landguts bestimmt ist, ist zB: Maschinen und Geräte zur Bodenbearbeitung (zB Pflug, Fräse, Egge), Einbringung des Saatguts (Sämaschine) und der Ernte (zB Mähdrescher, Sense) (BFH DStRE 2013, 115 Rn 20; MüKo/Stresemann Rn 17, vgl auch Grü/Ellenberger Rn 4; Staudinger/Stieper Rn 11) sowie die Zugmaschinen hierzu (BFH DStRE 2013, 115 Rn 20; Frankfurt BeckRS 2007, 16199; AG Varel DGVZ 1962, 48; Grü/Ellenberger Rn 4; BeckOK/Fritzsche Rn 15; Staudinger/Stieper Rn 11; MüKo/Stresemann Rn 17); bei Viehhaltung zB Tränkanlage, Melkmaschine (MüKo/Stresemann Rn 17); bei Obstanbau zB eine transportable Beregnungsanlage (Celle BeckRS 2003, 17806); ferner aber auch Büroeinrichtung und das Mobiliar der Wohnräume für die im Betrieb Beschäftigten (RG WarnR 1909 Nr 175; Königsberg HRR 1941 Nr 924). cc) Vieh. Vieh ist zum Wirtschaftsbetrieb bestimmt, wenn es als Arbeits- oder Zuchttier oder zur Gewinnung von Erzeugnissen gehalten wird (Grü/Ellenberger Rn 4; BeckOK/Fritzsche Rn 16; Staudinger/Stieper Rn 12; BeckOGK/Mössner Rn 29; NK/Ring Rn 31; MüKo/Stresemann Rn 18), dh zB: Milchkühe (Augsburg OLG 37, 212); Legehennen (RG WarnR 1909 Nr 175); Mastgeflügel (KG OLG 15, 326f; Marienwerder OLG 22, 125; Frankfurt HRR 1932 Nr 1915; Braunschweig JW 1932, 2456); Mastschweine (RG 142, 379, 382); Schweine als „Abfallverwerter“ (Dresden SeuffA 56, Nr 144); Jungbulle (RG HRR 1933 Nr 1185); Fuhrwerks- und Arbeitspferd (München OLG 27, 176); Zuchtpferd (Stettin OLG 40, 413; KG JW 1926, 1033; AG Oldenburg DGVZ 1980, 94; AG Aschaffenburg DGVZ 1991, 45); Wach- und Hütehund (BeckOGK/Mössner Rn 29; MüKo/Stresemann Rn 18). Mastvieh verliert die Zubehörqualität, wenn es schlachtreif wird (RGZ 142, 379, 382); sonstiges Vieh, wenn es definitiv zum Verkauf bestimmt wird (München JW 1934, 1802; AG Neuwied DGVZ 1975, 63). Keine Beendigung der Zubehörqualität begründet dagegen das Angebot des gesamten Landgutes zum Verkauf (Augsburg OLG 35, 135) oder die nur vorübergehende anderweitige Unterbringung von Tieren (RG WarnR 1935, Nr 16); umgekehrt wird Vieh, das ein Bauer nur vorübergehend als Handelsvieh auf seinem Hof hat, nicht Zubehör (RGZ 163, 104, 105f, vgl auch § 97 Rn 18). dd) Landwirtschaftliche Erzeugnisse. Landwirtschaftl Erzeugnisse (zum Begriff § 99 Rn 2) sind nur Zubehör iSd § 98 Nr 2, soweit sie zur Fortführung der Wirtschaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähnl Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden. Erfasst sind auch zugekaufte Erzeugnisse (RG JW 1920, 552, 553 [Saatgut]). Dass der Erlös zur Betriebsfortführung verwendet werden soll genügt nicht (RG DNotZ 1933, 441). Bei Futtermitteln ist nicht der potenzielle, sondern der tatsächliche Viehbestand maßgeblich (München OLG 29, 245). ee) Dünger. § 98 Nr 2 erfasst nur den auf dem Gut gewonnenen Dünger, einschl etwaigen Kunstdünger (Staudinger/Stieper Rn 14; BeckOGK/Mössner Rn 36). Zugekaufter Dünger wurde bewusst ausgenommen (Prot III,
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§ 99
23); er kann jedoch gem § 97 Zubehör sein (Staudinger/Stieper Rn 14; BeckOGK/Mössner Rn 36; NK/Ring Rn 35; MüKo/Stresemann Rn 20).
§ 99
Früchte
(1) Früchte einer Sache sind die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird. (2) Früchte eines Rechts sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt, insbesondere bei einem Recht auf Gewinnung von Bodenbestandteilen die gewonnenen Bestandteile. (3) Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt. 1. Überblick und Ratio. § 99 enthält eine Legaldefinition des Fruchtbegriffs als Basis für die zahlreichen Vorschriften, die diesen Begriff verwenden (vgl Mot III, 67f). Die Norm differenziert zw folgenden Kategorien: (1) Unmittelbare Sachfrüchte (Abs I), (2) unmittelbare Rechtsfrüchte (Abs II), (3) mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte (Abs III). Entspr der gemeinrechtl Terminologie werden unmittelbare Früchte teils auch als „natürliche“, mittelbare teils auch als „zivile“, „bürgerliche“ oder „juristische“ Früchte bezeichnet. 2. Unmittelbare Sachfrüchte (Abs I). a) Erzeugnisse (Alt 1). Erzeugnisse sind alle natürlichen Tier- und Bodenprodukte (BGH NJW-RR 1989, 673, 674). Maßgeblich ist die Verkehrsauffassung (Staudinger/Stieper Rn 7), wobei indes nicht auf das alltagssprachliche Verständnis des Begriffs „Frucht“ abzustellen ist. Früchte sind daher zB nicht nur Beeren, Obst, Getreide etc; vielmehr können auch Pflanzen und Bäume als Bodenprodukte Früchte sein (vgl RGZ 80, 229, 232; 109, 190, 192; BeckOGK/Mössner Rn 5.1; MüKo/Stresemann Rn 2). Tierprodukte sind etwa Eier eines Huhns, Milch einer Kuh, Wolle eines Schafs (RGZ 22, 272, 724) oder Jungtiere wie Kälber, Fohlen, Lämmer, Küken etc (BeckOK/Fritzsche Rn 4; Staudinger/Stieper Rn 7; NK/Ring 12; BeckOGK/Mössner Rn 5.2; MüKo/Stresemann Rn 2). Irrelevant ist, ob die Bestimmung der Muttersache gerade darin besteht, derartige Produkte hervorzubringen (Bsp: Perle einer Auster) (arg e 2. Alt; vgl auch MüKo/Stresemann Rn 3); ob die Gewinnung den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entspricht, dh erfasst sind auch sog Übermaßfrüchte (vgl Mot III, 68f; RGZ 80, 229, 231f); oder ob die Gewinnung durch einen Berechtigten erfolgte (vgl Mot III, 68f). Die Substanz der Sache darf aber nicht verbraucht werden (Grü/Ellenberger Rn 2; BeckOK/Fritzsche Rn 4; Staudinger/Stieper Rn 6; BeckOGK/Mössner Rn 6; NK/Ring Rn 14; MüKo/Stresemann Rn 3), keine Erzeugnisse sind daher zB das Fleisch eines Tiers oder der Lehm einer Lehmgrube. Soll Elektrizität durch eine vom Nutzungsberechtigten erst zu errichtende Photovoltaikanlage gewonnen werden, so handelt es sich dabei nicht um eine unmittelbare Sachfrucht des Grundstücks (BGH NJW 2018, 1540 Rn 14; Lange/Ländner EnWZ 2019, 99, 100); anders jedoch, wenn auf dem überlassenen Grundstück bereits eine Photovoltaikanlage vorhanden ist (Lange/Ländner EnWZ 2019, 99, 100). b) Bestimmungsgemäße Ausbeute (Alt 2). aa) Gewinnung aus Sachsubstanz. Frucht ist weiterhin das, was zwar nicht Erzeugnis der Sache ist, aber bestimmungsgemäß aus ihr gewonnen wird. Im Gegensatz zur Alt 1 (vgl Rn 2) besteht hier gerade kein Erfordernis der Erhaltung der Sachsubstanz; die Minderung der Sachsubstanz bzw ggf nach und nach sogar die völlige Ausbeutung der Sache (zB Kies aus einer Kiesgrube) ist vielmehr gerade charakteristisch für die Ausbeute iSd Alt 2 (vgl BGH LM Nr 2 zu § 581; BeckOK/Fritzsche Rn 6; Staudinger/Stieper Rn 9; BeckOGK/Mössner Rn 9; MüKo/Stresemann Rn 4; s auch Mot III, 69; Prot III, 23f [Fleisch eines Ochsen]). Ausbeute kann gerade nur sein, was aus der Sachsubstanz gewonnen wurde und damit selbst Sachqualität hat (BeckOK/Fritzsche Rn 6; Staudinger/Stieper Rn 10; BeckOGK/Mössner Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 5; aA noch Erman/Michalski13 Rn 5). Die Ausbeute ist der Bestimmung der Sache gemäß, wenn ihre Gewinnung der naturgemäßen oder verkehrsüblichen Nutzung der Sache oder der Absicht des Verfügungsberechtigten entspricht (RGZ 94, 259, 261). bb) Beispiele. Ausbeute sind damit zB (vgl Staudinger/Stieper Rn 8; BeckOGK/Mössner Rn 8ff; MüKo/Stresemann Rn 4): Kohle, Erz, Steine, Kies und Sand (BGH LM Nr 2 zu § 581), Mineralien, Torf (Oldenburg NdsRpfl 1953, 124), Mineralwasser (Mot III, 69); nicht dagegen – mangels Sachqualität – zB Elektrizität (Lange/Ländner EnWZ 2019, 99, 100), Energie aus Wasserkraft (RG SeuffA 83 Nr 68) oder Wind (Staudinger/Stieper Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 5; aA noch Erman/Michalski13 Rn 5); ferner auch nicht – mangels Bestimmungsgemäßheit – ein Schatz (Grü/Ellenberger Rn 2; BeckOK/Fritzsche Rn 8; BeckOGK/Mössner Rn 8.2; NK/Ring Rn 22; MüKo/Stresemann Rn 5). 3. Unmittelbare Rechtsfrüchte (Abs II). a) Grundsätze. Unmittelbare Rechtsfrüchte sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt. Das Recht muss also seinem Inhalt nach unmittelbar auf die Gewinnung der Erträge durch den Rechtsinhaber gerichtet sein (Staudinger/Stieper Rn 11; BeckOGK/Mössner Rn 11; MüKo/Stresemann Rn 8). Rechtsfrucht iSd § 99 II ist damit insb auch nur der bestimmungsgemäße Ertrag entspr dem Inhalt des Rechts (BeckOK/Fritzsche Rn 12; Staudinger/Stieper Rn 12; BeckOGK/Mössner Rn 12; NK/Ring Rn 23, 25; MüKo/Stresemann Rn 8). Erträge iSd § 99 II können nur Gegenstände sein, die selbständig neben dem Stammrecht existieren und vom Rechtsverkehr als etwas von diesem Verschiedenes angesehen werden (BSG MDR 1982, 698 Rn 27; BeckOK/Fritzsche Rn 9; BeckOGK/Mössner Rn 13; Staudinger/Stieper Rn 12). Welcher Natur das Stammrecht ist, ist dagegen irrelevant; fruchtbringende Rechte können dinglicher, obligatorischer, mitgliedschaftlicher oder auch öffentlich-rechtl Natur sein (vgl BeckOK/Fritzsche Rn 9; Staudinger/Stieper J. Schmidt
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Rn 11; BeckOGK/Mössner Rn 11.2; s ferner auch BSG MDR 1982, 698 Rn 27 sowie die in Rn 6 genannten Einzelfälle). b) Kasuistik. Rechtsfrüchte iSv Abs II sind zB: Erträge des Nießbrauchers (KG NJW 1964, 1808f), Pächters (RG JW 1938, 3040, 3041), Reallastberechtigten (Staudinger/Stieper Rn 11; MüKo/Stresemann Rn 9); Leistungen einer Leibrente (RGZ 67, 204, 210; 80, 208, 209); monatliche Zahlungsansprüche aus der gesetzl Rentenversicherung (BSG MDR 1982, 698 Rn 27; SGb 2004, 483, Rn 22); aufgrund Bergwerkeigentums gewonnene Kohle (RG DJ 1938, 2048, 2049); Zinsen einer Kapitalforderung (Grü/Ellenberger Rn 3; BeckOK/Fritzsche Rn 10; Staudinger/Stieper Rn 17; NK/Ring Rn 29; MüKo/Stresemann Rn 9); Darlehenszinsen (Staudinger/Stieper Rn 17; aA [§ 99 III]: BeckOK/Fritzsche Rn 14; MüKo/Stresemann Rn 6); Dividende einer Aktie (Bremen WM 1970, 1206, 1207; vgl auch BGH NJW 2002, 3467, 3468f; NZG 2008, 189 Rn 11); Gewinnanteile bei einer GmbH (BGH NJW 1995, 1027, 1028f; Brandenburg BeckRS 2014, 03333; BFH DStR 2022, 1368 Rn 16) oder OHG/KG (BGH NJW 1972, 1755, 1756; 1981, 115, 117; 1981, 1560, 561; München DStR 2016, 2000 Rn 12); Ausgleichszahlung bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGH NJW 2002, 3467, 3469; NZG 2008, 189 Rn 11; 2011, 701 Rn 9); Verbandsmitgliedern aus dem Genossenschaftswald zugeteilte Holzmengen (BGH NJW 1986, 1042, 1043); Jagdbeute als Frucht des Jagdrechts (KG OLG 4, 44, 45; LG Kassel 16.6.1981 – 7 O 130/81; vgl auch BGH NJW 1991, 1421, 1423); erbeutete Wasserkraft bei Wassernutzungsrecht (RG SeuffA 83 Nr 68); nicht dagegen: Bezugsrecht des Aktionärs (BGH NJW 1972, 1755, 1756; RFH JW 1921, 491, 492; KG OLG 24, 139, 140; BayObLG OLG 36, 282, 283; Bremen WM 1970, 1206, 1207); Stimmrecht des Aktionärs (Staudinger/Stieper Rn 17; BeckOGK/Mössner Rn 13.6; NK/Ring Rn 32); beim Aktienverkauf erzielter Kursgewinn (Bremen WM 1970, 1206, 1207); Liquidationsanteil bei Auflösung von Verein/Gesellschaft (Staudinger/Stieper Rn 17; BeckOGK/Mössner Rn 13.6; NK/Ring Rn 32); Gehaltszahlungen aus Dienstvertrag (RGZ 69, 59, 64); Vergütung für Aufgabe der Milcherzeugung (VG Stade WM 1987, 1312, 1313). c) Sonderproblem: Unternehmensertrag. Str ist die rechtl Einordnung von Erträgen eines Unternehmens. Gegen eine Analogie zu Abs I (dafür etwa Soergel/Marly Rn 3; MüKo/Schwab § 818 Rn 39) spricht, dass Unternehmen als solche keine „Sachen“ sind. Näher liegt insoweit mit Blick auf die Ähnlichkeit des Unternehmensgewinns mit Rechtsfrüchten (insb Gewinnanteile einer GmbH/oHG/KG, dazu Rn 6) (vgl auch BGH NJW 1952, 1410, 1411; LM Nr 1 zu § 102) eine Analogie zu Abs II (dafür etwa Staudinger/Schaub § 581 Rn 7; MüKo/Stresemann Rn 11). Die Rspr qualifiziert Unternehmensgewinne indes als Nutzungen iSd § 100 (BGH NJW 1975, 638, 640; 1978, 1578; 1984, 2937, 2938; 2006, 2847 Rn 46; BeckRS 2012, 20762). Da die meisten Rechtsfolgenormen ohnehin auf den Oberbegriff „Nutzungen“ abstellen, ist die praktische Relevanz der Kontroverse freilich begrenzt (vgl BeckOK/Fritzsche § 100 Rn 11; BeckOGK/Mössner § 100 Rn 10.1; MüKo/Stresemann Rn 11). Keine Nutzungen sind jedenfalls der Gewinn(teil), der ausschließlich auf den persönlichen Leistungen oder Fähigkeiten desjenigen beruht, der die gewinnbringenden Einnahmen erzielt hat (BGH NJW 1978, 1578; 2006, 2847 Rn 46; BeckRS 2012, 20762; BeckOK/Fritzsche § 100 Rn 12; Staudinger/Stieper Rn 15; BeckOGK/Mössner § 100 Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 11; vgl auch bereits BGH NJW 1952, 1410, 1411). 4. Mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte (Abs III). a) Grundsätze. Früchte sind ferner gem Abs III Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt. Der Begriff „Erträge“ ist insoweit freilich nicht ganz glücklich, denn tatsächlich handelt es sich um die Gegenleistung für die Überlassung der Sache oder des Rechts an andere zur Nutzung (BGH NJW-RR 2009, 1610 Rn 12; Staudinger/Stieper Rn 18; BeckOGK/Mössner Rn 14). Das Rechtsverhältnis kann sowohl vertragl als auch gesetzl Natur sein (BeckOK/Fritzsche Rn 13; Staudinger/Stieper Rn 19; BeckOGK/Mössner Rn 15; NK/Ring Rn 38; vgl die Bsp unten). Erworben werden die Früchte bereits mit Fälligkeit (RGZ 138, 69, 72; BGH NJW 2011, 1436 Rn 15; BeckOK/Fritzsche Rn 13; MüKo/Stresemann Rn 6, § 101 Rn 3; abw Staudinger/Stieper § 101 Rn 2; Erman/Michalski13 § 101 Rn 6). b) Kasuistik. aa) Mittelbare Sachfrüchte. Mietzins (RGZ 67, 378, 380; 81, 146, 149; 105, 408, 409; 138, 69, 71; BGH NJW 1986, 1340; 2011, 749 Rn 15; NZM 2014, 582 Rn 12; Celle BeckRS 2015, 13142); Untermietzins (BGH NJW-RR 2009, 1522 Rn 23); Pachtzins (RGZ 67, 116, 119); Unterpachtzins (BGHZ 1, 176, 179); Überbaurente (Celle BeckRS 2012, 01458; Staudinger/Stieper Rn 19; MüKo/Stresemann Rn 6); Ausgleichszahlungen für Errichtung eines Windrads (Celle BeckRS 2012, 01458); Erträge aus der Verwertung von Abbildern der Gebäude und Gärten auf einem Grundstück (BGH NJW 2011, 749 Rn 15; KG BeckRS 2013, 01741; AG Hamburg ZUM 2012, 819); nicht: Brandversicherungssumme (BGH NJW 1991, 2836, 2837; Düsseldorf NJW-RR 1997, 604; Brandenburg VIZ 2000, 182, 185; Braunschweig NJOZ 2018, 58 Rn 39); Kaufpreis (BeckOK/Fritzsche Rn 14; Staudinger/Stieper Rn 18; NK/Ring Rn 39); Enteignungsentschädigung (BeckOK/Fritzsche Rn 14; Staudinger/ Stieper Rn 18; NK/Ring Rn 39); Eigenheimzulage (FG Brandenburg DStRE 2007, 437). bb) Mittelbare Rechtsfrüchte. Verzugszinsen (BGH NJW 1981, 2350, 2351); Lizenzgebühr für Überlassung eines Immaterialgüterrechts (Grü/Ellenberger Rn 4; BeckOK/Fritzsche 15; Jauernig/Mansel Anm zu §§ 99–103 Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 20; BeckOGK/Mössner Rn 16.3; NK/Ring Rn 40); nicht: Einspeisevergütung (Lange/ Ländner EnWZ 2019, 99, 100; aA LG Saarbrücken ZfIR 2017, 421 Rn 39f). 5. Rechtliche Bedeutung. Den Erwerb des Eigentums von Sachfrüchten regeln die §§ 953ff. Sind Früchte Rechte, so entstehen sie in der Person des Fruchtziehungsberechtigten. Mittelbare Früchte werden bereits mit Fälligkeit erworben (s Rn 8).
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§ 100
Von den Erwerbstatbeständen zu trennen sind die Regelungen über die Fruchtverteilung. Den Grundsatz hierfür bestimmt § 101; speziellere Regelungen finden sich ua in den §§ 987ff, § 1039 I 2, § 1214, § 2133. Die Erstattung von Fruchtgewinnungskosten richtet sich nach § 102.
§ 100
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Nutzungen
Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. 1. Überblick und Ratio. § 100 normiert eine Legaldefinition des Begriffs Nutzung, der als Oberbegriff zum einen sämtliche Früchte iSd § 99 (dazu § 99 Rn 1ff), zum anderen die Gebrauchsvorteile einer Sache oder eines Rechts umfasst. 2. Gebrauchsvorteile. Gebrauchsvorteile einer Sache ergeben sich aus ihrem Besitz oder der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit (BeckOK/Fritzsche Rn 6; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 5). Die Gebrauchsvorteile eines Rechts ergeben sich aus seinem gesetzl oder vertragl determinierten Inhalt (BeckOK/Fritzsche Rn 8; BeckOGK/Mössner Rn 9; NK/Ring Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 2). Sie müssen nicht zwingend vermögensrechtl Natur sein (Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 5; NK/Ring Rn 16; BeckOGK/Mössner Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 3; aA Hamburg MDR 1953, 613, 614). Beispiele: Gebrauchsvorteile einer Sache sind zB: Bewohnen eines Hauses bzw einer Wohnung (BGH NJW-RR 1988, 1093, 1095; NJW 2006, 1582 Rn 11; 2009, 2523, 2524); gewerbliche Nutzung eines Gebäudes (Düsseldorf ZMR 2009, 443 [Hotel]); Nutzung eines Pkw (BGH NJW 2010, 2426 Rn 16; Karlsruhe NJW 2003, 1950, 1951; München NZV 2007, 210; Stuttgart BeckRS 2020, 30911 Rn 21); Nutzung einer Hoffläche (BayObLG NJW-RR 1998, 876), einer Garage (BGH NJW 1986, 1340, 1341), eines Gartens (Hamm NJOZ 2018, 176 Rn 37ff) oder eines Dachbodens (LG Saarbrücken WuM 1998, 31); Nutzung eines DSL-Anschlusses (BGH NJW 2013, 1072); Reiten eines Pferdes (BGH NJW 1981, 865, 866); bei Geld nicht nur Zinserträge (BGH NJW 1997, 933, 935; DStR 2012, 1668 Rn 9), sondern auch durch Tilgung ersparte Zinsen (BGH NJW 1998, 2354; DStR 2012, 1668 Rn 9; Hamburg BeckRS 2014, 09381; Bamberg ZErb 2016, 179 Rn 20). Zu den Gebrauchsvorteilen eines Rechts gehört zB die Grundstücksnutzung aufgrund eines dinglichen Wohnrechts (BGH NJW-RR 1988, 1093, 1095; Brandenburg BeckRS 2010, 06760). 3. Abgrenzung. Keine Gebrauchsvorteile sind hingegen Vorteile aus dem Verbrauch (RG JW 1915, 324; BGH NJW 1954, 1194, 1195; Staudinger/Stieper Rn 1; BeckOGK/Mössner Rn 7) oder der Zerstörung (BGH NJW 1991, 2836, 2837). Keine Gebrauchsvorteile sind daher zB: Verbrauch von Benzin (BGH NJW 1954, 1194, 1195); Brandversicherungssumme (BGH NJW 1991, 2836, 2837). Keine Gebrauchsvorteile sind ferner die nur mittels einer Sache bzw eines Rechts erzielten Vorteile aus der Veräußerung oder sonstigen rechtsgeschäftlichen Verwertung (lucrum ex negotiatione) (RG JW 1915, 324; WarnR 1915, Nr 70; BGH NJW-RR 2010, 885 Rn 11; Frankfurt BeckRS 2016, 08309; Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 7), zB: Zahlungsansprüche nach dem BetrPrämDurchfG (BGH NJW-RR 2010, 885 Rn 11); beim Aktienverkauf erzielter Kursgewinn (Bremen WM 1970, 1206, 1207); Bezugsrecht des Aktionärs (KG OLG 24, 139; BayObLG OLG 36, 282, 283; Bremen WM 1970, 1206, 1207; BGH NJW 1972, 1755, 1756). Str ist die Einordnung des Stimmrechts eines Gesellschafters. Im sachenrechtl Schrifttum wird es unter Berufung auf RGZ 118, 266, 268 verbreitet unreflektiert als Nutzung qualifiziert (so etwa Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 8; Staudinger/Stieper Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 3). Im GmbH- und Aktienrecht wurde zwar teils ebenfalls vertreten, dass das Stimmrecht als Nutzung allein dem Nießbraucher zustehe (so etwa SchmidtRimpler NJW 1953, 1503; von Godin/Wilhelmi4 1971, § 134 AktG Anm 4); andere plädieren für gemeinschaftl Ausübung (so etwa Schön ZHR 158, 229, 260ff) oder eine Aufspaltung analog § 1036 I, § 1066 I (so etwa Habersack, Die Mitgliedschaft – subj und sonstiges Recht, 1996, 111f). Nach überzeugender und heute ganz hM steht das Stimmrecht als Verwaltungsrecht jedoch allein dem Gesellschafter zu (Koblenz NJW 1992, 2163; Bayer in Lutter/Hommelhoff § 15 GmbHG Rn 119; MüKo-GmbHG/Reichert/Weller § 15 Rn 337ff; K. Schmidt/Lutter/ Ziemons § 12 AktG Rn 6; jedenfalls für Grundlagenbeschlüsse auch BGH NJW 1999, 571, 572). Zu Unternehmenserträgen s § 99 Rn 7. 4. Rechtliche Bedeutung. a) Definitionsnorm. § 100 ist als Definitionsnorm (vgl Rn 1) für eine Vielzahl von Vorschriften, die den Begriff Nutzungen verwenden, von Bedeutung, zB: § 256 S 2, § 292 II, § 302, § 308 Nr 7a, § 346 I, § 347 I, § 379 II, § 446 S 2, § 475 III, § 508 S 4, § 584b S 1, § 818 I, § 820 II Hs 2, §§ 987, 988, 990, 991 I, §§ 993, 994 I 2, § 995 S 2, §§ 1030, 1039 II, §§ 1213, 1214 I, II, § 1283 I, § 1698 II, § 1849 II 1 Nr 1 lit d, §§ 2020, 2023 II, § 2111 I 1, §§ 2133, 2184, 2379 S 1, § 2380 S 2; außerhalb des BGB zB: §§ 16, 33 IV Nr 1 WEG; § 4 I Hs 2, § 9 S 1, § 863 I 1 ZPO; § 56 S 2, § 150d S 1, § 155 I ZVG. b) Wertersatz für Nutzungen. Da Nutzungen idR nicht in natura herausgegeben werden können, begründet die Verpflichtung zur Herausgabe regelmäßig eine Pflicht zum Wertersatz (vgl § 346 II 1 Nr 1, § 818 II, § 987 II). Die Bewertung von Gebrauchsvorteilen richtet sich nach dem obj Wert (BGH NJW 1995, 2627, 2628; NJW 2013, 1072, Rn 9; BeckRS 2013, 05337 Rn 28). Bei der Eigennutzung beweglicher Sachen erfolgt die Berechnung grds nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung, dh nach einem Vergleich zw dem tatsächlichen Gebrauch und der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer der Sache unter Berücksichtigung des Werts der Sache bzw des J. Schmidt
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Sachen und Tiere
vereinbarten Kaufpreises (sog Wertverzehr) (BGH NJW 1991, 2484; 1996, 250, 252; 2006, 1582 Rn 12). Bzgl der Eigennutzung eines Grundstücks bzw einer Wohnung ist Bemessungsgrundlage dagegen der übliche Miet- oder Pachtzins für dieses oder ein vergleichbares Objekt (BGH NJW 1983, 2024, 2025; 2006, 1582 Rn 11; 2009, 2523 Rn 30; NJW-RR 2009, 1522 Rn 24). Außer Betracht bleiben Vorteile, die auf werterhöhenden Investitionen des Besitzers beruhen (BGH NJW 1990, 447, 450; 1992, 892; 1995, 2627, 2628). Zu Unternehmenserträgen s § 99 Rn 7.
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Verteilung der Früchte
Ist jemand berechtigt, die Früchte einer Sache oder eines Rechts bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu beziehen, so gebühren ihm, sofern nicht ein anderes bestimmt ist: 1. die in § 99 Abs. 1 bezeichneten Erzeugnisse und Bestandteile, auch wenn er sie als Früchte eines Rechts zu beziehen hat, insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung von der Sache getrennt werden, 2. andere Früchte insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung fällig werden; bestehen jedoch die Früchte in der Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs oder des Fruchtgenusses, in Zinsen, Gewinnanteilen oder anderen regelmäßig wiederkehrenden Erträgen, so gebührt dem Berechtigten ein der Dauer seiner Berechtigung entsprechender Teil. 1. Ratio und Überblick. § 101 regelt, wem die Früchte „gebühren“, dh das schuldrechtl Verhältnis sukzessiv Fruchtziehungsberechtigter untereinander (RGZ 80, 311, 316; BGH NJW 1995, 1027, 1029; NZG 2011, 701 Rn 23; 2011, 780 Rn 23; BFH DB 1992, 354; GmbHR 1998, 799, 800). Derjenige, dem die Früchte nach § 101 zustehen, hat einen schuldrechtl Ausgleichsanspruch auf Herausgabe der Früchte, die sein Vorgänger oder Nachfolger gezogen hat bzw zieht (BGH NZG 2011, 701 Rn 21; 2011, 780 Rn 21; Staudinger/Stieper Rn 1; BeckOGK/Mössner Rn 8; NK/Ring Rn 2; MüKo/Stresemann Rn 2). Nicht Regelungsgegenstand ist hingegen der Fruchterwerb; dazu bereits § 99 Rn 8, 11. 2. Allgemeine Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs aus § 101. Allg Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch aus § 101 ist zunächst, dass tatsächlich Früchte gezogen werden bzw wurden; dass Früchte hätten gezogen werden könnten, genügt nicht (RG Gruchot 57 [1913], 902, 905; BGH NJW 1995, 1027, 1029; NZG 2011, 701 Rn 21; 2011, 780 Rn 21). Zweitens muss dem Schuldner ein Fruchtziehungsrecht zugestanden haben (BGH NJW 1995, 1027, 1029; NZG 2011, 701 Rn 21; 2011, 780 Rn 21). Daran fehlt es zB, wenn der Betreffende im Falle des § 304 AktG gar nicht außenstehender Aktionär ist (BGH NZG 2011, 701 Rn 21; 2011, 780 Rn 21) oder bei einer GmbH, die als Inhaberin eigener Anteile gar kein Gewinnanteilsrecht hat (BGH NJW 1995, 1027, 1029). Drittens muss das Fruchtziehungsrecht befristet sein. § 101 findet nicht nur im Verhältnis unmittelbar aufeinander folgender Fruchtziehungsberechtigter Anwendung, sondern überall dort, wo jemand Früchte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder von einer bestimmten Zeit an zu beziehen berechtigt ist (RG Gruchot 57 [1913], 902, 904; BeckOK/Fritzsche Rn 3; BeckOGK/Mössner Rn 5; MüKo/Stresemann Rn 4). Typische Anwendungsfälle sind zB im Verhältnis Veräußerer/Erwerber, Pächter/Verpächter, Eigentümer/Nießbraucher, Eigentümer/gutgläubiger Besitzer, Vor-/Nacherbe (vgl BeckOK/Fritzsche Rn 1; BeckOGK/Mössner Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 4). 3. Regelungen zur Fruchtverteilung. a) Unmittelbare Sachfrüchte (Nr 1). Bei unmittelbaren Sachenfrüchten ist ausschließlich der Zeitpunkt der Trennung maßgebend. Wann und durch wen die Trennung erfolgte oder wer die Früchte gesät hat, ist irrelevant (Staudinger/Stieper Rn 4; NK/Ring Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 5). Gleiches gilt für Rechtsfrüchte, die zugleich unmittelbare Sachfrüchte sind (Bsp: durch Pächter oder Nießbraucher gewonnene Erzeugnisse). b) Andere Früchte (Nr 2). aa) Grundsatz (Hs 1). Andere Früchte – dh Rechtsfrüchte iSd § 99 II, die nicht zugleich Sachfrüchte sind, sowie mittelbare Früchte iSd § 99 III – gebühren grds dem im Zeitpunkt der Fälligkeit Bezugsberechtigten. bb) Wiederkehrende Erträge (Hs 2). Bei regelmäßig wiederkehrenden Erträgen würde eine Verteilung allein nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit jedoch zu zufälligen und unbilligen Ergebnissen führen (vgl Prot III, 24, 25f); hier gebührt daher jedem der Berechtigten ein der Dauer seiner Berechtigung entspr Teil, die Verteilung erfolgt also pro rata temporis. Als Bsp für regelmäßig wiederkehrende Erträge nennt Hs 2 ausdr die Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs oder des Fruchtgenusses (zB Miete, Pacht) sowie Zinsen und Gewinnanteile. Bei anderen Erträgen bezieht sich das „regelmäßig wiederkehrend“ auf die zeitl Komponente; der Betrag kann jew variieren (BeckOK/Fritzsche Rn 6; BeckOGK/Mössner Rn 12; NK/Ring Rn 14; MüKo/Stresemann Rn 11; vgl auch RGZ 88, 42, 46 zu § 197). Erfasst sind zB: Gewinnanteile eines Gesellschafters (BGH NJW 1995, 2027, 2029; NJW 1998, 1314; Brandenburg BeckRS 2014, 03333; BFH GmbHR 2019, 498 Rn 48; DStR 2022, 1368 Rn 16); Rentenschuld und Überbaurente (MüKo/Stresemann Rn 11); Leistungen aufgrund einer Reallast (MüKo/Stresemann Rn 11); Dividenden (RG Gruchot 52 [1908], 1093, 1095; BGH NZG 2011, 701 Rn 23; 2011, 780 Rn 23; vgl aber Rn 8). 4. Subsidiarität des § 101. Die Regeln des § 101 stehen explizit unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Bestimmung. Eine solche kann zum einen rechtsgeschäftlicher Natur sein, zB eine vertragl Regelung (Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 7; Staudinger/Stieper Rn 7; NK/Ring Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 12) – so 300
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wird etwa bei der Veräußerung von börsennotierten Aktien eine etwaige Dividende idR eingepreist (vgl BGH NZG 2011, 701 Rn 23; 2011, 780 Rn 23 mwN) – oder statutarische Klausel (BGH NJW 1995, 1027, 1028) oder auch eine letztwillige Verfügung (RG Gruchot 52 [1908], 1093, 1095; Gruchot 57 [1913], 902, 905). Sie kann sich aber auch aus dem Gesetz ergeben, entweder kraft ausdr Regelung – so zB in zB §§ 987ff, 1039, 1214, 2111 I 1, 2133 – oder aufgrund von Ratio und Telos. So begründet § 101 I Hs 2 weder in direkter noch in analoger Anwendung einen Ausgleichsanspruch eines ausgeschlossenen Minderheitsaktionärs, wenn ein Squeeze-out-Beschluss eingetragen wird, bevor der Anspruch auf Ausgleichszahlung gem § 304 AktG entsteht (BGH NZG 2011, 701 Rn 20ff; 2011, 780 Rn 20ff; Bödecker/Fink NZG 2011, 816, 818; BeckOK/Fritzsche Rn 3; Heider/Hirte GWR 2011, 282; Koch § 327b AktG Rn 17; Staudinger/Stieper Rn 7; BeckOGK/Mössner Rn 7.1; NK/Ring Rn 14a; MüKo/Stresemann Rn 11; Wilsing/Paul EWiR 2011, 450f; aA Altmeppen ZIP 2010, 1773ff; Dreier/Riedel BB 2009, 1822ff; Meilicke AG 2010, 561ff).
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Ersatz der Gewinnungskosten
Wer zur Herausgabe von Früchten verpflichtet ist, kann Ersatz der auf die Gewinnung der Früchte verwendeten Kosten insoweit verlangen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen und den Wert der Früchte nicht übersteigen. 1. Ratio und Rechtsnatur. Die Norm ist Ausprägung des Billigkeitsgedankens: Wer von einem anderen die Herausgabe von Früchten verlangen kann, soll auch die Kosten ihrer Gewinnung tragen (BGH NZG 2019, 599 Rn 17; Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 1; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 2; NK/Ring Rn 1; MüKo/Stresemann Rn 1). § 102 ist nach allg M eine selbständige Anspruchsgrundlage (BGH LM Nr 1 zu § 102; BGH NZG 2019, 599 Rn 17; Grü/Ellenberger Rn 1; BeckOK/Fritzsche Rn 9; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 7; NK/Ring Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 6). 2. Voraussetzung: Pflicht zur Herausgabe von Früchten. § 102 gilt für jede Art von Früchten und für jede Art von Herausgabepflicht, ohne Rücksicht auf Eigentum und Besitzrecht (BGH LM Nr 1 zu § 102). Sie kann aus Vertrag oder Gesetz (zB § 101, § 292 II, § 346 I, § 446 S 2, § 818 I, §§ 987ff, 2020, 2023 II, § 2184) folgen (BeckOK/Fritzsche Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 3; BeckOGK/Mössner Rn 3; NK/Ring Rn 2; MüKo/Stresemann Rn 2). Voraussetzung ist aber, dass die Sachen gerade wegen ihrer Qualifikation als Früchte herauszugeben sind (RG JW 1938, 3040, 3042). 3. Rechtsfolge: Anspruch auf Ersatz der Gewinnungskosten. Anspruchsinhalt ist der Ersatz der Gewinnungskosten insoweit, als sie einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen und den Wert der Früchte nicht übersteigen. Gewinnungskosten sind alle Aufwendungen von unmittelbarem Vermögenswert, welche der Bestellung, Gewinnung, Erhaltung und Ernte der Früchte dienen (Staudinger/Stieper Rn 4; BeckOGK/Mössner Rn 10f; MüKo/Stresemann Rn 4). Bsp: Herstellungs- und Erhaltungskosten für Grubenbauten (RG JW 1938, 3040, 3042); Kosten für Saatgut, Feldbestellung, Düngung, Schädlingsbekämpfung, Ernte (BeckOK/Fritzsche Rn 5; BeckOGK/ Mössner Rn 11, 11.1; NK/Ring Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 4); im Falle einer vermieteten Immobilie: Kosten für Anbahnung, Betreuung und Abwicklung von Mietverhältnissen sowie auf die Immobilie bezogenen Kontakt mit Behörden und Versorgungsbetrieben (BGH ZIP 2019, 626 Rn 14). Kosten sind auch der Wert der persönlichen Arbeitsleistung des Fruchtschuldners (BGH LM Nr 1 zu § 102; ZIP 2019, 626 Rn 14) sowie seiner Angehörigen und Angestellten (BGH NJW 1996, 921, 922f zu § 994; zu § 102: BeckOK/Fritzsche Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 10; NK/Ring Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 4); ob die Arbeitskraft auch anderweitig nutzbringend verwertet worden wäre, ist irrelevant (BeckOK/Fritzsche Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 10; NK/Ring Rn 10; MüKo/Stresemann Rn 4; offengelassen von BGH LM Nr 1 zu § 1962; aA Erman/Michalski13 Rn 2; RGRK/Kregel Rn 2). Erfasst sind auch Aufwendungen zur Steigerung der Fruchtgewinnung, unabhängig davon, ob sie tatsächlich zu einem Mehrertrag führen (Staudinger/Stieper Rn 4; abw KG OLG 22, 272, 273; BeckOGK/Mössner Rn 12; MüKo/Stresemann Rn 5). Die Aufwendungen müssen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen; maßgeblich ist insoweit die Verkehrsanschauung (vgl Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 13; NK/Ring Rn 12; MüKo/ Stresemann Rn 5). Obergrenze ist der Wert der Früchte; dies reflektiert die Ratio der Norm. 4. Geltendmachung, Beweislast. § 102 ist eine selbständige Anspruchsgrundlage (Rn 1). Wird die Herausgabe der Früchte verlangt, begründet der Anspruch aus § 102 aber zugleich ein Zurückbehaltungsrecht gem § 273 (Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 8; NK/Ring Rn 4; MüKo/Stresemann Rn 6). Wenn die herauszugebenden Früchte in Geld bestehen, ist Aufrechnung möglich (Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/ Mössner Rn 8; NK/Ring Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 6; vgl auch BGH LM Nr 1 zu § 102). Die Beweislast für Gewinnungskosten und Wert der Früchte trägt der Anspruchsteller (BeckOK/Fritzsche Rn 11; Staudinger/Stieper Rn 5; NK/Ring Rn 13; MüKo/Stresemann Rn 4). 5. Abweichende Regelungen. § 102 ist dispositiv (BeckOK/Fritzsche Rn 10; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 7). Sonderregelungen für den Ersatz der Gewinnungskosten noch nicht getrennter Früchte enthalten §§ 596a, 998, 1055 II, § 2130 I 2.
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Verteilung der Lasten
Wer verpflichtet ist, die Lasten einer Sache oder eines Rechts bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu tragen, hat, sofern nicht ein anderes bestimmt ist, die regelmäßig wiederkehrenden Lasten nach dem Verhältnis der Dauer seiner Verpflichtung, andere Lasten insoweit zu tragen, als sie während der Dauer seiner Verpflichtung zu entrichten sind. 1. Ratio und Überblick. § 103 regelt – quasi als Pendant zu § 101 betr die Verteilung der Früchte – die Verteilung der Lasten mehrerer aufeinanderfolgender Berechtigter, und zwar ebenfalls nur mit schuldrechtl Wirkung im Innenverhältnis (BeckOK/Fritzsche Rn 1; Staudinger/Stieper Rn 1; NK/Ring Rn 1; BeckOGK/Mössner Rn 1; MüKo/Stresemann Rn 1ff). Soweit derjenige, der die Lasten entrichtet hat, sie nach § 103 nicht zu tragen hat, gewährt die Norm ihm unmittelbar einen schuldrechtl Ausgleichsanspruch (BGH NZI 2009, 572 Rn 10). Wer die Last im Außenverhältnis ggü dem jew Gläubiger zu tragen hat, ergibt sich aus dem Rechtsgrund der Last (BeckOK/Fritzsche Rn 1; Staudinger/Stieper Rn 1; BeckOGK/Mössner Rn 15; NK/Ring Rn 3; MüKo/Stresemann Rn 3). 2. Lasten. a) Begriff. Lasten sind Leistungspflichten, welche den Eigentümer, Besitzer oder Rechtsinhaber als solchen treffen (BGH BB 1957, 598; NJW 1980, 2465, 2466) und aus der Sache bzw dem Recht selbst zu entrichten sind und damit den Nutzungswert mindern (RGZ 66, 316, 318; BGH NJW 1990, 111, 112). Ob sie privatoder öffentlich-rechtl Natur sind, ist irrelevant (BeckOK/Fritzsche Rn 3; Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/ Mössner Rn 3; NK/Ring Rn 6; MüKo/Stresemann Rn 5). b) Beispiele. Lasten einer Sache sind zB: Überbau- und Notwegrenten gem § 912 II, § 917 II (MüKo/Stresemann Rn 6; Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 4); Reallasten gem §§ 1105ff (Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 4); Hypotheken- und Grundschuldzinsen (BGH NJW 1986, 2438, 2439); Grundsteuern (§ 12 GrStG); Erschließungsbeiträge (§ 134 II BauGB); Wertausgleich nach BBodSchG (§ 25 VI BBodSchG); Grundstücksbenutzungsgebühren (BGH ZWE 2010, 364 Rn 8) oder Schmutzwasserbeiträge (BGH NJW-RR 2010, 671 Rn 7f) nach Landesrecht, sofern sie auf dem Grundstück lasten; Grundsteuer (Brandenburg 5.6.2019 – 11 U 109/15 Rn 15); Kfz-Pflichtversicherungsprämien (AG Hamburg VersR 1977, 1042). Lasten eines Rechts sind zB Verpflichtungen eines Erbbauberechtigten (BeckOK/Fritzsche Rn 6; Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 8; NK/Ring Rn 10). c) Abgrenzung. Keine Lasten sind persönliche Verpflichtungen des jew Besitzers/Eigentümers/Rechtsinhabers (BGH NJW 1990, 111, 112; Hamm NJW 1989, 839, 840; Köln VersR 1998, 605; Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 3), zB Anliegerstreupflicht (BGH NJW 1990, 111, 112; Hamm NJW 1989, 839, 840), die allg Verkehrssicherungspflicht (Köln VersR 1998, 605), eine durch polizeilichen VA angeordnete Pflicht zur Aufstellung von Hydranten und Müllbehältern (RGZ 129, 10, 12f) oder Verpflichtungen eines Vermieters aus Nebenkostenabrechnungen (Dresden BeckRS 2015, 19890 Rn 18). Ebenso wenig erfasst sind Belastungen, die nur das Eigentums- oder Verfügungsrecht einschränken, jedoch nicht zu einer Leistung verpflichten, wie zB Nießbrauch, Grunddienstbarkeit und dingliches Vorkaufsrecht (RGZ 66, 316, 318f; Staudinger/Stieper Rn 5; BeckOGK/Mössner Rn 7). 3. Befristung der Lastentragungspflicht. Korrespondierend mit § 101 (dazu § 101 Rn 4) findet auch § 103 immer dann Anwendung, wenn jemand bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zur Lastentragung verpflichtet ist. Typische Anwendungsfälle sind zB im Verhältnis Veräußerer/Erwerber, Besitzer/ Eigentümer, Vor-/Nacherbe, Erbe/Vermächtnisnehmer (MüKo/Stresemann Rn 4); spezielle Regelungen enthalten zB § 436 I, § 446 S 2 (Verkäufer/Käufer), § 535 I 3 (Vermieter/Mieter, gilt qua § 581 II auch für Verpächter/ Pächter), §§ 2379f (Erbe/Erbschaftskäufer), § 56 S 2 ZVG (Ersteher in der ZV). 4. Verteilung der Lasten. § 103 differenziert zw regelmäßig wiederkehrenden und andere Lasten. Regelmäßig wiederkehrende Lasten werden – korrespondierend mit regelmäßig wiederkehrenden Erträgen (vgl dazu § 101 Rn 7) – pro rata temporis verteilt. „Regelmäßig wiederkehrend“ bezieht sich auch hier auf die zeitl Komponente; der Betrag kann jew variieren (BeckOK/Fritzsche Rn 8; Staudinger/Stieper Rn 6; BeckOGK/Mössner Rn 16; NK/Ring Rn 12; MüKo/Stresemann Rn 9; vgl auch RGZ 88, 42, 46 zu § 197). Bsp: Überbau- und Notwegrenten gem § 912 II, § 917 II (MüKo/Stresemann Rn 9); Hypotheken- und Grundschuldzinsen (BGH NJW 1986, 2438, 2439); Grundsteuern (BVerwG NJW 1993, 871, 872); Prämien für Sachversicherungen eines Hausgrundstücks (Düsseldorf NJW 1973, 146) oder Kfz-Pflichtversicherungsprämien (AG Hamburg VersR 1977, 1042). Andere Lasten sind bei Fälligkeit zu entrichten (RGZ 70, 263, 265; BGH NJW 1982, 1278). Bsp: Patronatslasten (RGZ 70, 263, 265); Erschließungsbeiträge (BGH NJW 1982, 1278; 1994, 2283, 2283; hier gilt jedoch § 436 I); bei Veräußerung eines Gewerbebetriebs anfallende Einkommensteuer (BGH NJW 1980, 2465, 2466). 5. Anderweitige Bestimmung. Ebenso wie § 101 steht auch § 103 explizit unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Bestimmung. Eine solche kann rechtsgeschäftlicher Natur sein, zB eine vertragl oder statutarische Regelung oder letztwillige Verfügung (BeckOK/Fritzsche Rn 11; Staudinger/Stieper Rn 2; BeckOGK/Mössner Rn 12; NK/Ring Rn 17; MüKo/Stresemann Rn 11), sich aber auch aus dem Gesetz ergeben (vgl die in Rn 5 genannten leges speciales).
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Rechtsgeschäfte
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Abschnitt 3 Rechtsgeschäfte (§§ 104–185) Einleitung vor § 104 I. Rechtsgeschäft. 1. Grundsatz der Privatautonomie. Das BGB geht auf der Grundlage einer von den Gedanken der Gleichheit und der Freiheit der Menschen geprägten Vorstellung davon aus, dass jeder Mensch seine privaten Lebensverhältnisse regelmäßig in freier Selbstbestimmung und ohne staatliche Hilfe oder Bevormundung selbst am besten zu gestalten vermag. Deshalb gibt es dem Einzelnen grds die Freiheit, seine Lebensverhältnisse unter Anerkennung durch die Rechtsordnung – ggf im Zusammenwirken mit anderen, etwa durch Vertrag – nach den eigenen Vorstellungen selbst zu ordnen. Dieser Grundsatz der Privatautonomie folgt aus dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts des Menschen und wird im Kern durch Art 1, 2 GG geschützt (BVerfGE 8, 274, 328; 72, 155; 89, 214). Ausprägungen des Grundsatzes der Privatautonomie finden sich in der Vertragsfreiheit (Vor § 145 Rn 26), der Vereinigungsfreiheit (Art 9 I GG), der Eigentumsfreiheit (§ 903) und der Testierfreiheit (§ 1937). Die Grenzen der Privatautonomie ergeben sich aus der verfassungsmäßigen Ordnung, der Gerechtigkeitsidee, dem Sittengesetz sowie der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen und aus seiner sozialen Verantwortlichkeit; sie werden insb durch die Gesetze gezogen. Das wichtigste Mittel zur Verwirklichung der Privatautonomie ist das Rechtsgeschäft, von dem der Dritte Abschnitt des Ersten Buches des BGB (§§ 104–185) handelt. Das Rechtsgeschäft ist der Ausgangspunkt der Regeln etwa über die Geschäftsfähigkeit, die Willensmängel, die Formvorschriften, das Wirksamwerden, die Bedingung und die Stellvertretung. 2. Begriff des Rechtsgeschäfts. Das Rechtsgeschäft ist ein Tatbestand, der aus mindestens einer Willenserklärung sowie oft aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtl Erfolges knüpft. Grundlegend zum Verhältnis Rechtsgeschäft/Willenserklärung aus heutiger Sicht Leenen, FS Canaris, 2007, 699ff mwN. a) Kern des Rechtsgeschäfts ist die Willenserklärung (Vor § 116 Rn 1ff). Sie ist nicht mit dem Rechtsgeschäft identisch. Dennoch verwendet das BGB die beiden Begriffe zT gleichbedeutend nebeneinander. Manchmal erschöpft sich der Tatbestand des Rechtsgeschäfts in einer Willenserklärung (zB Kündigungserklärung); häufig enthält ein Rechtsgeschäft mehrere Willenserklärungen (zB Vertrag). b) Nicht immer wird der Rechtserfolg allein von einer oder mehreren Willenserklärungen herbeigeführt. Oft müssen noch als Wirksamkeitsvoraussetzungen andere Tatbestandsmerkmale hinzutreten. Dabei kann es sich etwa um einen tatsächlichen Vorgang (zB Übergabe bei der Übereignung gem § 929) oder um eine behördliche Mitwirkung (zB Eintragung im Grundbuch beim Erwerb von Grundstücksrechten gem § 873) handeln. Man spricht hier von einem Doppeltatbestand des Rechtsgeschäfts. c) Die Rechtsfolge tritt nicht allein deshalb ein, weil sie gewollt ist. Erforderlich ist die Anerkennung der gewollten Rechtsfolge durch die Rechtsordnung. Missbilligt diese den Rechtserfolg, bleibt er trotz eines entspr Willens aus. So ist etwa ein Vertrag nichtig, wenn eine Vertragspartei geschäftsunfähig ist (§ 105), eine gesetzl vorgeschriebene Form nicht eingehalten ist (§ 125) oder eine erforderliche Zustimmung (§ 182) verweigert worden ist. In diesen Fällen spricht man von Wirksamkeitsvoraussetzungen. Sie gehören nicht zum Tatbestand des Rechtsgeschäfts; dessen Tatbestand ist auch ohne sie gegeben; dem Rechtsgeschäft mangelt es allerdings an der Wirksamkeit (Neuner AT § 28 Rn 5f). 3. Abgrenzung. a) Nicht zu den Rechtsgeschäften zählen die Rechtshandlungen. Sie unterscheiden sich vom Rechtsgeschäft dadurch, dass ihre Rechtsfolgen unabhängig von einem entspr Willen des Handelnden kraft Gesetzes eintreten, während das Rechtsgeschäft Rechtswirkungen auslöst, weil sie gewollt sind (vgl Mot I 127). Zu den Rechtshandlungen zählt man allg die geschäftsähnl Handlungen und die Realakte. aa) Geschäftsähnl Handlungen (Einzelheiten Ulrici NJW 2003, 2053ff) sind Willensäußerungen oder Mitteilungen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft, selbst wenn sie nicht gewollt sind. Dadurch unterscheiden sie sich von den Rechtsgeschäften. Bsp für geschäftsähnl Handlungen sind die Mahnung (§ 286 I 1; BGHZ 47, 357), die Fristsetzung (§§ 281, 323 I), die Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung (§ 108 II, § 177 II, § 1366 III), Mitteilungen und Anzeigen (§§ 149, 170, 171, § 374 II, § 409 I, §§ 411, 415 I 2, § 416 BGB, § 377 I HGB), aber auch die Einwilligung in eine Rechtsgutverletzung: zB Operation (BGHZ 29, 36; anders BGHZ 90, 101f; vgl auch Rossner NJW 1990, 2292 sowie im Betreuungsrecht zu § 1832), mit einer Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung (RG WarnRspr 61 Nr 97; BGH NJW 1964, 1177; vgl dazu auch Schwab FamRZ 1990, 687; Schumacher FamRZ 1991, 281; Coeppicus FamRZ 1992, 751). Über die geschäftsähnl Handlungen enthält das Gesetz keine allg Regelungen. Regelmäßig werden sie indes in dem Bewusstsein oder gar in der Absicht vorgenommen, dass damit Rechtsfolgen ausgelöst werden. Insoweit besteht eine Ähnlichkeit mit den Rechtsgeschäften. Daher sind vielfach die Regeln über Rechtsgeschäfte entspr anzuwenden (vgl BGHZ 47, 357; BGH NJW 1989, 1792). Das gilt etwa für die Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff), das Wirksamwerden (§§ 130ff), die Auslegung (§ 133), die Stellvertretung (§§ 164ff), die Zustimmung (§§ 182ff). Jedoch werden unter den geschäftsähnl Handlungen sehr verschiedenartige Fallgruppen zusammengefasst. Deshalb ist jew zu prüfen, inwieweit sie einem Rechtsgeschäft ähneln und welche Bestimmungen daher einer analogen Müller
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Anwendung fähig sind; eine Analogie darf also niemals schematisch vorgenommen werden (Neuner AT § 28 Rn 10ff). bb) Realakte (Tathandlungen) sind solche Handlungen, bei denen das Gesetz die Rechtsfolge ausschließlich an einen tatsächlichen Vorgang und nicht an den Willen knüpft. Bei ihnen kommt es – im Gegensatz zu den geschäftsähnl Handlungen – auf eine Willensäußerung nicht an. Bsp für Realakte sind Verbindung, Vermischung, Verarbeitung (§§ 946ff), Besitzveränderungen (§§ 854, 856, ausgenommen § 854 II), Fund und Schatzfund (§§ 965ff, 984), der Widerruf von Behauptungen (BGH NJW 1952, 417) sowie die Schaffung urheberrechtl geschützter Werke. Wegen der Bedeutungslosigkeit des Willens ist eine analoge Anwendung der Regeln über das Rechtsgeschäft grds selbst dann ausgeschlossen, wenn der Realakt auf einem Willen beruht, der auf den tatsächlichen Erfolg gerichtet ist. Auch hier kommen allerdings Ausnahmen für Elemente des Realakts in Betracht, die der Willenserklärung angenähert sind. Es gibt zB Realakte, die neben dem äußeren Tatbestand noch einen Willen erfordern (sog gemischte Realakte); dazu gehören zB die Wohnsitzbegründung und -aufhebung (§§ 7, 8), die Rückgabe der Pfandsache (§ 1253), das Einbringen von Sachen in Mieträume und bei Gastwirten (§§ 562, 704). Auf sie sind einige der für die Willenserklärung geltenden Vorschriften entspr anwendbar (zB über die Geschäftsfähigkeit, nicht jedoch über die Anfechtung). cc) Die Verzeihung (§ 532 S 1, § 2337, § 2343) ist eine Rechtshandlung eigener Art, durch die eine Gesinnung zum Ausdruck gebracht wird (vgl Flume § 9, 2c; Staudinger/Klumpp Vorbem zu §§ 104ff Rn 119; anders – Realakt – Erman/Palm12 Rn 9). Zwar sind die rechtsgeschäftlichen Regeln, insb die Vorschriften über Willensmängel, nicht analog anwendbar; jedoch setzt eine wirksame Verzeihung die Kenntnis der Verfehlung und ihrer Tragweite voraus (RGZ 154, 255f). b) Nach den Lehren vom fehlerhaften Vertrag (Vor § 145 Rn 39ff) und vom sozialtypischen Verhalten (Vor § 145 Rn 42ff) sollen in bestimmten Fällen vertragl Schuldverhältnisse auch ohne entspr Willenserklärungen allein durch ein tatsächliches („sozialtypisches“) Verhalten entstehen können (vgl etwa BGHZ 21, 319; 23, 175; 23, 261). Beim „fehlerhaften Vertrag“ geht es um die Abwicklung nichtiger Dauerschuldverhältnisse. Mit dem „sozialtypischen Verhalten“ soll ein rechtsgeschäftlicher Erfolg ohne Willenserklärungen begründet werden, weil außervertragl Regelungen (unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag) vielfach nicht ausreichend seien. Die Lehre vom sozialtypischen Verhalten ist abzulehnen, weil nach geltendem Recht allein durch Tathandlungen kein Vertragsverhältnis entstehen kann und sich sachgerechte Ergebnisse auch ohne diese Lehre erreichen lassen: Bei der Inanspruchnahme von öffentlich angedienten Versorgungsleistungen (Gas, Wasser, Elektrizität, Verkehrsmittel, Parkplatz usw) wird vielfach eine konkludente Willenserklärung vorliegen. Selbst wenn ein Autofahrer dem Wärter eines gebührenpflichtigen Parkplatzes erklärt, er wolle zwar parken, aber keine Bewachung und er zahle auch nicht (BGHZ 21, 319), liegt eine Willenserklärung vor, da sein Verhalten keine andere Auslegung zulässt als die auf Abschluss eines Bewachungsvertrags (protestatio facto contraria). Die Lehre missachtet auch den Schutz des Nichtgeschäftsfähigen (§§ 104ff), weil sie ihn vertragl bindet (vgl dazu Medicus NJW 1967, 354). In neuerer Zeit arbeitet die Rechtspraxis statt mit der Rechtsfigur des sozialtypischen Verhaltens zumeist mit allg Instrumenten der Rechtsgeschäftslehre (vgl BGHZ 55, 128; 95, 399; 202, 17, 21; BGH NJW 1965, 387; 1983, 1777; 2016, 863, 864f; 2020, 755, 756; zur Kritik der Lehre vom sozialtypischen Verhalten vor allem Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, 64ff, 302ff, 344f, der die Problematik mit einer Schadensersatzpflicht wegen der Verletzung eines Kontrahierungsgebots lösen will; vgl ferner Lehmann NJW 1958, 1; Bork AT Rn 744f; Flume § 8; Köhler AT § 8 Rn 26ff; Neuner AT § 37 Rn 44ff; Staudinger/Singer § 133 Rn 59f; Brox/Walker Allg SchuldR § 4 Rn 70ff). Bei fehlerhaften Dauerrechtsverhältnissen (zB Arbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag) reichen allerdings außervertragl Regelungen nicht aus; deshalb sind bis zur Geltendmachung der Nichtigkeit die Nichtigkeitsfolgen teilw eingeschränkt (Staudinger/Klumpp Vorbem zu §§ 104ff Rn 90ff; vgl auch § 138 Rn 33; § 142 Rn 7). II. Arten der Rechtsgeschäfte. 1. Einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte. a) Einseitige Rechtsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, die nicht auf eine andere – vorliegende oder erwartete – Willenserklärung bezogen sind (zB Kündigung, nicht Vertragsangebot). Meist enthalten sie die Willenserklärung nur einer Person. Einseitig ist ein Rechtsgeschäft aber auch dann, wenn mehrere Personen auf einer Seite des Rechtsverhältnisses stehen und gemeinsam das Rechtsgeschäft vornehmen (zB beim Rücktritt, § 351); solche Geschäfte werden als Gesamtakte bezeichnet. Streng einseitige Rechtsgeschäfte sind solche, bei denen die Willenserklärung nicht an eine andere Person gerichtet ist (nicht empfangsbedürftige Willenserklärung). Eine Empfangsbedürftigkeit hält das Gesetz dann für nicht erforderlich, wenn die Erklärung nicht unmittelbar auf einen fremden Rechtskreis einwirkt (zB Auslobung, § 657; Aufgabe des Eigentums, § 959; Testamentserrichtung, § 2247). Meist ist jedoch die Willenserklärung auch beim einseitigen Rechtsgeschäft an eine andere Person gerichtet (empfangsbedürftige Willenserklärung). Da der Erklärungsempfänger in der Lage sein muss, sich auf die durch die Erklärung geschaffene Rechtslage einzustellen, ist es zur Wirksamkeit der Erklärung erforderlich, dass er sie wahrnehmen kann; deshalb muss sie ihm zugehen (vgl § 130). Bsp: Anfechtung (§ 143), Rücktritt (§ 349), Vollmachtserteilung (§ 167), Zustimmung (§ 182), Kündigung, Widerruf. Ist eine Behörde Erklärungsempfängerin, spricht man von einer amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung (vgl § 130 III; zB Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück, § 928 I). 304
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b) Mehrseitige Rechtsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, welche korrespondierende, regelmäßig empfangsbedürftige (Ausnahme §§ 151, 152) Willenserklärungen mehrerer Personen enthalten. Dazu gehören vor allem die Verträge (Vor § 145 Rn 1ff); das sind die übereinstimmenden, wechselseitigen Willenserklärungen von mindestens zwei Personen. Mehrseitige Rechtsgeschäfte sind auch die Beschlüsse (zB beim Verein und in Gesellschaften); sie enthalten gleichgerichtete Willenserklärungen von mehreren Personen in einer Personenvereinigung und dienen der Willensbildung in ihr. 2. Rechtsgeschäfte unter Lebenden und von Todes wegen. a) Rechtsgeschäfte von Todes wegen sind Rechtsgeschäfte, die auf den Tod mindestens eines der Beteiligten abstellen und die Ordnung der mit dem Tode dieser Person entstehenden Rechtsverhältnisse bezwecken. Hier scheiden regelmäßig Verkehrsschutzinteressen aus; subj Gesichtspunkte sind in verstärktem Maße bestimmend. Solche Rechtsgeschäfte sind Testament (§§ 2064ff), Erbvertrag (§§ 2274ff) und Erbverzichtsvertrag (§§ 2346ff); für sie gelten besondere Formvorschriften. b) Rechtsgeschäfte unter Lebenden sind alle anderen Rechtsgeschäfte, auch wenn sie mit Rücksicht auf den Tod vorgenommen werden. – Besonderheiten ergeben sich bei den lebzeitigen Zuwendungen auf den Todesfall. Der Zuwendende bedient sich der Mittel, die das BGB für Rechtsgeschäfte unter Lebenden zur Verfügung stellt (zB Schenkungsvertrag, Vertrag zugunsten Dritter). Darin liegt für ihn eine Erleichterung, da er sich dem Form- und Typenzwang der Rechtsgeschäfte von Todes wegen entziehen kann. Da die lebzeitigen Zuwendungen auf den Todesfall sich wirtschaftl als Zuwendungen aus dem Nachlass darstellen, können die Interessen von Nachlassgläubigern, Erben, Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmern und Auflagebegünstigten beeinträchtigt werden. Diese Problematik hat der Gesetzgeber nicht in seiner ganzen Tragweite gesehen und nur in § 2301 I eine (unzulängliche) Regelung getroffen. Deshalb ist vieles str (Einzelheiten § 2301 Rn 2ff). 3. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte. a) Verpflichtungsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, durch welche die Verpflichtung zu einer Leistung begründet wird. Verpflichtungsgeschäfte sind meist Verträge (zB Kaufvertrag), ausnahmsw einseitige Rechtsgeschäfte (zB Auslobung, § 657). Das Gesetz regelt die Typen der mehrseitigen Verpflichtungsgeschäfte in §§ 433ff nicht abschließend; es gilt insoweit Vertragsfreiheit. Auch die Fähigkeit, sich zu verpflichten, ist grds nicht beschränkt. So kann sich auch ein Nichteigentümer in einem Kaufvertrag zur Übereignung der (ihm nicht gehörenden) Sache verpflichten. Ausnahmsw bedarf ein Ehegatte zu bestimmten Verpflichtungsgeschäften der Einwilligung seines Ehepartners (§§ 1365, 1369, 1423–1425). Das Verpflichtungsgeschäft begründet eine schuldrechtl Rechtsbeziehung von Person zu Person. Der Verpflichtete ist zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet; der Berechtigte erhält den Anspruch (die Forderung), vom Verpflichteten das geschuldete Tun oder Unterlassen zu verlangen. Durch das Verpflichtungsgeschäft (zB den Kaufvertrag) ändert sich an der Rechtslage des Verpflichtungsgegenstandes nichts. So bleibt der Verkäufer trotz des Kaufvertrags weiterhin Eigentümer der Kaufsache; der Käufer erwirbt nur einen Anspruch auf Übereignung. b) Verfügungsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, durch die ein Recht unmittelbar übertragen, belastet, geändert oder aufgehoben wird (BGHZ 1, 304; 101, 26). Sie bestehen meist aus einem Vertrag (zB Abtretung einer Forderung, § 398; Erlass einer Forderung, § 397 I; Einigung gem § 929 S 1, § 873 I), ausnahmsw aus einem einseitigen Rechtsgeschäft (zB Eigentumsaufgabeerklärung, § 959). Oft setzen Verfügungen weitere Tatbestandsmerkmale voraus (zB verlangen § 929 S 1, § 873 I außer der Einigung noch die Übergabe der Sache bzw die Eintragung in das Grundbuch). Die Wirksamkeit einer Verfügung hängt immer von der Verfügungsmacht des Verfügenden ab. Verfügender ist derjenige, der ein Recht aufhebt, belastet, ändert oder überträgt, nicht dagegen derjenige, der das Recht erwirbt. Unter der Verfügungsmacht versteht man die rechtl Macht, über ein Recht zu verfügen. Sie steht regelmäßig dem Inhaber des Rechts (zB dem Eigentümer der Sache, dem Inhaber der Forderung) zu, sofern nicht ein Veräußerungsverbot (§§ 135ff) besteht oder die Verfügungsmacht beschränkt ist (zB §§ 1365, 2113, 2211). Ausnahmsw ist ein anderer verfügungsbefugt; dafür ist Voraussetzung, dass ihm die Verfügungsmacht durch Gesetz oder Rechtsgeschäft eingeräumt ist (zB Insolvenzverwalter, § 80 InsO; Testamentsvollstrecker, § 2205). Fehlt dem Verfügenden die Verfügungsmacht, so ist die Verfügung grds unwirksam. Stimmt jedoch der Verfügungsberechtigte der Verfügung zu, ist diese wirksam (§ 185). Abgesehen davon kann ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten in Betracht kommen; dabei muss sich der gute Glaube darauf beziehen, dass der Verfügende Rechtsinhaber ist (zB §§ 932, 892); der gute Glaube an die Verfügungsmacht des Verfügenden wird regelmäßig nicht geschützt (Ausnahmen zB § 135 II, § 161 III; § 366 HGB). Wegen der zuordnungsändernden Wirkung der Verfügung gilt der Bestimmtheitsgrundsatz, wonach die Verfügung sich auf einen bestimmten Gegenstand beziehen muss; aus demselben Grund strebt das BGB nach Offenlegung des Erfolgs. c) Der Unterschied zw Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften zeigt sich in Folgendem (vgl Stadler AT § 16 Rn 14ff): aa) Das Verfügungsgeschäft setzt für seine Wirksamkeit eine besondere Macht des Verfügenden („Verfügungsmacht“) voraus; für das Verpflichtungsgeschäft ist eine besondere Macht des sich Verpflichtenden („Verpflichtungsmacht“) nicht erforderlich. bb) Bei Verfügungen gilt der Prioritätsgrundsatz; verfügt jemand mehrmals über einen Gegenstand, ist nur die zeitl erste Verfügung wirksam, während alle späteren Verfügungen unwirksam sind (Besonderheiten bei gutgläubigem Erwerb vom Nichtberechtigten). Bei Verpflichtungen besteht eine solche Rangordnung nicht; eine mehrmalige Verpflichtung ggü verschiedenen Personen ist möglich, wobei die zeitl erste Verpflichtung rangmäßig nicht besser steht als die zeitl letzte.
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d) Zu den Verfügungen werden gerechnet: aa) die durch Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung getroffene Verfügung (§ 161 I 2, § 184 II, § 458 S 2, § 883 II 2, § 2115 S 1). Sie steht den rechtsgeschäftlichen Verfügungen gleich; jedoch sind die Gutglaubensregeln nicht anwendbar. Diese gelten nur für den rechtsgeschäftlichen Erwerb. bb) die Gestaltungsgeschäfte (zB Anfechtung, § 143; Rücktritt, § 349; Aufrechnung, § 388 S 1; Kündigung; Widerruf). Sie sind Verfügungen, weil sie das bestehende Recht unmittelbar ändern. Da sie von einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis abhängen, werden sie als abhängige Rechtsgeschäfte bezeichnet (RGRK/KrügerNieland Vor § 104 Rn 24). Auch die Genehmigung gehört hierher, da sie die schwebend unwirksame Verfügung wirksam macht. Dagegen sind die Einwilligung und die Vollmachtserteilung keine Verfügungen, da erst die spätere Verfügungshandlung, zu der die Einwilligung oder Vollmacht erteilt wurde, die Rechtsänderung herbeiführt; hier ist eine vorsichtige Analogie der Verfügungsregeln in einzelnen Punkten denkbar. Gestaltungsgeschäfte sind, weil sie die Rechtslage verändern und darüber Klarheit bestehen soll, regelmäßig bedingungsfeindlich. 4. Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte. a) Kausale Rechtsgeschäfte sind Geschäfte, die den Rechtsgrund (die causa) einer Zuwendung enthalten. Rechtsgrund der Zuwendung sind nicht persönliche Beweggründe (Motive), von denen sich der Zuwendende bei der Zuwendung leiten lässt; sie sind rechtl unbeachtlich. Vielmehr ist nur ein kleiner Kreis von typischen Zuwendungszwecken rechtl bedeutsam; man nennt sie Rechtsgrund der Zuwendung. Nach römischer Rechtstradition unterscheidet man die causa donandi (zB Schenkung, § 516), die causa credendi (aquirendi, obligandi; zB Darlehenshingabe, §§ 488, 607 I) und die causa solvendi (zB Schuldtilgung durch Kaufpreiszahlung). Zu den kausalen Geschäften gehören die meisten Verpflichtungsgeschäfte, vor allem die gegenseitigen oder einseitig verpflichtenden Verträge. Da der Rechtsgrund ein Teil des Kausalgeschäfts ist, liegt kein gültiges Kausalgeschäft vor, wenn die Parteien sich nicht über den Rechtsgrund geeinigt haben. b) Abstrakte Rechtsgeschäfte sind solche Geschäfte, die vom Rechtsgrund der Zuwendung losgelöst sind. Auch ihnen liegt regelmäßig ein Rechtsgrund zugrunde. Jedoch ist dieser nicht Inhalt des abstrakten Geschäfts. Die causa liegt vielmehr in dem einem abstrakten Geschäft zugrundeliegenden Kausalgeschäft. – Zu den abstrakten Geschäften zählen alle Verfügungsgeschäfte sowie einige im Gesetz besonders geregelte Verpflichtungsgeschäfte (zB Schuldversprechen, § 780; konstitutives Schuldanerkenntnis, § 781; Schuldverschreibung auf den Inhaber, § 793; Verpflichtungen aus Wechsel und Scheck). c) Der Unterscheidung zw kausalem und abstraktem Geschäft liegt das aus dem römischen Recht stammende Abstraktionsprinzip zugrunde. Dabei geht es um eine rechtl Trennung von kausalem und abstraktem Geschäft. So berührt das Fehlen oder die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts (zB Kaufvertrags) grds nicht die Wirksamkeit des abstrakten Geschäfts (zB Übereignung der Kaufsache), das zur Erfüllung des Kausalgeschäfts abgeschlossen wird. Gesetzgeberischer Grund für diese Abstraktion ist es also, die Wirksamkeit des abstrakten Geschäfts von den Mängeln des Kausalgeschäfts unabhängig zu machen. Das Abstraktionsprinzip dient demnach der Sicherheit im Rechtsverkehr. Es hat sich – jedenfalls im Prinzip – bewährt (Rother AcP 169, 1; Peters Jura 1986, 449). Im Verhältnis der Beteiligten (zB Vertragsparteien des Kaufvertrags) zueinander folgt aus dem Abstraktionsprinzip bei fehlendem Rechtsgrund eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht; so hat etwa der Verkäufer bei nichtigem Kaufvertrag ggü dem Käufer hinsichtl der bereits übereigneten Kaufsache keinen Anspruch aus § 985, sondern (nur) einen Anspruch aus § 812. Die eigentliche Bedeutung des Abstraktionsprinzips zeigt sich jedoch im Verhältnis zu Dritten. Da die Nichtigkeit des Kaufvertrags die Übereignung der Kaufsache an den Käufer nicht berührt, erwirbt ein Dritter das Eigentum vom Käufer als Berechtigtem; er braucht sich also nicht darüber zu informieren, ob das Kausalgeschäft zw Verkäufer und Käufer gültig war. Auch die Gläubiger eines Schuldners werden durch das Abstraktionsprinzip geschützt. Sie können die Zwangsvollstreckung in Sachen ihres Schuldners betreiben, die dieser aufgrund von Kaufverträgen erworben hat, ohne Interventionen der Verkäufer, der Kaufvertrag sei nichtig geworden, befürchten zu müssen. Das Abstraktionsprinzip hat vielfach Kritik erfahren. Man hat ihm entgegengehalten, die Trennung von kausalem und abstraktem Geschäft passe nicht für die Bargeschäfte des täglichen Lebens, die einen einheitlichen Vorgang darstellten. Außerdem werde die Sicherheit im Rechtsverkehr schon durch die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten weitgehend gewährleistet. Vor allem aber würden die Interessen des rechtsgrundlos Verfügenden durch das Abstraktionsprinzip nicht hinreichend geschützt, wenn der Verfügungsempfänger weiterveräußere oder wenn seine Gläubiger in den Verfügungsgegenstand die Zwangsvollstreckung betrieben. Deshalb neigen Theorie und Praxis zur Einschränkung des Abstraktionsprinzips. Richtig ist, dass eine Tatsache, die das Kausalgeschäft unwirksam macht, auch zur Unwirksamkeit des abstrakten Geschäfts führen kann (sog Fehleridentität). Das ist etwa bei mangelnder Geschäftsfähigkeit oder bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123; RGZ 66, 390; BGH DB 1966, 818; § 142 Rn 5) möglich, oft auch bei Sittenwidrigkeit (§ 138 Rn 56). Außerdem können die Parteien die Gültigkeit des Kausalgeschäfts zur Bedingung (§ 158) des abstrakten Geschäfts machen. Das setzt aber zunächst voraus, dass eine Bedingung überhaupt zulässig ist (zB nicht in § 925). Abgesehen davon ist eine (auch konkludent mögliche) Bedingung nur dann anzunehmen, wenn die Geschäftspartner mindestens über die Gültigkeit des Kausalgeschäfts im Ungewissen sind, woran es in aller Regel fehlt. Schließlich werden das kausale und das abstrakte Geschäft teilw auch als eine Einheit iSd § 139 angesehen (vgl § 139 Rn 14), so dass die Nichtigkeit des kausalen Geschäfts auch das abstrakte Geschäft nichtig macht. Diese Auslegung des § 139 ist jedoch als unzulässige Umgehung des Abstraktionsprinzips abzulehnen. Das Gesetz will durch die 306
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Trennung von kausalem und abstraktem Geschäft das abstrakte Geschäft von den Mängeln des Kausalgeschäfts unabhängig machen; dem widerspricht die Anwendung des § 139 (Flume § 12 III 4; Brox/Walker AT Rn 122f). III. Fehlerhafte Rechtsgeschäfte. 1. Begriff. Fehlerhafte Rechtsgeschäfte sind solche Geschäfte, denen ein Mangel anhaftet. Verstößt das Rechtsgeschäft gegen Rechtsgrundsätze, deren Einhaltung im Interesse der verfassungsmäßigen Ordnung, etwa der Sozialordnung notwendig ist, tritt die beabsichtigte Rechtsfolge (zB nach §§ 134, 138) nicht ein. Das Geschäft ist für und gegen jedermann unwirksam; man spricht von absoluter, endgültiger Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. An andere Mängel des Rechtsgeschäfts knüpft das Gesetz nicht so weitreichende Folgen. Verletzt das Rechtsgeschäft nur die Interessen einzelner Personen, so ist es nur diesen ggü, also relativ unwirksam, iÜ dagegen wirksam. Manche Rechtsgeschäfte bedürfen zu ihrer Wirksamkeit noch einer weiteren Voraussetzung, insb der Erklärung eines Dritten oder einer Behörde. Sobald diese Voraussetzung vorliegt, ist das Geschäft wirksam; solange sie fehlt, ist der Vertrag schwebend unwirksam (vgl Vor § 182 Rn 14). Der schwebend unwirksame Vertrag kann also – im Gegensatz zum nichtigen – noch wirksam werden. Schließlich gibt es Willensmängel (Irrtum, Drohung, §§ 119ff), welche die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts nur dann beeinflussen, wenn der durch die gesetzl Vorschriften Geschützte durch eine rechtzeitige Erklärung (Anfechtung) den Mangel geltend macht. Das anfechtbare Geschäft ist also wirksam, aber vernichtbar; es wird durch eine Anfechtung des Anfechtungsberechtigten nichtig. 2. Nichtige Rechtsgeschäfte. Nichtige Rechtsgeschäfte lassen die beabsichtigte Rechtsfolge grds nicht eintreten. In einigen Vorschriften wird anstelle von Nichtigkeit auch von Unwirksamkeit gesprochen (zB §§ 111, 174, 307ff, 388, 925 II, § 1253 I, §§ 1857, 1950, 2101 I, § 2202 II). Nichtigkeit ist oft auch dann gemeint, wenn das Gesetz bestimmt, dass ein Geschäft nicht vorgenommen werden kann (zB §§ 35, 38, 137, 276 III). a) Gründe. Geschäftsunfähigkeit (§ 105), Scheingeschäft (§ 117 I), Scherzerklärung (§ 118), Formmangel (§§ 125ff), Verstoß gegen ein gesetzl Verbot (§ 134) und gegen die guten Sitten (§ 138); außerdem zB § 248 I, §§ 311b, 723 III, § 749 III, §§ 1136, 1229, 1297 II. b) Geltendmachung. Die Nichtigkeit muss nicht durch einen besonderen Rechtsakt geltend gemacht werden. Das Gericht hat sie zu beachten, sofern die entspr Tatsachen sich aus dem Parteivorbringen ergeben, selbst wenn keine Partei sich auf die Nichtigkeit beruft (BGHZ 107, 270). Wer die Nichtigkeit gerichtlich geltend machen will, kann auf Herstellung des Zustands klagen, der ohne die Folgen des Geschäfts bestehen würde; bei einem entspr Feststellungsinteresse kommt auch eine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) in Betracht. Eine besondere Nichtigkeitsklage sieht das Gesetz nur in Spezialfällen vor, bei denen besondere öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen (§§ 1313ff; §§ 246ff AktG; §§ 75ff GmbHG; §§ 94ff GenG); die Nichtigkeit tritt dann erst mit der Rechtskraft des Urt ein. c) Folgen. Die mit dem Rechtsgeschäft gewollte Rechtsfolge tritt sowohl im Verhältnis der Beteiligten zueinander als auch zu Dritten von Anfang an nicht ein. Eine Abwicklung ex nunc erfolgt jedoch bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen (zB Arbeits- und Gesellschaftsverhältnis). Zur Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen insg vgl Cahn JZ 1997, 8ff. Vor allem bei Nichtigkeit wegen Formmangels kann die Berufung auf den Mangel gegen § 242 verstoßen (§ 125 Rn 30ff). Ist das Geschäft teilw nichtig, muss geprüft werden, ob damit das ganze Geschäft nichtig ist (§ 139). Möglicherweise kann das nichtige Geschäft in ein anderes, gültiges Geschäft umgedeutet werden (§ 140). – Die Bestätigung eines nichtigen Geschäfts ist nur durch Neuvornahme möglich (§ 141). Das Gesetz kennt grds keine Heilung des nichtigen Geschäfts; eine Heilung des Formmangels ist ausnahmsw zB in § 311b I 2, § 518 II, § 766 S 3 vorgesehen. – Das nichtige Rechtsgeschäft kann einen Schadensersatzanspruch etwa wegen cic/§ 311 II und III auslösen. Auch ist die Anfechtung oder der Widerruf nach der Lehre von den Doppelwirkungen im Recht (§ 142 Rn 10) grds möglich. Zu beachten ist ferner, dass trotz eines nichtigen Verfügungsgeschäfts ein Dritter gutgläubig vom Nichtberechtigten erwerben kann. 3. Relative Unwirksamkeit. Relativ unwirksame Rechtsgeschäfte sind solche Geschäfte, die nur ggü bestimmten Personen unwirksam sind. Zweck der relativen Unwirksamkeit ist es, einerseits den Begünstigten zu schützen, andererseits aber den Gegenstand nicht durch Ausschluss der Verfügung dem Rechtsverkehr zu entziehen. Die entstehenden Schwierigkeiten der gleichzeitigen Gültigkeit und Unwirksamkeit des Geschäfts je nach der Person des Beteiligten werden in Kauf genommen. a) Gründe. Verstöße gegen ein gesetzl oder behördliches Veräußerungsverbot (§ 135 I, § 136); außerdem zB § 465, § 883 II, § 1124 II, § 1126 S 3. b) Geltendmachung. Die relative Unwirksamkeit braucht nicht besonders geltend gemacht zu werden. Das Gericht muss sie auch ohne Geltendmachung berücksichtigen. c) Folgen. Die gewollte Rechtsfolge tritt nur ggü dem Geschützten nicht ein, wohl aber ggü allen anderen Personen. Die relative Unwirksamkeit kann durch Zustimmung des Geschützten geheilt werden. Nach § 135 II wird der gutgläubige Erwerber geschützt. 4. Schwebende Unwirksamkeit. Schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte sind solche Geschäfte, die zu ihrer Wirksamkeit noch eines weiteren Erfordernisses (vor allem einer Genehmigung) bedürfen. Zweck der schwebenden Unwirksamkeit ist es, einerseits die Abhängigkeit des Geschäfts von dem betreffenden Erfordernis zu sichern, andererseits aber die Möglichkeit des Wirksamwerdens offen zu halten. a) Gründe. Verträge eines Minderjährigen ohne Einwilligung des gesetzl Vertreters (§ 108), eines Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 177) oder – unter besonderen Voraussetzungen – eines Ehegatten (§ 1365 I, §§ 1366, 1423ff); außerdem zB §§ 181 (BGHZ 65, 125), 185, 415. Schwebend unwirksam sind ferner Rechtsgeschäfte bis zum Ablauf einer gesetzl Widerrufsfrist (§ 355ff). Auch die betreuungsgerichtliche Genehmigung (§ 1856 I) sowie sonstige erforderliche öffentlich-rechtl Genehmigungen gehören hierher. Ein bedingtes oder befristetes Rechtsgeschäft (§§ 158, 163) ist dagegen nicht schwebend unwirksam, sondern gültig; lediglich der Zeitpunkt der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit ist hinausgeschoben. Die Verfügungen eines Vorerben sind nach § 2113 schwebend unwirksam. b) Geltendmachung. Die Müller
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schwebende Unwirksamkeit ist im Prozess zu beachten, sofern der Parteivortrag entspr Tatsachen enthält. Während des Schwebezustandes kann in der Hauptsache eine Leistungsklage nicht mit Erfolg erhoben werden, wohl aber eine Feststellungsklage. c) Folgen. Solange das erforderliche Wirksamkeitserfordernis (zB die Genehmigung) noch nicht gegeben ist, besteht ein Schwebezustand (näher dazu § 184 Rn 9). Das Geschäft ist unwirksam, so dass hinsichtl bereits erbrachter Leistungen ein Anspruch aus § 812 bestehen kann (BGHZ 65, 126). Andererseits besteht für die Beteiligten bereits eine Bindung an das Geschäft; sie können sich nicht grundlos vom Geschäft lossagen (Ausnahmen: § 81 II, §§ 109, 178, 1857). Wegen der Bindung kann das Geschäft unter den Voraussetzungen der §§ 119ff angefochten werden. Während des Schwebezustandes besteht eine Pflicht der Beteiligten zu gegenseitiger Rücksichtnahme; sie sind danach etwa verpflichtet, alles zur Herbeiführung einer behördlichen Genehmigung Erforderliche zu tun (Grü/Ellenberger Überbl v § 104 Rn 31). – Der Schwebezustand endet, wenn das fehlende Erfordernis eintritt oder wenn der Eintritt nicht mehr möglich ist. Die Erteilung der erforderlichen Genehmigung führt grds zur rückwirkenden Gültigkeit des Geschäfts (§ 184); die Verweigerung der Genehmigung macht das Geschäft endgültig unwirksam (vgl Vor § 182 Rn 15). 5. Anfechtbarkeit. Anfechtbare Rechtsgeschäfte sind mit Mängeln behaftete Geschäfte, die gleichwohl gültig sind, aber durch Anfechtung von Anfang an nichtig werden. Zweck der Anfechtbarkeit ist es, die Person, deren Willenserklärung auf einem bestimmten Mangel beruht, durch Einräumung eines Anfechtungsrechts zu schützen. Der Anfechtungsberechtigte hat die Wahlmöglichkeit, ob er das abgeschlossene Geschäft für und gegen sich gelten lassen oder ob er es durch Anfechtung vernichten will. Das Anfechtungsrecht ist vererblich, aber nicht selbständig übertragbar. Zur Anfechtung nichtiger Geschäfte: § 142 Rn 11. a) Gründe. Erklärungs-, Inhalts- und Eigenschaftsirrtum (§ 119), falsche Übermittlung (§ 120), arglistige Täuschung und widerrechtl Drohung (§ 123); außerdem im Erbrecht §§ 2078f, 2281. b) Geltendmachung erfolgt durch formlose empfangsbedürftige Willenserklärung des Anfechtungsberechtigten (§ 143) innerhalb einer bestimmten Frist (§§ 121, 124). Besonderheiten gelten für die Anfechtung von Testamenten und Erbverträgen (§§ 2081f, 2281ff) sowie von Annahme und Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1954ff). c) Folgen. Solange das Rechtsgeschäft nicht angefochten worden ist, ist es gültig. Mit fristgerechter Anfechtungserklärung ist das Geschäft rückwirkend vernichtet (§ 142 I). Die Nichtigkeit wirkt ggü jedermann. Keine Rückwirkung löst die Anfechtung bei den in Vollzug gesetzten Dauerrechtsverhältnissen aus (§ 142 Rn 7). IV. Anwendungsbereich. 1. Privatrecht. Die Vorschriften des Dritten Abschnitts über die Rechtsgeschäfte gelten grds für das ganze Privatrecht. Besonderheiten finden sich im Familienrecht (zB §§ 1310ff, §§ 1594ff) und im Erbrecht (zB §§ 1949, 1956, 2078ff, 2271, 2281ff). 2. Öffentliches Recht. a) Hoheitsakte (wie Verwaltungsakte, Gerichtsakte) sind keine Rechtsgeschäfte; deshalb sind die Bestimmungen über Rechtsgeschäfte grds nicht anwendbar. Das gilt auch dann, wenn die Hoheitsakte die Ordnung privater Verhältnisse zum Gegenstand haben (zB im Vereinsrecht §§ 22f, 33 II; im Eheschließungsrecht §§ 1303, 1308, 1309, 1310ff; bei der Annahme als Kind §§ 1741ff; bei der familien- bzw betreuungsgerichtlichen Genehmigung §§ 1643, 1848ff; vgl RGRK/Krüger-Nieland Vor § 104 Rn 48). Bei Verwaltungsakten sind §§ 35ff VwVfG zu beachten. Für die Auslegung von Hoheitsakten werden sich vielfach die zu §§ 133, 157 entwickelten Grundsätze heranziehen lassen (vgl zu § 133 Rn 5). b) Für öffentlich-rechtl Verträge gelten §§ 54ff VwVfG; nach § 62 S 2 VwVfG sind beim Fehlen spezieller Vorschriften die des BGB entspr anzuwenden. c) Auf öffentlich-rechtl bedeutsame Erklärungen von Privatpersonen können die Vorschriften für Rechtsgeschäfte entspr angewendet werden, soweit sich nicht aus den sachnäheren öffentlich-rechtl Vorschriften etwas anderes ergibt, so etwa Ausschluss von Anfechtung oder Widerruf bei verfahrensrechtl Erklärungen (s zum Ganzen Kluth NVwZ 1990, 608; de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtl Vorschriften im Verwaltungsrecht, 1999). 3. Prozessrecht. a) Prozesshandlungen sind keine Rechtsgeschäfte; sie werden im Prozessrecht geregelt. Sie können also nicht wegen Willensmangels nach §§ 119ff angefochten werden (BGHZ 80, 392). Das gilt zB für den Klageantrag (BGH NJW 1963, 957), die Klagerücknahme (BFH NJW 1970, 632), die Rechtsmitteleinlegung (RG HRR 1930 Nr 825; Karlsruhe NJW 1975, 1933), den Verzicht auf ein Rechtsmittel (RGZ 105, 355; 161, 359; BGH NJW 1985, 2534) und die Zurücknahme des Rechtsmittels (BGHZ 12, 285); im letzten Fall ist ein Widerruf zulässig, wenn die Voraussetzungen der Restitutionsklage (§ 581 ZPO) gegeben sind (BGHZ 12, 285; anders RGZ 150, 395). Möglich ist dagegen eine entspr Anwendung der §§ 133, 140, da die Regeln über die Auslegung und die Umdeutung Allgemeingültigkeit haben (BGH NJW 1987, 1204 zu § 140; Grü/Ellenberger Überbl Vor § 104 Rn 37; vgl auch zu § 133 Rn 4). Eine Gerichtsstandvereinbarung ist keine Prozesshandlung, sondern ein bürgerlich-rechtl Vertrag (BGHZ 49, 386; 57, 75; Wirth NJW 1978, 460; aA RGZ 159, 255); das gilt auch für den Schiedsvertrag (BGHZ 23, 200; 40, 322). Zu den Prozessverträgen vgl Teubner/Künzel MDR 1988, 720. b) Prozesshandlungen mit Doppelnatur sind solche, die sowohl Prozesshandlungen als auch Rechtsgeschäfte sind (zB Prozessvergleich; ebenso Anfechtung nach §§ 119ff, Rücktritt, Aufrechnung, Kündigung, wenn sie im Prozess erklärt werden). Materiellrechtl und prozessrechtl Wirksamkeit sind unabhängig voneinander zu beurteilen; sie bedingen sich nicht gegenseitig. Solche Prozesshandlungen können deshalb materiellrechtl nichtig oder anfechtbar sein. Die Anfechtung oder andere Unwirksamkeitsgründe sind im bisherigen Rechtsstreit geltend zu machen (BGHZ 28, 174).
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Geschäftsfähigkeit
Vor § 104
Titel 1 Geschäftsfähigkeit (§§ 104–115) Vorbemerkung vor § 104 1. Bedeutung. Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte (Einl § 104 Rn 2ff) selbständig wirksam vorzunehmen. Die Privatautonomie ermöglicht es dem Einzelnen, Rechtsgeschäfte nach seinem eigenen Willen abzuschließen. Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn der Handelnde die Folgen seiner rechtsgeschäftlichen Erklärungen beurteilen kann. Deshalb muss er ein Mindestmaß an Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzen. Daran kann es wegen geringen Lebensalters oder Störung der Geistestätigkeit fehlen. Den §§ 104ff geht es vorrangig darum, die nicht (voll) Geschäftsfähigen vor den möglicherweise nachteiligen Folgen von Willenserklärungen zu schützen. Die von ihnen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte werden vom Gesetz grds nicht als wirksam anerkannt. Dieser Schutz wird auch nicht im Interesse des Rechtsverkehrs durchbrochen, wenn etwa der Vertragspartner des nicht Geschäftsfähigen diesen für geschäftsfähig hält und das den Umständen nach darf (Rn 6). Die Interessen des Geschäftsgegners werden immerhin in den § 108 II, § 109 I und § 111 berücksichtigt. Die §§ 104–113 orientieren sich auch an den Erfordernissen der Rechtssicherheit. Es würde zu großer Unsicherheit führen, wenn jeder bei einem Vertragsschluss sich darüber vergewissern müsste, ob sein Vertragspartner im konkreten Einzelfall die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit für den Geschäftsabschluss besitzt. Deshalb stellt das Gesetz starre, generelle Regeln auf. Es sagt zwar nicht positiv, wer geschäftsfähig ist, sondern bestimmt nur, wem die volle Geschäftsfähigkeit fehlt. Dabei macht es die fehlende Geschäftsfähigkeit von festen Altersstufen und bestimmten Störungen der Gesundheit abhängig. Damit wird eine konkrete Würdigung des einzelnen Geschäfts weitgehend vermieden, s zum Ganzen Czeguhn, Geschäftsfähigkeit, beschränkte Geschäftsfähigkeit, Geschäftsunfähigkeit, 2003, Rn 7ff. 2. Abgrenzung. a) Rechtsfähigkeit. Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Sie kommt jedem Menschen zu; sie beginnt mit der Vollendung der Geburt und endet mit dem Tod des Menschen (§ 1 Rn 1ff). b) Deliktsfähigkeit. Deliktsfähigkeit, die mit der Geschäftsfähigkeit unter dem Oberbegriff der Handlungsfähigkeit zusammengefasst wird, ist die Fähigkeit, für ein Tun oder Unterlassen haftungsrechtl verantwortlich sein zu können (s §§ 827f). c) Verfügungsfähigkeit. Verfügungsfähigkeit ist die Fähigkeit, über einen bestimmten Vermögensgegenstand zu verfügen. Regelmäßig kann der (geschäftsfähige) Rechtsinhaber über sein Recht auch verfügen. Ausnahmsw ist ihm die Verfügungsbefugnis entzogen (zB dem Schuldner im Insolvenzverfahren, §§ 21ff, 80ff InsO; dem Erben bei der Nachlassverwaltung, § 1984 I, oder der Testamentsvollstreckung, § 2211 I). d) Sonderfälle. Ehefähigkeit und Testierfähigkeit sind Sonderfälle der Geschäftsfähigkeit. Ehefähigkeit ist die Fähigkeit, eine Ehe wirksam einzugehen (§§ 1303f). Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Testament wirksam zu errichten (§ 2229; vgl auch § 107 Rn 2). 3. Stufen der Geschäftsfähigkeit. a) Geschäftsunfähigkeit. Geschäftsunfähig sind nach § 104 Kinder bis zu sieben Jahren und dauernd Geisteskranke. Ihre Willenserklärungen sind nichtig (§ 105 I; vgl aber § 105a). Nichtig sind auch Willenserklärungen, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben werden (§ 105 II). Die früher in § 104 Nr 3 aF vorgesehene Geschäftsunfähigkeit der wegen Geisteskrankheit Entmündigten wurde durch das BtG mWv 1.1.1992 abgeschafft. b) Beschränkte Geschäftsfähigkeit. Beschränkt geschäftsfähig sind die Minderjährige, die das siebente Lebensjahr vollendet, das 18. Lebensjahr aber noch nicht vollendet haben (§ 106). Sie sollen entspr ihrer mit zunehmendem Alter wachsenden Erfahrung allmählich an die selbständige Teilnahme am Rechtsverkehr herangeführt werden. Neben die Schutz- tritt die Erziehungsfunktion. Das Gesetz trifft für diese Personengruppe folgende Regelung: aa) Lediglich rechtl vorteilhafte Geschäfte kann der beschränkt Geschäftsfähige allein abschließen; sie sind gültig. bb) Geschäfte, durch die der beschränkt Geschäftsfähige nicht lediglich einen rechtl Vorteil erlangt, bedürfen zur Gültigkeit grds der Einwilligung des gesetzl Vertreters (§ 107). cc) Ein ohne Einwilligung des gesetzl Vertreters geschlossener Vertrag kann mit ex-tunc-Wirkung genehmigt werden (§ 108 I, § 184 I). dd) Ein vom beschränkt Geschäftsfähigen ohne Zustimmung des gesetzl Vertreters geschlossener Vertrag ist von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind (§ 110). ee) Das vom beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft bedarf der Einwilligung des gesetzl Vertreters; ohne Einwilligung ist es unwirksam (§ 111 S 1). ff) Unter den Voraussetzungen der §§ 112, 113 ist der beschränkt Geschäftsfähige für alle dort genannten Geschäfte (selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, Dienst- oder Arbeitsverhältnis) unbeschränkt geschäftsfähig. c) Geschäftsfähigkeit. Voll geschäftsfähig sind alle Personen, die nicht geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig sind. Ihre Willenserklärungen sind wirksam, sofern nicht ein anderer Unwirksamkeitsgrund gegeben ist. 4. Auswirkungen des Schutzzwecks. a) Schutz des Geschäftsgegners. Der Geschäftsgegner wird grds in seinem guten Glauben an die Geschäftsfähigkeit nicht geschützt (BGH NJW 1977, 622; 2015, 2497, 2498; vgl dazu K. Schmidt JuS 1990, 517ff – teilw krit – mwN). In Anweisungsfällen gilt das auch zulasten des Leistungsempfängers, der die Unwirksamkeit der Anweisung ggü dem Anweisungsempfänger nicht kennt und beim Empfang der Leistung des Angewiesenen auf die Wirksamkeit der Anweisung vertraut (BGHZ 152, 307; BGH NJW 2004, Müller
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Rechtsgeschäfte
1315, 1316). Der Schutz des Geschäftsunfähigen und des beschränkt Geschäftsfähigen hat Vorrang vor dem Vertrauensschutz. Das gilt auch dann, wenn etwa die Geisteskrankheit oder die Minderjährigkeit nicht erkennbar ist (RGZ 120, 174). Besonderheiten Rn 10ff. 7 aa) Ist das von einem beschränkt Geschäftsfähigen geschlossene und vom gesetzl Vertreter nicht genehmigte Verpflichtungsgeschäft (zB Kauf) von beiden Parteien erfüllt worden, steht dem nicht Geschäftsfähigen grds ein Herausgabeanspruch nach § 985 zu, weil sein Verfügungsgeschäft (zB Übereignung der Kaufsache) nichtig ist. Demggü ist das Verfügungsgeschäft des (voll geschäftsfähigen) Vertragspartners gültig, so dass dieser nur einen Bereicherungsanspruch hat. Zweifelhaft ist, ob der beschränkt Geschäftsfähige auch nach § 819 I verschärft haftet. Insoweit ist zu unterscheiden: Geht es – wie bei der Leistungskondiktion – um die Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen Vertrags, widerspräche es dem Schutzzweck der §§ 104ff, wenn über die Haftung aus § 819 I der rechtsgeschäftlich unwirksamen Handlung des beschränkt Geschäftsfähigen letztlich doch Wirksamkeit zukäme; über § 819 würde nämlich die Kenntnis des beschränkt Geschäftsfähigen von der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes den Einwand des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 III) ausschließen. Deshalb kommt eine verschärfte Haftung des beschränkt Geschäftsfähigen nur dann in Betracht, wenn sein gesetzl Vertreter den Mangel des rechtl Grundes kannte (Derleder/Thielbar NJW 2006, 3233, 3238f; MüKo/Spickhoff § 108 Rn 37ff mwN; ebenso beim Geschäftsunfähigen Nürnberg WM 1990, 307; KG NJW 1998, 2911). Etwas anderes muss dann gelten, wenn der beschränkt Geschäftsfähige den Bereicherungsgegenstand durch eine unerlaubte Handlung erlangt hat, weil er zB bei Vertragsschluss seine Volljährigkeit vorgetäuscht hat; in diesem Fall ist die Verantwortlichkeit nach §§ 827f zu beurteilen. Deshalb kommt es für eine verschärfte Haftung nach § 819 in analoger Anwendung des § 828 II darauf an, ob der beschränkt Geschäftsfähige die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besaß (vgl BGHZ 55, 136). Steht dem beschränkt Geschäftsfähigen ein Bereicherungsanspruch gegen seinen Geschäftsgegner zu, so wäre dieser Anspruch nach der herrschenden Saldotheorie insoweit ausgeschlossen, als die erhaltene Gegenleistung bei ihm untergegangen ist. Auf Bereicherungsansprüche des nicht Geschäftsfähigen ist die Saldotheorie jedoch nicht anzuwenden. Denn aus dem Schutzzweck der §§ 104ff ist zu entnehmen, dass der nicht Geschäftsfähige vor den Folgen seines rechtsgeschäftlichen Handelns geschützt werden soll. Dieser gesetzl Wertung würde es nicht entsprechen, wenn der Bereicherungsanspruch um den Wert der Gegenleistung gekürzt und der nicht Geschäftsfähige auf diesem Wege faktisch doch an dem geschlossenen Vertrag festgehalten würde (vgl RGZ 86, 347). 8 bb) Der Geschäftsgegner hat auch keinen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss (§ 311 II), da der nicht Geschäftsfähige vor den Folgen seines rechtsgeschäftlichen Handelns bewahrt bleiben soll (BGH NJW 1973, 1791; Canaris NJW 1964, 1987). 9 cc) Dagegen steht dem Geschäftsgegner ein deliktischer Anspruch zu, wenn ein Tatbestand der §§ 823ff erfüllt und der nicht Geschäftsfähige verantwortlich (§§ 827f) ist. Außerdem kommen trotz nichtigem Vertrag Aufwendungsersatzansprüche aus GoA in Betracht (BGH NJW 2015, 1020; Vor § 677 Rn 16). 10 dd) Das Rechtsscheinprinzip besagt generell, dass derjenige, der in zurechenbarer Weise einen Rechtsschein veranlasst hat, weniger schutzwürdig ist als der auf den Schein redlich vertrauende Dritte. Daraus folgt für den Schutz des Geschäftsgegners eines nicht Geschäftsfähigen (s allg zum Verhältnis Vertrauensschutz/Minderjährigenschutz Nitschke JuS 1968, 541): 11 (1) Er wird in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchs (§§ 892f) und des Erbscheins (§ 2366) geschützt, Bei diesen Tatbeständen kommt es auf eine Veranlassung nicht an. 11a (2) Wenn eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache unrichtig eingetragen ist, wirkt sie nach § 15 III HGB zuungunsten desjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war. Str ist, ob § 15 III HGB auch zulasten eines nicht voll Geschäftsfähigen wirkt. Die wohl hM verneint dies (v Olshausen BB 1970, 142; Canaris HandelsR § 5 Rn 54; Hopt/Merkt § 15 HGB Rn 19; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 15 HGB Rn 30; aM K. Schmidt HandelsR § 14 Rn 95ff; K. Schmidt JuS 1977, 216f; Staub/J. Koch § 15 HGB Rn 111 mwN). Sie gibt dem Schutz der beschränkt Geschäftsfähigen und der Geschäftsunfähigen den Vorrang vor dem Verkehrsschutz. Diese könnten die Eintragung mangels Zurechnungsfähigkeit nicht zurechenbar veranlassen. Die Anwendbarkeit des § 15 I HGB wird aber ganz überwiegend bejaht (s nur BGHZ 115, 80; Canaris HandelsR § 5 Rn 21f). 12 (3) Die Anscheinsvollmacht muss der Betroffene durch sein Verhalten zurechenbar veranlasst haben. Der nicht Geschäftsfähige hat sie jedoch nicht zurechenbar veranlasst. Deshalb wird der vertrauende Dritte nicht geschützt (BGH NJW 1977, 622, 623; Stuttgart MDR 1956, 673; LG München II BeckRS 2019, 15775); andernfalls könnte der nicht Geschäftsfähige wie ein Geschäftsfähiger verpflichtet werden (MüKo/Spickhoff Rn 17). 13 (4) Im Wechselrecht kann der Einwand der mangelnden Geschäftsfähigkeit des Schuldners bei der Begebung jedem Wechselinhaber entgegengesetzt werden. Denn der Rechtsschein, den der nicht Geschäftsfähige gesetzt hat, wird diesem wegen der Schutzfunktion der §§ 104ff nicht zugerechnet (Baumbach/Hefermehl/Casper Art 17 WG Rn 35). Anders ist die Frage zu beantworten, ob jemand von einem nicht Geschäftsfähigen im guten Glauben an dessen Geschäftsfähigkeit gem Art 16 II WG den Wechsel erwirbt. Das ist mit der hM (vgl Baumbach/Hefermehl/Casper Art 16 WG Rn 16) im Interesse der Umlauffähigkeit des Wechsels zu bejahen (BGH WM 1968, 4; zum Scheck BGH NJW 1951, 402). Der Ausgleich zw dem Verkehrsinteresse und dem Schutz des nicht Geschäftsfähigen wird also dadurch erreicht, dass der Wechsel zwar vom Gutgläubigen erworben wird, aber keine Haftung des nicht Geschäftsfähigen begründet wird. Dagegen soll sich die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins auch zu Lasten geschäftsunfähiger Versicherungsnehmer durchsetzen (Saarbrücken r+s 2015, 512). 310
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Geschäftsfähigkeit
§ 104
(5) Eine in den AGB von Banken und Sparkassen enthaltene Klausel, dass der Kunde den Schaden trägt, der daraus entsteht, dass die Bank oder Kasse von einem später eintretenden Mangel seiner Geschäftsfähigkeit unverschuldet keine Kenntnis erlangt, verstößt gegen § 307 (s zu § 9 AGBG BGHZ 115, 38ff mwN). b) Schutz des nicht (voll) Geschäftsfähigen. Der nicht voll Geschäftsfähige wird im Allg durch die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit seiner Rechtsgeschäfte hinreichend geschützt. Diese Folge kann sich aber ausnahmsw auch zu seinem Nachteil auswirken. Das ist insb bei Dauerschuldverhältnissen der Fall, wenn der nicht voll Geschäftsfähige seine Leistung bereits erbracht hat. Dem Schutzgedanken der §§ 104ff entspricht es, bei Ansprüchen des nicht Geschäftsfähigen die Nichtigkeitsfolgen nur für die Zukunft eingreifen zu lassen. Deshalb erhält etwa der beschränkt geschäftsfähige ArbN trotz der Nichtigkeit des Arbeitsvertrags für die Vergangenheit den vereinbarten Lohn (BAG AP § 611 Nr 1, 18; BeckOK/Wendtland § 105 Rn 15; jurisPK/Lange § 105 Rn 11; Walker JA 1985, 138, 148f; Franzen JuS 1995, 233, alle mwN). Wird dagegen vom ArbGeb ein vertragl Schadensersatzanspruch geltend gemacht, kann der ArbN sich auf die Nichtigkeit des Vertrags berufen. Nicht anwendbar sind die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses auch, wenn der nicht Geschäftsfähige als ArbGeb einen unwirksamen Arbeitsvertrag abschließt (LSG Rh-Pf NZA 1991, 40; aA MüKo/Spickhoff § 105 Rn 57). Der beschränkt Geschäftsfähige, der sich ohne Zustimmung des gesetzl Vertreters bzw ohne familiengerichtliche Genehmigung an einer Personengesellschaft beteiligt, ist weder im Innen- noch im Außenverhältnis verpflichtet; eine solche Verpflichtung unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Gesellschaft widerspräche dem Schutzzweck der §§ 104ff (vgl BGHZ 17, 167; 38, 26; BGH NJW 1983, 748; aA unter Berufung auf die Haftungsbegrenzung des § 1629a C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002, 269ff). Die geleistete Einlage kann er nach §§ 812ff, 985ff herausverlangen. Gewinnansprüche stehen ihm nicht zu, da eine Beteiligung am Gewinn ohne Teilnahme am Verlust widersinnig wäre (Soergel/Hefermehl Rn 15; § 705 Rn 42 mwN). Entspr gilt für den gem § 105 II vorübergehend geschäftsunfähigen Gesellschafter (BGH NJW 1992, 1503 m Anm K. Schmidt JuS 1992, 792). c) Eintritt der Volljährigkeit. Nach dem durch das MinderjährigenhaftungsbeschränkungsG (BGBl I 1998, 2487) mWv 1.1.1999 eingefügten § 1629a haftet der volljährig gewordene Minderjährige für bestimmte Verbindlichkeiten grds nur mit dem Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens (Einzelheiten bei § 1629a Rn 1ff). Weitere neue Bestimmungen zum Schutz des Minderjährigen finden sich in § 723 I und § 1789. Die Neuregelung ist durch einen Auftrag des BVerfG an den Gesetzgeber veranlasst (vgl BVerfGE 72, 155). 5. Anwendungsbereich. Die §§ 104ff gelten unmittelbar nur für Deutsche. Für die Geschäftsfähigkeit ausl Staatsangehöriger verweist Art 7 EGBGB auf das Heimatrecht. Dies gilt nach ganz hM auch für die Rechtsfolgen mangelnder Geschäftsfähigkeit bei Ausländern (vgl § 106 Rn 3; aM Düsseldorf NJW-RR 1995, 755 = IPrax 96, 199 m abl Anm Baetge IPrax 1996, 186 mwN). Im Privatrecht gelten §§ 104ff für alle Rechtsgeschäfte, sofern nicht Spezialregeln bestehen. Auf geschäftsähnl Handlungen (Einl § 104 Rn 7) sind die Vorschriften grds auch anwendbar (BGH MDR 2019, 692, 694; Ulrici NJW 2003, 2053, 2054 mwN), nicht dagegen auf Realakte (Einl § 104 Rn 9f). Im Prozessrecht entspricht die Prozessfähigkeit der Geschäftsfähigkeit (§§ 51f ZPO; § 62 VwGO; § 71 SGG; vgl für Ausnahmen §§ 9, 60, 125 FamFG). Wer also geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist, kann zwar Prozesspartei sein, den Rechtsstreit aber nicht selbst führen; er wird im Prozess durch seinen gesetzl Vertreter vertreten. – Zur Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren vgl § 12 VwVfG sowie § 36 SGB I und § 79 AO; dazu Robbers DVBl 1987, 709; zur Wahrnehmung von Grundrechten Hohm NJW 1986, 3107; zur Fürsorgepflicht des Gerichts BSG NJW 2014, 1039. 6. Beweislast. Zwar ist die Geschäftsfähigkeit Voraussetzung für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts; aber entspr den tatsächlichen Verhältnissen ist das Fehlen der Geschäftsfähigkeit als Ausnahme anzusehen, die zu beweisen ist. Zu den Einzelfällen iÜ vgl § 104 Rn 8; § 108 Rn 9; § 109 Rn 6; § 110 Rn 6; § 111 Rn 6; § 112 Rn 10; § 113 Rn 19.
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Geschäftsunfähigkeit
Geschäftsunfähig ist: 1. wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, 2. wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. 1. Bedeutung. § 104 regelt abschließend und zwingend, wer geschäftsunfähig ist (zum Begriff schon Vor § 104 1 Rn 3; zu den Rechtsfolgen §§ 105, 105a). 2. Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit. a) § 104 Nr 1. Die Geschäftsunfähigkeit von Kindern ist rein 2 formal nach dem Alter festgesetzt. Auf die individuelle geistige Entwicklung kommt es nicht an. Gem § 187 II 2 wird das Kind um 0 Uhr des Tages, an dem es sein siebentes Lebensjahr vollendet, beschränkt geschäftsfähig. b) § 104 Nr 2. Die Norm setzt voraus: aa) Es muss eine dauernde krankhafte Störung der Geistestätigkeit 3 vorliegen. Erfasst werden sowohl die Fälle der Geisteskrankheit als auch der bloßen Geistesschwäche; zw beiden besteht nur ein gradueller Unterschied (BAG NJW 2009, 3052). Auf die medizinische Einordnung kommt es für die rechtl Beurteilung nicht an (RGZ 130, 71; 162, 229; BGH WM 1965, 896; Düsseldorf FamRZ 1998, 1064f; München NJW-RR 2009, 1600). Unerheblich ist ferner, ob die Krankheit bereits erkannt oder noch unerkannt ist, ob sie angeboren ist oder später entstand. Zur fortgeschrittenen Cerebralsklerose vgl BayObLG FamRZ 1996, 969; zu einer schweren chronifizierten Depression BGH MDR 2019, 692, 694; zu einer Demenzerkrankung Müller
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Rechtsgeschäfte
BayObLG FamRZ 2003, 391; Düsseldorf FamRZ 1998, 1064; Hamm RPfleger 2013, 95; NJW-RR 2021, 1310; Koblenz NJW-RR 2015, 917; Schmoeckel NJW 2016, 433ff; zu Querulantenwahn LSG Sachsen-Anhalt 3.2.2012 – L 5 AS 276/AS; zu paranoider Schizophrenie VG Düsseldorf 21.11.2011 – 8 K 3314/11; zum Verfolgungswahn LSG Hessen BeckRS 2017, 132220; zum Analphabetismus Großfeld/Hülper JZ 1999, 430, 433; zur Bedeutung neurobiologischer Erkenntnisse Mankowski AcP 211, 153, 178ff; Cording/Roth NJW 2015, 26ff. Der Krankheitszustand muss dauernd sein. Eine bloß vorübergehende Störung der Geistestätigkeit reicht zur Begründung der Geschäftsunfähigkeit nicht aus. Bei Psychopathie, einem psychischen Erschöpfungszustand, Trunksucht oder Rauschgiftsucht ist idR keine dauernde Störung der Geistestätigkeit anzunehmen (BayObLG 56, 381ff; NJW 1990, 774, 775; 2003, 216, 219; FamRZ 2004, 1404, 1406; Naumburg NJW 2005, 2018, 2019; Düsseldorf FamRZ 2005, 216, 217; Wedemann JURA 2010, 587, 588). Willenserklärungen, die in „lichten Augenblicken“ abgegeben werden, sind gültig (krit München ZEV 2013, 504, 506f; zur Beweislast s Rn 8). Ein nur periodisch Geistesgestörter ist somit während solcher Zwischenräume geschäftsfähig (vgl für den Fall des Altersschwachsinns RG HRR 1929 Nr 793; für einen Fall von manisch-depressivem Irresein BGH WM 1956, 1186). Der Ausschluss der Geschäftsfähigkeit nach § 104 Nr 2 erfasst grds alle von dem Geschäftsunfähigen vorgenommenen Rechtsgeschäfte. Jedoch kann sich die Geschäftsunfähigkeit ausnahmsw auf einen gegenständlich begrenzten Lebensbereich beschränken (sog partielle Geschäftsunfähigkeit; st Rspr, vgl BGH NJW 1953, 1342; BGHZ 18, 187; 30, 118; BGH WM 1970, 1366; WM 1975, 1280; NJW 2021, 63, 65; BayObLG NJW 1992, 2100; s auch Gebauer AcP 153, 332ff). Anerkannt ist eine solche partielle Geschäftsunfähigkeit zB bei Querulantenwahn für die Prozessführung (BVerwGE 30, 25), bei krankhafter Eifersucht für Fragen der Ehe (RGZ 162, 229; BGHZ 18, 186; FamRZ 1971, 244), beim Schock eines Anwalts über die Versäumung einer Frist für die Führung eines bestimmten Rechtsstreits (BGHZ 30, 112) und bei Spielsucht (BGHZ 174, 262). Der (nur) partiellen Geschäftsunfähigkeit entspricht eine partielle Geschäftsfähigkeit für die übrigen Lebensbereiche. In Betracht kommt ferner eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung (vgl BVerfG NJW 2003, 1382f; Brandenburg FamRZ 2011, 216, 217; 2017, 1747), ob auch für die Erteilung einer Vorsorgevollmacht als Alternative zur Betreuung (München NJW-RR 2009, 1602), erscheint hingegen fraglich. Abzulehnen ist eine auf besonders schwierige Geschäfte beschränkte (relative) Geschäftsunfähigkeit (BGH NJW 1953, 1342; 1961, 261; 1970, 1680; WM 1975, 1280; NJW 2021, 63, 65; BAG NJW 2009, 3052; BayObLG NJW 1989, 1678; Köln MDR 1975, 1017; aA Köln NJW 1960, 1389). Eine Beurteilung nach dem Schwierigkeitsgrad wäre zu unbestimmt und würde zu Unsicherheiten im Rechtsverkehr führen. bb) Die krankhafte Störung der Geistestätigkeit muss zu einem Ausschluss der freien Willensbestimmung führen. Der Begriff der freien Willensbestimmung iSd § 104 Nr 2 und des § 1814 II ist im Kern deckungsgleich (BGH NJW-RR 2014, 770, 771; NJW-RR 2016, 643). Ein Ausschluss liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der gegebenen Geistesstörung zu bilden und nach den unter Abwägung des Für und Wider zutr gewonnenen Einsichten zu handeln. Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit (BGH WM 1972, 972; RG JW 1936, 1205; JW 1937, 35) führen nicht ohne weiteres zum Ausschluss der freien Willensbestimmung. Vielmehr müssen bestimmte Vorstellungen oder Empfindungen oder aber Einflüsse dritter Personen derart übermäßig den Willen beherrschen, dass eine Bestimmbarkeit des Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen ist (RGZ 103, 401; 130, 71; 162, 228; BGH NJW 1953, 1342; 1970, 1680, 1681; 1996, 918; WM 1984, 1063; 2017, 950, 952; BAG NJW 2009, 3052; 2011, 872, 873; BayObLG NJW 1992, 2101; NJWRR 2000, 1029; FamRZ 2003, 391; Düsseldorf FamRZ 1998, 1064, 1065; Saarbrücken NJW 1999, 871, 872). Auf die intellektuellen Fähigkeiten zur Einschätzung der Tragweite der Erklärung kommt es nicht entscheidend an (BGH NJW 1953, 1342; 1961, 261). Geringe Intelligenz (Düsseldorf VersR 1996, 1493; Köln MDR 1975, 1017; KG NZFam 2014, 422), Wortfindungsschwierigkeiten (Düsseldorf MDR 2013, 702) sowie fehlende oder eingeschränkte Fähigkeiten zum Lesen, Schreiben oder Rechnen (BAG NJW 2009, 3052) reichen daher für die Annahme von Geschäftsunfähigkeit nicht aus. Die Verstandesschwäche kann aber ein solches Ausmaß erreichen, dass sie eine freie Willensbildung verhindert, was bei einem Intelligenzquotienten von unter 60 der Fall sein kann (Köln MDR 2011, 649; gegen eine schematische Beurteilung nach dem IQ Brandenburg FamRZ 2017, 1747, 1748; auch München BeckRS 2020, 47755). 3. Beweislast. Wer sich auf die Geschäftsunfähigkeit beruft, hat sie zu beweisen (BGHZ 198, 381, 387; KG WM 2019, 1484; BVerwG NJW 1994, 2633 für die wirksame Bekanntgabe von Verwaltungsakten; BAG NJW 2010, 2682; BayObLG Rpfleger 1982, 286 und 309). Gesetzl wird das Fehlen der Geschäftsfähigkeit somit als zu beweisende Ausnahme behandelt. Zur Darlegungslast BGH NJW-RR 1993, 189; NJW-RR 1995, 1958; NJW-RR 1996, 919; WM 2017, 950, 952; MDR 2019, 692, 694; ZInsO 2022, 1674. Die Feststellung kann das Gericht idR nur mit sachverständiger Beratung treffen (BGH NJW 2016, 1514, 1515; NJW-RR 2016, 385, 386 und 643; ZInsO 2022, 1674), an das Ergebnis psychiatrischer oder psychowissenschaftlicher Gutachten ist es jedoch nicht gebunden und kann demzufolge von ihnen aufgrund seiner richterlichen Überzeugung abweichen (BGH NJW 2021, 63, 65). Dabei kann auch die Einschätzung von Personen von Bedeutung sein, die keine medizinische Ausbildung haben oder die den Betroffenen nicht gezielt auf seinen Geisteszustand untersucht haben (BGH FamRZ 2016, 303; einschr Hamm NJW-RR 2021, 1310). Mit einem Privatgutachten, das im Widerspruch zum Gerichtsgutachten steht, muss das Gericht sich auseinandersetzen (BGH NJW 2022, 2845). Zur Prüfung der Geschäftsfähigkeit oder Testierfähigkeit durch den Notar Frankfurt NJW-RR 1996, 1159; Günther FamRZ 2000, 604f; Huber/Schmieder/Dengler BWNotZ 2012, 150; Müller DNotZ 2006, 325; Stoppe/Lichtenwimmer DNotZ 2005, 806. Zur Prüfung der Ehegeschäftsfähigkeit BayObLG FamRZ 2003, 373f. – Im Fall des § 104 Nr 2 hat bei feststehen312
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Geschäftsfähigkeit
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dem Dauerzustand derjenige, der sich auf einen lichten Augenblick beruft, dafür die Beweislast (BGH NJW 1988, 3011). Bei schwankendem Geisteszustand ist die Geschäftsunfähigkeit zu beweisen (Hamburg MDR 1954, 480). Nach Aufhebung einer Betreuung ist im Zweifel von der Geschäftsfähigkeit der vormaligen Betreuten auszugehen (Hamm RPfleger 2015, 129). – Im Prozess gehen Zweifel an der Prozessfähigkeit zulasten des Klägers (BGHZ 18, 189; 86, 189; BGH NJW-RR 2011, 284); falls die Prozessfähigkeit einer Partei nach Erschöpfung sämtlicher Beweismöglichkeiten nicht mit Sicherheit festzustellen ist, wird diese als prozessunfähig angesehen, so dass kein Sachurteil ergehen kann (BGHZ 86, 184, 189; BGH NJW 1962, 1510; NJW-RR 2011, 284; BAG NJW 1958, 1699).
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Nichtigkeit der Willenserklärung
(1) Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig. (2) Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird. 1. Folgen der Geschäftsunfähigkeit (Abs I). a) Nichtigkeit der Willenserklärung. Der Geschäftsunfähige muss vor rechtl Folgen seines Handelns im Rechtsverkehr geschützt werden; deshalb ist seine Willenserklärung nichtig. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob das Geschäft für ihn rechtl oder wirtschaftl vorteilhaft ist; daher ist auch die Annahme einer Schenkung durch den Geschäftsunfähigen nichtig. Zu den Zweifeln von Canaris an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung (JZ 1987, 993; 1988, 494) zutr abl Bork AT Rn 989 mwN; krit zur Vereinbarkeit mit Art 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Lachwitz KJ 2012, 385, 397ff. Modifizierende Sonderregelungen für volljährige Geschäftsunfähige finden sich in § 105a (s dort) und für Wohn- und Betreuungsverträge in § 4 II WBVG, zu weitergehenden Reformüberlegungen Wedemann AcP 209, 669ff. – Der Geschäftspartner eines Geschäftsunfähigen wird in seinem guten Glauben an die Geschäftsfähigkeit nicht geschützt, weil der Geschäftsunfähige einen Rechtsschein nicht zurechenbar veranlasst haben kann (vgl Vor § 104 Rn 6). Das gilt trotz § 15 HGB auch im Handelsrecht (BGHZ 115, 79). b) Gesetzliche Vertretung. Für den Geschäftsunfähigen handelt sein gesetzl Vertreter. Da die Willenserklärung des Geschäftsunfähigen nichtig ist, kann sie nicht durch eine Genehmigung des gesetzl Vertreters wirksam werden; in einem solchen Fall kann aber § 141 helfen. Schenkungen des gesetzl Vertreters an den Geschäftsunfähigen sind trotz § 181 wirksam, weil sie für den Vertretenen lediglich rechtl vorteilhaft sind (BGHZ 59, 240; § 181 Rn 23). c) Handeln für andere. Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die der Geschäftsunfähige für einen anderen (§ 165 Rn 5) oder für eine Personengesamtheit abgibt (RGZ 145, 155 – Handeln für eine OHG; BGHZ 115, 78 – Geschäftsführer einer GmbH). Das gilt trotz § 15 HGB auch, wenn die Beendigung einer Organstellung durch Geschäftsunfähigkeit nicht im Handelsregister eingetragen ist; in einem solchen Fall kommt allerdings eine Haftung der vertretenen Gesellschaft nach allg Rechtsscheinsgesichtspunkten in Betracht (BGHZ 115, 81). Ist bei einer Gesamtvertretung einer der Vertreter geschäftsunfähig, ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig (BGHZ 53, 213; vgl Ostheim AcP 169, 193; aA Hamm NJW 1967, 1041). Auch die Bevollmächtigung durch einen Geschäftsunfähigen ist nichtig; daher handelt der vom Geschäftsunfähigen rechtsunwirksam Bevollmächtigte als Vertreter ohne Vertretungsmacht, so dass eine Genehmigung durch den gesetzl Vertreter möglich ist (vgl BGHZ 53, 214f mwN). – Der Geschäftsunfähige kann Bote (Vor § 164 Rn 24ff) sein, da er keine eigene Willenserklärung abgibt, sondern nur eine fremde Erklärung überbringt. d) Anwendungsbereich. § 105 I betrifft nur die Abgabe, nicht den Empfang einer Willenserklärung; dem Geschäftsunfähigen kann eine Willenserklärung nicht wirksam zugehen (§ 131 I). Die Vorschrift ist ferner nicht auf Realakte, wohl aber auf rechtsgeschäftsähnl Handlungen entspr anwendbar (BGH MDR 2019, 692, 694). 2. Weitere Nichtigkeitsgründe (Abs II). a) Bewusstlosigkeit. Nichtigkeit nach Abs II (Sonderregelung für die Eheschließung § 1314 II Nr 1) tritt ein bei Bewusstlosigkeit und vorübergehender Störung der Geistestätigkeit. Bewusstlosigkeit bedeutet nicht ein völliges Fehlen des Bewusstseins (etwa: Ohnmacht, Schlaf); denn dann ist keine Handlung im Rechtssinne möglich. Vielmehr muss es sich um eine so hochgradige Bewusstseinstrübung handeln, dass eine Erkenntnis des Inhalts der Erklärung ausgeschlossen ist. Sie kann etwa bei starker Übermüdung, Fieberwahn, hochgradiger Trunkenheit (BGH WM 1972, 972; NJW 1991, 852; Nürnberg VersR 1978, 339) oder starkem Drogeneinfluss gegeben sein. § 105 II ist auch dann anwendbar, wenn die Bewusstlosigkeit vorsätzlich herbeigeführt wurde (Nürnberg NJW 1977, 1496; MüKo/Spickhoff Rn 42; aA Kiehnle AcP 218, 816, 836ff). b) Vorübergehende Störung. Eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit setzt – wie § 104 Nr 2 – eine geistige Anomalie voraus; durch sie muss auch hier die freie Willensbestimmung ausgeschlossen sein (RGZ 105, 272; BGH FamRZ 1970, 641; Saarbrücken NJW 1999, 871, 872; LAG Köln NZA-RR 1999, 232). Im Unterschied zu § 104 Nr 2 stellt § 105 II auf eine vorübergehende Störung ab. Eine Beschränkung auf ein bestimmtes Lebensgebiet, nicht jedoch auf besonders schwierige Geschäfte, ist auch hier möglich (BGH NJW 1961, 261; OGHZ 4, 71).
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Rechtsgeschäfte
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Geschäfte des täglichen Lebens
Tätigt ein volljähriger Geschäftsunfähiger ein Geschäft des täglichen Lebens, das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann, so gilt der von ihm geschlossene Vertrag in Ansehung von Leistung und, soweit vereinbart, Gegenleistung als wirksam, sobald Leistung und Gegenleistung bewirkt sind. Satz 1 gilt nicht bei einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen. 1. Entstehungsgeschichte und Zweck. Die Vorschrift ist durch Art 25 I des OLGVertrÄndG v 23.7.2002 (BGBl I 2002, 2850) eingefügt worden und seit dem 1.8.2002 in Kraft. Der Regelungsgedanke ist dem Diskussionsentwurf des von der BReg ursprünglich geplanten, aber damals zunächst zurückgestellten Antidiskriminierungsgesetzes entnommen. Die Bestimmung soll die Integration von geistig Schwerbehinderten in die Gesellschaft fördern und ihre soziale Stellung verbessern. Sie ist jedoch nicht hinreichend in die Systematik des Gesetzes eingefügt, enthält zudem verschiedene unbestimmte Rechtsbegriffe und beschreibt die Rechtsfolgen nicht genau und vollständig. Das erschwert den praktischen Umgang mit der Neuregelung im Rechtsleben und dient nicht der gerade für die betroffenen Menschen wünschenswerten Rechtssicherheit. 2. Personenkreis. Die Vorschrift erfasst nur Geschäfte volljähriger Geschäftsunfähiger. Diese Voraussetzung (§ 104 Nr 2) muss nach dem Schutzzweck der Regelung mindestens eine von zwei an einem Geschäft beteiligten Personen erfüllen. Nach Wortlaut und Zweck gilt die Bestimmung aber auch für Geschäfte, die zwei volljährige Geschäftsunfähige miteinander vereinbaren (ebenso Casper NJW 2002, 3425, 3426). Unter die Vorschrift fallen nur Geschäfte von Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 2), nicht Geschäfte eines nach § 104 Nr 1 geschäftsunfähigen Minderjährigen (Bork AT Rn 989a; MüKo/Spickhoff Rn 4; krit dazu Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 27). Die Erfüllung der Kriterien von § 105 II (Bewusstlosigkeit oder vorübergehende Störung der Geistestätigkeit) im Zeitpunkt des Geschäfts genügt nach dem Text der Vorschrift nicht (aM Casper NJW 2002, 3425, 3426). In den Einrichtungen für geistig Behinderte leben aber vielfach sowohl Geschäftsunfähige iSv § 104 Nr 2 als auch Personen mit nur vorübergehender Störung der Geistestätigkeit iSv § 105 II, die nicht generell geschäftsunfähig sind. Insb in solchen Einrichtungen kann die unterschiedliche rechtl Behandlung dieser beiden Personengruppen (etwa bei Geschäften in den Verkaufsstellen oder der Bewohner untereinander, bei denen mindestens ein Beteiligter wegen § 105 II nicht rechtswirksam handelt) zu praktischen Schwierigkeiten und zu unausgewogenen Ergebnissen führen. Der Gedanke an eine entspr Anwendung von § 105a für solche Fälle liegt nahe (ebenso Lipp FamRZ 2003, 721, 725). 3. Sachliche Voraussetzungen. a) Geschäft des täglichen Lebens. Die Vorschrift gilt nur für ein Geschäft des täglichen Lebens. Der Begriff ist als solcher im Gesetz nicht definiert. Zu seiner Ausfüllung kann aber auf die zu dem Begriff „Angelegenheit des täglichen Lebens“ in § 1825 III (§ 1903 III aF) entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Für den Begriffsinhalt wird im Interesse der Rechtssicherheit entscheidend auf die Verkehrsauffassung abzustellen sein. Als Abgrenzungsmerkmale bieten sich dabei vor allem der Geschäftsgegenstand und die Bedingungen des Geschäfts an. Das Geschäft muss sich nach allen in Betracht kommenden Merkmalen als nach der Verkehrsauffassung für einen Personenkreis wie diesen im Alltag üblich darstellen. Unerheblich ist, ob ein solches Geschäft (praktisch) „jeden Tag“ vorgenommen wird. Unter den Begriff fallen nach dem Geschäftsgegenstand in erster Linie alle Geschäfte zur Deckung des persönlichen täglichen Bedarfs des Geschäftsunfähigen. Das gilt sowohl für den Erwerb von Gegenständen (Nahrungsmittel, Getränke, Kosmetika, Textilien) als auch für die Nutzung einfacher Dienstleistungen (Friseur, Post, Telefon, öffentlicher Verkehr, Pflege und Reparatur von Kleidung). Nach dem Zweck der Bestimmung wird man auch die Inanspruchnahme informatorischer und kultureller Dienstleistungen (etwa Presse, Film, Theater, Konzert) oder den Besuch von Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen als Geschäft des täglichen Lebens zu werten haben. Der Erwerb von Gegenständen in einer das übliche Maß überschreitenden Menge ist schon nach dem Geschäftsgegenstand kein Geschäft des täglichen Lebens. Auch Geschäfte, bei denen der Geschäftsunfähige wie ein Unternehmer (§ 14) handelt, fallen nicht unter die Vorschrift (Casper NJW 2002, 3425, 3426; Lipp FamRZ 2003, 721, 725; Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 33). Nach den Geschäftsbedingungen kommen als entgeltliche Geschäfte vor allem (kleinere) Bargeschäfte des täglichen Lebens zu Preisen und sonstigen Bedingungen, wie sie im Geschäftsverkehr jedermann angeboten werden, in Betracht. Nicht erfasst werden Geschäfte, bei denen zulasten des Geschäftsunfähigen Leistung und Gegenleistung nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen oder bei denen die Umstände des Geschäftsabschlusses jedenfalls für den erfassten Personenkreis ungewöhnlich sind (etwa Haustürgeschäft; wohl auch Fernabsatzgeschäft). Kreditgeschäfte scheiden aus der Anwendung von § 105a ohnehin aus, solange sie nicht abgewickelt sind. Sind sie abgewickelt, dann wird es für die Bewertung einerseits auf die Üblichkeit als Alltagsgeschäft für diesen Personenkreis (vielfach wohl zu verneinen; zu bejahen am ehesten beim gewöhnlichen Versandhandel) und andererseits auch auf die Angemessenheit der Kredit- und sonstigen Bedingungen ankommen (ähnl Lipp FamRZ 2003, 721, 727 mwN; MüKo/Spickhoff Rn 16 für Teilzahlungsgeschäft). Mit Dauerverpflichtungen verbundene Geschäfte (etwa Telefonanschluss, Fernsehanschluss; Abonnement von Presseerzeugnissen, Pay-TV, Theater, Konzert) wird man allenfalls mit großer Zurückhaltung noch als Geschäft des täglichen Lebens werten können; iÜ beschränkt sich die Wirkung des § 105a in solchen Fällen auf den bereits abgewickelten Teil solcher Geschäfte. Bei unentgeltlichen Geschäften zugunsten des Geschäftsunfähigen wird man nach den Ge314
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Geschäftsfähigkeit
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schäftsbedingungen eher von einem Geschäft des täglichen Lebens sprechen können als bei Schenkungen, die der Geschäftsunfähige macht (vgl dazu Lipp FamRZ 2003, 721, 727 und Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 32 mwN). b) Geringwertige Mittel. Es muss sich um ein Geschäft handeln, das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann. Auch für diese Voraussetzung ist der Begriffsinhalt dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen, sieht man von den Überlegungen zum Begriff „geringfügige Angelegenheit“ in § 1825 III ab. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit muss der Begriffsinhalt obj bestimmt werden; auf die persönlichen wirtschaftl Verhältnisse des einzelnen Geschäftsunfähigen, die dem anderen Geschäftsbeteiligten häufig nicht bekannt sind und sein können, darf es bei der Normanwendung nicht ankommen (anders MüKo/Spickhoff Rn 10 und die hM zu § 1825 III). Es wird vielmehr auf der Grundlage der allg Preis- und Einkommensverhältnisse wiederum auf die Verkehrsanschauung abzustellen sein (ebenso Casper NJW 2002, 3425, 3426; Heim JuS 2003, 141, 143; Grü/Ellenberger Rn 4). Als Mittel, mit denen das Geschäft bewirkt werden kann, kommen – auch auf Seiten des Geschäftsunfähigen – sowohl Geldmittel als auch Sach- und Dienstleistungen in Betracht. c) Eigenhändige Vornahme. Die Bestimmung erfasst nur Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsunfähige selbst vornimmt. Die Bestellung eines Vertreters gestattet das Gesetz dem Geschäftsunfähigen nicht. Allenfalls kommt für die Geschäftsabwicklung die Einschaltung eines Boten in Betracht. d) Bewirken von Leistung und Gegenleistung. Das Geschäft muss in Ansehung von Leistung und, soweit vereinbart, Gegenleistung bewirkt sein. Zur Anwendung dieses Merkmals ist zunächst zu klären, was als Leistung und ggf als Gegenleistung vereinbart ist. „Vereinbart“ in diesem Sinne ist, worüber sich die Geschäftsbeteiligten im natürlichen Sinne geeinigt haben. Auch für den Einigungsbeitrag des Geschäftsunfähigen müssen die Voraussetzungen einer wirksamen Willenserklärung, von § 105 I abgesehen, erfüllt sein. Eine Einigung, die etwa nach §§ 134 oder 138 nichtig wäre, reicht zur Anwendung von § 105a nicht aus. Die vereinbarten Leistungen müssen bewirkt sein. Erforderlich sind danach vollständige beiderseitige Erfüllungshandlungen. Auch insoweit kommt es aber für die Erfüllung der Voraussetzungen von § 105a nicht darauf an, ob die Erfüllungshandlungen zunächst ganz oder teilw wegen § 105 I rechtl nicht wirksam sind; entscheidend ist vielmehr, dass sie tatsächlich bewirkt und nicht aus anderen Gründen als der Geschäftsunfähigkeit unwirksam sind. e) Ausschluss bei Gefährdung. Das Geschäft darf nach S 2 nicht zu einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen führen. Nicht gefährdet werden darf durch das Geschäft einmal die Person des Geschäftsunfähigen. Bei dieser negativen Voraussetzung geht es um den Schutz gerade des am Geschäft beteiligten Geschäftsunfähigen. Der Maßstab für diese Gefährdung ist deshalb seiner individuellen Situation zu entnehmen. Als Quelle einer solchen Gefahr kommt insb die an den Geschäftsunfähigen bewirkte Leistung in Betracht. Zu denken ist vor allem an eine Leistung, die für ihn eine Gefahr für Leib oder Leben bedeuten kann; eine solche Gefahr kann etwa durch für ihn gefährliche Nahrungs- oder Genussmittel (zB Alkohol) entstehen, aber auch durch eine Dienstleistung, die – wie zB ein aufregender Film – für ihn zu einer erheblichen psychischen oder physischen Beeinträchtigung führen kann. Eine Gefährdung des Vermögens des Geschäftsunfähigen kann vor allem durch die Art oder die Höhe der von ihm erbrachten Leistung eintreten. Vielfach wird es in solchen Fällen allerdings schon an einem Geschäft des täglichen Lebens fehlen, das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann. Vorstellbar ist eine Vermögensgefährdung zB durch den mehrfachen Erwerb eines Gegenstands, den der Geschäftsunfähige nur einmal benötigt oder sich vernünftigerweise nur einmal leisten kann, in nacheinander mit unterschiedlichen Beteiligten vereinbarten Geschäften (MüKo/Spickhoff Rn 20; Staudinger/Klumpp Rn 39; aM aus Verkehrsschutzgründen: Löhnig/ Schärtl AcP 204, 25, 34). Die Regelung soll in beiden Varianten den Geschäftsunfähigen vor obj nicht hinnehmbaren Gefährdungen schützen. Der Schutzzweck verlangt, dass allein auf die obj durch das Geschäft verursachte Gefährdungslage abgestellt wird. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der andere Beteiligte die Gefährdung erkennt oder infolge Fahrlässigkeit nicht erkennt. 4. Rechtsfolgen. Bei Erfüllung der persönlichen und sachlichen Voraussetzungen iÜ gilt der von dem Geschäftsunfähigen geschlossene Vertrag in Ansehung von Leistung und, soweit vereinbart, Gegenleistung als wirksam, sobald die vereinbarten Leistungen bewirkt sind. Im Zeitpunkt des Bewirkens treten („ex nunc“) die angeordneten Rechtsfolgen ein. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Vereinbarung („ex tunc“) sieht das Gesetz nicht vor. Mit dem Eintritt der Rechtsfolgen entfallen insb für Leistung und Gegenleistung die bei nichtigen Geschäften bestehenden bereicherungsrechtl Ansprüche auf Rückabwicklung. Darüber herrscht in der Lit Einigkeit. Unklar ist jedoch, ob die Wirkungen des § 105a sich auf das schuldrechtl Geschäft beschränken. Dies legt der Wortlaut der Norm an sich nahe. Doch würden dann Eigentum und Besitz dauerhaft auseinanderfallen, da der fingierte Vertrag ein Recht zum Besitz iSv § 986 BGB gibt (MüKo/Spickhoff Rn 24). Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sind die Rechtsfolgen des § 105a nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch auf das Verfügungsgeschäft zu erstrecken (Casper NJW 2002, 3425, 3428; PWW/Völzmann-Stickelbrock Rn 7; Staudinger/Klumpp Rn 33; aA Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 37ff; MüKo/Spickhoff Rn 24). Umstr ist ferner, ob mit dem Eintritt der Rechtsfolgen auch über die Leistung und die Gegenleistung hinausgehende vertragl Rechte und/oder Pflichten, etwa ein Schadensersatzanspruch gem § 280 I (zB wegen sog pFV), ein Gewährleistungsanspruch (zB nach § 437) oder Gestaltungsrechte nach den Verbraucherschutzbestimmungen entstehen können. Dies wird teilw mit dem Arg bejaht, dem Geschäftsunfähigen müssten bei Geschäften des täglichen Lebens i Erg die Rechte und Ansprüche zustehen, die er hätte, wenn er voll geschäftsfähig wäre Müller
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Rechtsgeschäfte
(Adena, Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens in Deutschland und Österreich, 2009, 74ff; Casper NJW 2002, 3425, 3427; MüKo/Spickhoff Rn 21ff; Grü/Ellenberger Rn 6). Doch müssten ihn dann konsequenterweise auch die entspr Pflichten treffen (so in der Tat Erman/Palm12 Rn 14; MüKo/Spickhoff Rn 22). Die Belastung nur einer Seite erscheint unausgewogen und nicht vertretbar; das zeigt sich besonders deutlich, wenn zwei Geschäftsunfähige, die etwa gemeinsam in einer betreuenden Einrichtung leben, miteinander ein Geschäft iSv § 105a mit Schadensfolgen tätigen. Überzeugender ist es, die Vorschrift von vorneherein nur bei ordnungsgemäß erbrachten Leistungen und Gegenleistungen zur Anwendung zu bringen (Heim JuS 2003, 141, 143f; Lipp FamRZ 2003, 721, 728; Ulrici Jura 2003, 520, 522; BeckOK/Wendtland Rn 7; Jauernig/Mansel Rn 6; Staudinger/Klumpp Rn 34). Ansonsten bleibt es bei der Gesamtnichtigkeit des Vertrags. Die Rückabwicklung erfolgt über die §§ 812ff. Von dem Geschäftsunfähigen darüber hinaus zu erwarten, über die Ausübung von Rücktritts-, Widerrufs- und Nacherfüllungsrechten zu entscheiden, hieße, ihn zu überfordern (BeckOK/Wendtland Rn 7). Eine solche Überforderung will § 105a gerade vermeiden. Der besonderen Problematik, dass ein geleisteter Gegenstand später wegen eines verborgenen Fehlers einen Folgeschaden bei dem Geschäftsunfähigen verursacht, ist über das Institut der cic (§ 311 II, § 241 II, § 280) zu begegnen (Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 48f). Derartige Ansprüche können auch bei einem nichtigen Vertrag bestehen (Czeguhn, Geschäftsfähigkeit, beschränkte Geschäftsfähigkeit, Geschäftsunfähigkeit, 2003, Rn 180). Schon nach früherem Rechtsverständnis konnte der Geschäftsunfähige in sog lichten Augenblicken bestimmte Rechtsgeschäfte wirksam vornehmen (allgM; § 104 Rn 4). Die Nichtigkeitsfolge des § 105 I tritt in diesen Fällen nicht ein. Diese Möglichkeit wird von § 105a nicht berührt (ebenso: Jauernig/Mansel Rn 3, 6; Lipp FamRZ 2003, 721, 725). 5. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit eines Geschäfts nach § 105a S 1 beruft, muss alle Voraussetzungen nachweisen. Die Voraussetzungen von S 2 muss beweisen, wer die Unwirksamkeit eines Geschäfts nach dieser Bestimmung geltend macht.
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Beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger
Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 in der Geschäftsfähigkeit beschränkt. 1. Bedeutung. Die §§ 106ff sollen den Minderjährigen, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, einerseits vor den Folgen rechtl bindender Willenserklärungen schützen, ihm aber andererseits in beschränktem Umfang die Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen. Im Interesse der Rechtssicherheit stellen die §§ 106ff nicht individuell auf die Bedeutung des einzelnen Geschäfts oder auf die geistige Reife des Minderjährigen ab; vielmehr gilt ein abstrakt genereller Maßstab. Die Minderjährigkeit endet mit der Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 2). 2. Überblick (§§ 107–113). Wirksam sind die Willenserklärungen des Minderjährigen auch ohne Beteiligung des gesetzl Vertreters in den Fällen der §§ 107 (lediglich rechtl Vorteil), 110, 112 und 113. In allen anderen Fällen hängt die Wirksamkeit der Willenserklärung von der Mitwirkung des gesetzl Vertreters ab: Bei Verträgen bedarf die Willenserklärung der Zustimmung (Einwilligung – § 183 – oder Genehmigung – § 184) des gesetzl Vertreters (§§ 108f). Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist eine (vorherige) Einwilligung des gesetzl Vertreters erforderlich (§ 111). 3. Spezialregeln. a) Stellvertretung. Die Beschränkungen der §§ 106ff gelten nur, wenn der Minderjährige für sich selbst handelt. Eine vom Minderjährigen als Stellvertreter abgegebene Willenserklärung ist wirksam (§ 165). Eine Haftung des Minderjährigen als Vertreter ohne Vertretungsmacht scheidet gem § 179 III 2 aus. Handelt der Minderjährige zugleich in eigenem und fremdem Namen, ist § 139 zu beachten. b) Weitere Sondertatbestände. Weitere Spezialvorschriften enthalten zB: §§ 8, 131 II, §§ 210, 682, 828 II und III, §§ 1303, 1411, 1516 II, §§ 1596ff, 1600a II, §§ 1746, 2229, 2233 I, § 2247 IV, § 2275 II, § 2296 I, § 2347 II, § 2351. Bei Anordnung einer Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt hat der Betreute eine dem beschränkt Geschäftsfähigen ähnl Rechtsstellung (§ 1825 I 3, III). c) Prozessfähigkeit. Beschränkt Geschäftsfähige sind prozessunfähig (§§ 51f ZPO). Im Verfassungsbeschwerdeverfahren kann aber unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtsmündigkeit etwas anderes gelten (Kahl JuS 1995, 904). Im FamFG-Verfahren sind die §§ 9, 60, 125 FamFG zu beachten. Eine etwaige Verfahrensfähigkeit führt nicht dazu, dass der beschränkt Geschäftsfähige wirksam einen Anwalt beauftragen kann (vgl AG Münster NJW 1994, 1124 für den Fall eines asylverfahrensfähigen Minderjährigen). d) IPR. Für Minderjährige mit fremder Staatsangehörigkeit ist umstr, ob sich die Rechtsfolgen mangelnder Geschäftsfähigkeit nach dem Heimatrecht richten (so die hM, vgl Baetge IPRax 1996, 185; Grü/Thorn Art 7 EGBGB Rn 5, beide mwN) oder nach dem Vertrags- oder Wirkungsstatut (so etwa Düsseldorf NJW-RR 1995, 755). Vgl Vor § 104 Rn 17 und Art 7 EGBGB Rn 14f.
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Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. 1. Bedeutung. Der Minderjährige kann selbst wirksame Willenserklärungen nur abgeben, wenn er durch sie lediglich einen rechtl Vorteil erlangt. Rechtl nachteilige Geschäfte bedürfen jedoch zum Schutz des Minderjäh316
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Geschäftsfähigkeit
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rigen der Einwilligung des gesetzl Vertreters. Für bestimmte außergewöhnliche Geschäfte ist daneben eine Genehmigung des FamG erforderlich (§§ 1643, 1850ff; §§ 1799, 1848ff). 2. Anwendungsbereich. § 107 gilt für alle Willenserklärungen und findet auch auf rechtsgeschäftsähnl Handlungen – nicht aber auf Realakte – entspr Anwendung (Vor § 104 Rn 17). Familienrechtl Willenserklärungen (zB Verlöbnis; hM, RGZ 61, 272; 98, 15) fallen unter § 107, soweit nicht Spezialvorschriften eingreifen (zB §§ 1303f; 1596ff; 1746). Zur Testamentserrichtung durch einen Minderjährigen § 2229, § 2233 I, § 2247 IV (Brox ErbR Rn 90ff). Die §§ 104ff sind entspr anwendbar bei Eingriffen in Vermögensrechte wie etwa dem Eigentum (Staudinger/Steinrötter JuS 2012, 97, 104), die Wirksamkeit der Einwilligung des Minderjährigen zu einem tatsächlichen Eingriff in höchstpersönliche Rechtsgüter wie Gesundheit und körperliche Integrität (zB durch eine Operation, BGHZ 29, 35, oder eine Tätowierung, AG München NJW 2012, 2452) beurteilt sich dagegen nach dem Rechtsgedanken des § 828 nach der individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit (BGHZ 29, 36; BGH NJW 1972, 335, 337; § 823 Rn 147; § 630d Rn 7; aA Beater JZ 2013, 111, 116ff). Beim Vertragsschluss unter beschränkt Geschäftsfähigen sind die Voraussetzungen der §§ 106ff für jeden der beteiligten Minderjährigen getrennt zu prüfen (näher Lettl WM 2013, 1245, 1248ff). 3. Zustimmungsbedürftigkeit. Ob eine Willenserklärung lediglich rechtl vorteilhaft ist, richtet sich allein nach der rechtl Wirkung, nicht jedoch nach den wirtschaftl Folgen des Geschäfts (BGH LM Nr 7; BGHZ 161, 178f; hM, aA Stürner AcP 173, 402ff; Köhler JZ 1983, 225); das Gesetz will nicht auf den für den Rechtsverkehr zu unsicheren Maßstab des wirtschaftl Vorteils abstellen. Entscheidend ist daher für das Zustimmungserfordernis, ob durch die Willenserklärung selbst oder durch den Vertrag, zu dessen Abschluss sie abgegeben wird, rechtl Verpflichtungen des Minderjährigen begründet oder seine Rechte vermindert werden. Nachteilig in diesem Sinne ist ein Geschäft auch, wenn die Zahlungspflichten bis zum Eintritt der Volljährigkeit ausgesetzt werden (zB bei einer anfänglichen Gratismitgliedschaft in einem Automobilclub, s Latzel/Zöllner NJW 2019, 1031ff). Soweit ein Geschäft einem Minderjährigen lediglich einen rechtl Vorteil bringt, gilt für Insichgeschäfte der sorgeberechtigten Eltern das Verbot des § 181 nicht (BGHZ 94, 232; BGH NJW 2017, 3516, 3517). a) Einseitige Rechtsgeschäfte. Einseitige Rechtsgeschäfte können rechtl vorteilhaft sein (zB Kündigung eines zinslosen Darlehens durch den Minderjährigen als Darlehensgeber; zur Mahnung vgl BGHZ 47, 352, 357; 106, 163, 166; KG FamRZ 1989, 537; Köln NJW 1998, 320; Emmerich JuS 1995, 124; zur Annahme eines unbelasteten Vermächtnisses München NJW-RR 2012, 137, 138); meist sind sie jedoch rechtl nachteilig (zB Kündigung eines Mietvertrags, verzinslichen Darlehens; Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft). b) Verpflichtungsgeschäfte. Verpflichtungsgeschäfte sind rechtl vorteilhaft und folglich zustimmungsfrei, soweit der Minderjährige selbst keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung übernimmt. Somit ist ein gegenseitiger Vertrag wegen seiner synallagmatischen Verpflichtung niemals lediglich rechtl vorteilhaft. Das gilt auch dann, wenn der Vertrag für den Minderjährigen wirtschaftl sehr günstig ist; entscheidend sind nicht die wirtschaftl, sondern die rechtl Nachteile. Rechtl Nachteile sind dabei auch solche, die kraft Gesetzes eintreten (zB die Haftung aus § 419 aF bei der Vermögensübernahme, BGHZ 53, 178). Der Abschluss eines Versicherungsvertrags (Bsp: BGH NJW 2003, 514 für Kfz-Haftpflichtversicherung) und Bankgeschäfte eines Minderjährigen sind in aller Regel nicht allein rechtl vorteilhaft und deshalb zustimmungsbedürftig; im Einzelfall können §§ 110, 112, 113 eingreifen (eingehend zur Teilnahme Minderjähriger am Bankverkehr einschl der Benutzung von Scheck- und Kundenkarten mwN: Hagemeister JuS 1992, 839 und 924; Vortmann WM 1994, 965ff; vgl auch LG Köln NJW-RR 1991, 968). Bei einem Behandlungsvertrag (§ 630a) kommt es darauf an, ob der Minderjährige privat oder gesetzl versichert ist. Im erstgenannten Fall ergibt sich der rechtl Nachteil aus der Vergütungspflicht des Patienten. Ist der Minderjährige jedoch gesetzl versichert, so trifft ihn selbst keine Vergütungspflicht. Daher kann er den Behandlungsvertrag zustimmungsfrei selbst abschließen (Lauf/Birk NJW 2018, 2230ff). Davon zu trennen ist die Frage, ob der Minderjährige für die Vornahme der Behandlungsmaßnahme der Einwilligung seines gesetzl Vertreters bedarf (dazu Rn 2). Nicht lediglich rechtl vorteilhaft sind auch unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge. Deshalb bedürfen sowohl der Leihvertrag (wegen der Verpflichtungen des Entleihers gem §§ 601, 604) als auch der Verwahrungsvertrag (wegen §§ 693, 694) als auch der Darlehensvertrag (vgl Düsseldorf NJWRR 1995, 755) der Einwilligung. Einseitig verpflichtende Verträge kann der Minderjährige schließen, wenn die Verpflichtung den Vertragspartner und nicht ihn trifft. Der Abschluss eines Schenkungsvertrags mit einem Minderjährigen ist wirksam, auch wenn damit eine Ausgleichsanordnung (§ 2050 III) verbunden ist, weil damit keine Verpflichtung begründet wird (BGHZ 15, 171; Stuttgart FamRZ 1992, 1423). Dagegen ist die Schenkung unter einer Auflage wegen § 525 nicht lediglich vorteilhaft (Stuttgart aaO; Köln NJW-RR 1998, 363). Gleiches gilt, wenn der Schenkungsvertrag unter einem Rücktrittsvorbehalt des Schenkers steht, sofern die Haftung des minderjährigen Beschenkten nicht auf die bereicherungsrechtl Rückabwicklung beschränkt wird (Brandenburg NJW 2021, 477). Ist die Erfüllung eines lediglich rechtl vorteilhaften Schenkungsversprechens für den Minderjährigen mit rechtl Nachteilen verbunden, bedarf nicht das schuldrechtl, wohl aber das dingliche Geschäft der Zustimmung des gesetzl Vertreters. Falls dieser als Schenker Vertragspartner des Minderjährigen ist, kann er zwar nach § 181 Hs 1 weder die Willenserklärung für den Minderjährigen abgeben noch die Erklärung des Minderjährigen durch Zustimmung wirksam machen; nach dem Wortlaut des § 181 letzter Hs wäre ihm das jedoch möglich, weil das dingliche Geschäft ausschließlich zur Erfüllung des Schenkungsversprechens erfolgt. Dadurch würde der von §§ 107, 181 Hs 1 bezweckte Minderjährigenschutz umgangen. Um das zu vermeiden, sollte in diesen Fällen nach BGHZ 78, 28 (ebenso BayObLG 1998, 139) aufgrund einer Gesamtbetrachtung der rechtl Nachteil des dinglichen Geschäfts dazu führen, dass schon das schuldrechtl Geschäft nicht lediglich rechtl vorteilhaft ist. Diese juMüller
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Rechtsgeschäfte
ristische Konstruktion hat der BGH jedoch inzwischen zu Recht wieder aufgegeben (BGHZ 187, 119, 121). Für die Frage, ob eine Schenkung lediglich rechtl vorteilhaft ist, hat das von dieser unabhängige dingliche Rechtsgeschäft keine Bedeutung (ebenso Bork AT Rn 1002f). Dem Minderjährigenschutz kann durch eine einschränkende Auslegung des § 181 letzter Hs Rechnung getragen werden (Jauernig JuS 1982, 576; Feller DNotZ 1989, 75; § 181 Rn 23, 31; offengelassen von BGHZ 161, 174f). c) Verfügungsgeschäfte. Ein Verfügungsgeschäft kann der Minderjährige ohne Einwilligung des gesetzl Vertreters abschließen, wenn die Verfügung rechtl zu seinen Gunsten wirkt. Eine Eigentumsübertragung oder Forderungsabtretung an einen Minderjährigen ist daher wirksam, wenn der Erwerber im Zusammenhang mit dem Erwerb nicht mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht allein dinglich mit dem erworbenen Gegenstand, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet (st Rspr seit BGHZ 78, 28, 33; ebenso BayObLG 1979, 49, 53). So ist der Erwerb eines Tieres wegen der damit verbundenen Verpflichtungen als Tierhalter nach § 2 TierSchG nicht lediglich rechtl vorteilhaft (Staudinger/Klumpp Rn 47). Allerdings dürfen gem § 11c TierSchG – Verbotsgesetz iSv § 134 – Wirbeltiere an Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr ohnehin nicht ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten abgegeben werden. Stets nachteilig ist die Verfügung des Minderjährigen über Gegenstände seines Vermögens wie etwa die Übertragung von Eigentum, die Abtretung oder der Erlass einer Forderung. Für die Bewertung der Übertragung von Grundeigentum auf den Minderjährigen ist insb auf folgende Kriterien abzustellen: Lediglich rechtl vorteilhaft ist die Übereignung eines zB mit einem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks, da hierdurch der rechtl Vorteil des Minderjährigen nur gemindert, jedoch kein sonstiges Vermögen belastet wird (BGHZ 161, 170, 176f; anders bei Reallast wegen § 1108, LG Coburg MittBayNot 2008, 224). Auch eine Auflassungsvormerkung zur Sicherung eines Rückübereignungsanspruchs des Veräußerers begründet keinen rechtl Nachteil iSv § 107 (BGHZ 161, 170, 177; Brandenburg NJW-RR 2014, 1045, 1046). Ebenso wenig kann zumindest im Grundsatz die mit der Eigentumsübertragung regelmäßig verbundene Haftung des Erwerbers für die gewöhnlichen öffentlichen Lasten des Grundstücks als nachteilig qualifiziert werden, weil sie typischerweise keine Gefährdung des vom Gesetz bezweckten Schutzes des beschränkt Geschäftsfähigen mit sich bringt (schutzzweckorientierte einschränkende Auslegung von § 107); eine andere Bewertung kann bei außerordentlichen Lasten, etwa bei Erschließungs- oder Anliegerbeiträgen, in Betracht kommen; die Abgrenzung ist Frage des Einzelfalls (BGHZ 161, 170, 177ff). – Für die Belastung mit einem Nießbrauch gilt dieselbe Bewertung jedenfalls dann, wenn der Nießbraucher auch die Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen und Erneuerungen sowie die außergewöhnlichen Grundstückslasten zu tragen hat (BGHZ 161, 170, 176; Celle MitBayNot 2014, 248). Das dingliche Geschäft ist schließlich auch dann rechtl vorteilhaft, wenn die zugrunde liegende schuldrechtl Vereinbarung mit rechtl Nachteilen verbunden und deshalb (schwebend) unwirksam ist; auch bei einer solchen Konstellation ist (anders noch BGHZ 78, 28) über das Vorliegen eines rechtl Vorteils oder Nachteils nicht in einer Gesamtbetrachtung von dinglichem und schuldrechtl Geschäft zu entscheiden. Der Erwerb eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils an einem solchen Grundstück ist hingegen wegen der damit nach § 566 I, § 581 II, § 593b iVm zB § 535 I, § 536a, § 581 I, § 585 II, § 586 II verbundenen persönlichen Haftung – auch wenn der Veräußerer sich den Nießbrauch vorbehält – nicht lediglich rechtl vorteilhaft (BGHZ 162, 137, 140ff; BGH NJW-RR 2022, 1027; für die Zustimmungsbedürftigkeit auch des schuldrechtl Geschäfts J. Hager, FS Leenen, 2012, 43, 46ff). Das gilt wegen der Pflichten aus §§ 1041, 1045, 1047 auch für die Bestellung eines Nießbrauchs zugunsten des Minderjährigen (BFH NJW 1981, 141; offengelassen in BGH LM Nr 7). Die Übertragung eines Grundstücksanteils an einen Minderjährigen im Wege vorweggenommener Erbfolge kann rechtl nachteilig sein, wenn sie mit der Vereinbarung eines nicht auf Rückgabe der Bereicherung beschränkten Rückforderungsrechts verknüpft ist (BayObLG FamRZ 2004, 1055f; Köln Rpfleger 2003, 570 m Anm Bestelmeyer Rpfleger 2004, 162f). Einwilligungsbedürftig ist auch der Erwerb von WE (wegen der Haftung nach § 10 VIII WEG s BGHZ 187, 119, 121ff; Brandenburg RPfl 2022, 321; Hamm ZWE 2010, 370; München ZEV 2008, 246) und einer Photovoltaikanlage (wegen der damit verbundenen öffentlich-rechtl Pflichten, s Dresden NJW 2016, 1027, das aber zu Unrecht schon die Schenkung für rechtl nachteilig hält). Rechtl nachteilig ist auch die Erklärung des Ausschlusses der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft, selbst wenn sie im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Miteigentumsanteils an dem Grundstück erfolgt (München NJW-RR 2022, 166). Der Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft ist zumeist mit Haftungsgefahren verbunden und dann nicht lediglich vorteilhaft (BGHZ 68, 231f). Anders liegt es bei der Einräumung eines voll eingezahlten Kommanditanteils (Bremen NZG 2008, 750; Köln NJW-RR 2018, 1310; Führ/Nikoleycik BB 2009, 2105ff; Maier-Reimer/Marx NJW 2005, 3025, 3026; Weinbrenner FPR 2009, 265ff; aA Frankfurt NJW-RR 2008, 1568; Oldenburg ZIP 2019, 2055). Ebenfalls lediglich rechtl vorteilhaft ist der Erwerb von voll eingezahlten Aktien (MaierReimer/Marx aaO). Anders ist für die Beteiligung an einer GmbH wegen der Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG zu entscheiden (Maier-Reimer/Marx aaO). Der Erwerb eines Miterbenanteils führt zur Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten und ist insoweit nachteilig (KG NJW-RR 2023, 224). Die Begründung der Stellung eines Treuhänders ist wegen des Anspruchs auf Rückgewähr der Treuhandmittel für den beschränkt Geschäftsfähigen nicht lediglich rechtl vorteilhaft (BGH NJW 2017, 3516, 3517). d) Erfüllung von Ansprüchen. Die Erfüllung eines Anspruchs des Minderjährigen durch Leistung an ihn ist nicht wirksam, da durch die Erfüllung die Forderung erlischt und somit ein Rechtsnachteil entsteht. Die Eigentumsübertragung an den Minderjährigen ist zwar wirksam, jedoch kann in diesem Fall die Erfüllungswirkung 318
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erst mit Einwilligung des gesetzl Vertreters eintreten (BGHZ 205, 90; Brox/Walker AT Rn 286; BeckOK/Wendtland § 107 Rn 6; aA Harder JuS 1977, 151). e) Neutrale Geschäfte. Neutrale Geschäfte, dh solche, die für den Minderjährigen weder rechtl vorteilhaft noch nachteilig sind, bedürfen nach dem Schutzzweck des § 107 (vgl Bork AT Rn 997, 1008) zu ihrer Wirksamkeit nicht der Mitwirkung des gesetzl Vertreters. Zu den neutralen Geschäften gehören das Handeln als Vertreter eines anderen (§ 165), die Verfügung über fremde Sachen zugunsten eines Gutgläubigen gem §§ 932ff oder mit Einwilligung des Berechtigten nach § 185 I, wie auch die Leistungsbestimmung gem § 317. 4. Einwilligungserklärung. a) Zugangserfordernis; Formfreiheit. Die Einwilligung ist eine empfangsbedürftige, formfreie Willenserklärung (Vor § 182 Rn 12), die bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts frei widerruflich ist (§ 183 I 1). Der gesetzl Vertreter kann sie ggü dem Minderjährigen oder dem Geschäftsgegner vor oder bei Geschäftsschluss erklären (bei einseitigen Rechtsgeschäften: § 111). Die Einwilligung kann sowohl ausdr als auch konkludent erteilt werden. So kann in der Mitwirkung des gesetzl Vertreters bei dem Geschäft die Einwilligung liegen (RGZ 130, 128). b) Umfang. Die Einwilligung kann sowohl für ein einzelnes Geschäft als auch – allerdings nur in den Grenzen des Schutzzwecks des § 107 – als beschränkte Generaleinwilligung (vgl Bork AT Rn 1014ff), insb für einen begrenzten Kreis noch nicht feststehender, jedoch üblicherweise mit einem bestimmten Vorhaben (zB Studium, Reise, Kauf eines Kfz mit Abschluss einer Haftpflichtversicherung) verbundener Rechtsgeschäfte erteilt werden. Der Umfang eines solchen Generalkonsenses ist durch Auslegung zu ermitteln; im Interesse eines wirksamen Minderjährigenschutzes ist die Einwilligung eng auszulegen: der beschränkte Generalkonsens darf nämlich nicht zu einer partiell erweiterten Geschäftsfähigkeit über die Regelung der §§ 112, 113 hinaus führen (vgl BGHZ 47, 359; NJW 1977, 622). Unzulässig ist daher auch eine Einwilligung in Geschäfte jeglicher Art (Bork AT Rn 1014ff; Scherner FamRZ 1976, 673ff). Die Einwilligung zur Ausbildung an einem anderen Ort umfasst idR Rechtsgeschäfte des Minderjährigen zur Deckung des Lebensbedarfs und zur Durchführung der Ausbildung. Erfolgt die Ausbildung am Wohnort der Eltern, deckt die Einwilligung nicht die Anmietung einer Wohnung (LG Mannheim NJW 1969, 239). Die Einwilligung zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel deckt idR keine Schwarzfahrten, so dass auch kein vertragl Anspruch auf ein erhöhtes Beförderungsentgelt entsteht (eingehend und überzeugend dazu Diekmann/Schneider ZfJ 2002, 161ff; ferner AG Bergheim NJW-RR 2000, 202; AG Bonn NJW-RR 2010, 417; AG Jena NJW-RR 2001, 1469; aA NK/Baldus Rn 98ff). In der Einwilligung des gesetzl Vertreters zum Erwerb des Führerscheins liegt keine Einwilligung zum Abschluss eines Kfz-Mietvertrags (BGH NJW 1973, 1790). Die Einwilligung zum Abschluss eines Mobilfunkvertrags deckt nicht ohne weiteres auch die Vereinbarung von zusätzl „Mehrwertdienstleistungen“ durch den Minderjährigen ab (Einzelheiten bei Derleder/Thielbar NJW 2006, 3233 mwN; vgl auch Klees CR 2005, 626, Mankowski/Schreier VuR 2006, 209 und Zagouras MMR 2006, 511; zur Verpflichtung auf Zahlung von Telefonkosten, die durch Entgegennahme von R-Gesprächen Dritter durch Minderjährige entstehen, vgl BGH NJW 2006, 1971; LG Potsdam NJW-RR 2006, 192; Schütz MMR 2006, 7 und Zagouras NJW 2006, 2368). c) Anspruch auf Einwilligung. Selbst bei einem wirtschaftl günstigen Geschäft steht dem Minderjährigen kein Anspruch auf Erteilung der Einwilligung zu. Die Erteilung steht im pflichtgemäßen Ermessen des gesetzl Vertreters. Die Einwilligung kann nur in den gesetzl vorgesehenen Fällen (etwa § 113 III, § 1666 III) durch das FamG ersetzt werden. Bei Verweigerung der Zustimmung kann ein Schadensersatzanspruch des Minderjährigen in Betracht kommen.
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Vertragsschluss ohne Einwilligung
(1) Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab. (2) Fordert der andere Teil den Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. (3) Ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig geworden, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Vertreters. 1. Schwebende Unwirksamkeit des Vertrags. Schließt ein Minderjähriger einen nicht lediglich rechtl vorteil- 1 haften Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzl Vertreters, so ist der Vertrag schwebend unwirksam; der gesetzl Vertreter hat jedoch die Möglichkeit, durch nachträgl Zustimmung (= Genehmigung, § 184 I) den Vertrag wirksam werden zu lassen (für einseitige Rechtsgeschäfte gilt § 111; jedoch nimmt ein einseitiges Rechtsgeschäft des Minderjährigen, das mit einem Vertrag eine rechtl Einheit bildet, an der schwebenden Unwirksamkeit und der Genehmigungsfähigkeit des Vertrags teil, BGHZ 112, 363 für die Vollmacht). Während der schwebenden Unwirksamkeit (Einl § 104 Rn 35; Vor § 182 Rn 14; § 184 Rn 9) kann der Minderjährige aus dem Vertrag nicht in Anspruch genommen werden (vgl § 184 Rn 4). Der Schwebezustand endet mit der Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung (vgl Vor § 182 Rn 14) durch den gesetzl Vertreter (§ 108 I) oder durch den unbeschränkt geschäftsfähig gewordenen Minderjährigen (§ 108 III). Dem Interesse des VertragspartMüller
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ners an der Abkürzung des Schwebezustands dient § 108 II; außerdem steht dem Vertragspartner das Widerrufsrecht nach § 109 zu. Der Minderjährige ist während des Schwebezustands an seine Erklärung gebunden; er hat kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht. Vergleichbare Regelungen für ihren jew Problembereich enthalten § 177 (Genehmigung des Vertreters), § 1366 (Genehmigung des anderen Ehegatten). und § 1856 (Genehmigung des Betreuungsgerichts). 2. Beendigung des Schwebezustands durch den gesetzlichen Vertreter (Abs I). Der gesetzl Vertreter kann den schwebend unwirksamen Vertrag nach freiem Ermessen genehmigen oder die Genehmigung verweigern. a) Genehmigung. Die Genehmigung (§ 184; vgl § 184 Rn 1) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die (§ 182 II) nicht der für den Vertrag erforderlichen Form bedarf (vgl BGH DNotZ 1981, 183; zu Ausnahmen § 182 Rn 7). Sie kann dem Minderjährigen oder dem Vertragspartner ggü (§ 182) ausdr oder durch schlüssiges Verhalten erteilt werden. Die Rspr verlangt als Voraussetzung der konkludenten Genehmigung bislang vielfach, dass der Genehmigende gewusst oder mit der Möglichkeit gerechnet hat, der Vertrag sei unwirksam (BGHZ 2, 152; 53, 178; BGH NJW 1988, 1199f; BAG NJW 1964, 1643; Düsseldorf IPRax 1996, 200; Koblenz VersR 1991, 209). Mit der neueren Rspr, die das Vorliegen einer Willenserklärung nicht mehr vom Erklärungsbewusstsein abhängig macht (vgl Vor § 116 Rn 15ff), steht das nicht im Einklang. Es muss genügen, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnte, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte als Genehmigung aufgefasst werden durfte und dass der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (näher dazu § 182 Rn 8ff). – Der gesetzl Vertreter kann den Vertrag nur so genehmigen, wie ihn der Minderjährige abgeschlossen hat. Eine Abänderung des Vertrags ist ihm nicht möglich; sie kann jedoch uU als Neuvornahme des Geschäfts oder als Einwilligung zu einem erneuten Vertragsschluss durch den Minderjährigen aufgefasst werden. – Die Genehmigung des gesetzl Vertreters hat rückwirkende Kraft (§ 184), dh der Vertrag ist von Anfang an gültig. Die einmal erklärte Entscheidung des gesetzl Vertreters ist wegen ihrer gestaltenden Wirkung nicht widerruflich (BGHZ 13, 187). b) Verweigerung der Genehmigung. Durch die Verweigerung der Genehmigung wird der schwebend unwirksame Vertrag endgültig nichtig (vgl Vor § 182 Rn 15). Ein Widerruf der Verweigerung ist ausgeschlossen (RGZ 139, 127; RGRK/Krüger-Nieland Rn 6). Bereits erbrachte Leistungen sind gem §§ 812ff zurückzugewähren. UU kann der Geschäftsgegner bei nichtigem Vertrag aus GoA Aufwendungsersatz verlangen (s zur Vergütung eines Schlüsseldienstes BGH NJW 2015, 1020). 3. Abkürzung des Schwebezustands durch den Vertragspartner (Abs II). a) Aufforderung zur Genehmigung. Der Vertragspartner kann den Schwebezustand abkürzen. Voraussetzung ist eine Aufforderung an den gesetzl Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung. Die Aufforderung ist eine geschäftsähnl Handlung, da ihre Rechtsfolgen kraft Gesetzes und unabhängig vom Willen des Erklärenden eintreten (Staudinger/Klumpp Rn 43). b) Folge der Aufforderung. Der gesetzl Vertreter kann die Genehmigung nur noch ggü dem Vertragspartner erklären. Eine bereits vor der Aufforderung ggü dem Minderjährigen erklärte Genehmigung oder Verweigerung wird unwirksam. Der Schwebezustand wird somit durch die Aufforderung wiederhergestellt; der Vertreter erlangt erneute Entscheidungsfreiheit. Die Erklärung der Genehmigung ist gem § 108 II 2 nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Empfang der Aufforderung möglich. Genehmigt der Vertreter während dieser Frist nicht, so ist der Vertrag endgültig unwirksam. Die Zweiwochenfrist kann durch einseitige Erklärung des Vertragspartners verlängert und durch Vereinbarung mit dem gesetzl Vertreter verkürzt werden (Prot I 60). c) Anwendung auch bei Einwilligung. Abs II spricht nur von der Genehmigung. Daraus schließt die hM, dass die Vorschrift auf eine vor Vertragsschluss erteilte Einwilligung nicht anwendbar ist (BeckOGK/Duden Rn 57ff; MüKo/Spickhoff Rn 24f; Soergel/Hefermehl Rn 8; Staudinger/Klumpp Rn 51; Paal/Leyendecker JuS 2006, 25, 26; Albers AcP 217, 764, 792ff; s auch Prot I 60). Da aber der Vertragspartner bei einer Einwilligung, die nur dem Minderjährigen ggü erteilt worden ist, ebenfalls ein berechtigtes Interesse an der Klärung der ungewissen Lage haben kann, wird Abs II mit guten Gründen teilw entspr angewendet (vgl Jauernig/Mansel Rn 3; Grü/Ellenberger Rn 7). 4. Beendigung des Schwebezustands durch den geschäftsfähig gewordenen Minderjährigen (Abs III). Der schwebend unwirksame Vertrag wird nicht automatisch wirksam, wenn der Minderjährige während des Schwebezustands volljährig wird; vielmehr bleiben Schwebezustand und Genehmigungsbedürftigkeit bestehen. Der volljährig Gewordene kann nunmehr selbst genehmigen oder die Genehmigung verweigern, Erklärungsempfänger ist der Vertragspartner (NK/Baldus Rn 24ff; Empfangsbedürftigkeit verneinend hingegen Paal/Leyendecker JuS 2006, 25, 27ff). Eine Erteilung der Genehmigung durch schlüssiges Verhalten ist möglich, setzt jedoch nach der Rspr voraus, dass der bisher Minderjährige zumindest mit der schwebenden Unwirksamkeit gerechnet hat (BGHZ 47, 351; 53, 178; Düsseldorf NJW-RR 1995, 755; LG Wiesbaden MDR 2014, 204); vgl zu den Bedenken Rn 3 und § 182 Rn 9. Zur Genehmigung eines Lebensversicherungsvertrags Koblenz VersR 1991, 209; Bayer VersR 1991, 130. Eine Aufforderung gem Abs II ist jetzt an den geschäftsfähig Gewordenen zu richten (BGH NJW 1989, 1728); ein Widerruf ihm ggü zu erklären. Führt ein inzwischen volljährig Gewordener einen weiterhin schwebend unwirksamen Vertrag über lange Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit fort (Bsp: Versicherungsvertrag), kann der Berufung auf die (schwebende) Unwirksamkeit § 242 entgegenstehen (LG Regensburg VersR 2004, 722). Endet die gesetzl Vertretung nicht durch Volljährigkeit, sondern durch den Tod des Minderjährigen, steht dessen Erben das Genehmigungsrecht zu (BeckOK/Wendtland Rn 10). 320
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Geschäftsfähigkeit
§ 110
5. Beweislast. Die Genehmigung und deren Rechtzeitigkeit (§ 108 II 2) hat derjenige zu beweisen, der sich 9 auf die Gültigkeit des Vertrags beruft; für die Aufforderung ist der Vertragspartner beweispflichtig. Hat ein Minderjähriger nach Eintritt der Volljährigkeit einen von ihm früher geschlossenen Vertrag genehmigt und beruft er sich nun darauf, dass sein gesetzl Vertreter vor Eintritt der Volljährigkeit die Genehmigung verweigert hat, so trägt er dafür die Beweislast (BGH NJW 1989, 1728). 6. Entsprechende Anwendung des § 108. Wenn das Betreuungsgericht gem § 1825 I 1 (§ 1903 I 1 aF) eine 10 Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt angeordnet hat, ist das vom Betreuten im Aufgabenkreis des Betreuers vorgenommene Rechtsgeschäft dem Geschäft eines beschränkt Geschäftsfähigen vergleichbar. Deshalb gelten nach § 1825 I 3 (§ 1903 I 2 aF) die §§ 108ff entspr. Der vom Betreuten geschlossene Vertrag bedarf der vorherigen oder nachträgl Zustimmung des Betreuers (Einzelheiten s Kommentierung zu § 1825 sowie § 104 Rn 7).
§ 109
Widerrufsrecht des anderen Teils
(1) Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerruf berechtigt. Der Widerruf kann auch dem Minderjährigen gegenüber erklärt werden. (2) Hat der andere Teil die Minderjährigkeit gekannt, so kann er nur widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwilligung des Vertreters behauptet hat; er kann auch in diesem Falle nicht widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Abschluss des Vertrags bekannt war. 1. Bedeutung. Während der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrags (§ 108 Rn 1) soll der Vertragspartner die Möglichkeit haben, sich vom Vertrag zu lösen. Deshalb räumt Abs I ihm ein Widerrufsrecht ein; das gilt jedoch nur, soweit er schutzwürdig ist (Abs II). Die Ausführungen zu den vergleichbaren Regelungen in § 178, § 1366 II, § 1857 lassen sich weitgehend auch hier heranziehen. 2. Voraussetzungen des Widerrufsrechts. a) Schwebende Unwirksamkeit. Der Vertrag muss noch schwebend unwirksam sein. Deshalb endet das Widerrufsrecht mit der (wirksamen) Genehmigung des gesetzl Vertreters. Unerheblich ist, ob eine erforderliche familiengerichtliche Genehmigung noch fehlt. Hat der gesetzl Vertreter die Genehmigung bereits verweigert, ist der Vertrag unwirksam (vgl § 108 Rn 4, Vor § 182 Rn 15), so dass der Vertragspartner nicht mehr gebunden ist; dann bedarf er eines Widerrufsrechts nicht. Das Widerrufsrecht besteht aber auch dann, wenn die Genehmigung oder deren Verweigerung nur ggü dem Minderjährigen erklärt worden ist und der Vertragspartner durch seine Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung nach § 108 II 1 den Schwebezustand wieder herbeigeführt hat (hM; Staudinger/Klumpp Rn 12 mwN; einschränkend MüKo/ Spickhoff Rn 10; Paal/Leyendecker JuS 2006, 25, 27: Der Vertragspartner muss dem gesetzl Vertreter zuvor eine Bedenkzeit einräumen). b) Kenntnis der Minderjährigkeit. Der Vertragspartner darf die schwebende Unwirksamkeit nicht bewusst in Kauf genommen haben (Abs II). Das ist der Fall, wenn er die Minderjährigkeit oder das Fehlen der Einwilligung des gesetzl Vertreters beim Vertragsschluss gekannt hat. Fahrlässige Unkenntnis schadet nicht; den Vertragspartner trifft keine Erkundigungspflicht (Prot I 61). Trotz Kenntnis der Minderjährigkeit ist der Vertragspartner aber schutzwürdig, wenn der Minderjährige obj wahrheitswidrig die Einwilligung des gesetzl Vertreters behauptet hat; deshalb steht dem Vertragspartner auch in diesem Falle das Widerrufsrecht zu. 3. Ausübung des Widerrufsrechts. Das Recht wird durch eine empfangsbedürftige, formlose Willenserklärung ausgeübt. Diese kann ggü dem gesetzl Vertreter, aber auch ggü dem Minderjährigen (Abs I S 2 in Abweichung von § 131 II) abgegeben werden. 4. Folge des erklärten Widerrufs. Der Vertrag ist endgültig unwirksam. 5. Beweislast. Wer die Unwirksamkeit des Vertrags infolge Widerrufs geltend macht, muss den Zugang des Widerrufs während des Schwebezustands beweisen (BGH NJW 1989, 1728). Bringt der Gegner vor, der Widerruf sei nicht wirksam gewesen, da der Vertragspartner die Minderjährigkeit oder das Fehlen der Einwilligung gekannt habe, ist er dafür beweispflichtig. Demggü hat der Vertragspartner zu beweisen, dass der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwilligung des gesetzl Vertreters behauptet habe. 6. Entsprechende Anwendung des § 109. Entspr Anwendung des § 109 bei Rechtsgeschäften eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (Kommentierung zu § 1825; § 108 Rn 10).
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Bewirken der Leistung mit eigenen Mitteln
Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind. 1. Bedeutung des sog Taschengeldparagraphen. Der Minderjährige soll einerseits vor Verträgen geschützt 1 werden, die seine wirtschaftl Möglichkeiten übersteigen; andererseits soll ihm jedoch – auch aus Erziehungsgründen – eine gewisse Bewegungsfreiheit im Rechtsverkehr verschafft werden. Schließt der Minderjährige ohne die erforderliche Zustimmung seines gesetzl Vertreters einen Vertrag, so treffen ihn, solange er die vereinbarte Leistung nicht erbracht hat, keine vertragl Verpflichtungen; der Vertrag ist vielmehr gem § 108 schwebend unMüller
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Rechtsgeschäfte
wirksam. Bewirkt der Minderjährige allerdings die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung überlassen worden sind, so wird der Vertrag nach § 110 von Anfang an wirksam. Die Wirksamkeit eines vom Minderjährigen geschlossenen Verpflichtungsgeschäfts sowie des Verfügungsgeschäfts hängt also von der vollständigen Erfüllung seitens des Minderjährigen ab. § 110 regelt einen Spezialfall der (konkludenten) Einwilligung nach § 107 (Staudinger/Klumpp Rn 7ff; diff BeckOGK/Duden Rn 4ff). Ist in der Überlassung der Mittel eine (konkludente) Einwilligung zum Vertragsschluss zu sehen, ist der Vertrag nach § 107 bereits mit seinem Abschluss und nicht erst mit Bewirkung der Leistung wirksam. Für einen solchen Willen des gesetzl Vertreters bedarf es jedoch konkreter Anhaltspunkte (PWW/Völzmann-Stickelbrock Rn 1). 2. Voraussetzungen. a) Bewirken der Leistung. Der Minderjährige muss die vertragsmäßige Leistung bewirkt haben. Dafür genügen neben der Erfüllung (§ 362) auch die Erfüllungssurrogate wie Leistung an Erfüllungs statt (§ 364), Hinterlegung (§ 378) und Aufrechnung (§ 389). Die Leistung muss jedoch vollständig erbracht worden sein. Eine Teilleistung ist daher grds keine Erfüllung gem § 110, so dass keine Teilwirksamkeit des Vertrags eintritt. Eine Ausnahme gilt dort, wo sowohl Leistung als auch Gegenleistung teilbar sind (Schilken FamRZ 1978, 643; MüKo/Spickhoff Rn 13). Bei Abzahlungs- und Kreditgeschäften wird mit Zahlung einer Rate noch keine Teilwirksamkeit des Vertrags herbeigeführt; erst mit Zahlung der letzten Rate wird der gesamte Vertrag wirksam. Bei Versicherungsverträgen lassen sich Leistung und Gegenleistung uU zeitabschnittsweise trennen; daher ist der Vertrag mit Zahlung einer Jahresprämie für das laufende Versicherungsjahr wirksam (LG Bochum VersR 1970, 25). Nicht teilbar sind Lebensversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall (Schilken FamRZ 1978, 643). Soll das Versicherungsverhältnis länger als ein Jahr nach Erlangung der Volljährigkeit fortdauern, ist auch im Falle des § 110 für die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags gem § 1643 IV die Genehmigung des FamG erforderlich (BGH VersR 1958, 506; MüKo/Spickhoff Rn 17ff; aA Soergel/Hefermehl Rn 3). Teilbar sind auch die Leistungen eines Mietvertrags, so dass er für den Zeitraum wirksam ist, für den der Minderjährige mit ihm überlassenen Mitteln die Miete zahlt (Weimar JR 1969, 219). b) Überlassung von Mitteln. Dem Minderjährigen müssen unter Beteiligung des gesetzl Vertreters die Mittel zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung überlassen worden sein. aa) Die Überlassung der Mittel kann ausdr oder stillschw erfolgen. Eine konkludente Überlassung liegt zB darin, dass der gesetzl Vertreter dem Minderjährigen den Arbeitsverdienst nicht abverlangt (BGH NJW 1977, 622, 623; Celle NJW 1970, 1850). Die Mittel können für einen bestimmten Zweck oder zu freier Verfügung überlassen worden sein. Bei Überlassung zu freier Verfügung können bestimmte Verwendungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Die Bestimmung des Verwendungszwecks liegt im Ermessen des gesetzl Vertreters; der Umfang ist jew durch Auslegung zu ermitteln. Auch wenn die Mittel ohne besondere Zweckbindung überlassen worden sind, können sich nach den Umständen des Einzelfalles immanente Beschränkungen ergeben, etwa beim Kauf einer Pistole (AG Freiburg NJW-RR 1999, 637), gewaltverherrlichenden Computerspielen (Staudinger/Klumpp Rn 29) oder beim Vertrag über eine Tätowierung (Hauck NJW 2012, 2398; aA AG München NJW 2012, 2452). Die Überlassung eines Prepaid-Handys deckt nicht die Inanspruchnahme von Mehrwertdienstleistungen, insb von sog Klingeltönen (AG Düsseldorf MMR 2007, 404 m Anm Mankowski; zur Anwendung von § 110 bei Mobilfunkverträgen eingehend Derleder/ Thielbar NJW 2006, 3233). Auch bei zunächst freier Überlassung der Mittel kann der gesetzl Vertreter später den Verwendungszweck einschränken, solange die Leistung noch nicht bewirkt ist (vgl Wieser FamRZ 1973, 434 Fn 1; Lindacher, FS Bosch, 1976, 542; aA Weimar MDR 1962, 273; Safferling Rpfleger 1972, 124). Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die Überlassung der Mittel nicht bereits eine Einwilligung gem § 107 enthält, die sich auch auf andere als Bargeschäfte beziehen kann (Rn 1). Die Mittel können vom gesetzl Vertreter oder einem Dritten überlassen worden sein; letzterenfalls ist die Zustimmung des gesetzl Vertreters erforderlich. bb) Als Mittel gem § 110 kommen hauptsächlich Geld, aber auch andere Vermögensgegenstände (zB Guthaben auf Bankkonten, vgl Hagemeister JuS 1992, 840f, 926, 927; Vortmann WM 1994, 967; sonstige Forderungen, Wertpapiere) in Betracht, nicht aber die Arbeitskraft des Minderjährigen (MüKo/Spickhoff Rn 22f mN) oder personenbezogene Daten (Staudinger/Klumpp Rn 23). Die Überlassung der jew Mittel muss rechtl zulässig sein; soweit eine Veräußerung nach §§ 1643, 1850ff bzw §§ 1799, 1848ff der Genehmigung des FamG bedarf, ist eine solche auch zur Überlassung der betreffenden Mittel erforderlich (Begr RegE § 1644, BT-Drs 19/2445, 187). Überlassen die Eltern dem Minderjährigen Mittel zu einer Schenkung, die den Umfang einer Anstandsschenkung übersteigen, so kann die Schenkung unwirksam sein (vgl § 1641; Stuttgart FamRZ 1969, 39). – Auch Surrogate, die der Minderjährige mit anderen ihm überlassenen Mitteln erwirbt, können als überlassene Mittel iSd § 110 angesehen werden (zB beim Tausch). Das gilt jedoch nur dann, wenn sich durch Auslegung ermitteln lässt, dass die in der Überlassung der Mittel liegende Einwilligung sich auch auf das Surrogat bezieht. Geschäfte mit Surrogaten, die den Wert der überlassenen Mittel erheblich übersteigen, fallen regelmäßig nicht unter § 110, so dass dazu eine besondere Einwilligung des gesetzl Vertreters erforderlich ist. Der Kauf eines Lotterieloses mit überlassenen Mitteln fällt unter § 110, nicht dagegen die Verwendung des Lotteriegewinns, der den Einsatz erheblich übersteigt (RGZ 74, 236). 3. Rechtsfolge. Erfüllt der Minderjährige mit ihm überlassenen Mitteln den Vertrag, so ist dieser von Anfang an wirksam. Dies gilt sowohl für das Verpflichtungs- als auch (entgegen Leenen FamRZ 2000, 863ff) für das Erfüllungsgeschäft (Bork AT Rn 1018). Zunächst ist das Geschäft schwebend unwirksam; es wird wirksam mit der Genehmigung des gesetzl Vertreters (§ 108) oder mit dem Bewirken der Leistung durch den Minderjährigen 322
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Geschäftsfähigkeit
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(§ 110). Endgültig unwirksam wird das Geschäft, wenn der gesetzl Vertreter vor dem Bewirken der Leistung sein in der Überlassung der Mittel liegendes Einverständnis widerruft (Celle NJW 1970, 1851; Rn 3). Dem Vertragspartner steht vor der Erfüllung entspr § 109 ein Widerrufsrecht zu (vgl MüKo/Spickhoff Rn 36; aA Soergel/ Hefermehl Rn 7). 4. Beweislast. Wer sich auf die Gültigkeit des Geschäfts beruft, hat die Voraussetzungen des § 110 zu beweisen. 5. Entsprechende Anwendung des § 110. Entspr Anwendung des § 110 bei Verträgen eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (Kommentierung zu § 1825; § 108 Rn 10).
§ 111
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Einseitige Rechtsgeschäfte
Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, ist unwirksam. Nimmt der Minderjährige mit dieser Einwilligung ein solches Rechtsgeschäft einem anderen gegenüber vor, so ist das Rechtsgeschäft unwirksam, wenn der Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vertreter den anderen von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte. 1. Bedeutung. Beim einseitigen Rechtsgeschäft des Minderjährigen soll – anders als beim Vertrag (§ 108) – im Interesse der Rechtssicherheit ein Schwebezustand vermieden werden. Deshalb ist das einseitige Rechtsgeschäft entweder von vornherein wirksam oder von vornherein unwirksam, damit Klarheit für die Personen besteht, die durch das Rechtsgeschäft betroffen, an dessen Vornahme aber nicht aktiv beteiligt sind. Wirksam ist das einseitige Rechtsgeschäft des Minderjährigen, wenn es für diesen lediglich rechtl vorteilhaft ist (§ 107) oder wenn der gesetzl Vertreter vorher in das Geschäft eingewilligt hat. Ansonsten ist das Rechtsgeschäft unwirksam (S 1), also nichtig; durch eine Genehmigung des gesetzl Vertreters kann es demnach nicht nachträgl wirksam gemacht werden. Der Erklärungsempfänger wird besonders geschützt, wenn das einseitige Rechtsgeschäft aus einer empfangsbedürftigen Willenserklärung besteht. Auch wenn der gesetzl Vertreter eingewilligt hat, kann der Erklärungsempfänger eine Ungewissheit beheben, indem er das Rechtsgeschäft zurückweist und es dadurch unwirksam macht. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Minderjährige die Einwilligung des gesetzl Vertreters in schriftlicher Form vorlegt oder wenn dieser den Erklärungsempfänger vorher von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte (S 2 und 3). Vgl auch die Ausführungen zu den ähnl Regelungen in §§ 180, 1367, 1858. 2. Unwirksamkeit wegen fehlender Einwilligung (S 1). a) Erfasste Fälle. Unter S 1 fallen alle einseitigen, nicht lediglich rechtl vorteilhaften Rechtsgeschäfte eines Minderjährigen. Dazu gehören sowohl die streng einseitigen Rechtsgeschäfte (Einl § 104 Rn 15) wie die Auslobung (§ 657) und die Eigentumsaufgabe (§ 959) als auch die einem anderen ggü vorzunehmenden einseitigen Rechtsgeschäfte wie Kündigung, Anfechtung, Aufrechnung Rücktritt und Widerruf, aber auch die Vollmachtserteilung durch einen Minderjährigen (KG NJW 2012, 2293; Paal/Leyendecker JuS 2006, 25, 29; MüKo/Spickhoff Rn 10; anders Müller-Freienfels, Die Vertretung im Rechtsgeschäft, 1955, 245). Bildet jedoch die einseitige Willenserklärung, etwa eine von einem Minderjährigen erteilte Vollmacht, mit einem Vertrag eine rechtl Einheit, nimmt die Bevollmächtigung an der Genehmigungsfähigkeit des Vertrags teil (BGHZ 112, 363). Auf geschäftsähnl Handlungen (Einl § 104 Rn 7) ist die Vorschrift entspr anzuwenden (Staudinger/Klumpp Rn 9). b) Nicht von S 1 erfasste Fälle. Die Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1596ff) durch einen Minderjährigen bedarf zwar der Zustimmung des gesetzl Vertreters; diese Zustimmung kann aber auch noch nach der Beurkundung der Anerkennungserklärung erteilt werden. – Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 I Nr 5 ZPO) ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine prozessuale Erklärung (BGH NJW 1985, 2423); demnach ist sie mit vorheriger Zustimmung des gesetzl Vertreters wirksam. Die wechselrechtl Verpflichtung setzt – entgegen der Kreationstheorie – einen Begebungsvertrag voraus, so dass es sich nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt; vielmehr greift § 108 ein. Die Einwilligung des Minderjährigen in eine tatsächliche Beeinträchtigung persönlicher Rechte und Rechtsgüter (zB Operation) fällt nicht unter § 111, da es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handelt (§ 107 Rn 2). – Abw von § 111 ist eine ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzl Vertreters abgegebene Willenserklärung doch einer Genehmigung zugänglich, wenn der Erklärungsempfänger mit dem Schwebezustand einverstanden ist (MüKo/Spickhoff Rn 8; NK/Baldus Rn 3). Darüber hinaus entfällt – entgegen der hM (vgl MüKo/Spickhoff Rn 5) – der Zweck des § 111 auch dann, wenn das Geschäft den Erklärungsempfänger lediglich begünstigt. Sofern also ausnahmsw eine Genehmigungsmöglichkeit auch beim einseitigen Geschäft gegeben ist, sind §§ 108f, nicht § 111 anwendbar. 3. Unwirksamkeit wegen Zurückweisung (S 2 und 3). Das aus einer empfangsbedürftigen Willenserklärung bestehende Rechtsgeschäft kann trotz Einwilligung des gesetzl Vertreters durch Zurückweisung des Geschäfts seitens des Erklärungsempfängers unwirksam werden. a) Voraussetzungen. aa) Der Minderjährige hat eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung mit Einwilligung des gesetzl Vertreters abgegeben. bb) Der Minderjährige hat dem Erklärungsempfänger die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorgelegt. Die Vorlage wird regelmäßig vor oder bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts erfolgen; aber auch eine nachträgl Vorlage steht einer späteren Zurückweisung entgegen (RGRK/KrüMüller
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Rechtsgeschäfte
ger-Nieland Rn 7). Elektronische Form (§ 126a) reicht wegen der Schwierigkeiten der Kenntnisnahme wohl nicht aus (NK/Baldus Rn 9). cc) Der gesetzl Vertreter hat den Erklärungsempfänger von der Einwilligung nicht in Kenntnis gesetzt. Für die Kenntnisnahme genügt es, dass die Erklärung des gesetzl Vertreters dem Erklärungsempfänger zugegangen ist, da der gesetzl Vertreter auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger keinen Einfluss nehmen kann. Darüber hinaus ist der Erklärungsempfänger auch dann nicht schutzwürdig, wenn er auf andere Weise von der Einwilligung des gesetzl Vertreters sichere Kenntnis erlangt hat; allerdings reicht die bloße Mitteilung des Minderjährigen, der gesetzl Vertreter habe eingewilligt, nicht aus. dd) Der Erklärungsempfänger muss das Rechtsgeschäft des Minderjährigen wegen der Nichtvorlage einer schriftlichen Einwilligung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121), zurückweisen. Ein schuldhaftes Zögern liegt nicht vor, wenn der Erklärungsempfänger die Zurückweisung für angemessene Zeit verschiebt, weil der Minderjährige die Vorlage einer schriftlichen Bestätigung des gesetzl Vertreters in Aussicht stellt. Die Zurückweisung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die ggü dem gesetzl Vertreter, aber auch ggü dem Minderjährigen (analog § 109 I 2) abgegeben werden kann. Dabei muss dem Empfänger der Zurückweisungserklärung erkennbar gemacht werden, dass die Zurückweisung wegen der nicht formgerecht nachgewiesenen Einwilligung des gesetzl Vertreters erfolgt (vgl BAG ZIP 2003, 1161, 1162f). b) Folgen. Bei einer wirksamen Zurückweisung ist das Rechtsgeschäft trotz Einwilligung des gesetzl Vertreters nichtig. Ist die Zurückweisung (zB mangels Rechtzeitigkeit) unwirksam oder unterbleibt sie, ist das Rechtsgeschäft wirksam. 4. Beweislast. Wer die Wirksamkeit eines einseitigen, für den Minderjährigen nachteiligen Rechtsgeschäfts geltend macht, hat die Einwilligung des gesetzl Vertreters zu beweisen. Wer sich dagegen trotz der Einwilligung auf die Unwirksamkeit des Geschäfts beruft, muss die rechtzeitige Zurückweisung beweisen. Demggü hat der sich auf die Gültigkeit des Geschäfts Berufende die Beweislast dafür, dass der Minderjährige vor der Zurückweisung die Einwilligung in schriftlicher Form vorgelegt oder der gesetzl Vertreter den anderen von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hat. 5. Entsprechende Anwendung des § 111. Entspr Anwendung des § 111 bei Rechtsgeschäften eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (Kommentierung zu § 1825; § 108 Rn 10).
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Selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts
(1) Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts den Minderjährigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. (2) Die Ermächtigung kann von dem Vertreter nur mit Genehmigung des Familiengerichts zurückgenommen werden. 1. Bedeutung. Um dem Minderjährigen die Möglichkeit zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts zu geben, kann ihm gem § 112 durch den gesetzl Vertreter mit Genehmigung des FamG die volle Geschäftsfähigkeit für solche Rechtsgeschäfte eingeräumt werden, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. § 112 führt somit zur teilw Erweiterung der Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen und damit insoweit zum Ruhen der Vertretungsmacht des gesetzl Vertreters. Für Geschäfte, die nicht diesem Tätigkeitskreis unterfallen, bleibt der Minderjährige beschränkt geschäftsfähig. – Durch die Vorverlegung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre hat § 112 an praktischer Bedeutung verloren. Insb im Hinblick auf moderne Dienstleistungsangebote in den neuen Medien besteht jedoch nach wie vor ein rechtspolitisches Bedürfnis für die Beibehaltung der Regelung (Staudinger/ Klumpp Rn 5). 2. Voraussetzungen. a) Ermächtigung zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts. Der gesetzl Vertreter muss den Minderjährigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigen. aa) Die Ermächtigung ist eine formfreie, empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang an den Minderjährigen wirksam wird. Sie steht im Ermessen des gesetzl Vertreters und kann regelmäßig nicht durch das FamG ersetzt werden (vgl § 107 Rn 13; Schleswig BeckRS 2020, 55019; Grü/Ellenberger Rn 2; MüKo/Spickhoff Rn 10). bb) Erwerbsgeschäft ist jede berufsmäßig ausgeübte, selbständige, erlaubte und auf Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeit (vgl Scheerer BB 1971, 982). Darunter fallen der Betrieb eines landwirtschaftl Unternehmens, eines Handelsgeschäfts, eines Industrieunternehmens, eines Handwerks sowie eine freiberufliche Tätigkeit einschl einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Betätigung (Mot I 142). Hierher gehört also auch die Tätigkeit eines selbständigen Schauspielers ohne festen Anstellungsvertrag (sonst § 113) oder die eines selbständigen Handelsvertreters gem § 84 I HGB (BAG NJW 1964, 1641; vgl auch Behrendt NJW 2003, 1563, 1564) und die Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter einer GbR, OHG oder KG (Staudinger/Klumpp Rn 9; vgl § 723 I 5, § 1643, § 1852 Nr 2). Weitere praktische Anwendungsfälle sind der professionell betriebene Tennissport (Saarbrücken BeckRS 2005, 00358), das Vermieten von Ton-, Licht- und DJ-Technik (Naumburg BeckRS 2014, 23394) und das kommerzielle Influencing (Willems MMR 2018, 707, 710f). cc) Ein selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts liegt vor, wenn der Minderjährige dieses – nicht nur vorübergehend – selbst planmäßig führt. Sofern das Geschäft durch einen anderen oder in dessen Namen betrieben wird, fehlt es an einem selbständigen Betrieb. 324
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Geschäftsfähigkeit
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b) Genehmigung des Familiengerichts. Die Ermächtigung bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung. Die Erteilung der Genehmigung kann der Ermächtigung vorausgehen oder ihr nachfolgen; letzterenfalls ist die Wirksamkeit der Ermächtigung aufschiebend bedingt. – Das FamG hat über die Erteilung der Genehmigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ausschlaggebend ist, ob der Minderjährige die notwendige geistige Reife und die erforderlichen Fähigkeiten besitzt, sich im Wirtschaftsleben wie ein Volljähriger zu verhalten. Der Minderjährige muss in der Lage sein, die mit dem Geschäft verbundenen Verantwortungen und Verpflichtungen dritten Personen und der Allgemeinheit ggü eigenständig wahrzunehmen (KG JW 1937, 470; Bamberg FamRZ 2022, 915; Köln NJW-RR 1994, 1450; Schleswig BeckRS 2020, 55019). Unerheblich soll sein, ob eine ausl Rechtsordnung den Minderjährigen für den Betrieb eines im Ausland gegründeten Erwerbsgeschäfts als volljährig erachtet (BayObLG 31, 8; Staudinger/Klumpp Rn 21). Eine Doppelbelastung von Schule und Erwerbsgeschäft ist nur hinzunehmen, wenn der Erwerbsbetrieb den persönlichen Einsatz des Minderjährigen lediglich in seiner Freizeit erfordert, im Zweifel hat die Schulbildung den Vorrang (Naumburg BeckRS 2014, 23394). 3. Folgen. a) Partiell unbeschränkte Geschäftsfähigkeit. Unter den Voraussetzungen des § 112 ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig für solche Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt (Abs I S 1). Bei der Beurteilung des Umfangs ist von der Situation des konkreten Erwerbsgeschäfts auszugehen; entscheidend ist die Verkehrsanschauung. Die Geschäfte müssen in jedem Fall mit den betrieblichen Tätigkeiten zusammenhängen; nicht darunter fallen Geschäfte im privaten Bereich (zur Abgrenzung vgl BGHZ 83, 80). Der Gewinn aus dem Geschäftsbetrieb ist insoweit der Verwaltung des gesetzl Vertreters entzogen, als der Minderjährige darüber im Rahmen der Betriebstätigkeit verfügt. Nicht in den Kreis der Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, gehört die Aufgabe des Betriebs (arg § 113 I 1). Zu den Folgen bei Beteiligung des Minderjährigen an einer fehlerhaften Gesellschaft (s Vor § 104 Rn 15). b) Prozessfähigkeit. Die Erweiterung der Geschäftsfähigkeit führt gem § 52 ZPO und den entspr Regelungen der anderen Verfahrensordnungen (§ 62 VwGO, § 71 SGG, § 56 FGO) in gleichem Umfang zur Prozessfähigkeit des Minderjährigen. c) Genehmigungserfordernis. Nicht voll geschäftsfähig ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte, zu denen der gesetzl Vertreter selbst der Genehmigung des FamG bedarf (Abs I S 2; vgl §§ 1643, 1850ff). In diesem Fall sind sowohl die Zustimmung des gesetzl Vertreters als auch die Genehmigung des FamG erforderlich. So kann der Minderjährige zB keine eigenen Wechselverbindlichkeiten eingehen (§ 1643 I, § 1854 Nr 3). Da § 1643 I nicht auf die §§ 1848f verweist und die Verweisung auf die §§ 1850–1854 in § 1643 II–V eingeschränkt wird, können die Eltern eine größere Zahl von Geschäften ohne Genehmigung des FamG für den Minderjährigen tätigen als der Vormund (vgl § 1799). Daher ist die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen bei einer Ermächtigung nach § 112 durch die Eltern größer als bei einer solchen durch den Vormund. Diese Ungleichbehandlung ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen (vgl Flume § 13, 2 „wenig sinnvoll“); der Gesetzgeber hat sie bei der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts jedoch nicht beseitigt, sie ist de lege lata hinzunehmen (Staudinger/Klumpp Rn 34; verfassungsrechtl Bedenken aus Art 3 GG noch bei Erman/Palm12 Rn 8). 4. Rücknahme der Ermächtigung. Die Rücknahme der Ermächtigung steht im Ermessen des gesetzl Vertreters und erfolgt durch formlose Erklärung ggü dem Minderjährigen. Sie ist wie die Erteilung vom FamG zu genehmigen (Abs II). Zwar soll eine teilw Rücknahme nicht zulässig sein; idR wird eine entspr Erklärung aber als vollständige Rücknahme, verbunden mit einer neuen (eingeschränkten) Ermächtigung, aufzufassen sein. 5. Beweislast. Das Vorliegen der Ermächtigung, der Rücknahme und der familiengerichtlichen Genehmigung hat derjenige zu beweisen, der sich auf sie beruft. Ist aber der Minderjährige selbst Prozesspartei und wird er nicht durch seinen gesetzl Vertreter vertreten, ist bei der Prüfung der Prozessfähigkeit von Amts wegen zu ermitteln, ob die Voraussetzungen des § 112 vorliegen. 6. Entsprechende Anwendung des § 112. Entspr Anwendung des § 112 bei Rechtsgeschäften eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (Kommentierung zu § 1825; § 108 Rn 10).
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Dienst- oder Arbeitsverhältnis
(1) Ermächtigt der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen, in Dienst oder in Arbeit zu treten, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen. Ausgenommen sind Verträge, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. (2) Die Ermächtigung kann von dem Vertreter zurückgenommen oder eingeschränkt werden. (3) Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann die Ermächtigung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des Minderjährigen durch das Familiengericht ersetzt werden. Das Familiengericht hat die Ermächtigung zu ersetzen, wenn sie im Interesse des Mündels liegt. (4) Die für einen einzelnen Fall erteilte Ermächtigung gilt im Zweifel als allgemeine Ermächtigung zur Eingehung von Verhältnissen derselben Art. 1. Bedeutung. Unter den Voraussetzungen des § 113 erlangt der Minderjährige durch die Ermächtigung des gesetzl Vertreters die volle Geschäftsfähigkeit für die Eingehung, Aufhebung oder Erfüllung eines Dienst- oder Müller
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Arbeitsverhältnisses. Anders als in § 112 bedürfen die Ermächtigung des gesetzl Vertreters sowie (Abs II) ihre Einschränkung oder Rücknahme zu ihrer Wirksamkeit nicht der Genehmigung des FamG. 2. Voraussetzungen. a) Empfangsbedürftige Willenserklärung. Der gesetzl Vertreter muss den Minderjährigen ermächtigen, in Dienst oder in Arbeit zu treten. Die Ermächtigung erfolgt durch empfangsbedürftige, formfreie Willenserklärung ggü dem Minderjährigen (hM; MüKo/Spickhoff Rn 15ff). Nur ausnahmsw ist außerdem eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich (Abs I S 2; Rn 17). aa) Die Ermächtigung kann auch konkludent erteilt werden. Dem Verhalten des gesetzl Vertreters muss jedoch zu entnehmen sein, dass er mit dem selbständigen Abschluss eines Arbeits- oder Dienstvertrags und dessen Vollzug durch den Minderjährigen einverstanden ist. Im Einzelfall kann eine Ermächtigung im Schweigen des gesetzl Vertreters auf die Kenntnisnahme vom Abschluss eines Arbeitsvertrags durch den Minderjährigen gesehen werden. Das Gleiche gilt regelmäßig, wenn die Eltern die Weiterbeschäftigung des Minderjährigen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses (vgl § 24 BBiG) dulden. Eine konkludente Ermächtigung lässt sich jedoch nicht daraus herleiten, dass die Eltern eine Tätigkeit des Minderjährigen in einem Nachtlokal resignierend hinnehmen (BAG DB 1974, 2062). bb) Soweit ein Vormund gesetzl Vertreter des Minderjährigen ist, kann die Ermächtigung gem Abs III bei ihrer Verweigerung auf Antrag des Minderjährigen durch das FamG ersetzt werden. Dieses muss dem Antrag stattgeben, wenn die Ermächtigung obj im Interesse des Minderjährigen liegt. b) Ermächtigung zu Dienst oder Arbeit. Es muss sich um eine Ermächtigung handeln, in Dienst oder Arbeit zu treten. Erfasst wird jede Art von entgeltlichen Dienst-, Arbeits- oder Werkverträgen. Auch Verpflichtungen zu Diensten höherer Art (zB Schauspielertätigkeit) fallen unter § 113. Erforderlich ist nicht, dass es sich im Gegensatz zu § 112 um unselbständige Tätigkeiten handelt (MüKo/Spickhoff Rn 7; Staudinger/Klumpp Rn 10; Soergel/Hefermehl Rn 2). Bedeutsam ist dies insb für den selbständigen Handelsvertreter (§ 84 I HGB). Der Minderjährige kann dazu nach § 112 oder § 113 ermächtigt werden (BAG NJW 1964, 1642). Der Umfang der Geschäftsfähigkeit ist jedoch verschieden: Im Fall des § 112 kann der Minderjährige alle Rechtsgeschäfte vornehmen, die der Geschäftsbetrieb eines Handelsvertreters mit sich bringt. Im Fall des § 113 ist der Minderjährige zur Eingehung, Aufhebung und Erfüllung eines Handelsvertretervertrags befugt, nicht aber zu eigenen Geschäften mit Dritten (Soergel/Hefermehl Rn 2; MüKo/Spickhoff Rn 9f mwN). Soll ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis mit dem gesetzl Vertreter begründet werden, so bedarf es hierzu nach dem Rechtsgedanken des § 181 der Bestellung eines Ergänzungspflegers gem § 1809 (näher dazu MüKo/Spickhoff Rn 11–13). Der Begriff der Dienst- oder Arbeitsverträge iSd § 113 umfasst keine Berufsausbildungsverträge (LAG Bremen BB 1958, 738; MüKo/Spickhoff Rn 14; aA BAG NJW 2008, 1833, 1834; offengelassen von BAG NZA 2012, 495, 496). Da hier der Ausbildungszweck im Vordergrund steht, muss das Entscheidungsrecht über Abschluss und Beendigung des Vertrags dem sorgeberechtigten gesetzl Vertreter zustehen. Dgl werden Volontär- und Praktikantenverhältnisse nicht von § 113 erfasst (BeckOGK/Ahrens/Heicke Rn 21). Der Abschluss solcher Verträge durch den Minderjährigen bedarf jew der Zustimmung des gesetzl Vertreters; diese deckt regelmäßig auch die zur Durchführung des Ausbildungsverhältnisses erforderlichen Geschäfte. § 113 findet entspr Anwendung auf öffentlich-rechtl Dienstverhältnisse (Staudinger/Klumpp Rn 13; BVerwG MDR 1970, 355; DVBl 1996, 1143; für den Dienst als Zeitsoldat OVG Münster NJW 1962, 758; für den freiwilligen Wehrdienst nach §§ 58b ff SG NK/Baldus Rn 10f). 3. Rechtsfolge. Bei wirksamer Ermächtigung erlangt der Minderjährige die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit für solche Rechtsgeschäfte, welche die Eingehung, Aufhebung oder Erfüllung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses betreffen. Fehlt es an einer wirksamen Ermächtigung, gelten §§ 107ff. Geschlossene Verträge sind schwebend unwirksam; die Regeln des faktischen Arbeitsvertrags sind zu beachten (s Vor § 104 Rn 15). a) Umfang der Ermächtigung. Von der wirksamen Ermächtigung erfasst werden zunächst diejenigen Rechtsgeschäfte, die unmittelbar mit der Durchführung und Abwicklung des Vertrags in Zusammenhang stehen. aa) So kann der Minderjährige selbständig einen Dienst- oder Arbeitsvertrag der gestatteten Art abschließen und dabei Vereinbarungen über Lohn und Arbeitsbedingungen treffen, soweit sie im Rahmen des Verkehrsüblichen liegen. Ungewöhnliche, nicht mit dem konkreten Arbeitsverhältnis zusammenhängende Abreden werden nicht erfasst. Vereinbarte Wettbewerbsverbote und Vertragsstrafen sind dann von der Ermächtigung gedeckt, wenn sie branchenüblich sind (LAG Düsseldorf BB 1960, 905); auch dann berührt jedoch die Ermächtigung die Nichtigkeit von Wettbewerbsverboten nach § 74a II 1 HGB bzw § 110 GewO nicht. bb) Geschäftsfähig ist der Minderjährige weiterhin für Rechtsgeschäfte, welche die Erfüllung des jew Dienstoder Arbeitsverhältnisses betreffen. Dazu gehören zB die Entgegennahme des Lohns, der Verzicht auf den Lohn in einer Ausgleichsquittung (LAG Niedersachsen DB 1964, 115; LAG Hamm DB 1971, 779), die Stundung, die Aufrechnung mit dem Lohnanspruch oder der Abschluss eines Vergleichs. cc) Die Ermächtigung deckt weiterhin die Aufhebung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses. So ist der Minderjährige zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung befugt; eine Kündigung des Arbeitsvertrags wird mit Zugang an den Minderjährigen wirksam. Aus der Befugnis zur Aufhebung des Vertrags folgt, dass der Minderjährige erst recht Vertragsänderungen vereinbaren kann. Außergewöhnliche Vereinbarungen sind von § 113 allerdings nicht erfasst, so der Aufhebungsvertrag einer minderjährigen schwangeren Arbeitnehmerin, durch den ihre Vorteile nach dem MuSchG verloren gehen (LAG Bremen DB 1971, 2318), oder eine Abrede, durch die der Min326
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Geschäftsfähigkeit
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derjährige sich nach einer Kündigung zur Erstattung von Lehrgangskosten verpflichtet (ArbG Wilhelmshaven AuR 1963, 347; ArbG Celle ARST 1971, 2). b) Durchführung des Vertrags. Die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen erstreckt sich weiterhin auch auf solche Rechtsgeschäfte, die zwar nicht unmittelbar die Eingehung, Aufhebung und Erfüllung des Vertragsverhältnisses betreffen, jedoch notwendige Folge der Durchführung des Vertrags sind (Staudinger/Klumpp Rn 31ff). aa) Dazu zählen zum Erreichen des Arbeitsplatzes notwendige Beförderungsverträge, Kaufverträge über Arbeitsmaterial und Berufskleidung und entgeltliche Verträge über Kost und Wohnung, sofern sich die Arbeitsstätte nicht am Wohnort des gesetzl Vertreters befindet. Dabei darf die Art der angemieteten Wohnung die Verdienstverhältnisse des Minderjährigen nicht in erheblichem Maße übersteigen (vgl LG Mannheim MDR 1969, 670). bb) Dem Minderjährigen steht grds kein Verfügungsrecht über den Lohn zu, da der Verdienst gem §§ 1626ff der elterlichen Vermögenssorge unterliegt. Ausnahmen gelten insoweit, als der Minderjährige den Lohn zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses benötigt (vgl Rn 11). Auch darüber hinaus kann der Verdienst dem Minderjährigen gem § 110 zur freien Verfügung überlassen sein. Der Minderjährige kann wirksam ein zur Lohnzahlung erforderliches Girokonto eröffnen (Hagemeister JuS 1992, 842; Scheerer BB 1971, 983; Vortmann WM 1994, 966; H.P. Westermann FamRZ 1969, 649). Da der Minderjährige gem § 113 zur Entgegennahme des Lohns in bar berechtigt ist (Rn 8), muss er auch zur Barabhebung des Lohns ermächtigt sein (Hagemeister JuS 1992, 842). Da er aber zur Verfügung über den Lohn nicht befugt ist, darf er nicht mittels Banküberweisung oder Ausstellung eines Schecks zugunsten eines Dritten verfügen (Hagemeister JuS 1992, 842; H.P. Westermann FamRZ 1969, 649). cc) Auch der Gewerkschaftsbeitritt fällt unter § 113 (LG Essen NJW 1965, 2302; LG Düsseldorf FamRZ 1967, 1680; Brill BB 1975, 287; Gilles/Westphal JuS 1981, 899), weil der Minderjährige hierdurch Anspruch auf die tariflichen Leistungen und den Schutz seiner Interessen durch die Gewerkschaft erhält. Nicht hierher gehört jedoch die Aufnahme eines Gewerkschaftsdarlehens (LG Münster MDR 1968, 146). dd) Geschäftsfähig ist der Minderjährige idR auch für die Nutzung tarifvertragl Gestaltungsmöglichkeiten (BAG NZA 2000, 36) sowie im Bereich der Sozialversicherung (vgl § 36 SGB I) einschl der dort bestehenden Wahlmöglichkeiten (Grü/Ellenberger Rn 4). c) Gleichartige Beschäftigungsverhältnisse. Gem § 113 IV erstreckt sich die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen auch auf die Eingehung gleichartiger Beschäftigungsverhältnisse. Über die Gleichartigkeit entscheidet die Verkehrsanschauung. Entscheidend ist nicht die Rechtsnatur des Vertrags, sondern die Art der Tätigkeit mit Rücksicht auf die Wirkung für die Entwicklung des Minderjährigen. Nicht vergleichbar ist die Tätigkeit einer Kellnerin mit der einer Bardame in einem Nachtlokal, die einer Haushaltshilfe mit der einer Büroangestellten (LAG Altona Recht 1931 Nr 514) oder die Tätigkeit eines Büromaschinentechnikers mit der eines Kraftfahrers (ArbG Wilhelmshaven DB 1965, 1863). d) Prozessfähigkeit. Soweit der Minderjährige geschäftsfähig ist, erlangt er nach § 52 ZPO und den entspr Regelungen der anderen Verfahrensordnungen auch die Prozessfähigkeit für alle Prozesshandlungen, die zum Kreis der unter § 113 fallenden Geschäfte gehören (zB Lohnklage, Kündigungsschutzklage). Das gilt auch für die Zwangsvollstreckung. e) Genehmigungserfordernis. Die Geschäftsfähigkeit besteht nach Abs I S 2 jedoch nicht für solche Rechtsgeschäfte, zu denen der gesetzl Vertreter der Genehmigung des FamG bedarf, zB § 1643 IV (Eltern), § 1799 II (Vormund). 4. Einschränkung und Rücknahme. Einschränkung und Rücknahme der Ermächtigung (Abs II) erfolgen durch empfangsbedürftige formlose Willenserklärung und bedürfen nicht der Genehmigung des FamG. Sie ist ggü dem Minderjährigen zu erklären, nicht ggü dem ArbGeb (BAG NZA 2000, 36; MüKo/Spickhoff Rn 36; Staudinger/Klumpp Rn 44; aA Feller FamRZ 1961, 420). Einschränkung und Rücknahme können auch konkludent erklärt werden; so ist ein Eingriff des gesetzl Vertreters in das Arbeitsverhältnis des Minderjährigen idR als Einschränkung oder Rücknahme anzusehen (LAG Hamm DB 1971, 780). Die Entscheidung über Einschränkung und Rücknahme der Ermächtigung steht grds im Ermessen des gesetzl Vertreters (MüKo/Spickhoff Rn 38f). Eine gem Abs III vom FamG erteilte Ermächtigung kann jedoch nur von diesem und nicht vom Vormund eingeschränkt oder zurückgenommen werden. – Einschränkung und Rücknahme bewirken, dass die Geschäftsfähigkeit für die Zukunft eingeschränkt wird oder ganz entfällt. Auf die Gültigkeit bereits getätigter Rechtsgeschäfte haben sie keinen Einfluss (BAG NZA 2000, 36). 5. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit des von einem Minderjährigen vorgenommenen Rechtsgeschäfts beruft, muss das Vorliegen der Ermächtigung beweisen. Wer die Begrenzung der Ermächtigung auf einen Einzelfall behauptet, ist dafür nach der Vermutungsregel des § 113 IV beweispflichtig. Wer die Unwirksamkeit geltend macht, muss die Einschränkung oder Rücknahme der Ermächtigung dartun. – Zur Frage der Prozessfähigkeit s Rn 16 und § 112 Rn 7, 10. 6. Entsprechende Anwendung des § 113. Entspr Anwendung des § 113 bei Rechtsgeschäften eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (Kommentierung zu § 1825; § 108 Rn 10).
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Vor § 116
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Rechtsgeschäfte
Titel 2 Willenserklärung (§§ 116–144) Vorbemerkung vor § 116 1. Begriff. Das BGB definiert den Begriff der Willenserklärung nicht. Auch trennte der historische Gesetzgeber begrifflich nicht streng zw Rechtsgeschäft und Willenserklärung (s Mot I 126). So regeln etwa die §§ 119–124 die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen; § 142 spricht hingegen im Hinblick auf die Wirkung der Anfechtung vom anfechtbaren Rechtsgeschäft. Das Rechtsgeschäft war nach Vorstellung des Gesetzgebers eine Privatwillenserklärung, „gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtl Erfolges, der nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist“ (Mot I 126). Der Begriff „Willenserklärung“ wurde insb da gewählt, wo die Willensäußerung als solche im Vordergrund stand oder wo zugleich der Fall behandelt werden sollte, dass eine Willenserklärung nur als ein Bestandteil eines rechtsgeschäftlichen Tatbestands in Frage kommt (Mot I 126). Heute wird üblicherweise strenger zw den beiden Begriffen unterschieden. Dabei wird als Rechtsgeschäft der Tatbestand bezeichnet, der aus mindestens einer Willenserklärung sowie oft aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtl Erfolges knüpft (s Einl § 104 Rn 2). Der Begriff der Willenserklärung wird dagegen entspr dem Verständnis des historischen Gesetzgebers als Äußerung eines Willens verstanden, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet ist (s nur BGH NJW 2001, 289, 290; Jauernig/Mansel Rn 2). Die Willenserklärung besteht somit aus zwei Elementen, nämlich dem (inneren) Willen und der Äußerung dieses Willens (= Erklärung). 2 2. Wille. Der Wille als innerer Tatbestand der Willenserklärung wird traditionellerweise in drei Komponenten unterteilt, den Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen. Dabei liegt der praktische Wert dieser Unterscheidung vorrangig in der Beantwortung der Frage, welche Konsequenzen bestimmte Willensmängel haben (s Flume AT II § 4, 3). 3 a) Handlungswillen. Unter dem Handlungswillen versteht man einen bewussten Willensakt, der auf die Vornahme eines äußeren Verhaltens gerichtet ist. An einem bewussten Handeln fehlt es bei bloßen Reflexbewegungen (im Schlaf, in Hypnose) oder bei einem Verhalten, das durch äußere unwiderstehliche Gewalt unmittelbar erzwungen wird (vis absoluta; zB gewaltsames Führen der Hand bei der Unterschrift). Diese „Handlung“ ist dem „Erklärenden“ nicht zuzurechnen. Er wird geschützt; das Vertrauen des Empfängers, dass eine Willenserklärung vorliege, wird nicht berücksichtigt. Diese Wertung ergibt sich auch aus § 105 II. Anders ist die Rechtslage bei einer unter psychischem Druck abgegebenen Erklärung; es liegt ein bewusstes Handeln vor (vgl § 123). 4 b) Rechtsbindungswillen. Beim Erklärungsbewusstsein (oder Rechtsbindungswillen) geht es um das Bewusstsein des Handelnden, dass sein Verhalten irgendeine rechtserhebliche Erklärung darstellt. An dem Erklärungsbewusstsein fehlt es zB in dem berühmten Schulfall der Trierer Weinversteigerung, in dem jemand auf einer Auktion einem anderen zuwinkt in Unkenntnis dessen, dass das Handaufheben dort als ein höheres Kaufgebot angesehen wird. Die Folgen fehlenden Erklärungsbewusstseins sind umstr, s im Einz Rn 15. 5 c) Geschäftswillen. Als Geschäftswillen (Rechtsfolgewillen) bezeichnet man den Willen, mit der Erklärung eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Im Gegensatz zum Erklärungsbewusstsein geht es beim Geschäftswillen darum, nicht irgendeine, sondern eine ganz konkrete Rechtsfolge herbeizuführen. Keine Voraussetzung ist, dass der Erklärende eine genaue Vorstellung davon hat, wie der angestrebte wirtschaftliche Erfolg rechtstechnisch verwirklicht wird. Es genügt, dass dieser als rechtl gesichert und anerkannt gewollt ist (BGH NJW 1993, 2100). 5a d) Automatisierte und autonome Willenserklärungen. Die vorstehenden Grundsätze sind nicht nur auf Erklärungen anwendbar, die nicht unmittelbar von einem Menschen abgegeben werden, sondern auch auf sog automatisierte Willenserklärungen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Willenserklärung aufgrund einer vorherigen Dateneingabe von einer Software erzeugt wird (s nur Spindler/Schuster/Spindler, Recht der elektronischen Medien, Rn 5; Staudinger/Singer Rn 57; Paulus JuS 2019, 960, 962ff, jew m weiteren Hinw zur Terminologie). Damit erzeugt die Software aber lediglich den obj Tatbestand der Willenserklärung. Der subj Tatbestand wird hingegen durch einen Menschen verwirklicht, der vorab die Voraussetzungen definiert hat, unter denen das Programm die Erklärung abgeben soll. Daher ist die Erklärung ohne weiteres der Person zurechenbar, die die Software programmiert bzw deren Programmierung veranlasst hat (Paulus JuS 2019, 960, 963). Unklar ist, ob dies auch für aufgrund der fortschreitenden Entwicklung künstlicher Intelligenz denkbare autonome Willenserklärungen gilt, bei denen die Erklärung nicht mehr durch die vom Menschen eingegebenen Parameter vollständig determiniert ist, sondern die Maschine eigenständig entscheidet (zur Abgrenzung Kaulbach JZ 2022, 1148f). Im Schrifttum wird teilw vertreten, dass derartige Erklärungen dem Nutzer eines solchen Systems nicht ohne weiteres zurechenbar seien, sondern die Heranziehung der Stellvertretungsregeln sinnvoll sei. Voraussetzung dafür wäre freilich eine Anerkennung der Rechtssubjektivität des Systems (vgl zu solchen Ansätzen etwa Teubner AcP 218, 155, 177ff; Specht/Herold MMR 2018, 40, 43; Keßler MMR 2017, 589, 592). Jedenfalls auf Grundlage des geltenden Rechts muss es damit bei einer ausnahmslosen Zurechnung der Erklärung bleiben (so überzeugend Paulus/Matzke ZfPW 2018, 431, 443f). In die gleiche Richtung geht der Vorschlag, autonome Willenserklärungen dem Nutzer wie bei Blanketterklärungen über eine entspr Anwendung der Stellvertretungsregeln zuzurechnen (Staudinger/Singer Rn 57; Kaulbach JZ 2022, 1148, 1153f, jeweils mit Ausnahmen bei offensichtlichen Feh1
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Willenserklärung
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lern des Rechners). Eine generelle Zurechnung erscheint namentlich im Hinblick auf die Frage der Einstandspflicht ggü dem Erklärungsempfänger für fehlerhafte Erklärungen vorzugswürdig. Eine bloße Verschuldenshaftung des Nutzers (vgl Teubner AcP 218, 155, 184f) stellt einseitig die Interessen des Nutzers in den Vordergrund; geboten wäre jedenfalls auch de lege ferenda eine verschuldensunabhängige Haftung auf das negative Interesse (vgl §§ 122, 179). 3. Erklärungshandlung. a) Allgemeines. Die Erklärungshandlung ist die Äußerung des Geschäftswillens. Erforderlich ist ein äußeres Verhalten, das den Willen zum Ausdruck bringt, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Grds kann eine Willenserklärung in jedem Verhalten eines Menschen liegen, durch das er seinen Willen erkennbar zum Ausdruck bringt. Neben Wort und Schrift kommen als Erklärungsmittel zB auch Gesten und jedes sonstige äußerlich erkennbare Verhalten in Betracht. Willenserklärungen können auch mit Hilfe elektronischer Medien abgegeben werden (s dazu nur statt vieler Borges, Verträge im elektronischen Rechtsverkehr, 2003; Dörner AcP 202, 363; Taupitz/Kritter JuS 1999, 839). Dies hat sich inzwischen auch in gesetzl Regelungen niedergeschlagen (vgl zB §§ 126a, 126b, 127, 312i, 312j). Möglich sind auch automatisierte Erklärungen (s schon Rn 5a). b) Konkludente Erklärungen. Willenserklärungen können auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) abgegeben werden. In diesem Fall gibt der Erklärende seinen Willen nicht ausdrückl kund, sondern nimmt Handlungen vor, die aufgrund der Begleitumstände den Rückschluss auf seinen Willen zulassen (Flume AT II § 5, 3a; Neuner AT § 31 Rn 7). Bsp sind etwa die Annahme eines Angebots oder das Einverständnis mit den vorher übersandten Geschäftsbedingungen des Leistenden durch Entgegennahme der Leistung oder der Abschluss eines Beförderungsvertrags durch Besteigen einer Straßenbahn (Einl § 104 Rn 13). Konkludente Willenserklärungen sind zulässig, soweit nicht die Parteien etwas Abw vereinbart haben oder das Gesetz für die Erklärung eine bestimmte Form vorsieht (BGH WM 1984, 243). Auf sie finden die gleichen Regeln Anwendung, die auch für ausdrückl Willenserklärungen gelten (Grü/Ellenberger Rn 6). c) Schweigen als Willenserklärung. Dagegen genügt Schweigen regelmäßig als Erklärungshandlung nicht: Es hat weder die Bedeutung einer Ablehnung noch einer Zustimmung (BGHZ 1, 353, 355; BGH NJW 2002, 3629, 3630; Neuner AT § 31 Rn 11). Allerdings sind von diesem Grundsatz eine Vielzahl von Ausnahmen anerkannt. So liegt eine Willenserklärung vor, wenn die Parteien vereinbart haben, dass Schweigen in einer bestimmten Situation Erklärungswert haben soll. Allerdings sind in AGB insoweit die Grenzen des § 308 Nr 5 zu beachten. Ferner soll Schweigen im Einzelfall auch dann als positive Erklärung zu werten sein, wenn aufgrund der Umstände nach Treu und Glauben eine ausdr Erklärung zu erwarten wäre. So kann etwa der Leiter einer Wohnungseigentümerversammlung das tatsächliche Ergebnis einer Abstimmung grds auch dadurch feststellen, dass er bereits nach der Abstimmung über zwei von drei – auf Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung gerichteten – Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der dritten Abstimmungsfrage wertet (sog Subtraktionsmethode, BGH NJW 2002, 3629, 3630). Ebenso kann Schweigen als Annahme zu werten sein, wenn in einer bereits länger bestehenden Geschäftsbeziehung frühere Verträge ohne ausdrückl Annahme durchgeführt wurden (Neuner AT § 31 Rn 14). Schließlich soll im Schweigen auf eine verspätete oder unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen erfolgte Annahme, die nach § 150 ein neues Angebot darstellt, eine Annahme liegen können, wenn die Verspätung nur geringfügig (RGZ 103, 11, 13; BGH NJW 1951, 313, 314; 1986, 1807, 1809) oder die Abweichung nur unwesentlich ist (BGH DB 1956, 474, s § 150 Rn 7). Zu weit geht es hingegen, einen Widerspruch auf eine Offerte bereits dann zu verlangen, wenn die Parteien schon vorher in Geschäftsverbindung standen, zw ihnen ein bis dahin noch nicht aufgelöster Vertrag besteht und der Gegner erkennbar ein Interesse an einer baldigen Antwort hat (so aber BGHZ 1, 353, 355f; dagegen zu Recht Flume AT II § 35 II 4; Medicus/Petersen AT Rn 392). Schweigen kann auch Erklärungswert kraft Verkehrssitte haben. Den wichtigsten Fall bildet insoweit das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (s eingehend § 147 Rn 5ff). Gleiches soll beim Schweigen auf die Schlussnote des Handelsmaklers (§ 94 HGB) gelten (s nur Hopt/Roth § 94 HGB Rn 2 mwN). Schließlich kann Schweigen nach verschiedenen gesetzl Bestimmungen Rechtsfolgen haben. So sehen § 108 II 2, § 177 II 2, § 415 II 2 vor, dass Schweigen auf eine Aufforderung zur Genehmigung als Ablehnung gilt. Freilich ist die Bedeutung dieser Regelungen begrenzt, da mit ihnen letztlich die Möglichkeit zu einer rechtserheblichen Erklärung nur zeitl beschränkt wird (Staudinger/Singer Rn 62). Ähnl gilt für die Genehmigungsfiktion des § 377 II HGB, die in der Sache eine Abkürzung der Mängelgewährleistungsfristen darstellt, und § 455 S 2, § 1943, da diese Vorschriften in der Sache nur das Rücktritts- bzw Ausschlagungsrecht zeitl begrenzen. Positive rechtsgeschäftliche Folgen hat das Schweigen dagegen in den Fällen von § 149 S 2, § 416 I 2, § 516 II 2 BGB, § 362 I HGB. Hat das Schweigen aufgrund gesetzl Anordnung Rechtsfolgen, fehlt es zwar am Tatbestand einer Willenserklärung. Die genannten Normen begründen aber die Fiktion einer Willenserklärung (Flume AT II § 5, 2d; Neuner AT § 31 Rn 20). Freilich wirft diese Konstruktion die Frage auf, inwieweit die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften Anwendung finden können. Dies ist für die Fälle, in denen das Gesetz Schweigen als Ablehnung fingiert, zu verneinen: Eine Berufung auf fehlende Geschäftsfähigkeit oder Willensmängel scheidet daher aus (Grü/ Ellenberger Rn 12; Hanau AcP 165, 220, 224). Eine differenziertere Betrachtung ist hingegen erforderlich, soweit das Gesetz an das Schweigen positive rechtsgeschäftliche Folgen knüpft. Hier sind die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit anwendbar (MüKo/Armbrüster Rn 12; Medicus/Petersen AT Rn 352). Ebenso wird man eine AnArnold
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fechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtl Drohung zulassen müssen (Staudinger/Singer Rn 66). Nicht möglich ist eine Anfechtung wegen eines Irrtums über die Bedeutung des Schweigens (BGH NJW 1969, 1711, 1712; Medicus/Petersen AT Rn 352). Eine Anfechtung wegen Irrtums über die Tatsachen, die die Erklärungswirkung des Schweigens begründen, ist dagegen nicht grds ausgeschlossen; allerdings wird man sie bei § 362 HGB im Falle eines schuldhaften Irrtums ausschließen müssen (Flume AT II § 10, 2; Medicus/Petersen AT Rn 352; aA Staudinger/Singer Rn 68ff). Für die Annahme der Erbschaft gilt die Sonderregelung des § 1956, nach der die Versäumung der Ausschlagungsfrist in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden kann. 4. Willensmängel. a) Allgemeines. Beim Auseinanderfallen von Willen und Erklärung (Willensmangel) ist es denkbar, entweder dem Willen des Betreffenden oder dem Vertrauen des Rechtsverkehrs auf den Bestand des Erklärten den Vorzug zu geben. Beide Lösungen wurden im 19. Jh intensiv diskutiert: Während die Willenstheorie beim Auseinanderfallen von Willen und Erklärung grds von der Nichtigkeit der Erklärung ausging, sollte nach der Erklärungstheorie prinzipiell auch das irrtümlich Erklärte gelten (eingehend zur Diskussion Flume AT II § 4, 6 und Staudinger/Singer Rn 15 mwN). Die Verfasser des BGB wollten den Einfluss des Auseinanderfallens von Willen und Erklärung nicht nach einer Theorie, sondern nach praktischen Gesichtspunkten regeln, die den verschiedenen Interessen gerecht werden; eine Festlegung auf eine Theorie war nicht beabsichtigt (Prot I 197; Denkschr S 20; für ein willenstheoretisches Verständnis der BGB-Regelung Flume AT II § 4, 8; s zur Problematik auch eingehend Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999). In der Sache wurde für fast alle Konstellationen des Auseinanderfallens von Willen und Erklärung eine Bestimmung getroffen. Ungeregelt – und umstr – ist freilich der Fall des fehlenden Erklärungsbewusstseins geblieben (s Rn 15). aa) Bewusstes Auseinanderfallen von Willen und Erklärung. Behält sich der Erklärende insgeheim vor, das Erklärte nicht zu wollen (geheimer Vorbehalt), liegt nach § 116 S 1 dennoch eine wirksame Willenserklärung vor. Dies gilt nach § 116 S 2 allerdings nicht, wenn die Erklärung einem anderen ggü abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt. Gleiches gilt nach § 117 I für den Fall des sog Scheingeschäfts, bei dem eine Willenserklärung, die einem anderen ggü abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. Schließlich ist nach § 118 auch eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung (Scherzerklärung) nichtig, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden; allerdings kann der Erklärende dem anderen Teil nach § 122 zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet sein. bb) Fehlender Handlungswillen. Fehlt dem Erklärenden der Handlungswillen, liegt keine Willenserklärung vor, auch wenn das Verhalten nach außen wie eine rechtsgeschäftliche Erklärung wirkt. Der Handlungswillen ist unverzichtbare Voraussetzung für eine Zurechnung als Willenserklärung (Grü/Ellenberger Rn 16). b) Fehlendes Erklärungsbewusstsein. Die Frage, wie eine Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein zu behandeln ist, wird vom BGB nur für den Fall der Scherzerklärung geregelt (§ 118). Darüber hinaus ist umstritten, wie der Fall zu behandeln ist, dass der Erklärende zwar keine rechtserhebliche Erklärung abgeben will, aber sein Verhalten obj den Anschein einer Willenserklärung erweckt. Schulbeispiel ist die „Trierer Weinversteigerung“, bei der eine Person einer anderen zuwinkt und damit ungewollt ein Gebot abgibt. Nach traditioneller Auffassung erfüllt ein derartiges Verhalten nicht den Tatbestand der Willenserklärung, da es an dem notwendigen Erklärungsbewusstsein fehlt (Wieacker JZ 1967, 385, 389; Canaris, Vertrauenshaftung, 427f, 548ff; Canaris NJW 1984, 2281; Neuner AT § 32 Rn 18, 22f; Staudinger/Singer Rn 37ff); in Betracht komme lediglich eine Haftung des Handelnden entspr § 122. Demggü ist nach heute überwiegender Auffassung auch bei fehlendem Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung anzunehmen, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung als Willenserklärung aufgefasst werden konnte, und der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGHZ 91, 324, 329ff; 109, 171, 177; BGH NJW 2002, 3629, 3630f; VersR 2016, 1139, 1140; MüKo/Armbrüster § 119 Rn 99ff; Soergel/Hefermehl Rn 13; Bydlinski JZ 1975, 1, 5; ohne die Einschränkung durch ein Verschuldenserfordernis auch Medicus/Petersen AT Rn 607 und für ausdrückl Erklärungen Flume AT II § 20, 3 und § 23, 1). Allerdings soll der Erklärende entspr § 119 I berechtigt sein, sich von der Erklärung durch Anfechtung zu lösen. Bei rechtzeitiger Anfechtung droht dem Handelnden damit – nicht anders als nach traditioneller Auffassung – lediglich eine Haftung auf den Vertrauensschaden nach § 122. Erklärt er aber nicht unverzüglich die Anfechtung, bleibt er an die Erklärung gebunden. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, welche Rechtsfolgen fehlendes Erklärungsbewusstsein hat, ist das Verständnis der §§ 118, 119. Die Autoren, die das Vorliegen einer Willenserklärung verneinen, sehen in diesen Vorschriften den Beleg, dass eine Willenserklärung Erklärungsbewusstsein voraussetzt; wenn schon eine Scherzerklärung, die bewusst ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben werde, nichtig sei, müsse dies erst recht in den übrigen Fällen fehlenden Erklärungsbewusstseins gelten (Canaris, Vertrauenshaftung, 550). Eine bloße Anfechtbarkeit, wie sie § 119 vorsehe, komme nicht in Betracht. Indes hat der historische Gesetzgeber in § 119 die von § 118 abw Rechtsfolge nicht angeordnet, weil es hier – anders als bei der Scherzerklärung – am Erklärungsbewusstsein fehlt. Maßgeblich für die in § 119 vorgesehene bloße Anfechtbarkeit der Erklärung war vielmehr, dass dem Erklärenden die Möglichkeit gegeben werden sollte, an seiner Erklärung festzuhalten (s Denkschr S 22; vgl auch Prot I 221). Die von § 118 angeordnete Nichtigkeit der Scherzerklärung erklärt sich vor diesem Hintergrund damit, dass in diesem Fall der Erklärende die Nichtigkeit wünscht und ihm daher kein Wahlrecht eingeräumt werden muss (Flume AT II § 20, 3 und dem folgend BGHZ 91, 324, 329). Dies gilt indes für die übrigen Fälle fehlenden Erklärungsbewusstseins nicht. Sie stehen denen der irrtümlichen, als rechtserheblich gewollten Erklärung sehr viel näher. Somit muss auch hier entspr § 119 eine wirksame, aber anfechtbare Erklärung vorliegen. Dabei kann es entgegen der hM nicht darauf ankommen, ob der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr 330
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erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung als Willenserklärung aufgefasst werden konnte. Verschulden kann allein eine Zurechnung als Willenserklärung nicht begründen (s Staudinger/Singer Rn 39). Dementspr ist der Gesetzgeber auch von seiner ursprünglichen Absicht abgerückt, die Scherzerklärung bei grober Fahrlässigkeit des Erklärenden als wirksam anzusehen (Prot I 207). Maßgeblich für die Annahme einer Willenserklärung ist vielmehr allein, dass dem Erklärenden die Gelegenheit gegeben werden soll, an seiner Erklärung festzuhalten. Dafür kann es aber keine Rolle spielen, ob der Erklärende seinen Irrtum nicht erkennen konnte. Entscheidend ist lediglich, dass seine Erklärung als Willenserklärung verstanden werden konnte. Hierdurch wird der Erklärende auch nicht unbillig belastet; denn die Anfechtungsfrist des § 121 beginnt erst zu laufen, wenn er seinen Irrtum erkannt hat. Auch schlüssiges Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein kann nach diesen Grundsätzen als Willenserklärung zu behandeln sein (BGHZ 109, 171, 177; BGH NJW 1991, 2084f; 1995, 953; BKR 2005, 501, 503; WRP 2015, 198, 201; aA Flume AT II § 23, 1). Allerdings muss das Verhalten vom anderen Teil bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eindeutig und zweifelsfrei als Willenserklärung aufzufassen sein (BGH NJW 1991, 2084f); der Äußernde muss beim Erklärungsempfänger das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt seines Verhaltens geweckt haben. Zu weit geht es allerdings, wenn der BGH (NJW 1995, 953) hieraus ableiten will, dass eine Behandlung schlüssigen Verhaltens ohne Erklärungsbewusstsein als Willenserklärung nicht in Betracht kommen könne, wenn die Erklärung zulasten des Empfängers ginge; hat ein Verhalten einen eindeutigen Erklärungsgehalt, kann es hierauf nicht mehr ankommen (zu Recht krit schon Habersack JuS 1996, 585; vgl nun auch BGH WRP 2015, 198, 201). Keine Willenserklärung liegt dagegen vor, wenn der Erklärungsempfänger den Erklärenden durch Täuschung zu seinem Verhalten veranlasst hat oder ihm bekannt ist, dass das entspr Verhalten nicht selten auf einem Irrtum des Erklärenden über dessen wahre Bedeutung beruht, da er in diesem Fall nicht mehr nach Treu und Glauben eindeutig von einer Willenserklärung ausgehen kann. Das Vorliegen einer Willenserklärung ist daher etwa zu verneinen, wenn der Betreiber einer Internetseite die Nutzer darüber täuscht, dass bestimmte, unverfänglich wirkende Handlungen wie zB eine Registrierung tatsächlich zum Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrags führen sollen. Gleiches gilt bei sog Dialern, die der Internetnutzer unbewusst herunterlädt und die zu einer – ebenfalls unbewussten – Einwahl über einen regelmäßig äußerst teuren Einwahldienst führen, da Dialer regelmäßig vom Betreiber des Einwahldienstes stammen werden oder diesem die Existenz derartiger Dialer jedenfalls alsbald aufgrund von Reklamationen bekannt werden dürfte (gegen einen Vertragsschluss auch LG Kiel MMR 2003, 422, 423; AG Freiburg NJW 2002, 2959; ferner jurisPK/Gergen § 119 Rn 57 und MüKo/Armbrüster § 119 Rn 103, die das Vorliegen einer Willenserklärung ablehnen, da der Nutzer nicht habe erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung verstanden werden konnte; hierauf kommt es aber nach der hier vertretenen Auffassung nicht an). c) Fehlender Geschäftswillen. War der Erklärende sich darüber bewusst, dass er eine rechtserhebliche Erklärung abgibt, stimmen aber der durch Auslegung ermittelte Inhalt der Erklärung und sein Wille nicht überein, ist die Willenserklärung wirksam. Der Schutz des Erklärenden wird dadurch gewährleistet, dass das Gesetz ihm die Möglichkeit einräumt, seine zunächst gültige Willenserklärung durch Anfechtung rückwirkend zu vernichten (§§ 119, 142 I). Im Interesse des Erklärungsempfängers muss die Anfechtung unverzüglich nach Aufdeckung des Irrtums erklärt werden (§ 121). Das Gesetz regelt drei Fälle, in denen die Erklärung unbewusst vom Geschäftswillen abweicht: (1) Beim Erklärungsirrtum (= Irrtum in der Erklärungshandlung) erklärt der Erklärende nicht das, was er erklären will (§ 119 I Fall 2). Er verspricht, verschreibt, vergreift sich. (2) Beim Inhaltsirrtum erklärt der Erklärende zwar, was er erklären will; er irrt aber über die rechtl Bedeutung seiner Erklärung (§ 119 I Fall 1). Er misst seiner Erklärung einen anderen Sinn bei, als sie in Wirklichkeit hat. (3) Bei der unrichtigen Übermittlung des Willens durch eine Person (einen Boten) oder eine Übermittlungseinrichtung (zB Post) liegt ebenfalls ein Irrtum bei der Willensäußerung vor. Dieser Fall wird wie ein Erklärungsirrtum behandelt (§ 120). d) Mängel bei der Willensbildung. Stimmen Geschäftswille und Erklärung überein, so kann aber ein Irrtum bei der Willensbildung (Motivirrtum) gegeben sein. Ein solcher Irrtum liegt vor, wenn der Erklärende irrtümlich von einem falschen Umstand ausgeht, der für den Geschäftswillen bedeutsam ist. Geht nur eine Partei (der Erklärende) von einem falschen Motiv aus (einseitiger Motivirrtum), so ist dieser Irrtum im Interesse der anderen Partei (des Erklärungsempfängers) grds unbeachtlich. Die Erklärung ist gültig. Als Fehler bei der Willensbildung sind ausnahmsw beachtlich: (1) Der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person oder der Sache berechtigt den Irrenden zur Anfechtung (§ 119 II). (2) Der Motivirrtum, der auf einer arglistigen Täuschung beruht, berechtigt den Getäuschten ebenfalls zur Anfechtung (§ 123 I). In diesem Falle ist der Getäuschte besonders schutzwürdig. Deshalb ist die Anfechtungsfrist länger (§ 124); zum Ersatz des Vertrauensschadens ist der Getäuschte nicht verpflichtet. (3) Bei widerrechtl Drohung liegt zwar kein Irrtum des Erklärenden vor. Jedoch soll der Erklärende in der Freiheit der Willensentschließung geschützt werden. Deshalb kann er seine Willenserklärung, die auf der widerrechtl Drohung beruht, wie im Fall der arglistigen Täuschung anfechten (§ 123 I). Gehen bei einem Vertragsschluss beide Vertragspartner von einem bestimmten unrichtigen Motiv aus, ist kein Raum für den Vertrauensschutz einer Partei. Die Parteien hätten ohne den beiderseitigen Motivirrtum den Vertrag überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu den vereinbarten Bedingungen geschlossen. Da beide von einem unrichtigen Motiv ausgegangen sind, besteht für eine Bindung an das Erklärte kein Grund. Daher ist in diesem Fall der Vertrag nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 II) anzupassen oder aufzulösen (s nur BT-Drs 14/6040, 176 und § 313 Rn 30). Unklar ist freilich, ob dies auch dann gilt, wenn beide Arnold
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Parteien den Vertrag nach § 119 II anfechten können. Man wird insoweit einen Vorrang des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor der Irrtumsanfechtung annehmen müssen (dahingehend wohl schon die Intention des Gesetzgebers, s BT-Drs 14/6040, 176; ferner München BeckRS 2022, 5879; BeckOK/St. Lorenz § 313 Rn 67; Grü/Ellenberger § 119 Rn 30; aA Medicus/Petersen BürgR Rn 162; für eine Anwendbarkeit sowohl des § 119 II als auch des § 313 NK/Krebs/Jung § 313 Rn 23); denn bei einem beiderseitigen Irrtum ist es nicht interessengerecht, einer Partei über den Schadensersatzanspruch nach § 122 die finanziellen Folgen des Irrtums aufzubürden. e) Sonderregelungen. Die Vorschriften über Willensmängel gelten grds für das gesamte Zivilrecht. Freilich gelten in bestimmten Bereichen Sonderregelungen. So sind etwa im Eherecht die §§ 1310ff, 1313ff zu beachten, die die Eheaufhebungsgründe im Einz regeln und für die Aufhebung eine richterliche Entscheidung verlangen. Im Erbrecht sind die Sonderregelungen der §§ 2078ff zu beachten. Einschränkungen bei der Berücksichtigung von Willensmängeln bestehen auch im Gesellschaftsrecht aufgrund der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft: Leidet beim Abschluss eines Vertrags über die Gründung einer Personengesellschaft die Erklärung eines Beteiligten an einem Willensmangel, so führt dieser Mangel nach Invollzugsetzung der Gesellschaft nicht mehr zur Nichtigkeit der Gesellschaft ex tunc; vielmehr ist die Gesellschaft aufzulösen und abzuwickeln (s nur statt vieler MüKo-HGB/Fleischer § 105 HGB Rn 472ff). Ist eine Kapitalgesellschaft bereits ins Handelsregister eingetragen worden und damit entstanden, sind Willensmängel eines Beteiligten bei der Gründung sogar regelmäßig unbeachtlich (KK-AktG/Arnold § 23 AktG Rn 164ff mwN). Auch bei Arbeitsverträgen werden die Rechtsfolgen einer Anfechtung aufgrund der Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis auf die Zukunft begrenzt (§ 611a Rn 226ff). Schließlich ergeben sich auch im Wertpapierrecht Einschränkungen: So können Willensmängel bei Inhaberpapieren regelmäßig nur dem Nehmer, nicht aber späteren gutgläubigen Erwerbern entgegengehalten werden (§ 796). Entspr gilt bei Wechsel und Scheck (eingehend MüKo/Armbrüster § 119 Rn 22). 5. Beweislast. Wer Rechte aus einer Willenserklärung herleitet, hat die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Willenserklärung. Für die zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit führenden Tatsachen trägt der Behauptende die Beweislast (Grü/Ellenberger Rn 21).
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Geheimer Vorbehalt
Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Erklärung ist nichtig, wenn sie einem anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt. 1. Normzweck und Abgrenzung. Die Vorschrift erklärt es im Interesse des Verkehrsschutzes für unerheblich, wenn der Erklärende insgeheim seine Erklärung nicht gelten lassen will (geheimer Vorbehalt, Mentalreservation); die Erklärung ist dennoch wirksam. Der Verkehrsschutz gebietet allerdings keine Wirksamkeit der Willenserklärung mehr, wenn dem anderen Teil der von der Erklärung abw Wille des Erklärenden bekannt ist. Daher ist in diesem Fall die Erklärung gem S 2 ausnahmsw nichtig (zur rechtspolitischen Kritik MüKo/Armbrüster Rn 8 mwN). Ein geheimer Vorbehalt liegt nach § 116 vor, wenn der der Erklärende sich insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Dies verbindet den geheimen Vorbehalt mit der Scherzerklärung (§ 118). Anders als bei der Scherzerklärung geht der Erklärende beim geheimen Vorbehalt aber davon aus, dass der andere Teil die Erklärung ernst nimmt („böser Scherz“). Ebenso behält sich der Erklärende auch beim Scheingeschäft (§ 117) vor, das Erklärte nicht zu wollen. Anders als bei § 116 ist der Vorbehalt jedoch nicht geheim, da das Scheingeschäft beiden Beteiligten bekannt und von ihnen gewollt ist. Abgrenzungsprobleme können sich zw dem geheimen Vorbehalt und § 123 ergeben, wenn der Drohende weiß, dass der Bedrohte seine Willenserklärung nur unter geheimem Vorbehalt abgibt. Teilw wird hier für einen Vorrang des § 123 plädiert, da die Vorschrift andernfalls für den Fall der Drohung weitgehend leerliefe und dem Bedrohten ein Wahlrecht eingeräumt werden sollte, ob er seine Erklärung gelten lassen wolle (Staudinger/Singer Rn 15). Die besseren Gründe sprechen indes dafür, auch in diesem Fall § 116 S 2 anzuwenden (MüKo/Armbrüster Rn 14; Flume AT II § 27, 1). Weder lässt sich ein Vorrang des § 123 dem Gesetz entnehmen, noch erscheint ein Wahlrecht des Bedrohten sinnvoll, wenn er schon bei Abgabe der Willenserklärung das Erklärte nicht will. 2. Satz 1. a) Willenserklärung. S 1 gilt für alle Arten von Willenserklärungen, ungeachtet dessen, ob es sich um ausdrückl oder konkludente, empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige handelt. Er ist damit insb auch auf letztwillige Verfügungen anwendbar (Frankfurt OLG 1993, 461, 466; BeckOGK/Rehberg Rn 197; Staudinger/Singer Rn 2; aA Lange/Kuchinke, Erbrecht4 1995, § 35 I 1b). Auf geschäftsähnl Handlungen ist die Regelung entspr anwendbar. Ebenso gilt die Vorschrift im öffentlichen Recht (vgl nur § 62 VwVfG). b) Geheimer Vorbehalt. § 116 setzt voraus, dass der Erklärende nicht gelten lassen will, was er erklärt hat. Dabei muss sich der Vorbehalt gerade auf die erklärte Rechtsfolge beziehen. Allerdings kann ein Fall des § 116 auch dann vorliegen, wenn der Erklärende bewusst eine mehrdeutige Erklärung abgibt und eine der möglichen Bedeutungen nicht gegen sich gelten lassen oder sich auf die Mehrdeutigkeit als Nichtigkeitsgrund berufen will (Flume AT II § 20, 1; BeckOGK/Rehberg Rn 209). Voraussetzung ist allerdings, dass die Willenserklärung obj in einem vom Erklärenden nicht gewollten Sinn auszulegen ist. Ist die Erklärung obj mehrdeutig, liegt ohnehin keine Willenserklärung vor (MüKo/Armbrüster Rn 5).
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Willenserklärung
§ 117
Der Vorbehalt muss nach dem Willen des Erklärenden geheim sein (hM, s nur MüKo/Armbrüster Rn 3; aA für S 2 noch RGZ 78, 371, 376f). Erklärt er seinen Vorbehalt offen, gilt die Erklärung nur mit dieser Einschränkung, oder es liegt gar keine rechtsverbindliche Erklärung vor (s Staudinger/Singer Rn 11). Geheim ist der Vorbehalt dabei, wenn er vor demjenigen verheimlicht wird, für den die Willenserklärung bestimmt ist (Grü/Ellenberger Rn 2). Dies ist entweder der Empfänger oder ein Dritter, in dessen Person die Wirkungen der Erklärung eintreten sollen. Unerheblich ist es, wenn der Erklärende einem unbeteiligten Dritten seinen Vorbehalt offenlegt. Ebenso sind die Gründe des Erklärenden für den Vorbehalt unbeachtlich. Besonderheiten gelten für den Fall der Stellvertretung: Schließt der Vertreter ein Geschäft als eigenes ab, obwohl er eigentlich für den Vertretenen handeln will, ist dieser Vorbehalt bereits nach § 164 II unbeachtlich (vgl auch BeckOGK/Rehberg Rn 220ff); dagegen ist § 116 einschlägig, wenn der Vertreter ein für den Vertretenen geschlossenes Geschäft insgeheim für sich abschließen will oder die Willenserklärung überhaupt nicht will (MüKo/Armbrüster Rn 4). Bei einem kollusiven Scheingeschäft zw Vertreter und Geschäftspartner ist § 116 im Hinblick auf den Vertretenen entspr anwendbar; ihm kann die Unwirksamkeit des Geschäfts nicht entgegengehalten werden (BGH NJW 1999, 2882; Flume AT II § 20, 1). 3. Satz 2. a) Empfangsbedürftige Willenserklärung. Anders als S 1 gilt S 2 nach seinem Wortlaut nur für empfangsbedürftige Willenserklärungen. Darüber hinaus ist eine entspr Anwendung auf die Auslobung (§ 657) möglich; sie führt indes nur dazu, dass die Erklärung lediglich ggü den Personen unwirksam ist, denen der Vorbehalt bekannt ist (Grü/Ellenberger Rn 5; PWW/Ahrens Rn 4; aA MüKo/Armbrüster Rn 10). Dagegen scheidet eine entspr Anwendung auf amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen aus (so für die Erbausschlagung BayObLG DtZ 1992, 284, 285; ferner Grü/Ellenberger Rn 5; dagegen Pohl AcP 177, 52, 62). Gleiches gilt für letztwillige Verfügungen (Frankfurt OLG 1993, 461, 466; LG Köln DtZ 1993, 215; BeckOGK/Rehberg Rn 226ff; Staudinger/Singer Rn 12) und für Prozesshandlungen (MüKo/Armbrüster Rn 11; Staudinger/Singer Rn 12). Bei der Eheschließung ist S 2 nicht anwendbar, obwohl hier empfangsbedürftige Willenserklärungen vorliegen; denn die §§ 1310, 1313ff enthalten insoweit abw Sonderregelungen. Auch im Wertpapierrecht ist die Geltung der Vorschrift aufgrund der wertpapierrechtl Einwendungslehre begrenzt. Schließlich erfährt die Regelung auch im Gesellschaftsrecht durch die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft eine Einschränkung (s Vor § 116 Rn 22). b) Kenntnis. Die Erklärung ist nur dann nach S 2 nichtig, wenn der andere den geheimen Vorbehalt kennt; Kennenmüssen genügt nicht. Unerheblich ist es dagegen, wie der andere Teil Kenntnis erlangt hat. Maßgebend ist dabei die Kenntnis desjenigen, für den die Erklärung bestimmt ist. Dies muss nicht notwendig allein der Erklärungsempfänger sein. So ist bei der Erteilung einer Innenvollmacht unter geheimem Vorbehalt auf den Geschäftsgegner abzustellen, ggü dem der Bevollmächtigte seine Erklärung abgeben soll: Ist diesem der geheime Vorbehalt nicht bekannt, ist das Geschäft wirksam, auch wenn der Bevollmächtigte den Vorbehalt kennt (BGH NJW 1966, 1915, 1916). Bei Erklärungen ggü einem Vertreter kommt es nach § 166 I auf dessen Kenntnis an; bei mehreren Vertretern ist die Kenntnis eines oder einiger Vertreter den anderen zuzurechnen (MüKo/Armbrüster Rn 15). 4. Beweislast. Wer sich auf die Nichtigkeit der Erklärung nach S 2 berufen will, muss sowohl das Bestehen des geheimen Vorbehalts als auch die Kenntnis des anderen Teils von diesem Vorbehalt beweisen.
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Scheingeschäft
(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig. (2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung. 1. Normzweck und Abgrenzung. Eine Scheinerklärung (simulierte Erklärung) liegt vor, wenn der Erklärende 1 mit Einverständnis des Erklärungsempfängers zwar den äußeren Schein einer wirksamen Willenserklärung hervorrufen will, die Erklärung aber keine Rechtswirkung herbeiführen soll (BGHZ 36, 84, 88; 67, 334, 339; MüKo/ Armbrüster Rn 1). Anders als beim geheimen Vorbehalt und der Scherzerklärung (§§ 116, 118) ist also der andere Teil damit einverstanden, dass die Erklärung nicht ernst gemeint ist. Damit fehlt es bereits an einem äußeren Tatbestand, der auf einen Geschäftswillen schließen lässt, und es liegt – entgegen dem Wortlaut der Vorschrift – schon gar keine Willenserklärung vor (Grü/Ellenberger Rn 1). Konsequenterweise werden derartige Scheinerklärungen durch § 117 für rechtl unerheblich erklärt. Das Verkehrsschutzinteresse ist hier von vornherein nicht betroffen, weil der Erklärungsempfänger mit der Abgabe der Erklärung zum Schein einverstanden ist. Kein Scheingeschäft stellt das Umgehungsgeschäft dar. Bei ihm versuchen die Parteien, mit einem Rechtsgeschäft 2 einen rechtl Erfolg zu erreichen, der mit dem zur Regelung des Tatbestandes eigentlich vorgesehenen Rechtsgeschäft nicht oder nur mit Belastungen zu erreichen wäre (vgl Soergel/Harke Rn 8). Anders als beim Scheingeschäft sind damit die vereinbarten Rechtsfolgen von den Parteien ernsthaft gewollt (BHG NJW-RR 2007, 1209; MüKo/Armbrüster Rn 22). Umgehungsgeschäfte sind damit nicht nach § 117 I nichtig; freilich kann sich diese Rechtsfolge aus anderen Vorschriften – etwa §§ 134, 138 – ergeben. Nicht dem § 117 unterfallen auch die Fälle der „falsa demonstratio“ (s § 133 Rn 18). Bei ihnen wählen die Parteien lediglich die falsche Bezeichnung, handeln aber mit Rechtsbindungswillen. Arnold
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Rechtsgeschäfte
Auch Treuhandgeschäfte fallen nicht unter § 117. Zwar soll der Treunehmer von dem ihm übertragenen Recht nur nach Maßgabe der Vereinbarung mit dem Treugeber Gebrauch machen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Übertragung ernsthaft gewollt ist (MüKo/Armbrüster Rn 18; BeckOGK/Rehberg Rn 25). Gleiches gilt idR auch für das Strohmanngeschäft: Bei ihm handelt es sich letztlich nur um ein Treuhandverhältnis besonderer Art, bei dem ein vorgeschobener „Strohmann“ nach außen in Erscheinung tritt und allein aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet werden soll, aber auf Rechnung und im Interesse des Hintermanns handelt. Da sich die mit dem Vorschieben des Strohmanns verfolgten Zwecke in den meisten Fällen nur bei Wirksamkeit des Geschäfts erreichen lassen, ist dieses von den Parteien idR ernsthaft gewollt; dabei spielt es keine Rolle, ob der dritte Vertragspartner die Strohmanneigenschaft kannte (BGHZ 21, 378, 381; BGH NJW 1959, 332, 333; 1980, 1572; 2002, 2030, 2031; Soergel/Harke Rn 8). Ein Scheingeschäft liegt nur dann vor, wenn der Strohmann die sich aus dem Rechtsgeschäft ergebenden Rechte und Pflichten im Außenverhältnis nicht übernehmen will und der Vertragspartner dies weiß (BGH NJW 1982, 569, 570; NJW-RR 1997, 238; 2007, 1209, 1210; BAG NJW 1993, 2767). Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt daher insb auch kein Scheingeschäft vor, wenn ein Unternehmer bei einem Kaufvertrag eine andere Person als Strohmann vorschiebt, um eine Anwendung der §§ 474ff zu vermeiden (BGH NJW-RR 2013, 687, 688). 4 2. Unwirksamkeit des Scheingeschäfts (Abs I). a) Voraussetzungen. aa) Empfangsbedürftige Willenserklärung. Es muss sich bei der Scheinerklärung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handeln; andernfalls würde es an einem Erklärungsempfänger fehlen, der mit dem Scheincharakter einverstanden sein könnte. Daher gilt § 117 nicht für Testamente (BayObLG FamRZ 1977, 348; Düsseldorf FamRZ 1969, 677; Frankfurt OLG 1993, 461, 467): Hält sich der Erklärende insgeheim vor, das im Testament Erklärte nicht zu wollen, handelt es sich vielmehr um einen Fall des § 116, und es liegt ein wirksames Testament vor (Staudinger/Otte Vor § 2064 Rn 16; s auch MüKo/Leipold Vor § 2064 Rn 7; aA MüKo/Armbrüster Rn 2; Brox/Walker ErbR § 18 Rn 3, da kein Bedürfnis für einen Vertrauensschutz Dritter bestehe). Dies gilt auch dann, wenn der geheime Vorbehalt einem anderen bekannt ist, da bei § 116 I 2 bei nichtempfangsbedürftigen Willenserklärungen wie dem Testament nicht anwendbar ist (s § 116 Rn 8). Geht der Testierende dagegen davon aus, dass die fehlende Ernstlichkeit seiner Erklärung nicht verkannt werden wird, ist das Testament dagegen als Scherzerklärung nichtig (§ 118). Ausgeschlossen ist die Anwendung des § 117 bei der Eheschließung (vgl § 1314 II Nr 5) und der Anerkennung der Vaterschaft, da hier vorrangige Sonderregeln bestehen. 4a Besonderheiten gelten, wenn eine Behörde beteiligt ist. Bedarf eine empfangsbedürftige Willenserklärung der Beteiligung der Behörde (Beurkundung, Eintragung), ist die Vorschrift zwar anwendbar; indes ist das Einverständnis der – nur formal beteiligten – Amtsperson unerheblich, sondern es kommt auf den Empfänger an (MüKo/Armbrüster Rn 8). Dagegen findet § 117 auf (nur) amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen keine Anwendung; sie sind also wirksam, auch wenn die zuständige Amtsperson mit der Scheinerklärung einverstanden ist (MüKo/ Armbrüster Rn 8; Staudinger/Singer Rn 3). Dies folgt daraus, dass die Behörde auch hier nur formalrechtl Adressat und daher ihr Einverständnis bedeutungslos ist. Weiterhin ist es auch nicht möglich, auf das Einverständnis der materiellrechtl Beteiligten abzustellen, da dieser Personenkreis kaum abgrenzbar wäre (so überzeugend Staudinger/Singer Rn 3; aA Pohl AcP 177, 52, 64). Kann eine Erklärung zuletzt wahlweise ggü einer anderen Person oder der Behörde abgegeben werden (§ 875 I 2, § 876 S 3, § 880 II 3, § 1168 II 2, § 1180 I 2), so ist sie bei Einverständnis des anderen Teils mit dem Scheincharakter auch dann nach Abs I nichtig, wenn sie ggü der Behörde abgegeben wird (Flume AT II § 20, 2a; Staudinger/Singer Rn 3). 5 bb) Fehlender Rechtsbindungswille. Ein Scheingeschäft iSd Abs I liegt vor, wenn Erklärender und Erklärungsempfänger einvernehmlich zwar den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts erzeugen wollen, die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten sollen; ein Rechtsbindungswille fehlt (s Rn 1). Der Absicht, einen Dritten zu täuschen, bedarf es nicht (RGZ 90, 273, 277; 95, 160, 162; Soergel/Hefermehl Rn 8; MüKo/Armbrüster Rn 16). Die unrichtige Angabe einer Tatsache (zB eine Falschdatierung) genügt dagegen allein nicht (MüKo/Armbrüster Rn 5; Grü/Ellenberger Rn 3). Wird in einem Vertrag nur ein Teil der dort geregelten Pflichten zum Schein übernommen, bestimmt es sich nach § 139, ob die gesamte Vereinbarung nichtig ist (BGH NJW-RR 2002, 1527). 6 Kein Scheingeschäft liegt vor, wenn der von den Parteien bezweckte Erfolg gerade die Gültigkeit des Geschäfts voraussetzt (BGHZ 36, 84, 88; BGH NJW-RR 2006, 1555, 1556). Ein Scheingeschäft kann daher insb dann nicht angenommen werden, wenn die von den Parteien mit dem Geschäft angestrebten steuerlichen Vorteile die Wirksamkeit des Geschäfts voraussetzen, da eine vertragl Regelung nicht gleichzeitig steuerlich gewollt und zivilrechtl nicht gewollt sein kann (BGHZ 67, 334, 338; BGH NJW-RR 1990, 386, 387; 2006, 1555, 1556; NZG 2009, 659, 661). Abw gilt allein dann, wenn die Parteien die steuerlichen Vorteile lediglich durch Vortäuschung einer entspr Vereinbarung ggü den Finanzbehörden erreichen wollen: In diesem Fall ist die zivilrechtl Regelung nicht ernsthaft gewollt, und es liegt ein Scheingeschäft mit dem Ziel der Steuerhinterziehung vor (BGHZ 67, 334, 337f; BGH NJW-RR 2006, 283). Ebenso stellen Arbeitsverträge, mit denen einer Partei der Zugang zur Arbeitslosenund Krankenversicherung eröffnet werden soll, kein Scheingeschäft dar (BAG NJW 2007, 1485). Dagegen stellt ein Arbeitsvertrag ein Scheingeschäft dar, wenn die Parteien einig sind, dass das gezahlte Entgelt nicht die Gegenleistung für eine Arbeitsleistung darstellen, sondern aus anderen Gründen gezahlt werden soll (BGH NJW 1984, 2350; BAG NZA 2021, 37, 38; dazu Benecke AP Nr 3 zu § 117 BGB). Ebenso ist ein Architektenvertrag als Scheingeschäft nichtig, wenn die Parteien lediglich durch den äußeren Schein eines wirksamen Vertrags Versicherungsschutz durch die Haftpflichtversicherung des Architekten erstreben (Hamm NJW-RR 1996, 1233). 3
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cc) Einverständnis. Der Empfänger muss mit der Scheinerklärung einverstanden sein; anders als bei § 116 S 2 ist also mehr als die bloße Kenntnis des Vorbehalts erforderlich (Staudinger/Singer Rn 7). Das Einverständnis ist aber keine mit der eigentlichen Erklärung einhergehende eigenständige Willenserklärung; vielmehr müssen sich beide Teile nur bewusst sein, dass ihren Erklärungen kein Wille entsprechen soll (RGZ 134, 33, 37; BGH NJW 1999, 2882; 2000, 3127, 3128). Dieser Scheingeschäftswille muss grds bei den vertragschließenden Parteien selbst bestehen. Daher liegt kein Scheingeschäft vor, wenn eine Vertragspartei den Vertrag selbst schließt und dabei die vorherige Abrede ihres Verhandlungsbevollmächtigten mit der anderen Seite zum Abschluss eines Scheingeschäfts nicht kennt; über eine Wissenszurechnung analog § 166 lässt sich der fehlende Scheingeschäftswille nicht ersetzen (BGHZ 144, 331, 333; BGH NJW 2001, 1062; Staudinger/Singer Rn 9; vgl auch Thiessen NJW 2001, 3025). Ist die Erklärung ggü mehreren Personen abzugeben, ist das Einverständnis aller erforderlich; andernfalls ist die Erklärung wirksam (Celle NJW 1965, 399, 400). Wird für eine Partei ein Vertreter tätig, so ist ihr allerdings grds nach § 166 I dessen Einverständnis zuzurechnen. Bei Gesamtvertretung genügt es für das Einverständnis, wenn lediglich ein Vertreter wusste, dass der Vertragspartner seine Erklärung nur zum Schein abgeben wollte (RGZ 134, 33, 37; BGH NJW 1996, 663, 664; 1999, 2882; MüKo/Armbrüster Rn 14; Staudinger/Singer Rn 8; aA v Hein ZIP 2005, 191, 197). Allerdings kann der Vertragspartner den Einwand des Scheingeschäfts entspr § 116 dem Vertretenen nicht entgegenhalten, wenn die Simulationsabrede ggü diesem kollusiv mit dem Vertreter geheim gehalten werden sollte (RGZ 134, 33, 37; BGH NJW 1999, 2882, 2883; Medicus/Petersen AT Rn 599). b) Rechtsfolge. Scheingeschäfte sind nach § 117 ohne weiteres nichtig. Dies gilt grds auch im Gesellschaftsrecht. Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft finden auf eine zum Schein gegründete Gesellschaft keine Anwendung (BGH NJW 1953, 1220; vgl ferner MüKo-HGB/Fleischer § 105 HGB Rn 488, 521; aA MüKo/Schäfer § 705 Rn 390f). Ist eine GmbH oder AG bereits ins Handelsregister eingetragen worden, bleibt allerdings nur noch die Klage auf Nichtigerklärung nach § 275 I AktG bzw § 75 I GmbHG wegen Nichtigkeit der Bestimmungen über den Unternehmensgegenstand (s nur Noack/Servatius/Haas/Haas § 75 GmbHG Rn 15; vgl auch BGHZ 21, 378, 381). Einschränkungen bestehen auch im Wertpapierrecht. So kann bei Inhaberpapieren der Einwand des Scheingeschäfts nur dem Nehmer, nicht aber späteren gutgläubigen Erwerbern entgegengehalten werden (§ 796). Entspr gilt bei Wechsel und Scheck, da es sich um ausschließbare Gültigkeitseinwendungen handelt (eingehend MüKo/Armbrüster § 119 Rn 22). Die Nichtigkeit nach § 117 wirkt auch ggü Dritten. Einen allg Schutz gutgläubiger Dritter vor Scheingeschäften sieht die Vorschrift nicht vor. Allerdings trägt eine Vielzahl von Einzelregelungen im BGB den Interessen des Dritten, der auf die Wirksamkeit des Scheingeschäfts vertraut hat, Rechnung. So kann eine deliktische Haftung der an dem Scheingeschäft Beteiligten ggü dem gutgläubigen Dritten nach § 823 II, § 826 in Betracht kommen. Erwirbt der Dritte rechtsgeschäftlich von einem Veräußerer eine Sache, die dieser selbst nur zum Schein erworben hat, schützen ihn die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§ 932ff, 892f). Entspr gilt wegen §§ 1032, 1207 bei der Einräumung eines Nießbrauchs oder Pfandrechts. Wird eine Forderung unter Vorlegung einer vom Schuldner ausgestellten Urkunde abgetreten, so kann sich dieser nach § 405 dem neuen Gläubiger ggü nicht darauf berufen, dass die Eingehung oder Anerkennung des Schuldverhältnisses nur zum Schein erfolgt ist. Zeigt der Gläubiger dem Schuldner eine Abtretung an, die tatsächlich nur zum Schein erfolgt ist, oder fertigt er hierüber eine Urkunde an, in der der angebliche neue Gläubiger bezeichnet ist, muss er dies nach § 409 dem Schuldner ggü gegen sich gelten lassen. Ebenso muss nach § 566e der Vermieter, der dem Mieter die – tatsächlich nur zum Schein erfolgte – Übertragung des Eigentums an dem vermieteten Wohnraum angezeigt hat, dies in Ansehung der Mietforderung dem Mieter ggü gegen sich gelten lassen. Schließlich darf der Dritte auf Scheinvollmachten nach Maßgabe der § 171f vertrauen. Über diese gesetzl geregelten Fälle des Drittschutzes hinaus nimmt Flume (AT § 20, 2) an, der Rechtsinhaber ermächtige mit der Scheinübertragung den anderen Teil, über das Recht im eigenen Namen zu verfügen. In diesem Sinne hat bereits das RG angenommen, dass der Gläubiger einer Briefhypothek, der dem Zessionar eine privatschriftliche Urkunde über die Abtretung der Hypothek und den Hypothekenbrief ausgehändigt habe, sich einem dritten Erwerber ggü nicht darauf berufen könne, dass es sich in Wirklichkeit um ein Scheingeschäft gehandelt habe (RGZ 90, 273, 278f). Demggü will Canaris dem Rechtsinhaber den Einwand des Scheingeschäfts ggü einem gutgläubigen Dritten immer dann nach Rechtsscheinsregeln versagen, wenn dieser die Gültigkeit des Geschäfts irgendwie nach außen kundgetan habe (Canaris, Vertrauenshaftung, 89ff; dem folgend MüKo/Armbrüster Rn 28; Staudinger/Singer Rn 24). Diese Ansätze überzeugen indes nicht. Die Annahme einer Ermächtigung zugunsten des Scheinerwerbers stellt letztlich eine Fiktion dar, da die Parteien beim Scheingeschäft gerade keine rechtl erheblichen Handlungen vornehmen wollen (s schon Canaris aaO, 89f). Aber auch der Rückgriff auf Rechtsscheinsregeln überzeugt nicht. Der Gesetzgeber hat sich ausdrückl gegen einen generellen Drittschutz bei Scheingeschäften entschieden (Mot I 193; Prot I 204). Auch ist nicht ersichtlich, dass hieraus unerträgliche Schutzlücken resultierten. Dies zeigt der vom RG entschiedene Fall des Hypothekenerwerbs sehr anschaulich. Das Vertrauen eines Dritten auf den Erwerb der Briefhypothek ist generell nicht geschützt, wenn der Veräußerer nur durch eine privatschriftliche Urkunde über die Abtretung der Hypothek an ihn legitimiert ist. Die Argumentation mit allg Rechtsscheinsgrundsätzen überspielt letztlich das differenzierte System des Gesetzes beim gutgläubigen Erwerb und den insoweit hinreichenden Rechtsscheinsträgern. Ein über die gesetzl Regelungen hinausgehender Vertrauensschutz des Dritten bei Scheingeschäften ist daher abzulehnen. 3. Verdecktes Geschäft (Abs II). Vielfach wird mit dem Scheingeschäft ein anderes Geschäft verdeckt. Abs II stellt klar, dass dieses Geschäft nicht deshalb nichtig ist, weil die Parteien versucht haben, es durch ein ScheinArnold
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geschäft zu verbergen (BGH NJW 1983, 1843, 1844; MüKo/Armbrüster Rn 29). Vielmehr ist es wirksam, sofern seine Gültigkeitsvoraussetzungen vorliegen. Eine Nichtigkeit des verdeckten Geschäfts kann sich freilich insb aus §§ 125, 134, 138 ergeben. Das verdeckte Geschäft verstößt aber nicht bereits deshalb gegen ein gesetzl Verbot, weil mit dem Scheingeschäft eine Steuerhinterziehung beabsichtigt wird, da die Steuerverkürzung nicht den Hauptzweck des Vertrags darstellt (BGH NJW 1983, 1843, 1844; 2002, 1527; krit Staudinger/Singer Rn 27). Der praktisch bedeutendste Anwendungsfall des Abs II ist der sog Schwarzkauf, bei dem ein niedrigerer als der vereinbarte Kaufpreis beurkundet wird (zur Anwendbarkeit des § 117 bei Beurkundung eines zu hohen Kaufpreises Düsseldorf 20.10.2014 – I-9 U 8/14, nv). In diesem Fall ist der notariell beurkundete Vertrag über den niedrigeren Preis nach Abs I nichtig, während der verdeckte mündliche Vertrag wegen Formmangels nach §§ 125, 311b I nichtig ist (RGZ 78, 115, 120). Dies gilt auch dann, wenn der Käufer wusste, dass der Verkäufer den Vertrag nur abzuschließen bereit war, wenn er von Seiten eines wirtschaftlich interessierten Dritten – der später Mieter der Wohnung geworden ist – eine Schwarzgeldzahlung erhält (BGH NJW-RR 1998, 950). Die Nichtigkeit des nur mündlich vereinbarten Kaufvertrags wird nach § 311b I 2 durch Auflassung und Eintragung ins Grundbuch geheilt (RGZ 104, 102, 105; BGH NJW-RR 1991, 613, 615). Eine zur Sicherung des Auflassungsanspruchs aus dem Scheingeschäft eingetragene Vormerkung erstreckt sich auch bei späterer Heilung des Formmangels des daneben mündlich abgeschlossenen Vertrags nicht auf den mündlich vereinbarten Auflassungsanspruch (BGHZ 54, 56, 64; MüKo/Armbrüster Rn 31). Kein Fall des Schwarzkaufs liegt vor, wenn die Parteien lediglich infolge eines Versehens bei der Beurkundung einen falschen Kaufpreis erklären. Es handelt sich vielmehr um eine unschädliche einverständliche Falschbezeichnung (falsa demonstratio, s § 133 Rn 18). Der Kaufvertrag ist wirksam mit dem tatsächlich gewollten Kaufpreis zustande gekommen (RGZ 60, 338, 340; 109, 334, 336; MüKo/Armbrüster Rn 32; Flume AT II § 20, 2a). Ebenso genügt es nicht, wenn in einem Grundstückskaufvertrag die Kaufpreiszahlung bestätigt wird, obwohl diese erst später erfolgen soll (BGH NJW 2011, 2785). 4. Beweislast. Wer sich auf die Nichtigkeit des Scheingeschäfts berufen will, muss den fehlenden Rechtsbindungswillen beweisen, da grds von der Ernstlichkeit rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen auszugehen ist (BGH NJW 1988, 2597, 2599; 1991, 1617, 1618; 1999, 3481; BAG NJW 2003, 2930, 2931). Wer sich auf das verdeckte Geschäft beruft, muss einen entspr Willen der Parteien beweisen (BGH JZ 1977, 341, 342; Grü/Ellenberger Rn 9). Dabei kann für die Ermittlung des Willens der Parteien auch ihr nachträgl Verhalten von Bedeutung sein (BGH NJW-RR 1997, 238; Staudinger/Singer Rn 30).
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Mangel der Ernstlichkeit
Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig. 1. Normzweck und Abgrenzung. Die praktisch nicht sehr bedeutsame Regelung sieht vor, dass Scherzerklärungen nichtig sind. Diese Rechtsfolge ist rechtspolitisch umstr, da der Erklärende – anders als beim Irrtum – nicht zur unverzüglichen Anfechtung verpflichtet ist (s nur MüKo/Armbrüster Rn 1). Dem Verkehrsschutz wird freilich dadurch Rechnung getragen, dass der andere Teil nach § 122 Schadensersatz verlangen kann. Bei der Scherzerklärung geht der Erklärende davon aus, dass der andere die Nichternstlichkeit erkennen wird. Anders als beim geheimen Vorbehalt (§ 116) will er die Nichternstlichkeit also gerade nicht geheim halten („guter Scherz“). Vom Scheingeschäft unterscheidet sich die Scherzerklärung dadurch, dass sich bei § 117 beide Seiten über die fehlende Ernstlichkeit einig sind, während bei § 118 nur eine entspr Erwartung des Erklärenden besteht. Damit wird von der Vorschrift insb auch das misslungene Scheingeschäft erfasst, bei dem der andere Teil die Erklärung entgegen der Erwartung des Erklärenden ernst nimmt. 2. Anwendungsbereich. § 118 gilt gleichermaßen für empfangsbedürftige wie für nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen, also zB auch für ein Testament (RGZ 104, 320, 322; BeckOGK/Rehberg Rn 3.2). Die Vorschrift ist auch auf beurkundete Erklärungen anwendbar (BGHZ 144, 331, 334; Thiessen NJW 2001, 3025f; aA etwa RGZ 68, 204, 205f; München NJW-RR 1993, 1168, 1169). Allerdings ist § 118 selbstverständlich nicht einschlägig, wenn der Erklärende in Täuschungsabsicht handelte, also gerade nicht erwartete, dass die fehlende Ernstlichkeit erkannt werden würde. Dagegen ist die Vorschrift auf die Willenserklärungen bei einer Eheschließung (§§ 1310ff) und bei einer Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1594ff) wegen der abschließenden Spezialregelungen in diesen Bereichen nicht anzuwenden. Auch im Gesellschaftsrecht gilt sie wegen der Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft nur eingeschränkt (s schon § 117 Rn 8); Ähnliches gilt im Wertpapierrecht (§ 117 Rn 8). Zur Bedeutung von § 118 für Willenserklärungen, die ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben werden, s Vor § 116 Rn 15. 3. Voraussetzungen. a) Nichternstlichkeit. Nichternstlichkeit bedeutet, dass der für die Willenserklärung kennzeichnende Wille fehlt, den Rechtserfolg herbeizuführen. Als Motiv für die nicht ernstliche Erklärung kommt nicht nur ein Scherz in Betracht; unter § 118 fallen zB auch Erklärungen in spöttischer Übertreibung, aus Ironie, Prahlerei, bloßer Höflichkeit oder aus Gründen einer reißerischen Reklame. Hingegen kommt eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Willenserklärungen, die in einem Zustand der Provokation oder der Demütigung abgegeben werden, nicht in Betracht, da diese idR ernst gemeint sind (Weiler NJW 2008, 2608; aA Tscherwinka NJW 1995, 308; Staudinger/Singer Rn 1).
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Willenserklärung
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b) Erwartung der Kenntnis des anderen Teils. Der Erklärende muss bei der Erklärung die Erwartung haben, 5 dass das Fehlen der Ernstlichkeit nicht verkannt werden wird. Diese Erwartung muss uneingeschränkt bestehen. Es ist aber nicht erforderlich, dass sie obj berechtigt ist; ein Verschulden des Erklärenden bei der Fehleinschätzung ist unbeachtlich (MüKo/Armbrüster Rn 8). Dementspr muss die Erwartung, die fehlende Ernstlichkeit werde erkannt werden, nicht erkennbar geworden sein; der unerkannte Wille reicht aus (Flume AT II § 20, 3; Staudinger/Singer Rn 3). Umstr sind die Konsequenzen, wenn der Erklärende nachträgl erkennt, dass derjenige, der an der Erklärung interessiert ist, den Mangel der Ernstlichkeit verkennt, und er diesen trotzdem nicht darüber aufklärt. Teilw wird angenommen, dass dann aus dem „guten Scherz“ ein „böser Scherz“ werde, der nach § 116 I unbeachtlich sei (Flume AT II § 20, 3; MüKo/Armbrüster Rn 11). Andere nehmen an, der Erklärende könne sich in diesem Fall nach Treu und Glauben auf den Mangel der Ernstlichkeit nicht berufen (Neuner AT § 40 Rn 13; Grü/Ellenberger Rn 2). Diese Einschränkungen des § 118 sind jedoch abzulehnen; die aus ihnen folgende Aufklärungsobliegenheit käme einer Obliegenheit zur Anfechtung der Scherzerklärung nahe, die § 118 jedoch gerade nicht vorsieht (überzeugend Staudinger/Singer Rn 8, ferner BeckOGK/Rehberg Rn 5.2). IÜ ergäbe sich das merkwürdige Ergebnis, dass die Erklärung nachträgl wirksam würde. Es muss daher auch in diesem Fall bei der Schadensersatzpflicht des Erklärenden nach § 122 bleiben. 4. Folgen. Die Scherzerklärung ist nichtig. Den Erklärenden trifft aber – unabhängig von seinem Verschulden 6 – nach § 122 die Verpflichtung, demjenigen, der auf die Gültigkeit der Erklärung vertraute, den Vertrauensschaden bis zur Höhe des Erfüllungsinteresses zu ersetzen. 5. Beweislast. Wer sich auf die Nichtigkeit der Willenserklärung beruft, muss die Nichternstlichkeit sowie die 7 Erwartung des Erklärenden, die Nichternstlichkeit werde erkannt, beweisen. Da es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, ist dieser Beweis naturgemäß schwierig. IÜ wird man im Prozess bereits konkreten Vortrag erwarten müssen, weshalb nur eine scheinbare Verpflichtung begründet werden sollte; die allg, unsubstantiierte Behauptung, das Rechtsgeschäft sei nicht gewollt, ist von vornherein unbeachtlich (Staudinger/Singer Rn 9).
§ 119
Anfechtbarkeit wegen Irrtums
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. (2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. I. Bedeutung. Das Gesetz misst mit Rücksicht auf den Verkehrsschutz nicht jedem bei der Willenserklärung unterlaufenen Irrtum Bedeutung im Hinblick auf die Wirksamkeit der Erklärung bei (Denkschr S 21). Auch wenn bei der Abgabe einer Willenserklärung der Wille des Erklärenden durch einen Irrtum verfälscht ist, die Erklärung also nicht dem wahren oder nur einem fehlerhaft gebildeten Willen entspricht, ist der Erklärende daher grds an die Willenserklärung gebunden. Die Erklärung gilt im Interesse des Erklärungsempfängers so, wie dieser sie verstanden hat und bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt verstehen durfte (Rn 4, 5). Lediglich bestimmte Irrtümer erklärt das Gesetz für beachtlich. In § 119 ist das für den Irrtum in der Erklärungshandlung (§ 119 I Fall 2), den Irrtum über den Erklärungsinhalt (§ 119 I Fall 1) sowie den Irrtum über wesentliche Eigenschaften der Person oder Sache (§ 119 II) geschehen. Vorausgesetzt wird dabei stets, dass ein beachtlicher Ursachenzusammenhang zw Irrtum und Erklärung besteht. Zur Beseitigung der fehlerhaften Willenserklärung ist eine Anfechtungserklärung erforderlich. Auch soweit ein nach § 119 beachtlicher Irrtum vorliegt, ist die Erklärung also nicht ohne weiteres nichtig. Vielmehr muss der Erklärende die Anfechtung erklären, um sich von der Erklärung rückwirkend zu befreien. Hiermit soll dem Erklärenden die Möglichkeit gegeben werden, an seiner Erklärung festzuhalten (s Denkschr S 22; vgl auch Prot I 221). II. Anwendungsbereich. Die Anfechtung nach § 119 ist grds bei allen privatrechtl Willenserklärungen zulässig, soweit keine vorrangigen Spezialregeln eingreifen (vgl Rn 8ff). Für reine Prozesshandlungen gilt § 119 nicht (BGHZ 80, 389, 392; BFH NJW 1970, 631, 632; BVerwG NJW 1980, 135, 136; 1997, 2897; BayObLG DB 1990, 168f für das Registerverfahren; BeckOGK/Rehberg Rn 28). Sie sind keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Irrtümer bei Prozesshandlungen sind vielmehr ausschließlich nach prozessualen Grundsätzen zu behandeln (vgl Einl § 104 Rn 39). Dagegen ist der Prozessvergleich wegen seiner Doppelnatur (Willenserklärung und Prozesshandlung) durch Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits anfechtbar, soweit nicht § 779 als Spezialvorschrift entgegensteht; mit der Anfechtung entfallen auch die prozessualen Wirkungen (BGHZ 16, 388, 390; 28, 171, 174; 41, 310, 311; 51, 141, 144). Gem § 62 VwVfG finden die Vorschriften über die Irrtumsanfechtung auf öffentlich-rechtl Verträge entspr Anwendung. Anfechtbar sind auch die verwaltungsrechtl Willenserklärungen eines Bürgers (vgl OVG Koblenz NVwZ 1984, 316, 317; VG Frankfurt/M NVwZ-Beil 1997/11, 88; Kluth NVwZ 1990, 608, 613). Auf Hoheitsakte, insb Verwaltungsakte, sind die §§ 119ff hingegen nicht einmal entspr anwendbar (NK/Feuerborn Rn 10; PWW/ Ahrens Rn 11; vgl für eine Baulast auch VGH Mannheim NJW 1985, 1723). III. Abgrenzung. Verhältnis von Anfechtung und Auslegung. Die Auslegung (§ 133 Rn 14) geht der Anfechtung stets vor. Eine Anfechtung kommt nur in Betracht, wenn sich der Erklärende an seinem vom Willen abw Erklärten, wie es sich mit Hilfe der Auslegung ergibt, festhalten lassen muss. Das ist der Fall, wenn der ErklärungsArnold
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empfänger den wahren Willen des Erklärenden nicht erkannt hat und auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht erkennen konnte. Eine Anfechtung scheidet hingegen aus, wenn sich durch Auslegung ergibt, dass das Gewollte – und nicht das Erklärte – als Inhalt der Erklärung gilt. Erkannte der Erklärungsempfänger den Willen, gilt das Gewollte und nicht das irrtümlich Erklärte (erkannter oder erkennbarer Irrtum, s BGH NJW-RR 1995, 859). Kein Raum für eine Anfechtung bleibt danach bei der falsa demonstratio (vgl zu § 133 Rn 18); der Erklärende gebraucht (bewusst oder unbewusst) hier einen unzutreffenden Erklärungstatbestand, der vom Erklärungsempfänger richtig verstanden wird. Nur der hinter dem unzutreffenden Erklärungstatbestand stehende Wille gilt. Führt beim Vertragsschluss die Auslegung nicht zu einer Übereinstimmung der Willenserklärungen, zB weil eine Erklärung auch nach der Auslegung obj mehrdeutig ist, so liegt ein versteckter Dissens (§ 155) vor; da ohnehin keine vertragl Bindung eintritt, bedarf es keiner Anfechtung. Anders als bei einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum bezieht sich die Fehlvorstellung beim Dissens auf die Erklärung des anderen Teils; diese stimmt mit der eigenen Erklärung nicht überein (Grü/Ellenberger Rn 8). IV. Sonderregelungen und Ausschluss der Anfechtung. 1. Sondervorschriften. Das BGB enthält teilw Spezialbestimmungen, die die §§ 119ff modifizieren. So ist nach § 779 ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre, ohne dass es einer Anfechtung durch eine Partei bedürfte. IÜ schließt § 779 die Irrtumsanfechtung grds nicht aus (eingehend § 779 Rn 33). Unzulässig ist die Anfechtung allein, soweit sich der Irrtum auf den Gegenstand des Vergleichs bezieht, da sie mit dem Zweck des Vergleichs, der auf eine endgültige Streitbeilegung ohne weitere Sachverhaltsaufklärung gerichtet ist, nicht vereinbar wäre (RGZ 162, 198, 201; BGH NJW 2007, 838). Auch das Familien- und das Erbrecht enthalten Bestimmungen, die die allg Regelungen der Irrtumsanfechtung modifizieren. So können Willensmängel bei der Eheschließung nur nach Maßgabe des § 1314 im Wege der Aufhebung geltend gemacht werden. Ähnl gilt im Hinblick auf die Anerkennung der Vaterschaft (§ 1592 Nr 2): Bei ihr ist eine Berufung auf Irrtümer nur im Wege der Vaterschaftsanfechtung (§§ 1599ff) möglich. Modifiziert werden die §§ 119ff auch durch die Regelungen über die Anfechtung letztwilliger Verfügungen (§§ 2078ff) und die Vorschriften über die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1954ff). 2. Ausschluss oder Modifikation durch Sonderwertungen. a) Schuldrecht. Neben diesen ausdrückl Sonderregelungen werden aus vielen weiteren Vorschriften innerhalb und außerhalb des BGB Einschränkungen der Irrtumsanfechtung abgeleitet. Derartige Sonderwertungen finden sich namentlich im Schuldrecht. So kann sich der Schuldner bei anfänglicher Unmöglichkeit seiner Haftung nach § 311a II nicht entziehen, indem er den Vertrag wegen Irrtums über seine Leistungsfähigkeit anficht (BT-Drs 14/6040, 65; Canaris JZ 2001, 499, 506; NK/Dauner-Lieb § 311a Rn 27). Ferner wird die Irrtumsanfechtung bei beiderseitigen Irrtümern über verkehrswesentliche Eigenschaften durch § 313 II ausgeschlossen (str, s Vor § 116 Rn 21). Ebenso geht die Unsicherheitseinrede nach § 321 BGB der Anfechtung nach § 119 II vor: Verpflichtet sich also in einem Vertrag die eine Seite zur Vorleistung und irrt sich dabei über die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit des anderen Teils, so kann sie nur unter den Voraussetzungen des § 321 die Leistung verweigern oder vom Vertrag zurücktreten (Soergel/Gsell Rn 23; zum alten Recht auch schon Flume AT II § 24, 3b). Die hL steht freilich im Anschluss an die Gesetzesbegr (BT-Drs 14/6040, 179) auf dem Standpunkt, dass der Vorleistungspflichtige wählen könne, ob er sich auf § 321 oder die Irrtumsanfechtung beruft (NK/Tettinger § 321 Rn 15; MüKo/Emmerich § 321 Rn 38; PWW/Stürner § 321 Rn 13; Staudinger/Schwarze § 321 Rn 20). Dem ist indes aus systematischen Gründen nicht zu folgen. § 321 erlaubt dem Vorleistungspflichtigen die Berufung auf die anfängliche Leistungsunfähigkeit des anderen Teils nur dann, wenn diese erst nach Vertragsschluss erkennbar wurde, und gibt ihm regelmäßig erst nach Ablauf einer angemessenen Nachfrist das Recht, sich vom Vertrag durch Rücktritt zu lösen. Diese Einschränkungen wären bedeutungslos, wenn sich der Vorleistungspflichtige unabhängig von der Erkennbarkeit der mangelnden Leistungsfähigkeit des anderen Teils sofort nach § 119 II vom Vertrag lösen könnte. Praktisch erhebliche Bedeutung hat die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zw Anfechtung und Gewährleistung. Sie stellt sich insb im Kaufrecht. Hier wird überwiegend angenommen, dass eine Anfechtung des Käufers wegen eines Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften durch die §§ 434ff jedenfalls ab Gefahrübergang ausgeschlossen wird (s nur Vor § 437 Rn 23; MüKo/H. P. Westermann § 437 Rn 54; aus der Rspr zum alten Recht nur BGHZ 60, 319, 320; vgl auch BGH NJW-RR 2008, 222, 223 zum Erwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung; s auch Kuhn AcP 221 (2021), 846, 862f: Ausschluss der Anfechtung auch dann, wenn kein Mangel vorliegt; aA etwa BeckOK/Faust § 437 Rn 191). Dem ist zu folgen; denn mit einer Anfechtung könnte der Käufer eine Vertragsauflösung herbeiführen, ohne dass er die kurze Frist des § 438 I Nr 3 beachten oder dem Verkäufer zuvor die Gelegenheit zur Nacherfüllung geben müsste; auch käme es entgegen § 442 nicht mehr darauf an, ob dem Käufer der Mangel aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Problematisch ist freilich, ob die Anfechtung nach § 119 II auch vor Gefahrübergang ausgeschlossen ist. Dabei kann, soweit es sich um einen behebbaren Mangel handelt und der Verkäufer auch zur Behebung des Mangels bereit ist, nicht mit dem Vorrang des Gewährleistungsrechts argumentiert werden; denn in diesem Fall gelten die §§ 437ff unstr nicht (s nur § 434 Rn 68 und Medicus/Lorenz Schuldrecht II, Rn 70). Jedoch kann sich der Verkäufer auch hier den Kaufpreis noch verdienen, indem er mangelfrei leistet. Diese Möglichkeit würde ihm durch die Anfechtung genommen. Daher kann eine Berufung auf § 119 II nicht zulässig sein (MüKo/H. P. Westermann § 437 Rn 54; Staudinger/ Matusche-Beckmann § 437 Rn 28). Erheblich komplizierter liegen die Dinge dagegen, wenn der Mangel unbe338
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Willenserklärung
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hebbar ist oder der Verkäufer ernsthaft und endgültig die mangelfreie Leistung verweigert. Hier kann nicht damit argumentiert werden, dass dem Verkäufer die Möglichkeit erhalten werden muss, mangelfrei zu leisten. Zudem ist umstr, ob die Gewährleistungsvorschriften bereits ausnahmsw vor Gefahrübergang gelten (so etwa § 434 Rn 69; dagegen etwa Grü/Weidenkaff § 437 Rn 50; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn 70). Freilich ist dieser Streit letztlich für das Problem der Anwendbarkeit des § 119 II irrelevant: So wird im Anschluss an die Rspr des BGH zum alten Recht (s nur BGHZ 34, 32, 37) teilw angenommen, dass die Anwendung der Gewährleistungsvorschriften vor Gefahrübergang die Anfechtung nach § 119 II nicht ausschließe (Vor § 437 Rn 25), während umgekehrt auch Autoren, die vor Gefahrübergang allein die Regeln des allg Leistungsstörungsrechts anwenden wollen, dem Käufer den Rückgriff auf § 119 II verwehren (Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn 271). I Erg sprechen die besseren Gründe auch in diesem Fall für einen Ausschluss der Anfechtung. Selbst wenn man die §§ 437ff auch bei unbehebbaren Mängeln vor Gefahrübergang nicht anwenden will, müsste man jedenfalls die Wertung des § 442 berücksichtigen (vgl dazu Looschelders SchuldR BT, § 8 Rn 4). Andernfalls stünden dem Käufer, der aus grober Fahrlässigkeit den Mangel verkannt hat, vor Gefahrübergang die Rechte nach dem allg Leistungsstörungsrecht und das Anfechtungsrecht nach § 119 II zu. Er würde diese Rechte aber mit Gefahrübergang verlieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es vorzugswürdig, die Anfechtung nach § 119 II bereits generell vor Gefahrübergang auszuschließen. Dagegen sperrt das Mängelgewährleistungsrecht nicht die Anfechtung nach § 119 I, §§ 120, 123 (eingehend Vor § 437 Rn 22, 30). Gleichfalls ist eine Anfechtung durch den Verkäufer grds nicht ausgeschlossen; die Berufung auf § 119 II kommt freilich dann nicht in Betracht, wenn der Verkäufer sich damit seiner Gewährleistungspflicht entziehen könnte (BGH NJW 1988, 2597, 2598). Die kaufrechtl Grundsätze für das Verhältnis von Mängelgewährleistung und Anfechtung nach § 119 II gelten auch im Werkvertragsrecht (MüKo/Armbrüster Rn 36; PWW/Leupertz/Halfmeier § 633 Rn 8; Grü/Retzlaff § 634 Rn 39; für das alte Recht auch BGH NJW 1967, 719). Der Besteller kann daher auch seine Abnahmeerklärung nicht wegen Irrtums über den erreichten Zustand des Werks anfechten (München NJW 2012, 397, 398). Im Mietrecht ist es hingegen umstr, ob die Gewährleistungsregeln § 119 II verdrängen (dafür etwa Flume AT II § 24, 3b und – auch für die Zeit vor der Übergabe – MüKo/Häublein Vor § 536 Rn 24; aA Vor § 536 Rn 22; ferner Dötsch NZM 2011, 457, 458ff; Emmerich NZM 1995, 692, 694f; Fischer NZM 2005, 567, 570). Das RG (RGZ 157, 173) hat einen Vorrang des Mietmängelgewährleistungsrechts abgelehnt, sah allerdings entspr § 539 aF (§ 536b) eine Anfechtung bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Mieters über den Mangel als unzulässig an; der BGH hatte über die Frage bislang nicht zu entscheiden. Indes sprechen auch im Mietrecht die besseren Gründe für einen Ausschluss des § 119 II, da andernfalls dem Vermieter die Gelegenheit zur Nachbesserung genommen würde. Darüber hinaus bleibt eine Anfechtung etwa nach § 119 I, §§ 120, 123 und nach § 119 II wegen Eigenschaften, die keinen Sachmangel begründen, auch nach Gefahrübergang möglich (BGH NJW 2009, 1266, 1268). Zur Frage, ob die Anfechtung nach Übergabe nur noch ex nunc wirkt, s Rn 13. b) Außerhalb des BGB enthält etwa § 19 VVG eine Sonderregelung im Hinblick auf Irrtümer des Versicherers über gefahrerhebliche Umstände. Beim Irrtum über wesentliche Eigenschaften eines Schiedsrichters gehen die Vorschriften über die Ablehnung (§§ 1036ff ZPO) § 119 vor (BGHZ 17, 7, 8). c) Einschränkungen der Irrtumsanfechtung bestehen teilw bei Dauerrechtsverhältnissen. So sind im Gesellschaftsrecht die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zu beachten: Leidet beim Abschluss eines Vertrags über die Gründung einer Personengesellschaft die Erklärung eines Beteiligten an einem Willensmangel, so führt dieser Mangel nach Invollzugsetzung der Gesellschaft im Hinblick auf den notwendigen Schutz des Verkehrs nicht mehr zur Nichtigkeit der Gesellschaft ex tunc; vielmehr ist die Gesellschaft aufzulösen und abzuwickeln (s nur statt vieler MüKo-HGB/Fleischer § 105 HGB Rn 472ff). Ist eine Kapitalgesellschaft bereits ins Handelsregister eingetragen worden und damit entstanden, sind Willensmängel eines Beteiligten bei der Gründung sogar regelmäßig unbeachtlich (KK-AktG/Arnold § 23 AktG Rn 164ff mwN). Ebenso wirkt bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverträgen die Anfechtung wegen der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des ArbN idR nur ex nunc (Einzelheiten § 611a Rn 226ff). Dagegen ist die Anfechtung eines Mietvertrags auch nach Übergabe der Mietsache uneingeschränkt möglich, da die Schwierigkeiten, die sich bei der Rückabwicklung ergeben, keine Ausnahme von der gesetzl vorgesehenen Rückwirkung der Anfechtung rechtfertigen können (BGH NJW 2009, 1266, 1268 mwN). Zur Anfechtung einer bereits betätigten Innenvollmacht s § 167 Rn 46. d) Schließlich ist die Anfechtung auch im Wertpapierrecht nur eingeschränkt möglich: Irrtümer können bei Inhaberpapieren regelmäßig nur dem Nehmer, nicht aber späteren gutgläubigen Erwerbern entgegengehalten werden (§ 796). Entspr gilt bei Wechsel und Scheck (eingehend BeckOGK/Rehberg Rn 65; MüKo/Armbrüster Rn 22). e) Die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 schließt die Anfechtung nach § 119 nicht aus, vielmehr kann in der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auch eine Anfechtung wegen Irrtums enthalten sein (RGZ 57, 358, 362; 100, 205, 207; BGHZ 34, 32, 38f). Ob der Erklärende wegen Irrtums oder wegen arglistiger Täuschung anfechten will, ist – mangels entspr ausdrückl Erklärung – durch Auslegung zu ermitteln. Liegen beide Anfechtungsgründe vor und hat der Erklärende wegen Irrtums angefochten, ist bei seiner Ersatzpflicht nach § 122 zu berücksichtigen, dass er die Möglichkeit hatte, nach § 123 ohne entspr Ersatzpflicht anzufechten. f) Besteht für den Erklärenden ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht (etwa nach §§ 355ff iVm §§ 312g, 485, 495), wird dadurch die Anfechtung nach § 119 nicht ausgeschlossen. Auch wenn der Erklärende das RücktrittsArnold
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oder Widerrufsrecht bereits ausgeübt hat, besteht noch die Möglichkeit der Anfechtung (s nur Schreiber AcP 211, 35, 52). Ein Widerrufsrecht wird allerdings vielfach im Vergleich zur Irrtumsanfechtung der einfachere Weg für die Beseitigung einer irrtumsbedingten Willenserklärung sein; iÜ führt die Ausübung dieser Rechte nicht zur Schadensersatzpflicht aus § 122. V. Voraussetzungen. 1. Willenserklärung. Alle Tatbestände des § 119 setzen das Vorliegen einer Willenserklärung voraus. Allerdings soll die Vorschrift auf geschäftsähnl Handlungen grds entspr Anwendung finden (BGH NJW 1989, 1792; Ulrici NJW 2003, 2053, 2054f; Medicus/Petersen AT Rn 198; diff MüKo/Armbrüster Vor § 116 Rn 30), nicht aber auf Realakte (BecKOGK/Rehberg Rn 23.1; NK/Feuerborn Rn 8). Keine Rolle spielt es, ob es sich um eine empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt (Grü/Ellenberger Rn 4). Ebenso ist es unerheblich, ob eine ausdrückl oder stillschw Willenserklärung vorliegt (RGZ 134, 195, 197; BGHZ 11, 1, 5). Zu differenzieren ist dagegen hinsichtl der Anfechtbarkeit bloßen Schweigens. Grds hat Schweigen keinen Erklärungswert; die Nichtabgabe einer Willenserklärung stellt keine Willenserklärung dar und ist daher nicht anfechtbar (Celle NJW 1970, 48; NK/Feuerborn Rn 7; s auch BVerwG NJW 2010, 3048, 3049 für den unterbliebenen Widerruf eines Prozessvergleichs). Das Gleiche gilt, wenn das Gesetz Schweigen als Ablehnung behandelt (zB § 108 II, § 177 II); denn eine Anfechtung könnte nur zur Beseitigung der Ablehnung, nicht aber zu einer Zustimmung führen (NK/Feuerborn Rn 7; Hanau AcP 165, 220, 224). Soweit Schweigen dagegen ausnahmsw positive Erklärungswirkung hat, ist eine Anfechtung grds möglich (s Vor § 116 Rn 11). 2. Beachtlicher Irrtum. a) Irrtum. Der Irrtum ist die unbewusst unrichtige Vorstellung von der Wirklichkeit. Er muss nicht nur auf einer falschen, sondern kann auch auf einer fehlenden Vorstellung von einem Sachverhalt beruhen (BAG NJW 1960, 2211, 2212). Ein Irrtum liegt dagegen nicht vor, wenn der Erklärende die Möglichkeit bewusst in Kauf nimmt, dass seine Vorstellung unrichtig oder lückenhaft ist, zB weil er sich darüber im Klaren ist, dass er die wirtschaftliche und rechtl Tragweite der Erklärung nicht übersieht oder weil er bewusst die Unkenntnis des Inhalts in Kauf nimmt (BGH NJW 1951, 705). Daher kann der Unterzeichner einer Urkunde nicht anfechten, wenn er bewusst weder Kenntnis von dem Inhalt genommen hat noch eine Vorstellung über den Inhalt der Urkunde hat; denn es ist kein Geschäftswille vorhanden, der von der Erklärung abweichen könnte (RGZ 77, 309, 312; BAG NJW 1971, 639, 640; BGH NJW 2002, 956, 957). Dies soll auch dann gelten, wenn die Unkenntnis darauf beruht, dass der Erklärende die Sprache nicht versteht, in der die Urkunde abgefasst worden ist (Köln VersR 2000, 243; LG Memmingen NJW 1975, 451, 452). Dagegen ist eine Anfechtung möglich, wenn der Erklärende zwar ein Schriftstück unterzeichnet hat, ohne es zu lesen, aber über dessen Inhalt eine Vorstellung hatte, die sich als falsch herausstellt (BAG NJW 1971, 639, 640; BGHZ 1995, 190, 191; diff Flume AT II § 23, 2b). Praktisch führt diese Abgrenzung dazu, dass eine Anfechtung jedenfalls dann in Betracht kommen wird, wenn die Urkunde einen Inhalt hatte, mit dem der Unterzeichner unter keinen Umständen rechnen musste; denn gewisse Mindestvorstellungen über den Inhalt der Urkunde wird der Erklärende stets haben (Staudinger/Singer Rn 11f; vgl auch BeckOGK/Rehberg Rn 123). Möglich ist eine Anfechtung entspr diesen Grundsätzen ferner dann, wenn der Unterzeichnende eine Urkunde in der irrigen Annahme, es handele sich um eine gegenständlich andere Urkunde, unterschreibt, oder eine nach seinem Diktat fehlerhaft abgefasste Urkunde ohne weitere Prüfung abzeichnet (Flume AT II § 23, 2b). Ging der Erklärende schließlich irrtümlich davon aus, die von ihm ungelesen unterschriebene Urkunde enthalte keine rechtserhebliche Erklärung, kann er bereits entspr § 119 wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins anfechten (s Vor § 116 Rn 15). Die gleichen Grundsätze gelten bei der Vereinbarung von AGB, die der Erklärende zuvor nicht gelesen hat (Grü/ Ellenberger Rn 9). Hat der Vertragspartner des Verwenders von dem Inhalt der AGB weder konkrete Vorstellungen noch Kenntnis, so liegt kein zur Anfechtung berechtigender Irrtum vor, wenn die AGB von seinen Vorstellungen abweichen. Handelt es sich allerdings um überraschende Klauseln, werden sie nicht Vertragsbestandteil (§ 305c), so dass es einer Anfechtung nicht bedarf. Hatte der Erklärende dagegen konkrete Vorstellungen vom Inhalt der AGB und stimmten diese Vorstellungen nicht mit dem tatsächlichen Inhalt überein, liegt ein Inhaltsirrtum vor (Soergel/Harke Rn 10; Staudinger/Singer Rn 26). Abw sind dagegen die Fälle eines abredewidrig unterzeichneten Blanketts zu behandeln. Zwar hat auch hier die Urkunde einen anderen Inhalt, als der Erklärende annimmt, und der Erklärende ist dieses Risiko bewusst eingegangen, indem er die vollständige Urkunde nicht vor der Unterzeichnung gelesen hat. Jedoch ergibt sich die Haftung des Blankettausstellers ggü (gutgläubigen) Dritten bei abredewidriger Ausfüllung des Blanketts entspr § 172 aus dem von ihm durch die Weitergabe gesetzten Rechtsschein (BGHZ 40, 65, 68; 40, 297, 304f; 113, 48, 53; BGH NJW 1996, 1467, 1469; Staudinger/Singer Rn 31; Medicus/Petersen AT Rn 913); eine Anfechtung scheidet daher aus (aA noch RGZ 105, 83, 185). Ist der Blankettnehmer zugleich Erklärungsempfänger, erwirbt dieser durch die abredewidrige Ausstellung von vornherein keine Rechte; einer Anfechtung bedarf es nicht (Soergel/Hefermehl Rn 16). Eine Anfechtung kommt entspr § 166 I allerdings in Betracht, wenn der Blankettnehmer nicht absichtlich, sondern irrtümlich falsch ausfüllt (Staudinger/Singer Rn 31f). b) Beachtlichkeit des Irrtums. Nicht alle Irrtümer des Erklärenden sind relevant. Beachtlich sind nach § 119 drei Fälle des Irrtums. § 119 I behandelt den Fall, dass jemand „bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war“ (Inhaltsirrtum), und den Fall, dass der Erklärende „eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte“ (Erklärungsirrtum). Nach § 119 II ist dem Inhaltsirrtum der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person oder der Sache gleichgestellt.
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aa) Erklärungsirrtum (Abs I Fall 2). Beim Erklärungsirrtum wählt der Erklärende unbewusst ein falsches Erklärungszeichen. Er äußert tatsächlich etwas anderes, als er äußern wollte, zB weil er sich verspricht, verschreibt oder vergreift. Notwendig ist also ein Fehler bei der Erklärung. Kein Erklärungsirrtum liegt daher vor, wenn der Erklärende ein Preisschild falsch abliest und deswegen in seinem Angebot einen zu niedrigen Preis nennt (Staudinger/Singer Rn 34; Habersack JuS 1992, 548, 551; aA LG Hannover NJW-RR 1986, 156; Grü/Ellenberger Rn 10); der Irrtum erfolgt in diesem Fall bereits im Vorfeld der Erklärung und stellt daher einen unbeachtlichen Motivirrtum dar. Gleiches gilt, wenn der Erklärende einen zu niedrigen Preis angibt, weil er eine veraltete Preisliste benutzt (LG Bremen NJW 1992, 915). Bei elektronischen (automatisierten) Willenserklärungen sind dagegen teilw auch Fehler im Vorfeld der Erklärung beachtlich: So soll ein Erklärungsirrtum auch dann vorliegen, wenn sich der Erklärende bei der Eingabe der Daten in das System vertippt (Hamm NJW 1993, 2321; AG Lahr NJW 2005, 991; Mehrings MMR 1998, 30, 31) oder die Erklärung durch einen Computerfehler verfälscht wird (BGH NJW 2005, 976, 977, wo allerdings wohl eher ein Inhaltsirrtum vorlag, s Singer LMK 2005, 67, 68). Dagegen liegt ein unbeachtlicher Motivirrtum vor, wenn die falschen Daten in das System eingegeben werden (BGH NJWRR 2009, 1641, 1643; Staudinger/Singer Rn 36f; Mehrings MMR 1998, 30, 32). Ebenso bilden Softwarefehler keinen Erklärungs-, sondern einen Motivirrtum (Frankfurt BKR 2005, 117, 119; skeptisch Spindler JZ 2005, 793, 794). bb) Inhaltsirrtum (Abs I Fall 1). Beim Inhaltsirrtum (Bedeutungsirrtum) verwendet der Erklärende zwar die Erklärungszeichen, die er gebrauchen will; er misst diesem Erklärungstatbestand aber einen anderen Sinn (Bedeutung, Tragweite) bei, als ihm obj (am Erklärungsort) zukommt. Bei obj Mehrdeutigkeit liegt hingegen bei Verträgen Dissens vor; zur Abgrenzung vgl Rn 5. Um festzustellen, ob der in der Erklärung nicht zum Ausdruck gekommene Wille von dem obj Erklärungstatbestand abweicht, ist zunächst durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermitteln, was Inhalt der abgegebenen Willenserklärung ist (zum Verhältnis von Auslegung und Anfechtung vgl Rn 4 sowie Staudinger/Singer Rn 39ff). Typischer Fall für einen Inhaltsirrtum ist der sog Verlautbarungsirrtum, bei dem der Erklärende einen Begriff in Unkenntnis seiner obj Bedeutung in einem anderen als dem obj Sinne verwendet. Hierunter fällt etwa die Verwechselung von Münzbezeichnungen oder Gewichts- oder Maßeinheiten (LG Hanau NJW 1979, 721: 25 Gros Rollen Toilettenpapier). Ferner kommt die falsche Verwendung fach- oder fremdsprachlicher Ausdrücke in Betracht (BeckOK/Wendtland Rn 31). Freilich ist der Anwendungsbereich des Abs I Fall 1 nicht auf die Fälle des Verlautbarungsirrtums beschränkt. Ein Inhaltsirrtum ist vielmehr auch dann möglich, wenn der Erklärende die Erklärungszeichen zwar in ihrem obj richtigen Sinn verwendet, aber sich bei der Auslegung ein vom Willen des Erklärenden abw Inhalt der Erklärung ergibt. (1) Identitätsirrtum. Eine Erklärung ist auch dann nach Abs I Fall 1 anfechtbar, wenn sich der Erklärende über die Identität des Geschäftspartners oder des Geschäftsgegenstands (error in persona/error in objecto) irrt. So liegt ein derartiger Identitätsirrtum etwa vor, wenn die falsche Grundbuchbezeichnung für ein Grundstück verwendet wird oder versehentlich der falsche Handwerker beauftragt wird (Grü/Ellenberger Rn 11, 13; Staudinger/ Singer Rn 45). Ebenso kann der Irrtum über den Inhalt des erworbenen Rechts nach Abs I beachtlich sein (RGZ 95, 112, 115). Im Einzelfall kann sich hier allerdings das Problem der Abgrenzung zum Eigenschaftsirrtum nach Abs II ergeben. Insoweit wird man unterscheiden müssen, ob mit der Erklärung der Geschäftsgegenstand oder -gegner körperlich zutr identifiziert worden ist (Flume AT II § 23, 4b; Neuner AT § 41 Rn 52f; Jauernig/Mansel Rn 9): Ist bereits dies nicht gelungen, liegt ein Inhaltsirrtum vor. Ist dagegen der Gegenstand bzw die Person körperlich zutr identifiziert worden, weist aber nicht die erwarteten Eigenschaften auf, so kann sich eine Anfechtbarkeit allein aus Abs II ergeben. Entspr muss bei Gattungskäufen gelten: Eine Anfechtung nach Abs I kann nur in Betracht kommen, wenn das benutzte Erklärungszeichen nicht die Gattung kennzeichnet, die der Erklärende meinte. Dagegen genügt es nicht, wenn der Erklärende bei seiner Erklärung die Vorstellung hatte, die Gattung weise Eigenschaften auf, die diese tatsächlich nicht hat (vgl Flume AT II § 23, 4c; Medicus/Petersen AT Rn 764; teilw abw wohl MüKo/Armbrüster Rn 82 und die sogleich zu erörternde Lehre von der Sollbeschaffenheit). (2) Irrtum über die Sollbeschaffenheit? Zu abw Ergebnissen kommt in diesem Zusammenhang freilich die sog Lehre vom Irrtum über die Sollbeschaffenheit. Ein solcher soll vorliegen, wenn die Eigenschaften, die die Person oder Sache nach dem Inhalt der Willenserklärung haben sollen, nicht mit den Eigenschaften übereinstimmen, die der Erklärende zum Inhalt seiner Erklärung machen wollte (s nur Soergel/Harke Rn 6). Eine derartige Erweiterung des Inhaltsirrtums ist indes abzulehnen (Flume AT II § 23, 4c; Staudinger/Singer Rn 48). Der Erklärende irrt sich in diesen Fällen nicht über die Bedeutung des von ihm benutzten Erklärungszeichens, sondern nur über die Beschaffenheit des damit beschriebenen Erklärungsgegenstands. Dies ist aber kein Irrtum bei der Erklärungshandlung, sondern ein bloßer Motivirrtum. (3) Irrtum über den Geschäftstyp. Der Irrtum des Erklärenden kann sich auch auf den Geschäftstyp beziehen. So kann ein Patient anfechten, der sich über die wahre Bedeutung des von ihm unterzeichneten Krankenhausvertrags geirrt hat (LG Köln NJW 1988, 1518). Geht der Erklärende irrtümlich davon aus, dass durch seine Erklärung kein Vertrag, sondern lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis begründet wird, liegt ein Fall fehlenden Erklärungsbewusstseins vor, und die Anfechtung ist entspr § 119 I möglich (s Vor § 116 Rn 15; aA Karlsruhe NJW 1989, 907, 908; Grü/Ellenberger Rn 12, die eine Anfechtung für ausgeschlossen halten). Soweit der Erklärende iÜ über die Geschäftsart irrt, handelt es sich vielfach um einen – sogleich zu behandelnden – Irrtum über die Rechtsfolge (s dazu auch Jauernig/Mansel Rn 8). Arnold
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Rechtsgeschäfte
(4) Irrtum über die Rechtsfolge. Irrtümer über die Rechtsfolge stellen einen unbeachtlichen Motivirrtum dar, wenn der Erklärende über Rechtsfolgen irrt, die das Gesetz zusätzl an seine Willenserklärung knüpft (RGZ 88, 278, 284; BGHZ 70, 47, 48; 134, 152, 156; BGH NJW 2008, 2442, 2443; 2016, 2954, 2955; Staudinger/Singer Rn 67ff; Flume AT II § 23, 4d). Da die Rechtsfolge in diesem Fall nicht Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung geworden ist, fallen Wille und Erklärung nicht auseinander. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der Erklärende die fragliche Rechtsfolge überhaupt nicht kennt oder irrtümlich Tatsachen annimmt, bei deren Vorliegen die gesetzl Rechtsfolge nicht einträte (Flume AT II § 23, 4d). Unbeachtlich ist daher der Irrtum über das Bestehen eines gesetzl Rücktrittsrechts (BGH NJW 2002, 3100, 3103). Kein Anfechtungsrecht besteht ferner, wenn der Verkäufer irrtümlich der Ansicht ist, er hafte nicht für Mängel (Flume AT II § 23, 4d; Neuner AT § 41 Rn 89), oder der Übernehmer über einzelne Regelungen des übernommenen Vertrags irrt (BGH NJW 1999, 2664, 2665). Ebenso ist es unerheblich, wenn den Parteien ein bestehendes Vorkaufsrecht nicht bekannt ist (Stuttgart NJW 1987, 571, 572) oder jemand in das Handelsgeschäft eines Einzelkaufmanns eintritt, ohne die damit verbundene Haftung für die Altschulden nach § 28 HGB zu kennen (RGZ 76, 439, 440; Flume AT II § 23, 4d). Kein Anfechtungsrecht soll auch bestehen, wenn eine schwangere Arbeitnehmerin nicht weiß, dass sie durch den Aufhebungsvertrag oder die eigene Kündigung auch ihre Ansprüche nach dem Mutterschutzgesetz verliert (BAG NJW 1983, 2958; 1992, 2173; anders Staudinger/Singer Rn 75). Bei einer Zwangsversteigerung kann der Bieter sein Gebot nicht wegen eines Irrtums über den Umfang der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte anfechten (BGH NJW 2008, 2442, 2443). Bildet dagegen der erstrebte rechtl Erfolg einen Bestandteil der Erklärung, stellt eine irrige Vorstellung von dieser Rechtsfolge einen Inhaltsirrtum dar (RGZ 88, 278, 284; 89, 29, 33f; BGH NJW 2006, 3353, 3355; 2016, 2954, 2955; Soergel/Harke Rn 38; Staudinger/Singer Rn 67f); denn die Erklärung hat einen anderen Sinn, als der Erklärende mit ihr verbindet und entfaltet gerade nicht die gewollten Rechtsfolgen. Daher ist derjenige zur Anfechtung berechtigt, der eine Sache in der irrigen Annahme „verleiht“, dass damit eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung gemeint sei (Staudinger/Singer Rn 69). Wer vertragl Erklärungen abgibt oder ihnen zustimmt, ohne zu wissen und zu wollen, dass hierdurch ein bereits bestehender Vertrag abgeändert wird, kann ebenso anfechten (Grü/Ellenberger Rn 15). Ein Inhaltsirrtum liegt ferner vor, wenn eine Hypothek in der irrigen Annahme bestellt wird, sie erhalte die zweite Rangstelle, während sie tatsächlich die erste Rangstelle erhält (RGZ 89, 29, 33f; Flume AT II § 23, 4d). Gleiches soll gelten, wenn der Inhaber einer erstrangigen Eigentümergrundschuld diese löschen lässt und gleichzeitig beantragt, dass hierdurch eine drittrangige Hypothek den ersten Rang erhalten soll (RGZ 88, 278, 284ff; Grü/Ellenberger Rn 15; anders Flume AT II § 23, 4d, der den Fall bereits im Wege Auslegung lösen will). Im Erbrecht soll ein Anfechtungsrecht nach § 119 I bestehen, wenn der Erblasser die gesetzl Erben als Erben einsetzt und dabei über den Kreis der gesetzl Erben irrt (RGZ 70, 391, 394; i Erg auch Flume AT II § 23, 4d). Gleiches soll bei einer Ausschlagung gelten, bei der der Ausschlagende über die Person des stattdessen Berufenen irrt (Brandenburg ZEV 2022, 716; Frankfurt NJW-RR 2021, 800); s aber auch Hamm FamRZ 2022, 1652, 1653). Zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft s § 1954 Rn 3ff. (5) Kalkulationsirrtum. Beim Kalkulationsirrtum (Berechnungsirrtum) irrt der Erklärende entweder über einen Umstand (Rechnungsfaktor), den er seiner Berechnung (Kalkulation) zugrunde legt, oder er irrt bei der Berechnung selbst. Wird dem Geschäftsgegner in einer Willenserklärung lediglich das Ergebnis einer Berechnung bekannt gegeben, nicht aber die Kalkulationsgrundlage (interner bzw verdeckter Kalkulationsirrtum), so handelt es sich nur um einen unbeachtlichen Motivirrtum; eine Anfechtung ist nicht möglich (BGHZ 139, 177, 180f; BGH NJW-RR 1986, 569, 570; 2003, 921, 923; NJW 2002, 2312; Staudinger/Singer Rn 51; Pawlowski JZ 1997, 741; aA Birk JZ 2002, 446, 449f). Hat der andere Teil den Fehler erkannt, kann ihn jedoch eine Pflicht treffen, den anderen Teil auf den Berechnungsfehler hinzuweisen; andernfalls haftet er nach § 311 II, § 280 I (BGHZ 139, 177, 184; BGH NJW 1980, 180; 2015, 1513; NJW-RR 1986, 569; für teleologische Extension der Irrtumsvorschriften Staudinger/Singer Rn 64). IÜ kann der Empfänger wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) die Durchführung des Vertrags nicht verlangen, wenn er ein Vertragsangebot annimmt und auf der Durchführung des Vertrags besteht, obwohl er weiß (oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme entzieht), dass dem Angebot ein Kalkulationsirrtum des Erklärenden zugrunde liegt, und die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist (BGHZ 139, 177, 184; München NJW 2003, 367; Neuner AT § 41 Rn 83). Für den Fall, dass die fehlerbehaftete Kalkulation im Zusammenhang mit der Willenserklärung offengelegt wird (offener oder externer Kalkulationsirrtum) und damit der Fehler für den Geschäftsgegner erkennbar war, ließ das RG die Anfechtbarkeit wegen Inhaltsirrtums zu, da die Kalkulation Inhalt der Erklärung geworden sei (RGZ 64, 266, 268; 90, 268, 271; 162, 198, 201). Das sollte zB für einen Kaufpreis gelten, der nach einem unrichtigen Börsenkurs (RGZ 116, 15, 17) oder nach einem falschen Devisenkurs (RGZ 105, 406, 407) berechnet wurde, oder auch für den Fall, dass der Kalkulationsirrtum auf einem Rechenfehler beruhte, der bei der Preisberechnung in Gegenwart des Geschäftsgegners unterlief (RGZ 101, 107, 108). Diese Ansicht ist indes überholt. Inzwischen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass es sich bei dem erkennbaren externen Kalkulationsfehler ebenfalls um einen schon zum Stadium der Willensbildung des Erklärenden gehörenden (einseitigen) Irrtum im Beweggrund handelt, der von keinem der gesetzl Anfechtungsgründe erfasst wird (BGHZ 139, 177, 182f; Staudinger/Singer Rn 53; Flume AT II § 23, 4e; Medicus/Petersen AT Rn 757ff). Dem ist zuzustimmen: Nicht jede Information, die ein Teil in Vertragsverhandlungen einbringt, ist schon dadurch Inhalt seiner Willenserklärung. Der externe Kalkulationsirrtum ist idR wie der interne ein Irrtum im Motiv. Das Motiv wird nicht ohne weiteres schon dadurch zum Inhalt der Erklärung, dass der Erklärende es dem Erklärungsempfänger mitteilt. Die gewollte und die obj 342
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Willenserklärung
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Bedeutung der Erklärungshandlung stimmen in diesen Fällen überein. Das Risiko einer einseitigen unrichtigen Kalkulation muss im Regelfall der Erklärende tragen. IÜ lässt sich der Schutz des Erklärenden beim offenen Kalkulationsirrtum auch ohne Rückgriff auf die Irrtumsanfechtung sicherstellen. Insb kann die Auslegung vielfach bereits zu dem Ergebnis führen, dass die Parteien nicht zu dem falsch berechneten Endbetrag abschließen wollten; die Angabe des unrichtigen Betrags stellt in diesem Fall eine unschädliche falsa demonstratio dar (Frankfurt WM 2001, 565; LG Aachen NJW 1982, 1106; MüKo/Armbrüster Rn 95; Neuner AT § 41 Rn 74f; vgl auch BGH NJW 2006, 3139). Voraussetzung ist freilich, dass beide Parteien übereinstimmend nicht das konkrete Ergebnis, sondern die Berechnungsgrundlagen für wesentlich halten. Dem nah verwandt sind Fälle, in denen sich beide Parteien gemeinschaftl über die Berechnungsgrundlage geirrt haben. Sie lassen sich unschwer über die Grundsätze zum Fehlen der Geschäftsgrundlage (§ 313) lösen (BGHZ 46, 268, 273; Staudinger/Singer Rn 60; Neuner AT § 41 Rn 76ff). Handelt es sich dagegen um eine einseitige Kalkulation, soll § 313 nur anwendbar sein, wenn der Vertragspartner sich die unrichtige Kalkulation soweit zu eigen gemacht hat, dass eine Verweigerung der Anpassung gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstoßen würde (BGH NJW-RR 1995, 1360; s auch BGH NJW 1981, 1551, 1552). Bestand zw den Parteien kein Einvernehmen hinsichtl der Berechnungsgrundlagen, so kann bei offengelegter Kalkulation zunächst eine Perplexität der Erklärung des Irrenden in Betracht kommen (Medicus/Petersen AT Rn 759). Ergibt die Auslegung der Erklärung des einen Teils, dass dieser nur zum korrekten Preis kontrahieren wollte, während der andere Teil zum – falsch berechneten – Endpreis abschließen wollte, ist infolge Dissenses bereits kein Vertrag zustande gekommen (Grü/Ellenberger Rn 21). IÜ sind die Grundsätze über das Verschulden bei Vertragsverhandlungen heranzuziehen: Hat der Erklärungsgegner selbst in zurechenbarer Weise den Kalkulationsirrtum herbeigeführt, haftet er dem Erklärenden nach § 311 II, § 280 I auf Vertragsaufhebung (Neuner AT § 41 Rn 85; Medicus/Petersen AT Rn 761; für Anfechtungsrecht Staudinger/Singer Rn 57). Ferner kann ein derartiger Anspruch aus cic im Einzelfall bestehen, wenn der Erklärungsgegner es unterlassen hat, den Erklärenden auf einen erkannten Kalkulationsirrtum hinzuweisen (s schon Rn 30). Zuletzt kann es dem Erklärungsgegner nach Treu und Glauben verwehrt sein, bei einem erkannten Kalkulationsirrtum Vertragsdurchführung zu verlangen (s Rn 30). Notwendig ist freilich stets die Kenntnis des Irrtums; bloße Erkennbarkeit genügt nicht (BGHZ 139, 177, 184; BGH NJW 1980, 180). Dem soll es allerdings gleichstehen, wenn der Erklärungsempfänger sich bewusst einer Kenntnisnahme verschlossen hat (BGHZ 139, 177, 180; Staudinger/Singer Rn 66). cc) Eigenschaftsirrtum (Abs II). Anders als bei den in Abs I geregelten Irrtümern fallen beim Eigenschaftsirrtum gem Abs II Wille und Erklärung nicht auseinander. Vielmehr irrt der Erklärende über außerhalb der Erklärung liegende Umstände, die ihn zur Abgabe der Erklärung bewegt haben. Daher liegt es nahe, den Erklärungsirrtum als ausnahmsw beachtlichen Motivirrtum anzusehen (so Neuner AT § 41 Rn 51; Grü/Ellenberger Rn 23; Staudinger/Singer Rn 79). Freilich ist diese Einordnung nicht unstr. Nach anderer Auffassung soll es sich um einen Erklärungsirrtum eigener Art handeln (Schmidt-Rimpler FS Lehmann, 1956, 213, 220ff; Soergel/Harke Rn 6). § 119 II diene als Auslegungsregel nur der Klarstellung, dass Eigenschaften einer Person oder Sache auch dann zum gewollten Inhalt der Willenserklärung gehörten, wenn der Erklärende es unterlassen habe, die Eigenschaft, die er sich vorstelle, „unmittelbar“ in seiner Erklärung zu bezeichnen. Schließlich wird vertreten, dass auch die Vorstellungen über die Eigenschaften einer Person oder Sache Bestandteil der Willenserklärung sein könnten; beachtlich sei der Eigenschaftsirrtum nicht infolge des Irrtums, sondern aufgrund der Tatsache, dass der Gegenstand bzw die Person hinsichtl seiner/ihrer Eigenschaften nicht dem Rechtsgeschäft entspreche (Lehre vom geschäftlichen Eigenschaftsirrtum, s Flume AT II § 24, 2b). Konsequenzen hat diese Kontroverse für den Anwendungsbereich der Vorschrift und dabei insb für das Merkmal der „Verkehrswesentlichkeit“ (Medicus/Petersen AT Rn 768). Allerdings haben sich hier inzwischen praktisch die unterschiedlichen Standpunkte weitgehend angenähert (s Rn 36). (1) Eigenschaften. Unter den Eigenschaftsbegriff des Abs II fallen neben den auf der natürlichen Beschaffenheit beruhenden Merkmalen auch die tatsächlichen und rechtl Verhältnisse der Sache oder der Person zur Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsanschauung Bedeutung für die Wertschätzung oder Verwendbarkeit haben (BGHZ 16, 54, 57; 34, 32, 41; 88, 240, 245). Ganz vorübergehende Erscheinungen scheiden regelmäßig als Eigenschaften iSd § 119 II aus (Grü/Ellenberger Rn 24); ebenso zählen zukünftige Umstände nicht zu den Eigenschaften (RGZ 85, 322, 324f; Stuttgart MDR 1983, 751). Zudem sollen die Beziehungen einer Sache zu ihrer Umwelt nach Auffassung der Rspr nur dann eine Eigenschaft darstellen, wenn sie in der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen und den Kaufgegenstand kennzeichnen oder näher beschreiben (BGHZ 16, 54, 57; 70, 47, 48; aA Staudinger/Singer Rn 88). (2) Verkehrswesentlichkeit. Das Merkmal der Verkehrswesentlichkeit bildet die entscheidende Grenze für die Irrtumsanfechtung. Seine Auslegung wurde lange kontrovers diskutiert (s Staudinger/Singer Rn 80f und Erman/ Palm12 Rn 43). Inzwischen dürfte freilich im Grundsatz Einigkeit darüber bestehen, dass der Begriff weder rein subj noch rein obj bestimmt werden kann. So sind nach Auffassung der Rspr zwar grds nur solche Eigenschaften als verkehrswesentlich anzusehen, die infolge ihrer Beschaffenheit und vorausgesetzten Dauer nach den Anschauungen des Verkehrs Einfluss auf die Wertschätzung der Person oder Sache auszuüben pflegen (BGHZ 16, 54, 57; 88, 240, 245f). Doch verlangt der BGH weiterhin, dass auf das angefochtene Geschäft und seine Zielsetzung abgestellt wird. Als verkehrswesentlich dürften „nur solche Eigenschaften … berücksichtigt werden, die von dem Erklärenden in irgendeiner Weise erkennbar dem Vertrag zugrunde gelegt worden sind“ (BGHZ 88, 240, 246; s auch schon BGHZ 16, 54, 57). Damit kommt die Rspr regelmäßig zu den gleichen Ergebnissen wie die Lehre vom geArnold
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Rechtsgeschäfte
schäftlichen Eigenschaftsirrtum, die nur solche Eigenschaften als verkehrswesentlich ansieht, auf welche sich das Rechtsgeschäft kraft besonderer Bestimmung oder nach der Art des Geschäftstypus bezieht (Flume AT II § 24, 2d; s zur Abgrenzung auch Staudinger/Singer Rn 80 und zu möglichen Unterschieden im Detail Medicus/Petersen AT Rn 768f). Gehört eine Eigenschaft zu dem (durch Auslegung ermittelten) Inhalt der Erklärung, so kann damit auch ein nur subj erheblicher Umstand eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellen (s nur BGHZ 88, 240, 245f: Werkvertrag mit einem nicht in die Handwerksrolle eingetragenen gewerblichen Bauhandwerker). Liegt keine entspr Erklärung vor, gelten die typischen Eigenschaften als vereinbart. Einschränkungen hinsichtl Verkehrswesentlichkeit könnten sich freilich im Anwendungsbereich des AGG ergeben (vgl dazu auch Grü/Ellenberger Rn 26): Wenn dieses eine Benachteiligung aufgrund bestimmter Umstände verbietet, liegt es nahe, auch eine auf entspr Gründe gestützte Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums nicht zuzulassen (s dazu schon Erman/Palm12 Rn 45). (3) Person. Als Person iSv Abs II ist zunächst derjenige anzusehen, auf den sich die fehlerhafte Willenserklärung bezieht; es kann aber auch ein Dritter sein (RGZ 98, 206, 207; 158, 166, 170; Staudinger/Singer Rn 89), wenn es nach dem Sinn und Zweck des Geschäfts um dessen Eigenschaften geht, zB bei einem Vertrag zugunsten Dritter. Ausnahmsw kann es auch auf die Eigenschaften des Erklärenden selbst ankommen, zB wenn er bei einem Vertrag über eine persönliche Leistung irrtümlich annimmt, dass er die zur Erbringung der Leistung erforderlichen persönlichen Eigenschaften besitzt (Flume AT II § 24, 4; MüKo/Armbrüster Rn 136), oder wenn er bei der Übernahme einer Nebentätigkeit nicht wusste, dass sie mit seiner Haupttätigkeit nicht vereinbar ist (Düsseldorf JW 1921, 537). Als verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person kann etwa der Gesundheitszustand in Betracht kommen; dies gilt jedoch nur, soweit dadurch die Erfüllung der Vertragspflichten ausgeschlossen wird (BAG AP Nr 3 § 119; skeptisch Staudinger/Singer Rn 93). Schon im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz begründen dagegen bei Arbeitsverträgen grds weder die Schwangerschaft (EuGH NJW 1996, 2077) noch das Geschlecht (Staudinger/Singer Rn 94) eine verkehrswesentliche Eigenschaft. Auch die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit können relevant sein (RGZ 90, 342, 344; Soergel/Harke Rn 41). Ist eine juristische Person Vertragspartner, kommt es dabei auf ihren maßgeblichen Vertreter an (MüKo/Armbrüster Rn 137). Voraussetzung für eine Anfechtbarkeit ist aber, dass der Vertrag eine vertrauensvolle Zusammenarbeit voraussetzt. Verkehrswesentlichkeit ist daher bei Baubetreuungsverträgen (BGH WM 1970, 906f), Miet- und Pachtverträgen (RGZ 102, 225, 226) und Maklerverträgen (Staudinger/Singer Rn 90; Grü/Ellenberger Rn 26) zu bejahen, regelmäßig aber nicht bei Güteraustauschverträgen (RGZ 107, 208, 212). Vorstrafen können eine verkehrswesentliche Eigenschaft eines ArbN darstellen, wenn sie einen Bezug zu seiner Tätigkeit haben (BAG AP Nr 2 zu § 123; Staudinger/Singer Rn 91). Irrelevant soll mangelnde Wahrheitsliebe bei einem ungelernten Arbeiter sein (BAG NJW 1970, 1565, 1566). Beim Abschluss eines Personalberatungsvertrags soll die Zugehörigkeit der eingestellten Person zur Scientology-Sekte eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellen (LG Darmstadt NJW 1999, 365, 366). Verkehrswesentlich kann schließlich auch die fehlende berufliche Qualifikation sein. So kann ein Werkvertrag mit einem Handwerkerbetrieb, der nicht in die Handwerkerrolle eingetragen ist, anfechtbar sein, wenn der Betrieb als Meisterbetrieb dargestellt wird und es dem Kunden gerade darauf ankam (Hamm NJW-RR 1990, 523). Hat der Besteller nicht deutlich gemacht, dass er hierauf Wert legt, scheidet eine Anfechtung jedoch aus (BGHZ 88, 240, 246; LG Görlitz NJW-RR 1994, 117, 118). Die Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit eines Darlehensnehmers sollen eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellen (RGZ 66, 385, 389; Staudinger/Singer Rn 92; MüKo/Armbrüster Rn 138; Soergel/Harke Rn 41). Soweit es um Vorleistungspflichten im gegenseitigen Vertrag geht, ist dabei allerdings der Vorrang des § 321 zu beachten (s Rn 8). Bei Bargeschäften spielt die Kreditwürdigkeit dagegen regelmäßig keine Rolle (RGZ 105, 206, 208f). Ferner kann die Übernahme einer Bürgschaft nicht wegen Irrtums über die Solvenz des Hauptschuldners angefochten werden, da der Bürge nach dem Sinn des Vertrags gerade auch für dieses Risiko einstehen soll (RGZ 134, 126, 129; BeckOGK/Rehberg Rn 62; MüKo/Habersack § 765 Rn 39; Flume AT II § 24, 4). Ebenso sind der Irrtum des Bürgen über die Verwendung des Kredits, das Bestehen von Ausgleichsansprüchen bei Zahlung oder andere Sicherheiten unbeachtlich (Staudinger/Singer Rn 89). Dagegen berechtigt den Gläubiger der Irrtum über die Zahlungsfähigkeit des Bürgen zur Anfechtung des Kreditgeschäfts mit dem Hauptschuldner (MüKo/Armbrüster Rn 139; Medicus/Petersen BürgR Rn 137). (4) Sachen. Der Sachbegriff des Abs II ist nicht mit dem des § 90 identisch. Erfasst sind nicht nur körperliche Gegenstände, sondern jeder Gegenstand, der von der Verkehrsanschauung als Objekt des Rechtsverkehrs anerkannt ist (RGZ 149, 235, 238; BGH WM 1963, 252, 253; BGH LM § 779 Nr 2; Staudinger/Singer Rn 95), zB Forderungen, Rechte oder auch Sachgesamtheiten wie Unternehmen oder eine Erbschaft (Brandenburg ZErb 2019, 262). Die Sache muss aber Objekt des Rechtsgeschäfts sein (Grü/Ellenberger Rn 27). Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache sind etwa: ihr Alter (BGHZ 78, 216, 221; BGH NJW 1979, 160, 161); ihre Herkunft oder ihre Echtheit (BGH NJW 1989, 2597, 2599) sowie das Vorhandensein eines Gutachtens, das die Echtheit bestätigt (BGH NJW 1972, 1658), nicht aber die gemeinsame Überzeugung der Vertragsparteien von der Echtheit (Düsseldorf NJW 1992, 1326); der Stammbaum eines Pferdes (Hamm NJW 2019, 3287, 3288); Stoff und Bestand (RGZ 101, 64, 68); der Umfang eines Nachlasses (BGHZ 106, 359, 363; Düsseldorf NJWE-FER 1999, 242; BayObLG NJW-RR 1999, 590, 592; KG FamRZ 2019, 1114, 1115; Brandenburg ZErb 2019, 262) und die Höhe einer Forderung, die Gegenstand eines Rechtsgeschäfts ist (str, Grü/Ellenberger Rn 27; aA BGH LM Nr 2 § 779). Keine wesentlichen Eigenschaften bilden dagegen zB künftige Änderungen in der 344
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Willenserklärung
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Rspr oder der Gesetze in einer Frage, die die Sache betreffen (RGZ 112, 329, 332), behauptete, wissenschaftlich aber nicht belegte Gesundheitsgefahren (LG Karlsruhe MMR 2005, 860, 862), das Eigentum an einer Sache (BGHZ 34, 32, 41) sowie die Nichtexistenz der Sache und schließlich im Gegensatz zu den wertbildenden Faktoren der Wert oder Marktpreis einer Sache (BGHZ 16, 54, 57; BGH WM 1963, 252, 253) und die Kaufkraft des Geldes (RGZ 11, 257, 259). Bei Grundstücken und Grundstücksrechten sind – bezogen auf den Käufer – die Grenzen (RG Recht 1912 Nr 2797), der Umfang und die Lage (RGZ 161, 330, 333), die Bebaubarkeit (BGHZ 34, 32, 41), die Freiheit des Grundstücks von Baubeschränkungen und Straßenbaukosten (RG JW 1912, 850) oder von öffentlichen Lasten, Festlegungen eines Bebauungsplans (Köln VersR 2000, 243), das Recht, die Bebauung des Nachbargrundstücks zu verbieten (RGZ 61, 84, 87) oder die Kinderfreundlichkeit einer vermieteten Wohnung (LG Essen NZM 2006, 294) als wesentliche Eigenschaften angesehen worden, nicht aber der Energieverbrauch, da dieser auch vom Nutzungsverhalten der Bewohner und vom Wetter abhänge (so – allerdings in der Sache nicht überzeugend – Schleswig BeckRS 2017, 114295). Aus der Sicht des Verkäufers sollen die Genehmigungsfähigkeit des Grundstückskaufpreises und die Höhe von Grundstücksbelastungen keine verkehrswesentlichen Eigenschaften sein (Schleswig VIZ 1993, 34, 35f). Für die Eigenschaft eines Grundpfandrechts kommt es nur auf das Recht selbst, nicht aber auf die wirtschaftlichen und rechtl Verhältnisse des belasteten Grundstücks an (RGZ 149, 235, 238). dd) Motivirrtum. Außerhalb des Abs II berechtigen Irrtümer im Beweggrund (Motivirrtümer) nicht zur Anfechtung. Vielmehr ist der einseitige Motivirrtum regelmäßig unbeachtlich (s schon Vor § 116 Rn 20; anders für vom Geschäftspartner verschuldete oder erkannte Motivirrtümer Staudinger/Singer Rn 78). Ausnahmen von diesem Grundsatz sieht das Erbrecht in § 2078 II, §§ 2079, 2308 vor. Unerhebliche Motivirrtümer sind demnach etwa Irrtum über den Wert einer Sache (s Rn 41), ein Irrtum über die Entwicklung der Kaufkraft des Geldes (RGZ 111, 257, 260), der Irrtum über das Bestehen einer Verpflichtung beim Anerkenntnis (RGZ 156, 70, 74), Kalkulationsirrtümer (s Rn 30) oder Irrtümer über eine kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge (Rn 28). Grds beachtlich sind dagegen beiderseitige Motivirrtümer. Hier gehen beide Vertragspartner übereinstimmend von einem bestimmten unrichtigen Motiv aus. Derartige Irrtümer sind gem § 313 II nach den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäftsgrundlage zu beurteilen (s Vor § 116 Rn 21). 3. Kausalzusammenhang. Voraussetzung für das Anfechtungsrecht nach § 119 ist, dass der Irrende seine Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde (§ 119 I). Damit stellt das Gesetz auf die subj und obj Erheblichkeit des Irrtums ab (s auch Staudinger/Singer Rn 101). Auf ein Verschulden des Erklärenden kommt es nicht an, so dass auch ein grob fahrlässiger Irrtum eine Anfechtung nicht ausschließt. Die Kausalität des Irrtums für die Willenserklärung ist demnach zunächst subj zu ermitteln. Die subj Erheblichkeit des Irrtums ist zu verneinen, wenn der Erklärende auch ohne den Irrtum die Erklärung abgegeben hätte. Hat der Erklärende zB bei seiner Erklärung ein Risiko bewusst in Kauf genommen und verwirklicht sich dieses Risiko, so fehlt es bereits an der subj Kausalität. Ist die subj Erheblichkeit gegeben, ist das obj Element der verständigen Würdigung zu prüfen. Hierfür kommt es darauf an, ob der Erklärende aus nachvollziehbaren Motiven, also „frei von Eigensinn, subj Launen und törichten Anschauungen“ (RGZ 62, 201, 206; BGH NJW 1988, 2597, 2599; BAG NJW 1991, 2723, 2726) gehandelt hat. Notwendig ist also eine Beurteilung der individuellen Umstände des Erklärenden aus der Sicht eines vernünftigen Dritten. Die obj Kausalität wird idR fehlen, wenn der Erklärende wegen des Irrtums wirtschaftlich keine Nachteile erleidet (RGZ 128, 116, 121; Zweibrücken FGPrax 1996, 113, 114). Doch kann etwa beim Verkauf von Kunstgegenständen eine abw Beurteilung geboten sein (BGH NJW 1988, 2597, 2599). An der obj Erheblichkeit fehlt es ferner, wenn der Irrtum sich lediglich auf unwesentliche Vertragspunkte bezieht (RG Recht 1915 Nr 2214; Staudinger/Singer Rn 101) oder wenn der Anfechtende zur Abgabe der entspr Willenserklärung verpflichtet war (München WRP 1985, 237, 238). VI. Verzicht, Abdingbarkeit und Verwirkung. Der Erklärende kann auf ein bereits entstandenes Anfechtungsrecht verzichten (s nur Staudinger/Singer Rn 105). Große praktische Bedeutung hat dies wegen der kurzen Anfechtungsfrist freilich nicht. Möglich ist auch eine nachträgl Bestätigung (§ 144). Daneben kann die Irrtumsanfechtung auch individualvertragl im Voraus abbedungen werden (MüKo/Armbrüster Rn 155; Staudinger/Singer Rn 105). Dagegen wird ein Verzicht in AGB regelmäßig an § 307 I scheitern (so für den Ausschluss des Einwands von Preis- und Kalkulationsirrtümern im Bauträgervertrag BGH NJW 1983, 1671; ferner BeckOGK/Rehberg Rn 45.3; Grü/Ellenberger Rn 3; Staudinger/Singer Rn 105). Wird vertragl die Gewährleistung wegen Sachmängeln wirksam ausgeschlossen, so ist damit auch eine Irrtumsanfechtung nach § 119 II ausgeschlossen (BGHZ 63, 376f; Soergel/Hefermehl Rn 73); denn der Vorrang der §§ 434ff vor der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtum muss auch dann bestehen, wenn im konkreten Fall keine Rechte wegen eines Sachmangels geltend gemacht werden können (vgl Staudinger/Singer Rn 111). Nach allg Grundsätzen kann auch eine Verwirkung eines bereits entstandenen Anfechtungsrechts in Betracht kommen (vgl § 242 Rn 123ff; ferner MüKo/Armbrüster Rn 155). Daneben kann ein Anfechtungsrecht wegen eines Irrtums von vornherein nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein. Das Anfechtungsrecht scheidet insb aus, wenn der Erklärungsempfänger damit einverstanden ist, dass das vom Erklärenden Gewollte statt des irrtümlich Erklärten gilt (Verbot des venire contra factum proprium); die Anfechtung gewährt dem Irrenden kein Reurecht (BeckOGK/Rehberg Rn 42; Grü/Ellenberger Rn 2; Flume AT II § 21, 6; Lobinger AcP 195, 274ff).
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VII. Beweislast. Wer sich auf die Nichtigkeit einer Willenserklärung wegen Irrtumsanfechtung beruft, muss sämtliche Voraussetzungen der Anfechtung beweisen (LAG Düsseldorf NZA-RR 2002, 12, 14; NK/Feuerborn Rn 80). Dazu zählt neben dem Vorliegen des Irrtums auch die Erheblichkeit des Irrtums. Für den Nachw, dass der Erklärende die irrtumsbedingte Willenserklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung nicht abgegeben haben würde, reicht es aus, wenn er die Tatsachen beweist, die diesen Schluss rechtfertigen (RG HRR 1935 Nr 1372; Staudinger/Singer Rn 119).
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Anfechtbarkeit wegen falscher Übermittlung
Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung. 1. Bedeutung. Benutzt der Erklärende eine Mittelsperson oder eine Einrichtung, um seine Willenserklärung zu übermitteln, und wird die Erklärung unrichtig übermittelt, so behandelt das Gesetz diesen Übermittlungsfehler wie einen Irrtum in der Erklärungshandlung nach § 119 I Fall 2. Die Erklärung ist anfechtbar; solange sie nicht angefochten ist, bleibt sie wirksam. Das Risiko der Falschübermittlung trifft also im Verkehrsschutzinteresse den Erklärenden; das gilt unabhängig davon, ob der Erklärende sich der Übermittlung auf eigenen Wunsch bedient oder ob er dabei nach den Vorstellungen des Erklärungsempfängers handelt. 2. Voraussetzungen. a) Übermittlung durch eine Person oder Einrichtung. Zur Übermittlung einer fremden Willenserklärung muss eine Übermittlungsperson oder Einrichtung eingesetzt werden. Als Übermittlungspersonen kommen auch Dolmetscher (BGH WM 1963, 165, 166) in Betracht. Die Übermittlungsperson überbringt keine eigene, sondern eine fremde Willenserklärung. Deshalb greift § 120 nicht ein, wenn die Erklärung durch einen Stellvertreter abgegeben wird; dieser gibt eine eigene Erklärung ab (§ 164). In diesem Fall kommt es nur auf die Willensmängel des Vertreters an (§ 166 I). Ebenso ist die Vorschrift nicht auf die Falschübermittlung durch einen Empfangsboten anwendbar; dieses Risiko trägt der Empfänger. Der Begriff Einrichtung soll eine umfassende Regelung auch für die Fälle sicherstellen, in denen sich der Erklärende zur Übermittlung seiner Willenserklärung nicht einer bestimmten Person, sondern einer organisatorischen Einheit bedient. Der Begriff ist entspr weit zu interpretieren. Er umfasst unabhängig von der jew Organisation und Übermittlungstechnik alle – öffentlichen und privaten – Einrichtungen, die – auf welche Weise auch immer – eine fremde Willenserklärung an den Adressaten übermitteln. Dazu gehören insb Post und Telekom und alle anderen Anbieter, die Briefe, E-Mails, Fax, SMS etc übermitteln (vgl Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3, 13f). Unter § 120 fallen auch automatisierte, von einem Computer erstellte Erklärungen (Frankfurt MMR 2003, 405, 406; Hamm NJW 2004, 2601; Hoffmann NJW 2003, 2576, 2577); auch solche Erklärungen haben ihren Ursprung in einer willensgetragenen menschlichen Handlung. Eine fernmündliche Erklärung (zB über Telefon) ist hingegen regelmäßig nach § 119 zu behandeln, weil keine Fremdübermittlung stattfindet (diff aber BeckOGK/Rehberg Rn 11). b) Unrichtige Übermittlung. Der Bote oder die Einrichtung müssen die Erklärung unrichtig übermitteln. Dabei spielt das Maß der Verfälschung im Interesse des Verkehrsschutzes keine Rolle. Eine unrichtige Übermittlung liegt daher selbst dann vor, wenn die Erklärung völlig verändert wird (Grü/Ellenberger Rn 3). Ebenso liegt eine unrichtige Übermittlung auch noch bei einer Übermittlung an den falschen Empfänger vor (Soergel/Harke Rn 5). Allerdings wird in derartigen Fällen vielfach die Erklärung aus Sicht des Empfängers keinen Sinn ergeben, so dass es bereits an einer Willenserklärung fehlt. Die Unrichtigkeit freilich muss gerade im Übermittlungsprozess verursacht sein (vgl auch BGH NJW 2005, 976, 977 zum Fortwirken eines Fehlers bei der Übermittlung einer Aufforderung zum Angebot). Bei der Übermittlung an einen falschen Empfänger ist daher eine Berufung auf § 120 nicht möglich, wenn dieser vom Erklärenden selbst versehentlich benannt worden ist. Ebenso werden Fehler bei der Erklärung, die auf technische Mängel des Eingabegeräts oder die vom Erklärenden verwendete Software zurückzuführen sind, von der Vorschrift nicht erfasst; in diesen Fällen kommt aber ggf eine Anfechtung gem § 119 I in Betracht (Hamm NJW 1993, 2321). Die Falschübermittlung muss unbewusst erfolgt sein. Bei der bewussten Falschübermittlung (zB bei vorsätzlicher Verfälschung oder freier Erfindung der Willenserklärung) ist § 120 dagegen nicht anwendbar; denn in diesem Fall gibt der „Bote“ eine eigene Willenserklärung ab, die dem Erklärenden nicht zurechenbar ist. Deshalb wird der Geschäftsherr nicht gebunden; eine Anfechtung ist nicht erforderlich (hM, vgl BGH BB 1963, 204; Hamm VersR 1984, 173; Koblenz BB 1994, 819, 820; Oldenburg NJW 1978, 951; Kiehnle RabelsZ 2001, 317, 330ff; aA Marburger AcP 173, 137, 143ff; BeckOGK/Rehberg Rn 23f; Soergel/Harke Rn 6; ähnl MüKo/Armbrüster Rn 5). Der Bote wird in diesem Fall wie ein vollmachtloser Vertreter behandelt (Oldenburg NJW 1978, 951; Grü/Ellenberger Rn 4); wenn also der Erklärende die unrichtige Erklärung nicht genehmigt (§ 177), haftet der bewusst falsch Übermittelnde nach § 179. Entspr gilt, wenn der Bote gar nicht zur Übermittlung der Erklärung beauftragt worden war oder der Übermittlungsauftrag noch vor Weiterleitung der Willenserklärung widerrufen worden ist (BGH NJW 2008, 2702, 2705). Im letzten Fall wird man aber nach dem Rechtsgedanken des § 172 II dennoch eine Bindung des Erklärenden annehmen müssen, wenn der Bote von einer urkundlich verkörperten Willenserklärung Gebrauch macht (Staudinger/Singer Rn 3). c) Keine Kenntnis des Empfängers. Der Erklärungsempfänger darf keine Kenntnis vom wahren Willen des Geschäftsherrn haben. Denn dann liegt eine falsa demonstratio vor (§ 133 Rn 18), so dass für eine Anfechtung 346
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Willenserklärung
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kein Bedürfnis besteht. Dagegen soll nach verbreiteter Auffassung die Anwendbarkeit des § 120 nicht ausgeschlossen sein, wenn der Empfänger den Übermittlungsfehler erkennen hätte können oder müssen (so Erman/ Palm12 Rn 4; ferner NK/Feuerborn Rn 9; BeckOK/Wendtland Rn 7); das Kennenmüssen des Erklärungsempfängers sei allein im Rahmen des § 122 II von Bedeutung. Dies trifft freilich in dieser Allgemeinheit nicht zu. Wenn der Empfänger den Übermittlungsfehler erkennen konnte, wird die Auslegung nach dem obj Empfängerhorizont vielfach dazu führen, dass die Erklärung in dem vom Erklärenden gemeinten Sinn auszulegen ist oder es bereits an einer eindeutigen Erklärung fehlt. Dann bedarf es aber gar keiner Anfechtung mehr. Ebenso bedarf es selbstverständlich keiner Anfechtung mehr, wenn die Erklärung aufgrund der Verfälschung bei der Übermittlung keinen Sinn mehr ergibt. 3. Rechtsfolgen. Die Willenserklärung ist vom Geschäftsherrn anfechtbar. Macht er von seinem Anfechtungsrecht rechtzeitig Gebrauch (§ 121), ist die Willenserklärung rückwirkend vernichtet (§ 142). Der Anfechtende ist dem Anfechtungsgegner nach § 122 zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet; dabei kommt es auf ein Verschulden des Boten nicht an. Es kann auch eine Haftung des Geschäftsherrn aus cic (§ 311 II) in Betracht kommen, wenn er sich bei der Übermittlung einer unzuverlässigen Person bedient hat oder sonstige ihm zurechenbare Fehler vorliegen (skeptisch Staudinger/Singer Rn 4). Der Übermittler haftet dem Geschäftsherrn aus dem Rechtsverhältnis, das die Übermittlerstellung begründet (MüKo/Armbrüster Rn 9); bei bewusster Entstellung kommt auch eine Schadensersatzpflicht nach § 826 in Betracht (RG SeuffA 94 Nr 70). Auch ggü dem Erklärungsempfänger kann sich eine Haftung des Boten aus unerlaubter Handlung ergeben. Bei der Haftung der Anbieter von Telekommunikationsleistungen wegen unrichtiger Übermittlung einer Willenserklärung ist § 70 TKG zu beachten.
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Anfechtungsfrist
(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist. (2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind. 1. Bedeutung. Die Vorschrift setzt dem Wahlrecht des Anfechtungsberechtigten, ob er sich von seiner irrtums- 1 bedingten Erklärung lösen will, in den Fällen der §§ 119, 120 zeitl Grenzen. Die von der Norm angeordneten äußerst kurzen Fristen sollen den Anfechtungsgegner schützen und verhindern, dass der Anfechtungsberechtigte zB bei Verträgen über Waren, die starken Preisschwankungen unterliegen, auf Kosten des Anfechtungsgegners spekulieren kann (Prot S 235). Erfolgt die Anfechtung nicht innerhalb der von § 121 bestimmten Fristen, so ist der Erklärende an seine Erklärung gebunden. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist: Der Verlust des Anfechtungsrechts durch Zeitablauf ist im Prozess von Amts wegen zu beachten (MüKo/Armbrüster Rn 19). 2. Ausschlussfrist des Abs I. a) Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Der Anfechtungsberechtigte muss nach 2 Abs I die Anfechtung unverzüglich erklären, sobald er positive Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt hat. Dabei ist ihm die Kenntnis seines Vertreters gem § 166 zuzurechnen, soweit dieser auch zur Anfechtung berechtigt ist (BGH MDR 1965, 646; BVerwG NJW 2010, 3048, 3049). Die Kenntnis des Anfechtungsgrundes muss freilich nicht den Grad voller Wahrheitsüberzeugung erreicht haben (Neuner AT § 41 Rn 25; zu § 1954 auch BayObLG NJW-RR 1998, 797, 798; KG NJW-RR 2004, 941, 942f). Ggf soll der Anfechtungsberechtigte daher auch zu einer Eventualanfechtung verpflichtet sein (Grü/Ellenberger Rn 2; Neuner AT § 41 Rn 25; vgl zu einer derartigen vorsorglichen Anfechtung BGH NJW 1968, 2099; 1979, 765). Einfache Zweifel, Vermutungen sowie das bloße Bestehen von Verdachtsgründen genügen dagegen ebenso wenig wie die fahrlässige Unkenntnis des Irrtums (BGH WM 1973, 750, 751; vgl ferner ebenso zu § 123 BAG NJW 1984, 446, 447 und zu § 1954 BayObLG NJW-RR 1998, 797, 798; MüKo/Armbrüster Rn 6). Den Anfechtungsberechtigten trifft auch keine Nachforschungspflicht. Positive Kenntnis ist aber ausnahmsw dann anzunehmen, wenn der Anfechtungsberechtigte vor dem sich aufdrängenden Anfechtungsgrund geradezu die Augen verschlossen hat (Staudinger/Singer Rn 5; MüKo/Armbrüster Rn 6). Relevant ist iÜ allein die Kenntnis des Anfechtungsgrundes, nicht aber der Anfechtungsbedürftigkeit: Kennt der Anfechtungsberechtigte also die die Anfechtbarkeit begründenden Tatsachen, irrt aber über die Anfechtungsbedürftigkeit, ist seine Kenntnis zu bejahen (RGZ 134, 29, 32; zu § 1954 auch BayObLG NJW-RR 1997, 72, 74; DNotZ 1999, 78, 80; MüKo/Armbrüster Rn 6). Liegen mehrere Anfechtungsgründe vor, so beginnt die Frist jew mit Kenntnis des einzelnen Grundes (BGH NJW 1966, 39; BeckOGK/Rehberg Rn 19; Staudinger/Singer Rn 4). b) Unverzüglichkeit. Die Anfechtung muss unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, erklärt werden. 3 Hierbei handelt es sich um eine Legaldefinition, die für das gesamte Privatrecht wie auch für das öffentliche Recht gilt (zB § 377 I, III HGB, § 92 AktG, § 216 II ZPO, § 68b I Nr 8 StGB, § 23 II 3 VwVfG). Die Definition des § 121 I 1 ist im Zweifel auch dann maßgeblich, wenn der Begriff „unverzüglich“ in einem Rechtsgeschäft verwendet wird (RGZ 75, 354, 357; Bamberg NJW 1993, 2813, 2814; Hamm NJW-RR 2004, 58, 59; s ferner etwa zu § 2 VIII Nr 2 VOB/B BGH NJW 1994, 1108, 1109).
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Ob ein Zögern schuldhaft, dh vorsätzlich oder fahrlässig ist, lässt sich nur nach einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles entscheiden; dabei müssen die Interessen des Anfechtungsgegners nach Beschleunigung mit der für den Anfechtenden gegebenen Notwendigkeit zur Prüfung und Überlegung abgewogen werden. Unverzüglich bedeutet nicht „sofort“ (s nur RGZ 124, 116, 118); vielmehr steht dem Anfechtungsberechtigten eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist zu (BGH NJW 2005, 1869; Staudinger/Singer Rn 9). Soweit dies erforderlich ist, kann der Anfechtungsberechtige vorher Rechtsrat einholen (BAG NJW 1991, 2723, 2725; Oldenburg NJW 2004, 168). Allerdings wird in diesen Fällen als zeitl Obergrenze vielfach eine Frist von zwei Wochen angenommen (Düsseldorf NJOZ 2004, 2078; Hamm NJW-RR 1990, 523; Oldenburg NJW 2004, 168; LG Hamburg NJW-RR 2004, 1568, 1569; skeptisch Staudinger/Singer Rn 9). Darüber hinaus kann eine Verzögerung durch einen Rechtsirrtum über die Anfechtungsbedürftigkeit gerechtfertigt sein (RGZ 152, 232); jedoch ist hier beim Verschulden ein strenger Maßstab anzulegen. Bei der Anfechtung von Arbeitsverträgen soll generell die in § 626 II für die außerordentliche Kündigung festgelegte Frist von zwei Wochen heranzuziehen sein; dabei soll es sich allerdings nur um eine Höchstfrist handeln, die nicht generell ausgeschöpft werden darf (BAG NJW 1980, 1302, 1303; 1991, 2725, 2726 mwN; WM 1984, 353). Muss für den minderjährigen Erklärungsgegner ein Pfleger bestellt werden, hat dies ebenfalls unverzüglich zu erfolgen (RGZ 156, 334, 336f). c) Relevanter Zeitpunkt für die Anfechtungserklärung. Für die Anfechtung unter Abwesenden enthält Abs I S 2 zur Risikoverteilung eine Sonderregelung: Abw von sonstigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen kommt es für die Rechtzeitigkeit der Anfechtungserklärung nicht auf den Zugang, sondern auf deren unverzügliche Absendung an den Anfechtungsgegner (§ 143 II-IV) an; das Verzögerungsrisiko trägt in diesem Fall der Anfechtungsgegner. Diese Regelung gilt allerdings dann nicht, wenn der Anfechtende schuldhaft einen umständlichen Übermittlungsweg wählt; nicht rechtzeitig ist daher die Anfechtung in einer bei Gericht eingereichten Klageschrift (BGH NJW 1975, 39; BVerwG NJW 2010, 3048, 3050; BeckOGK/Rehberg Rn 20.3; Staudinger/Singer Rn 11). Die Anfechtungserklärung wirkt nach allg Regeln mit dem Zugang; erst zu diesem Zeitpunkt tritt die (rückwirkende) Nichtigkeit ein. § 121 I 2 betrifft nur die Verzögerungsgefahr, nicht aber die Verlustgefahr. Bei Verlust der Anfechtungserklärung soll aber der Erklärende sich dennoch von seiner Erklärung lösen können, indem er die Anfechtung unverzüglich erneut erklärt (Grü/Ellenberger Rn 4; Soergel/Hefermehl Rn 10; ähnl auch die hM beim entspr § 355 I 5, s nur Dresden NJW-RR 2000, 354; MüKo/Fritsche § 355 Rn 57). d) Beweislast. Die Beweislast für die Kenntnis des Anfechtungsberechtigten vom Anfechtungsgrund und für die Verzögerung der Anfechtungserklärung trägt der Anfechtungsgegner (BGH NJW 1983, 2034, 2035; BAG NJW 1980, 1302, 1303). Für mangelndes Verschulden hinsichtl der Verzögerung ist der Anfechtende beweispflichtig (BGH WM 1959, 348, 349; BAG NJW 1980, 1302, 1304; München NJW-RR 1988, 497, 498; Brandenburg NJW-RR 2002, 578, 580). 3. Ausschlussfrist nach Abs II. Das Anfechtungsrecht erlischt endgültig mit Ablauf der in Abs II bestimmten Frist; diese betrug entspr der Höchstfrist der regelmäßigen Verjährung bis zum 31.12.2001 30 Jahre, seither 10 Jahre (Überleitungsvorschrift Art 229 § 6 I, V EGBGB). Die Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob der Anfechtungsberechtigte den Anfechtungsgrund kannte oder nicht. Die Frist kann weder gehemmt werden noch ist ein Neubeginn möglich; sie wird nur gewahrt, wenn die Anfechtungserklärung innerhalb der Höchstfrist nach Abgabe der Willenserklärung zugeht. Abs I S 2 ist auf diese Ausschlussfrist auch nicht entspr anwendbar.
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Schadensersatzpflicht des Anfechtenden
(1) Ist eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder aufgrund der §§ 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem, andernfalls jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat. (2) Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste). 1. Bedeutung. § 122 schützt das Vertrauen auf die Gültigkeit einer gem § 118 nichtigen Scherzerklärung oder einer nach §§ 119, 120 mit Erfolg angefochtenen Willenserklärung. Zum Ausgleich dafür, dass der Erklärende nicht (mehr) an den obj Erklärungstatbestand gebunden ist, hat derjenige, der auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut hat, unabhängig vom Verschulden des Erklärenden einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Der Grund für diese Haftung nach dem Veranlassungsprinzip (BGH NJW 1969, 1380) liegt in der Risikoverteilung; der Mangel der Erklärung gehört zum Risikobereich des Erklärenden. Kennt der Anspruchsteller den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit oder musste er ihn kennen, so tritt die Schadensersatzpflicht nach Abs II nicht ein, da kein schutzwürdiges Vertrauen zu berücksichtigen ist. 2. Anwendungsbereich. Die Schadensersatzpflicht besteht nach dem Gesetzeswortlaut nur, wenn die Willenserklärung nach § 118 (Scherzerklärung) nichtig ist oder wenn sie durch Anfechtung nach §§ 119, 120 rückwirkend vernichtet wurde. Dies gilt allerdings nicht, wenn neben den §§ 118, 119 oder 120 zugleich andere Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe vorliegen. Für die Testamentsanfechtung ist die Vorschrift aufgrund der ausdrückl Anordnung des § 2078 III nicht anwendbar.
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Willenserklärung
§ 122
Von jeher wird aber über eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift durch Analogie diskutiert. Weitgehend unstr ist eine entspr Anwendung inzwischen bei fehlendem Erklärungsbewusstsein (s Vor § 116 Rn 15). Möglich soll eine analoge Anwendung der Vorschrift auch in Fällen einer abhanden gekommenen Willenserklärung sein, in denen der Erklärende die Erklärung noch zurückhalten wollte, diese aber aufgrund eines in seine Risikosphäre fallenden Umstands dennoch abgeschickt worden ist (MüKo/Armbrüster Rn 6; Canaris JZ 1976, 134; für cic aber wohl Medicus/Petersen AT Rn 267 iVm 608). Ebenso soll die Vorschrift entspr angewendet werden, wenn eine Gutschrift von der Bank storniert werden kann (eingehend Staudinger/Singer Rn 5). Dagegen kann der Regelung nicht der allg Grundsatz entnommen werden, dass derjenige, der auf die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts vertraut hat, vom anderen Teil Schadensersatz verlangen kann, wenn das Rechtsgeschäft aufgrund eines allein in dessen Person liegenden Grundes nichtig ist (NK/Feuerborn Rn 4; Grü/Ellenberger Rn 2; aA noch RGZ 170, 65, 69). Daher lässt sich etwa über eine entspr Anwendung der Vorschrift keine Haftung des Vertretenen bei Geschäftsunfähigkeit des Vertreters herleiten (ebenso Staudinger/Singer Rn 5; aA Ostheim AcP 169, 193, 222; MüKo/Armbrüster Rn 8). Vielmehr trägt nach der gesetzl Regelung grds jeder das Risiko dafür, dass der mit ihm Verhandelnde geschäftsfähig ist. Eine Haftung des Vertretenen lässt sich nur aus Verschulden bei Vertragsschluss ableiten, wenn er schuldhaft die Geschäftsunfähigkeit des Vertreters übersehen hat. Ebenso ist eine analoge Anwendung des § 122 bei absichtlicher Falschübermittlung durch den Boten abzulehnen (aA Marburger AcP 173, 137, 155f; MüKo/Armbrüster § 120 Rn 4; s zu der Problematik auch § 120 Rn 5). Schließlich ist eine entspr Anwendung beim Dissens nicht zu begründen, da in diesem Fall kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Inhalt einer Erklärung denkbar ist (Staudinger/Singer Rn 6; aA RGZ 104, 265, 268). 3. Anspruchsberechtigter. Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung (Einl § 104 Rn 15) ist immer nur der Erklärungsempfänger anspruchsberechtigt. Das gilt auch für den Vertrag zugunsten Dritter. Ebenso besteht bei der Anfechtung einer Forderungsabtretung für den Schuldner, der an den vermeintlichen Gläubiger gezahlt hat, kein Anspruch nach § 122; er ist aber durch §§ 409f geschützt. Bei einer amtsempfangsbedürftigen oder nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung ist jeder ersatzberechtigt, der auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut und deshalb einen Schaden erleidet. Daher kann auch der Gläubiger des Eigentümers eines zwangsversteigerten Grundstücks Anspruchsberechtigter sein, wenn der Meistbietende sein Gebot angefochten hat und dem Gläubiger ein Vertrauensschaden entstanden ist (BGH NJW 1984, 1950). 4. Ersatzpflicht. a) Umfang. Der Anspruch richtet sich auf den Vertrauensschaden (das negative Interesse). Der Ersatzberechtigte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut hätte. Erfasst werden also zB die Aufwendungen des Ersatzberechtigten im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss wie Beurkundungskosten, die eigenen Ersatzleistungen, die der Anspruchsteller ggü Dritten erbringen muss, oder die Aufwendungen, die mit der Durchführung des Vertrags entstanden sind. Auch die Kosten eines Prozesses, der infolge der Anfechtung verloren wird, sind zu ersetzen, wenn die Anfechtung im Prozess erklärt wird (BeckOGK/Rehberg Rn 11; Staudinger/Singer Rn 14; Grü/Ellenberger Rn 4; BeckOK/Wendtland Rn 8; NK/Feuerborn Rn 10; abl BGH NJW 1962, 1670; Celle OLG 1972, 193, 195; J. Prütting/Fischer Jura 2016, 511, 515 f unter Hinw auf den Vorrang der §§ 91ff ZPO). Ferner sind im Vertrauen auf die Gültigkeit des angefochtenen Geschäfts ausgeschlagene Gewinnmöglichkeiten durch ein anderes Geschäft zu den als Vertrauensschaden ersatzfähigen Positionen zu rechnen (BGH NJW 1984, 1950, 1951; Hamm NJW 2004, 2601, 2602). Allerdings besteht zugunsten des Geschädigten keine Vermutung, dass dieser ein anderweitiges Geschäft hätte abschließen können, mit dem er den gleichen Gewinn wie mit dem angefochtenen Geschäft hätte erzielen können, da damit aus § 122 praktisch eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse abgeleitet würde (für eine derartige Vermutung aber Harke JR 2003, 1, 3ff; dagegen zu Recht Staudinger/Singer Rn 15; BeckOGK/Rehberg Rn 12.5). Hat der Ersatzberechtigte in Erfüllung eines nichtigen Vertrags etwas geleistet, kann er das Geleistete nach § 122 zurückfordern (s nur Flume AT II § 21, 7; Willems JuS 2015, 586, 587). Dieser Anspruch geht weiter als der ebenfalls bestehende Bereicherungsanspruch nach § 812, da der Anspruch nach § 122 auch den Ersatz zufälliger Beschädigungen des geleisteten Gegenstandes umfasst. Dem Anfechtenden, der in Vollzug des angefochtenen Vertrags geleistet hat, steht dagegen nur der durch § 818 III gefährdete Anspruch aus § 812 zu (Staudinger/Singer Rn 13; J. Prütting/Fischer Jura 2016, 511, 514). b) Maßgeblicher Zeitpunkt. Für den Umfang des zu ersetzenden Vertrauensinteresses ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Ersatzberechtigte von der Unwirksamkeit der Willenserklärung erfährt oder in dem er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt die Unwirksamkeit hätte erkennen können. Das ergibt sich aus § 122 II (RG Gruch 57, 907; Staudinger/Singer Rn 16). Schäden, die nach der Kenntnis entstehen, sind also nicht zu ersetzen. c) Begrenzung durch das Erfüllungsinteresse. Begrenzt wird der Ersatz des Vertrauensschadens durch das Erfüllungsinteresse. Dieses richtet sich auf den Zustand, der bei Gültigkeit der Erklärung und ordnungsgemäßer Erfüllung der versprochenen Leistung eingetreten wäre. Der Anfechtungsgegner kann daher insb nicht den Schaden geltend machen, der ihm dadurch entstanden ist, dass er infolge des angefochtenen Geschäfts auf den Abschluss eines anderen Geschäfts verzichtet hat, mit dem er einen höheren Gewinn erzielt hätte (Medicus/Petersen AT Rn 784; Neuner AT § 41 Rn 161). Dagegen ist ein Ersatz von im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Geschäfts getätigten Aufwendungen nicht schon allein deshalb ausgeschlossen, weil der Anfechtungsgegner mit dem Geschäft keinen Gewinn erzielt hätte. Ein solches Verständnis wäre mit dem Zweck der Norm, den Anfechtungsgegner so zu stellen, als hätte er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut, nicht vereinbar (vgl überzeugend Höpfner AcP 212, 853, 866ff, der insoweit die Wertung des § 284 berücksichtigen will). Arnold
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5. Ausschluss der Ersatzpflicht nach Abs II. Die Ersatzpflicht tritt nach Abs II nicht ein, wenn der Geschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, da in diesem Fall das Vertrauen in die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht schutzwürdig ist. Die praktische Bedeutung der Vorschrift für den Fall der Kenntnis ist freilich gering: Hat der Anspruchsteller den Irrtum erkannt, so wird die Erklärung regelmäßig unabhängig von dem obj Erklärungstatbestand bereits so gelten, wie sie gewollt (und verstanden) war, und eine Anfechtung ausscheiden. Für das Kennenmüssen genügt jede Form von Fahrlässigkeit (RGZ 83, 348, 353). Es reicht zB aus, dass der Anspruchsteller ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Erklärungsübermittlung hat, aber nicht beim Erklärenden nachfragt. Durch § 122 II wird § 254 teilw verdrängt. § 254 findet aber unstr Anwendung, soweit es um den Umfang des Anspruchs geht, zB wenn der Ersatzberechtigte ihm mögliche Maßnahmen zur Minderung des Schadens unterlassen hat (RGZ 116, 15, 19; Staudinger/Singer Rn 19). Unklar ist, ob darüber hinaus entspr § 254 der Anspruch aus § 122 zu kürzen ist, wenn der Geschädigte den Anfechtungsgrund zwar nicht kannte und nicht kennen musste, er aber den Irrtum des Anfechtungsberechtigten durch sein (schuldloses oder schuldhaftes) Verhalten mit veranlasst hat (so BGH NJW 1969, 1380; BeckOGK/Rehberg Rn 15; vgl auch Soergel/Harke Rn 12). Vorzugswürdig dürfte die Auffassung sein, nach der in diesen Fällen der Anspruch aus § 122 nicht gekürzt wird, sondern aus teleologischen Gründen ganz entfallen muss (MüKo/Armbrüster Rn 23; Staudinger/Singer Rn 19; Flume AT II § 21, 7; ähnl auch schon RGZ 81, 395, 399, das mit der exceptio doli argumentierte). 6. Verhältnis zur cic. Da der Ersatzanspruch nach § 122 keinen Fall der Verschuldenshaftung darstellt, ist er von der Haftung aus cic zu trennen. Beide Ansprüche schließen einander nicht aus (s nur MüKo/Armbrüster Rn 13; Staudinger/Singer Rn 20; krit BeckOGK/Rehberg Rn 23). Die schuldhafte Abgabe der nichtigen oder anfechtbaren Erklärung kann daher als eine Verletzung der vorvertragl Sorgfaltspflicht anzusehen sein. Dabei soll auch im Überschneidungsbereich mit § 122 keine Begrenzung der Haftung aus cic auf das Erfüllungsinteresse bestehen, und statt Abs II soll § 254 gelten (MüKo/Armbrüster Rn 13; Grü/Ellenberger Rn 6; Faust AT § 21 Rn 15 aA mit beachtlichen Gründen Staudinger/Singer Rn 22; Neuner AT § 41 Rn 162; Höpfner AcP 212, 853, 858). 7. Verjährung. Vor der Schuldrechtsreform wurde angenommen, dass der Anspruch aus § 122 derselben Verjährung unterliegt wie der Erfüllungsanspruch aus dem angefochtenen Geschäft (BGHZ 57, 191, 196). An diesem Grundsatz wird man auch jetzt festhalten müssen (BeckOGK/Rehberg Rn 24; Staudinger/Singer Rn 23; aA Erman/Palm12 Rn 11). Andernfalls wäre es wegen § 199 I Nr 2 möglich, dass der Schadensersatzanspruch später verjährte und damit weiter reichen würde als der Erfüllungsanspruch. 8. Beweislast. Wer den Anspruch aus § 122 geltend macht, muss die Nichtigkeit der Erklärung nach § 118 bzw die wirksame Anfechtung nach §§ 119f, seine Zugehörigkeit zum Kreis der Anspruchsberechtigten, die Kausalität der Erklärung für den Schaden und die Schadenshöhe beweisen. Der Anspruchsgegner hat die Voraussetzungen für einen Wegfall des Anspruchs zu beweisen sowie die Behauptung, das Erfüllungsinteresse sei geringer als der geltend gemachte Schadensersatzanspruch (MüKo/Armbrüster Rn 27).
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Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste. I. Bedeutung. § 123 will die Freiheit der rechtsgeschäftlichen Willensentschließung schützen (vgl Mot I, 204). Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, dass sich eine rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, wie sie von der Privatautonomie vorausgesetzt wird, nur verwirklichen lässt, wenn sich die Willensbildung frei von Täuschung und Zwang vollziehen kann. Sie schützt nicht das Vermögen, setzt also keinen Vermögensschaden voraus (BGHZ 51, 141, 147). Freilich ist die auf arglistiger Täuschung oder widerrechtl Drohung beruhende Willenserklärung nicht von vornherein (etwa nach § 134, § 138) nichtig. Vielmehr kann der Getäuschte oder Bedrohte sich entscheiden, ob er die Willenserklärung gelten lassen will oder nicht. Will er sich von seiner Erklärung lösen, muss er sie anfechten (§ 123 I); dafür stellt ihm § 124 eine längere Frist als in den übrigen Anfechtungsfällen zur Verfügung. Auch ein Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 I) entfällt. Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen von Erklärendem und Erklärungsempfänger macht § 123 zw den beiden Tatbeständen einen Unterschied: Bei arglistiger Täuschung wird der Erklärende grds nur dann geschützt, wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung selbst begangen hat; bei Täuschung durch einen Dritten greift der Schutz des Erklärenden nur ausnahmsw ein (§ 123 II). Demggü spielt es bei der widerrechtl Drohung keine Rolle, von wem sie verübt wurde. II. Anwendungsbereich. Die Anfechtung nach § 123 ist grds bei allen privatrechtl Willenserklärungen, bei öffentlich-rechtl Verträgen (§ 62 VwVfG), sowie bei Willenserklärungen des Bürgers ggü der Verwaltung, auch bei einem gerichtlichen Vergleich (OVG Hamburg NJW 2004, 2111), nicht aber bei reinen Prozesshandlungen und Verwaltungsakten zulässig (Einzelheiten § 119 Rn 2f).
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Willenserklärung
§ 123
III. Abgrenzung. 1. Spezialvorschriften. Im Erbrecht (vgl auch § 119 Rn 7) gelten für die Anfechtung der Verfügungen von Todes wegen die Vorschriften der §§ 2078ff, 2281ff. Bei Annahme und Ausschlagung sind §§ 1949, 1954, 2308 zu beachten. Im Familienrecht ist die Aufhebung der Ehe wegen Täuschung oder widerrechtl Drohung spezialgesetzl geregelt (§§ 1313ff). Für den Versicherungsvertrag gelten hinsichtl der aufklärungspflichtigen Gefahrumstände die Regeln der §§ 19ff VVG; eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist aber nicht ausgeschlossen (§ 22 VVG; BGH NJW 2016, 394). Spezialregelungen können sich auch aus den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft ergeben (s schon § 119 Rn 13). 2. Konkurrenzen. a) Irrtumsanfechtung. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und eine solche wegen Drohung schließen sich nicht gegenseitig aus (BGH NJW-RR 1996, 1281, 1282). Neben § 123 kann zugleich ein Anfechtungsrecht nach § 119 gegeben sein: Da eine auf arglistige Täuschung gestützte Anfechtung zugleich die Behauptung eines Irrtums über diejenigen Tatsachen enthält, über die getäuscht worden sein soll, kann sie regelmäßig – auch ohne ausdrückl Erklärung – eine Irrtumsanfechtung nach § 119 enthalten (BGHZ 34, 32, 38f; 78, 216, 221; BGH NJW 1979, 160, 161; 1981, 224, 225). Ob dies der Fall ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. b) Sittenwidriges Rechtsgeschäft. Eine arglistige Täuschung ggü dem Vertragspartner allein macht ein Rechtsgeschäft noch nicht iSv § 138 sittenwidrig (BGH NJW 2021, 3179, 3183). Kommen neben der arglistigen Täuschung oder der widerrechtl Drohung weitere Umstände hinzu, kann jedoch Sittenwidrigkeit nach § 138 vorliegen (Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 101; vgl auch BeckOGK/Rehberg Rn 125). c) Rücktritts- und Kündigungsrechte. Das Anfechtungsrecht gem § 123 wird auch durch etwaige Rücktrittsrechte (zB §§ 323f), das Bestehen eines Verbraucherwiderrufsrechts (§ 355) und – bei Dauerschuldverhältnissen – durch ein Kündigungsrecht (zB § 543) nicht ausgeschlossen. Diese Rechte können vielmehr wahlweise anstelle der Anfechtung geltend gemacht werden (MüKo/Armbrüster Rn 99; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 102). Dabei wird durch die Erklärung des Rücktritts oder der Kündigung eine nachträgl Anfechtung nicht ausgeschlossen (s nur Schreiber AcP 211, 35, 52). Diese Grundsätze gelten insb auch für Arbeitsverhältnisse: Bei ihnen wird die Anfechtung nach § 123 nicht durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung ausgeschlossen (BAG NJW 1980, 1302, 1303; NJOZ 2006, 2031, 2034). Ferner wird auch im Mietrecht die Anfechtung nach § 123 nicht durch die Gewährleistungs- und Kündigungsregeln (§ 543) verdrängt (BGH NJW 2009, 1266, 1268). Entspr gilt im Kaufrecht: Die Anfechtung nach § 123 wird nicht durch die §§ 434ff verdrängt (vgl BGH NJW 2006, 2839 und – zur entspr Lösung bei der cic – BGH NJW 2009, 2120, 2122; ferner MüKo/H. P. Westermann § 437 Rn 56; Looschelders SchuldR BT, § 8 Rn 6; für das alte Schuldrecht s nur BGHZ 110, 220, 222). Ist der Vertrag wirksam angefochten, so sind Gewährleistungsansprüche allerdings grds ausgeschlossen (BGH NJW 1960, 237; Soergel/Martens Rn 14; aM Flume AT II § 31, 6; Derleder NJW 2004, 969, 970). Wird gleichzeitig neben der Anfechtung auch Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht, wird das dahin auszulegen sein, dass der Erklärende nicht anfechten, sondern unter Ablehnung der Erfüllung das positive Interesse verlangen will (MüKo/ Armbrüster Rn 102). Wird eine Klage auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags wegen eines Mangels abgewiesen, so soll die Rechtskraft dieser Entscheidung eine spätere, auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gestützte Klage ausschließen (BGH NJW 2004, 1252, 1253; krit Schulze-Schröder NJW 2004, 1364). d) Deliktische Haftung. Das Anfechtungsrecht nach § 123 konkurriert häufig mit einem Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gem § 823 II (§§ 263, 240 StGB), § 826. Bedeutsam ist das insb wegen der im Vergleich zu § 124 längeren Frist (§ 195); zudem kann der Geschädigte auch nach Fristablauf gem § 853 die Leistung verweigern. Deliktische Ansprüche führen idR nur zum Ersatz des Vertrauensschadens (BGHZ 57, 137, 139; BGH NJW 1998, 983, 984). Der Geschädigte kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn die Täuschung oder Drohung nicht verübt worden wäre. Hat er wegen des durch Täuschung oder Drohung zustande gekommenen Geschäfts es unterlassen, ein anderes Geschäft abzuschließen, so ist ihm im Rahmen des negativen Interesses auch der dadurch entgangene Gewinn zu ersetzen. Darüber hinaus soll ausnahmsw das Erfüllungsinteresse geschuldet sein, wenn die Täuschung sich auf eine werterhöhende Eigenschaft bezog (RGZ 103, 154, 160; BGH NJW 1960, 237, 238; krit Flume AT II § 31, 6). Hat ein Dritter getäuscht oder gedroht, kann – abgesehen von §§ 830f – nur von diesem ein Ersatz des Interesses verlangt werden. e) Verschulden bei Vertragsschluss. Neben einer Anfechtung nach § 123 kann wegen Verletzung vorvertragl Informationspflichten auch ein Schadensersatzanspruch aus § 311 II, §§ 280, 241 II in Betracht kommen. Problematisch ist, ob dieser Anspruch auch auf Befreiung von der Vertragspflicht gerichtet sein kann. Das wird von der Rspr mit Billigung durch einen Teil der Lit bejaht, und zwar auch für Fälle nur fahrlässiger Irreführung (BGH NJW 1962, 1196, 1198; 1968, 986, 987; 1998, 302, 303f; 1998, 898, 899; 2001, 436, 438; 2006, 845, 847; NZM 2008, 379; im Grundsatz zust etwa Canaris AcP 200, 273, 304ff; Fleischer Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 426ff; Lorenz Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997; ähnl auch Grigoleit Vorvertragliche Informationshaftung, 1997, der eine rechtsfortbildende Ausweitung des § 123 vorschlägt). Diese Rspr ist indes im Hinblick auf die gesetzl Wertung der §§ 123f höchst problematisch (abl etwa Lieb FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Köln, 1988, 252, 261ff, nach dem ein Anspruch aus cic nicht auf Vertragsaufhebung, sondern nur auf Geldersatz gerichtet sein könne; s auch Erman/Palm12 Rn 8). Sie lässt sich schwer mit der aus § 123 folgenden Wertung vereinbaren, dass allein die vorsätzliche Täuschung zur Vertragsaufhebung berechtigen soll. Zudem gerät sie in Konflikt mit § 124, da der auf cic gestützte Anspruch auf Vertragsauflösung nach Auffassung der Rspr der längeren Regelverjährung des § 195 unterliegen soll (s nur BGH NJW 1962, 1196, 1198; 1979, 1983, 1984; NJW-RR 1988, 744, 745; für eine entspr Anwendung des § 124 dagegen etwa Hamm NJW-RR 1995, 205, 206; Arnold
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Canaris AcP 200, 273, 319; Fleischer AcP 200, 91, 119; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 104). Diesen Bedenken ist der BGH indes mit dem Hinw entgegengetreten, dass eine Aushöhlung der §§ 123, 124 schon deshalb nicht gegeben sei, weil das Anfechtungsrecht die freie Selbstbestimmung schütze, während eine Vertragsaufhebung aus cic das Bestehen eines Vermögensschadens voraussetze; ein solcher liege allerdings nicht nur dann vor, wenn der Vertragsgegenstand den Kaufpreis nicht wert sei, sondern auch, wenn der Betroffene in seinen Vermögensdispositionen beeinträchtigt werde (BGH NJW 1998, 302, 304; 898, 899; abl etwa Lieb FS Medicus, 1999, 337, 342ff; ferner krit gegen diese Abgrenzung und für einen generellen Schutz der Entscheidungsfreiheit auch im Rahmen der cic etwa Canaris AcP 200, 273, 314; Fleischer AcP 200, 91, 108ff; Grigoleit NJW 1999, 900, 901f; Lorenz ZIP 1998, 1053, 1055ff). An dieser Linie hält die Rspr auch nach der Schuldrechtsreform fest (s nur BGH NJW 2006, 845, 847; NZM 2008, 379; NJW-RR 2008, 564, 565). Unverändert sollen dabei allerdings Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss im Sachbereich der §§ 434ff nach Gefahrübergang ausgeschlossen sein, soweit der Verkäufer den Käufer über die Beschaffenheit der Sache nicht arglistig getäuscht hat (BGH NJW 2009, 2120, 2120; zum alten Recht s schon BGHZ 136, 102, 109; aA BeckOK/Faust § 437 Rn 200). Dies entspricht wohl im Grundsatz der Intention des Gesetzgebers, der mit der Kodifikation der cic in § 311 II auch die Fallgruppe des nicht erwartungsgerechten Vertrags erfassen wollte. Insb wird die Problematik nicht durch § 324 erfasst, da diese Vorschrift vorvertragl Schutzpflichtverletzungen nicht erfasst und es überdies nicht sachgerecht wäre, eine Vertragsauflösung nur bei Unzumutbarkeit für den Betroffenen zuzulassen (NK/Dauner-Lieb § 324 Rn 9; Mankowski ZGS 2003, 91ff; aA BeckOK/H. Schmidt § 324 Rn 7; Grunewald FS Wiedemann, 2002, 75ff). Fraglich erscheint es indes, ob noch am Erfordernis eines Vermögensschadens festgehalten werden kann; denn nach der Gesetzesbegründung soll zu den nach § 241 II geschützten Interessen auch die Entscheidungsfreiheit gehören (BT-Drs 14/6040, 126, 163); folgt man dem, müsste ein Anspruch aus § 311 II, § 241 II wegen Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrags unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensschadens eröffnet sein (vgl auch Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 104; Kersting JZ 2008, 714, 717f). IV. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. 1. Willenserklärung. Dem Erklärenden steht ein Anfechtungsrecht zu, wenn er durch ein Verhalten des Erklärungsgegners arglistig zu der Abgabe einer Willenserklärung motiviert worden ist, die er sonst nicht oder mit anderem Inhalt abgegeben hätte. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine ausdrückl oder eine stillschw oder empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Auch eine gesetzl fingierte Willenserklärung ist anfechtbar (MüKo/Armbrüster Rn 11). Verfügungsgeschäfte sind anfechtbar, wenn sie selbst auf einer arglistigen Täuschung beruhen (Grigoleit AcP 199, 379, 404f, 419). Eine Tatsachenerklärung (zB Widerruf ehrenkränkender Behauptung) ist hingegen keine Willenserklärung; deshalb greift § 123 nicht ein (BGH NJW 1952, 417). 2. Täuschungshandlung. § 123 setzt keine besondere Art von Täuschungshandlung voraus. Man versteht darunter – wie beim Betrug (§ 263 StGB) – jedes Verhalten (Vorspiegelung falscher, Entstellung bzw Unterdrückung wahrer Tatsachen), das in dem Erklärenden eine unrichtige Vorstellung hervorrufen, bestärken oder unterhalten soll (s Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 6). Die Täuschung kann durch positives Tun oder durch Unterlassen begangen werden. a) Täuschung durch positives Tun. Die Täuschung durch positives Tun liegt in der – ausdrückl oder konkludenten – wahrheitswidrigen Behauptung von Tatsachen. Als Tatsachen kommen dabei alle obj nachprüfbaren – auch rechtl – Umstände in Betracht, die für den Entschluss des Erklärenden, das Geschäft vorzunehmen, von Bedeutung gewesen sind; bloße Werturteile oder marktschreierische Anpreisungen genügen nicht (BGH NJW 2007, 357, 359; NJW-RR 2007, 1202, 1204). IÜ kann es sich sowohl um äußere, sinnlich wahrnehmbare Umstände wie auch sog innere, die Einstellung eines Menschen betreffende Tatsachen wie etwa die Absicht, den Vertrag nicht erfüllen zu wollen, handeln (BGH LM Nr 12 § 123; NK/Feuerborn Rn 26). Ob der Erklärungsgegner verpflichtet war, bestimmte Umstände zu offenbaren, ist dagegen ohne Belang; macht er von sich aus Angaben über bedeutsame Umstände, müssen diese der Wahrheit entsprechen (BGH NJW 1964, 811). Der täuschende Inhalt der vom Erklärungsgegner gemachten Angaben ist durch Auslegung zu ermitteln. Er kann sich nicht nur aus obj unrichtigen oder unvollständigen Angaben, sondern – vor allem bei schriftlichen Äußerungen – auch aus der Aufmachung der Äußerung und/oder aus einer unklaren, irreführenden, verzerrenden oder entstellenden Darstellungsweise ergeben (BGH NJW-RR 1998, 904, 905; 2005, 1082, 1083f; vgl auch BGH NJW 2001, 2187, 2188 zu § 263 StGB). Getäuscht werden kann etwa über den Namen des Geschäftspartners (vgl RG Recht 1918 Nr 471), seine berufliche Stellung oder seine Qualifikation, über Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes (BGH NJW 1960, 237 – Kilometerstand eines Pkw; NJW 1995, 955 = LM Nr 76 „generalüberholt“; NJW 2006, 2839 – „unfallfrei“; KG OLG 1972, 402, 403 – Bezeichnung als „neu“; Düsseldorf NJW-RR 1995, 686 – Qualität einer Ferienwohnanlage bei Timesharing), selbst wenn sie nicht verkehrswesentlich (§ 119 II) sind, über die Erfolgsaussichten bei der Rechtsverfolgung aus einer Forderung (BGH VIZ 2001, 485, 487), über die Möglichkeit, den Erwerb einer Immobilie durch Erträge und Steuervorteile zu finanzieren (KG NJW 1998, 1082, 1083), durch unrichtige Angaben über die Schutzrechtslage bei einem Lizenzvertrag (BGH NJW-RR 1998, 904, 905), über die Echtheit und/ oder das Alter eines Kunstwerks oder einer Antiquität, durch die Bezeichnung eines wesentlich überhöhten Preises als „ordentlicher Preis“ (Saarbrücken OLG 1981, 248, 249) oder die unrichtige Vorspiegelung eines günstigen Preises aufgrund der Herkunft eines Kunstwerks (Hamm NJW-RR 1993, 628, 629), durch irreführende unwahre Werbung (Frankfurt NJW-RR 2005, 1145), durch die Bezeichnung eines über der Preisempfehlung des Herstellers liegenden Preises als „Sonderpreis“ (Frankfurt DAR 1982, 294), durch Anpreisen überteuerter Diamanten 352
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als Ersatzwährung (LG Frankfurt/M NJW-RR 1994, 241), durch Verteuerung eines Darlehens durch verstecktes „packing“ (Stuttgart NJW 1985, 2597, 2598), durch Äußerung einer falschen Rechtsansicht (KG OLG 1972, 257, 261; vgl auch Karlsruhe ZIP 2006, 557, 558). Eine Täuschungshandlung liegt auch darin, dass ein Stellenbewerber, von dem ein handgeschriebener Lebenslauf erbeten wird, einen Lebenslauf einreicht, den er nicht eigenhändig geschrieben hat (BAG AP Nr 24). b) Täuschung durch Unterlassen (Aufklärungspflichten). Die Täuschungshandlung kann auch in einem Unterlassen (Verschweigen) liegen, wenn ggü dem Vertragspartner – trotz der gegensätzlichen Interessen, die sich bei Vertragsverhandlungen gegenüberstehen – eine Offenbarungspflicht hinsichtl des verschwiegenen Umstandes besteht. Aufklärungspflichten sind teilw gesetzl geregelt (zB Art 246ff EGBGB, § 19 VVG). Darüber hinaus bestehen aber auch in vielen Bereichen (ungeschriebene) Aufklärungspflichten, wenn der Erklärende nach Treu und Glauben und den im Verkehr herrschenden Anschauungen im Einzelfall wegen der Bedeutung des verschwiegenen Umstandes für seine Entschließung mit einer Aufklärung rechnen durfte (BGH NJW 1970, 653, 655; 1971, 1795, 1799; 1989, 763, 764; 1998, 1315, 1316; NJW-RR 1991, 439, 440; 2008, 258, 259; BAG NZA 1991, 719; NJOZ 2004, 4096, 4098). Freilich besteht keine allg Pflicht, ungefragt alle Umstände offenzulegen (s nur BGH NJW 1983, 2493, 2494; MüKo/Armbrüster Rn 33). Vielmehr muss jede Partei grds die für ihre Entscheidung maßgeblichen Umstände selbst ermitteln (BGH NJW 2010, 3362). Eine Aufklärungspflicht kann sich daher immer nur aus besonderen Gründen anhand der Umstände des Einzelfalles ergeben (statt vieler BGH NJW 1983, 2493, 2494). Dabei kann der Pflicht zur Aufklärung auch eine Untersuchungspflicht vorausgehen (Köln NJW-RR 1997, 1214). Bestand und Umfang der jew Aufklärungspflicht werden auch vom Kenntnisstand der anderen Seite bestimmt (vgl zB Brandenburg NJOZ 2003, 3104, 3108). Eine Aufklärung kann nicht erwarten, wer über die erforderlichen Informationen in eigenen Akten oder Datenspeichern verfügt oder etwa den Mangel einer Kaufsache bei einer Aufmerksamkeit, wie sie im eigenen Interesse geboten ist, selbst feststellen kann (BGHZ 132, 30, 34; BGH NJW 2001, 64). Keine Aufklärungspflicht besteht überdies allg bei Geschäften mit spekulativem Charakter hinsichtl der spezifischen Risiken derartiger Geschäfte (NK/Feuerborn Rn 36; Grü/Ellenberger Rn 5c). aa) Gezielte Nachfrage. Zu einer wahrheitsgemäßen Aufklärung ist der Erklärungsgegner stets verpflichtet, wenn eine Nachfrage zu einem bestimmten Punkt oder zu einem Fragenkomplex erfolgt (BGHZ 74, 383, 392; BGH NJW 1977, 1914, 1915; BAG NJW 1994, 1363, 1364). Durch ein solches Verhalten bringt der Erklärende zum Ausdruck, dass dieser Umstand für seine Entschließung von Bedeutung ist. Dem Befragten steht es zwar frei, die Beantwortung ausdrückl abzulehnen. Schon die unvollständige Beantwortung kann aber eine Täuschungshandlung begründen (Mankowski JZ 2004, 121; Nürnberg DAR 1978, 198; LG Köln VersR 1978, 957); freilich wird es sich hierbei regelmäßig bereits um eine Täuschung durch positives (konkludentes) Tun handeln. Bei einer obj unrichtigen oder unvollständigen Antwort liegt gleichwohl keine Täuschung vor, soweit die Nachfrage über die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen aufmerksamen und gewissenhaften Adressaten einer solchen Frage hinausgeht (Celle NJW-RR 2006, 681, 682). Keine Täuschung liegt auch in der wahrheitswidrigen Antwort auf die Frage eines ArbGeb nach einer Schwerbehinderung, wenn diese offensichtlich war (BAG NJW 2001, 1885). Zur unwahren Beantwortung einer unzulässigen Frage vgl Rn 20. bb) Besonderes Vertrauensverhältnis. Besteht zw dem Erklärungsempfänger und dem Erklärenden ein besonderes Vertrauensverhältnis, kann dies auch für das Bestehen einer Offenbarungspflicht sprechen (NK/Feuerborn Rn 34; Grü/Ellenberger Rn 5c). Ein solches Verhältnis ist aber stets nur aus besonderen Gründen anzunehmen. Es kann vorliegen bei persönlicher, familiärer Verbundenheit der Geschäftspartner (BGH NJW 1992, 300, 302), bei langjähriger Geschäftsbeziehung der Parteien, bei Dauerschuldverhältnissen mit enger, persönlicher Vertrauensbeziehung und innerhalb von Gesellschaftsverhältnissen, insb bei Personengesellschaften (NK/Feuerborn Rn 34). cc) Besondere Stellung des Erklärenden. Aufklärungspflichten können sich auch aus der besonderen Stellung des Erklärenden und des Erklärungsgegners im Wirtschaftsverkehr ergeben. Das ist einmal der Fall, wenn dem Erklärungsgegner aufgrund seiner Fachkunde eine besondere Vertrauensstellung zukommt, auf die sich der nicht sachkundige und/oder unerfahrene Erklärende verlassen darf (zB Architekt: BGH MDR 1978, 1009; Bankier: RGZ 111, 233, 234; gewerblicher Vertreiber von Warentermin- oder Optionsgeschäften uÄ: BGHZ 80, 80, 82; 124, 151, 155; BGH NJW 1994, 997; NJW-RR 1996, 947; 1997, 176; 1998, 1271, 1272; Gebrauchtwagenhändler: Düsseldorf VersR 1993, 1027; Köln NJW-RR 1997, 1214). Aus dieser Stellung kann die Pflicht folgen, über die maßgeblichen fachlichen Umstände aufzuklären und einen zutr Rat zu erteilen. Zum anderen kann diese Pflicht auch aus einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Erklärenden folgen. Ist für den Erklärungsgegner erkennbar, dass die Erklärung maßgeblich auf der geschäftlichen Unerfahrenheit des Erklärenden beruht, trifft den Erklärungsgegner nach Treu und Glauben die Pflicht, Rücksicht zu nehmen und den unerfahrenen Geschäftspartner zunächst aufzuklären (BGHZ 47, 207, 211; BGH NJW 1992, 300, 302; 1997, 3230, 3231). Auch im Arbeitsverhältnis können sich Aufklärungspflichten des ArbGeb aus der besonderen Schutzbedürftigkeit des ArbN ergeben (BAG NJW 1989, 247 – Aufklärungspflicht bei Aufhebungsvertrag). Allerdings begründet die besondere fachliche Kenntnis oder Erfahrung eines Vertragsteils keine Pflicht, einen Kunden, der sich erfahren gibt und eine Aufklärung ausdrückl nicht wünscht, vor sich selbst zu schützen (BGH NJW-RR 1996, 947, 948; 1997, 176, 177). dd) Offensichtliche Bedeutung für den anderen Teil. Eine Aufklärungspflicht kann auch für solche Umstände bejaht werden, die nach der Interessenlage der Parteien und den Verkehrserfordernissen eine herausragende Bedeutung für den Vertrag haben. Das sind die für die Entschließung des anderen Teils offensichtlich bedeutArnold
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Rechtsgeschäfte
samen Umstände, insb solche, die den Vertragszweck vereiteln oder gefährden können (BGH NJW 1979, 2243; NJW-RR 1998, 1406). Sie müssen so bedeutsam sein, dass der Erklärungsempfänger vernünftigerweise nicht davon ausgehen konnte, der Erklärende lege auf deren Vorhandensein keinen Wert. So hat etwa der Übernehmer von Dienstleistungen, Werkleistungen oder Geschäftsbesorgungen, bei dem nach Rechtsvorschriften oder der Verkehrsüblichkeit eine bestimmte Qualifikation erwartet werden kann, den Vertragspartner darüber aufzuklären, wenn er diese Qualifikation nicht hat (Bsp bei Übernahme von Architektenleistungen: Düsseldorf NJW-RR 1993, 1173, 1175; Nürnberg NJW-RR 1998, 1713, 1714). Beim Kaufvertrag hat der Verkäufer den Käufer über solche Eigenschaften des Vertragsgegenstandes aufzuklären, die nach der Verkehrsauffassung Voraussetzung für eine sachgemäße Benutzung sind. Dabei genügt es, wenn der Verkäufer einen Mangel der Kaufsache für möglich hält und zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Kenntnis über diesen Umstand den Vertrag nicht oder nicht zu diesen Bedingungen abschließen würde (BGH NJW 2015, 1669, 1670). Hiernach besteht bei Verträgen über gebrauchte Fahrzeuge, Maschinen oÄ eine Aufklärungspflicht über einen begründeten Verdacht auf Unfallschäden (Frankfurt NJW-RR 1999, 1064), über Schwere und Ausmaß von Unfallschäden (BGHZ 29, 148, 150; 63, 382, 386; Köln NJW-RR 1995, 51; nicht dagegen bei bloßen Bagatellschäden: BGH NJW 1982, 1386), über Umstände, welche die Verkehrssicherheit und Verkehrszulassung betreffen, im Einzelfall auch über die eingeschränkte Brauchbarkeit (BGH NJW 1971, 1795, 1799) oder über ungewöhnliche Besonderheiten der Ausstattung (Düsseldorf NJW-RR 1993, 1463), nicht aber ohne weiteres über die Herstellung im Ausland (Köln NZV 1995, 485, 486; anders bei einem Gebrauchtwagen Saarbrücken NJW-RR 1999, 1063) oder über die bisherige Nutzung (Düsseldorf NJW-RR 1997, 427). Zu informieren ist ferner: über den fabrikneuen oder nicht fabrikneuen Zustand des Kaufgegenstandes (Zweibrücken NJW-RR 1998, 1211, 1212); über das Fehlen einer notwendigen öffentlich-rechtl Genehmigung (BGH NJW 1979, 2243; 1990, 1661, 1662; 2003, 2380, 2381; BGH DNotZ 2021, 35) oder einer für eine vertragsgemäße Nutzung der Kaufsache erforderliche Anzeige bei der Behörde (BGH NJW 2014, 3296, 3297); über bestandskräftige öffentlich-rechtl Nutzungsbeschränkungen (BGH NJW-RR 1988, 1290); beim Verkauf eines Grundstücks über massive alte Fundamentreste (Köln NJW-RR 2000, 1264, 1265); über die Lage eines Grundstücks im Landschaftsschutzgebiet (Oldenburg NJW-RR 2003, 448, 449); über Feuchtigkeitsschäden eines Hauses (KG MDR 2006, 200; vgl auch BGH NJW 1993, 1703, 1704); über das Fehlen einer notwendigen Hochwasserabsicherung (BGH NJW-RR 1992, 334); über Mängel der Fäkalienhebeanlage eines Hauses (BGH NJW 1990, 847); über schikanöses Verhalten von Nachbarn oder Miteigentümern (BGH NJW 1991, 1673, 1675; Hamm NJW-RR 1997, 1168); bei einem Vertrag über ein Mietobjekt über mangelnde Bonität eines Mieters (BGH NJW-RR 2003, 700, 701), nicht hingegen über eine bereits einige Zeit zurückliegende bordellähnl Nutzung eines Gebäudes (Hamm NJW-RR 2000, 1183); über die Kontaminierung eines Grundstücks mit Altölrückständen (BGH NJW 2001, 64); über die vorherige Nutzung eines Grundstücks als wilde Müllkippe oder Deponie (BGH NJW 1991, 2900, 2901; 1995, 1549, 1550), nicht dagegen ohne weiteres über den vorherigen Betrieb einer chemische Reinigung (Celle NJW-RR 1997, 848); über erheblichen Holzbockbefall (vgl BGH NJW 1965, 34), nicht dagegen über die Gefahr eines Befalls mit Hausschwamm, wenn der Käufer die gefahrbegründenden Umstände kennt (BGH NJW-RR 2003, 772). Bei einem Unternehmenskauf ist der Stand der Verbindlichkeiten zu offenbaren, wenn ihr Umfang zur Insolvenz führen und die Überlebensfähigkeit des Unternehmens gefährden kann (BGH NJW-RR 1998, 1406, 1407; NZG 2002, 644, 645). Ebenso ist über Indizien für eine dauerhafte Krise zu informieren (München NZG 2021, 423, 425). Nimmt ein Verkäufer an, dem Käufer sei es möglich, aus Indizien auf einen Mangel der Kaufsache zu schließen, so muss er von sich aus tätig werden, wenn er erkennt, dass der Käufer gleichwohl eine entspr Untersuchung der Kaufsache unterlässt (BGH NJW-RR 1997, 270). Bei Bauherrenmodellen ist über die Anhängigkeit eines finanzgerichtlichen Verfahrens hinsichtl der Steuervorteile (Düsseldorf NJW-RR 1986, 320, 321; vgl auch Nürnberg NJW-RR 2002, 1705, 1706), nicht hingegen ohne weiteres über die Risiken des Beitritts zu einem Mietpool zu informieren (BGH NJW 2007, 2396, 2397; BKR 2008, 243, 244). Beim Beitritt zu einem Fonds ist darüber zu informieren, wenn höhere Vertriebsprovisionen anfallen, als es im Prospekt angegeben ist (BGH NJW 2007, 2407, 2408; 3272, 3273; NZG 2009, 710, 713; BKR 2013, 280, 282). Dagegen liegt beim Vertrieb einer Immobilie als Kapitalanlage keine arglistige Täuschung vor, wenn auf weitere Vertriebskosten hingewiesen wird, aber deren Höhe nicht genannt wird (BGH NJW-RR 2013, 167, 169). Der (Unter-)Vermieter hat ggü dem Untermieter einen Mietrückstand im Hauptmietverhältnis zu offenbaren (BGH NJW-RR 1999, 882). Bei der Gewerberaummiete hat der Mieter den Vermieter über außergewöhnliche Umstände zu informieren, mit denen dieser nicht rechnen kann (BGH NJW 2010, 3662: geplanter Verkauf von Waren mit rechtsradikalem Bezug in einem Ladenlokal). Beim Abschluss von Versicherungsverträgen, die mit der Gesundheit des Versicherten zu tun haben (Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Krankenversicherung), bestehen weitgehende Offenbarungspflichten zu Vorerkrankungen, auch wenn nach diesen nicht gefragt worden ist (Bsp: BGH NJW-RR 1995, 216, 217; NJW 2010, 289, 290; Köln VersR 1996, 831; Saarbrücken VersR 1996, 488; KG r+s 2008, 209). Beim Abschluss einer Feuerversicherung ist über ernsthafte Brandstiftungsdrohungen aufzuklären (KG NJW-RR 1999, 100). Dabei verlieren Versicherer das Anfechtungsrecht in den genannten Fällen auch nicht dadurch, dass sie ihrer Nachfrageobliegenheit nicht nachgekommen sind (BGH NJW-RR 2007, 1519). Ebenso kann eine Anfechtung zulässig sein, obwohl der Versicherer von dem Anfechtungsgrund aufgrund einer zu weit gefassten und daher unwirksamen Schweigepflichtentbindung erfahren hat (BGH NJW 2010, 289, 290; 2011, 3149, 3150). Bei Abschluss eines Unterhaltsvergleichs ist der Unter354
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haltsgläubiger zur Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet (BGH NJW 1999, 2804). Im Fall einer Schenkung unter Ehegatten kann die Ehefrau zur Aufklärung darüber, dass das während der Ehe geborene Kind möglicherweise nicht vom Ehemann abstammt, verpflichtet sein (BGH NJW 2012, 2728, 2729). 3. Widerrechtlichkeit der Täuschung. Nach dem Gesetzeswortlaut wird nur bei der Anfechtung wegen Dro- 20 hung, nicht dagegen bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Widerrechtlichkeit vorausgesetzt. Dieser Unterschied erklärt sich daraus, dass der Gesetzgeber davon ausging, eine vorsätzliche Täuschung sei stets widerrechtl (Mugdan I, 965). Dabei hat der Gesetzgeber indes eine Problematik übersehen, die besonders im Arbeitsvertragsrecht eine Rolle spielt: Fragen des ArbGeb an den (zukünftigen) ArbN sind grds nur zulässig, soweit der ArbGeb ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Antwort im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat (BAG NJW 1958, 516, 517; 1985, 645; 1994, 1363, 1364; 1996, 2323, 2324; 2001, 1885). Da der Bewerber, wenn er eine nach diesen Grundsätzen unzulässige Frage wahrheitsgemäß beantwortete oder die Antwort verweigerte, im Regelfall die Stelle nicht bekäme, muss er zur Lüge berechtigt sein. Eine Chance, eingestellt zu werden, hat er nur, wenn er die unzulässige Frage bewusst wahrheitswidrig beantwortet. Wird er daraufhin eingestellt, kann der ArbGeb nicht mit Erfolg wegen arglistiger Täuschung anfechten. Das BAG hat in derartigen Fällen zunächst eine Anfechtung nach § 123 mangels Arglist abgelehnt (BAG NJW 1958, 516, 517; 1962, 74, 75). Richtigerweise fehlt es indes an der Widerrechtlichkeit der Täuschung (hL, s nur Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 33; ebenso wohl auch BAG NJW 1991, 2723, 2724). Eine Täuschung durch Unterlassen ist stets rechtswidrig, da sie eine Offenbarungspflicht voraussetzt. Bei einer 21 Täuschung durch positives Tun scheidet eine Rechtswidrigkeit dagegen aus, wenn eine unzulässige Frage wahrheitswidrig beantwortet wird. Unzulässig ist eine Frage, wenn der andere Teil an der wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage kein „berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse“ hat (s die Nachw in Rn 20). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob der Umstand für den angestrebten Arbeitsplatz von Bedeutung ist (s schon BAG NJW 1968, 516, 517; ferner BAG NJW 1984, 645). Andernfalls überwiegt das Interesse des ArbN am Schutz seines Persönlichkeitsrechts und an der Unverletzlichkeit seiner Individualsphäre. IÜ sind aber auch die aus speziellen Arbeitnehmerschutzgesetzen folgenden Wertungen sowie die Vorgaben des AGG zu beachten; auf Fragen, die sich auf die nach § 1 AGG unzulässigen Differenzierungsmerkmale beziehen, darf auf jeden Fall eine falsche Antwort gegeben werden (ErfK/Preis § 611a BGB Rn 296; Wisskirchen/Bissels NZA 2007, 169, 170f, dort auch zu dem Problem, ob bereits die Frage § 7 AGG unterfällt). Im Einz ist nach diesen Grundsätzen bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses die Frage nach früheren ArbGeb und der Dauer der Beschäftigung stets zulässig (LAG Köln NZA-RR 1996, 403, 404). Nach Vorstrafen darf nur gefragt werden, wenn dies obj für die Eigenart des zu besetzenden Arbeitsplatzes erforderlich ist (BAG NJW 1958, 516, 517; 1999, 3653, 3654; 2013, 1115, 1116). Werden die Vorstrafen nach §§ 33ff BZRG nicht in das Führungszeugnis aufgenommen oder sind sie getilgt (§§ 45ff BZRG), darf sich der ArbN insoweit als unbestraft bezeichnen (BAG NZA 2014, 1131, 133; ErfK/Preis § 611a BGB Rn 310). Ebenso darf nach anhängigen Straf- oder Ermittlungsverfahren nur gefragt werden, wenn diese Zweifel an der persönlichen Eignung des ArbN begründen können (BAG NJW 2013, 1115, 11116). Nach der Behinderung bzw Schwerbehinderung darf der ArbGeb dagegen im Hinblick auf die Regelungen des AGG und § 164 SGB IX grds nicht fragen (LAG Hamm 19.10.2006 – 15 Sa 740/06; ErfK/Preis § 611a BGB Rn 299; Grü/Weidenkaff § 611 Rn 6; Joussen NJW 2003, 2857, 2859f; aA noch BAG NZA 1996, 371, 372; NJW 2001, 1885). Dies soll allerdings nicht gelten, wenn die Behinderung die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich macht (ErfK/Preis § 611a BGB Rn 299). Dagegen sind Fragen nach Krankheiten in weiterem Umfang zulässig (zur Abgrenzung ErfK/Preis § 611a BGB Rn 300ff). Zwar darf nach ausgeheilten früheren Krankheiten vom ArbGeb nicht gefragt werden (Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 41); im Hinblick auf bestehende Krankheiten sind dagegen Fragen zulässig, soweit sie der Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen können (BAG NJW 1964, 1197, 1198; 1985, 645). Zulässig soll auch die Frage nach einer AIDS-Erkrankung sein (Richardi NZA 1988, 73, 74). Unzulässig ist dagegen die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit (BAG NZA 2000, 1294, 1295). Auch Fragen, die in die Intimsphäre eingreifen, müssen nicht beantwortet werden (LAG Düsseldorf BB 1972, 706). Nach einer Bereitschaft zum Wechsel des Wohnortes darf nur gefragt werden, wenn eine Vereinbarung über den zukünftigen Wohnort rechtswirksam wäre (LAG Nürnberg NZA-RR 2004, 298). Unzulässig ist auch die Frage nach dem in der vorherigen Stellung bezogenen Gehalt, wenn die bisherige Vergütung für die erstrebte Stelle keine Aussagekraft und der Bewerber sich bei seiner Gehaltsforderung auch nicht auf sein bisheriges Gehalt bezogen hat (BAG AP Nr 25). Unzulässig ist die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft (EuGH NJW 1991, 628; 2001, 123, 124; 2003, 1107; BAG NJW 1993, 1154, 155; NZA 2003, 848, 849). Im Zusammenhang mit einem Vergleich im Kündigungsschutzprozess soll auch die Frage nach einer Anschlussbeschäftigung unzulässig sein (ArbG Rheine BB 1993, 1810; aA Liebscher BB 1993, 2236, 2237). Fragen nach einer früheren MfS-Tätigkeit in der DDR sind bei Einstellung im öffentlichen Dienst grds zulässig (BVerfG NJW 1997, 2307, 2308; BAG NZA 1994, 25, 26; 1998, 1052; NJOZ 2006, 2031, 2035f). Abw gilt allerdings im Hinblick auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen für Vorgänge, die vor dem Jahr 1970 abgeschlossen waren (BVerfG NJW 1997, 2307, 2309; anders bei schwerwiegender Mitarbeit BAG NJW 2001, 701, 702). Auch außerhalb des Arbeitsrechts kann eine Frage gelegentlich unzulässig sein. In Betracht kommt dies insb im 22 Mietrecht. Auch hier wird man das Persönlichkeitsrecht des Mieters berücksichtigen müssen und nur solche Fragen für berechtigt halten können, die für das Mietverhältnis relevant sind (eingehend Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 47; Fischer NZM 2005, 567, 573). Zulässig können danach etwa Fragen über die Bonität Arnold
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des Mieters sein (LG Köln ZMR 1984, 278, 279; AG Bonn WuM 1992, 597; AG Wolfsburg NZM 2001, 987, 988). Unzulässig ist dagegen etwa die Frage nach dem Familienstand (überzeugend Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 47; aA LG Landau WuM 1986, 133; Fischer NZM 2005, 567, 574). Ebenso besteht keine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft über die Aufenthaltsberechtigung (AG Wiesbaden WuM 1992, 597; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 47). Fragen zum höchstpersönlichen Bereich wie Religionszugehörigkeit, nach Heiratsabsichten oder Kinderwünschen, Vereins- oder Parteizugehörigkeit müssen ebenfalls nicht beantwortet werden (Emmerich NZM 1998, 692, 696; Fischer NZM 2005, 567, 574; anders aber AG Göttingen WuM 2017, 702f, wenn der potentielle Mieter „Anziehungspunkt für linksgerichtete Gewalt“ ist). Gleiches gilt für Fragen über vorangegangene Mietverhältnisse (AG Kerpen WuM 1990, 62; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 47). 4. Verursachung eines Irrtums. Der Erklärende muss zur Abgabe der Willenserklärung durch Täuschung bestimmt worden sein. Erforderlich ist also, dass die Täuschung für einen Irrtum des Getäuschten und dieser Irrtum für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich ist. a) Irrtum ist die Abweichung der Vorstellung von der Wirklichkeit. An einem Irrtum fehlt es, wenn derjenige, der getäuscht werden soll, die Wahrheit kennt. Dem steht es gleich, wenn der Erklärende mit dem Vorliegen einer Täuschung rechnet und dies bei Abgabe der Erklärung in Kauf nimmt oder die Erklärung bewusst auf die Gefahr einer Täuschung hin abgibt (MüKo/Armbrüster Rn 26; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 48). Ein Irrtum ist allerdings in diesem Fall dennoch möglich, wenn die Fehlvorstellung erheblich über das hinausgeht, was bei Abgabe der Willenserklärung erwartet werden konnte (BGH NJW-RR 1986, 1258, 1259; BAG NZA 1998, 33, 34; MüKo/Armbrüster Rn 26). Anders liegt es, wenn der Getäuschte an der Gewissheit der behaupteten Umstände zweifelt, trotz seines Zweifels aber die Willenserklärung abgibt, weil er nach Abwägung der Risiken auf die Wahrheit der behaupteten Umstände vertraut. Ein Irrtum ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Getäuschte die wahre Sachlage nur aus Fahrlässigkeit oder grober Fahrlässigkeit nicht kannte (BGH NJW 1971, 1795, 1798; 1989, 287, 288; 1997, 1845, 1847). Auch ist keine obj Erheblichkeit des Irrtums erforderlich, sondern es ist auf die Sicht des Erklärenden abzustellen (BGH WM 1978, 221, 222; MüKo/Armbrüster Rn 23). b) Kausalität. Der Irrtum ist nur dann durch die Täuschungshandlung verursacht, wenn die Fehlvorstellung beim Erklärenden sich auf Umstände bezieht, über die der Erklärungsgegner getäuscht hat. Der Irrtum muss also der Täuschungshandlung entsprechen. Eine reine „Selbsttäuschung“, der der Erklärende unterliegt, ist dem Erklärungsgegner nicht zuzurechnen. Ferner muss der Irrtum für die Abgabe der Willenserklärung kausal sein. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne den Irrtum überhaupt nicht oder mit einem anderen Inhalt abgegeben hätte. Vielmehr genügt es, wenn der Erklärende ohne die Täuschung die Willenserklärung nicht zu dieser Zeit abgegeben hätte und damit die Täuschung das Geschäft beschleunigt hat (BGH NJW 1964, 811; BGH NJW-RR 2015, 158, 159; MüKo/Armbrüster Rn 26). Auch muss der Irrtum nicht allein auf der Täuschung beruhen, sondern es genügt, dass der durch die Täuschung hervorgerufene Irrtum für die Willenserklärung mit ursächlich gewesen ist (RGZ 77, 309, 314; Soergel/Hefermehl Rn 20). Keinesfalls genügt eine Täuschung nach Abgabe der Willenserklärung, da sie nicht mehr kausal werden kann (BeckOGK/Rehberg Rn 21; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 48). 5. Arglist. Für die Arglist des Täuschenden ist keine Absicht notwendig, vielmehr genügt auch bedingter Vorsatz (BGHZ 7, 301, 302; BGH NJW 2007, 3057, 3059; BeckOGK/Rehberg Rn 18; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 50). Dies setzt bei der Täuschung durch aktives Handeln zunächst voraus, dass der Täuschende die Unrichtigkeit seiner Tatsachenbehauptung kennt oder zumindest für möglich hält (BGH NJW 2006, 2839, 2840; 2007, 3057, 3059). Dies ist auch dann der Fall, wenn er ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage „ins Blaue hinein“ Angaben macht und folglich mit der Möglichkeit rechnet, dass seine Behauptungen unrichtig sind (BGHZ 63, 382, 388; BGH NJW 1981, 1441, 1442; 2006, 2839, 2840; 2008, 644, 648). Eine derartige Erklärung „ins Blaue hinein“ kann auch dann vorliegen, wenn ein von einem Dritten ausgefülltes Vertragsformular in gutem Glauben an die Richtigkeit der Angaben ohne nähere Prüfung unterzeichnet wird (Schleswig NJW-RR 2020, 1294f; Hamm VersR 2020, 538, 539). Der gute Glaube hinsichtl der Richtigkeit des Erklärten soll die Arglist nicht ausschließen (BGH NJW 1980, 2460, 2461). Dagegen kann bei einem Rechtsirrtum der Vorsatz ausnahmsw ausgeschlossen sein (BGH NJW 2007, 2407, 2409; NJW-RR 2011, 270, 274). Geht es um eine Täuschung durch Unterlassen, so müssen dem Untätigen die Tatsachen bekannt sein, die seine Aufklärungspflicht begründen (NK/Feuerborn Rn 62). Nicht arglistig handelt insb derjenige, dem die offenbarungspflichtigen Tatsachen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr bekannt sind (BGH NJW 2001, 2326, 2327). Weiterhin muss der Vorsatz auf die Erregung eines Irrtums und die Abgabe einer irrtumsbedingten Willenserklärung gerichtet sein. Auch insoweit genügt bedingter Vorsatz. Der Handelnde muss also wissen oder es für möglich halten, dass aufgrund seiner unrichtigen Tatsachenbehauptung der Erklärende eine falsche Vorstellung von der Wirklichkeit erhält und deswegen eine Erklärung abgibt, die er bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgegeben hätte (BGH NJW 1957, 988; 1974, 1505, 1506; NJW-RR 2005, 1082, 1083; Hamm NJW-RR 1995, 286, 287). Geht es um eine Täuschung durch Unterlassen, so muss der Untätige wissen oder es für möglich halten, dass der Erklärende die betreffenden Umstände nicht kennt und deswegen eine Willenserklärung abgibt, die er bei Kenntnis der wahren Umstände nicht oder nicht so abgegeben hätte (BGH NJW 1995, 1549, 1550; NJW-RR 1996, 690; NJW 1998, 1315, 1316; Koblenz NJW-RR 2003, 119, 120). Arglist ist dabei selbst dann zu bejahen, wenn der Schweigende zwar davon ausgeht, dass der Erklärende auf356
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grund von Indizien die wahren Umstände erkennen kann, es aber für möglich hält, dass der Erklärende eine entspr Prüfung unterlässt (BGH NJW 1990, 42f; NJW-RR 1997, 270). Nicht erforderlich ist eine verwerfliche Gesinnung (Soergel/Martens Rn 76; MüKo/Armbrüster Rn 18; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 49; aA BGH LM Nr 9). Nach dem Schutzzweck der Vorschrift kommt es nicht auf die Gesinnung des Täuschenden, sondern auf die Beeinflussung der Entschließungsfreiheit des Erklärenden an. Auch die Täuschung in „wohlmeinender Absicht“ ist deshalb arglistig, selbst wenn der Täuschende nur das Beste gewollt hat. Da die Vorschrift auch nicht den Schutz des Vermögens bezweckt, ist eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht ebenso wenig erforderlich (BGH NJW 1974, 1505, 1506; WM 1977, 343). 6. Besonderheiten bei Täuschung durch Dritte (Abs II S 1). a) Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Handelt es sich um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, so spielt es für die Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung keine Rolle, wer die Täuschung verübt hat (hL, s nur BeckOGK/Rehberg Rn 40; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 51; teilw für eine entspr Anwendung des § 123 II Windel AcP 199, 422, 439ff); denn es sind in diesem Fall keine schutzwürdigen Interessen anderer Beteiligter zu berücksichtigen. b) Empfangsbedürftige Willenserklärungen. Ein vollständiger Schutz der Willensentschließungsfreiheit des Erklärenden kann dagegen bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen mit den schutzwürdigen Interessen des Erklärungsempfängers kollidieren. Unbillige Ergebnisse würden sich hier ergeben, wenn der Erklärungsempfänger an der Willensbeeinflussung des Erklärenden nicht beteiligt war (Mot I, 206). In diesem Fall soll daher nach Abs II das Vertrauen des Erklärungsempfängers auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts grds nicht enttäuscht werden. In zwei Fällen ist die Täuschung durch eine andere Person als den Erklärungsempfänger jedoch beachtlich: aa) Bösgläubigkeit des Erklärungsempfängers. Kannte der Erklärungsempfänger die Täuschung des Erklärenden durch einen Dritten oder musste er sie kennen, ist die Willenserklärung stets anfechtbar (§ 123 II S 1). Auf die Frage, ob der Täuschende tatsächlich „Dritter“ war, kommt es in diesem Fall nicht an. Fahrlässige Unkenntnis kann sich dabei auch daraus ergeben, dass der Erklärungsempfänger sich nicht nach dem Verhalten des Dritten erkundigt hat, obwohl dazu Anlass bestand (BGH NJW-RR 1992, 1005; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 63; aA Flume AT II § 29, 3). bb) Zurechnung der Täuschung. Bei einem gutgläubigen Erklärungsempfänger ist entscheidend, ob die Täuschung als die eines „Dritten“ angesehen werden kann. Ist die Täuschung dagegen dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, ist sie unbeschadet seiner Gutgläubigkeit möglich (s nur Saarbrücken VersR 2019, 1067). Nach allg Ansicht liegt die Täuschung eines „Dritten“ dabei nur dann vor, wenn sie durch einen am Geschäft Unbeteiligten verübt wurde (vgl schon Mot I, 206). Str ist, unter welchen Voraussetzungen beim Erklärungsempfänger eine Zurechnung des arglistigen Verhaltens möglich ist. Die Rspr stellt darauf ab, ob das Verhalten des Täuschenden dem des Anfechtungsgegners gleichzusetzen ist; iÜ soll eine Zurechnung aber auch dann in Betracht kommen, wenn der Erklärungsempfänger sich die Täuschung „nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der Interessenlage zurechnen lassen muss“ (BGH NJW 1990, 1661, 1662; s ferner etwa BGH NJW 1978, 2144f; 1996, 1051). Nach anderer Auffassung soll es etwa darauf ankommen, ob der Täuschende bei wertender Betrachtung auf Seiten des Erklärungsempfängers steht (Flume AT II § 29, 3). Schließlich wird vorgeschlagen, für die Zurechnung allein auf § 278 abzustellen (Schubert AcP 168, 471, 476ff). In den praktischen Ergebnissen kommen die verschiedenen Ansätze freilich vielfach zu gleichen Ergebnissen. IÜ dürfte Einigkeit bestehen, dass der Begriff des „Dritten“ eher restriktiv zu bestimmen und im Zweifel eine Zurechnung anzunehmen ist (s nur Grü/Ellenberger Rn 13; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 52ff). Im Einz ist dem Erklärungsempfänger zunächst die Täuschung durch einen Vertreter zuzurechnen (s nur RGZ 76, 107, 108; BGHZ 20, 36, 39). Dabei genügt auch Vertretung ohne Vertretungsmacht, sofern sie nachfolgend vom Erklärungsempfänger genehmigt wird (BGH WM 1979, 237). Ebenso sind die vertretungsberechtigten Gesellschafter von Personengesellschaften und die Organe juristische Person im Verhältnis zur Gesellschaft keine Dritten (Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 54). Dritte sollen ferner nicht vom Erklärungsempfänger beauftragte Verhandlungsführer oder -gehilfen sein (BGHZ 47, 224, 229; BGH NJW 1962, 2195; 1978, 2144; 1989, 2879, 2880; 2001, 358, 359), und zwar wohl auch bei nachträgl Billigung eines auftragslosen Auftretens als Verhandlungsgehilfe (Schubert AcP 168, 470, 482; vgl dazu BGH NJW 1996, 1051). Gleiches gilt für mittelbare Stellvertreter und Strohmänner (Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 54). Auch der Versicherungsvermittler ist bei Abschluss eines Versicherungsvertrags in Bezug auf den Versicherer nicht Dritter, wohl aber in Bezug auf den Versicherungsnehmer, wenn er den Antrag falsch ausfüllt, um sich eine Provision zu verschaffen (Hamm VersR 1974, 562; vgl auch KG MDR 2015, 513). Ein Makler ist dagegen grds als Dritter anzusehen (BGHZ 33, 302, 309). Dies gilt aber nicht, wenn er Aufgaben übernimmt, die typischerweise einer Partei obliegen (BGH NJW 1996, 451; 2001, 358). Nicht als Dritter wurde ferner der Alleingesellschafter einer GmbH angesehen, der aufgrund seiner Weisungsbefugnis einen Geschäftspartner der GmbH in mittelbarer Täterschaft arglistig täuscht (BGH NJW 1990, 1915; Grunewald ZGR 1991, 452, 455). Beim Kauf vom Zwischenhändler soll der Hersteller als Dritter anzusehen sein (BGH NJW 2020, 3312, 3313; Celle MDR 2016, 1016; Hamm BeckRS 2017, 115495; Stuttgart DAR 2018, 212; Koblenz NJW-RR 2018, 54; Karlsruhe BeckRS 2019, 14948; München NJW-RR 2017, 1238; Soergel/Martens Rn 83; krit jurisPK/Moritz Rn 98ff). Maßgeblich ist hierfür, dass der Hersteller auch nicht Erfüllungsgehilfe des Zwischenhändlers in Bezug auf dessen Pflichten ggü dem Endabnehmer sein soll (s nur BGH NJW 2014, 2183, 2185 mwN zum DiskussionsArnold
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stand). Damit kann etwa der Käufer eines Kfz den Kaufvertrag mit dem Zwischenhändler nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten, weil er vom Hersteller über das Vorhandensein von Abgasmanipulationssoftware getäuscht worden ist. In den Fällen eines finanzierten Geschäfts ist der Verkäufer, der das Darlehen an den Kunden vermittelt, im Verhältnis zur Bank nicht als Dritter anzusehen (BGHZ 20, 36, 40f; 33, 302, 308; 47, 224, 227f; BGH NJW 1978, 2144, 2145; 1979, 1593, 1594). Auch die von einem gemeinschaftl Vertreter von Verkäufer und Kreditgeber verübte Täuschung berechtigt ohne weiteres zur Anfechtung (BGH NJW 1978, 2144, 2145). Ebenso ist beim Finanzierungsleasing der Lieferant, der für den Leasinggeber die Verhandlungen führt und dabei den Leasingnehmer täuscht, kein Dritter iSv § 123 II (BGH NJW 1989, 287, 288; anders aber im Hinblick auf die Verleitung zum Abschluss eines weiteren, mit dem Leasingvertrag nicht in sachlichem Zusammenhang stehenden Vertrags BGH NJW 2011, 2874, 2875). Beim verbundenen Geschäft iSv §§ 358f ist der täuschende Anlagevermittler für die kreditgebende Bank von vornherein nicht Dritter iSv § 123 II (BGH NJW 2006, 1955, 1957; 2007, 2407, 2408; 2010, 596, 598; 602, 603). Liegt kein verbundenes Geschäft vor, soll bei einem „institutionellen Zusammenwirken“ von Veräußerer/Vertreiber und Bank widerleglich vermutet werden, dass die Bank Kenntnis von der arglistigen Täuschung durch die Fondsinitiatoren hatte, und damit eine Aufklärungspflicht der Bank anzunehmen sein, deren Verletzung sie zum Schadensersatz verpflichten kann (BGH NJW 2006, 2099, 2103ff; 2007, 357, 358; 2008, 640, 643; NJW-RR 2009, 1275, 1278). Dieselben Grundsätze gelten unter bestimmten Voraussetzungen auch bei einem verbundenen Geschäft im Hinblick auf Täuschungen durch außerhalb des Verbunds stehende Personen (BGH NJW 2007, 1127, 1129; 2407, 2408). Demggü ist ein den Sicherungsgeber täuschender Schuldner Dritter iSd Abs II, da er regelmäßig eigene Interessen verfolgt und nicht auf Seiten des Sicherungsnehmers (Gläubigers) steht (BGH NJW 1962, 1907, 1908; 1968, 986, 987); das gilt auch dann, wenn der Gläubiger die Bürgschaftsurkunde entworfen und den Anstoß für die Verhandlungen mit dem Bürgen gegeben hat (BGH NJW-RR 1992, 1005, 1006). Der Schuldner soll in diesen Fällen allein dann nicht als Dritter anzusehen sein, wenn er vom Gläubiger mit den Verhandlungen beauftragt worden war (BGH NJW 1962, 2195, 2196; Köln OLG 1968, 130, 131). Ebenfalls Dritter iSd Abs II ist in Bezug auf den Gläubiger ein Schuldner, der den Schuldübernehmer täuscht, um ihn zum Abschluss eines Schuldübernahmevertrags mit dem Gläubiger zu bewegen (§ 414, s nur Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 66). Im Fall einer genehmigten Schuldübernahme nach § 415 scheint bei einer Täuschung des Schuldners dagegen eine Anfechtung nach Abs I möglich, auch wenn der Gläubiger gutgläubig war (so in der Tat BGHZ 31, 321, 324ff; BGH MDR 1976, 388). Indes ist auch in diesem Fall schon im Hinblick auf die Wertung des § 417 II eine Anfechtung ggü dem nicht beteiligten Gläubiger nur zuzulassen, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste (Flume AT II § 29, 3; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 66; MüKo/ Armbrüster Rn 85). Bei der Vertragsübernahme durch Vereinbarung zw dem ausscheidenden und dem eintretenden Vertragspartner soll der im Vertrag verbleibende Teil seine Zustimmungserklärung ebenfalls nur anfechten können, wenn in der Person beider Adressaten der Zustimmungserklärung ein Anfechtungsgrund iSv § 123 I/II gegeben ist; beide Partner der Übernahmevereinbarung müssen also entweder selbst arglistig handeln oder aber mindestens bösgläubig iSv § 123 II sein (BGHZ 137, 255, 261). 7. Anfechtung ggü dem Begünstigten (Abs II S 2). § 123 II 2 lässt eine Anfechtung zu, wenn ein anderer aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat und dieser Begünstigte die Täuschung kannte oder kennen musste. Im Regelfall des § 123 II 2 sind damit vier Personen beteiligt: Der Erklärende gibt ggü dem Erklärungsempfänger eine Erklärung ab, wodurch ein „anderer“ unmittelbar ein Recht erwirbt. Diese Erklärung beruht auf der arglistigen Täuschung eines Unbeteiligten. Der Erklärende kann dann nach § 123 II 2 durch Erklärung ggü dem Begünstigten anfechten, soweit dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Täuscht der Begünstigte selbst den Erklärenden, kann dieser erst recht nach § 123 II 2 anfechten (Flume AT II § 29, 3; BGH NJW-RR 2006, 1210, 1212), auch wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung weder kannte noch kennen musste. Täuscht ein Unbeteiligter und kannte der Erklärungsempfänger die Täuschung oder musste er sie kennen, ist eine Anfechtung nach § 123 II 1 ggü dem Erklärungsempfänger möglich, selbst wenn der Begünstigte gutgläubig war. Täuscht der Erklärungsempfänger selbst oder eine Person, deren Verhalten dem Erklärungsempfänger zuzurechnen ist, ist § 123 II nicht anwendbar. Die Anfechtung richtet sich nach § 123 I. Hauptanwendungsfälle des § 123 II 2 sind Verträge zugunsten Dritter, insb Lebensversicherungsverträge, wenn der Erklärungsempfänger gutgläubig und der Begünstigte bösgläubig ist. Kein Anfechtungsrecht soll allerdings ggü dem bloß widerruflich Bezugsberechtigten bestehen (Hamm NJW 1987, 1170, 1172). Mit der Anfechtung ggü dem Begünstigten verliert dieser seinen Anspruch gegen den Erklärenden (Versprechenden, Versicherer). Dessen Verpflichtung ggü dem Erklärungsempfänger (Versprechensempfänger) bleibt zwar wegen der nur teilw Wirkung der Anfechtung („soweit“) grds bestehen. Doch ist insoweit § 139 anzuwenden (Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 64; vgl auch Soergel/Martens Rn 94). V. Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung. 1. Drohung. Unter einer Drohung versteht man das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt (BGHZ 2, 287, 295; BGH NJW 1988, 2599, 2600f; NJW-RR 1996, 1281, 1282; FGPrax 2017, 261; BAG NZA 2002, 731, 732; NJW 2004, 2401, 2402). Als Übel genügt jeder Nachteil. Die strafrechtl Unterscheidung zw Drohung (zukünftiges Übel) und gegenwärtiger Gewalt (vis compulsiva) ist ohne Bedeutung. Gewalt ist zivilrechtl zugleich auch immer eine Drohung mit der Fortsetzung des gegenwärtigen Übels (Mot I 207). Erforderlich ist nur, dass der Er358
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klärende durch das Übel in eine Zwangslage versetzt wird. Nicht in Betracht kommt freilich die Anwendung physischer, unwiderstehlicher Gewalt (vis absoluta), da es in diesem Fall schon an einer Willenserklärung fehlt. IÜ spielt es keine Rolle, ob das Übel materieller oder ideeller Natur ist, ob es sich auf den Erklärenden selbst oder auf andere Personen (vgl BGHZ 25, 217, 218) bzw auf Sachen bezieht oder ob es durch Tun oder Unterlassen verwirklicht werden soll. Aus der Sicht des Bedrohten muss das Übel vom Willen des Drohenden abhängig sein. Eine Willensbeeinflussung ist deshalb auch gegeben, wenn die Drohung nicht ernst gemeint ist, der Bedrohte sie aber für ernst gemeint hält und halten soll (BGH NJW 1982, 2301, 2302; NJW-RR 1996, 1281, 1282). Ebenso genügt eine „versteckte Drohung“ (BGH NJW 1988, 2599, 2601; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 69), sofern das Übel für den Bedrohten erkennbar wird. Erweckt der Drohende den Eindruck, er könne einen Dritten zur Verwirklichung eines Übels veranlassen, kann darin eine Drohung liegen (RGRK/Krüger-Nieland Rn 41). Der bloße Hinw auf eine vom Willen des Drohenden unabhängige Zwangslage genügt jedoch nicht (BGHZ 6, 348, 351). Keine Drohung ist deshalb auch die Mitteilung bereits vollzogener Maßnahmen (Soergel/Martens Rn 100). Wird die Zwangslage nicht vom Drohenden herbeigeführt, ist die bloße Ausnutzung der Not – soweit nicht eine „versteckte Drohung“ vorliegt, den Zwangszustand aufrechtzuerhalten oder pflichtwidrig nicht zu verkürzen – nicht ausreichend (BGH NJW 1988, 2599, 2601). Es kann dann aber § 138 eingreifen. 2. Kausalität. Der Erklärende muss zur Abgabe der Willenserklärung durch Drohung bestimmt worden sein. Die Drohung muss also für die Zwangslage des Bedrohten und diese wiederum für die Willensbildung ursächlich gewesen sein. Mitursächlichkeit genügt (st Rspr, BGH NJW 1991, 1673, 1674). Ebenso reicht es aus, wenn der Bedrohte die Erklärung ohne die Drohung mit einem anderen Inhalt oder zu einer anderen Zeit abgegeben hätte (BGHZ 2, 287, 299). Die bestimmende Wirkung der Zwangslage auf die Willensbildung hängt allein von der individuellen Wirkung auf den Erklärenden ab. Eine obj Erheblichkeit iSd Wirkung der Drohung auf einen „besonnenen Menschen“ ist nicht erforderlich (Mot I, 208). Kausal kann die Drohung deshalb auch dann sein, wenn gerade nur der Erklärende aufgrund seiner psychischen Verfassung die Zwangslage als bestimmend empfinden musste. Gibt der Erklärende die Willenserklärung aber aufgrund eigener, selbständiger Überlegung ab, fehlt es an der Ursächlichkeit (BGH WM 1974, 1023). Kausalität ist jedoch gegeben, wenn der Drohende dies durch die Zwangslage gerade erreichen wollte, da er dann auch für diesen Willensentschluss eine Ursache gesetzt hat (vgl Soergel/Hefermehl Rn 43). Keine Rolle spielt es grds, ob dem widerrechtl Bedrohten Bedenkzeit eingeräumt wurde (BAG NZA 2008, 348, 354). 3. Widerrechtlichkeit. Die Drohung muss den Erklärenden widerrechtl zur Abgabe der Willenserklärung bestimmt haben. Soweit ein Recht besteht, einen anderen zur Abgabe der Erklärung zu nötigen, ist die abgenötigte Erklärung nicht anfechtbar (Mot I, 207); greift also ein allg Rechtfertigungsgrund (zB §§ 227ff) ein, kann der Erklärende sich von der abgegebenen Willenserklärung nicht lösen. Ansonsten ist die Widerrechtlichkeit positiv festzustellen. Sie kann sich aus dem angedrohten Übel (Mittel), dem erstrebten Erfolg (Zweck) oder aus dem Verhältnis von beiden zueinander (Mittel-Zweck-Relation) ergeben. a) Widerrechtlichkeit des Mittels. Widerrechtl ist die Willensbeeinflussung schon dann, wenn das Nötigungsmittel gegen die Rechtsordnung verstößt; das ist zB der Fall, wenn das in Aussicht gestellte Übel eine strafbare Handlung darstellt oder die Androhung sonst gegen Rechtsvorschriften verstößt. Auch wenn das angedrohte Mittel (nur) einen Verstoß gegen die Sittenordnung (zB Drohung mit Selbsttötung) oder einen bloßen Vertragsbruch begründet, ist die Willensbeeinflussung bereits deshalb widerrechtl (BGH WM 1983, 1017, 1019; NJW 1995, 3052, 3053). Die Drohung eines Richters, er werde ein der Partei nachteiliges Urt erlassen müssen, falls es nicht zu einem Vergleichsabschluss komme, soll widerrechtl sein (so BGH NJW 1966, 2399; krit Schneider NJW 1966, 2401; Kubisch NJW 1967, 1605). Rechtmäßig ist der Einsatz von Mitteln, welche die Rechtsordnung vorsieht oder jedenfalls nicht verbietet (zB BGH WM 1972, 946, 947 – Klageerhebung; BGH WM 1984, 1249 – Zwangsvollstreckung; BAG NJW 1977, 318, 319 – Boykottaufruf im Arbeitskampf; BAG NJW 1999, 2059 – Strafanzeige). b) Widerrechtlichkeit des Zwecks. Ist der mit der Drohung angestrebte Zweck rechtswidrig, folgt bereits daraus die Widerrechtlichkeit der Drohung, selbst wenn diese hierzu ein erlaubtes Mittel darstellt. Mit dem Zweck ist zunächst die subj Zielsetzung des Drohenden gemeint. Der Zweck kann aber auch durch den obj erstrebten Erfolg bestimmt werden. So ist zB die Androhung einer ordentlichen Kündigung, um die Mitwirkung an einer Steuerhinterziehung zu erreichen, wegen des obj widerrechtl Erfolgs rechtswidrig. Nicht ausreichend ist es, dass der Drohende keinen Rechtsanspruch auf die angestrebte Willenserklärung hat (BGHZ 25, 217, 219; BAG NJW 1970, 775). c) Widerrechtlichkeit der Mittel-Zweck-Relation. Wird die Drohung mit Hilfe eines erlaubten Mittels zu einem nicht verbotenen Zweck eingesetzt, kann die Bestimmung des Erklärenden zur Abgabe der Willenserklärung gleichwohl rechtswidrig sein. Es kommt dann darauf an, ob im Einzelfall der Einsatz des konkreten Mittels zur Erreichung des konkreten Zwecks unangemessen (inadäquat) ist (s nur BGH NJW 1983, 384f; Staudinger/ Singer/v Finckenstein Rn 78). aa) Die Verwerflichkeit ergibt sich – wie im Strafrecht (§ 240 StGB) – aus der sozial-ethischen Missbilligung der Verbindung von Mittel und Zweck. Hierfür sind die Grundsätze von Treu und Glauben sowie die herrschenden Anschauungen (Verkehrssitte, Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden: BGHZ 25, 217, 221; BGH NJW 1983, 384, 385) im Rahmen einer Gesamtwürdigung heranzuziehen. So verstößt es etwa gegen die BilligArnold
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keit und die guten Sitten, die – sonst erlaubte – Drohung einzusetzen, um eine bestehende Notsituation oder eine Unerfahrenheit beim Geschäftsgegner auszunutzen. 49 bb) Neben diesem allg Maßstab ist aber zu fragen, ob die Entschließungsfreiheit des Erklärenden konkret so beeinträchtigt ist, dass man dem Bedrohten zum Schutze seiner Selbstbestimmung das Recht einräumen muss, sich von dem Rechtsgeschäft zu lösen. Dies ist nur bei Berücksichtigung der konkreten Belange des Bedrohten und des Drohenden zu entscheiden (vgl BGHZ 25, 217, 223). Die Widerrechtlichkeit hängt deshalb insoweit auch von der Abwägung der Interessen dieser Beteiligten ab (vgl Soergel/Martens Rn 113f). Besteht etwa ein Rechtsanspruch auf den erstrebten Erfolg oder hat der Drohende daran ein berechtigtes Interesse, besteht idR keine Inadäquanz von Mittel und Zweck. Deshalb ist zB die durch Androhung der Mandatsniederlegung erreichte Vergütungserhöhung nicht widerrechtl (BGH MDR 1978, 558 für die Erzwingung einer Haftungsübernahme; anders aber BGH NJW 2010, 1364, 1367 für die Androhung der Mandatsniederlegung unmittelbar vor der Hauptverhandlung, ebenso BGH NJW 2013, 1581, 1582 für den Zivilprozess). Ebenso liegt keine widerrechtl Drohung vor, wenn der Grundstücksverkäufer dem Makler erklärt, er werde den Grundstückskauf nur abschließen, wenn der Makler auf die Verkäuferprovision verzichte und sich mit der Käuferprovision begnüge (BGH NJW 1969, 1627). Widerrechtlichkeit soll dagegen zu bejahen sein, wenn die Übergabe eines Hauses an die Anerkennung einer Forderung geknüpft wird (BGH NJW 1982, 2301, 2302), nicht dagegen, wenn sie von der Abnahme durch den Bauherrn (BGH NJW 1983, 384, 385) abhängig gemacht wird. 50 cc) Einzelfälle. (1) In einer privatrechtl Auseinandersetzung ist die Drohung, die Presse zu informieren, nicht widerrechtl, wenn damit auf die Erfüllung eines vertretbar für berechtigt gehaltenen Anspruchs hingewirkt werden soll und der angedrohte Pressebericht seinerseits nicht rechtswidrig wäre; soweit die Pressefreiheit reicht (Art 5 II 2 GG), ist auch die Information der Presse durch die Meinungsäußerungsfreiheit des Informanten (Art 5 I 1 GG) gedeckt (BGH NJW 2005, 2766, 2768). 50a (2) Die Drohung mit einer Strafanzeige ggü dem Täter ist nicht inadäquat, wenn sie ihn zu einer Ersatzleistung wegen seiner verübten Straftat anhalten soll (BGH WM 1963, 511, 512; BeckOGK/Rehberg Rn 167). Nicht widerrechtl ist insb im Allg bei begründetem Anfangsverdacht die Drohung des ArbGeb mit einer Strafanzeige, um einen ArbN zur Wiedergutmachung des angerichteten Schadens zu veranlassen (BAG AP § 781 Nr 1; NZA 1999, 417, 418; NJW 1999, 2059). Dasselbe gilt in einer solchen Lage, wenn der ArbGeb mit der Drohung auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrags hinwirkt (LAG Köln NZA-RR 1999, 12), nicht jedoch, wenn der mit der Anzeige Drohende die Erfüllung eines Geschäfts verlangt, bei dem er den Täter übervorteilt hat (BGH WM 1964, 1296, 1297). Fehlt es an einem inneren Zusammenhang zw Straftat und geltend gemachter Forderung, liegt Widerrechtlichkeit vor, so zB bei der Drohung mit einer Anzeige wegen eines zufällig beobachteten Verkehrsdelikts, um die Bezahlung einer fälligen Schuld zu erreichen (Neuner AT § 41 Rn 139). 51 (3) Die Drohung mit einer Strafanzeige ggü einem Dritten kann rechtmäßig sein, wenn der Dritte in einer strafrechtl oder zivilrechtl nicht erfassbaren Weise an der Straftat mitgewirkt hat, durch die der Schaden verursacht worden ist oder wenn er Vorteile daraus gezogen hat (BGHZ 25, 217, 221; BGH WM 1973, 36). Die Drohung mit einer Strafanzeige gegen den Täter ist aber jedenfalls dann widerrechtl, wenn sie sich gegen einen Dritten allein mit Rücksicht auf dessen persönliche Beziehung zum Täter richtet (Bsp: Die Ehefrau des Betrügers wird durch Drohung mit einer Strafanzeige gegen den Ehemann zur Bürgschaft für den durch den Betrug entstandenen Schadensersatzanspruch gezwungen); denn der Drohende missbraucht die verwandtschaftlichen Beziehungen des Dritten zum Täter zu eigennützigen Zwecken (Karlsruhe VersR 1992, 703; MüKo/Armbrüster Rn 124; aA Flume AT II § 28, 2c). 52 (4) Die Drohung mit einer (außerordentlichen) Kündigung ist widerrechtl, wenn sie etwa den Zweck verfolgt, schlechtere Vertragsbedingungen für den ArbN zu erreichen, obwohl die Kündigung jeder Grundlage entbehrt und ein verständiger ArbGeb sie nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (BAG NJW 1970, 775; 1994, 1021; 2004, 2401, 2402; 2006, 3020, 3021). Glaubt der ArbGeb, eine außerordentliche Kündigung sei möglich, obwohl sie aufgrund des Verhaltens des ArbN nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden kann, ist die Drohung mit ihr rechtswidrig, wenn sie den Zweck verfolgt, den ArbN zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eigene Kündigung oder Aufhebungsvertrag zu bestimmen. Das gilt insb, wenn der ArbGeb kein berechtigtes Interesse an der erstrebten ordentlichen Kündigung des ArbN hat oder die Androhung sich nicht (mehr) als angemessenes Mittel zur Verfolgung des erstrebten Ziels darstellt. Anders ist es, wenn ein verständiger ArbGeb eine außerordentliche Kündigung in Betracht gezogen hätte (für Einzelheiten zum Vorstehenden BAG NJW 1980, 2213; 1997, 676, 677; NZA 2003, 1055). Einen Verdachtsgrund, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte, muss der ArbGeb aufzuklären versuchen, ehe er eine fristlose Kündigung androht (BAG NJW 1997, 676). 53 4. Subjektiver Tatbestand. § 123 I setzt voraus, dass jemand zur Abgabe einer Willenserklärung durch Drohung „bestimmt“ worden ist. Daraus folgt, dass der Drohende bewusst den Zweck verfolgen muss, den Willen des Bedrohten zu beeinflussen (BGH NJW-RR 1996, 1281, 1282; BAG NZA 2006, 841, 843; 2008, 348, 353). Er muss sich darüber bewusst sein, dass sein Verhalten geeignet ist, den Willen des anderen Teils zu beeinflussen (RGZ 104, 79, 80). Nicht erforderlich ist die Absicht, die Drohung zu verwirklichen oder den Bedrohten zu schädigen. 54 Bei einem Irrtum des Drohenden über die Widerrechtlichkeit der Drohung wird zw Sachverhalts- und Wertungsirrtum unterschieden. Bei einem Sachverhaltsirrtum irrt der Drohende über tatsächliche Umstände, die 360
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Willenserklärung
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der Drohung den sittlich anstößigen Charakter geben. Hier soll es darauf ankommen, ob der Irrtum des Drohenden verschuldet oder nicht verschuldet ist. Ein verschuldeter Sachverhaltsirrtum, der dann vorliegt, wenn der Drohende die Umstände zwar nicht kennt, aber doch kennen muss, soll den Bedrohten zur Anfechtung berechtigen. Dagegen soll ein unverschuldeter Sachverhaltsirrtum nicht so schwerwiegend sein, dass dem Drohenden deswegen der „Makel“ einer rechtswidrigen Drohung angelastet werden müsse (so BGHZ 25, 217, 224; BGH JZ 1963, 318, 319; vgl auch RGZ 108, 102, 104). Diese Rspr ist abzulehnen. Eine schuldlose Unkenntnis ändert nichts an der Rechtswidrigkeit. Es geht hier nicht darum, den Drohenden vor einem „Makel“ zu bewahren, sondern den Bedrohten in seiner Entschließungsfreiheit zu schützen (gegen die Rspr zB Flume AT II § 28, 3; Neuner AT § 41 Rn 140; Jauernig/Mansel Rn 16; Medicus/Petersen AT Rn 820). Bei einem Wertungsirrtum zieht der Drohende aus den tatsächlichen Umständen einen falschen rechtl Schluss. Ein solcher Rechtsirrtum ist anerkanntermaßen unbeachtlich. Ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit wird von § 123 nicht vorausgesetzt (RGZ 104, 79, 80; 108, 102, 104; vgl auch BGHZ 25, 217, 223; BGH NJW 1982, 2301, 2302; Flume AT II § 28, 3). Etwas anderes hat für die Androhung einer Klage zu gelten (vgl BGH WM 1972, 946). Diese stellt die Rechtsordnung jedem auch dann zur Verfügung, wenn sein Recht nicht besteht oder nicht bewiesen werden kann. Deshalb ist die Drohung mit einer Klage grds nicht rechtswidrig. Ausnahmsw ist eine solche Drohung rechtswidrig, wenn der Drohende weiß, dass das geltend gemachte Recht nicht besteht (vgl Flume AT II § 28, 3 aE; vgl auch Soergel/Martens Rn 120). 5. Drohung durch Dritte. Anders als bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kommt es für die Anfechtung wegen Drohung nach dem Gesetzeswortlaut und der hM nicht darauf an, ob der Erklärungsempfänger oder ein Dritter droht (BGH NJW 1966, 2399, 2401; MüKo/Armbrüster Rn 129; BeckOGK/Rehberg Rn 178; einschränkend Martens AcP 207, 371ff und Erman/Palm12 Rn 72). Ist der Erklärungsempfänger hinsichtl der widerrechtl Drohung gutgläubig, ist danach gleichwohl § 123 I anwendbar. Das folgt im Umkehrschluss aus § 123 II und ist sachlich dadurch gerechtfertigt, dass die Regelung einen allg Schutz der rechtsgeschäftlichen Entschließungsfreiheit gegen Zwang bezweckt (Prot I 120). Demnach kann auch eine politische Kollektivdrohung zur Anfechtung ggü dem Erklärungsempfänger berechtigen (Grü/Ellenberger Rn 18). War der Erklärungsempfänger gutgläubig, ist ihm gleichwohl nicht analog § 122 der Vertrauensschaden zu ersetzen (aA MüKo/Armbrüster Rn 131). Das Gesetz hat gerade wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Bedrohten auf den Schutz des guten Glaubens beim Erklärungsempfänger verzichtet (Prot I, 120). VI. Folgen der Anfechtung. Grds ist die wirksam angefochtene Willenserklärung als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 I). Die Einschränkungen der Anfechtungsmöglichkeit bei in Vollzug gesetzten Dauerrechtsverhältnissen gelten auch im Fall einer arglistigen Täuschung und widerrechtl Drohung (vgl § 119 Rn 13). Die Anfechtung kann auch das Erfüllungsgeschäft betreffen (vgl § 142 Rn 5). Betrifft die Anfechtung nur den selbständigen Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts, ist nach § 139 zu entscheiden, ob das gesamte Geschäft unwirksam ist (vgl zB beim Arbeitsvertrag BAG NJW 1970, 1941, 1942). Der wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtl Drohung Anfechtende braucht keinen Ersatz des Vertrauensschadens zu leisten. Das ergibt sich aus Wortlaut und Stellung des § 122. Aus der Täuschung bzw Drohung folgen allerdings regelmäßig Ansprüche des Anfechtenden. So kommen, soweit das dingliche Erfüllungsgeschäft unwirksam ist, Ansprüche nach §§ 985ff in Betracht. Daneben sind aus §§ 812ff Bereicherungsansprüche begründet, wobei der arglistig Täuschende bzw widerrechtl Drohende nach § 819 vom Zeitpunkt des Empfanges der Leistung an verschärft haftet. Ferner soll für den arglistig Getäuschten die Saldotheorie nicht gelten: Dem Anfechtungsberechtigten steht damit auch dann noch ein Bereicherungsanspruch zu, wenn er selbst die empfangene Leistung nicht mehr zurückgewähren kann (Einzelheiten § 818 Rn 41ff, 46). Schließlich bestehen regelmäßig auch Schadensersatzansprüche aus §§ 823ff oder aus § 311 II, § 241 II, § 280 I. VII. Ausschluss der Anfechtung. Die Frage der Abdingbarkeit des § 123 kann sich nur im Hinblick auf die arglistige Täuschung stellen (Flume AT II § 19). Gestaltungsspielraum besteht hier allenfalls in engen Grenzen. Unwirksam ist ein solcher Ausschluss auf jeden Fall, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter iSv § 123 II ist (BGH NJW 2007, 1058f; 2012, 296, 298; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 96). Aber auch bei einer Täuschung durch einen Dritten muss ein vertragl Ausschluss der Anfechtung unzulässig sein, wenn dem Erklärungsempfänger die Täuschung bekannt war (Flume AT II § 19; MüKo/Armbrüster Rn 87; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 96). IÜ kann das Anfechtungsrecht im Einzelfall wegen Verzichts oder Verwirkung (s § 124 Rn 2) ausgeschlossen sein. VIII. Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Anfechtungsvoraussetzungen trägt derjenige, der sich auf die Anfechtung beruft (BGH NJW 1957, 988; BAG NZA 2008, 348, 354; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 89). Das gilt auch für die Fälle einer nicht gehörigen Aufklärung (BGH NJW 2001, 64, 65; Grü/Ellenberger Rn 30). Allerdings muss der Anfechtende nicht beweisen, dass zu keinem denkbaren Moment die erforderliche Aufklärung stattgefunden hat. Vielmehr hat zunächst der andere Teil vorzutragen, wann und wo die erforderliche Aufklärung erfolgt sein soll. Widerlegt der Anfechtende diese Behauptung, hat er seiner Darlegungs- und Beweislast genügt (BGH NJW 2001, 64, 65; 2014, 3296, 3297; BGH DNotZ 2021, 35, 36). Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Irrtum zunächst durch aktiven Handelns des anderen Teils verursacht wird, dieser sich aber darauf beruft, die Fehlvorstellung beim Anfechtenden durch spätere Aufklärung wieder beseitigt zu haben; jedoch sollen dem Anfechtenden Erleichterungen hinsichtl des Beweismaßes zugute kommen können (BGH NJW 2014, 3296, 3297). Da die Ursächlichkeit der Täuschung häufig von unbestimmten, nach außen nicht Arnold
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in Erscheinung tretenden individuellen Umständen abhängt, ist dafür ein Beweis des ersten Anscheins nur im Ausnahmefall möglich (so BGH NJW 1957, 988f; 1958, 177; 1968, 2139; 1996, 1051; tendenziell großzügiger BGH NJW 1995, 2361, 2362; WM 1976, 111, 112; eingehend Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 89), so zB bei typischen Umsatzgeschäften (vgl BGH NJW 1958, 177). Es genügt aber, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss bedeutsam sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Geschäfts Einfluss auf die Entschließung hat. Dafür kann auch von Bedeutung sein, dass ein Umstand zugleich Gegenstand einer vertragl Zusicherung war (BGH NJW 1995, 2361, 2362). Ebenso hat derjenige, der sich auf die Anfechtung wegen Drohung beruft, grds alle Tatsachen zu beweisen, aus denen sich das Anfechtungsrecht ergibt; das gilt auch für die Tatsachen, welche die Widerrechtlichkeit der Drohung begründen (BGH NJW 1983, 1266, 1267; BAG NZA 2008, 348, 354). Wird mit der Drohung ein Rechtsstandpunkt verfolgt, ist dessen sachliche Vertretbarkeit primär vom Drohenden darzulegen und zu beweisen (BGH NJW 2005, 2766, 2768). Für die Kausalität ist bei einem obj geeigneten Übel ein Beweis des ersten Anscheins möglich (vgl Grü/Ellenberger Rn 30).
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Anfechtungsfrist
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. (2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung. (3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind. 1. Bedeutung. Bei arglistiger Täuschung und widerrechtl Drohung ist die Anfechtungsfrist länger bemessen als in den übrigen Anfechtungsfällen (vgl § 121); der Getäuschte oder Bedrohte verdient besonderen Schutz; er soll deshalb besser gestellt werden. Andererseits soll das Geschäft im Interesse des Rechtsverkehrs nicht zu lange in der Schwebe bleiben. Bei den Anfechtungsfristen des § 124 I, III handelt es sich – wie bei denen des § 121 – um Ausschlussfristen. Das Anfechtungsrecht geht also mit Fristablauf ersatzlos unter; der Ablauf ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Vorschrift gilt auch für die Anfechtung von Arbeitsverträgen (BAG ZIP 1984, 210, 211f). Der Erklärende kann die ihm von § 124 eingeräumte Anfechtungsfrist grds voll ausschöpfen; der Anfechtungsgegner ist nicht berechtigt, ihm eine Frist zur Erklärung der Anfechtung zu setzen (aA Flume AT II § 27, 3 für den Fall, dass ein anderer als der Drohende oder Täuschende Anfechtungsgegner ist oder durch die Anfechtung betroffen wird). Allerdings kann das Anfechtungsrecht ausnahmsw bereits vorher durch Verwirkung ausgeschlossen sein. Dies ist zu bejahen, wenn in der Ausübung ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt, zB weil der Anfechtungsgegner schon vor Ablauf der Jahresfrist mit einer Anfechtung nicht mehr zu rechnen brauchte (BGH NJW 1971, 1795, 1800). Bei Arbeitsverträgen kann die (fristgerechte) Anfechtung ausgeschlossen sein, wenn der Anfechtungsgrund für die Vertragsdurchführung keine Bedeutung mehr hat (BAG NJW 1970, 1565, 1566; ZIP 1984, 210, 212). Nicht gegen Treu und Glauben verstößt es hingegen, wenn der Anfechtungsberechtigte sich auf einen zwischenzeitl vorübergehend weggefallenen Anfechtungsgrund beruft (BGH NJW 1992, 2346, 2347). IÜ ist eine Anfechtung selbstverständlich auch bei Bestätigung des anfechtbaren Geschäfts (§ 144) ausgeschlossen. 2. Ausschlussfrist des Abs I. a) Beginn bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Der nach § 123 Anfechtungsberechtigte muss die Anfechtung binnen Jahresfrist erklären. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen beginnt diese Frist im Fall der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt (§ 124 II 1). Die Frist wird also erst mit der positiven Kenntnis in Lauf gesetzt. Dabei genügt nicht die Kenntnis des Irrtums, sondern der Erklärende muss auch dessen arglistige Herbeiführung erkannt haben (RGZ 59, 94, 96; 65, 86, 89). Bloße Verdachtsmomente oder fahrlässige Unkenntnis reichen nicht aus (BGH WM 1973, 750, 751; NJW 2012, 296, 300; VersR 2012, 615, 617; MüKo/Armbrüster Rn 3). Auch ist der Erklärende nicht gehalten, nähere Nachforschungen anzustellen (RG JW 1936, 1950). Allerdings soll ein Versicherer, der die Anfechtung eines Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung (Verschweigen von Krankheiten beim Abschluss) erklärt, verpflichtet sein, seine Datenbanken und Akten darauf zu überprüfen, ob weitere Versicherungsverträge von dem Anfechtungsgrund betroffen sind (BGH NJW-RR 2003, 1603) Nicht erforderlich ist es, dass der Anfechtungsberechtigte alle Einzelheiten der Täuschung kennt; es entscheidet der Gesamteindruck (BGH NJW 2009, 2532, 2534; Soergel/Martens Rn 3). Auch beginnt die Frist bereits mit der erforderlichen Kenntnis und nicht erst mit der Beschaffung der notwendigen Beweismittel (Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 4). Im Fall der widerrechtl Drohung beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem die Zwangslage aufhört (§ 124 II 1). Entscheidend ist also der Augenblick, in dem der Erklärende nicht mehr unter dem Einfluss des angedrohten Übels steht (RGZ 90, 411; vgl auch BeckOGK/Rehberg Rn 5); dies muss vom subj Standpunkt des Bedrohten aus beurteilt werden (RG JW 1929, 242; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 5). Demnach kann die Zwangslage
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enden, wenn der Bedrohte eine Erstattung der angedrohten Strafanzeige nicht mehr glaubt fürchten zu müssen (RGZ 90, 411) oder wenn er weiß, dass die Anzeige bereits erstattet worden ist (RGZ 60, 371, 374). b) Beginn bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Für eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf Täuschung oder Drohung beruht, enthält das Gesetz bewusst keine Regelung über den Fristbeginn (Mot I, 209). Anfechtungsgegner ist in einem solchen Fall derjenige, der aufgrund des anfechtbaren Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtl Vorteil erlangt hat (§ 143 Rn 11). Deshalb kann die Anfechtungsfrist des § 124 II 1 erst dann beginnen, wenn dem Anfechtungsberechtigten die Person des Anfechtungsgegners bekannt ist (Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 6; krit BeckOGK/Rehberg Rn 6.2). c) Zugang der Anfechtungserklärung. Die Anfechtungserklärung muss innerhalb der Frist dem Anfechtungsgegner zugegangen sein (§ 130). Es genügt also – anders als bei § 121 I 2 – für die Rechtzeitigkeit nicht, dass die Anfechtungserklärung an den Anfechtungsgegner fristgemäß abgesandt worden ist. Auch das rechtzeitige Vorbringen in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz reicht nicht aus, wenn der Schriftsatz dem Anfechtungsgegner erst nach Fristablauf zugestellt wird (LG Nürnberg-Fürth MDR 2006, 413). d) Fristberechnung. Die Frist gem Abs I berechnet sich nach § 187 I, § 188 II. IÜ bestimmt Abs II S 2, dass auf den Lauf der Frist §§ 206, 210, 211 anwendbar sind. Die Frist ist damit gehemmt bei Verhinderung durch höhere Gewalt; ferner besteht eine Ablaufhemmung bei einer geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Person ohne gesetzl Vertreter sowie in Nachlassfällen. Andere als die in § 124 II 2 genannten Hemmungsgründe sind nicht anwendbar (Soergel/Martens Rn 6). 3. Ausschlussfrist des Abs III. Entspr § 121 I erlischt das Anfechtungsrecht nach § 124 III spätestens zehn Jahre nach Abgabe der Willenserklärung (Frist bis zum 31.12.2001: 30 Jahre, Übergangsregelung Art 229 § 6 EGBGB), sofern es nicht schon früher nach Abs I, II erloschen ist. Anders als bei der Einjahresfrist sind dabei Hemmungstatbestände nicht entspr anwendbar (MüKo/Armbrüster Rn 10). Die Regelung gilt für die Anfechtung von Versicherungsverträgen wegen arglistiger Täuschung; eine Verdrängung durch § 21 III VVG findet nicht statt (BGH NJW 2016, 394). 4. Folgen des Fristablaufs. Nach Fristablauf ist eine Anfechtung ausgeschlossen. Jedoch bleiben dem Getäuschten oder Bedrohten Schadensersatzansprüche aus cic, die nach der Rspr auch auf Vertragsaufhebung gerichtet sein können (vgl näher dazu § 123 Rn 8), und aus unerlaubter Handlung (§ 823 II, § 826), die auch mit der Einrede gem § 853 geltend gemacht werden können (BGH NJW 1969, 604, 605). Liegt nicht zugleich eine unerlaubte Handlung vor, kann der Getäuschte oder Bedrohte dagegen die Erfüllung nicht unter Hinw auf die Arglisteinrede verweigern, wenn lediglich der Tatbestand des § 123 verwirklicht ist; denn damit würde § 124 umgangen. Der Arglisteinwand kann jedoch dann durchgreifen, wenn über den Tatbestand des § 123 hinaus noch weitere Umstände gegeben sind, die eine Berufung auf den Fristablauf als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BeckOGK/Rehberg Rn 20.1; Staudinger/Singer/v Finckenstein Rn 14; vgl auch BGH NJW 1969, 604f; s aber BGH NJW 1979, 1983 zur Verweigerung der Vertragsdurchführung wegen eines Anspruchs aus cic). 5. Beweislast. Wer den Verlust des Anfechtungsrechts durch Fristablauf geltend macht, ist dafür beweispflichtig (Nürnberg VersR 2001, 1368). Wird also etwa wegen arglistiger Täuschung angefochten, so hat der Anfechtungsgegner zu beweisen, dass der Anfechtende bereits länger als ein Jahr vor seiner Anfechtungserklärung Kenntnis von der Täuschung hatte (vgl BGH NJW 1992, 2346, 2347f).
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Nichtigkeit wegen Formmangels
Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge. I. Zwecke des Formzwangs. Rechtsgeschäfte sind nach dem Gesetz grds formfrei wirksam; die Erklärenden 1 sind also in der Wahl des Erklärungsmittels frei. Die Einhaltung einer bestimmten Form ist nur ausnahmsw – kraft Gesetzes oder kraft Rechtsgeschäfts – erforderlich. Dabei kann die Formbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts sehr verschiedenen Zwecken dienen, die nicht selten nebeneinander bestehen. Die gesetzgeberischen Motive für die Anordnung eines Formzwangs sind aber nicht Tatbestandsvoraussetzung der jew Normen; das Rechtsgeschäft ist daher auch dann formbedürftig, wenn den Formzwecken bereits auf andere Weise genügt ist (BGHZ 53, 189, 195; BGH NJW-RR 2017, 596, 598; NJW 2022, 474, 476; BAG NJW 2005, 844; MüKo/Einsele Rn 11). 1. Warnfunktion. Der Erklärende soll bei für ihn riskanten Geschäften vor einer unüberlegten oder übereilten 2 Bindung gewarnt werden. Deshalb bedarf zB die Willenserklärung des Bürgen beim Bürgschaftsvertrag der Schriftform (§ 766); diese Form ist entbehrlich, wenn für den Bürgen die Übernahme der Bürgschaft ein Handelsgeschäft ist, § 350 HGB; ein Kaufmann ist wegen seiner vom Gesetz vorausgesetzten Geschäftserfahrung nicht schutzbedürftig. 2. Klarstellungs- und Beweisfunktion. Durch das Formerfordernis soll gesichert werden, dass und mit wel- 3 chem Inhalt das Geschäft zustande gekommen ist. Die Form führt zur Klarstellung des Erklärten und zu einer leichteren Beweisbarkeit (Bsp: die in § 311b geregelte Formbedürftigkeit ua von Grundstücksgeschäften; zur Beweiskraft von Urkunden vgl auch §§ 415ff ZPO). Ausnahmsw kann die Form in dieser Funktion auch Interessen Dritter dienen. So bedarf ein Wohnungs- oder Grundstücksmietvertrag, der für eine bestimmte Zeit von mehr als einem Jahr geschlossen wird, der Schriftform (§§ 550, 578); dadurch soll bei einer Veräußerung des GrundArnold
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stücks dem Erwerber, der anstelle des Vermieters in dessen Rechte und Pflichten eintritt (§§ 566, 578), sicherer Aufschluss über den Inhalt des Mietvertrags gegeben werden. Im Hinblick auf das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift wird der Inhalt der Beweisfunktion weiter konkretisiert (BT-Drs 14/4987, 16): Danach wird durch die eigenhändige Unterschrift der Aussteller der Urkunde erkennbar (Identitätsfunktion). Ferner gewährleistet sie, dass die Erklärung vom Unterzeichner stammt (Echtheitsfunktion), und erlaubt es dem Empfänger, zu überprüfen, ob die Unterschrift echt ist (Verifikationsfunktion). 3. Beratungsfunktion. Mit der Formvorschrift kann auch eine Beratung über die Auswirkungen des Geschäfts angestrebt werden. Deshalb bedürfen zB Eheverträge (§ 1410) und Erbverträge (§ 2276) der notariellen Beurkundung. Ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, kann zwar ein Testament errichten (§ 2229), aber nur in den Formen, bei denen ihm eine Amtsperson beratend zur Seite steht. Deshalb kommt für ihn ein eigenhändiges Testament nicht in Betracht (§ 2247 IV). Da eine Beratung beim öffentlichen Testament auch dann fehlt, wenn der Minderjährige dem Notar eine verschlossene Schrift übergibt, kann der Minderjährige ein notarielles Testament nur durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer offenen Schrift errichten (§§ 2232, 2233 I). 4. Kontrollfunktion. Ausnahmsw soll die gesetzl vorgeschriebene Form auch eine behördliche Kontrolle des Geschäfts ermöglichen. Ein Bsp bildet heute etwa noch das Schriftformerfordernis für Vereinbarungen über vertikale Preisbindungen bei Zeitungen und Zeitschriften gem § 30 II GWB (MüKo/Einsele Rn 10). II. Arten der Formen. Die gesetzl Formen sind abschließend geregelt. Die rechtsgeschäftlich vereinbarten Formen können aufgrund der Privatautonomie frei bestimmt werden; meist wird dabei aber eine der gesetzl Formen vereinbart. Neben Sonderregelungen für bestimmte Bereiche (zB Auflassung, § 925; Eheschließung, § 1310; eigenhändiges Testament, § 2247) kennt das Gesetz allg folgende Formarten: 1. Schriftform. Es muss eine Urkunde erstellt und von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet werden (Einzelheiten § 126). Für die rechtsgeschäftlich vereinbarte Schriftform enthält das Gesetz ggü der gesetzl vorgeschriebenen Schriftform oder der elektronischen Form gewisse Erleichterungen (Einzelheiten § 127 II und III). 2. Elektronische Form. Sie kann die schriftliche Form ersetzen, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (§ 126 III). Der Aussteller muss seiner elektronischen Erklärung seinen Namen beifügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten Signatur versehen (Einzelheiten § 126a). 3. Textform. Sie besteht aus einer in einer Urkunde oder in einer auf dauerhafte Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegebenen Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht wird. Es handelt sich um einen unterschriftslosen Formtyp, der lesbar ist (Einzelheiten § 126b). 4. Öffentliche Beglaubigung. Die Erklärung muss schriftlich abgefasst werden, und die Unterschrift oder das Handzeichen des Erklärenden muss von einem Notar beglaubigt werden (Einzelheiten § 129). 5. Notarielle Beurkundung. Die Erklärung wird nach Beratung durch einen Notar diesem ggü abgegeben, niedergeschrieben, dem Erklärenden vorgelesen, von ihm genehmigt und unterschrieben; der Notar unterzeichnet anschließend die Niederschrift (vgl §§ 8, 13 BeurkG). III. Gesetzliche Form. 1. Anwendungsbereich. § 125 S 1 gilt für alle gesetzl Formvorschriften. Erfasst sind damit zunächst die Formvorschriften des BGB. Darüber hinaus gilt § 125 S 1 aber grds auch für alle weiteren Formvorschriften in Gesetzen in formellem Sinn und Rechtsverordnungen; denn der Begriff des Gesetzes ist iSd Art 2 EGBGB zu verstehen und erfasst daher jede Rechtsnorm (BGH NJW 2001, 600, 601). Erfasst sind namentlich auch die Formvorschriften im Arbeitsrecht. So verlangen etwa § 1 II TVG, § 77 II BetrVG die Schriftform für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Ebenso bedarf bei der ArbN-Überlassung der Vertrag zw Entleiher und Verleiher gem § 12 I AÜG der Schriftform. Schließlich können auch Formerfordernisse, die Tarifverträge für den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverträgen vorsehen, gesetzl Formvorschriften iSd § 125 sein (BAG NJW 1958, 397, 398; NZA 1999, 602, 603; NJOZ 2003, 2480, 2482; s dazu aber sogleich Rn 9). § 125 ist auf eine gesetzl Formvorschrift aber nur anwendbar, wenn diese die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts von der Einhaltung der Form abhängig machen will (BGH NJW 2001, 600, 601; Grü/Ellenberger Rn 8). Teilw stellt das Gesetz bereits selbst klar, dass die Verletzung einer Formvorschrift nicht zur Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts führt. So gilt nach § 550 ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen wird, als für unbestimmte Zeit geschlossen. Wird das Schriftformerfordernis für die Befristung eines Arbeitsvertrags (§ 14 IV TzBfG) nicht eingehalten, gilt der Vertrag nach § 16 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen. IÜ ist durch Auslegung der jew Bestimmung zu ermitteln, ob die Verletzung des Formerfordernisses die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge haben soll. Daher führt etwa die Verletzung des § 1 S 1 VerstV nicht zur Nichtigkeit des Versteigerungsauftrags (BGH NJW 2001, 600, 602). Ebenso bedarf es bei tarifvertragl Bestimmungen, die für den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Formerfordernisse vorsehen, der Auslegung, ob ein Verstoß zur Nichtigkeit führt oder ob die Formvorschrift nur Beweiszwecken dient und lediglich ein Anspruch auf schriftliche Festlegung besteht (BAG AP Nr 1 § 32 AOG Tarifordnung; ErfK/Preis §§ 125–127 BGB Rn 32). Ferner soll das Unterbleiben der in § 74 I HGB vorgeschriebenen Aushändigung der Originalurkunde über ein vertragl vereinbartes Wettbewerbsverbot keinen Formmangel iSv § 125 S 1 darstellen (BAG NJW 2005, 2732, 2733).
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2. Sonderproblem: Öffentlich-rechtliche Formvorschriften. Besondere Zweifelsfragen wirft die Anwendung des § 125 auf, soweit Vorschriften des öffentlichen Rechts für den Abschluss von Rechtsgeschäften Formerfordernisse vorsehen. Für privatrechtl Geschäfte von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (insb von Gemeinden und Gemeindeverbänden, aber auch von Kirchen) ist im Landesrecht vielfach Schriftform vorgeschrieben. Teilw ist außerdem vorgesehen, dass zB das Dienstsiegel beizufügen ist, zwei oder mehrere Organpersonen zu unterzeichnen haben, die Amtsbezeichnung angegeben werden muss, ein zust Beschl eines weiteren Organs der Körperschaft vorliegen muss oder eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich ist. Diese Vorschriften dienen zwar dem besonderen Sicherheitsbedürfnis zum Schutze der Körperschaft oder Anstalt; insofern deckt sich ihr Zweck teilw mit dem Zweck bürgerlich-rechtl Formvorschriften. Die Nichtbeachtung solcher Vorschriften fällt aber gleichwohl nicht unter § 125. Es handelt sich nicht um bürgerlich-rechtl Bestimmungen über die Form von Rechtsgeschäften. Dem Landesgesetzgeber wäre der Erlass derartiger Vorschriften nach Art 55 EGBGB verwehrt; seine Kompetenz beschränkt sich hinsichtl der privatrechtl Willenserklärungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf die Regelung der Zuständigkeit und der Vertretungsmacht ihrer Organe, also auf öffentliches (Organisations-)Recht. Die in Rede stehenden Vorschriften enthalten demnach Zuständigkeits- oder Vertretungsregelungen (st Rspr, vgl etwa BGH DtZ 1997, 222, 223 und NJW 1998, 3058, 3060; 2001, 2626; BeckOGK/Hecht Rn 91; krit MüKo/Einsele Rn 31). Ihre Verletzung führt demnach nicht zur Formnichtigkeit iSd § 125, sondern es liegt ein Mangel in der Vertretungsmacht vor. Eine Haftung des handelnden Organs nach § 179 I soll aber nicht in Betracht kommen (BGH NJW 2001, 2626, 2627). IÜ soll es wegen der gleichartigen Interessenlage, wie sie bei der Missachtung von Formvorschriften besteht, geboten sein, den Grundsatz von Treu und Glauben auch hier in demselben Umfang wie bei der eigentlichen Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts (Rn 30) anzuwenden (BGHZ 21, 59, 65; BGH NJW 1980, 117, 118; 1984, 606, 607; 1994, 1528; 1998, 3058, 3060). Erst recht betrifft es nicht die privatrechtl Form des Rechtsgeschäfts, sondern die organisationsrechtl Vertretungsmacht, wenn für das Handeln des Vertretungsorgans nicht nur im Innenverhältnis, sondern mit Außenwirkung die Zustimmung eines anderen Organs (etwa der gewählten Gemeindevertretung) erforderlich ist, wie das die Rspr der Instanzgerichte insb für das Bayerische Kommunalrecht (BayObLG NJW-RR 1986, 1080; 1998, 161; NVwZ-RR 1998, 510, 512) und zunächst auch für einen Teil der Länder im Beitrittsgebiet angenommen hat (vgl die Hinw auf Lit und Rspr dazu bei Erman/Palm10 Rn 13). Häufig soll freilich der Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Gemeinderats die Vertretungsmacht des Bürgermeisters ohnehin im Außenverhältnis nicht beschränken (so für Baden-Württemberg BGH MDR 1966, 669 und – für den Landrat – BAG NJW 1986, 2271, 2272; für die Kommunalverfassung der DDR BGHZ 137, 89, 93f; BGH DtZ 1997, 358; NJW 1998, 3056, 3057; 3058, 3059). Ist die Regelung auch für das Außenverhältnis relevant und sind ihre Vorgaben nicht eingehalten worden, liegt ein Handeln ohne Vertretungsmacht vor. Es kommt aber eine Genehmigung des Vertretenen oder des zunächst nicht beteiligten weiteren Organvertreters oder Organs in Betracht (BGHZ 32, 375, 381; BGH NJW 1966, 2402, 2403; 1982, 1036, 1037; 1999, 3335, 3337). Dagegen kann das Fehlen der Vertretungsmacht nicht nach § 242 überwunden werden (BGHZ 47, 30, 39; 92, 162, 174). Auch eine Anwendung der Grundsätze zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht soll nicht generell zulässig sein, sondern lediglich dann denkbar sein, wenn das duldende Organ nach der geltenden Zuständigkeitsordnung zu einer formlosen Bevollmächtigung berechtigt ist (BGH NJW 1972, 940, 941; Grü/Ellenberger Rn 16; Staudinger/Schilken § 167 Rn 49; enger § 167 Rn 38). In Betracht kommen kann allerdings eine Haftung der Körperschaft aus § 311 II, § 241 II, § 280 I (s nur BGHZ 6, 330, 332f; BGH NJW 1999, 3335, 3338f). Die Ausführungen zur rechtl Bedeutung der formalen und materiellen Bindungen für die Organe öffentlichrechtl Körperschaften des Landesrechts gelten entspr für das Handeln von Vertretungsorganen im kirchlichen Bereich (Frankfurt NVwZ 2001, 958; Peglau NVwZ 1996, 767 mwN). Landesrechtl Formvorschriften für das rechtsgeschäftliche Handeln von Sparkassen sind dagegen wegen Art 99 EGBGB wirksam (Grü/Ellenberger Rn 15). 3. Umfang des Formzwangs. a) Formbedürftigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts. Der gesetzl vorgeschriebene Formzwang erstreckt sich seinem Umfang nach auf das ganze Rechtsgeschäft, so dass bei einem formbedürftigen Vertrag sowohl das Angebot als auch die Annahme formbedürftig sind. Ausnahmsw unterwirft das Gesetz nur die Willenserklärung einer Vertragspartei der Form (zB §§ 766, 780, 781, 1154). Enthält ein an sich formfreier Vertrag eine formbedürftige Einzelverpflichtung, so bedarf der ganze Vertrag der Form (MüKo/Einsele Rn 33). Formbedürftig sind alle Abreden, die den Vertragsinhalt bilden sollen (BGHZ 40, 252, 262; BGH WM 1978, 846, 847; NJW 2005, 1356; NK/Noack/Kremer Rn 11). Ferner erstreckt sich das Formerfordernis auch auf die Bezeichnung der Parteien (BGH NJW 2002, 3389, 3391). b) Nebenabreden. Formbedürftig sind insb auch Nebenabreden, die für den Vertragsschluss nicht unmittelbar wesentlich sind (s nur – zu § 15 GmbHG – BGH NJW 2002, 142, 143; Soergel/Meier/Wolz Rn 18; Staudinger/Hertel Rn 58). Das gilt allerdings nicht für solche Abreden, deren Inhalt sich bereits aus dem Gesetz ergibt (BGHZ 84, 124, 126; BGH NJW 2000, 354, 357; MüKo/Einsele Rn 33). Gleiches soll wegen § 139 auch gelten, wenn die Parteien den Vertrag auch ohne die Abrede geschlossen hätten (BGH NJW 1981, 222). Zudem unterliegen auch bloße Erläuterungen nicht der Form (BGH NJW 1997, 2182, 2183; 1999, 2591, 2592). IÜ kann sich im Einzelfall eine Einschränkung der Formbedürftigkeit von Nebenabreden aus dem Zweck der jew Formvorschrift ergeben (vgl BGHZ 57, 53, 57; 67, 267, 269). So gilt etwa das Formerfordernis nach § 55 I GmbHG nicht für schuldrechtl Nebenabreden (BGH NJW 1977, 1151). Beim Mietvertrag sollen völlig unwesentliche Nebenpunkte nicht der Form Arnold
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Rechtsgeschäfte
des § 550 bedürfen (BGH NJW 2008, 1661, 1662). Dagegen ist bei Grundstücksgeschäften ein eher strenger Formzwang anzunehmen (s NK/Noack/Kremer Rn 19). Im Einz bedarf etwa die Zusicherung einer Eigenschaft des verkauften Grundstücks der notariellen Beurkundung (RGZ 52, 1, 3); ebenso formbedürftig sind Verrechnungsabreden zum Grundstückskaufpreis (BGHZ 85, 315, 318; BGH NJW 2000, 2100; krit MüKo/Einsele Rn 33 Fn 133), eine Freistellungsvereinbarung beim Kauf eines GmbH-Anteils (BGH NJW 2002, 142, 143), Bedingungen (BGH NJW 1996, 2792, 2793) oder ein Verzicht auf das Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs im Wohnungsmietrecht (BGH NJW 2007, 1742). Ergibt sich der Umfang der Pflichten einer Vertragspartei aus einer Baubeschreibung oder aus Bauplänen, so fallen auch diese unter den Beurkundungszwang (BGHZ 69, 266, 268; 74, 346, 349; BGH NJW 2002, 1050, 1051; 2005, 1356). c) Geschäftseinheit. Ein grds formfrei mögliches Rechtsgeschäft kann dadurch formbedürftig werden, dass es mit einem anderen rechtl zu einem Geschäft verbunden wird (sog „Geschäftseinheit“, s BGHZ 78, 346, 349; 84, 322, 324; 101, 393, 396; BGH NJW-RR 1998, 1502f; NJW 2004, 3330). Entscheidend ist hier der Verknüpfungswille der Parteien; er muss darauf gerichtet sein, dass die verbundenen Geschäfte miteinander „stehen und fallen“ sollen (BGHZ 76, 43, 49; 101, 393, 396; BGH NJW 2000, 951). Damit ist keine wechselseitige Abhängigkeit gemeint. Vielmehr kommt es darauf an, ob das formbedürftige Rechtsgeschäft auch ohne das grds nicht formbedürftige Rechtsgeschäft abgeschlossen worden wäre (NK/Noack/Kremer Rn 17; MüKo/Einsele Rn 34). Umgekehrt genügt die einseitige Abhängigkeit des grds formfreien Rechtsgeschäfts vom formbedürftigen nicht (BGH NJW 2000, 951; 2001, 226, 227; 2002, 2559, 2560). Nicht ausreichend soll es auch sein, dass das beurkundungsfähige Geschäft unter der Bedingung des Zustandekommens des anderen Geschäfts steht (BGH NJW 2021, 2510, 2511): Geschäftseinheit sei nur zu bejahen, wenn Teile des weiteren Rechtsgeschäfts Inhalt des beurkundungsbedürftigen Geschäfts sein sollen (dazu Keim/Scholz NJW 2022, 1486, 1488). Praktische Bedeutung hat die Figur der Geschäftseinheit insb im Hinblick auf § 311b I erlangt (s eingehend § 311b Rn 53). Dabei hat die Rspr teilw sogar ein zusammengesetztes einheitliches Grundstücksgeschäft angenommen, wenn das Geschäft von (zusätzl) Leistungen eines nicht unmittelbar beteiligten Dritten abhängen soll (Bsp: Schwarzgeldzahlung eines Dritten beim Grundstückskauf, BGH NJW-RR 1998, 950, 951). Ebenso soll nach diesen Grundsätzen ein Bauvertrag beurkundungsbedürftig sein, wenn ein später zu schließender Grundstückskaufvertrag von ihm abhängig sein soll (BGH NJW-RR 2009, 953, 954; NZBau 2011, 154; zu den Rechtsfolgen s Rn 21). In Betracht gezogen wird die Annahme einer Geschäftseinheit daneben etwa weiterhin bei der GmbH-Anteilsveräußerung (s nur BGH NJW 1986, 2642, 2643) und bei Erb- und Eheverträgen (krit Kanzleiter NJW 1997, 217ff). d) Vorvertrag. Der Vorvertrag zu einem formbedürftigen Vertrag unterliegt grds ebenfalls dem Formzwang, da sonst der Zweck der Form auf dem Umweg über die Bindung an den formlos gültigen Vorvertrag vereitelt werden könnte (BGHZ 61, 48; BGH NJW 1975, 1170; 1981, 2293; 2004, 3626; 2006, 2843, 2844; BeckOGK/Hecht Rn 73; vgl auch eingehend Freitag AcP 207, 288, 294ff). Jedoch kann sich aus dem Zweck der Vorschrift ergeben, dass der Vorvertrag formlos gültig ist; so bedarf der Vorvertrag zum Abschluss eines Mietvertrags (§§ 550, 578) nicht der Schriftform, weil der Erwerber des Grundstücks in den Vorvertrag nicht eintritt (RGZ 86, 30, 32; BGH NJW 1954, 71; 2007, 1817; Heile NJW 1991, 6ff; aM etwa Derleder/Pellgrino NZM 1998, 550, 554). Formbedürftig soll auch die Ausübung einer Mietoption sein, wenn auch der Mietvertrag, aus dem sich das Optionsrecht ergibt, formbedürftig war (Frankfurt NZM 1998, 1006). Dagegen bedarf die Ausübung eines Vorkaufsrechts nach § 464 I 2 nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form. e) Vollmacht und Zustimmung. Formfrei ist grds auch die Erteilung einer Vollmacht zu einem formbedürftigen Geschäft (§ 167 II). Von diesem Grundsatz gibt es inzwischen jedoch bedeutsame Ausnahmen (eingehend § 167 Rn 4ff). Ebenso bedarf nach § 182 II die Zustimmung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (Staudinger/Hertel Rn 68). f) Nachträgl Änderungen und Ergänzungen. Formbedürftig sind grds auch spätere Änderungen oder Ergänzungen eines formbedürftigen Vertrags (BGH NJW 1974, 271; NJW-RR 1988, 185, 186; NK/Noack/Kremer Rn 13; BeckOGK/Hecht Rn 77; Staudinger/Hertel Rn 73). Da die Formvorschrift des § 311b I beide Seiten schützen soll, gilt dies auch bei Änderungen zugunsten des Veräußerers (BGH NJW 1974, 271); nicht erfasst sind allerdings Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung (BGH NJW 2018, 3523). IÜ ändert die Formunwirksamkeit nachträgl Ergänzungen nichts an der Formwirksamkeit der ursprünglichen Vereinbarung (München BeckRS 2018, 43199). Kein Formzwang besteht, wenn durch die Änderung entweder nur unerwartet aufgetretene Abwicklungsprobleme behoben werden, die beurkundeten Rechte und Pflichten in ihrem Kern aber nicht berührt werden oder die Verpflichtung desjenigen, der durch die Form geschützt wird (zB des Bürgen; § 766 S 1), nur eingeschränkt werden soll (RGZ 71, 415, 416; BGH NJW 1973, 37; 1976, 1842; 1996, 452; 2001, 1932, 1933; NJW-RR 1988, 185, 186). Der Neuabschluss eines aufgehobenen formbedürftigen Vertrags ist immer formbedürftig. Ebenso besteht immer Formzwang für die Bestätigung eines formnichtigen Vertrags; allerdings sind Bezugnahmen erlaubt (vgl § 141 Rn 5). Bedeutung hat der Formwechsel schließlich auch für die Auswechselung einer Vertragspartei. So unterfällt etwa bei der Wohnraummiete sowohl die Auswechselung des Mieters als auch des Vermieters § 550 (BGH NJW 2014, 1083, 1084f; NZM 2005, 340, 341). Bei formgerecht vereinbartem Vermieterwechsel in einem langfristigen Mietvertrag bedarf aber die Zustimmung der Mieter keiner Form (BGH NJW 2003, 2158, 2160f); dasselbe gilt für die Zustimmung des Neumieters, wenn Vermieter und Altmieter einen Übergang des Mietverhältnisses vereinbaren (BGH NJW-RR 2005, 958, 959). 366
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Willenserklärung
§ 125
g) Aufhebung. Die Aufhebung eines Rechtsgeschäfts ist grds formlos möglich (s nur BAG AP Nr 5 § 1 TVG Form; MüKo/Einsele Rn 15). Ausnahmen bestehen aber zB nach § 2290 IV für die vertragl Aufhebung eines Erbvertrags und nach §§ 2351, 2348 für die vertragl Aufhebung eines Erbverzichts. Ferner bedarf auch die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nach § 623 der Schriftform; dies gilt nicht nur für die Kündigung, sondern auch für Aufhebungsverträge (s nur ErfK/Müller-Glöge § 623 BGB Rn 4f mwN). Ausnahmen können sich überdies aus dem Zweck der Formvorschrift ergeben. So ist etwa die Aufhebung eines Grundstückskaufvertrags formbedürftig, wenn der Vertrag bereits vollzogen und damit das Grundstück übereignet wurde, weil damit eine Verpflichtung zur Rückabwicklung des Grundstücks begründet wird; gleiches gilt, wenn der Erwerber bereits ein Anwartschaftsrecht an dem Grundstück erworben hat (BGHZ 83, 395, 397ff). 4. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung einer gesetzlichen Formvorschrift. a) Nichtigkeit. Die Nichtbeachtung einer gesetzl Formvorschrift macht das Rechtsgeschäft grds nichtig (§ 125 S 1). Das gilt wegen § 139 grds auch dann, wenn einer Nebenabrede die gesetzl vorgesehene Form fehlt. In den Fällen der Geschäftseinheit (Rn 16) soll sich Nichtigkeit auf das verbundene Geschäft erstrecken können, auch wenn dies selbst keiner Formpflicht unterliegt (so BGH NZBau 2011, 154 für die Verknüpfung eines Bau- mit einem Grundstückskaufvertrag; Drescher/Pichler NZBau 2015, 752; dagegen mit guten Gründen krit Maier-Reimer NJW 2015, 273, 276). Auf die Nichtigkeit kann sich jede Vertragspartei, aber auch jeder Dritte (RGZ 93, 76) berufen. Im Rechtsstreit ist die Nichtigkeit wegen Formmangels selbst dann zu beachten, wenn beide Prozessparteien den formwidrig geschlossenen Vertrag als wirksam behandelt wissen wollen. Wegen der Nichtigkeit besteht auch kein Erfüllungsanspruch und kein Anspruch auf formgerechten Abschluss des Geschäfts. Hat bereits eine Partei den formnichtigen Vertrag erfüllt, kann sie das Geleistete nach § 812 I 1 Alt 1 zurückverlangen, sofern nicht § 814 entgegensteht (zur Heilung des Formmangels durch Erfüllung: Rn 23). Außerdem können Schadensersatzansprüche aus § 311 II, § 241 II, § 280 I oder §§ 823ff in Betracht kommen (MüKo/Einsele Rn 55f). b) Abweichende gesetzl Regelung. Ausnahmsw führt der Verstoß gegen eine gesetzl Formvorschrift nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. So gilt ein Mietvertrag über Wohnraum, der ohne Einhaltung der Schriftform für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, als für unbestimmte Zeit geschlossen (§ 550). Diese Folge tritt auch dann ein, wenn die Vertragsparteien diese Rechtsfolge des Formmangels nicht gekannt (RG JW 1929, 3226) oder eine zeitl Unbestimmtheit nicht gewollt haben (RG JW 1929, 318). Für Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume gilt das entspr (§ 578). Ähnl gilt für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags: Wird der Form des § 14 IV TzBfG nicht genügt, gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 TzBfG). Ist ein formnichtiger Gesellschaftsvertrag in Vollzug gesetzt worden, wirkt sich die Formnichtigkeit nur für die Zukunft aus; ist eine Kapitalgesellschaft trotz eines formunwirksamen Gesellschaftsvertrags ins Handelsregister eingetragen worden, ist der Formmangel sogar unbeachtlich (eingehend KK-AktG/Arnold § 23 AktG Rn 164, 168). Ebenso kann bei einem in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis die Formnichtigkeit nur für die Zukunft geltend gemacht werden (s nur BAG NJW 1958, 397, 398). c) Heilung des Formmangels. Für bestimmte Fälle sieht das Gesetz eine Heilung des Formmangels vor (zB § 311b I 2; § 494 II; § 518 II; § 766 S 3; § 2301 II; § 15 IV 2 GmbHG). Werden die formnichtigen Rechtsgeschäfte erfüllt, erledigen sich die Hauptzwecke mancher Formvorschriften (Warn- und Beweisfunktion). Aber auch dann, wenn die Formvorschrift ihre Warnfunktion nicht erfüllt, weil etwa der Schuldner sich irrtümlich aufgrund des formwidrigen Vertrags zur Leistung verpflichtet glaubt und deshalb leistet, tritt die Heilung aus Gründen der Praktikabilität ein (Mugdan II, 741). Die Heilung lässt, soweit das Gesetz keine Einschränkungen vorsieht (zB § 494), das gesamte Geschäft einschl aller Nebenabreden wirksam werden. Eine teilw Erfüllung (zB des Bürgen) bewirkt auch nur eine teilw Heilung des Geschäfts. Immer betrifft die Heilung nur den Formmangel, nicht andere Nichtigkeitsgründe (zB §§ 105, 134, 138). Die Heilung wirkt nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des formnichtigen (Verpflichtungs-)Geschäfts zurück; jedoch haben die Parteien sich entspr § 141 II das zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre (BGHZ 32, 11, 13; 54, 56, 63f). Eine entspr Anwendung der Heilungsvorschriften auf andere Fälle der Erfüllung kommt grds nicht in Betracht, da die entspr Einzelregeln keinen allg Rechtsgedanken enthalten (hM, s nur BGH NJW 1967, 1128, 1131; MüKo/Einsele Rn 49 mwN). Allerdings sollen im Einzelfall Ausnahmen möglich sein. So soll die Formunwirksamkeit eines Vorvertrags über eine Grundstücksveräußerung durch den formgerechten Abschluss des entspr Vertrags analog § 311b I S 2 geheilt werden (BGHZ 82, 398, 403; s aber auch BGH NJW 2004, 3626ff). Gleiches gilt bei einer formlosen Verpflichtung zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts bei Einigung und Eintragung in das Grundbuch (BGH WM 1967, 935, 936; krit Wais NJW 2017, 1569). Ferner wird die Formunwirksamkeit eines Maklervertrags, der nach § 311b I formbedürftig ist, weil ein unangemessener Druck zum Erwerb eines Grundstücks ausgeübt wird, durch die Auflassung und Eintragung der Auftraggeberin als Eigentümerin geheilt (BGH NJW-RR 1989, 760). Bei einer formlosen Verpflichtung zur Übertragung des Erbbaurechts wurde § 11 II ErbbauRG iVm § 313 S 2 aF entspr angewandt, wenn der Erwerber nicht als Inhaber des Erbbaurechts eingetragen wurde, er aber, nachdem er inzwischen Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks geworden war, den im Grundbuch als Erbbauberechtigten eingetragenen Veräußerer mit Erfolg veranlasst hatte, das Erbbaurecht löschen zu lassen (BGHZ 32, 11, 12). Hat der Ehemann seiner Frau Geld zum Kauf eines bestimmten Grundstücks geschenkt und mit ihr mündlich vereinbart, ihr Erbe müsse ihm das Grundstück zurückübereignen, wenn die Frau vor dem Mann sterbe, so wird diese mündliche Abrede in analoger Anwendung des § 311b I 2 wirksam, wenn die Frau mit Auflassung und Eintragung Eigentümerin des Grundstücks geworArnold
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Rechtsgeschäfte
den und das Grundstück mittelbar Gegenstand der unentgeltlichen Zuwendung gewesen ist (BGH NJW 1952, 1171 – Fall der mittelbaren Schenkung). Dagegen wird der Formmangel eines Kaufvertrags über den Anteil eines Miterben am Nachlass durch ein formgerechtes Erfüllungsgeschäft nicht geheilt (RGZ 137, 171, 175; BGH NJW 1967, 1128, 1131; aA MüKo/Einsele Rn 50). Eine § 311b I nicht genügende Vereinbarung zw künftigen Miteigentümern über Realteilung eines gemeinschaftl zu erwerbenden Grundstücks wird durch dessen Auflassung an sie und ihre Grundbucheintragung als Miteigentümer nicht geheilt (BGH NJW 2002, 2560, 2561). Ebenso soll bei einem Leibrentenvertrag (§ 761) der Formmangel nicht durch vollständige beiderseitige Erfüllung geheilt werden (RGZ 67, 208, 212). 25 IV. Rechtsgeschäftlich vereinbarte Form. 1. Bedeutung des Formzwangs. Bei einer rechtsgeschäftlich bestimmten Form ergibt sich der Umfang des Formzwangs aus der getroffenen Vereinbarung. Die Form kann vereinbarungsgemäß Wirksamkeitsvoraussetzung sein, also konstitutive Bedeutung haben, so dass bei Nichteinhaltung der Form das Geschäft nichtig ist (§ 125 S 2). Sie kann auch nur zur Sicherung des Beweises gewollt sein, also nur deklaratorische Bedeutung haben, so dass das Geschäft auch formlos gültig ist, jede Partei aber einen Anspruch darauf hat, dass das Geschäft urkundlich festgelegt wird. Was die Parteien im Einzelfall gewollt haben, ist durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermitteln. Ergibt die Auslegung, dass nur eine Beweissicherung oder Klarstellung beabsichtigt war, spricht das für eine lediglich deklaratorische Bedeutung der Form (BAG NZA 2013, 900, 902). Ist vereinbart, dass eine Kündigung mit Einschreiben zu versenden sei, hat idR allein die Schriftform konstitutiven Charakter, während die Versendung als eingeschriebener Brief nur den Zugang sichern soll (BGH NJW-RR 1996, 866, 867; NJW 2004, 1320; BAG NJW 1980, 1304). Wenn die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs in einer Familiensache vereinbart ist, ist die vorhergehende mündliche Einigung über den Inhalt des Vergleichs nicht wirksam (Karlsruhe NJW 1995, 1561, 1562). Dagegen haben Schriftformklauseln in Gesellschaftsverträgen idR nur Klarstellungsfunktion (BGHZ 49, 364, 366). Unter die Vereinbarung eines Formzwangs für Vertragsänderungen oder -ergänzungen (sog einfache Schriftformklausel) fällt im Zweifel nicht die Zustimmung zu einer Vertragsübernahme (BGH DtZ 1996, 56, 58). Führt die Auslegung zu keinem Ergebnis, greift die Auslegungsregel des § 125 S 2 ein, wonach das formlose Geschäft im Zweifel nichtig ist (vgl auch § 154 II). 26 2. Aufhebung der vereinbarten Form. Der rechtsgeschäftlich bestimmte Formzwang kann durch Vereinbarung der Parteien wieder aufgehoben werden (hM, vgl BGHZ 66, 378, 381; Flume AT II § 15 III 2). Gleiches gilt auch für Schriftformklauseln in AGB (vgl § 305b). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Aufhebung durch eine die Form wahrende Vereinbarung erfolgt (BGH NJW 1962, 1908; BeckOGK/Hecht Rn 112; anders für den kaufmännischen Verkehr etwa Kötz JZ 2018, 988, 990; für individualvertragliche Klauseln auch Wedemann JZ 2022, 1041, 1047). Die Aufhebung kann auch konkludent (zB Bewirken der Leistungen durch die Parteien) erfolgen; dabei genügt es, dass die Parteien die mündliche Vereinbarung übereinstimmend als maßgeblich wollen, selbst wenn sie an die früher vereinbarte Formklausel nicht mehr denken (BGHZ 71, 162, 164; BGH WM 1974, 105; NJW 2006, 138, 139; BAG NJW 1989, 2149, 2150; NZA 2007, 801, 803; Flume AT II § 15 III 2; krit MüKo/ Einsele Rn 71); denn die Parteien müssen ggü ihrer eigenen Bestimmung einer Form, wenn sie einverständlich handeln, frei sein. Bei Vereinbarung einer qualifizierten Schriftformklausel, die entweder allg für Vertragsänderungen oder aber für eine Änderung oder Aufhebung der Formvereinbarung ausdrückl Schriftform verlangt, ist eine mündliche Abrede dagegen unwirksam (BGHZ 66, 378, 380; BAG NJW 2003, 3725, 3727; aA Erman/Palm12 Rn 9). In AGB verstoßen derartige Klauseln aber gegen §§ 305b, 307; damit haben individuelle mündliche Abreden Vorrang (BGH NJW 1995, 1488, 1489; 2006, 138, 139; 2017, 1017, 1018; BAG NJW 2009, 316, 317). 26a Die Beweislast für eine formlose Änderung und damit einhergehende Abbedingung der vertraglichen Vereinbarung einer Formpflicht trägt derjenige, der sich auf die Änderung beruft (Grü/Ellenberger Rn 20; Staudinger/ Hertel Rn 126). Ein solcher Beweis bleibt auch dann möglich, wenn der Vertrag eine sog „Vollständigkeitsklausel“ (zB: „Mündliche Nebenabreden bestehen nicht.“) enthält: auch derartige Klauseln enthalten keine unwiderlegliche Vermutung, sondern lassen die Möglichkeit des Gegenbeweises unberührt (BGH NJW-RR 2021, 872, 874). 27 3. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung einer rechtsgeschäftlichen Formvorschrift. Entscheidend ist zunächst, ob die rechtsgeschäftlich bestimmte Form konstitutive oder lediglich deklaratorische Bedeutung haben soll (Rn 25). Im letzten Fall ist das formlose Geschäft gültig. Sofern eine konstitutive Bedeutung gewollt ist, was im Zweifel anzunehmen ist, ist das formlos geschlossene Geschäft nichtig (§ 125 S 2). Jedoch ist dann zu prüfen, ob mit dem formlosen Abschluss des Geschäfts die rechtsgeschäftlich bestimmte Form aufgehoben worden ist (vgl Rn 26), so dass das Geschäft gültig ist. 28 V. Inhalt der Urkunde. 1. Auslegung. Der Inhalt des in der Urkunde enthaltenen Geschäfts wird durch den Willen des oder der Erklärenden bestimmt. Dieser Wille ist durch Auslegung der Urkunde zu ermitteln. Dafür gelten dieselben Grundsätze wie für die Auslegung formfreier Erklärungen (vgl §§ 133, 157). Es ist also der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 Rn 15). Dabei sind auch die außerhalb der Urkunde liegenden Umstände (zB Vorkorrespondenz, Entwürfe, Besprechungen, sonstiges Verhalten der Erklärenden, Sinn und Zweck) mit zu berücksichtigen (BGHZ 63, 359, 362; BGH NJW 1969, 131, 132; 1995, 1886, 1887; 1996, 2792, 2793). Allerdings wird von der Rspr die Auffassung vertreten, die außerhalb der Urkunde liegenden Umstände seien nur dann zu berücksichtigen, wenn der sich daraus ergebende Wille irgendeinen, wenn auch noch so unvollkommenen Ausdruck in der Urkunde gefunden habe („Andeutungstheorie“, BGHZ 63, 359, 362; 87, 150, 154; BGH NJW 1993, 724, 725; 1996, 2792, 2793; 2000, 1569, 1570; BAG NJW 2007, 250, 252; krit etwa Flume AT II § 16, 2a; s auch Medicus/Petersen AT Rn 330). Dies soll aller368
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Willenserklärung
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dings nicht für die erg Vertragsauslegung gelten (Grü/Ellenberger § 133 Rn 19); sie bleibt auch bei formbedürftigen Erklärungen möglich. IÜ soll die Andeutungstheorie der Anwendung der Grundsätze zur irrtümlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio; § 133 Rn 18) nicht entgegenstehen: In diesem Fall gilt nicht das Erklärte, sondern das Gewollte; dieses ist formgerecht zum Ausdruck gebracht (BGHZ 74, 116, 119; 87, 150, 153; NJW 2008, 1658, 1659; Staudinger/Hertel Rn 85; Medicus/Petersen AT Rn 331). Bezeichnen dagegen die Parteien in einem notariellen Grundstückskaufvertrag den Kaufpreis bewusst falsch, ist das beurkundete Geschäft als Scheingeschäft (§ 117 I) und das verdeckte Geschäft wegen Formmangels (§ 117 II, § 311b I) nichtig (§ 117 Rn 12). 2. Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde. Die Auslegung einer formgebundenen Willenserklärung hat von der Urkunde auszugehen. Diese hat, wenn sie nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt, die Vermutung für sich, dass sie das Rechtsgeschäft richtig und vollständig wiedergibt, also insb keine weiteren Abreden getroffen worden sind (BGH NJW 1980, 1680, 1681; 1989, 898; 2000, 207; 2002, 3164, 3165). Diese Vermutung erstreckt sich auf alle Erklärungen in der Urkunde, die Regelungen enthalten (BGH NJW-RR 1998, 1470). Sie gilt nicht, wenn die Parteien unstr eine Nebenabrede außerhalb der Urkunde getroffen haben (BGH NJW 1989, 898). IÜ ist die Vermutung widerlegbar. Wer ein bestimmtes Auslegungsergebnis auf Umstände außerhalb der Urkunde stützt, muss diese aber beweisen (BGH NJW 1999, 1702f). Wer behauptet, dass die Urkunde das Rechtsgeschäft unzutreffend darstelle oder eine getroffene Nebenabrede nicht enthalte, ist dafür ebenfalls beweispflichtig. An diesen Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen (Köln WM 1976, 362). Es reicht nicht der Beweis aus, dass eine mündliche Nebenabrede überhaupt getroffen wurde; erforderlich ist ferner der Beweis, dass die Parteien die Nebenabrede auch noch bei Errichtung der Urkunde als Vertragsbestandteil wollten (RG WarnRsp 1918 Nr 50). Bei ungewöhnlichen Abreden oder solchen von erheblicher Bedeutung ist auch darzulegen, weshalb eine Aufnahme in die Urkunde unterblieben ist. VI. Formnichtigkeit und Treu und Glauben. 1. Grundlagen. Die Formnichtigkeit nach § 125 steht regelmäßig nicht im Widerspruch zu dem das ganze Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242). Im Einzelfall können aber die Folgen der Formstrenge mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar sein. Dafür genügt es aber nicht, dass die Ergebnisse für den Betroffenen hart sind; vielmehr darf nach der Rspr nur „zur Vermeidung schlechthin untragbarer Ergebnisse“ aufgrund des § 242 von der Nichtigkeit abgesehen werden (BGHZ 26, 142, 151; 29, 6, 10; 85, 315, 319; 121, 224, 233; 138, 339, 348; BGH NJW 2004, 3330, 3331f; NJW-RR 1990, 519; BAG NJW 2005, 844; für einen teleologischen Ansatz BeckOGK/Hecht Rn 127). Eine Korrektur der Nichtigkeitsfolge des § 125 durch § 242 ist nur dann erforderlich, wenn nicht auf einem anderen Wege ein sachgemäßer Interessenausgleich geschaffen wird. Das ist zB der Fall, wenn durch Erfüllung eine Heilung des Geschäfts eintritt, einem Bereicherungsanspruch § 814 entgegensteht oder ein Schadensersatzanspruch (aus § 311 II, § 241 II, § 280 I oder unerlaubter Handlung) gegeben ist (Neuner AT § 44 Rn 77; vgl auch BGHZ 12, 286, 304; aA MüKo/Einsele Rn 69; NK/Noack/Kremer Rn 47). IÜ können Entscheidungskriterien für eine Überwindung der Formnichtigkeit gem § 242 die schwere Treuepflichtverletzung des einen Vertragsteils und die bei Nichtigkeit drohende Existenzgefährdung des anderen Vertragsteils sein (vgl etwa BGH NJW 1989, 166, 167; 2008, 2181, 2183; NJW-RR 2017, 596, 597). Bedeutsam kann es ferner sein, dass eine Seite über längere Zeit aus dem formunwirksamen Vertrag unmittelbar oder mittelbar Vorteile gezogen hat (vgl etwa BGHZ 121, 224, 233; BGH NJW 1997, 3169, 3170f; 1999, 2664, 2667). Ist ein Formmangel unbeachtlich, ist dies von Amts wegen zu beachten (Grü/Ellenberger Rn 22). 2. Fallgruppen. Es lassen sich folgende Fallgruppen bilden, die nicht abschließend sein können (eingehend Armbrüster NJW 2007, 3317ff). a) Bewusster Verstoß gegen das Formgebot. Haben beide Parteien die Formbedürftigkeit gekannt und dennoch die Formvorschrift nicht eingehalten, so ist das Geschäft nichtig. Der durch den Formmangel Geschädigte verdient nicht den Schutz, dass das Geschäft als wirksam angesehen wird, da er den Formmangel kannte (BGH NJW 1969, 1167, 1170; 1973, 1455, 1456). Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte sich auf das Wort des Vertragspartners als eines „Edelmannes“ oder auf den Hinw „kaufmännischer Ehrbarkeit“ verlässt und deshalb in Kenntnis der Formvorschrift einen formgerechten Abschluss des Vertrags nicht durchsetzt (RGZ 117, 121, 124; anders BGHZ 48, 396, 399, dagegen mit Recht Medicus/Petersen BürgR Rn 181; MüKo/Einsele Rn 62). Auch wenn auf beiden Seiten ein gesetzwidriges Verhalten (zB Schwarzkauf) vorliegt, kommt eine Durchbrechung der Nichtigkeitsfolge gem § 242 nicht in Betracht (BGH NJW 1980, 451). b) Arglistige Täuschung über die Formbedürftigkeit. Hat eine Partei die andere über die Formbedürftigkeit des Vertrags arglistig getäuscht, so muss die getäuschte Partei geschützt werden. Dazu reichen Schadensersatzansprüche aus § 311 II, § 280 I oder unerlaubter Handlung nicht aus, da sie auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet sind; dieses deckt sich nicht mit dem Erfüllungsinteresse, weil die arglistige Partei den Vertrag nicht formgerecht geschlossen hätte. Deshalb ist der formnichtige Vertrag nach § 242 wie ein gültiger zu behandeln (BGH NJW 1969, 1167, 1169; anders in der Begründung Flume AT II § 15 III 4c cc). Allerdings gilt das nur dann, wenn die Aufrechterhaltung des formnichtigen Geschäfts dem Willen der getäuschten Partei entspricht; der Täuschende kann vom Getäuschten nicht gegen dessen Willen Vertragserfüllung verlangen (Flume AT II § 15 III 4c cc; Medicus/Petersen BürgR Rn 182). c) Fahrlässige Unkenntnis der Form. Haben beide Parteien die Formbedürftigkeit nicht gekannt, bleibt es bei der Nichtigkeit, selbst wenn eine Partei fahrlässig bei der anderen den Irrtum erweckt oder erhalten hat, das GeArnold
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Rechtsgeschäfte
schäft bedürfe keiner Form (BGH NJW 1965, 812, 813; 1969, 1167, 1169; 1989, 166, 167). Es kann jedoch ein Schadensersatzanspruch aus § 311 II, § 280 I in Betracht kommen (Medicus/Petersen AT Rn 633; s auch MüKo/ Einsele Rn 55); der Anspruchsberechtigte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte. Jedoch kann das negative Interesse sich mit dem positiven decken, wenn ohne Verschulden des anderen Vertragspartners ein formgültiger Vertrag geschlossen worden wäre. Allerdings hat in einem solchen Fall zB der Käufer keinen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks; vielmehr soll er in Geld so zu entschädigen sein, dass er sich ein gleichwertiges anderes Grundstück verschaffen kann (BGH NJW 1965, 812, 814; str). d) Fürsorgepflicht. Beruht die Nichtbeachtung der Formvorschrift auf der Verletzung einer besonderen Fürsorgepflicht/Treuepflicht des einen Vertragspartners ggü dem anderen, so muss die Nichtigkeitsfolge bei dessen Existenzgefährdung ggü dem Grundsatz von Treu und Glauben zurücktreten (MüKo/Einsele Rn 59). Ein solches Betreuungsverhältnis hat die Rspr im Einzelfall etwa zw Siedlungsunternehmen und Siedler (BGHZ 16, 334), Behörde und Bürger (BezG Potsdam VersR 1992, 1525 für einen Fall aus der DDR) oder zw Auftraggeber und Auftragnehmer angenommen (BGHZ 85, 245, 251; BGH NJW 1994, 3346, 3347; anders NJW 1996, 1960, 1961). Im Hinblick auf eine Wohnungsbaugesellschaft besteht dagegen ein solches Verhältnis regelmäßig nicht (BGH NJW 1965, 812, 813; 1969, 1167, 1169; anders BGH NJW 1972, 1189, 1190). Auch aus der gesellschaftsrechtl Treuepflicht folgt keine Fürsorgepflicht, die ein Zurücktreten des Formzwangs rechtfertigen könnte (BGH NJW 1989, 166, 167). Dagegen soll ein Steuerberater verpflichtet sei, den Mandanten auf das Textformerfordernis für Pauschalvergütungsvereinbarungen (§ 14 I 2 StBVV) hinzuweisen; kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann er nicht unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung eine höhere Vergütung verlangen (Schleswig DStR 2019, 1595). e) Einseitige Rechtsgeschäfte. Bei einseitigen Rechtsgeschäften (etwa Kündigung) wird sich der Erklärungsempfänger ggü dem Formmangel auf § 242 berufen können, wenn er in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit der formlosen Erklärung Schutz verdient und der Erklärende sich in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise zu seinem Verhalten bei und/oder nach Vornahme des Rechtsgeschäfts in Widerspruch setzt (vgl das Bsp einer formunwirksamen außerordentlichen Kündigung eines ArbN in BAG NJW 1998, 1659, 1660f). f) Besonderheiten bei Verfügungen. Bei Verfügungen kann der Formzwang nicht durch § 242 durchbrochen werden; denn sie wirken absolut und berühren die Interessen Dritter. Hier geht das Interesse an der Verkehrssicherheit vor (hM; NK/Noack/Kremer Rn 46; Flume AT II § 15 III 4a; Medicus/Petersen BürgR Rn 186; anders Soergel/Teichmann § 242 Rn 177).
§ 126
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Schriftform
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. (3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. (4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt. 1. Bedeutung. § 126 bestimmt die Voraussetzungen für die Einhaltung der gesetzl vorgeschriebenen Schriftform. Für die rechtsgeschäftlich vereinbarte Schriftform gilt § 127. Die gesetzl Bezeichnung des Schriftformerfordernisses ist uneinheitlich (vgl MüKo/Einsele Rn 3): schriftliche Erklärung (zB § 32 II), schriftliche Form (zB § 550), Ausstellung einer Urkunde (zB § 409), schriftliche Mitteilung (§ 416 I), schriftliche Erteilung einer Erklärung (zB § 766). 2. Anwendungsbereich. § 126 gilt für Rechtsgeschäfte. Darüber hinaus ist die Vorschrift aber auch auf rechtsgeschäftsähnl Handlungen zumindest entspr anzuwenden (MüKo/Einsele Rn 4; Röger NJW 2004, 1764, 1765; Ulrici NJW 2003, 2053, 2055; aA BAG NJW 2001, 989, 990; 2003, 843, 844). Das BGB sieht die Schriftform zB in folgenden Fällen vor: § 32 II, § 37 I, § 81 III, § 111 S 2, § 368, § 409 I, § 410 I und II, § 416 II, § 484 I, § 492 I, § 550, § 568 I, § 574b I, § 577 III, §§ 585a, 594f, 623, 655b I, §§ 761, 766, 780, 781, 792 I, § 793 I, § 1154 I. Die Regelung des § 126 gilt auch für andere gesetzl Schriftformerfordernisse des Privatrechts, etwa im Arbeitsrecht (zB § 12 AÜG, § 77 II, § 112 III BetrVG, § 14 IV TzBfG), in den gesetzl Gebührenregelungen der freien Berufe (zB § 2 II GOÄ, § 2 II GOZ) oder im Handels- und Gesellschaftsrecht (zB § 74 I, § 86b HGB, § 32 AktG, §§ 5, 76 GenG, § 3 PartGG). § 126 gilt ferner bei öffentlich-rechtl Verträgen, §§ 57, 62 VwVfG (vgl OVG Lüneburg NJW 1992, 1404, 1405; 1998, 2921; OVG Saarlouis NJW 1993, 1612); iÜ ist die Vorschrift aber im öffentlichen Recht nicht entspr anwendbar (MüKo/Einsele Rn 6). Ebenso gelten im Prozessrecht vorrangig die Sondervorschriften des Verfahrensrechts (vgl BGHZ 107, 129, 131; GmS-OGB NJW 2000, 2340). Für das Schriftformerfordernis nach Europäischem Unionsrecht gilt § 126 nicht (BGH NJW 1983, 519, 521; 2006, 681, 683). 3. Erfordernisse der Schriftform. a) Urkunde. Die rechtsgeschäftliche Erklärung muss in einer Urkunde, also schriftlich niedergelegt sein. Die Art und Weise der Herstellung ist nicht vorgeschrieben. Die Urkunde kann nach Belieben von den Parteien oder einem Dritten handschriftlich, mit Schreibmaschine oder PC, durch Druck 370
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Willenserklärung
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oder Vervielfältigung erstellt werden. Jeder Stoff, der geeignet ist, die schriftliche Erklärung auf Dauer festzuhalten, kann benutzt werden (vgl RG DJZ 1910, 594: Testament auf Schiefertafel). Zulässig ist auch die Benutzung einer alten, inzwischen unwirksam gewordenen Urkunde (RGZ 78, 26, 31). Nicht ausreichend ist für die Wahrung der Schriftform aber die Unterzeichnung auf einem elektronischen Schreibtablet (München NJW 2012, 3584, 3585; BeckOGK/Hecht Rn 48). Die Angabe von Ort und Zeit der Abfassung ist nicht erforderlich (LG Frankfurt WM 2009, 947). IÜ muss die Urkunde auch nicht in dt Sprache abgefasst sein (Grü/Ellenberger Rn 2). aa) Inhalt der Urkunde. In der Urkunde muss die formbedürftige, rechtsgeschäftliche Erklärung grds vollständig und bestimmt, zumindest bestimmbar enthalten sein. Danach sind alle Einzelheiten, die nach dem Willen der Parteien den Vertrag kennzeichnen, schriftlich niederzulegen (MüKo/Einsele Rn 8; vgl auch BGH NJW 2003, 1248). Teilw regelt auch das Gesetz im Einz selbst, welchen Inhalt die Urkunde enthalten muss (zB §§ 484, 492). IÜ ist der notwendige Inhalt unter Berücksichtigung der Formzwecke zu ermitteln (vgl BGHZ 57, 53, 57; ferner Grü/Ellenberger Rn 3). So muss die Bürgschaftserklärung außer dem Willen, für eine fremde Schuld einzustehen, den Gläubiger, den Schuldner und die gesicherte Forderung nennen (BGHZ 132, 119, 122f). Dagegen soll beim Mietvertrag der Form des § 550 bereits genügt sein, wenn die Parteien des Mietvertrags, die vermieteten Räume und der Mietbeginn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar sind (BGH NJW 1999, 3257, 3259; 2006, 139, 140; 140, 141). IÜ sollen erforderliche Zustimmungserklärungen zu einem Mieter- bzw. Vermieterwechsel ohne Wahrung der Form wirksam sein (BGH NJW 2003, 2158, 2160; NJW-RR 2005, 958, 959; s schon § 125 Rn 19). Gleichgültig ist, ob die Urkunde neben der formbedürftigen noch andere Erklärungen enthält (zB im Privatbrief). bb) Einheitlichkeit der Urkunde. Die gesamte rechtsgeschäftliche Erklärung muss in einer Urkunde enthalten sein. Besteht die Urkunde aus mehreren Blättern, setzt dies nach der zwar überwiegend zu § 550 ergangenen, aber auch auf andere Schriftformerfordernisse übertragbaren (dazu BGH ZIP 2019, 2402, 2403) Rspr allerdings nicht mehr voraus, dass eine von den Vertragsparteien übereinstimmend hergestellte dauernde äußere (körperliche) Verbindung (zB Anheften mit einem Faden, Zusammenleimen, Heften) besteht (dahingehend noch BGHZ 40, 255, 263). Vielmehr soll es ausreichend sein, wenn sich die Einheit der Urkunde etwa aus fortlaufender Seitenzahl, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt (BGHZ 136, 357, 363ff; BGH NJW-RR 2004, 586, 587; ZIP 2019, 2402, 2403; s zu § 34 aF GWB auch schon BGH NJW 1997, 2182, 2183; ferner etwa BAG NZA 2019, 1082, 1089; eingehend zur Entwicklung der Rspr Erman/Palm12 Rn 6). Zulässig ist es auch, wenn sich der formbedürftige Inhalt erst aus mehreren Urkunden (zB Vertrag mit Anlagen, Nachtrags- und Ergänzungsvereinbarungen) ergibt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass beide Urkunden verbunden sind. Vielmehr soll es nach der – wiederum zu § 550 ergangenen – Rspr des BGH genügen, wenn der Vertrag auf die Anlage Bezug nimmt und diese so genau kennzeichnet, dass eine eindeutige Identifizierung möglich ist (BGH NJW 1999, 1104, 1105; 2003, 1248, 1249; 2007, 288, 290; 3202, 3203; 2009, 2195, 2196; eingehend Lindner-Figura NZM 2007, 705, 709; ähnl für Tarifverträge BAG NJW 1981, 1574; enger für § 112 BetrVG aber offensichtlich BAG NJW 2007, 266, 269). Eine Rückverweisung der Anlage auf den eigentlichen Vertrag ist dagegen nicht erforderlich (BGH NJW 2000, 354, 357; 2003, 1248, 1249). Ferner muss die Anlage von den Parteien nicht unterschrieben oder paraphiert worden sein (BGH NJW 2003, 1248, 1249, noch offenlassend BGH NJW 1999, 1104, 1105; 2000, 354, 357). Daher ist es auch unschädlich, wenn die Anlage in einem Vertrag besteht, der von anderen Parteien geschlossen worden ist (BGH NJW 2003, 1248, 1249). Umgekehrt kann die Schriftform im Einzelfall auch dann gewahrt sein, wenn nur die Anlage, nicht aber der eigentliche Vertrag unterschrieben wurde (BAG NJW 2016, 2134, 2136). Unproblematisch sind iÜ von vornherein solche Anlagen, die für den Inhalt des Vertrags lediglich von nebensächlicher Bedeutung sind oder den Inhalt der eigentlichen Vertragsurkunde nicht ergänzen oder modifizieren, sondern lediglich erläutern oder veranschaulichen sollen, da für sie das Schriftformerfordernis nicht gilt (BGH NJW 1999, 2591, 2592; 2000, 354, 357f). Bei nachträgl Änderungen und Ergänzungen ist es zur Wahrung der Schriftform erforderlich, dass die Nachtragsurkunde auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und zum Ausdruck bringt, es solle unter Einbeziehung des Nachtrags bei dem verbleiben, was früher bereits formgültig niedergelegt war, und von beiden Parteien unterzeichnet ist (BGH NJW 1992, 2283, 2284; 1999, 2517, 2519; NJW-RR 2000, 744, 745). Entspr gilt auch für die Vereinbarung eines Parteiwechsels (BGH NJW 1998, 62; 2013, 1083, 1084) oder die Auswechslung des Mietobjekts (so für § 550 BGH NJW-RR 2012, 909). Ist die ursprüngliche Vereinbarung wegen unzureichender Angaben formunwirksam, kann dieser Mangel durch eine Nachtragsvereinbarung geheilt werden, die die erforderlichen Angaben enthält und auf die ursprüngliche Abrede Bezug nimmt (so zu § 550 BGH NJW 2007, 3273, 3275; 2009, 2195, 2196; BGH NJW-RR 2021, 12, 13 und 801, 802). b) Unterzeichnung der Urkunde. aa) Abschluss der Urkunde. Die Urkunde muss die Unterschrift des Ausstellers enthalten. Die Unterschrift muss die ihr voranstehende Erklärung decken (Abschluss- und Deckungswirkung). Erforderlich ist daher, dass die Unterschrift des Ausstellers sich unter der Urkunde befindet und den Text räumlich abschließt (RGZ 52, 277, 280; 57, 66, 67; 110, 166, 168); eine „Oberschrift“ reicht – selbst bei entspr gestalteten Vordrucken (Bsp: zeitweilig üblicher Vordruck für Banküberweisungen) – für die gesetzl geforderte Schriftform nicht aus (BGHZ 113, 48, 51; BeckOGK/Hecht Rn 30; aA Köhler JZ 1991, 408, 409). Nicht ausreichend ist ferner die Unterzeichnung am Rand des Urkundentextes (BGH NJW 1992, 829, 830) oder auf einem offenen oder verschlossenen Briefumschlag, es sei denn, dass es sich bei dem Text des Umschlags um die Fortsetzung des Urkundentextes handelt (RGZ 110, 166, 168f). Dagegen liegt eine wirksame Unterschrift vor, wenn die Arnold
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Rechtsgeschäfte
Erklärung räumlich aE der Urkunde unterzeichnet wird, sich aber erst danach ergibt, in welcher rechtl Eigenschaft der Erklärende gehandelt hat (BGH NJW 1995, 43). Ggf kann auch die Unterschrift lediglich auf einer Anlage genügen, wenn keine Zweifel darüber bestehen, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht (so zu § 550 BGH NJW-RR 2021, 12, 13 und 801, 802). Nachträge zu einer urkundlichen Erklärung müssen erneut unterschrieben werden (BGH NJW-RR 1990, 518). Bei nachträgl Änderung des über der Unterschrift stehenden Urkundeninhalts ist eine neue Unterschrift entbehrlich, falls die Parteien sich über die Verbindlichkeit der bestehenden Unterschrift einig sind (BGH WM 1973, 386, 387; NJW 1994, 2300, 2301; vgl auch Flume AT II § 15 II 1a). Bei Urkunden mit mehreren Seiten genügt die Unterschrift am Textende. bb) Blankounterschrift. Die Unterschrift kann auch zeitl vor Abfassung des Urkundentextes geleistet werden. Es ist somit zulässig, ein zunächst unausgefülltes Blatt mit einer Blankounterschrift zu versehen und die Erklärung später hinzuzufügen (RGZ 78, 26, 30; BGHZ 22, 128, 132; BGH NJW 1984, 798). Mit Ausfüllung der Blankourkunde durch den Aussteller oder einen Dritten ist die Schriftform gewahrt. Auf eine abredewidrige Ausfüllung der Urkunde durch Dritte kann sich der Unterzeichnende regelmäßig nicht berufen (BGHZ 40, 65, 68; Medicus/Petersen AT Rn 913). Eine formbedürftige Bürgschaftserklärung kann indes nicht in der Weise erteilt werden, dass der Bürge ein Blankett ausfüllt und einen Dritten mündlich ermächtigt, dieses auszufüllen; vielmehr soll hier eine schriftliche Ermächtigung zur Ausfüllung des Blanketts erforderlich sein (BGHZ 132, 119, 125ff; krit Pawlowski JZ 1997, 309, 311f). Ebenso genügt eine Blankounterschrift dem Schutzzweck der von § 492 geforderten Schriftform nicht (BGHZ 132, 119, 126f; 140, 167, 171; BGH NJW-RR 2005, 1141, 1142). Auch beim Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung reicht entspr dem Rechtsgedanken von § 150 II 1 VVG eine Blankounterschrift nicht aus (BGHZ 140, 167, 171f). Dagegen bedarf die Ermächtigung zum Ausfüllen eines Wechselblanketts keiner besonderen Form (Hamburg NJW-RR 1998, 407); die Zulässigkeit derartiger Blankowechsel folgt bereits aus Art 10 WG. cc) Namensunterschrift oder Unterschrift mittels notariell beglaubigten Handzeichens. Die Urkunde muss entweder mit dem Namen des Unterzeichnenden oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterschrieben werden. Mit der Namensunterschrift soll die Person des Unterzeichnenden zur Unterscheidung von anderen Personen erkennbar gemacht werden. Unterzeichnet wird daher idR mit dem Familiennamen. Die Hinzufügung des Vornamens ist selbst bei Verwechslungsgefahr nicht erforderlich (so zur notariellen Beurkundung BGH NJW 2003, 1120; ferner BeckOGK/Hecht Rn 37; MüKo/Einsele Rn 17). Die Angabe des Vornamens allein genügt hingegen nur, wenn er die Person des Unterzeichnenden im Verkehr eindeutig kennzeichnet, was bei kirchlichen Würdenträgern und Angehörigen des Hochadels anzunehmen sein kann (so für die notarielle Beurkundung BGH NJW 2003, 1120; weiterhin Soergel/Meier/Wolz Rn 20; teilw weiter Staudinger/Hertel Rn 141, der den Vornamen auch bei Geschäften unter nahen Angehörigen genügen lassen will). Ebenso ist die Unterschrift mit dem Vornamen und dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens idR nicht ausreichend (Stuttgart NJW 2002, 832). Bei Kaufleuten ist die Angabe ihrer Firma ausreichend (vgl § 17 I HGB), sofern sie vollständig verwendet wird (Grü/ Ellenberger Rn 10). Zulässig ist auch die Verwendung eines Pseudonyms (Deckname, Künstlername), das der Unterzeichnende tatsächlich führt und durch welches er im Rechtsverkehr individualisierbar ist (MüKo/Einsele Rn 17; Flume AT II § 15 II 1; enger für notarielle Urkunden BGH NJW 2003, 1120, 1121). Die versehentliche Verwendung eines falschen Familiennamens (Bsp: Ehegatte unterzeichnet mit dem Namen, den er nur bis zur Ehe geführt hat) ist unschädlich, sofern die Identität des Unterzeichnenden feststellbar bleibt (BayObLG NJW 1956, 24, 25). Ebenso reicht es aus, wenn nur mit einem Teil eines Doppelnamens unterzeichnet wird (BGH NJW 1996, 997). Unzureichend ist hingegen die Angabe einer Verwandtschaftsstellung (RGZ 134, 308, 310), einer Rechtsstellung oder eines Titels. Für eigenhändige Testamente gilt jedoch die Ausnahme des § 2247 III 2. Der Name muss ausgeschrieben sein; die Verwendung von Anfangsbuchstaben/Initialen oder sonstigen Buchstabenfolgen sowie Namenskürzeln reicht nicht (BGH NJW 1967, 2310; 1978, 1255; 1994, 55; NJW-RR 2007, 351). Die Namensunterschrift kann auch in ausl – etwa arabischen – Schriftzeichen erfolgen (VGH München NJW 1978, 510, 511; Staudinger/Hertel Rn 136). Auf die Leserlichkeit der Unterschrift kommt es nicht an (BGH NJW 1987, 1333, 1334; BAG NJW 2008, 2521). Nach der – zumeist zur Wahrung der Schriftform bei Prozesshandlungen ergangenen – Rspr (BGH NJW 1974, 1090; 1982, 1467; 1985, 1227; 1987, 1333, 1334; 1992, 243; 1994, 55; 1997, 3380, 3381; 2005, 3773, 3774; NJW-RR 2007, 351; BAG NJW 1982, 1016; 1996, 3164; BFH DB 1983, 1694; skeptisch E. Schneider NJW 1998, 1844ff) genügt es für eine Namensunterschrift, dass ein Schriftzug vorliegt, der nach dem obj Erscheinungsbild individuell und einmalig ist, entspr charakteristische Merkmale aufweist und sich so als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende Unterschrift seines Namens darstellt. Wenn die Autorenschaft gesichert ist, soll dabei ein großzügiger Maßstab angelegt werden (BGH NJW 1997, 3380, 3381; 2005, 3775; NJW-RR 2007, 351). Allerdings wird es für notwendig gehalten, dass einzelne Buchstaben wenigstens andeutungsweise erkennbar sind (BGH NJW 1974, 1090; 1988, 1227; 1988, 1333, 1334; BAG NJW 1996, 3164). Ausgehend von diesen Grundsätzen soll etwa eine Unterschrift nach Art einer „Wellenlinie“ wirksam sein, wenn die ersten beiden „Wellen“ den Buchstaben „W“ und damit den Anfangsbuchstaben des Namens ergeben und wenn die weiteren „Wellen“ ersichtlich für den Rest dieses Namens stehen (Köln NJW-RR 2005, 1252); ein aus drei steil und gerade verlaufenden Ab- und Aufstrichen bestehendes handschriftliches Gebilde kann nicht nur als „K“, sondern als gesamter Name zu deuten sein (BGH NJW 1997, 3380, 3381). IÜ kann es für die Anerkennung als Unterschrift auch von Bedeutung sein, ob der Schriftzug mit einer Namensangabe in Druckschrift versehen ist (BGH NJW 1992, 243, 244; 1997, 3380, 3381). Der übereinstimmenden Auf-
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Willenserklärung
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fassung der Parteien, dass die Unterschrift als bloßes Handzeichen anzusehen ist, kommt dagegen keine Bedeutung zu (BGH NJW 1978, 1255). Wahlweise kann die Unterschrift auch mit einem Handzeichen erfolgen. Dieses bedarf allerdings der notariellen Beglaubigung. Die Art des verwendeten Handzeichens ist gleichgültig (Kreuze, Initiale). Da § 126 I die Unterzeichnung mit Namensunterschrift oder mittels beglaubigten Handzeichens zur freien Wahl stellt, ist die Schreibunkundigkeit keine Voraussetzung für die Verwendung eines Handzeichens (Hamm NZG 2001, 942, 943). dd) Eigenhändigkeit. Die Urkunde muss vom Aussteller zwar nicht vollständig eigenhändig erstellt werden (anders etwa § 2247), wohl aber eigenhändig (handschriftlich) unterzeichnet werden. Aussteller ist dabei derjenige, von dem die Erklärung herrührt, der sie also selbst oder als Vertreter für einen anderen abgegeben hat (MüKo/Einsele Rn 13). Eine Schreibhilfe (zB Führen der Hand) ist aber soweit zulässig, als der Aussteller lediglich unterstützt wird und die Unterzeichnung noch auf seinem Willen beruht (BGHZ 47, 68, 71; BGH NJW 1981, 1900, 1901; BayObLG DNotZ 1986, 299). Unzureichend ist hingegen die Unterzeichnung durch Maschinenschrift, Stempel oder Faksimile (RGZ 74, 339, 340f; BGH NJW 1970, 1078, 1080; Staudinger/Hertel Rn 133; Neuner AT § 44 Rn 33; Medicus/Petersen AT Rn 618; vgl aber auch Köhler AcP 182, 126, 147ff). Ebenso fehlt es beim – heute freilich nicht mehr gebräuchlichen - Telegramm (BGHZ 24, 297, 298; Flume AT II § 15 II 1b) und einem Telefax (BGHZ 121, 224, 229; BGH NJW 1997, 3169, 3170; BAG NZA 2016, 361, 365) an der eigenhändigen Unterschrift. Zuletzt genügt auch ein elektronisches Dokument nicht (BGH NJW 2008, 506f). Freilich kann die Schriftform nach Abs III durch die elektronische Form ersetzt werden, soweit das Gesetz dies nicht ausschließt. In diesem Fall muss das elektronische Dokument aber mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden (§ 126a). IÜ trägt das Gesetz teilw den Bedürfnissen des Massenverkehrs dadurch Rechnung, dass es auf die Eigenhändigkeit der Unterschrift verzichtet und die Verwendung einer mechanisch vervielfältigten Unterschrift zulässt: so zB bei der Schuldverschreibung auf den Inhaber (§ 793 II), bei Aktien und Zwischenscheinen (§ 13 S 1 AktG). ee) Unterschrift durch einen Vertreter. Wird die formbedürftige Erklärung durch einen Vertreter abgegeben, muss dieser als Aussteller nach dem Gesetzeswortlaut die Urkunde mit seinem Namen unterzeichnen. Freilich wird es auch für zulässig gehalten, dass der Vertreter mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnet (RGZ 74, 69, 70ff; 76, 99, 100; BGHZ 45, 193, 195; Neuner AT § 44 Rn 29; skeptisch MüKo/Einsele Rn 13; Soergel/Meier/ Wolz Rn 22; Staudinger/Hertel Rn 149). Unterschreibt der Vertreter mit seinem eigenen Namen, muss seine Vertreterstellung sich aus einem Zusatz oder dem sonstigen Inhalt der Urkunde entnehmen lassen (RGZ 96, 286, 289; BGHZ 125, 175, 178f; BGH NJW 2002, 3389, 3391; 2008, 2178, 2180; BAG NJW 2005, 2572; diff BeckOGK/ Hecht Rn 54, der nicht von einem Problem der Formvorschriften, sondern einer stellvertretungsrechtl Problematik ausgeht). Hierfür kann es indes bereits ausreichen, dass der Vertreter nach dem Inhalt der Urkunde nicht Vertragspartei werden sollte, da seine Unterschrift in diesem Fall nur bedeuten kann, dass er eine Vertragspartei vertreten wollte (BGH NJW 2005, 2225, 2226; 2007, 3346). Bei Prokuristen reicht der Zusatz „ppa“ (LAG Hamm NZA-RR 2005, 428, 429; Köln MDR 2006, 145). Ausreichend kann auch eine Zeichnung mit dem Zusatz „i.A.“ (im Auftrag) statt „i.V.“ (in Vertretung) sein, da sich hieraus noch nicht zwingend ergibt, dass der Erklärende als Bote gehandelt hat (BAG NJW 2008, 1243, 1244). Will der Vertreter die Erklärung sowohl für den Vertretenen als auch für sich abgeben, genügt zwar eine einzige Unterschrift (RGZ 75, 1, 4). Allerdings muss die Urkunde in diesem Fall erkennen lassen, ob auch für den Vertretenen gehandelt werden sollte, da andernfalls nicht klar ist, ob noch eine Unterschrift fehlt (BGHZ 125, 175, 178ff für den Fall der Unterzeichnung eines Vertrags mit Eheleuten nur durch den Ehemann; BGH NJW 2002, 3389, 3391 für den Vertragsschluss durch einen Miterben für alle Mitglieder einer Erbengemeinschaft). Entspr gilt für den Fall der Gesamtvertretung: Vertritt ein Gesamtvertreter beim Vertragsschluss für den Vertretenen zugleich den anderen, so genügt zwar eine Unterschrift (so schon RGZ 106, 268, 269); doch muss in der Urkunde zum Ausdruck kommen, dass auch für den oder die anderen Gesamtvertreter gehandelt werden sollte, womit es regelmäßig eines entspr Vertretungszusatzes bedarf (so – jew für die GbR – BGH NJW 2003, 3053, 3054; 2004, 1103; BAG NJW 2005, 2572, 2573; NZA 2008, 348, 349; krit zur Rspr für die Vertretung einer GbR Weitemeyer NZG 2006, 10ff). Dem Schriftformerfordernis ist genügt, wenn der Unterschrift eines Gesellschafters ein Firmenstempel hinzugesetzt wird, weil damit seine Vertretungsberechtigung für die Gesellschaft ausgewiesen wird (für § 550 BGH NJW 2013, 1082, 1083). Bei juristischen Personen genügt grds die Unterzeichnung durch ein Mitglied des vertretungsberechtigten Organs ohne einen Vertretungszusatz (so für die AG BGH NJW 2015, 2034, 2045). Abw soll gelten, wenn im Rubrum des Vertrags, der der Schriftform unterliegt, alle (gesamtvertretungsberechtigten) Mitglieder des Vertretungsorgans benannt werden, da in diesem Fall nicht klar sei, ob das unterzeichnende Organmitglied die anderen vertreten wollte (so – ebenfalls für die AG – BGH NJW 2010, 1453f). c) Empfangsbedürftige Erklärungen. Ist die Erklärung, die schriftlich erfolgen muss, empfangsbedürftig, so muss dem Empfänger eine formgerechte Erklärung zugehen. Daher genügt – anders als im Prozessrecht (vgl nur § 130 Nr 6 ZPO und zu bestimmenden Schriftsätzen iÜ Musielak/Voit/Stadler § 129 ZPO Rn 11) – etwa die Übermittlung per Telefax nicht (BGHZ 121, 224, 228f; BGH NJW 1997, 3169, 3170; MüKo/Einsele Rn 21; aA Schippers DNotZ 2006, 726ff); denn dem Empfänger wird elektronisch nur eine Kopie übermittelt. Ebenso reicht die Übermittlung eines Bildes der Urkunde per WhatsApp nicht aus (LAG München MDR 2022, 377). Erst recht genügt es nicht, wenn – wie etwa früher bei Telegramm oder Fernschreiben – nicht einmal eine Kopie der Unterschrift, sondern nur der Text der Urkunde übermittelt wird (BGHZ 24, 297, 298f). Wirksam wird die ErArnold
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klärung in diesen Fällen erst, wenn das Original der Kopie nachgesandt wird und dem Adressaten zugeht. Etwas anderes gilt nur, wenn auf den fehlenden Zugang im Original wirksam verzichtet wurde, da die Zugangsregeln – anders als gesetzl Formvorschriften – von den Parteien grds abbedungen werden können (dazu nur BGHZ 130, 71, 75 und – zu § 34 aF GWB – BGH NJW-RR 1986, 1300, 1301). Doch wird man, wenn der Schriftform eine Warnfunktion zukommt, es für unabdingbar halten müssen, dass die Abgabe der formbedürftigen Erklärung im Original erfolgt ist (so überzeugend MüKo/Einsele Rn 21 unter Hinw auf BGHZ 121, 224, 228ff). d) Besonderheiten beim Vertrag (Abs II). Bei einem Vertrag ist die Unterzeichnung aller Vertragsparteien auf derselben Urkunde erforderlich. Dies gilt freilich nur, wenn der Vertrag insg der Schriftform bedarf. Die in § 126 II geregelten Besonderheiten gelten hingegen nicht, sofern nur eine Vertragserklärung formbedürftig ist (zB § 766); hier ist eine Unterzeichnung durch die andere Partei nicht erforderlich (MüKo/Einsele Rn 20). Eine Ausnahme enthält überdies § 492 I für Verbraucherdarlehensverträge. Danach ist der Schriftform genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jew getrennt schriftlich erklärt werden. Die Erklärung des Darlehensgebers bedarf zudem keiner Unterzeichnung, wenn sie mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellt wird. § 126 II verlangt, dass der gesamte Inhalt des Vertrags von der Unterschrift der Parteien gedeckt wird. Es reicht somit nicht aus, dass jeder Vertragspartner nur die von ihm abgegebene Erklärung (Angebot, Annahme) unterzeichnet (BGH NJW-RR 1989, 786, 787; 1994, 280, 281; Hamm NJW-RR 1998, 811, 812; anders § 127 II für die gewillkürte Schriftform). Ebenso genügt es nicht, wenn eine Partei das in Form eines fertigen, bereits unterschriebenen Vertragsentwurfs gemachte Angebot nur mit Änderungen annimmt und der Vertragspartner diesen Änderungen mit einem gesonderten Schreiben zustimmt (BGH NJW 2001, 221, 222f). Ausreichen soll dagegen ein Schreiben einer Vertragspartei, das die Vertragsbestimmungen vollständig enthält und das die andere Vertragspartei mitunterzeichnet; ihr uneingeschränktes Einverständnis muss sie dabei nicht ausdrückl vermerken (BGH NJW 2004, 2962, 2963f; BAG NJW 2007, 315, 316; Koblenz NJOZ 2005, 2919, 2923; BeckOGK/Hecht Rn 58; aA noch RGZ 105, 60, 62). Dabei soll dem Formerfordernis des § 550 selbst dann genügt sein, wenn das Angebot verspätet angenommen wird (§ 147 II) und damit der Vertrag erst durch die konkludente Annahme des in der verspäteten Annahme liegenden neuen Angebots (§ 150 I) zustande kommt (BGH NJW 2010, 1518, 1519f; 2015, 2648, 2649; aA etwa KG NZM 2007, 517). Bei der Abfassung eines Vertrags auf verschiedenen Blättern ist erforderlich, dass die Unterschrift den Gesamtinhalt deckt (RG JW 1924, 796). Bei Ausstellung mehrerer gleichlautender Urkunden genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 II 2). Die Urkunden müssen aber den gesamten Vertragsinhalt enthalten. Gleichzeitige Unterzeichnung in Gegenwart des Vertragspartners ist nicht erforderlich. IÜ hält die Rspr bei § 550 sogar einen Zugang der für den jew anderen Teil bestimmten Erklärung bei diesem nicht für erforderlich, da für die Einhaltung dieser Formvorschrift unerheblich sei, ob durch diese der Vertrag zustande gekommen sei (BGH NJW 2018, 1540, 1542; anders für § 14 IV TzBfG etwa BAG NZA 2018, 507, 514). 4. Ersetzung der Schriftform (Abs III und IV). Die Schriftform kann stets durch notarielle Beurkundung der Erklärung (§ 126 IV; § 128) und damit auch durch protokollierten gerichtlichen Vergleich (§ 127a) ersetzt werden. Die elektronische Form (§ 126a) kann an die Stelle der Schriftform treten, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist (§ 126 III). Die Textform (§ 126b) ersetzt die gesetzl Schriftform hingegen nicht.
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Elektronische Form
(1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. (2) Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument in der in Absatz 1 bezeichneten Weise elektronisch signieren. 1. Allgemeines. Die Regelung stellt in ihrem Anwendungsbereich die elektronische Form gleichwertig neben die Schriftform des § 126. Damit soll es ermöglicht werden, dass die Vorteile des elektronischen Geschäftsverkehrs auch da genutzt werden können, wo das Gesetz die Schriftform verlangt (BT-Drs 14/4987, 15); denn die elektronische Form soll gewährleisten, dass sowohl die Authentizität des Geschäftspartners als auch die Unverfälschtheit der Erklärung mit hoher Sicherheit festgestellt werden können (Hk/Dörner Rn 1). Die Bestimmung knüpft an die VO Nr 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der RL 1999/93/EG (ABl 2014 L 257/73, elDAS-VO) an, die die EURL 1999/93/EG über gemeinschaftl Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (ABl 2000 L 13/12) abgelöst hat; sie dient ferner der Umsetzung der EU-RL 2000/31/EG über den elektronischen Rechtsverkehr (ABl 2000 L 178/1). Sie wurde zuletzt durch das DiRUG (BGBl I 2021, 3338) geringfügig geändert: Klargestellt wurde, dass der Erklärende das Dokument mit seiner eigenen elektronischen Signatur signieren muss (BT-Drs 19/28177, 149). 2. Anwendungsbereich. Die elektronische Form kann im gesamten Bereich des Privatrechts an die Stelle der Schriftform treten, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt (§ 126 III). ausdrückl ausgenommen ist die Anwendung von § 126a aus unterschiedlichen Gründen in den §§ 623, 630, 761, 766, 780, 781 BGB, § 2 I 3 NachwG. Ausgeschlossen soll die Verwendung der elektronischen Form ferner nach teilw vertretener Auffassung 374
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Willenserklärung
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kraft Natur der Sache sein, wenn das Gesetz – wie etwa bei § 410 – die „Aushändigung“ einer „Urkunde“ verlangt (BeckOGK/Hecht § 126 Rn 80; MüKo/Einsele § 126 Rn 26 für das Wertpapierrecht; krit Funke/Quarch NJW 2022, 569, 571). IÜ regelt die Vorschrift allein die bei der Erstellung einer elektronischen Erklärung zu beachtende Form, nicht aber die Frage, welche Form bei der anschließenden Übermittlung einzuhalten ist (so im Hinblick auf die Handelsregistereintragung BGH NZG 2021, 1564, 1566f). Möglich ist iÜ nach § 129 I Nr 2 auch eine öffentliche Beglaubigung elektronischer Erklärungen. 3. Allgemeine Voraussetzungen. a) Elektronische Erklärung. Der Aussteller muss eine (elektronische) Erklärung abgeben. Die Erklärung muss also in digitaler Gestalt vorliegen (NK/Noack/Kremer Rn 47; Staudinger/ Hertel Rn 54). In Betracht kommen insoweit etwa Textdateien oder eine E-Mail. Allerdings soll es erforderlich sein, dass die Erklärung in Schriftzeichen dargestellt werden kann (Staudinger/Hertel Rn 55; MüKo/Einsele Rn 3; aA NK/Noack/Kremer Rn 47; BeckOGK/Primaczenko/Frohn Rn 23). Zudem muss die Erklärung auf einem Datenträger gespeichert werden können, so dass eine dauerhafte Wiedergabe möglich ist (MüKo/Einsele Rn 3). Andernfalls wäre die Beweisfunktion der Form nicht gewahrt. Aus dieser folgt weiterhin, dass – wie bei der Schriftform – das elektronische Dokument die gesamte formbedürftige Erklärung einschl etwaiger Nebenabreden enthalten muss (NK/Noack/Kremer Rn 43). b) Hinzufügung des Namens. Der Aussteller muss der Erklärung seinen Namen (nicht wie bei § 126 seine Namensunterschrift) hinzufügen. Aussteller ist dabei derjenige, der die Erklärung in eigener Verantwortung abgibt; bei Stellvertretung ist daher der Vertreter Aussteller (MüKo/Einsele Rn 5). Die unter diesem Gesichtspunkt an die Namensunterschrift gem § 126 I gestellten Anforderungen (§ 126 Rn 9) gelten für Inhalt und Umfang der Namensangabe gem § 126a entspr. Der Name muss – anders als die Namensunterschrift gem § 126 I – nicht unter der Erklärung stehen. Das Gesetz legt nicht fest, an welcher Stelle der Erklärung der Name hinzugefügt werden muss. Der Aussteller ist in der Wahl des Standorts der Namensangabe im Grundsatz frei; sie muss nur – auch nach der Wahl des Standorts – dem Identifikationszweck genügen. c) Qualifizierte elektronische Signatur. Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden). Hierbei handelt es sich nach Art 3 Nr 12 eIDAS-VO um eine fortgeschrittene elektronische Signatur (Art 26 elDAS-VO), die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht. Die Nutzung der elektronischen Form setzt damit nicht nur den Besitz der zur Erzeugung einer entspr Signatur erforderlichen Hard- und Software voraus. Vielmehr muss bei einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter iSv Art 3 Nr 20 elDAS-VO ein qualifiziertes Zertifikat (näher Art 28 iVm Anh I elDAS-VO) erworben werden. Als qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter sind etwa die Deutsche Post AG, die Telekom AG und die Bundesnotarkammer tätig. Hat der Erklärende sein Zertifikat zB in monetärer Hinsicht beschränkt, um seine Möglichkeiten, formwirksame elektronische Erklärungen abzugeben, von vornherein nach Art und Umfang zu beschränken, steht dies der Wirksamkeit einer elektronisch übermittelten Klageerhebung nicht entgegen (BFH DStRE 2007, 515, 516; Fischer-Dieskau/Hornung NJW 2007, 2897). Signiert der Erklärende ein elektronisches Dokument, so wird aus dem Dokument zunächst eine Prüfsumme („Hashwert“) ermittelt; diese wird sodann mit dem – nur dem Signaturschlüsselinhaber zugänglichen – privaten Schlüssel verknüpft. Das Ergebnis dieses Vorgangs wird mit der elektronischen Signatur versendet, die dem elektronischen Dokument beigefügt wird (eingehend zu diesen technischen Zusammenhängen NK/Noack/Kremer Rn 31ff; BeckOGK/Primaczenko/Frohn Rn 16ff). Erhält der Empfänger die Erklärung, kann er deren Authentizität überprüfen, indem er selbst den Hashwert des ihm zugegangenen Dokuments durch geeignete Software ermittelt und mit dem ihm in der Signatur verschlüsselt übermittelten Hashwert, den er mittels eines öffentlichen Schlüssels (Signaturprüfschlüssel) entschlüsseln kann, vergleicht (s MüKo/Einsele Rn 10; Dörner AcP 202, 363, 384f). Stimmen beide Werte überein, ist davon auszugehen, dass die Erklärung vom Absender stammt und bei der Übermittlung nicht verfälscht wurde (NK/Noack/Kremer Rn 35). Durch die qualifizierte elektronische Signatur wird damit der auch für die Schriftform wesentlichen Beweisfunktion genügt (s nur MüKo/Einsele Rn 24); denn es wird sichergestellt, dass die Erklärung vom Unterzeichner stammt und nicht verändert worden ist. Weiterhin soll das Verfahren aber auch der Warnfunktion genügen. Da der Erklärende zur Signierung des Dokuments eine Chipkarte in ein Kartenlesegerät einlegen, eine PIN-Nr eingeben und den Signiervorgang auslösen muss, wird ihm durch einen aufwendigen Vorgang die Bedeutung seines Verhaltens vor Augen geführt (BT-Drs 14/4987, 17; Grü/Ellenberger Rn 5). d) Einverständnis des anderen Teils. Über die im Gesetz enthaltenen Voraussetzungen hinaus ist zu verlangen, dass der Adressat des elektronischen Dokuments sich (formlos, auch konkludent) mit der Verwendung der elektronischen Form einverstanden erklärt (BT-Drs 14/4987, 41; Grü/Ellenberger Rn 6; Rossnagel NJW 2001, 1817, 1825; Steinbeck DStR 2003, 644, 645; str, teilw anders MüKo/Einsele § 126 Rn 28ff). Bei Verträgen folgt das i Erg schon aus den in § 126a II gestellten Anforderungen. Es muss aber auch für einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen gelten. Dafür spricht schon, dass technische Voraussetzung für die Verwendung der elektronischen Form die erforderlichen Empfangseinrichtungen beim Adressaten sind. Überdies muss der Adressat die Möglichkeit haben, den Empfang einer Erklärung in elektronischer Form davon abhängig zu machen, dass er die Überprüfungsmöglichkeiten der elDAS-VO für ausreichend hält und/oder dass er die elektronische Form für das konkrete Dokument für hinnehmbar hält oder nicht.
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4. Elektronische Form beim Vertrag. Um einen Vertrag in elektronischer Form zu schließen, müssen zumindest im Regelfall beide Vertragsparteien jew ein gleich lautendes Dokument in der in § 126a I bezeichneten Weise elektronisch signieren (§ 126a II) und dieses der anderen Seite übermitteln. Die Bestimmung entspricht sachlich der Regelung des § 126 II 2. Eine Kombination von Schriftform (§ 126 II 2) auf der einen Seite und elektronischer Form (§ 126a I) auf der anderen Seite erfüllt bei einem Vertrag die Funktionen der Form und erscheint deshalb möglich (Grü/Ellenberger Rn 10). Darüber hinaus wird man es auch für zulässig halten müssen, dass beide Parteien ein elektronisches Dokument, das den Vertrag enthält, signieren, auch wenn § 126a keine § 126 II 1 entspr Regelung enthält (NK/Noack/Kremer Rn 52). 5. Beweiskraft. Gem § 371a I 1 ZPO finden auf private elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, die Vorschriften über die Beweiskraft privater Urkunden entspr Anwendung (s dazu nur Rossnagel/Fischer-Dieskau NJW 2006, 806ff). Ferner kann, wenn für ein privates elektronisches Dokument die in Art 32 elDAS-VO vorgesehene Prüfung den Anschein der Echtheit einer in elektronischer Form abgegebenen Willenserklärung ergibt, dieser Anschein nach § 371a I 2 ZPO nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernsthafte Zweifel daran begründen, dass die Erklärung von dem Signaturschlüsselinhaber abgegeben worden ist. Gelingt es, den Anschein der Echtheit zu erschüttern, dann muss die Partei die Echtheit beweisen, die aus dem elektronischen Dokument Rechte herleitet. Öffentliche elektronische Dokumente sind in § 371a III ZPO öffentlichen Urkunden gleichgestellt. 6. Rechtsfolgen bei Missbrauch. Benutzt ein Dritter mit Einverständnis des Schlüsselinhabers den Schlüssel, so wird letzterer entspr § 164 aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet (Dörner AcP 202, 363, 387; zweifelnd im Hinblick auf den Formzweck MüKo/Einsele Rn 21). Gibt der Schlüsselinhaber den Schlüssel an einen Dritten, nutzt dieser ihn aber abredewidrig, haftet der Schlüsselinhaber aus dem Geschäft infolge des zurechenbar gesetzten Rechtscheins entspr den Grundsätzen der Duldungsvollmacht, auch wenn er das Handeln des Dritten nicht genehmigt (NK/Noack/Kremer Rn 68; Dörner AcP 202, 363, 388). Entspr muss für den Fall gelten, dass der Schlüsselinhaber den Schlüssel nicht willentlich weitergegeben hat, aber durch fahrlässiges Verhalten die unbefugte Schlüsselbenutzung durch den Dritten ermöglicht hat, wenn man nach den Regeln der Anscheinsvollmacht auch eine Erfüllungshaftung bei fahrlässig gesetztem Rechtsschein bejaht (Grü/Ellenberger Rn 12; HK/ Dörner Rn 7). Der weiterhin diskutierten Haftung nach § 311 II, § 280 I, § 241 II (s nur Neuner AT § 44 Rn 43) dürfte neben dieser Erfüllungshaftung keine besondere Bedeutung mehr zukommen, zumal die Annahme eines vorvertragl Schuldverhältnisses in diesen Fällen nicht unproblematisch erscheint (s dazu Dörner AcP 202, 363, 391; dafür wohl MüKo/Einsele Rn 212. IÜ wird der Nachw des Missbrauchs für den Schlüsselinhaber wegen § 371a ZPO ohnehin häufig schwierig sein. In Missbrauchsfällen kommt auch eine Haftung des Vertrauensdiensteanbieters in Betracht. Verletzt dieser die seine Pflichten nach der elDAS-VO, hat er nach Art 13 elDAS-VO einem Dritten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Dritte die Fehlerhaftigkeit der Angabe kannte oder kennen musste. Nach Art 24 II lit c elDAS-VO müssen qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter über ausreichende Finanzmittel verfügen und/oder eine angemessene Haftpflichtversicherung nach nationalem Recht abschließen.
§ 126b
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Textform
Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das 1. es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und 2. geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. 1. Allgemeines. Die Vorschrift regelt die Form einer lesbaren, aber unterschriftslosen Erklärung (NK/Noack/ Kremer Rn 1). Von allen in den §§ 126ff geregelten Formen stellt sie damit die geringsten Anforderungen. Durch den Verzicht auf eine eigenhändige Unterschrift iSv § 126 I oder eine Signatur iSv § 126a I soll es dem Geschäftsverkehr vor allem ermöglicht werden, bestimmte rechtserhebliche Erklärungen als Serienbrief (etwa per Fax, als computergefertigten Ausdruck oder als E-Mail) ohne Unterschrift zu versenden. Der Sicherheitsstandard der Textform bleibt insg deutlich hinter dem anderer gesetzl Formen zurück. Die üblichen Formzwecke (§ 125 Rn 2ff) erfüllt die Textform deshalb nicht oder nur in geringem Maße (Grü/Ellenberger Rn 1). Ihr kommt vorrangig Informations- und Dokumentationsfunktion zu (BT-Drs 14/4987, 19). § 126b ist durch das Gesetz zur Umsetzung der VerbraucherrechteRL und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung v 20.9.2013 (BGBl I 3642) neu gefasst worden. Die Änderung diente der Anpassung der Vorschrift an die Terminologie der neuen VerbraucherrechteRL (ABl 2011 L 304/64); inhaltliche Änderungen sind nicht beabsichtigt (BT-Drs 17/12637, 44). 2. Anwendungsbereich. Die Bestimmung gilt für alle „Erklärungen“ im Rechtsverkehr; ihr Anwendungsbereich geht also über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen hinaus und erstreckt sich damit insb auch auf rechtsgeschäftsähnl Handlungen (Röger NJW 2004, 1764, 1765f). Sie lässt den Einsatz der Textform aber nur zu, wo sie explizit im Gesetz vorgeschrieben ist. Das ist im BGB in §§ 312h, 312k IV, §§ 356a, § 482 I, §§ 482a, 484 376
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Willenserklärung
§ 126b
II, § 486a I, § 504a I 3, § 510 I 3, § 514 II 4, § 555c I, § 555d III und IV, § 556a II, § 556b II, § 556c II, § 556g IV, § 557b III, § 558a I, § 559b I, § 560 I und IV, § 613a V, § 630c III, § 630e II, § 640 II, § 650b II, § 650i II, § 650r I, § 655b I, § 656a, § 675 III und § 675a der Fall. Ferner ist die Textform zB in § 410 I, § 438 IV, § 455 I und § 468 I HGB, § 24 IV WEG und einer Vielzahl von Vorschriften im VVG (vgl nur §§ 3, 5, 6, 7, 8, 15, 19 VVG) vorgesehen. Dagegen hat die Bedeutung der Textform im Verbraucherrecht deutlich abgenommen; so wird beim Widerruf etwa grds nicht mehr auf die Einhaltung der Textform abgestellt (s nur BT-Drs 17/12637, 60). 3. Anforderungen. a) Lesbare Erklärung. § 126b verlangt eine Erklärung in Schriftzeichen. Bildsymbole sind daher nicht ausreichend. Ebenso genügen gesprochene Mitteilungen (Hinterlassen der Erklärung auf dem Anrufbeantworter, Audiofiles) nicht (BT-Drs 14/4987, 20; Staudinger/Hertel Rn 25). b) Nennung der Person des Erklärenden. Anders als bei der Schriftform nach § 126 ist eine (eigenhändige) Unterschrift des Ausstellers nicht erforderlich. Es reicht aus, dass die Person des Erklärenden genannt wird. Dabei ist der Begriff des Erklärenden mit dem des Ausstellers identisch (MüKo/Einsele Rn 7). Wie der Erklärende genannt wird, bleibt diesem überlassen: Er kann seine Person sowohl zu Beginn oder aE der Erklärung als auch im Text angeben. Im Regelfall wird und sollte er im Interesse der sicheren Information über seine Person seinen Namen nennen. Zwingend notwendig ist das aber nicht; vielmehr genügt es, dass sich die Person des Erklärenden aus dem Gesamtinhalt der Erklärung bestimmen lässt (Bsp: Jemand gibt eine Erklärung als der dem Adressaten bekannte Vermieter ab). Ein unleserlicher Schriftzug genügt aber als Nennung der Person des Erklärenden nicht (LG Berlin WuM 2003, 568). Wird eine Erklärung für eine juristische Person abgegeben, muss der Name der natürlichen Person, die für sie gehandelt hat, nicht genannt werden (Düsseldorf DAR 2019, 199, 200; Staudinger/Hertel Rn 30). c) Abgabe auf einem dauerhaften Datenträger. Die formbedürftige Erklärung muss auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Dieses Erfordernis, das auf Art 2 Nr 10 und dem 23. ErwGr der VerbraucherrechteRL beruht, wird in S 2 näher definiert. Ein dauerhafter Datenträger ist danach ein Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und das geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Dieses Erfordernis erfüllen Erklärungen in Papierform, aber auch Datenträger wie Festplatten, USB-Sticks, Speicherkarten, CD-ROM oder DVD und eine E-Mail (BT-Drs 17/12637, 44); denn die Erklärung kann vom Adressaten am Bildschirm und/oder durch Ausdruck lesbar gemacht werden (vgl LG Kleve NJW-RR 2003, 196; Grü/Ellenberger Rn 3). Ob der Adressat die Erklärung ausdruckt oder nicht, entscheidet er nach seinem Ermessen; der Ausdruck ist nicht Voraussetzung für die Wahrung der Form (MüKo/Einsele Rn 6). Nicht ausreichend sind dagegen Erklärungen im Videotext eines Fernsehsenders, da diese nicht gespeichert werden können (BeckOGK/Primaczenko/Frohn Rn 19; NK/Noack/ Kremer Rn 16). Auch Texte, die ins Internet eingestellt, dem Empfänger aber nicht übermittelt worden sind, genügen der Textform nicht (BT-Drs 17/12637, 44; s auch Karlsruhe VersR 2022, 43, 54). Mit der Neuregelung des Jahres 2013 wurde daher der Streit zu § 126b aF (dazu etwa Erman/Arnold13 Rn 3 und Reiff ZJS 2012, 432, 438ff) iSd restriktiven Auffassung entschieden, die auch bereits der EuGH (NJW 2012, 2637) zur alten FernabsatzRL vertreten hatte. Entgegen verbreiteter Auffassung zu § 126b aF (vgl BGH NJW 2010, 3566, 3567f; 2014, 2857, 2858; KG NJW 2006, 3215, 3216; Hamburg NJW-RR 2007, 839, 840) genügt ein ins Internet eingestellter Text der Textform auch dann nicht, wenn der Empfänger ihn tatsächlich abgespeichert oder ausgedruckt hat; denn dies ändert nichts daran, dass die Erklärung nicht vom Erklärenden auf einem dauerhaften Datenträger „abgegeben“ wurde, sondern dem Empfänger nur auf einer jederzeit veränderbaren Website zur Verfügung steht (BeckOK/ Wendtland Rn 10; anders MüKo/Einsele Rn 5, 11; Grü/Ellenberger Rn 3). Anders sollte hingegen bei sog fortgeschrittenen Webseiten entschieden werden, die dem Empfänger den Zugriff auf die Erklärung in einem vom Erklärenden nicht mehr veränderbaren, individuell durch Passwort und Benutzernamen zugänglichen Bereich auf der Webseite ermöglichen oder ihn zum Download der Erklärung zwingen (so zu § 126b aF schon Reiff FS v Hoffmann, 2012, 824, 831ff und ders ZJS 2012, 432, 442f unter Bezugnahme auf EFTA-Gerichtshof VersR 2010, 793ff; insoweit offenlassend EuGH NJW 2012, 2637, 2639). d) Kein Abschluss der Erklärung? Anders als § 126b aF setzt die Vorschrift nunmehr nach ihrem Wortlaut nicht mehr voraus, dass der Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht werden muss. Obwohl nach der Gesetzesbegr mit der Reform keine sachlichen Änderungen verbunden sein sollten (BT-Drs 17/12637, 44), wird man daher davon ausgehen müssen, dass ein derartiger formaler Abschluss der Erklärung nicht notwendig ist, sondern es wie bei jeder anderen Erklärung genügt, dass sich ermitteln lässt, wo die Erklärung endet (aA BeckOGK/ Primaczenko/Frohn Rn 23; MüKo/Einsele Rn 8; Grü/Ellenberger Rn 5; wie hier NK/Noack/Kremer Rn 14). Große praktische Bedeutung kam dem Erfordernis eines Abschlusses der Erklärung ohnehin nicht zu, da dieser nach dem Gesetzeswortlaut „durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders“ erkennbar gemacht werden konnte und daher neben einer eingescannten Unterschrift etwa auch eine maschinenschriftliche Namensangabe, Datumszeile, Grußformel oder eine abschließende Formulierung wie „Diese Erklärung wird nicht unterschrieben“ genügen sollten (BGH NJW 2011, 295; NJOZ 2012, 926, 928). Allerdings sollte § 126 aF nicht genügt sein, wenn nach dem Abschluss der Erklärung noch weitere handschriftliche Vermerke folgten, ohne dass im Anschluss an diese der Abschluss der Erklärung erneut verdeutlicht wurde (BGH NJOZ 2012, 926, 928).
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e) Zugang. Auch bei der Übermittlung in Textform müssen die allg Anforderungen für den Zugang einer Willenserklärung gem § 130 erfüllt sein; dazu gehört, dass der Adressat sich ausdrückl oder konkludent, allg oder für den Einzelfall mit der Übermittlung auf das gewählte Empfangs- und/oder Speichermedium einverstanden erklärt hat (Staudinger/Hertel Rn 33; diff MüKo/Einsele Rn 12). 4. Ersatz der Textform. Die vorgeschriebene Textform wird nach dem übertragbaren Rechtsgedanken des § 126 IV durch Abgabe der Erklärung in einer anderen Form, die höhere Anforderungen stellt, insb in Schriftform oder in notarieller Beurkundung, gewahrt. 5. Beweislast. Wer aus einer Erklärung in Textform Rechte herleitet, muss alle Voraussetzungen für die Wahrung der Textform darlegen und beweisen (MüKo/Einsele Rn 13). Die prozessualen Regeln über den Nachw der Echtheit und über die Beweiskraft von Privaturkunden (§§ 416, 440 ZPO) gelten für Erklärungen in Textform nicht.
§ 127
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Vereinbarte Form
(1) Die Vorschriften des § 126, des § 126a oder des § 126b gelten im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Form. (2) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung und bei einem Vertrag der Briefwechsel. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden. (3) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten elektronischen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, auch eine andere als die in § 126a bestimmte elektronische Signatur und bei einem Vertrag der Austausch von Angebots- und Annahmeerklärung, die jeweils mit einer elektronischen Signatur versehen sind. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126a entsprechende elektronische Signierung oder, wenn diese einer der Parteien nicht möglich ist, eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden. 1. Allgemeines. Die Formbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts kann auch rechtsgeschäftlich begründet werden. In diesem Fall greift die Auslegungsvorschrift des § 127 I ein. Danach gelten grds die Regeln über die gesetzl Schriftform, die elektronische Form und die Textform (§§ 126, 126a, 126b). Es steht den Parteien jedoch frei, ihre Anforderungen an die Form eines (kraft Gesetzes formlos gültigen) Rechtsgeschäfts autonom selbst zu bestimmen; sie können von §§ 126, 126a und 126b abweichen und dabei sowohl Erleichterungen als auch Erschwerungen vorsehen. Soweit für die Schriftform keine Besonderheiten vereinbart werden, gewährt § 127 II als Ausnahme zu § 126 Erleichterungen für die Einhaltung der Form. Die praktische Bedeutung des § 127 wird dadurch vermindert, dass auch ein ohne Einhaltung der rechtsgeschäftlich bestimmten Form geschlossenes Geschäft wirksam sein kann (vgl Rn 5). Auch die Berufung auf eine rechtsgeschäftlich bestimmte Form kann im Einzelfall aus ähnl Gründen wie bei der gesetzl Form gegen Treu und Glauben verstoßen (BGH NJW-RR 1987, 1073, 1074; Koblenz NJW-RR 2006, 554, 555; vgl § 125 Rn 30). 2. Rechtsgeschäftliche Begründung des Formerfordernisses. Die Formbedürftigkeit wird idR durch vertragl Vereinbarung der Parteien festgelegt. Sie kann in den Grenzen der §§ 307ff (vgl etwa § 309 Nr 13) auch durch AGB bestimmt werden. Sofern ein Handelsbrauch (§ 346 HGB) die Schriftform eines Rechtsgeschäfts vorsieht, gilt diese Form als vereinbart, soweit die Parteien nicht die formlose Gültigkeit des Geschäfts bestimmt haben (BGH NJW 1964, 1269, 1270). Eine Formvereinbarung wird jedoch nicht schon dadurch entbehrlich, dass für bestimmte Geschäfte im Rechtsleben ein schriftlicher Abschluss üblich ist (BGH BB 1966, 140). Eine einseitige Bestimmung der Form ist dagegen grds nicht möglich. So kann in einem Vertrag zulasten eines nicht am Vertrag beteiligten Bürgen keine Form begründet werden (BGH NJW 1986, 1681, 1682). Allerdings kann der Antragende beim Vertragsangebot bestimmen, in welcher Form die Annahme zu erfolgen hat (Flume AT II § 15 II 2a). Erklärt der Vollmachtgeber bei der Vollmachtserteilung, dass das Vertretergeschäft schriftlich abgeschlossen werden müsse, so ist der Vertreter nur zum schriftlichen Geschäftsabschluss bevollmächtigt. 3. Ausgestaltung des Formerfordernisses. Die Regel des § 127 I greift nur „im Zweifel“ ein. Die Parteien können also sowohl strengere als auch schwächere Voraussetzungen als die gesetzl Formen vereinbaren. Die Art der gewollten Form ist durch Auslegung der Vereinbarung, ggf unter Berücksichtigung des mit dem Formzwang beabsichtigten Zwecks, zu ermitteln. So kann etwa bei Massenschreiben eine Formerleichterung wegen der Verkehrsüblichkeit konkludent vereinbart sein; deshalb kann eine – für die Textform des § 126b ohnehin ausreichende – Faksimileunterschrift (RGZ 106, 330, 332) oder eine gedruckte Unterschrift (RGZ 125, 68, 74; BGH NJW 2016, 3713, 3715) ausreichen (zu weitgehend aber wohl Saarbrücken VersR 2004, 773, 775, wonach dies die Regel darstellen soll; generell zweifelnd NK/Noack/Kremer Rn 9). Die vereinbarte Schriftform einer Erklärung kann trotz Fehlens einer Unterschrift im Einzelfall auch dann gewahrt sein, wenn die mit der Formvereinbarung bezweckte Klarheit erreicht wird (BGH NJW-RR 1996, 641, 642). Ferner kann es ausreichen, dass dem Erklärungsempfänger eine Kopie der Erklärung übergeben und zugleich Einsicht in das vorliegende schriftliche Original gewährt wird (BAG NZA 1998, 1330; LAG Hamm NZA-RR 2004, 189, 191). IdR wird man indes wie bei der gesetzl Form mit den aus § 127 II ersichtlichen Modifikationen die Unterzeichnung der Erklärung fordern müs-
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Willenserklärung
§ 127
sen (vgl zB Koblenz NJOZ 2005, 2919, 2923 zur Änderung wesentlicher Bestimmungen eines Pachtvertrags; LAG Schl-Holst NZA-RR 1998, 102 zur Ergänzung eines schriftlichen Arbeitsvertrags). Soweit ein Gesellschaftsvertrag die Schriftform für Vertragsänderungen vorsieht, soll die Form bereits durch die bloße privatschriftliche Protokollierung gewahrt sein, falls es sich um solche Änderungen handelt, die durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden können; die Protokollierung ersetzt die Schriftform jedoch nicht bei der Verpflichtung eines Gesellschafters zur Erhöhung seiner Einlage (BGHZ 66, 82, 86f; BeckOGK/Wollenschläger Rn 49). Klauseln, nach denen „Änderungen und Ergänzungen“ des Vertrags der Schriftform bedürfen, beziehen sich nicht ohne weiteres auch auf die Vereinbarung einer Vertragsbeendigung/eines Aufhebungsvertrags (BAG NJW 2000, 3155; Düsseldorf NJOZ 2004, 35, 38). 4. Wirkung des rechtsgeschäftlich bestimmten Formerfordernisses. Das Formerfordernis kann nach dem Willen der Parteien konstitutive oder nur deklaratorische Bedeutung haben; entscheidend ist, ob die Einhaltung der Form Voraussetzung für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts sein oder lediglich dessen Abschluss und Inhalt zu Beweiszwecken festhalten soll (§ 125 Rn 25). Haben die Parteien die Beurkundung eines Vertrags vorgesehen, hat dieses Formerfordernis gem § 154 II im Zweifel konstitutive Bedeutung. Die Nichteinhaltung der konstitutiven Form führt gem § 125 S 2 zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Demggü stellt das rein deklaratorische Formerfordernis keine Wirksamkeitsvoraussetzung dar; es begründet lediglich einen Anspruch auf Einhaltung der Form. Ist vereinbart, dass eine Kündigung mit Einschreiben zu versenden sei, hat idR allein die Schriftform konstitutiven Charakter, während die Versendung als eingeschriebener Brief nur den Zugang sichern soll (BGH NJW-RR 1996, 866, 867; NJW 2004, 1320; BAG NJW 1980, 1304). Auch bei vereinbarter konstitutiver Form ist die Zustimmung zur Vertragsübernahme aber nicht formgebunden (BGH DtZ 1996, 56, 57). 5. Aufhebung des Formerfordernisses. Die Parteien können eine einmal getroffene Vereinbarung über die Form einverständlich aufheben. Bei der Annahme, eine qualifizierte Schriftformvereinbarung sei formfrei aufgehoben worden, ist jedoch regelmäßig Zurückhaltung geboten (BGHZ 66, 378, 381; Koblenz NJOZ 2005, 2919, 2923). Formerleichterungen (§ 127 II und III). Gem § 127 II und III werden die Anforderungen an die Schriftform oder die elektronische Form durch Ausnahmen erleichtert, sofern nicht ein anderer Wille anzunehmen ist; die Vorschriften sind also dispositiv. Im Unterschied zu § 126 I kann die Schriftform auch durch telekommunikative Übermittlung der Erklärung gewahrt werden. Hierzu zählt etwa die Übermittlung durch Fernschreiben, Telefax oder E-Mail. Eine telefonische Durchsage reicht aber nicht (s schon BT-Drs 14/4987, 43). Notwendig ist vielmehr, dass die Erklärung dauerhaft aufbewahrt werden kann. Entbehrlich wird durch die Vorschrift dagegen der Zugang einer Erklärung mit einer originalen Unterschrift. Umstritten ist allerdings, ob die Vorschrift die elektronische Übermittlung einer eigenhändig unterschriebenen Erklärung voraussetzt (so LG Köln BeckRS 2010, 00846; ähnl Bloching/Ortolf BB 2011, 2571, 2573) oder zumindest bei elektronischer Übermittlung einer verkörperten Erklärung eine Unterschrift des Originaldokuments erforderlich ist (so Staudinger/Hertel Rn 44c; BeckOGK/Wollenschläger Rn 57). Die besseren Gründen sprechen indes für eine generelle Entbehrlichkeit der Unterschrift bei telekommunikativer Übermittlung (so auch München WM 2012, 1743, 1744; MüKo/Einsele Rn 10; Grü/Ellenberger Rn 2). Die Übermittlung einer eingescannten Unterschrift ist von geringem Beweiswert, und den Interessen des Empfängers ist durch Abs II S 2 genügt. Wird dagegen eine verkörperte Erklärung im Original übermittelt (zB Versendung eines Briefs), ist eine Unterschrift im Zweifel erforderlich (BeckOK/Wendtland Rn 3; s auch KG BeckRS 2018, 21688). Ein Vertragsschluss ist nach § 127 II 1 durch Briefwechsel möglich. Die Unterzeichnung gleichlautender Urkunden durch die Parteien (vgl § 126 II) ist also nicht notwendig. Vielmehr reicht die gesonderte Erklärung von Angebot und Annahme im Briefverkehr aus. Ein formgerechter Vertragsschluss ist über den Wortlaut hinaus auch durch Austausch von Telefaxschreiben oder E-Mails möglich (BeckOGK/Wollenschläger Rn 61; Hk/Dörner Rn 6; MüKo/Einsele Rn 11). Ferner ist die Verwendung eines Briefs von einer Partei und eines Telefax/einer E-Mail von der anderen Partei zulässig. Wird ein Brief verwendet, ist allerdings entspr der vorstehend (Rn 7) entwickelten Grundsätze die eigenhändige Unterzeichnung des Briefs erforderlich (RGZ 106, 268, 269; Grü/Ellenberger Rn 3; Staudinger/Hertel Rn 28, 44c; aM noch Voraufl und NK/Noack/Kremer Rn 19; MüKo/Einsele Rn 11 Soergel/ Meier/Wolz Rn 19). Zur Wahrung einer vereinbarten elektronischen Form genügt nach § 127 III 1 im Zweifel auch eine andere als die in § 126a bestimmte qualifizierte elektronische Signatur; in Betracht kommen dafür insb die einfache oder die fortgeschrittene elektronische Signatur nach Art 3 Nr 11 elDAS-VO. Die Vertragsparteien können aber entspr ihrer Gestaltungsfreiheit auch einen vollständigen Verzicht auf eine Signatur vereinbaren. Für einen Vertragsschluss in vereinbarter elektronischer Form genügt abw von § 126a II und entspr der Regelung zur vereinbarten Schriftform in § 127 II 1 der elektronisch bewirkte Austausch von Angebot und Annahme; auch hier ist eine Kombination der in § 127 II 1 und III 1 geregelten Formen ausreichend. Wenn von den Formerleichterungen des § 127 II 1 und III 1 Gebrauch gemacht worden ist, kann jede Partei bei vereinbarter Schriftform eine dem § 126 entspr Beurkundung, bei vereinbarter elektronischer Form eine § 126a entspr Signierung und hilfsweise ebenfalls eine § 126 entspr Beurkundung verlangen (§ 127 II 2 und III 2). Eine solche nachträgl Beurkundung/Signierung dient lediglich Beweiszwecken; denn das Rechtsgeschäft war bereits vor der Beurkundung wirksam.
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Rechtsgeschäfte
6. Beweislast. Wer einen Anspruch aus einem Vertrag geltend macht, für den kraft Gesetzes keine Form vorgeschrieben ist, muss behaupten und notfalls beweisen, dass eine Form zw den Parteien vereinbart war (Grü/Ellenberger Rn 7; Staudinger/Hertel Rn 84). Ebenso ist beweispflichtig, wer behauptet, dass hinsichtl der Form von § 127 abw Vereinbarungen erfolgt seien (RG JW 1919, 304; BeckOGK/Wollenschläger Rn 76).
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Gerichtlicher Vergleich
Die notarielle Beurkundung wird bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll ersetzt. 1. Bedeutung. Nach dem BeurkG sind für die öffentliche Beurkundung grds nur noch die Notare zuständig; eine gerichtliche Beurkundung ist nicht mehr vorgesehen. § 127a gibt jedoch entspr einer bereits vorher anerkannten Praxis weiterhin die Möglichkeit, Erklärungen, die der öffentlichen Beurkundung bedürfen, in einen gerichtlichen Vergleich aufzunehmen. Danach ersetzt die Protokollierung in einem wirksamen Prozessvergleich die notarielle Beurkundung. Dies hat wegen § 126 IV, § 129 II zur Konsequenz, dass auch die Schriftform wie die Form der öffentlichen Beglaubigung durch den gerichtlichen Vergleich gewahrt werden können. Entspr Regelungen gelten für Schiedssprüche mit vereinbartem Inhalt (§ 1053 II ZPO) und Erklärungen in Insolvenzplänen (§ 254a I InsO). 2. Voraussetzungen. a) Bei einem Gericht anhängiges Verfahren. § 127a erfordert einen formell und materiell wirksamen Prozessvergleich. Dies setzt zunächst voraus, dass der Vergleich in einem bei einem Gericht anhängigen Verfahren geschlossen wird. In Betracht kommt insoweit nicht nur ein ordentliches Gericht, sondern auch ein Gericht einer Fachgerichtsbarkeit, zB ArbG, FG, SozG, VerwG (s BVerwG NJW 1995, 2179 für einen Vergleich vor dem VerwG im Hinblick auf § 925 I 3). Es braucht sich nicht um ein Streitverfahren zu handeln; die anzuwendende Verfahrensordnung muss aber den Abschluss eines Vergleichs gestatten (vgl zB § 54 ArbGG, § 101 SGG, § 106 VwGO, § 36 FamFG, § 19 LwVfG); der Vergleich ist damit zB zulässig im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, vor dem Landwirtschaftsgericht (BGH NJW 1999, 2806) oder im Adhäsionsverfahren (§§ 403ff StPO; Stuttgart NJW 1964, 110). Ebenso in Betracht kommen Vergleiche im Rahmen eines Prozesskostenhilfe-/Verfahrenskostenhilfe-Verfahrens (§ 118 I ZPO), des einstw Rechtsschutzes (Staudinger/Hertel Rn 7), im Zwangsvollstreckungsverfahren (RGZ 165, 161, 162), vor dem ersuchten oder beauftragten Richter (BGHZ 14, 381, 387) und vor dem Rechtspfleger, sofern diesem nach dem RpflG das Verfahren übertragen worden ist (vgl Nürnberg RPfleger 1972, 305; MüKo/Einsele Rn 4). Schließlich kann auch der Vergleich vor einem ausl Gericht genügen, wenn der Beurkundungsvorgang gleichwertig ist (Bamberg NJW-RR 2002, 1153, 1154). Mangels eines gerichtlichen Verfahrens erfüllen dagegen ein Vergleich vor der Gütestelle (vgl § 794 I Nr 1 ZPO; Staudinger/Hertel Rn 9), der Vergleich in einem verwaltungsrechtl Vorverfahren (vgl VGH Kassel NVwZ 1997, 618, 619) und ein Anwaltsvergleich (§§ 796a ff ZPO; Ziege NJW 1991, 1580, 1581) die Voraussetzungen des § 127a nicht. Es ist nicht notwendig, dass der Vergleich den Rechtsstreit ganz oder teilw beendet; es reicht aus, wenn er jedenfalls im inneren Zusammenhang mit dem Rechtsstreit steht (BGHZ 84, 333, 335; Koblenz NJW 2015, 1316). Daher kann auch ein Vergleich genügen, der Vereinbarungen enthält, die über den Streitgegenstand hinausgehen (BGHZ 35, 309, 316); freilich steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es in diesem Fall die Protokollierung vornimmt (BGH NJW 2011, 3451, 3452). Ebenso kann bei einer vor Rechtskraft der Ehescheidung geschlossenen Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt die nach § 1585c S 2 erforderliche notarielle Beurkundung auch nach § 127a ersetzt werden, wenn eine Vereinbarung im Verfahren über den Trennungsunterhalt erfolgt (BGH NJW 2014, 1231, 1232). Unerheblich ist es ferner, dass das Gericht nicht zuständig ist (LAG Bremen BB 1964, 1125), dass es fehlerhaft besetzt ist (BGHZ 35, 309, 315f) oder dass andere Prozessvoraussetzungen fehlen (BeckOGK/Wollenschläger Rn 22; Staudinger/Hertel Rn 13). Erforderlich ist es allerdings, dass der Rechtsstreit noch anhängig ist. Ist das gerichtliche Verfahren rechtskräftig abgeschlossen, scheidet daher grds ein Abschluss durch Vergleich aus (BGHZ 15, 190, 195); doch genügt für § 127a, auch ein erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens protokollierter, von den Parteien aber bereits vorher gewollter Vergleich, wenn die Protokollierung noch im Zusammenhang mit dem Verfahren erfolgt (BGH NJW 2011, 3451; München NJW 1997, 2331, 2332). b) Prozessrechtliche Wirksamkeit. Bei der Protokollierung müssen die Vorschriften der ZPO (§§ 159ff) beachtet werden. Danach muss der ganze Wortlaut des Vergleichs in das Protokoll aufgenommen (§ 160 III Nr 1 ZPO) sowie den Beteiligten vorgelesen (bei vorläufiger Aufzeichnung gem § 160a ZPO auch: vorgespielt) oder zur Einsicht vorgelegt und von diesen genehmigt werden, wobei im Protokoll zu vermerken ist, dass dies geschehen ist (§ 162 ZPO). Die Wirkung des § 127a tritt allerdings auch dann ein, wenn dieser Vermerk fehlt (BGHZ 142, 84, 88; anders Düsseldorf NJW 2007, 1290 für den Fall, dass der protokollierte Vergleich einen Erbvertrag enthält). Schließlich ist das Protokoll vom Vorsitzenden und ggf vom Urkundsbeamten zu unterschreiben (§ 163 ZPO). § 127a ist auch dann anwendbar, wenn gem § 160 V ZPO der Vergleich dem Protokoll als Anlage beigefügt und als solche bezeichnet wird (LG München I MDR 2019, 1338). Weil § 127a von einer gerichtlichen Protokollierung des Vergleichs ausgeht, ist zweifelhaft und str, ob die Bestimmung auch für einen gem § 278 VI ZPO schriftlich geschlossenen Vergleich gilt. Teilw wird dafür plädiert, § 127a in diesem Fall zumindest entspr anzuwenden (Hk/Dörner Rn 2; Jauernig/Mansel Rn 2; s auch BAG NJW 2007, 1831, 1832f, wo es freilich im konkreten Fall nur um die Erfüllung der Schriftform – § 126 IV, § 127a – ging; für § 7 VersAusglG Frankfurt NZFam 2016, 563 und Brandenburg FamRZ 2014, 1202; teilw auch Decken380
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Willenserklärung
§ 128
brock/Dötsch MDR 2006, 1325ff; vgl auch Bergschneider FamRZ 2013, 260 und Cordes MDR 2016, 64). Nach aA kann ein derartiger Vergleich dagegen die notarielle Beurkundung nicht ersetzen (Zimmer NJW 2013, 3280; vgl auch Celle NJW 2013, 2979, 2980). Die besseren Gründe sprechen indes für eine entspr Anwendung des § 127a (so auch BGH MDR 2017, 416, 417). Hat das Gericht den Parteien einen derartigen Vergleich unterbreitet, gibt es keinen Grund, diesen anders zu behandeln als einen in der Verhandlung geschlossenen Vergleich. Anders könnten die Dinge dagegen bei einem von den Parteien initiierten Vergleich liegen, da hier kaum eine Beratung durch das Gericht stattfinden dürfte. Da das Belehrungserfordernis indes auch nach § 17 BeurkG nur eine Sollvorschrift darstellt, besteht auch in diesem Fall kein Anlass, § 127a nicht entspr anzuwenden. Die notarielle Beurkundung wird also auch durch einen schriftlich geschlossenen Vergleich iSd § 278 VI ZPO ersetzt. Dagegen kann in einem derartigen Vergleich nicht wirksam die Auflassung erklärt werden, da es an der Anwesenheit beider Parteien fehlt (Düsseldorf NJW-RR 2006, 1609, 1610; Frankfurt NJOZ 2018, 1646; offen Staudinger/Hertel Rn 48). Weiterhin ist es erforderlich, dass die Parteien wirksame prozessuale Erklärungen abgeben. Das können sie nur, 6 wenn sie selbst postulationsfähig sind. Deshalb müssen die Erklärungen im Anwaltsprozess (§ 78 ZPO) von einem Rechtsanwalt abgegeben werden (BGH NJW 1991, 1743; Köln NJW-RR 1997, 965, 966). Dagegen soll der Anwaltszwang nicht für einen Dritten gelten, der sich an einem Prozessvergleich beteiligt (BGHZ 86, 160, 163; krit Bergerfurth JR 1983, 371). c) Materiellrechtliche Voraussetzungen. Da der gerichtliche Vergleich eine Doppelnatur hat (Prozesshand- 7 lung und privatrechtl Vertrag, BGHZ 16, 388, 390; 46, 277, 278), müssen auch die materiellrechtl Voraussetzungen eines Vergleichs gegeben sein; insb muss es sich um ein gegenseitiges Nachgeben (§ 779) handeln. Dafür genügt es jedoch, dass eine Partei zB einen Teil der Kosten übernimmt oder der anderen Ratenzahlungen einräumt. Ist nach materiellem Recht die Erklärung persönlich abzugeben (§§ 2274, 2347 II), muss die Prozesspartei beim Vergleich selbst – ggf mit dem Rechtsanwalt gemeinsam – handeln (BayObLG NJW 1965, 1276; Düsseldorf NJW 2007, 1290, 1291; Staudinger/Hertel Rn 28; Zempel NJW 2015, 2859, 2860). Wird ein Erbvertrag im Wege des Vergleichs geschlossen, kann damit gleichzeitig eine Testamentsaufhebung verbunden sein (Köln OLG 1970, 115). Dagegen sollen die Testamentserrichtung und der einseitige Widerruf eines Testaments in einem Vergleich nicht möglich sein (BGH FamRZ 1960, 30; Staudinger/Hertel Rn 31; aA MüKo/Einsele Rn 2; Grü/Ellenberger Rn 3). Nicht möglich ist wegen Verstoßes gegen § 925 II die formwirksame Auflassung in einem Vergleich mit Widerrufsvorbehalt (BGH NJW 1984, 312; BeckOGK/Wollenschläger Rn 9)
§ 128
Notarielle Beurkundung
Ist durch Gesetz notarielle Beurkundung eines Vertrags vorgeschrieben, so genügt es, wenn zunächst der Antrag und sodann die Annahme des Antrags von einem Notar beurkundet wird. 1. Anwendungsbereich. § 128 greift ein bei Verträgen, für die gesetzl eine notarielle Beurkundung von An- 1 gebot und Annahme vorgeschrieben ist, und lässt eine sukzessive Beurkundung – auch an verschiedenen Orten und durch verschiedene Notare – ausreichen. Hierher gehören etwa § 311b I, III, V, § 1491 II, § 1501 II, § 2033 I, §§ 2348, 2351, 2371, 2385, § 11 II ErbbauRG, §§ 2, 15 GmbHG. In den Fällen von § 873 II, § 877 besteht zwar kein Beurkundungszwang, jedoch ist die Bindung an die Erklärung von der Beurkundung abhängig; deshalb ist § 128 auch hier anwendbar. Keine Rolle spielt die Vorschrift demggü naturgemäß in Fällen, in denen nur die Willenserklärung einer Partei der notariellen Beurkundung bedarf wie etwa bei §§ 518, 1516 II, § 2282 III, § 2291 II, § 2296 II, § 2301. Ferner gilt sie dann nicht, wenn das Gesetz ausdrückl die notarielle Beurkundung des Vertrags bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien vorschreibt (§§ 1410, 2276, 2290 IV). Bei einer rechtsgeschäftlich vereinbarten notariellen Beurkundung ist § 128 ebenfalls nicht direkt anwendbar. Hier ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob eine sukzessive Beurkundung zulässig sein soll, was im Zweifel anzunehmen ist. 2. Beurkundungsverfahren. Zuständig ist jeder Notar in Deutschland und – iRv Art 11 I Rom I-VO, 11 I 2 EGBGB – auch ein Notar im Ausland. Selbst wenn der Notar die Beurkundung außerhalb seines Amtsbezirks vorgenommen hat, ist sie nicht deshalb unwirksam (§ 2 BeurkG). Ein gerichtlicher Vergleich ersetzt die notarielle Beurkundung (§ 127a). Über die Verhandlung vor dem Notar muss eine Niederschrift aufgenommen werden (§ 8 BeurkG); diese muss die Bezeichnung des Notars und der Beteiligten sowie deren Erklärungen enthalten (§ 9 I BeurkG). Die Niederschrift muss in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und von ihnen und dem Notar eigenhändig unterschrieben werden (§ 13 I, III BeurkG). In bestimmten Fällen (§ 2 III GmbHG) ist daneben neuerdings nach Maßgabe der §§ 16a ff BeurkG die Beurkundung mittels Videokommunikation möglich. Beim Fehlen einer dieser Wirksamkeitsvoraussetzungen (Mussvorschriften) ist der Beurkundungsakt nichtig. Die Verletzung von Sollvorschriften (zB § 9 II, § 10 II, § 13 III 2 BeurkG) führt hingegen nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung. Dies gilt auch, wenn die besonderen Pflichten bei der Beurkundung von Verbraucherverträgen nach § 17 IIa BeurkG nicht beachtet werden; die Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren v 15.7.2013 (BGBl I 2013, 2378) dürfte hieran nichts geändert haben (vgl Vetter AnwBl Berlin 2013, 132, 133). Der Wirksamkeit einer in eine notariell beurkundete Erklärung aufgenommenen Klausel steht es ferner nicht ohne weiteres entgegen, dass der Notar die Klausel eingefügt und der Erklärende sie bei der Verlesung durch den Notar überhört hatte; vielmehr kann erst eine Irrtumsanfechtung zur Nichtigkeit führen (BGHZ 71, 260, 263). 3. Zustandekommen des Vertrags. Der Vertrag kommt nach § 152 mit der Beurkundung der Annahme zu- 3 stande, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Dies kann insb dann der Fall sein, wenn im Antrag eine Frist für Arnold
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Rechtsgeschäfte
die Annahme gesetzt ist. Eine derartige Fristbestimmung kann dahingehend auszulegen sein, dass die Annahmeerklärung innerhalb der Frist dem Antragenden zugehen muss. Doch wird man dies nicht ohne weiteres, sondern nur bei Hinzutreten weiterer Umstände annehmen können (s § 152 Rn 3; ferner nur Flume AT II § 35 II 1; weiter RGZ 49, 127, 132; 76, 364, 366; 96, 273, 275, wo angenommen wird, dass in derartigen Fällen § 152 regelmäßig abbedungen sei; offenlassend BGH NJW-RR 1989, 198, 199). 4. Beweiskraft. Die Beweiskraft einer ordnungsgemäß beurkundeten Erklärung richtet sich nach § 415 ZPO. Sie erbringt damit den vollen Beweis dafür, dass die in ihr bezeichneten Erklärungen von den bezeichneten Personen vor dem beurkundenden Notar abgegeben worden sind (MüKo/Einsele Rn 8). Der Beweis einer unrichtigen Beurkundung bleibt freilich nach § 415 II ZPO möglich.
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Öffentliche Beglaubigung
(1) Ist für eine Erklärung durch Gesetz öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben, so muss die Erklärung 1. in schriftlicher Form abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden oder 2. in elektronischer Form abgefasst und die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden. In dem Gesetz kann vorgesehen werden, dass eine Erklärung nur nach Satz 1 Nummer 1 oder nach Satz 1 Nummer 2 öffentlich beglaubigt werden kann. (2) Wurde eine Erklärung in schriftlicher Form von dem Erklärenden mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet, so erfüllt die Erklärung auch die Anforderungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1. (3) Die öffentliche Beglaubigung wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt. 1. Einführung. Die öffentliche Beglaubigung ist das Zeugnis eines Notars darüber, dass die Unterschrift, das Handzeichen oder die qualifizierte elektronische Signatur von dem herrührt, der die Erklärung wirklich abgegeben hat. In seinem Beglaubigungsvermerk bezeichnet der Notar die Person, welche die Unterschrift, das Handzeichen oder die qualifizierte elektronische Signatur vollzogen hat (§ 39, § 40 III, § 40a II BeurkG). Die Beglaubigung bezieht sich also nur auf die Echtheit der Unterzeichnung bzw elektronischen Signierung und den Zeitpunkt der Beglaubigung (nur insoweit ist sie öffentliche Urkunde iSv § 415 ZPO), nicht dagegen auf den Inhalt der schriftlichen Erklärung (BGHZ 37, 79, 86). Mit dem DiRUG (BGBl I 2021, 3338) hat der Gesetzgeber durch die Schaffung des neuen Abs I Nr 2 die öffentliche Beglaubigung von elektronischen Erklärungen zugelassen. Sie steht nunmehr gleichrangig ggü der bisher allein möglichen öffentlichen Beglaubigung schriftlicher Erklärungen und soll vor allem im Registerrecht relevant sein (BT-Drs 19/28177, 149). Dabei kann der Erklärende grds zw beiden Formen der Beglaubigung wählen. Allerdings kann nach Abs I S 2 das Gesetz, das die Beglaubigung anordnet, auch vorsehen, dass dem Erklärenden nur eine Form der Beglaubigung offensteht. Dabei kann sich der Ausschluss einer Beglaubigung nach Abs I S 2 auch daraus ergeben, dass das Gesetz – wie etwa bei §§ 403, 1154, 1155 – die Beglaubigung einer papiergebundenen Urkunde vorsieht (BT-Drs 19/28177, 150). 2. Zweck. Die öffentliche Beglaubigung soll dazu dienen, die Echtheit der Unterschrift (des Handzeichens) bzw der Signatur zu beweisen. Deshalb ist sie gesetzl vor allem für Erklärungen ggü dem Gericht oder einer Behörde vorgeschrieben, zB: §§ 77, 411, 1355 III und IV, § 1491 I, § 1492 I, §§ 1560, 1617, 1617a II, § 1617b II, § 1617c I, §§ 1618, 1945, 1955, 2198 I; § 12 HGB; §§ 29, 30–32 GBO; § 726 I, § 727 I, §§ 750, 751, 756 ZPO; §§ 71, 81 II, § 84 II, § 91 II, §§ 143, 144 ZVG. Auch im eigenen Interesse kann ein Beteiligter eine öffentliche Beglaubigung verlangen, zB §§ 371, 403, 1035, 1155, 2120, 2121 I, § 2215 II. Schließlich ist es möglich, eine öffentliche Beglaubigung rechtsgeschäftlich zu vereinbaren. Bei empfangsbedürftigen Erklärungen ist zur Wirksamkeit Zugang in der Form des § 129 nötig. Die Zusendung einer beglaubigten Abschrift ist nicht ausreichend (BayObLG DtZ 1992, 284, 285; Grü/Ellenberger Rn 1). 3. Beglaubigungsverfahren. Zuständig sind grds nur Notare. Freilich enthalten verschiedene bundesrechtl Regelungen Sonderzuständigkeiten (§ 7 I BtOG, § 2 PStG), und landesrechtl können weitere Zuständigkeiten begründet sein (§ 1 II, § 63 BeurkG). Entspr Beglaubigungen sind auch außerhalb des entspr Bundeslandes wirksam (LG Bonn RPfleger 1983, 309). Eine Beglaubigung durch Behörden und öffentliche Körperschaften genügt hingegen im Allg nur für den Behördenverkehr (vgl § 34 VwVfG; s auch Zweibrücken NJW-RR 2014, 1128); sie ist hingegen ohne besondere Regelung keine Beglaubigung iSv § 129. Allerdings bedürfen die Erklärungen öffentlicher Behörden, die diese im Rahmen ihrer besonderen Amtstätigkeit in amtl Eigenschaft formell abgeben, keiner weiteren Beglaubigung (BGHZ 45, 362, 365; Staudinger/Hertel Rn 49ff mwN; str). Der Beglaubigungsvermerk muss im Fall des Abs I Nr 1 das Zeugnis (insb auch die Bezeichnung der Person, welche die Unterschrift – oder das Handzeichen (II) – vollzogen oder anerkannt hat), die Unterschrift und das Siegel des Notars enthalten (§§ 39, 40 III BeurkG). Blankounterschriften sollen nur beglaubigt werden, wenn dargelegt wird, dass die Beglaubigung vor der Festlegung des Urkundeninhalts benötigt wird (§ 40 V BeurkG; Sollvorschrift, deren Verletzung die Gültigkeit nicht beeinträchtigt). Auch nachträgl Textänderungen sind ohne erneute Unterschriftsbeglaubigung zulässig (BayObLG DNotZ 1985, 220, 222; Frankfurt DNotZ 2006, 767; LG Itzehoe DNotZ 1990, 519, 520; Staudinger/Hertel Rn 128ff; Reithmann DNotZ 1999, 27, 36; aM Flume AT II § 15 II 4). Allerdings mag dadurch der Beweiswert der Urkunde beeinträchtigt werden (vgl § 440 II ZPO); die 382
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Willenserklärung
§ 130
Beweiskraft der öffentlichen Beglaubigung bezieht sich jedoch ohnehin nur auf die Echtheit der Unterschrift. Unterzeichnet ein Vertreter mit seinem eigenen Namen, wird die Unterschrift des Vertreters beglaubigt; die Vertretungsmacht muss auf andere Weise nachgewiesen werden. Auch die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen oder des Kaufmanns mit seiner vom Namen abw Firma ist beglaubigungsfähig; dann muss der Notar in seinem Beglaubigungsvermerk den Namen der unterzeichnenden Person angeben (§ 40 III 1 BeurkG). Bei der öffentlichen Beglaubigung in elektronischer Form (Abs I Nr 2) muss die Erklärung in elektronischer 6 Form abgegeben werden. Der Notar beglaubigt die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden. Die Einzelheiten ergeben sich aus § 40a BeurkG. 4. Verhältnis zur notariellen Beurkundung. Da die öffentliche Beglaubigung der Unterschrift als ein Weniger 7 in der notariellen Beurkundung enthalten ist, wird sie durch diese ersetzt (§ 129 III). Das gilt auch im Verhältnis zum gerichtlichen Vergleich, der die notarielle Beurkundung ersetzt (§ 127a).
§ 130
Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden
(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. (2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird. (3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist. 1. Überblick. Ob und wann eine Willenserklärung wirksam wird, hängt zunächst davon ab, ob es sich um eine nicht empfangsbedürftige oder um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. a) Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (Einl § 104 Rn 15) wird regelmäßig bereits mit ihrer Abgabe wirksam. Dazu ist es erforderlich, dass der Erklärende sich der Erklärung willentlich entäußert (sie vollendet, fertiggestellt) hat; auf die Kenntnisnahme durch einen anderen kommt es nicht an (MüKo/Einsele Rn 5; Flume AT II § 14, 1). b) Empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung (zB Kündigungserklärung, Vertragsangebot) wird durch Abgabe und Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam. aa) Abgabe. Für die Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung reicht es nicht aus, dass der Erklärende sich der Erklärung entäußert; sie muss vielmehr mit seinem Willen in den Verkehr gelangen. Erforderlich ist dazu, dass der Erklärende die Erklärung willentlich in Richtung auf den Empfänger in Bewegung setzt und dass er mit der Empfangnahme durch den Adressaten rechnet und bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse rechnen darf (BGHZ 65, 13, 14f; BGH WM 1983, 712; München NJW-RR 2005, 1470f). Der Erklärende muss davon ausgehen, dass die Willenserklärung den gewollten Empfänger, wenn auch auf Umwegen, erreicht (BGH NJW 1979, 2032, 2033; Grü/Ellenberger Rn 4). Bei Einsatz moderner technischer Kommunikationsmittel ist die Willenserklärung abgegeben, sobald der Erklärende die vollständige Übermittlung an den Adressaten veranlasst hat („willentlicher endgültiger Sendebefehl“; vgl Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3, 11; Ultsch NJW 1997, 3007). Gelangt eine Erklärung – sei sie schriftlich, elektronisch oder auf sonstige Weise verkörpert – ohne Wissen und Willen des Erklärenden in den Verkehr, so fehlt es grds an einer Abgabe der Erklärung (hM, s nur BGHZ 65, 13, 14; MüKo/ Einsele Rn 13; s auch schon Motive I, 157f). Dies gilt aber nach neuerer, zutr Auffassung nicht, wenn die Erklärung aufgrund eines fahrlässigen Verhaltens des Erklärenden in den Verkehr gelangt ist; in diesem Fall ist entspr der Grundsätze, die für Erklärungen ohne Erklärungsbewusstsein gelten (s Vor § 116 Rn 15)eine wirksame Erklärung anzunehmen, die vom Erklärenden analog § 119 I innerhalb der Frist des § 121 angefochten werden kann. Erklärt der Erklärende die Anfechtung, bleibt er dem Erklärungsempfänger aber nach Maßgabe des § 122 zum Schadensersatz verpflichtet. (BeckOGK/Gomille Rn 46; NK/Faust Rn 9; Grü/Ellenberger Rn 4; Medicus/Petersen AT Rn 267; aA HK/Dörner Rn 2; Staudinger/Singer/Benedict Rn 32; Neuner AT § 32 Rn 22, 24: keine wirksame Erklärung, aber Haftung des Erklärenden entspr § 122 oder nach den Regeln über das Verschulden bei Vertragsschluss). bb) Zugang. Die empfangsbedürftige Willenserklärung wird nach ihrer Abgabe erst mit dem Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam (§ 130 I 1). Die Abgabe der Willenserklärung reicht zu deren Wirksamkeit nicht aus, weil der Erklärungsempfänger wenigstens in die Lage versetzt werden muss, die Erklärung wahrzunehmen. Hinge andererseits das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung von der wirklichen Kenntnisnahme durch den Erklärungsempfänger ab, müsste der Erklärende zB die Gefahr einer Verspätung oder eines Verlustes tragen. Deshalb stellt § 130 I 1 auf den Zugang der Erklärung beim Erklärungsempfänger ab. Damit wird eine interessengerechte Risikoabgrenzung (vgl schon Mot I, 157) erzielt: Der Verlust (die Veränderung, Verfälschung, Zerstörung) der Erklärung auf dem Wege zum Empfänger und Zugangshindernisse außerhalb des Einwirkungsbereichs des Empfängers gehen zulasten des Erklärenden. Andererseits ist für das Wirksamwerden der Erklärung die Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass die Erklärung in den Bereich des Empfängers gelangt und dieser die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen. Nimmt er keine Kenntnis, geht das zu seinen Lasten (Neuner AT § 33 Rn 13). Abw vertragl Regelungen des Zugangs von Arnold
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Rechtsgeschäfte
Willenserklärungen sind grds zulässig. Für Regelungen in AGB sind insb die Grenzen von § 308 Nr 6 und § 309 Nr 13 zu beachten. 6 c) Anwendungsbereich der Vorschrift. § 130 betrifft nur Erklärungen unter Abwesenden. Abgrenzungskriterium ist dabei allerdings im Zweifelsfall nicht die räumliche Distanz, sondern die Speicherung der Erklärung (MüKo/Einsele Rn 2; Medicus/Petersen AT Rn 291; aA NK/Faust Rn 13). Daher sind telefonische Erklärungen solche unter Anwesenden, es sei denn, der Erklärende spricht auf einen Anrufbeantworter. Ebenso sind elektronische oder elektronisch übermittelte Willenserklärungen in aller Regel (Ausnahme nur bei direkter Kommunikation, etwa bei einer Videokonferenz, uU auch im Internet, vgl dazu Neuner AT § 33 Rn 26) Erklärungen ggü Abwesenden. Für geschäftsähnl Handlungen gilt § 130 entspr (Grü/Ellenberger Rn 3; für eine Auskunft auch BAG NZA 2019, 860, 862). Die Vorschrift ist auch auf Erklärungen anwendbar, die ggü dem Gericht erfolgen müssen (zB Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs, BGH NJW 1980, 1752, 1753), nicht aber auf Prozesshandlungen (vgl NK/Faust Rn 15). 7 2. Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber einem Abwesenden (Abs I). a) Allgemeine Voraussetzungen des Zugangs. Für den Zugang ist es zunächst erforderlich, dass die Erklärung in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt ist. Das ist vielfach der räumliche Machtbereich (Wohnung, Geschäftsräume). In Betracht kommt auch die Übermittlung an den Adressaten an einem anderen Ort sowie an etwaige vom Empfänger getroffene Empfangsvorkehrungen (zB Hausbriefkasten, vgl BGH NJW 1979, 2032, 2033; Postschließfach, vgl Celle NJW 1974, 1386). Notwendig ist nur, dass der Empfänger grds in der Lage ist, von dem Inhalt der Willenserklärung Kenntnis zu nehmen. Das ist zB auch der Fall, wenn jemand beim Empfänger mit einem telefonischen Anrufbeantworter verbunden wird und seine Erklärung auf das angeschlossene Band spricht; denn damit ist die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt. 8 Die Möglichkeit der Kenntnisnahme genügt für den Zugang jedoch allein noch nicht; erforderlich ist ferner, dass mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen gerechnet werden kann (BGHZ 67, 271, 275; 137, 205, 208; BGH NJW 2004, 1320; NJW-RR 2011, 1184, 1185; BAG NJW 1989, 606; 1993, 1093; 2019, 3666, 3667; ohne Begründung ohne diese Einschränkung jüngst aber BGH NJW 2022, 3791, 3792; s aus der Lit nur Soergel/Riesenhuber Rn 50; Neuner AT § 33 Rn 14ff mwN). Der Gegenauffassung (s Staudinger/Singer/Benedict Rn 45, 68ff; Effer-Uhe JZ 2016, 770, 778; Bachmann FS Singer 45, 56; krit auch Greiner/Kalle JZ 2018, 535, 536), die dieses zusätzl Erfordernis ablehnt, ist zwar zuzugestehen, dass dadurch eine klare Bestimmung des Zugangszeitpunkts erschwert wird. Indes wäre es nicht sachgerecht, zugunsten des Erklärenden einen Zugang schon dann anzunehmen, wenn offensichtlich noch gar nicht mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger gerechnet werden konnte. Abzulehnen ist auch die in der Lit teilw vertretene Unterscheidung zw dem Zugang und der Rechtzeitigkeit der Erklärung: Für den Zugang soll es danach ausreichen, dass die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt; nur für die Rechtzeitigkeit des Zugangs komme es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme an (Flume AT II § 14, 3b). Diese Unterscheidung erscheint unnötig kompliziert; zudem wäre mit ihr ein zu weitreichender Schutz des Empfängers verbunden, da der Erklärende nach Zugang seine Erklärung nicht mehr widerrufen könnte (vgl NK/Faust Rn 25; Medicus/Petersen AT Rn 275). 8a Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Brief, der am frühen Abend oder gar zur Nachtzeit in einen Hausbriefkasten geworfen wird, erst am nächsten Morgen zugegangen (s auch BGH NJW 2008, 843: Zugang eines am Nachmittag eingeworfenen Geschäftsschreibens erst am nächsten Werktag). Ein außerhalb der Geschäftsstunden von einem Telefonanrufbeantworter aufgezeichnetes Gespräch geht erst mit Beginn der Geschäftszeit zu. Dasselbe gilt für andere, etwa zur Entgegennahme eines Fernschreibens, eines Telefax oder einer E-Mail bestimmte technische Empfangsgeräte (vgl BGH VersR 1994, 586; Rostock NJW-RR 1998, 526, 527; vgl aber für einen Telefaxeingang in größeren Anwaltskanzleien München NJOZ 2005, 2883, 2887). Nimmt der Empfänger aber vor dem Zeitpunkt, an dem unter gewöhnlichen Umständen die Kenntnisnahme erwartet werden kann, Kenntnis, ist die Erklärung bereits in diesem Moment zugegangen (Medicus/Petersen AT Rn 276). 9 Gerade bei der Nutzung moderner Kommunikationsmittel setzt die Erwartbarkeit der Kenntnisnahme weiterhin voraus, dass der Empfänger mit einer Erklärung auf diesem Weg rechnen musste. Der Empfänger muss Erklärungen über von ihm selbst geschaffene technische Einrichtungen (etwa der Telekommunikation, zB Telefon-, Telefaxanschluss, E-Mailadresse) nur gegen sich gelten lassen, wenn er diese allg oder im Einzelfall bekannt gegeben und dadurch für den Rechtsverkehr angeboten („gewidmet“) hat (LAG Hamm NJW-RR 2022, 26, 27; NK/ Faust Rn 43f). 10 Individuelle Kenntnisnahmehindernisse, die ihre Ursache in der Sphäre des Empfängers haben und mit denen der Erklärende nicht zu rechnen braucht, bleiben unberücksichtigt. So ist es für den Zeitpunkt des Zugangs zumindest im inl Rechtsverkehr regelmäßig unerheblich, dass der der dt Sprache nicht mächtige (oder leseunkundige; vgl dazu Großfeld/Hülper JZ 1999, 430, 431f) Adressat sich die Erklärung erst noch durch einen Dolmetscher übersetzen lassen muss (LAG Köln NJW 1988, 1870, 1871; für einen Zugang erst nach einer ausreichenden Zeit zur Übersetzung dagegen LAG Hamm NJW 1979, 2488). Allg wird bei sprachlichen Verständnisproblemen entscheidend sein müssen, ob die Erklärung in einer vereinbarten Sprache formuliert ist und ob – mangels einer solchen Vereinbarung – von dem Adressaten die Kenntnis der benutzten Sprache zumutbarerweise erwartet werden kann (vgl auch NK/Faust Rn 45; Medicus/Petersen AT Rn 295f mwN). Ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt, wird ein Zugang erst für den Zeitpunkt einer zumutbaren Übersetzungsmöglichkeit anzunehmen sein.
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Willenserklärung
§ 130
Die Ortsabwesenheit des Empfängers – etwa infolge von Urlaub oder Krankheit – ist, weil es auf die üblicherweise zu erwartende Möglichkeit der Kenntnisnahme ankommt, für den Zugang einer Willenserklärung, etwa der Kündigung des Arbeitsvertrags, grds unerheblich (BGH NJW 2004, 1320f; BAG NJW 1989, 2213; 1993, 1093f; NZA 2004, 1330, 1331; EzA § 5 KSchG Nr 41 in Abkehr von der früher gegenteiligen Rspr). Dies soll auch für Fälle gelten, in denen der Erklärende die Abwesenheit des Adressaten, evtl auch seinen tatsächlichen vorübergehenden Aufenthalt, zB die Urlaubsanschrift, kennt (BAG NZA 1988, 875, 876; 2004, 1330, 1331). Doch kann ein ArbN, der wegen Abwesenheit von der Kündigung zu spät erfährt, um rechtzeitig Kündigungsschutzklage erheben zu können, uU eine nachträgl Klagezulassung gem § 5 KSchG mit Erfolg beantragen (näher BAG NZA 1988, 875, 876; 2018, 1157, 1158; eingehend ErfK/Kiel § 5 KSchG Rn 20). Einzelfälle: Ist die Willenserklärung in einem Brief enthalten, geht sie dem Empfänger mit dessen Aushändigung zu. Bei dem Einwurf in einen Haus- oder Geschäftsbriefkasten (auch in einen für alle Bewohner eines Hauses bestimmten Briefschlitz in der Haustür, LAG Düsseldorf NZA 2001, 408) tritt Zugang zu dem Zeitpunkt ein, in dem mit der Leerung nach der Verkehrsauffassung zu rechnen ist; das ist bei Einwurf während der Nacht oder am frühen Abend der nächste Morgen (RG Warn Rspr 1921, 131; BAG NJW 1984, 1651, 1652; Hamm NJW-RR 1995, 1187, 1188) bzw der Wiederbeginn der Geschäftsstunden (RGZ 99, 20, 23; 142, 402, 407f). Anderes kann gelten, wenn der Adressat mit einem Zugang zu ungewöhnlicher Zeit rechnen musste (LAG Berlin NZA-RR 2004, 528, 529). Ob bei einem Einwurf bis 18 Uhr noch mit einer Leerung am gleichen Tag gerechnet werden kann, ist Frage der vom Gericht im Einzelfall festzustellenden Verkehrsanschauung; eine generelle Regel, nach der mit einer Kenntnisnahme derartiger Schriftstücke durch einen ArbN als Empfänger noch am selben Tag gerechnet werden, besteht nicht (BAG NJW 2019, 3666, 3667, anders etwa Hamm GmbHR 2019, 1160, 1168; Grü/Ellenberger Rn 6; BeckOGK/Gomille Rn 70.4). Wird der Brief unter der Eingangstür durchgeschoben oder an die Eingangstür gesteckt, gelangt er in den Machtbereich des Empfängers, so dass er zugeht, wenn normalerweise mit der Entdeckung zu rechnen ist (LAG Hamm NZA 1994, 32, 33). Mit dem Einlegen in ein Postschließfach des Empfängers ist der Brief zu dem Zeitpunkt zugegangen, in dem das Fach verkehrsüblicherweise nachgesehen werden kann (RGZ 142, 402, 408f), nicht also kurz vor Schließung der Post. Die Einsortierung in ein falsches Fach bewirkt keine Zustellung. Bei einer postlagernden Sendung kommt ein Zugang nur in Betracht, wenn der Empfänger mit dieser Art der Zustellung einverstanden war. Dann gilt das zum Postschließfach Gesagte. Die Zustellung ist selbst dann erfolgt, wenn der Empfänger den Brief nicht abholt und dieser nach Ablauf der Lagerfrist an den Absender zurückgeht (RGZ 144, 289, 293). Eine bei der Post aufbewahrte briefliche Erklärung geht spätestens zu, wenn der Adressat den Brief bei der Post abholt oder abholen lässt (LG Stade NJOZ 2003, 2359, 2360). Hat der Empfänger wegen seiner Abwesenheit einen Nachsendeantrag gestellt, so ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Erklärung an der ursprünglichen Adresse zugegangen wäre (s Rn 31). Bei undeutlicher oder mehrdeutiger Anschrift ist der Brief erst bei Zustellung an den richtigen Empfänger zugegangen. Für ein „Einwurfeinschreiben“, das dem Empfänger von der Post mit der übrigen Briefpost – etwa durch Einwurf in den Briefkasten – übermittelt wird, gelten für den Zugang dieselben Regeln wie beim gewöhnlichen Brief (Dübbers NJW 1997, 2503, 2504). Beim Übergabeeinschreiben (mit oder ohne Rückschein) ist der Zugang erfolgt, wenn die Sendung dem Empfänger übergeben wird; dagegen genügt die Hinterlassung des Benachrichtigungsscheins nicht (BGHZ 67, 271, 275; 137, 205, 208; aA Flume AT II § 14, 3c). Vielmehr geht die Erklärung erst zu, wenn der Empfänger das Schreiben vom Postamt abholt. Das gilt auch dann, wenn der Einschreibebrief in der gegebenen Frist nicht abgeholt wird und die Sendung als unzustellbar an den Absender zurückgeht. Ausnahmsw muss sich der Empfänger jedoch unter dem Gesichtspunkt der Zugangsverzögerung so behandeln lassen, wie wenn das Einschreiben in der Abholfrist zugegangen wäre (s Rn 29f). Die in einem – heute freilich vollkommen ungebräuchlich gewordenen – Telegramm enthaltene Willenserklärung ist mit Aushändigung an den Empfänger zugegangen. Wird diesem der Text vorher telefonisch durchgesagt, so ist die Erklärung bereits zu diesem Zeitpunkt zugegangen (RGZ 105, 255, 256). Die Willenserklärung in einem Telefongespräch mit dem Erklärungsempfänger wird vom Gesetz wie eine Erklärung unter Anwesenden behandelt (vgl § 147 I 2). Zur Entgegennahme eines Telefongesprächs mit einem Anrufbeantworter vgl Rn 6f. Ein Fernschreiben oder Telefax gelangt grds in den Machtbereich des Empfängers, wenn es auf dem Empfangsapparat ausgedruckt ist (BGH NJW 2004, 1320; Grü/Ellenberger Rn 7). Soweit das Empfangsgerät über eine Speichermöglichkeit verfügt, genügt insoweit auch die Speicherung (Soergel/Riesenhuber Rn 60; Burgard AcP 195, 74, 123f). Hinzukommen muss allerdings auch in diesem Fall, dass nach gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist (BGH NJW 2004, 1320; MüKo/Einsele Rn 20). Ein Fax geht im Geschäftsverkehr daher nur sofort zu, wenn es während der Geschäftsstunden eingeht, sonst mit dem nächsten Geschäftsstundenbeginn (BGH VersR 1994, 586; Neuner AT § 33 Rn 16; MüKo/Einsele Rn 20; Grü/Ellenberger Rn 7; krit dazu Staudinger/Singer/Benedict Rn 73ff). Ebenso wird man annehmen müssen, dass ein zur Nachtzeit an eine Privatperson gesendetes Fax erst am nächsten Morgen zugeht (NK/Faust Rn 58). Entspr gilt für die Übermittlung mit einer anderen Einrichtung der Telekommunikation (E-Mail, SMS, Chatnachrichten etc); dabei ist für den Zugang auf die mit dem vollständigen Eintreffen der Sendesignale im Empfangsgerät verbundene Möglichkeit der Speicherung und/oder des vollständigen Ausdrucks oder sonstigen Abrufs beim Empfänger zu verkehrsüblicher Zeit abzustellen; ob der Adressat die Erklärung speichert und/oder abruft, liegt nicht mehr im Risikobereich des Erklärenden (Staudinger/Singer/Benedict Rn 51; Herwig MMR 2001, 145, 146; Ultsch NJW 1997, 3007). Dementsprechend geht eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr sofort zu, wenn sie während der gewöhnlichen Geschäftszeit auf dem Mailserver des Empfängers abgerufen werden kann (BGH NJW 2022, Arnold
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Rechtsgeschäfte
3791, 3792). Wird eine E-Mail-Adresse im Rechtsverkehr genutzt, ist ein Zugang auch dann abzunehmen, wenn eine eingehende Mail im Spam-Ordner des Empfängers abgelegt wird; von diesem ist zu erwarten, dass er den Spam-Ordner täglich auf irrtümlich dorthin verschobene Mails überprüft (vgl LG Bonn MMR 2014, 709, 711; anders für einen Spamfilter des E-Mail-Anbieters Greiner/Kalle JZ 2018, 535, 538).Ist die maßgebliche Erklärung in einem Anhang der E-Mail enthalten, soll der Zugang regelmäßig erst mit dem Öffnen der Datei durch den Empfänger eintreten, da von diesem nicht ohne weiteres erwartet werden kann, dass er über die erforderliche Software verfügt (NK/Faust Rn 44; Greiner/Kalle JZ 2018, 535, 539; vgl auch Hamm NJW 2022, 1822; anders Hengstenberger NJW 2022, 1780, 1782f bei gebräuchlichen Dateiformaten und fehlender Virengefahr). Der Aushang (zB am Schwarzen Brett im Betrieb oder in einem Mietshaus) bewirkt den Zugang, sofern die Adressaten in der Lage sind, davon Kenntnis zu nehmen. Damit scheidet ein Zugang an die (wegen Krankheit, Urlaub) nicht anwesenden Personen aus. Da aber § 130 abdingbar ist, kann anstelle des Zugangs ein Anschlag im Betrieb als Wirksamkeitserfordernis (zB durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) vereinbart werden; dann ist die Erklärung mit dem Anschlag ggü allen ArbN wirksam (Soergel/Riesenhuber Rn 51; MüKo/Einsele Rn 22). b) Übermittlung durch eine Mittelsperson. Beim Zugang einer Willenserklärung, die über eine Mittelsperson an den Empfänger gelangen soll, ist zu unterscheiden. aa) Handelt es sich bei der Mittelsperson um einen Empfangsvertreter (§ 164 III), so ist die Erklärung mit dem Zugang beim Vertreter dem Vertretenen zugegangen (BGH NJW 1965, 965, 966; 2003, 3270). Auf eine Weitergabe an den Adressaten kommt es nicht an (BAG AP Nr 8). bb) Ist die Mittelsperson ein Empfangsbote, dann ist die Erklärung dem Adressaten zu dem Zeitpunkt zugegangen, zu dem regelmäßig die Weitergabe an den Empfänger zu erwarten ist (BGH NJW 1965, 965, 966; NJW-RR 1989, 757f; BAG NJW 2018, 3331, 3333). Übermittelt der Empfangsbote die Erklärung falsch, verspätet oder überhaupt nicht an den Erklärungsempfänger, so geht das zu dessen Lasten (Hamm VersR 1980, 1164). Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder (ohne besondere Vollmacht oder Ermächtigung) nach der Verkehrsanschauung als dazu bestellt und geeignet anzusehen ist (allg M). Bei einer verkörperten Erklärung sind an die Geeignetheit der Mittelsperson geringere Anforderungen zu stellen als bei einer nicht verkörperten (mündlichen) Erklärung. Regelmäßig sind nach der Verkehrsanschauung der Ehegatte (BGH NJW 1951, 313; 2011, 2604f; allerdings nicht ohne weiteres, wenn sich der Empfänger auf hoher See befindet, BGH NJW 1994, 2613), die in der Wohnung des Empfängers oder im selben Hause lebenden Familienangehörigen und Haushaltsmitglieder (RGZ 60, 334, 336; BAG NJW 1993, 1093, 1094), der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (BGH NJW 1990, 1666; NJW 2014, 1010, 1011), die Zimmervermieterin (BAG AP Nr 7) und die Angestellten eines Geschäftsmanns (RGZ 102, 295, 296; BGH NJW 1965, 965, 966) als zum Empfang ermächtigt anzusehen, ferner auch der Mitarbeiter eines Unternehmens, der anstelle des an sich zuständigen Mitarbeiters eine telefonische Erklärung im Wege der intern veranlassten Anrufweiterschaltung erhält und entgegennimmt (BGH NJW 2002, 1565, 1566), nicht aber ohne weiteres beim Leasing der Lieferant im Verhältnis zum Leasinggeber (Koblenz BB 1994, 819f). Ist der Empfänger inhaftiert, sind die Mitarbeiter der JVA als dessen Empfangsboten anzusehen (BAG NJW 2018, 3331, 3333). Bei einer mündlichen Erklärung muss die Mittelsperson fähig sein, die Erklärung richtig zu erfassen und weiterzugeben. Das ist bei erwachsenen Haushaltsmitgliedern oder Angestellten regelmäßig der Fall (RGZ 60, 334, 337; enger Medicus/Petersen AT Rn 286). Wird die Erklärung ggü einer ungeeigneten Person (zB einem Kind) oder einer aus einem sonstigen Grunde nicht als ermächtigt anzusehenden Person (zB einem in der Wohnung des Empfängers arbeitenden Handwerker) abgegeben und wird sie dem Empfänger richtig übermittelt, ist sie diesem im Zeitpunkt der Übermittlung zugegangen (RGZ 60, 334, 337); unterbleibt eine richtige Weitergabe, fehlt es an einem Zugang. Kein Zugang soll nach der Rspr des BAG ferner anzunehmen sein, wenn ein Empfangsbote die Entgegennahme der Erklärung ablehnt; dies soll nur nicht gelten, wenn Empfangsbote und Adressat bei der Annahmeverweigerung zusammenwirken (BAG NJW 1993, 1093; 1094; aA Draschka BB 1993, 1290; Schwarz NJW 1994, 891). cc) Ist die Mittelsperson weder Empfangsvertreter noch Empfangsbote, trägt der Erklärende die Gefahr der richtigen und rechtzeitigen Übermittlung. Die Mittelsperson ist als Erklärungsbote des Erklärenden anzusehen. Bei einer Falschübermittlung kommt eine Anfechtung nach § 120 in Betracht. c) Zugang bei formbedürftigen Erklärungen. Formbedürftige Willenserklärungen gehen nur dann zu, wenn der Empfänger sie in der vorgeschriebenen Form übermittelt (BGH NJW 1962, 1388, 1389; 1997, 3169, 3170; BAG NJW 2007, 250, 253). Notwendig ist also der Zugang des Originals oder – bei öffentlichen Urkunden – einer Ausfertigung (BGHZ 31, 5, 7; 130, 71, 73). Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift oder einer Kopie reicht nicht aus (BGHZ 31, 5, 7; 48, 374, 377; 121, 224, 229f; Koblenz MittBayNot 2006, 35; Hamm NJOZ 2006, 428, 431f). Allerdings soll im Rahmen einer Parteivereinbarung über die Zugangsvoraussetzungen auch ein Verzicht auf einen formgerechten Zugang möglich sein (BGHZ 130, 71, 75; Armbrüster NJW 1996, 438). Ist jemand zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, so gilt die Erklärung mit der Rechtskraft des Urt als abgegeben (§ 894 S 1 ZPO), aber nicht als zugegangen. Für den Zugang genügt es, dass dem Gegner das Urt zugestellt wird oder dass er bei der Verkündung anwesend war (RGZ 160, 321, 325). d) Widerruf. Trotz des Zugangs wird die Willenserklärung nicht wirksam, wenn dem Empfänger vor dem Zugang oder gleichzeitig mit diesem ein Widerruf zugeht (§ 130 I 2). Dieser Widerruf ist vom Widerruf bei Verbraucherverträgen (§ 355) zu unterscheiden. Entscheidend für die Wirksamkeit des Widerrufs nach § 130 I 2 ist allein dessen Zugang. Der Widerruf ist also auch dann wirksam, wenn er gleichzeitig mit der Willenserklärung 386
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Willenserklärung
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dem Empfänger zugeht, dieser aber von der Willenserklärung früher Kenntnis nimmt (BGH NJW 1975, 382, 384). Geht der Widerruf später als die Willenserklärung zu, bleibt diese wirksam. Das gilt auch dann, wenn der Empfänger tatsächlich den Widerruf vor der widerrufenen Erklärung zur Kenntnis nimmt (RGZ 91, 63; Grü/Ellenberger Rn 11; Soergel/Riesenhuber Rn 84; aA Erman/Palm12 Rn 15). Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt etwa die vorzeitige Auktionsbeendigung keinen wirksamen Widerruf des in der Veranlassung einer Internetauktion liegenden Kaufvertragsangebots dar (LG Koblenz NJW 2010, 159, 160). Ebenso lässt die in den eBay-Grundsätzen vorgesehene „Löschung“ der Bieterangebote die Wirksamkeit des zuvor abgegebenen Verkaufsangebots unberührt (KG NJW 2005, 1053, 1054). Möglich soll auch der Widerruf eines Schenkungsangebots durch Testament sein (BGH NJW-RR 2018, 518, 520). 3. Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber einem Anwesenden. Für das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ggü einem Anwesenden fehlt eine gesetzl Regelung. Hier ist der Grundgedanke des § 130 zu berücksichtigen und danach zu unterscheiden, ob es sich um eine verkörperte (schriftliche) oder eine nichtverkörperte (mündliche) Erklärung handelt. a) Verkörperte Erklärung. Bei einer verkörperten Erklärung kommt es auf den Zugang beim Empfänger an. Demnach wird die Erklärung regelmäßig mit der Übergabe an den Empfänger wirksam (RGZ 61, 414, 415; BGH NJW-RR 1996, 641, 642; NJW 1998, 3344); denn damit kommt die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers, und dieser hat in diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Kenntnisnahme; dauerhafte Verfügungsgewalt über das Schriftstück ist nicht erforderlich (BAG NJW 2005, 1533). Wird aber die schriftliche Erklärung dem Empfänger heimlich in die Tasche gesteckt, ist sie zwar in seinen Machtbereich gelangt, aber doch nicht zugegangen, weil der Empfänger mit einer solchen „Art der Zustellung“ nicht zu rechnen braucht. Kein Zugang liegt auch vor, wenn die Erklärung dem Empfänger lediglich kurz zur Quittierung des Zugangs übergeben und sodann wieder zurückgenommen wird (LAG Düsseldorf NZA-RR 2018, 653, 654). § 130 soll auch für die Stimmabgabe in der Wohnungseigentümerversammlung gelten; daher kann die Stimmabgabe nicht mehr widerrufen werden, wenn der Stimmzettel dem Versammlungsleiter zugegangen ist (BGH NW 2012, 3372, 3373). b) Nicht verkörperte Erklärung. Eine nicht verkörperte Erklärung ggü einem Anwesenden wird mit der Abgabe regelmäßig auch wirksam, da der Adressat die Erklärung normalerweise in diesem Zeitpunkt empfängt und zur Kenntnis nimmt. Ob er sie (richtig) verstanden hat, ist idR unerheblich; nicht gelten kann das allerdings, wenn der Adressat taub ist oder die Sprache nicht versteht. Nach der Vernehmungstheorie soll es insoweit darauf ankommen, ob der Erklärungsempfänger die Erklärung wahrgenommen hat (s nur BGH WM 1989, 652f; BAG ZIP 1982, 1466, 1467). Die genannten Risiken gingen also ausnahmslos zulasten des Erklärenden. Dem ist für den Regelfall zuzustimmen. Wenn jedoch die Erklärung vom Empfänger nicht vernommen worden ist, sie aber für ihn vernehmbar war und der Erklärende annehmen konnte, dass der Empfänger sie verstanden hat, wäre die Erklärung nach der Vernehmungstheorie nicht zugegangen. Diese Entscheidung zuungunsten des Erklärenden ist nicht interessengerecht und widerspricht der Wertung des § 130 I. Danach kommt es auch nicht auf die Kenntnisnahme der Erklärung durch den Erklärungsempfänger, sondern darauf an, ob dieser unter normalen Umständen Kenntnis nehmen kann. Wendet man diesen Gedanken hier an, muss ein Zugang jedenfalls dann angenommen werden, wenn der Erklärende vernünftigerweise keinen Zweifel daran haben kann, dass der Empfänger die Erklärung verstanden hat (so auch BeckOGK/Gomille Rn 101; MüKo/Einsele Rn 28; Grü/Ellenberger Rn 14). 4. Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden (Abs II). Stirbt der Erklärende nach Abgabe der Willenserklärung oder wird er geschäftsunfähig, so wird die Erklärung dennoch durch Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam (§ 130 II). Die Erben des Verstorbenen oder der gesetzl Vertreter des Geschäftsunfähigen sind an die Erklärung gebunden. Sie haben bis zum Zugang der Erklärung das Recht zum Widerruf nach § 130 I 2. Ob ein wirksames Angebot des Erklärenden vom Erklärungsempfänger noch angenommen werden kann, richtet sich nach § 153. § 130 II ist entspr anwendbar, wenn der Erklärende zw Abgabe und Zugang seiner Willenserklärung beschränkt geschäftsfähig wird; das gilt auch für die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit durch Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gem § 1825 (Celle NJW 2006, 3501f; Grü/Ellenberger Rn 12). Wenn der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit auf die Wirksamkeit der Erklärung keinen Einfluss hat, so muss das im Falle des Eintritts der beschränkten Geschäftsfähigkeit erst recht gelten. Verliert dagegen der Erklärende zw Abgabe und Zugang seiner Erklärung seine Verfügungsbefugnis (zB durch ein Insolvenzverfahren), scheidet eine analoge Anwendung des § 130 II aus (BGHZ 27, 360, 366; BeckOGK/Gomille Rn 125; MüKo/Einsele Rn 43), da die Verfügungsbefugnis im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verfügung bestehen muss. 5. Amtsempfangsbedürftige Willenserklärung (Abs III). Die Willenserklärung, die ggü einer Behörde (zB Hinterlegungsstelle, Stiftungsbehörde, Grundbuchamt, VormG, Nachlassgericht; Planfeststellungsbehörde) abzugeben ist, wird wie eine empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden behandelt; denn § 130 III verweist auf § 130 I, II. Das gilt auch für eine Willenserklärung, die wahlweise ggü einer Privatperson oder ggü einer Behörde (zB Grundbuchamt, § 876 S 3, § 880 II 3) abgegeben werden kann, sofern sie tatsächlich ggü der Behörde abgegeben wird. Nicht gemeint ist die Willenserklärung, die vor einer Behörde, aber ggü einem privaten Erklärungsempfänger abzugeben ist (zB §§ 925, 2276 I). Für den Zugang bei der Behörde reicht es aus, dass die Erklärung bei der für den Empfang von Erklärungen eingerichteten Stelle angelangt ist (etwa Posteingangsstelle); der weitere Verbleib liegt im Risikobereich der Behörde. Dagegen tritt die Zugangswirkung nicht ein, wenn ein unArnold
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zuständiger Bediensteter die Erklärung in Empfang nimmt (RG JW 1925, 2444). Der Berufung auf die Versäumung einer Frist kann jedoch § 242 entgegenstehen, wenn eine zur Entgegennahme der Erklärung selbst unzuständige Behörde zur rechtzeitigen Weiterleitung an die zuständige Behörde in der Lage und verpflichtet war (KG NJW-RR 1997, 643, 644). 6. Zugangshindernisse. a) Annahmeverweigerung. Gesetzl nicht geregelt sind die Fälle, in denen die Willenserklärung dem Empfänger wegen seines eigenen Verhaltens oder wegen eines Störfaktors in seinem Risikobereich nicht oder verspätet zugeht (krit gegen entspr Sonderregeln aber Staudinger/Singer/Benedict Rn 83ff). Verweigert der Empfänger die Annahme der schriftlichen oder das Anhören der mündlichen Erklärung berechtigterweise, ist die Erklärung nicht zugegangen (OVG Hamburg NJW 1995, 3137, 3138; MüKo/Einsele Rn 36). Das ist etwa der Fall, wenn der Adressat wegen ungenügender Frankierung Strafporto bezahlen soll, das Schreiben eine mehrdeutige Anschrift aufweist (RGZ 125, 68, 75) oder die mündliche Erklärung Beleidigungen des Erklärungsempfängers enthält und dieser sich deshalb die Ohren zuhält. Dagegen geht eine unberechtigte Verweigerung zulasten des Erklärungsempfängers. Die Erklärung ist ihm zugegangen; denn er war in der Lage, sich vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu verschaffen, und damit konnte unter normalen Umständen auch gerechnet werden (BGHZ 137, 205, 209; BGH NJW 1983, 929, 930). Ein wiederholter Zustellungsversuch des Erklärenden ist in diesem Fall sinnlos und daher entbehrlich. Dabei wird aber teilw angenommen, dass ein Zugang bei Verweigerung der Annahme einer (verkörperten) Erklärung nur anzunehmen sei, wenn diese in unmittelbarer Nähe des Empfängers abgelegt werde; nehme der Erklärende die Erklärung dagegen wegen der Weigerung des Empfängers wieder an sich, sei das Schreiben zu keinem Zeitpunkt in den Machtbereich des Empfängers gelangt (BAG NZA 2015, 1183, 1184). Praktisch dürfte dieser Abgrenzung aber kaum Bedeutung zukommen, da sich der Empfänger in derartigen Fällen jedenfalls nach den Grundsätzen zur Zugangsstörung (s Rn 28) so behandeln muss, als ob die Erklärung zugegangen ist (vgl dazu auch ArbG Berlin BB 2016, 634, 635f). b) Zugangsstörung. Bei einer Zugangsstörung im Einflussbereich des Empfängers verdient dieser keinen Schutz, wenn er den Zugang bewusst vereitelt (Rechtsgedanke der §§ 162, 815 II; Neuner AT § 33 Rn 43; Medicus/Petersen AT Rn 282). In diesem Fall ist ein erneuter Zustellungsversuch des Erklärenden sinnlos und daher entbehrlich (BGHZ 137, 205, 209f). Der Empfänger ist aber auch dann nicht schutzwürdig und muss das Risiko eines (verspäteten) Zugangs tragen, wenn er es unterlässt, Vorkehrungen zur Ermöglichung des Zugehens zu treffen, sofern ihn dafür eine Obliegenheit trifft. So ist etwa der Kaufmann gehalten, für die Zeit seiner Abwesenheit einen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen (RGZ 95, 315, 317) Der Geschäftsmann muss die Verlegung seines Geschäftslokals der Post ordnungsgemäß anzeigen (Hamm NJW-RR 1986, 699). Auch aus einem Arbeitsvertrag kann sich bei entspr Vereinbarung die Verpflichtung ergeben, Empfangsvorrichtungen bereitzuhalten (LAG Hamm ZIP 1993, 1109, 1110). Dagegen besteht keine allg Pflicht, Empfangsvorkehrungen für den Eingang von Erklärungen zu treffen; doch hat derjenige, der mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen muss, dafür zu sorgen, dass die Erklärungen ihn auch erreichen (BGHZ 67, 271, 278; BGH NJW 1996, 1967, 1968; BAG NZA 2006, 204, 205). Ferner ist derjenige, der ein Benachrichtigungsschreiben erhält, nach dem ihm ein Einschreibebrief nicht zugestellt werden konnte, gehalten, dieses abzuholen (vgl BGHZ 137, 205, 210). Technische Störungen bei den Empfängereinrichtungen der Telekommunikation gehen unter den genannten Voraussetzungen zulasten des Empfängers (Burgard AcP 195, 74, 104ff; Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3, 14; Ultsch NJW 1997, 3007, 3008). Auf ein Verschulden des Adressaten kommt es nicht an; es genügt, dass die Zugangsstörung in seiner Sphäre liegt und ihm zuzurechnen ist (LAG Hamm ZIP 1993, 1109, 1110; Flume AT II § 14, 3e). Geht unter den genannten Voraussetzungen die Erklärung dem Empfänger nicht zu, hat nach heute hM (BGHZ 137, 205, 209; Neuner AT § 33 Rn 43; Medicus/Petersen AT Rn 278f; skeptisch für den Fall der Nichtabholung eines Einschreibens MüKo/Einsele Rn 38) der Erklärende eine Wahlmöglichkeit: Bemüht er sich nicht um eine Zustellung, treten die Rechtsfolgen der Erklärung nicht ein. Will er aber, dass seine Erklärung wirksam wird, muss er alles ihm Zumutbare und nach der Sachlage Erforderliche unternehmen, um die Willenserklärung in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangen zu lassen (BGHZ 137, 205, 209; BAG NZA 2006, 204, 205). Er muss also so schnell wie möglich den Zugang bewirken; notfalls kommt eine Zustellung nach § 132 in Betracht. Einen verspäteten Zugang muss der Erklärungsempfänger dann nach Treu und Glauben als rechtzeitig gegen sich gelten lassen (BGHZ 137, 205, 209). Geht die Erklärung aufgrund eines Zugangshindernisses im Bereich des Empfängers verspätet zu, bedarf es hierfür aber keines weiteren Zustellungsversuchs durch den Empfänger, kann sich der Empfänger auf die entstandene Verzögerung nicht berufen. Daher gehen Verzögerungen, die dadurch entstehen, dass der Empfänger einen Nachsendeauftrag gestellt hat, zulasten des Empfängers (NK/Faust Rn 72; MüKo/Einsele Rn 37; aA BGH NJW 1996, 1967, 1968; Erman/Palm12 Rn 7). Die gegenteilige Auffassung würde gerade in den viel diskutierten Fällen der Kündigung während des Urlaubs des Empfängers kaum zu rechtfertigende Konsequenzen haben. Der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam würde, hinge davon ab, ob der Empfänger zufällig einen Nachsendeauftrag gestellt hat oder nicht. 7. Abweichende Vereinbarungen. Eine von § 130 abw Regelung kann sich aus dem Gesetz und aus der getroffenen Parteivereinbarung ergeben. Für die Rechtzeitigkeit der Erklärung stellen etwa § 121 I 2, § 355 I 5 BGB und § 377 IV HGB auf die Absendung ab; ein Zugang ist dennoch erforderlich. Nach § 151 S 1, § 152 S 1 ist ein Zugang zur Wirksamkeit nicht erforderlich. Die Voraussetzungen und der Zeitpunkt des Zugangs können 388
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Willenserklärung
§ 131
auch durch Parteivereinbarung abw geregelt werden (RGZ 108, 91, 96; BGHZ 130, 71, 75; Armbrüster NJW 1996, 438). Soll etwa ein im Prozess abgegebenes Vergleichsangebot durch Erklärung ggü dem Gericht angenommen werden, wird damit von § 130 I abgewichen (Bremen NJW-RR 2018, 1009, 1010). Bei Regelungen in AGB sind § 308 Nr 6 und § 309 Nr 13 zu beachten. 8. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen Willenserklärung beruft, muss deren 33 Zugang beweisen (Saarbrücken NJW 2004, 2908, 2909; Rostock NJOZ 2004, 2121ff). Die Grundsätze über den Anscheinsbeweis sind regelmäßig nicht anwendbar. Insb ist durch den Beweis, dass der Brief bei der Post eingeliefert wurde, der Beweis des Zugangs nicht geführt (anders uU bei Serienbriefen, vgl das Bsp LG Hamburg VersR 1992, 85). Es bestehen keine Vermutung und kein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreicht (BGH NJW 1964, 1176; BAG NJW 1961, 2132; Frankfurt VersR 1996, 90; Mrosk NJW 2013, 1481, 1482); denn es kommt vor, dass Postsendungen beim Adressaten nicht ankommen. Auch der Einlieferungsbeleg beim Einschreibebrief erbringt keinen Anscheinsbeweis für den Zugang (BGHZ 24, 308, 313; BGH NJW 1996, 2033, 2035). Beim Einwurfeinschreiben sollen aber Einlieferungs- und Auslieferungsbeleg eine ausreichende Grundlage für einen Anscheinsbeweis hinsichtl des Zugangs der Sendung beim Empfänger bilden (BGH NJW 2017, 68, 70; Grü/Ellenberger Rn 21; BeckOGK/Gomille Rn 132; aA Bauer/ Diller NJW 1998, 2795, 2796); nicht ausreichend soll dagegen der Sendungsstatus sein (LAG Baden-Württemberg NZA-RR 2021, 70, 71). Beim Einschreiben mit Rückschein begründet der Rückschein den Anscheinsbeweis für den Zugang (Grü/Ellenberger Rn 21); der Inhalt des Schreibens bleibt freilich vom Erklärenden zu beweisen. Bei der Übermittlung mit Telefax begründet das Sendeprotokoll keinen Anscheinsbeweis für den Zugang (BGH NJW 1995, 665; BAG NZA 2003, 158, 159; KG NJW 1994, 3172; Dresden NJW-RR 1994, 1485; Frankfurt NZI 2022, 267, 268; aA München NJW 1994, 527; MDR 1999, 286). Liegt jedoch ein Sendeprotokoll vor, das durch den OK-Vermerk das Zustandekommen der Verbindung mit der Nummer des Empfängers bestätigt, darf dieser nicht lediglich den Zugang bestreiten, sondern muss nähere Angaben zu seiner Empfangseinrichtung machen (BGH NJW-RR 2014, 683, 685). Bei einer E-Mail begründet die Absendung nicht bereits einen Anscheinsbeweis für den Zugang (LAG Brandenburg 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12; s auch Willems MMR 2013, 551, 552; aA AG Frankfurt MMR 2009, 507). Gleichfalls genügt es nicht, dass die Erklärung zugleich in „cc“ oder „bcc“ an einen Dritten geschickt wurde und bei diesem nachweisbar eingegangen ist (Willems MMR 2013, 551, 553; aA LG Hamburg MMR 2010, 554) oder dass keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail eingegangen ist (LAG Köln MDR 2022, 392). Dagegen dürfte das Vorliegen einer Empfangs- oder Lesebestätigung des Empfängers einen Anscheinsbeweis für den Zugang der Erklärung begründen (Grü/Ellenberger Rn 21; Mankowski NJW 2004, 1901, 1902). Ist die Rechtzeitigkeit des Zugangs str, muss derjenige, der sich auf den Zugang beruft, auch die Rechtzeitigkeit 34 beweisen (BGH NJW 1978, 886). Durch Anscheinsbeweis kann nicht dargetan werden, dass eine Postsendung nach einer bestimmten Zeit beim Adressaten abgeliefert zu werden pflegt (BGH NJW 1964, 1176, 1177; Braunschweig NJOZ 2004, 1866, 1868).
§ 131
Wirksamwerden gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen
(1) Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. (2) Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. Bringt die Erklärung jedoch der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil oder hat der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, so wird die Erklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihr zugeht. 1. Bedeutung. § 131 regelt das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung, die ggü einem 1 nicht voll Geschäftsfähigen abgegeben wird; die Norm gilt auch für geschäftsähnl Handlungen (AG Melsdorf NJW 1989, 2548; MüKo/Einsele Rn 1; BeckOGK/Gomille Rn 5) und gesetzl Informationspflichten (Schleswig NJW-RR 2016, 1245, 1248 zu § 676b II 2). Die Vorschrift dient dem Schutz dieser Personen und entspricht den Regeln über die Wirksamkeit der Willenserklärung eines nicht voll Geschäftsfähigen. Wie die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ohne Rechtswirkung ist (§ 105 I), so kann auch die ggü einem Geschäftsunfähigen abzugebende Willenserklärung nicht durch Zugang an ihn wirksam werden (§ 131 I). Wie die Willenserklärung eines beschränkt Geschäftsfähigen idR ebenfalls unwirksam und nur in Ausnahmefällen wirksam ist (§§ 106ff), so kann auch die ggü einem beschränkt Geschäftsfähigen abzugebende Willenserklärung idR nicht durch Zugang an ihn wirksam werden (§ 131 II 1); in Ausnahmefällen genügt jedoch der Zugang an ihn (§ 131 II 2). 2. Willenserklärung gegenüber einem Geschäftsunfähigen. Eine Willenserklärung ggü einem Geschäfts- 2 unfähigen (vgl § 104 Rn 2–6) wird wirksam, wenn sie dem gesetzl Vertreter zugeht (§ 131 I). Bei gesetzl Vertretung von Kindern genügt der Zugang an einen Elternteil. Es spielt keine Rolle, ob es sich um eine Erklärung unter Anwesenden oder Abwesenden handelt. Mit dem Zugang an den gesetzl Vertreter wird die Willenserklärung ggü dem Geschäftsunfähigen wirksam; der Zeitpunkt des Zugangs an den gesetzl Vertreter ist auch für eine Fristwahrung maßgebend. Nicht ausgeschlossen wird durch die Regelung, dass Willenserklärungen, die den Geschäftsunfähigen betreffen, an dessen rechtsgeschäftlichen Vertreter gerichtet werden; insoweit gilt vielmehr § 164 III (BGH NJW 2021, 1455, 1457 im Hinblick auf die Kündigung eines Erbvertrags ggü einem Vorsorgebevollmächtigten; Staudinger/Singer/Benedict Rn 3). Arnold
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Rechtsgeschäfte
Die Willenserklärung muss an den gesetzl Vertreter gerichtet werden oder wenigstens auch für diesen bestimmt sein (BAG NJW 2011, 872, 873). Der Geschäftsunfähige kann jedoch Erklärungsbote des Erklärenden sein; leitet er die Erklärung an seinen gesetzl Vertreter weiter, gelangt sie in dessen Machtbereich und hat der gesetzl Vertreter die Möglichkeit der Kenntnisnahme (vgl § 130 Rn 18), ist sie diesem zugegangen und damit wirksam. Dagegen reicht es nicht aus, dass der gesetzl Vertreter nur zufällig vom Inhalt der an den Geschäftsunfähigen gerichteten Erklärung Kenntnis erlangt, weil er etwa mit dem Geschäftsunfähigen im selben Haushalt lebt (Düsseldorf VersR 1961, 878; Berlin MDR 1982, 321; MüKo/Einsele Rn 3; aA Staudinger/Singer/Benedict Rn 3; BeckOGK/ Gomille Rn 10.1). Als Empfangsbote seines gesetzl Vertreters ist der Geschäftsunfähige nur dann anzusehen, wenn er vom gesetzl Vertreter dazu bestellt worden ist (Soergel/Riesenhuber Rn 8; aA Staudinger/Singer/Benedict Rn 4, nach denen der beschränkt Geschäftsfähige generell nicht Empfangsbote sein kann). Eine Bestellung zum Empfangsvertreter ist nicht möglich (Grü/Ellenberger Rn 2). 3. Willenserklärung gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen. a) Zugang beim gesetzlichen Vertreter. Grds gilt das Gleiche wie bei der Willenserklärung ggü einem Geschäftsunfähigen (§ 131 II 1); zur Wirksamkeit der Willenserklärung ist es also erforderlich, dass diese dem gesetzl Vertreter zugeht (Rn 2). b) Zugang beim Minderjährigen. Ausnahmsw wird die Willenserklärung mit dem Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam (§ 131 II 2). aa) Ebenso wie ein beschränkt Geschäftsfähiger eine wirksame Willenserklärung abgeben kann, wenn diese ihm einen lediglich rechtl Vorteil bringt (§ 107), so ist auch eine Willenserklärung ggü dem beschränkt Geschäftsfähigen, die für ihn lediglich rechtl vorteilhaft ist, mit dem Zugang an ihn wirksam. So ist zB das dem beschränkt Geschäftsfähigen ggü gemachte Vertragsangebot – unabhängig vom Inhalt – immer lediglich rechtl vorteilhaft, weil dem Empfänger damit die Möglichkeit gegeben wird, es anzunehmen und dadurch den Vertrag zustande zu bringen (Lettl WM 2013, 1245, 1246). Hierher gehören ferner die rechtl neutralen Geschäfte (§ 107 Rn 10) deshalb wird die Bevollmächtigung eines beschränkt Geschäftsfähigen mit dem Zugang der Erklärung an diesen wirksam (Frankfurt MDR 1964, 756; Staudinger/Singer/Benedict Rn 5). bb) Wenn der gesetzl Vertreter seine Einwilligung erteilt, ist der beschränkt Geschäftsfähige ebenfalls hinreichend geschützt. Deshalb wird auch in diesem Fall die Erklärung mit Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam. Mit der Einwilligung ist die vorherige Zustimmung gemeint (§ 183 S 1). Dem ist angesichts des Wortlauts des § 131 II 2 und der Notwendigkeit von Rechtssicherheit die Genehmigung (nachträgl Zustimmung; § 184 I) nicht gleichzustellen. Zu Problemen führt dies auf dem ersten Blick, wenn dem beschränkt Geschäftsfähigen die Annahme eines Vertragsangebots zugeht und der Vertrag nicht lediglich vorteilhaft ist: In diesem Fall scheint § 131 II die Möglichkeit einer Genehmigung durch den gesetzl Vertreter nach § 108 auszuschließen (aA Hackenbroich JURA 2019, 137,140, da mangels Genehmigung die Annahme für den Minderjährigen nicht rechtl nachteilig sei). Dieses Ergebnis stößt indes zu Recht allg auf Ablehnung: Ein Teil des Schrifttums nimmt stattdessen an, dass der gesetzl Vertreter mit dem Vertrag ausnahmsw auch den Zugang der Annahme genehmigen könne (BeckOK/Wendtland Rn 8; Grü/Ellenberger Rn 3). Nach aA soll § 131 II insoweit durch § 108 verdrängt werden (Jauernig/Mansel Rn 3; Köhler AT § 6 Rn 27; ferner wohl auch BGHZ 47, 352, 358; Flume AT II § 14, 3g; vgll auch Lettl WM 2013, 1245, 1246f und Staudinger/Singer/Benedict Rn 7, nach denen § 131 II 2 gelten soll, da die Annahme eines Vertrags, auch wenn dieser Pflichten für den Minderjährigen vorsehe, für diesen wegen § 108 i Erg nicht nachteilig sei). Der letztgenannte Ansatz erscheint vorzugswürdig. Der Minderjährige bedarf, wenn ihm ggü die Annahme eines Vertrags erklärt wird, nicht des Schutzes durch § 131 II, da dieser bereits durch § 108 gewährleistet wird. Eine Anwendung des § 131 II würde vielmehr dem anderen Teil einen durch die Vorschrift nicht bezweckten Vorteil verschaffen, da dieser bis zu einer Genehmigung seine Erklärung nach § 130 I 2 auch dann noch widerrufen könnte, wenn ein Widerruf nach § 109 ausgeschlossen wäre (vgl dazu schon Köhler AT § 6 Rn 27). Die Einwilligung kann in schlüssigem Verhalten liegen. Liegt zugunsten des Minderjährigen eine Einwilligung zum Abschluss eines Vertrags vor, liegt darin auch eine Einwilligung zum Zugang von Vertragserklärungen an den beschränkt Geschäftsfähigen (MüKo/Einsele Rn 6). Dagegen deckt eine derartige Einwilligung den Zugang von Erklärungen, die der Abwicklung des Vertrags dienen, grds nicht mehr ab (Staudinger/Singer/Benedict Rn 5). Daher lässt die Einwilligung zum Abschluss eines Versicherungsvertrags regelmäßig solche Erklärungen des Versicherers, die dessen Leistungsfreiheit zur Folge haben, nicht mit Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam werden (BGHZ 47, 352, 359). Selbst wenn eine Einwilligung des gesetzl Vertreters vorliegt und deshalb die Willenserklärung durch Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam wird, kann das Wirksamwerden auch durch Zugang an den gesetzl Vertreter erreicht werden; denn durch die Ermächtigung wird die Vertretungsmacht des gesetzl Vertreters nicht eingeschränkt (anders in den Fällen der §§ 112, 113). cc) Kraft gesetzl Vorschrift können der Widerruf (§ 109 I 2) und die Zurückweisung (§ 111) ggü dem beschränkt Geschäftsfähigen erfolgen, so dass hier ein Zugang an diesen zum Wirksamwerden genügt. c) Entsprechende Geltung bei Betreuten. § 131 II gilt gem § 1825 I 3 entspr, wenn die Willenserklärung einem Betreuten ggü abgegeben wird und sie zum Bereich des Einwilligungsvorbehalts gehört. Die Willenserklärung ist dann an den Betreuer zu richten (LG Dresden WuM 1994, 377). 4. Willenserklärung gegenüber einem Bewusstlosen oder vorübergehend Geistesgestörten (§ 105 II). Ist der Erklärungsempfänger bewusstlos oder liegt eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit vor, so ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Willenserklärung unter Abwesenden handelt oder nicht. Bei einer Erklärung 390
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Willenserklärung
§ 132
unter Abwesenden kommt es nach § 130 auf den Zugang der Erklärung an. Beim Einwurf einer schriftlichen Willenserklärung in den Hausbriefkasten ist damit zB entscheidend, wann der Empfänger unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann, gleichgültig, ob er zu diesem Zeitpunkt bewusstlos ist oder ob eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit vorliegt (MüKo/Einsele Rn 2). Bei einer Erklärung unter Anwesenden gilt das zu § 130 Rn 23 Gesagte. Ist die Erklärung nicht verkörpert, kann der Empfänger die Erklärung wegen seines Zustandes regelmäßig nicht verstehen, was für den Erklärenden auch erkennbar ist, so dass die Erklärung nicht wirksam ist.
§ 132
Ersatz des Zugehens durch Zustellung
(1) Eine Willenserklärung gilt auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. (2) Befindet sich der Erklärende über die Person desjenigen, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben ist, in einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis oder ist der Aufenthalt dieser Person unbekannt, so kann die Zustellung nach den für die öffentliche Zustellung geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung erfolgen. Zuständig für die Bewilligung ist im ersteren Fall das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erklärende seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat, im letzteren Falle das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Person, welcher zuzustellen ist, den letzten Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes den letzten Aufenthalt hatte. 1. Zweck. Die Vorschrift stellt die Zustellung der Willenserklärung als Ersatz für den Zugang zur Verfügung. Dabei kann der Erklärende frei entscheiden, ob er die Willenserklärung unter Vermittlung des Gerichtsvollziehers zustellen lässt, während die öffentliche Zustellung nach Abs II nur unter zusätzl Voraussetzungen möglich ist. Wird die Zustellung gewählt, wird die Willenserklärung wirksam, auch wenn die Voraussetzungen für den Zugang iSd § 130 (Möglichkeit der Kenntnisnahme) nicht vorliegen. Die Zustellung macht damit den Zugang vom Verhalten des Empfängers (zB Verweigerung der Annahme) unabhängig und bietet eine verhältnismäßig sichere Möglichkeit, den Zugang nachzuweisen. Setzt aber ein Tatbestand (zB § 407) Kenntnisnahme des Empfängers voraus, so genügt eine Zustellung nicht (RGZ 87, 412, 417; vgl auch RGZ 135, 247, 251; MüKo/Einsele Rn 1). 2. Zustellungsarten. a) Zustellung durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers (Abs I). Abs I gibt dem Erklärenden ein Wahlrecht, ob er die Erklärung durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers zustellen lässt. Dabei kann ein Anwalt aber verpflichtet sein, im Interesse seiner Mandantschaft nach § 132 vorzugehen (Nürnberg NJW-RR 1991, 414). Die Einschaltung des Gerichtsvollziehers ist unabdingbar; eine Zustellung im Parteiauftrag reicht nicht aus (BGHZ 67, 271, 277). Ebenso soll die Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO) nicht genügen (BeckOK/Wendtland Rn 4; MüKo/Einsele Rn 2; aA für eine Prozessbürgschaft LG Augsburg NJW-RR 1998, 1368, 1369). Zugestellt werden muss die Erklärung in der vorgeschriebenen Form. Bei öffentlichen Urkunden soll daher eine Ausfertigung zuzustellen sein (BGHZ 31, 5, 7; 36, 201, 206; BGH NJW 1981, 2299, 2300; KG DGVZ 1994, 154; Hamm DNotZ 1992, 261, 263; BeckOGK/Gomille Rn 10; aA Weidlich ZEV 2017, 715, 716 und MittBayNot 2018, 425, 428, der im Hinblick auf die Aufhebung des § 170 II ZPO aF eine beglaubigte Abschrift genügen lassen will). Bei Erklärungen, die in Schriftform erfolgen müssen, soll nach hM die Zustellung einer beglaubigten Abschrift genügen (so im Anschluss an BGH NJW 1967, 823, 824 etwa BeckOK/Wendtland Rn 5; MüKo/Einsele Rn 4; Grü/Ellenberger Rn 2; aA wegen der Aufhebung des § 170 II aF ZPO PWW/Ahrens Rn 2; zweifend auch BeckOGK/Gomille Rn 10). Das Verfahren der Zustellung unter Vermittlung des Gerichtsvollziehers richtet sich iÜ nach §§ 192ff ZPO iVm den Bestimmungen der §§ 166ff ZPO über die Zustellung von Amts wegen, § 191 ZPO. Die Zustellung ist an den Erklärungsgegner, bei nicht voll Geschäftsfähigen an den gesetzl Vertreter zu richten (Grü/Ellenberger Rn 1). Der Gerichtsvollzieher kann die Zustellung selbst ausführen (§§ 193, 193a ZPO) oder die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragen (§ 194 ZPO). Unter den Voraussetzungen der §§ 178ff ZPO kommt auch eine Ersatzzustellung in Betracht, nicht hingegen eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis oder automatisierte Eingangsbestätigung oder durch Einschreiben mit Rückschein (§§ 174, 175 ZPO); diese Zustellungsarten sind der Geschäftsstelle des Gerichts vorbehalten (NK/Faust Rn 6). Zustellungsmängel werden nach § 189 ZPO geheilt (MüKo/Einsele Rn 5; zweifelnd NK/Faust Rn 7). b) Öffentliche Zustellung (Abs II). Die öffentliche Zustellung (§§ 185ff ZPO) ist nicht ins Belieben des Erklärenden gestellt. Sie ist nur möglich bei unverschuldeter Unkenntnis über die Person des Erklärungsempfängers (zB des unbekannten Erben) oder bei Unkenntnis über den Aufenthalt des Empfängers. Letzteres ist iSd § 185 I Nr 1 ZPO zu verstehen (BAG NZA 2021, 75, 79; Staudinger/Singer/Benedict Rn 9). Erforderlich ist, dass der Aufenthalt nicht nur dem Erklärenden, sondern generell unbekannt ist. Den Erklärenden trifft insoweit eine Nachforschungspflicht. Er wird den unbekannten Aufenthalt dem Gericht zumindest durch eine ergebnislose Auskunft beim Einwohnermeldeamt nachzuweisen haben (MüKo/Einsele Rn 6). Soweit eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten möglich ist, scheidet eine öffentliche Zustellung aus (BAG NZA 2021, 75, 79). Über den Antrag auf Bewilligung einer öffentlichen Zustellung wird im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden; wird der Antrag abgewiesen, ist hiergegen die Beschwerde nach § 59 FamFG statthaft (Köln 6.12.2010 – 16 Wx 88/10; Düsseldorf NZG 2015, 1111; jurisPK/Reichold Rn 10; Sternal/Sternal § 1 FamFG Rn 29; aA BeckOK/Wendtland Rn 7: § 567 ZPO). Die öffentliche Zustellung bewirkt die Fiktion des Zugangs. Auch eine durch unzutreffende Angaben erschlichene öffentliche Zustellung ist wirksam. In Anlehnung an die Grundsätze, die die Rspr für die Unwirksamkeit eiArnold
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Rechtsgeschäfte
ner öffentlichen Zustellung im Prozess entwickelt hat (BGH NJW 2002, 827, 828ff; 2007, 303), gilt dies jedoch nicht, wenn das Gericht bei der Bewilligung hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vorlagen (KG NJW-RR 2006, 1380, 1381; Grü/Ellenberger Rn 3; aA NK/Faust Rn 10; PWW/Ahrens Rn 3). Bei einer danach wirksamen öffentlichen Zustellung kann zudem der Berufung auf die eingetretene Rechtsfolge der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (BGHZ 64, 5, 8; KG NJWRR 2006, 1380, 1381f; einschränkend Staudinger/Singer/Benedict Rn 11). Das gilt nicht nur ggü dem, der die öffentliche Zustellung arglistig veranlasst hat, sondern kann im Einzelfall auch ggü einem Dritten gelten. Hat etwa ein Ehegatte den Widerruf eines wechselbezüglichen gemeinschaftl Testaments durch erschlichene öffentliche Zustellung bewirkt, so kann ggü dem, der Rechte aus einer nach der öffentlichen Zustellung errichteten Verfügung von Todes wegen geltend macht, der Arglisteinwand durchgreifen (BGHZ 64, 5, 8).
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Auslegung einer Willenserklärung
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. 1. Bedeutung. Mit der im Rechtsgeschäft enthaltenen Willenserklärung will der Erklärende einen bestimmten Rechtserfolg herbeiführen. Der (innere) Geschäftswille (Vor § 116 Rn 5) erscheint in der (äußeren) Gestalt der Erklärung. Ziel der Auslegung ist es, den hinter der Erklärung stehenden Geschäftswillen des Erklärenden zu ermitteln. Auf diesen Willen kommt es nach dem Grundsatz der Privatautonomie zunächst an; denn der Einzelne soll seine privaten Lebensverhältnisse nach seinem Willen selbst gestalten können. In den meisten Fällen geht es aber nicht nur um die Interessen des Erklärenden, sondern auch um die des Erklärungsempfängers. Dieser verdient Schutz, wenn er den wahren Willen des Erklärenden nicht erkennt und nicht erkennen kann; dann muss der Erklärende sich an dem festhalten lassen, was der Empfänger der Erklärung vernünftigerweise als Willen des Erklärenden entnehmen konnte. Die Auslegung, die in §§ 133, 157 und in einigen Spezialvorschriften geregelt ist, hat zunächst für die Frage Bedeutung, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt. Ferner kommt es auf die Auslegung an, wenn es darum geht, ob durch Willenserklärungen ein Vertrag zustande gekommen ist. Schließlich sind auch der abgeschlossene Vertrag und das einseitige Rechtsgeschäft auszulegen, um dadurch festzustellen, welchen Inhalt sie haben und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. 2. Anwendungsbereich des § 133. a) Zivilrecht. Die Vorschrift gilt für alle Willenserklärungen. Bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist auf den Schutz des Erklärungsempfängers Bedacht zu nehmen (Rn 19). Formgebundene Erklärungen sind ebenso auslegungsfähig (vgl § 125 Rn 28; NK/Looschelders Rn 74; MüKo/Busche Rn 35; zur Bürgschaft BGH NJW 1995, 959; NJW-RR 1998, 259f) wie schlüssige (konkludente) Erklärungen. Der Auslegung zugänglich sind auch die Willenserklärungen in einem abstrakten Rechtsgeschäft (zB Wechsel, BGHZ 21, 155, 161; Schuldversprechen BGH NJW-RR 1996, 1458), in Verfügungen (zB Auflassung, RGZ 152, 189, 192) und in einem Normenvertrag (zB Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, MüKo/ Busche Rn 49) sowie in einer Satzung und sonstigen normähnl Regelungen des Privatrechts (vgl BayObLG WuM 1996, 362 – Gemeinschaftsordnung nach dem WEG; s auch Rn 34). Auch geschäftsähnl Handlungen wie Mahnungen, Fristsetzungen, Mitteilungen und Anzeigen sind der Auslegung zugänglich, um das Gewollte zu ermitteln (BGH NJW 1995, 45, 46). b) Prozessrecht. Auch auf Prozesshandlungen/Prozesserklärungen einer Partei (zB Klageantrag, Geständnis, Anerkenntnis, Rechtsmittelverzicht, Rechtsmitteleinlegung, Rechtsmittelbegründung) ist § 133 anwendbar (BGHZ 22, 267, 269; BGH NJW-RR 1994, 568; 1996, 1210; 1998, 507; BAG NZA 2016, 124, 125; BVerwG NJW 1990, 508, 509; Naumburg NStZ-RR 1997, 340; für Anmeldung zum Handelsregister BayObLG NJW-RR 2000, 990, 991); dabei sind alle – insb aus den Akten – erkennbaren Umstände zu beachten (Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht § 65 Rn 22; Staudinger/Singer Rn 27f); unklare Erklärungen sind im Zweifel so auszulegen, dass das Ergebnis dem Willen eines verständigen Prozessbeteiligten entspricht (BFH/NV 2006, 1852 und 2269). Auszulegen sind auch Prozesshandlungen des Gerichts, insb Entscheidungen (BGHZ 5, 189, 192; 34, 337, 339; BGH NJW 1997, 3447, 3448; 2018, 2732; Staudinger/Singer Rn 28) und Registereintragungen (BGHZ 47, 190, 195; 59, 205, 208; zum Grundbuch vgl Rn 36). Zur Auslegung eines Urteilstenors sind Tatbestand und Entscheidungsgründe heranzuziehen (BGHZ 2, 164, 170; 5, 189, 192); bei Divergenz gebührt dem Tenor idR der Vorzug (BGH NJW 1997, 3447, 3448; Celle OLG 1979, 194, 196). c) Öffentliches Recht. Für die Auslegung eines öffentlich-rechtl Vertrags ist § 133 schon nach § 62 S 2 VwVfG anzuwenden. Die Grundsätze des § 133 gelten aber auch sowohl für Erklärungen des Bürgers (BVerwG DVBl 1963, 894; NJW 1990, 1926, 1928; BFH WM 1982, 1138, 1139) als auch für solche der Behörde (BVerwGE 12, 87, 91; BVerwG NJW 1976, 304). Bei der Erklärung eines rechtsunerfahrenen Bürgers hat die Behörde ohne Formalismus das Gewollte zu ermitteln (BVerwG DVBl 1963, 894). Verbleiben bei der Erklärung einer Behörde trotz der Auslegung Unklarheiten, müssen diese zulasten der Verwaltung gehen (BVerwGE 41, 305, 306). 3. Abgrenzungen. § 157 behandelt nach seinem Wortlaut die Auslegung von Verträgen, § 133 die Auslegung von Willenserklärungen. Daraus folgt jedoch kein materieller Unterschied. Vielmehr sind Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte auch für § 133 von Bedeutung (RGZ 169, 122, 124; BGHZ 21, 319, 328). § 133 und § 157 ergänzen sich (Flume AT II § 16, 3a). § 133 will die Ermittlung des Willens des Erklärenden ermöglichen; § 157 392
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Willenserklärung
§ 133
behandelt die Zusammenfassung und Anpassung der Erklärungen und ermöglicht eine Lückenausfüllung durch erg Auslegung (vgl Rn 20ff). § 242 regelt nach seinem Wortlaut, wie der Schuldner leisten soll. Dieses rechtl Sollen kann erst bestimmt werden, wenn zuvor die Frage nach dem rechtl Wollen beantwortet ist, das durch Auslegung zu ermitteln ist. § 242 greift danach erst nach § 133 und § 157 ein (vgl BGHZ 16, 4, 8); gleichwohl ist allg anerkannt, dass der in § 242 enthaltene Grundsatz von Treu und Glauben das ganze Privatrecht beherrscht, also auch bei der Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl § 157 Rn 3). § 139 ist eine Auslegungsregel. Danach ist bei Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig, „wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde“. Zunächst ist also durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermitteln, ob die Parteien für den Fall der Teilnichtigkeit eine Regelung getroffen haben. Führt diese Auslegung zu einem positiven Ergebnis, bleibt kein Raum für § 139. Nur wenn die Auslegung nicht weiterhilft, greift § 139 ein. § 140 sieht die Umdeutung eines nichtigen Rechtsgeschäfts vor, „wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde“. Maßgebend ist der hypothetische Wille der Parteien, der durch erg Auslegung (Rn 20ff) zu ermitteln ist. Die Auslegung nach § 133 stellt dagegen zunächst auf den wirklichen Willen ab. Spezialvorschriften gibt es für die Auslegung von Testamenten (§ 2084) und von AGB (§ 305c II). Führt in diesen Fällen die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist beim Testament im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei der die Verfügung Erfolg haben kann. Zweifel bei der Auslegung von AGB gehen zulasten des Verwenders. 4. Gegenstand der Auslegung. Nach § 133 ist die Willenserklärung Gegenstand der Auslegung. Diese muss aber schon vorher ansetzen. Aus dem Verhalten eines Menschen ist zunächst zu ermitteln, ob es sich dabei um eine Willenserklärung handelt (BGH NJW 2014, 1951, 1952; 2016, 3015, 3018; BAG NZA 2019, 1204, 1208). Das ist zB für die Frage wichtig, ob ein Nichtstun (Schweigen) als Willenserklärung oder ob ein Tun als rechtsgeschäftliches oder außerrechtl zu qualifizieren ist (BGHZ 21, 102, 106f; 91, 324, 330; 109, 171, 177; BGH NJW 1984, 721; 1994, 188, 189; 1996, 2574, 2575; Jauernig/Mansel Rn 1). Entsprechendes gilt für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als konkludente Willenserklärung anzusehen ist: Insoweit muss anhand der Begleitumstände festgestellt werden, ob eine rechtsgeschäftliche Erklärung vorliegt (NK/Looschelders Rn 32). Nicht zwingend erforderlich ist das Vorhandensein eines Erklärungsbewusstseins des Erklärenden, wenn dieser bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass sein Verhalten als Willenserklärung verstanden werden konnte und dies auch tatsächlich geschehen ist (vgl Vor § 116 Rn 15f). Freilich stellt die Rspr an einen konkludenten Vertragsschluss teilw strenge Anforderungen und verlangt das Bewusstsein des Betroffenen, das für das Zustandekommen des Vertrages möglicherweise noch eine eigene Erklärung notwendig ist; geht es um die Wiederbegründung des Vertrages, muss der Erklärende an dessen Fortbestand ein Interesse haben (BGH NJW 2010, 2873, 2875; 2022, 67, 68). Handlungen, die als Erfüllungsleistungen verstanden werden können, sollen nur dann als konkludente Erklärung anzusehen sein, wenn der Erklärende infolge besonderer Umstände damit beim Empfänger den Eindruck vermittelt, dass ein auf die Vereinbarung eines entspr Vertrags gerichteter Rechtsfolgewillen besteht (BGH NJW 2021, 2432, 2435 für ein mögliches Schuldanerkenntnis durch Zahlung; BGH NJW 2022, 67, 68). Dagegen soll die Realofferte eines Stromversorgungsunternehmens vom anderen Teil regelmäßig durch die Entnahme von Strom konkludent angenommen werden (BGH NJW-RR 2020, 201, 202). Erst wenn nach dem Ergebnis der Auslegung die Existenz einer Willenserklärung feststeht, folgt als nächster Schritt die Ermittlung des Inhalts dieser Willenserklärung. In der Praxis lassen sich die Prüfung der Existenz und die des Inhalts der Willenserklärung allerdings meist nicht scharf voneinander trennen. Zwar unterliegen nur auslegungsbedürftige Willenserklärungen der Auslegung. Jedoch ist im Grunde jede Willenserklärung auslegungsbedürftig, da stets der mit ihr verbundene Sinn ermittelt werden muss. Die Ansicht, bei absoluter Eindeutigkeit der Erklärung sei kein Raum für die Auslegung (so etwa BGH NJW 1996, 2648, 2650; Grü/ Ellenberger Rn 6), ist abzulehnen (Staudinger/Singer Rn 9; MüKo/Busche Rn 61; Soergel/Riesenhuber Rn 31; s auch BGH NJW 2002, 1260, 1261; NJW-RR 1996, 1458; BAG NJW 2005, 1144, 1145; ferner BayObLG NJW-RR 1997, 329f; diff BeckOGK/Möslein Rn 22). Ob eine Erklärung eindeutig ist, kann nur durch Auslegung ermittelt werden. Auch bei einem eindeutigen Wortlaut können Umstände vorliegen, die der Erklärung einen anderen als den Wortsinn geben. Nur auslegungsfähige Willenserklärungen sollen der Auslegung zugänglich sein. Damit sollen mehrdeutige, widersprüchliche und unverständliche Erklärungen von einer Auslegung ausgeschlossen sein (RGZ 59, 217, 219; RG JW 1910, 801). Auch dem ist nicht zu folgen (BGHZ 20, 109, 110f; MüKo/Busche Rn 60; Staudinger/Singer Rn 10; Jauernig/Mansel Rn 2). Hinter einem widersprüchlichen Wortlaut muss nicht auch ein widersprüchlicher Sinn stecken. So kann sich aus den Umständen ergeben, dass trotz widersprüchlichen Wortlauts ein eindeutiger Sinn vorhanden ist (BGHZ 20, 109, 110; BGH NJW 2005, 2618, 2619). Ob tatsächlich ein widersprüchlicher Sinn vorliegt, muss durch Auslegung ermittelt werden. Erst wenn diese ergibt, dass der Sinn unverständlich bleibt, entfaltet die Willenserklärung keine Rechtsfolgen (BeckOGK/Möslein Rn 24). 5. Arten der Auslegung. a) Einfache (erläuternde) Auslegung. Dabei geht es um die Ermittlung des rechtl maßgebenden Sinns der Willenserklärung. Aufgabe der Auslegung ist es, die richtige Entscheidung zu finden im Streit zw dem Interesse des Erklärenden, nur nach Maßgabe seines subj Willens gebunden zu sein, und dem InArnold
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Rechtsgeschäfte
teresse des Erklärungsempfängers, den Erklärenden an den ersichtlichen, obj Gehalt der Erklärung zu binden. Stellt man nur auf die Interessen des Erklärenden ab, ermittelt man dessen wirklichen Willen; stellt man dagegen auf die Interessen des Erklärungsempfängers ab, ermittelt man einen normativen Willen, der nicht mit dem wirklichen Willen des Erklärenden übereinzustimmen braucht. Dementspr kann man im ersten Fall von einer natürlichen, im Zweiten von einer normativen Auslegung sprechen (Grü/Ellenberger Rn 7; vgl auch Staudinger/ Singer Rn 11, der statt natürlicher von Auslegung nach dem „empirischen Willen“ spricht). aa) Natürliche Auslegung. Es wird der wirkliche Wille des Erklärenden festgestellt (vgl § 133). Damit wird nur den Erfolgsinteressen des Erklärenden Rechnung getragen, während die Interessen des Erklärungsempfängers (Schutz seines Vertrauens auf das Erklärte) unberücksichtigt bleiben. Das ist dann berechtigt, wenn außer dem Erklärenden keine Person vorhanden ist, deren Interessen geschützt werden müssten, oder wenn zwar generell eine andere Person (der Erklärungsempfänger) zu schützen ist, diese aber im Einzelfall ausnahmsw nicht schutzbedürftig bzw nicht schutzwürdig ist. Es gibt Rechtsgeschäfte, bei denen immer nur die Interessen des Erklärenden auf dem Spiel stehen. Hauptbeispiel ist das Testament. Hier gibt es keine Person, die geschützt werden muss. Auch der im Testament Bedachte (Erbe, Vermächtnisnehmer) ist in seinem Vertrauen auf das im Testament Erklärte nicht schutzwürdig. Er ist nicht Erklärungsempfänger; er erwirbt unentgeltlich, da er keine Gegenleistung erbringt, und zwar auch dann nicht, wenn er etwa mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist. Deshalb ist bei der Testamentsauslegung nur auf die Interessen des Erklärenden abzustellen und dessen wirklicher Wille zu ermitteln, gleichgültig, ob dieser im Wortlaut des Testaments zum Ausdruck kommt oder nicht (BGHZ 86, 41, 46; BGH NJW 2022, 3436, 3438; BGH NJW-RR 2009, 1455, 1457; Soergel/Riesenhuber Rn 132). Allerdings soll nach der Rspr im Hinblick auf die Formbedürftigkeit von Testamenten der so ermittelte wirkliche Wille nur berücksichtigungsfähig sein, wenn er im Testament wenigstens einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (sog Andeutungstheorie, s nur BGHZ 80, 246, 248; 86, 41, 47; BGH NJW 2022, 474, 475; ferner § 125 Rn 28). Bei den meisten Rechtsgeschäften kommt es außer auf die Interessen des Erklärenden auf die Interessen des Erklärungsempfängers an. Die empfangsbedürftigen Willenserklärungen berühren auch die Interessen des Empfängers, da dieser in der Lage sein muss, sich auf die durch die Erklärung geschaffene Rechtslage einzustellen. Deshalb ist er regelmäßig in seinem Vertrauen auf das Erklärte zu schützen (Rn 19). Der Erklärungsempfänger ist aber dann nicht schutzbedürftig, wenn er trotz der vom Willen des Erklärenden abw Erklärung richtig erkennt, was der Erklärende gewollt hat (BGHZ 71, 243, 247; BGH NJW 1984, 721; NJWRR 1987, 1284; MüKo/Busche Rn 15; Grü/Ellenberger Rn 8). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Erklärende bewusst oder irrtümlich einen Wortlaut gewählt hat, der seinem wirklichen Willen nicht entspricht. Wenn der Erklärungsempfänger weiß, was der Erklärende will, vertraut er nicht auf das Erklärte, so dass trotz seiner grds Schutzbedürftigkeit entgegen dem Wortlaut das vom Erklärenden Gewollte gelten kann. Der übereinstimmende Wille von Vertragsparteien geht danach sowohl einem völlig eindeutigen Wortlaut als auch jeder anderen möglichen Interpretation vor. Hauptbeispiel ist der Fall der irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio, RGZ 99, 147, 148; BGHZ 71, 243, 247; 87, 150, 152; BGH NJW 2008, 1658, 1659; Staudinger/Singer Rn 13f; BeckOGK/Möslein Rn 27ff; Rech AcP 221, 219, 227f). Diese Grundsätze gelten auch für formgebundene Geschäfte: Sie dürfen gleichfalls nicht in einem anderen als dem von den Parteien übereinstimmend gewollten Sinne ausgelegt werden (BGHZ 74, 116, 119; 87, 150, 153; BGH NJW 1988, 265; 2008, 1658, 1659; NJW-RR 2017, 712, 714); das gilt auch für die Auflassung als Grundlage einer Grundbucheintragung (BGH NJW 2002, 1038, 1039). Die Grundsätze der falsa demonstratio sind ferner auch auf In-sich-Geschäfte anwendbar (BGH LM § 166 Nr 5; NJW 1991, 1730, 1731). Mangels eines feststellbar übereinstimmenden Parteiwillens kann auf einseitige Vorstellungen einer Partei abzustellen sein, wenn der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden erkennt und in dieser Kenntnis den Vertrag abschließt; nicht erforderlich ist, dass er sich den erkannten Willen des anderen auch zu eigen macht (BGH NJW-RR 1989, 931; NJW 1997, 1778, 1779; 1998, 3196). bb) Normative Auslegung. Hier wird nicht der wirkliche Wille des Erklärenden, sondern die obj Bedeutung der Erklärung ermittelt. Ziel dieser Auslegung ist es, den Interessen des Erklärungsempfängers gerecht zu werden. Dieser muss zwar auch die Erklärung auslegen, um den wirklichen Willen des Erklärenden zu ermitteln; er hat dabei alles zur Auslegung geeignete Material (zB die Vorkorrespondenz) heranzuziehen. Gelangt der Empfänger i Erg trotzdem zu einem anderen als dem wirklichen Willen des Erklärenden, so ist es interessengerecht, dem Vertrauensschutz des Empfängers den Vorrang vor den Erfolgsinteressen des Erklärenden zu geben, zumal dieser den Fehler bei der Erklärung verursacht hat. Deshalb gilt nicht das vom Erklärenden wirklich Gewollte, sondern ausschließlich das, was der Empfänger aufgrund der Erklärung als das vom Erklärenden Gewollte ansehen kann. Demnach ist für die normative Auslegung entscheidend, wie die Erklärung bei der dem Erklärungsempfänger zumutbaren Sorgfalt zu verstehen ist (Auslegung nach dem obj Empfängerhorizont, RGZ 119, 21, 25; BGHZ 36, 30, 33; 47, 75, 78; 103, 275, 280; BGH NJW-RR 1997, 669; BGH ZIP 2021, 245, 247; Grü/Ellenberger Rn 9; Soergel/Riesenhuber Rn 26; Staudinger/Singer Rn 18ff; krit gegen eine obj-normative Interpretation des Empfängerhorizonts, aber im Erg wie hier Greiner AcP 217, 493ff). Maßgeblich sind nur solche Umstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder zumindest für ihn erkennbar waren (BGH NJW 2006, 3777, 3778). Dies bedeutet freilich auch, dass der Erklärungsempfänger gehalten ist, unter Berücksichtigung aller für ihn erkennbaren Umstände zu ermitteln, in welchem Sinn die Erklärung gemeint ist (BAG NJW 2006, 2284, 2286; Grü/Ellenberger Rn 9). 394
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b) Ergänzende Auslegung. Sie bedeutet die Ergänzung des lückenhaften Rechtsgeschäfts. Ergänzt werden kann sowohl ein Vertrag als auch ein einseitiges Rechtsgeschäft (zB Testament, vgl etwa BayObLG NJW 1988, 2744; NJW-RR 1997, 1438). Die erg Auslegung des Vertrags setzt erst ein, nachdem durch natürliche oder normative Auslegung der einzelnen Willenserklärung ein Vertragsschluss bejaht worden ist. Die erg Auslegung darf allerdings weder zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen (BGHZ 9, 273, 278; 40, 91, 103; BGH NJW 1982, 2190, 2191; NJW-RR 2015, 183, 184f) noch in sonstiger Weise von der erkennbaren Gestaltung der vertragl Beziehungen durch die Parteien abweichen. Der geäußerte Wille der Parteien ist stets zu respektieren; er ist bei der erg Auslegung konsequent weiterzudenken (BGH NJW 1995, 1212, 1213; Medicus/Petersen AT Rn 343). Die erg Auslegung setzt eine Lücke im Rechtsgeschäft = planwidrige Unvollständigkeit voraus (BGHZ 40, 91, 103; 77, 301, 304; BGH NJW 2002, 1261, 1262; NJW-RR 2007, 687, 690; 2022, 1593, 1597). Ob das der Fall ist, muss durch Auslegung des Rechtsgeschäfts ermittelt werden. Sie darf jedoch nicht bei der Ermittlung des Geschäftswillens stehen bleiben; sie muss darüber hinaus die Motive und Umstände erforschen, die zu dem Geschäftswillen geführt haben. Eine Lücke liegt dann vor, wenn das Rechtsgeschäft eine Regelung nicht enthält, die notwendig ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH NJW 2001, 600, 602; NJW-RR 2005, 205, 206; 2007, 687, 690; 2022, 1593, 1597). Eine Lücke liegt nicht vor, wenn die Regelung nach dem Willen der Parteien abschließend sein sollte (BGHZ 2, 379, 385; Grü/Ellenberger § 157 Rn 8). Keine Rolle spielt es, ob die Lücke von Anfang an bestand oder erst später entstand (BGHZ 84, 1, 7; BGH NJW-RR 2008, 562, 563; NJW 2016, 1718, 1725). Eine erg Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn die Lücke nicht durch Anwendung des dispositiven Gesetzesrechts geschlossen werden kann (BGHZ 40, 91, 103; 77, 301, 304; BGH NJW 1982, 2190, 2191; NK/ Looschelders § 157 Rn 20). Für die erg Vertragsauslegung ist daher nur Raum, wenn das dispositive Gesetzesrecht keine oder keine interessengerechte Lösung für das Problem enthält (Grü/Ellenberger § 157 Rn 6) oder der Rückgriff auf das dispositive Gesetzesrecht dem mutmaßlichen Parteiwillen widerspricht (BGH NJW 1975, 1116, 1117; NJW-RR 1990, 817, 818f). Für die Schließung der regelungsbedürftigen Lücke ist bei einem Vertrag zu ermitteln, was beide Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen gewollt hätten, wenn sie den nicht bedachten Umstand berücksichtigt und hierbei die Gebote von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte beachtet hätten (BGHZ 9, 273, 278f; BGH NJW 2002, 2310, 2311; 2006, 54, 55; NJW-RR 2008, 562, 563). Entscheidend ist also nicht der wirkliche, sondern der hypothetische Wille beider Vertragsparteien. Zur Ermittlung dieses Willens ist von den im Vertrag getroffenen Wertungen der Parteien auszugehen (BGH NJW 2002, 2310, 2311; NJW-RR 2005, 1421, 1422; 2013, 494, 495). Ausnahmsw ausgeschlossen ist die erg Auslegung, wenn die Lücke auf verschiedene Weisen geschlossen werden kann und keine Anhaltspunkte bestehen, welche Alternative die Parteien gewählt hätten (BGHZ 62, 83, 89f; BGH NJW-RR 2005, 1619, 1621; NK/Looschelders § 157 Rn 26). 6. Einzelheiten zur Auslegung. a) Maßgeblichkeit des Wortlauts und der Begleitumstände. Für die Auslegung der Willenserklärung ist letztlich das Gesamtverhalten des Erklärenden maßgeblich (MüKo/Busche Rn 63). Den Ausgangspunkt bildet dabei der Wortlaut der Erklärung (BGHZ 124, 39, 44f; BGH NJW 1998, 900, 901; 2001, 144; BAG NJW 2010, 394, 396; NJW-RR 2016, 1032, 1033). Diese wird regelmäßig im üblichen Wortsinn zu verstehen sein (BGHZ 121, 14, 16; München NJW-RR 1996, 239). Jedoch warnt § 133 selbst vor einer Überschätzung des Wortlauts; es hat keine „Buchstabeninterpretation“ zu erfolgen (BAG NJW 2010, 394, 396; Grü/Ellenberger Rn 14). Spracheigentümlichkeiten des Erklärenden, insb mangelnde Beherrschung von Fachterminologie bei Laien, sind zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 1996, 1044). Auch die Verwendung juristischer Fachausdrücke zwingt nicht zu der Annahme eines entspr präzisierten Willens, insb nicht bei der Erklärung eines juristischen Laien (vgl RGZ 89, 398, 400 – Rücktritt als Kündigung; BAG NJW 1998, 3515, 3516f – kein Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts durch Vereinbarung eines Kündigungsrechts aus bestimmten, als wichtig bezeichneten Gründen; vgl aber auch LAG Köln NZA 1996, 319 – Bezeichnung eines Vertrags als „Arbeitsvertrag“ als bindend). Enthält das Gesetz allerdings für einen von den Parteien gebrauchten Rechtsbegriff eine Definition, so ist diese für die Auslegung idR maßgeblich, wenn kein übereinstimmender entgegenstehender Willen der Parteien feststeht (BGH NJW-RR 2020, 656, 658). Die Auslegung hat nicht beim Wortlaut der Erklärung stehenzubleiben. Vielmehr sind auch die Begleitumstände zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 2000, 1002, 1003; NJW 2013, 598, 599; 2017, 1887, 1888; MüKo/Busche Rn 63). Das gilt auch für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, soweit der Erklärungsempfänger die Umstände kannte oder erkennen konnte (BGH NJW 2006, 3777, 3778; Grü/Ellenberger Rn 15). In Betracht kommen alle, auch außerhalb der Erklärung liegenden Umstände wie Äußerungen ggü anderen Personen, Prospekte, Inhalt der Vertragsverhandlungen (BGHZ 86, 41, 47; BGH NJW 2002, 1260, 1261; 2004, 2232, 2233), Entwürfe, die Entstehungsgeschichte insg (BGH NJW 1987, 2437, 2438; 1999, 3191) sowie dem Vertragsschluss nachfolgendes Verhalten von Beteiligten, soweit es Rückschlüsse auf den wirklichen Vertragswillen erlaubt (BGH NJW 2005, 3205, 3207; NJW-RR 1997, 238; 1998, 259). b) Zweck. Der Zweck des Geschäfts ist für die Auslegung von besonderer Bedeutung (BGHZ 2, 379, 385; 109, 19, 22; BGH NJW 2007, 2320, 2322; NJW-RR 2016, 1032, 1033). Es ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass die Vertragsparteien auch bei einem unzulänglichen oder widerspruchsvollen Wortlaut mit dem Vertragsabschluss einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck ins Auge gefasst und verfolgt haben (BGHZ 20, 109, 110). Arnold
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c) Interessenlage. Die Interessen der Beteiligten sind als Motive der Erklärung von besonderer Bedeutung zur Aufklärung von Zweifelsfragen (BGHZ 21, 319, 328; 109, 19, 22). Auch Treu und Glauben erfordern die Berücksichtigung der von den Beteiligten mit der Erklärung verfolgten billigenswerten Interessen als Abgrenzungsmerkmal. Verträge sind deshalb beiderseits interessengerecht auszulegen (BGHZ 131, 136, 138; 146, 280, 284; BGH NJW 1994, 2228, 2229; 2002, 747, 748; 2022, 2030, 2031). Bestehen mehrere Möglichkeiten der Auslegung, so ist derjenigen der Vorrang einzuräumen, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt (BGH NJW-RR 2006, 237, 238). Abzustellen ist dabei auf den Einfluss, den das Interesse beider Seiten auf den obj Erklärungswert ihrer Äußerungen hatte (BGH NJW 1998, 3268, 3269f; 2001, 1928f; NJW-RR 2010, 773, 774). Maßgebend ist die Interessenlage bei Abgabe der auszulegenden Willenserklärung, nicht die Interessenlage bei der späteren richterlichen Entscheidung (BGH NJW 1998, 3268, 3269f; 2001, 1928f). d) Verkehrssitte. Die Verkehrssitte (§ 157 Rn 8ff) ist auch im Rahmen des § 133 bedeutsam. Dabei kann es sich um einen allg, aber auch um einen örtlich (betrieblich) begrenzten Brauch der beteiligten Kreise handeln. Erforderlich für die Annahme einer Verkehrssitte ist es allerdings, dass diese bei den beteiligten Verkehrskreisen Zustimmung gefunden und während eines längeren Zeitraums bestanden hat (BGH NJW 1952, 257; 1990, 1723, 1724). Bei Kaufleuten sind die Handelsbräuche zu beachten (vgl § 346 HGB), beim Börsenhandel die dortigen Bräuche (vgl RG JW 1922, 707; BGHZ 28, 259, 264). Verkehrssitten sind bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen, wenn ein entgegenstehender Wille der Parteien erkennbar ist (RGZ 114, 9, 12). Dagegen spielt es keine Rolle, dass eine Partei die Verkehrssitte nicht kannte (vgl Frankfurt NJW-RR 1986, 911, 912). e) Gesetzeskonforme Auslegung. Willenserklärungen sind möglichst gesetzeskonform auszulegen. Der Erklärende will im Zweifel im eigenen wohlverstandenen Interesse den angestrebten rechtl Erfolg mit rechtswirksamen Mitteln herbeiführen. Dem entspricht nur eine Auslegung, die zwingend vorgegebenen rechtl Möglichkeiten Rechnung trägt (BGH NJW 2003, 819, 820; 2004, 1240; BGH 17.3.2011 – I ZR 93/09; BAG ZIP 1996, 1912, 1913). Allerdings müssen bei diesem Ansatz die Grenzen der (erg) Auslegung beachtet werden. Nicht jeder Konflikt einer Willenserklärung mit zwingenden rechtl Vorgaben lässt sich mit Hilfe der (erg) Auslegung ausräumen (vgl Tiedtke ZIP 1987, 1089, 1092). f) Vernünftige Auslegung. Zu berücksichtigen sind auch der Regelungszusammenhang, die Systematik, die Grundtendenzen sowie das Gesamtbild eines Vertrags und/oder sonstiger Vertrags- oder Geschäftsbeziehungen zw den Beteiligten. Komplexe Regelungen – etwa eines Bauvertrags – sind als sinnvolles Ganzes auszulegen (BGH NJW 1999, 2432, 2433; 2005, 2618, 2619). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Parteien das Vernünftige gewollt haben (BGHZ 79, 16, 18; BGH NJW-RR 2003, 1136). g) Sonderregeln für formgebundene Rechtsgeschäfte? Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für die Auslegung formgebundener Erklärungen; eine Andeutung in der Urkunde ist nicht erforderlich (gegen die Andeutungstheorie: § 125 Rn 28; vgl zur Auslegung formgebundener Erklärungen auch Rn 3). 7. Besondere Auslegungsregeln. Das Gesetz hält für Einzelfälle besondere Auslegungsregeln bereit. Ihr Zweck kann ua darin liegen, ein bestimmtes Auslegungsergebnis zu erreichen, wenn die Erklärung von den Beteiligten in verschiedener Bedeutung gemeint und verstanden war und keine dieser Bedeutungen sich zweifelsfrei als maßgebende erkennen lässt (sog materiale Auslegungsregeln; Neuner AT § 35 Rn 53ff). Bsp: §§ 187ff; 311c; 364 II. a) Normenverträge. Tarifverträge gelten nicht nur für die Vertragsparteien, sondern hinsichtl ihres normativen Teils für eine große Zahl von Personen. Deshalb sollen insoweit die Regeln über die Gesetzesauslegung Anwendung finden (BAG NJW 1961, 1837; NZA 1989, 351, 352; BGH VersR 2023, 545, 547). Jedenfalls ist bei einer Auslegung vom Empfängerhorizont aus darauf abzustellen, wie jeder beliebige Normadressat das Erklärte verstehen musste (MüKo/Busche Rn 49), so dass idR solche Verträge aus sich selbst heraus auszulegen sind (BAG AP Nr 121, 124 § 1 TVG Auslegung). Eine erg Auslegung von Tarifverträgen bei zwischenzeitl geänderten Umständen kommt im Regelfall nicht in Betracht; denn die Anpassung der Tarifregelungen an die veränderten Umstände ist grds Sache der Tarifpartner (BAG DB 1967, 820; 1982, 608). Die gleichen Grundsätze gelten für die Auslegung des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen (ErfK/Kania § 77 BetrVG Rn 30; Grü/Ellenberger Rn 28). b) Vereins- und Gesellschaftsrecht. Die körperschaftlichen (materiellen) Regelungen in Satzungen von Vereinen (BGHZ 47, 173, 180; 96, 245, 250) und Aktiengesellschaften (BGHZ 123, 347, 350; KK-AktG/Arnold § 23 Rn 20 mwN; s allg zur Auslegung von Gesellschaftsverträgen auch Fleischer DB 2013, 1366ff; Schockenhoff ZGR 2013, 76ff) sowie in GmbH-Gesellschaftsverträgen (s etwa Noack/Servatius/Haas/Servatius § 2 GmbHG Rn 31 mwN) sind obj auszulegen: Maßgeblich sind damit Wortlaut, systematische Stellung und Zweck der fraglichen Bestimmung (BGHZ 96, 247, 259; 123, 347, 350). Daneben können auch Unterlagen, die zum Handels- oder Vereinsregister eingereicht wurden und damit der Allgemeinheit zugänglich sind, für die Auslegung herangezogen werden (BGHZ 116, 359, 366; skeptisch Grunewald ZGR 1995, 68, 84). Dagegen können außerhalb der Satzung liegende Umstände nur berücksichtigt werden, wenn ihre Kenntnis allg vorausgesetzt werden kann (BGHZ 63, 282, 290; 123, 347, 350). Der Wille der Gründer ist also grds irrelevant. Diese Grundsätze gelten allerdings nicht für lediglich formelle Satzungsbestimmungen (s KK-AktG/Arnold § 23 Rn 19). Obj auszulegen sind auch die Gesellschaftsverträge von Publikumspersonengesellschaften (BGH NJW-RR 2005, 1347, 1348; 2008, 419, 420; 2011, 3087, 3088) sowie Beschlüsse in derartigen Gesellschaften (BGH NJW-RR 2018, 665, 666). 396
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Willenserklärung
§ 133
c) Wertpapierrecht. Bei Wechseln und anderen Umlaufpapieren muss der Erwerber sich regelmäßig auf den Inhalt der Urkunde verlassen können; nur ausnahmsw dürfen bei der Auslegung Umstände außerhalb der Urkunde herangezogen werden, wenn sie dem Erwerber mutmaßlich bekannt sind oder von ihm ohne Schwierigkeit erkannt werden können (BGHZ 21, 155, 162; 64, 11, 14). d) Grundbuchverkehr. Für Grundbucherklärungen gelten nach hM wegen des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs einschränkende Grundsätze. Die Eintragung selbst ist einer Auslegung nur zugänglich, soweit sie unklar oder widersprüchlich ist (BGHZ 123, 297, 301f; BGH NJW-RR 1998, 158). Zur Auslegung dürfen neben der Eintragung selbst nur die offenkundigen und die aus den Eintragungsunterlagen, insb aus der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ersichtlichen Umstände herangezogen werden; die außerhalb dieser Urkunden liegenden Umstände dürfen nur berücksichtigt werden, wenn sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 47, 190, 196; 59, 205, 209; 92, 351, 355; 113, 374, 378). Für die Auslegung von Vollmachten zur Abgabe von Grundbucherklärungen gelten die für diese Erklärungen selbst aufgestellten Grundsätze entspr (BayObLG NJW-RR 1995, 209, 210; 1998, 737, 738). e) Wohnungseigentümergemeinschaft. Sonderregeln gelten auch für die Auslegung der Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft: Maßgeblich sind auch hier Wortlaut und Sinn der entspr Regelung; Umstände außerhalb der Urkunde dürfen, da die Ordnung auch die Rechtsnachfolger der Wohnungseigentümer bindet, nur Berücksichtigung finden, wenn ihre Kenntnis allg vorausgesetzt werden kann (BGH NJW-RR 2020, 959). f) AGB. Zur Auslegung von AGB und Formularverträgen § 157 Rn 26; § 305c Rn 20ff; § 306 Rn 13f. g) Unterlassungsverpflichtungen. Die Auslegung von Verträgen mit Unterlassungsverpflichtungen richtet sich nach den allg Grundsätzen der Vertragsauslegung (BGHZ 121, 13, 16; BGH NJW 1997, 3087; 2015, 1246, 1247). Auf die Grundsätze zur Auslegung eines Unterlassungstitels ist hingegen nicht zurückzugreifen (BGH NJW-RR 1991, 1318, 1319). Der Zweck des Vertrags, nach einer Verletzungshandlung eine Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung auszuräumen, spricht vielfach für eine Auslegung des Vertrags, durch die auch gleichartige Verletzungsformen erfasst werden (BGH NJW 1996, 723, 724; 1997, 3087f). 8. Auslegung im Rechtsstreit. a) Allgemeines. Die Auslegung der Willenserklärung ist rechtl Würdigung (BGH NJW 1984, 721; NJW-RR 2017, 942, 944: keine Auslegung durch einen Sachverständigen) und im Prozess von Amts wegen vorzunehmen (RGZ 131, 343, 350). Der Richter ist insoweit an das Vorbringen der Parteien nicht gebunden (RG LZ 1930, 513); die Prozesspartei hat keine Behauptungs- und Beweislast für eine bestimmte Auslegung (RG Recht 1931 Nr 840), sondern nur für die von ihr geltend gemachten auslegungsrelevanten tatsächlichen Umstände (Rn 39). Bei widersprüchlich erscheinenden Willenserklärungen muss der Richter zu ergründen versuchen, welche Überlegungen und Vorstellungen ihnen zugrunde lagen (BGH NJW 1986, 1035). Behauptet eine Partei einen für die Auslegung relevanten Umstand (zB ein vor Vertragsschluss geführtes Telefongespräch, einen übereinstimmenden Parteiwillen, eine Verkehrssitte) und wird dieser vom Gegner bestr, so hat sie dafür die Beweislast (BGHZ 20, 109, 111); denn es handelt sich um eine Tatsachenbehauptung. Ist die Existenz einer Urkunde unstr oder zur Überzeugung des Gerichts bewiesen und bringt der Urkundentext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck, greift die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde ein (BGH NJW 2002, 3164, 3165; s auch § 125 Rn 29); wer also – gestützt auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – behauptet, dass die Urkunde das Geschäft unrichtig darstelle oder eine Nebenabrede nicht enthalte, ist für diese Umstände beweispflichtig (BGH NJW 1999, 1702f; 2002, 3164, 3165). Das gilt auch für den, der eine Abweichung von einer gesetzl Auslegungsregel vorbringt. b) Besonderheiten in der Revisionsinstanz. Für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz gilt auch hier die Unterscheidung zw nicht revisiblen Tatsachenfeststellungen und revisiblen Rechtsausführungen. Danach ist die Auslegung als rechtl Würdigung überprüfbar. Sofern es sich um eine individuelle, nichttypische Erklärung handelt, wird vom Revisionsgericht aber nur geprüft, ob (gesetzl oder allg anerkannte) Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (RGZ 131, 347, 350; BGH NJW 1992, 1967, 1968; 2001, 1859, 1861; 2010, 64, 65; 2022, 2191, 2192; BAG NZA 2003, 149, 153; NJW 2006, 1832, 1833; 2007, 250, 253; 2015, 1246, 1247). Zu den Erfahrungssätzen wird auch ein allg Sprachgebrauch gerechnet (RGZ 105, 417, 419). Überprüfbar ist ebenfalls, ob der Tatrichter das wesentliche Auslegungsmaterial berücksichtigt hat (BAG AP Nr 2; BGH NJW 1995, 45, 46; 1998, 3268, 3269f; 2010, 2648). Wenn das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler zu einem bestimmten Auslegungsergebnis gekommen ist, darf das Revisionsgericht kein anderes Ergebnis an dessen Stelle setzen (BGH NZM 1998, 196, 197). Falls der Tatsachenrichter in einer Auslegungsfrage fehlerhaft rechtl gewertet oder eine abgegebene Erklärung überhaupt nicht ausgelegt hat, kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die Feststellung weiterer Umstände sowie von Erfahrungswissen oder Verkehrssitten durch die Tatsacheninstanz nicht mehr in Betracht kommt (BGHZ 65, 107, 112; BGH NJW 1974, 1082; 1997, 652; BGH NJW-RR 2021, 329, 330); ansonsten ist der Rechtsstreit an den Tatrichter zurückzuverweisen. Das gilt auch für die erg Vertragsauslegung (BGH NJW 1998, 1219f). Bei einer typischen Erklärung (zB AGB, Formularabrede, Vordruck, im Geschäftsverkehr häufig verwendete Klausel) soll dagegen im Interesse der Rechtssicherheit eine uneingeschränkte Überprüfung erfolgen, wenn die Klausel nicht nur im Bezirk eines OLG verwandt wird (BGHZ 62, 251, 254; 105, 24, 27; BGH NJW 2001, 1270, Arnold
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§ 133
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Rechtsgeschäfte
1271; 2009, 2054, 2055; 2022, 947, 949; BAG NZA 2000, 771, 772; NZA-RR 2005, 672; einschränkend für Klauseln aus einem Formularbuch BGH NJW-RR 2015, 67, 68). Ebenso ist bei Satzungen juristischer Personen eine vollständige Überprüfung möglich (BGHZ 14, 25, 36; BGH NJW 1994, 184, 185).
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Gesetzliches Verbot
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. I. Bedeutung. § 134 schränkt die Privatautonomie zum Schutze der Allgemeinheit ein (BGHZ 13, 180, 182). In der Regelung schlägt sich das Prinzip nieder, dass es Vertragsfreiheit nur in den Grenzen der ihr vorgegebenen Rechtsordnung geben kann. Deshalb wird einem Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzl Verbot verstößt – unabhängig vom Willen der Beteiligten (RGZ 111, 26, 28; BGHZ 58, 231, 235) – die Wirksamkeit versagt, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. II. Abgrenzung. 1. Spezialvorschriften. Bezeichnet eine Norm ein Rechtsgeschäft ausdrückl als nichtig oder unwirksam (zB im BGB § 248 I, §§ 306ff, § 311b II und IV, § 451, § 723 III (§ 725 VI nF), § 925 II, §§ 1136, 1229, 2289 I 2; ferner etwa § 12 ApoG oder § 297 SGB III für den Bereich der Arbeitsvermittlung), so ist für eine Anwendung des § 134 kein Raum mehr. 2. Beschränkungen der Gestaltungs- und Verfügungsmacht. Rechtsnormen, die die rechtsgeschäftliche Gestaltungs- und Verfügungsmacht von vornherein beschränken, unterfallen nicht § 134. So begründet der sachenrechtl Typenzwang kein Verbotsgesetz (BeckOGK/Vossler Rn 15; NK/Looschelders Rn 42). Auch der Ausschluss der Übertragbarkeit bestimmter Rechte (zB §§ 399, 400, 473, 719, 1059) wird von § 134 nicht erfasst. Gleiches gilt für personenbezogene Einschränkungen der Verfügungsbefugnis (zB § 21 II 1 Nr 2, § 80 InsO; §§ 1984, 2211). Sie verbieten Rechtsgeschäfte nicht wegen ihres Inhalts, sondern entziehen die Rechtsmacht, sie vorzunehmen, so dass § 134 nicht eingreift. 3. Relative Veräußerungsverbote. Relative Veräußerungsverbote (§§ 135f) bezwecken – im Gegensatz zum absoluten Veräußerungsverbot – nicht den Schutz der Allgemeinheit, sondern den Schutz bestimmter Personen. Deshalb ist § 134 nicht anwendbar. 4. Zustimmungserfordernisse und öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse. Ist die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von der (privatrechtl) Zustimmung (Einwilligung/Genehmigung) einer weiteren Person abhängig (Bsp: §§ 177, 1365f), ist § 134 nicht anwendbar, da auch in diesem Fall allein das rechtsgeschäftliche Können beschränkt ist (NK/Looschelders Rn 44). Das Gleiche gilt i Erg, wenn zur Gültigkeit des Rechtsgeschäfts eine öffentlich-rechtl Genehmigung erforderlich ist; denn das Erfordernis der Genehmigung soll nicht – wie ein Verbotsgesetz oder zB das absolute Veräußerungsverbot – den Abschluss des Rechtsgeschäfts verhindern. Vielmehr soll eine Überprüfung sichergestellt werden mit dem Ziel, zu klären, ob das Geschäft mit den Allgemeininteressen übereinstimmt. Deshalb ist zumindest das mehrseitige Geschäft bis zur Entscheidung schwebend unwirksam (BGHZ 32, 383, 389; BGH NJW 1993, 648, 650; 1995, 318, 320). Das gilt auch für einen kirchlichen Genehmigungsvorbehalt (BayObLG NJW-RR 1990, 476, 477). Erst bei bestandskräftiger Versagung der Genehmigung liegt ein der Regelungssituation des § 134 vergleichbarer Sachverhalt vor (Verbotsgesetz mit Genehmigungsvorbehalt); die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts folgt dann idR freilich nicht aus § 134, sondern aus dem Fehlen der Genehmigung als einer gesetzl Wirksamkeitsvoraussetzung. Auch ohne Bestandskraft soll Nichtigkeit eintreten, wenn die oberste Genehmigungsbehörde förmlich bekanntmacht, dass Genehmigungen der betr Art generell versagt würden, und an der Rechtmäßigkeit der Versagung keine Zweifel bestünden (BGH NJW 1995, 318, 320; s auch K. Schmidt NJW 1995, 2255, 2258). Wird einem Geschäft die Genehmigung – bestandskräftig – versagt, das tatsächlich gar nicht genehmigungsbedürftig ist, ist das Geschäft zivilrechtl dennoch wirksam (BGH NZI 2013, 483). 5. Handlungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Bei Handlungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die ihren Wirkungskreis überschreiten, ist für § 134 kein Raum. Dagegen findet § 134 über § 59 I VwVfG auf öffentlich-rechtl Verträge Anwendung. Doch soll insoweit nach hM nicht jede Gesetzeswidrigkeit zur Nichtigkeit führen, sondern es soll eines sog qualifizierten Gesetzesverstoßes bedürfen, der erfordert, dass der Vertrag einer zwingenden Rechtsnorm widerspricht, die den mitbezweckten Rechtserfolg unbedingt ausschließt, und dadurch öffentliche Belange von einigem Gewicht tangiert werden (str, BVerwG NJW 1996, 608, 609; Stelkens/Bonk/Sachs/Bonk/Siegel § 59 VwVfG Rn 13; Maurer/Waldhoff, Allg Verwaltungsrecht19 § 14 Rn 45 mwN). Daneben gilt § 134 auch für sonstige Erklärungen im öffentlichen Recht (vgl Einl § 104 Rn 38). III. Voraussetzungen. 1. Rechtsgeschäft. § 134 gilt für alle Rechtsgeschäfte. Darunter fallen Verträge aller Art, auch Tarifverträge (BAG AP Nr 8 § 1 TVG) und Betriebsvereinbarungen, Satzungen und Beschl von Vereinen oder Gesellschaften (MüKo/Armbrüster Rn 34) sowie einseitige Rechtsgeschäfte, etwa ein Testament oder eine Kündigung. Nicht erfasst ist entgegen verbreiteter Auffassung das Vertragsangebot; denn es stellt erst die Vorstufe zu einem Vertrag dar (BeckOGK/Vossler Rn 46; MüKo/Armbrüster Rn 36; aA Grü/Ellenberger Rn 12). 2. Verstoß gegen eine Verbotsnorm. a) Begriff des Verbotsgesetzes. Gesetz iSd § 134 kann jede Rechtsnorm sein (vgl Art 2 EGBGB). Verbotsgesetze können damit nicht nur förmliche Gesetze des Bundes wie auch der Länder (zu letzterem BGHZ 75, 366, 368), sondern auch Rechtsverordnungen und Satzungen öffentlich-rechtl Körperschaften sein (BGH NJW 1986, 2360, 2361; Hamm NJW 1985, 679, 681). In Betracht kommen sollen 398
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Willenserklärung
§ 134
auch öffentlich-rechtl berufsständische Satzungen etwa der Kammern (BayObLG 2000, 301, 308; MüKo/Armbrüster Rn 41; aA Taupitz JZ 1994, 221ff, da den Kammern die Kompetenz zur Regelung privatrechtl Rechtsverhältnisse fehle). Schließlich kann auch Gewohnheitsrecht genügen, sofern es ein bestimmtes Rechtsgeschäft unmissverständlich verwirft (BGH NJW 2007, 2106, 2108). Unklar ist, ob auch Tarifverträge als Verbotsgesetze anzusehen sind (bejahend BAGE 1, 348, 352; BAG NZA 2007, 881, 882; 2009, 679, 680; aA MüKo/Armbrüster Rn 43; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 42; offenlassend BGH NJW 2000, 1186, 1188). Dagegen spricht indes schon, dass Tarifverträge gem § 4 III Alt 2 TVG keine vollständig zwingenden Regelungen beinhalten; iÜ wird die Geltung der tarifvertragl Regelungen aber ohnehin bereits durch § 4 III Alt 1 TVG gewährleistet (so überzeugend Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 42). Entspr gilt für Betriebsvereinbarungen: Auch sie müssen wegen der Spezialregelung des § 77 IV BetrVG nicht als Verbotsgesetz eingeordnet werden (Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 43; aA BAGE 1, 3, 4; LAG Saarbrücken NJW 1966, 2136, 2137). Aus dem Grundgesetz selbst ergeben sich nur im Ausnahmefall Verbotsgesetze. Insb wirken die Grundrechte grds nur mittelbar über die Generalklauseln (§§ 138, 242, 826) auf das Zivilrecht ein (eingehend MüKo/Armbrüster Rn 45ff); eine Ausnahme bildet allein Art 9 III 2 GG, aus dem sich freilich die Unwirksamkeit von Abreden, die auf eine Beschränkung der Vereinigungsfreiheit zielen, bereits unmittelbar ergibt. Zudem führt die Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand zur Nichtigkeit grundrechtswidriger Rechtsgeschäfte, an denen ein öffentlich-rechtl Vertragspartner beteiligt ist (s nur BGH NJW 2003, 1658: Kündigung eines Girokontos wegen Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei). Als Verbotsgesetze anerkannt sind daneben Art 38 I 2 GG (LG Braunschweig DVBl 1970, 591, 592) und Art 48 II GG (BGHZ 43, 384, 387). Auch Regelungen des Europarechts können Verbotsgesetze darstellen. Für das Kartellverbot des Art 101 AEUV ergibt sich die Unwirksamkeit entspr Rechtsgeschäfte freilich bereits aus der Norm selbst. Ein Verbotsgesetz iSd § 134 soll aber das Beihilfeverbot der Art 107f AEUV darstellen (BGH EuZW 2003, 444, 445; 2004, 252, 253; aM im Hinblick auf die nach Art 108 AEUV gebotene Umsetzung Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 55; Schmidt-Räntsch NJW 2005, 106, 107). Dabei genügt i Erg auch der Verstoß gegen die Notifizierungspflicht nach Art 108 III AEUV; denn selbst wenn es sich im Grundsatz nur um eine Ordnungsvorschrift handelt, ist doch zumindest das in Abs III S 3 angeordnete Durchführungsverbot als Verbotsgesetz anzusehen (BGH EuZW 2003, 444, 445). Unklar ist, ob auch die Grundfreiheiten des AEUV als Verbotsgesetze anzusehen sind oder nur mittelbar, zB über die Auslegung von Generalklauseln wie § 138 auf den Privatrechtsverkehr einwirken. Der EuGH hat namentlich eine unmittelbare Drittwirkung des aus der ArbN-Freizügigkeit folgenden Diskriminierungsverbots angenommen (etwa EuGH NJW 1975, 1093, 1094; 1996, 505ff; EuZW 2000, 375, 378 und 468, 469). Als Verbotsgesetz iSd § 134 ist ferner Art 56 AEUV angesehen worden (BVerfG NJW 2016, 3153, 3156). Vieles spricht jedoch dafür, grds wie bei den Grundrechten des GG lediglich von einer mittelbaren Drittwirkung auszugehen (wie hier BeckOGK/Vossler Rn 38; MüKo/Armbrüster Rn 55 mwN). Entspr gilt für die Europäische Grundrechtecharta (Grü/Ellenberger Rn 4). Daneben können sich auch aus dem europäischen Sekundärrecht Verbotsgesetze ergeben. Dies gilt insb für die unmittelbar in jedem Mitgliedstaat geltenden Verordnungen (vgl als Bsp BGH NJW 1994, 858). RL wenden sich dagegen primär an die Mitgliedstaaten. Zwar soll ihnen bei nicht rechtzeitiger Umsetzung ausnahmsw unmittelbare Geltung zukommen, wenn sie hinreichend bestimmt sind (vgl dazu EuGH 86, 737, 748ff; NJW 1994, 2473, 2474). Diese unmittelbare Geltung beschränkt sich aber wohl immer noch auf das Verhältnis zw Staat und Bürger. Daher kann aus einer nicht umgesetzten RL nicht generell ein Verbotsgesetz folgen, sondern allenfalls im Hinblick auf Rechtsgeschäfte zw dem Staat und Privatpersonen (Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 62). Auch Vorschriften des Völkerrechts können Verbotsgesetze darstellen. Dies gilt insb dann, wenn ein völkerrechtl Vertrag über Art 59 II GG ins nationale Recht transformiert worden ist (MüKo/Armbrüster Rn 56). Gleiches gilt für die allg Regeln des Völkerrechts, soweit sie über Art 25 I 2 GG Bestandteil des Bundesrechts sind (Flume AT II § 17, 1, S 342). b) Anordnung eines Verbots. § 134 setzt voraus, dass die fragliche Norm das Rechtsgeschäft verbietet. Ob eine Rechtsnorm ein Verbot enthält, lässt sich § 134 nicht entnehmen, sondern ist durch Auslegung der einzelnen Rechtsvorschrift zu ermitteln (BGHZ 85, 39, 43). Anhaltspunkt kann der Wortlaut sein. So deuten idR Formulierungen wie „kann nicht“, „darf nicht“ auf eine Verbotsnorm hin, während „soll nicht“ regelmäßig kein Verbot bedeutet; jedoch ist stets zu prüfen, ob zB mit den Worten „kann nicht“ schon das Können, also die Rechtsmacht, eingeschränkt wird (s schon Rn 3f). Soweit eine Vorschrift abdingbar ist, handelt es sich nicht um ein Verbotsgesetz. Andererseits darf aus dem zwingenden Charakter einer Rechtsnorm nicht allg auf das Vorliegen eines Verbotsgesetzes geschlossen werden (NK/Looschelders Rn 49). c) Verstoß gegen das Verbot. Für die Anwendung des § 134 reicht ein obj Verstoß gegen das Verbotsgesetz grds aus (st Rspr, vgl BGHZ 37, 363, 366; 122, 115, 122); auf die Kenntnis der Verbotswidrigkeit kommt es nicht an. Bei einem Verstoß gegen eine Strafvorschrift muss allerdings idR der Straftatbestand obj und subj erfüllt sein (BGH NJW 1996, 1812, 1813; Flume AT II § 17, 3); dies kann jedoch nicht gelten, wenn es – wie zB bei § 203 StGB – mit dem Schutzzweck des Gesetzes nicht vereinbar wäre, das Rechtsgeschäft mit seinen vertragl Pflichten wegen fehlenden Verschuldens gelten zu lassen (BGHZ 115, 123, 130; s auch diff NK/Looschelders Rn 52). d) Maßgeblicher Zeitpunkt. In zeitl Hinsicht ist es erforderlich, dass das Verbotsgesetz bereits bei Vornahme des Rechtsgeschäfts erlassen war (Düsseldorf NJW-RR 1993, 249, 250; MüKo/Armbrüster Rn 29; offenlassend Arnold
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BGHZ 45, 322, 326). Eine abw Lösung ist grds nur denkbar, soweit es sich ausnahmsw um einen Fall zulässiger Gesetzesrückwirkung handelt (BeckOGK/Vossler Rn 72). Bei Dauerschuldverhältnissen kann der Erlass eines Verbotsgesetzes aber zur Nichtigkeit ex nunc führen, wenn der Zweck des Verbotsgesetzes dies erfordert (BGH WRP 2003, 1131, 1133; NJW-RR 2021, 1303, 1305). Zum nachträgl Wegfall des Verbotsgesetzes s Rn 21. 3. Reichweite des Verbotsgesetzes. Nicht jeder Verstoß gegen ein gesetzl Verbot führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Nach § 134 ist ein Rechtsgeschäft wegen Gesetzesverstoßes nur dann nichtig, „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Ob trotz Verstoßes gegen ein gesetzl Verbot das Rechtsgeschäft gültig ist, muss durch Auslegung der Verbotsnorm ermittelt werden. Dabei ist entscheidend auf den Sinn und Zweck der Verbotsnorm abzustellen (vgl BGHZ 45, 322, 326; 53, 152, 156; 115, 123, 125; BGH NJW 2000, 1186, 1187; Medicus/Petersen AT Rn 646). § 134 greift vor allem ein, wenn ein Rechtsgeschäft einen verbotenen Inhalt hat. Ein Verpflichtungsgeschäft wird deshalb regelmäßig gegen § 134 verstoßen, wenn seine Ausführung, also die geschuldete Handlung, dem gesetzl Verbot widerspräche. Richtet ein Verbotsgesetz sich hingegen nur gegen die Art und Weise des Abschlusses des Rechtsgeschäfts, so führt ein Verstoß im Zweifel nicht zur Nichtigkeit des Geschäfts (zB Verkauf nach gesetzl Ladenschlusszeit, etwa am Sonntag; Ausschank nach Polizeistunde, RGZ 103, 263, 264; Verkauf rezeptpflichtiger Arznei ohne Rezept, BGH NJW 1968, 2286). Dasselbe gilt idR, wenn sich ein Verbotsgesetz nur gegen einen Vertragspartner richtet (RGZ 100, 39, 40f; BGHZ 37, 258, 262; 46, 24, 26; 53, 152, 157; 71, 358, 360f; 78, 263, 264; 93, 264, 267; 115, 123, 125; 118, 142, 145; BGH NJW 1968, 2286f; 1981, 1204, 1205; 1984, 230, 231; 1994, 728f; 2000, 1186), es sei denn, dass es mit Sinn und Zweck des Verbots nicht vereinbar wäre, die durch das Geschäft getroffene Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (BGHZ 37, 258, 262; 46, 24, 26; 65, 368, 370; 71, 358, 360f; 78, 263, 265; 88, 240, 243; 93, 264, 267; 110, 235, 240; 115, 123, 125; 118, 142, 145; BGH NJW 2000, 1186, 1187). Danach ist ein Rechtsgeschäft grds wirksam, wenn die Handlung nur eines Vertragspartners unter Strafe gestellt ist. Allerdings kann sich auch hier aus Sinn und Zweck des Gesetzes, vor allem aus dem angestrebten Schutz des Vertragsgegners (BGHZ 89, 369, 373; 93, 264, 267; BGH NJW 1979, 2092), Dritter (BGHZ 115, 123, 129f; BGH VersR 1992, 448f) oder der Allgemeinheit die Nichtigkeit des Geschäfts ergeben. IV. Einzelheiten zur Nichtigkeit. 1. Einschränkung über § 242. Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts von Anfang an; die Nichtigkeit ist danach die regelmäßige, nicht von weiteren Voraussetzungen abhängige Folge des Gesetzesverstoßes. Allerdings kann die Berufung auf die Nichtigkeit im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen, so etwa, wenn ein Vertrag über ärztliche Wahlleistungen zwar unwirksam ist, die Leistungen jedoch über einen langen Zeitraum abgerufen, beanstandungsfrei erbracht und honoriert worden sind (BGH NJW-RR 2007, 710, 711). Ebenso nahm die Rspr früher an, dass sich ein Bauunternehmer treuwidrig verhalte, wenn er die Beseitigung von Baumängeln unter Hinw auf die Nichtigkeit des Vertrags wegen einer „Ohne-Rechnung-Abrede“ verweigert (BGH NJW-RR 2008, 1050, 1051). Von dieser Linie ist der BGH jedoch später vor dem Hintergrund des § 1 II Nr 2 SchwarzArbG zu Recht abgerückt (BGH NJW 2013, 3167, 3169f). Die Regelung soll jedenfalls dann die Vertragsnichtigkeit zur Folge haben, wenn ein vorsätzlicher Verstoß des Unternehmers vorliegt und der Besteller diesen kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt; Mängelansprüche des Bestellers sollen in diesem Fall ausgeschlossen sein. 2. Reichweite der Nichtigkeit. Der Verstoß gegen das Verbotsgesetz kann zur Nichtigkeit des Verpflichtungs-, aber auch des Verfügungsgeschäfts führen. Richtet sich das Verbotsgesetz gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts, führt ein Gesetzesverstoß grds zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts. Verbietet das Gesetz etwa eine bestimmte Tätigkeit (zB grds die Beschäftigung Jugendlicher unter 15 Jahren, § 7 I JArbSchG), so ist ein darauf gerichtetes Rechtsgeschäft (zB Arbeitsvertrag mit einem solchen Jugendlichen) nichtig. Wenn durch das Verbotsgesetz dagegen nicht allein der Inhalt des Verpflichtungsgeschäfts missbilligt, sondern darüber hinaus auch eine Verschiebung der Güter untersagt wird, führt das zur Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts; typisches Bsp ist die Nichtigkeit von Forderungsabtretungen, die mit § 203 StGB unvereinbar sind (BGHZ 115, 123, 130f; BGH NJW 1992, 2348). Gleiches gilt für das Verbot des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, aus dem auch die Nichtigkeit der Übereignung des als Kaufpreis gezahlten Geldes folgt (BGH NJW 1983, 636). Umgekehrt erfasst die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts idR auch das Verpflichtungsgeschäft (BGHZ 116, 268, 276f; BGH NJW 1995, 2026, 2027). Im Zweifel führt der Verstoß gegen das Verbot nicht nur zur Teilnichtigkeit, sondern zur Gesamtnichtigkeit des Geschäfts. Es entfällt also nicht nur der Anspruch auf die verbotene Vornahme der Leistungshandlung; vielmehr ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig (BGH LM Nr 70 gegen Flume AT II § 17, 4). Der Gesetzeswortlaut „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“ bedeutet allerdings auch „soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Die Regelung eröffnet damit die Möglichkeit zu Lösungen zw den Alternativen Gesamtnichtigkeit und Gesamtwirksamkeit. Die Rechtspraxis kommt zu einer quantitativen Beschränkung der Nichtigkeit etwa im Preisrecht. So kann der Verstoß gegen eine Preisvorschrift dazu führen, dass das Rechtsgeschäft als zum zulässigen Preis abgeschlossen gilt (BGHZ 51, 174, 181; 89, 316, 319). Einschränkungen der Nichtigkeitsfolge ergeben sich iÜ regelmäßig im Arbeits- und Gesellschaftsrecht aufgrund der Grundsätze über das fehlerhafte Arbeitsverhältnis bzw die fehlerhafte Gesellschaft. In diesen Fällen wird die Nichtigkeitsfolge zumindest für die zu schützende Vertragspartei zeitl (auf die Zukunft) verschoben (Nichtigkeit ex nunc; vgl nur Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 127ff, 132ff).
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3. Keine spätere Heilung. Das nichtige Geschäft bleibt auch bei nachträgl Aufhebung des Verbots nichtig (RGZ 138, 52, 55; Brandenburg MDR 1995, 30). Etwas anderes gilt, wenn das Rechtsgeschäft für den Fall der Aufhebung des Verbots geschlossen wurde (BGH LM Nr 7; BeckOGK/Vossler Rn 73). Nach Aufhebung des Verbots ist im jeden Fall eine – auch konkludente – Bestätigung des nichtigen Geschäfts möglich (§ 141; BGHZ 11, 59, 60; Brandenburg MDR 1995, 30). 4. Rückabwicklung. Als Folge der Nichtigkeit kommen neben dinglichen Ansprüchen insb Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht, wenn sich der Leistende nicht bewusst war, dass er gegen ein gesetzl Verbot verstieß. Dabei haftet der Empfänger neben § 812 I 1 Alt 1 auch aus § 817 S 1 und unterliegt der verschärften Haftung nach § 819 II, wenn er durch die Annahme der Leistung im Bewusstsein der Gesetzwidrigkeit gegen das gesetzl Verbot verstoßen hat. Die Rückforderung kann jedoch nach § 817 S 2 ausgeschlossen sein, wenn sich der Leistende ebenfalls des Verstoßes gegen das gesetzl Verbot bewusst war. Allerdings bezieht sich der Ausschluss der Rückforderung nur auf das, was aus den vom Gesetz missbilligten Vorgängen geschuldet wird; an sich erlaubte, aber gem § 139 nichtige Nebenleistungen fallen nicht darunter (BGHZ 19, 205, 208; 50, 90, 92). § 817 S 2 ist zudem ausnahmsw dann nicht anwendbar, wenn der Ausschluss des Rückforderungsrechts dem Zweck des gesetzl Verbots widerspricht, weil § 817 S 2 etwa zu einer Aufrechterhaltung der Güterverschiebung führen würde, die das Verbotsgesetz gerade verhindern will (s eingehend § 817 Rn 15ff). V. Umgehungsgeschäfte. Umgehungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, die unter Ausnutzung der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit den vom Verbotsgesetz missbilligten Erfolg auf einem Weg zu erreichen suchen, den jedenfalls der Wortlaut der Verbotsnorm nicht erfasst. Die Parteien können grds alle zulässigen rechtl Mittel für ihre Ziele einsetzen. Deshalb ist einem derartigen Geschäft nur dann die Wirksamkeit zu versagen, wenn die Verbotsnorm den mit dem Geschäft angestrebten Erfolg schlechthin – dh unabhängig von dem gewählten rechtl Mittel – verhindern will; die gewählte Gestaltung darf nicht den Zweck einer Rechtsnorm vereiteln (vgl etwa RGZ 155, 138, 146; BGH NJW 1959, 332, 334; 1991, 1060, 1061; BGH ZIP 2023, 863, 865; Brox/Walker AT § 14 Rn 10). Teilw ordnet das Gesetz die Unwirksamkeit von Umgehungsgeschäften auch an (§ 8 FernUSG; § 75d S 2 HGB). Die Problematik der Umgehungsgeschäfte ist weitgehend eine Auslegungsproblematik (BGHZ 110, 47, 64; Flume AT II § 17, 5; Medicus/Petersen AT Rn 660; vgl auch BeckOGK/Vossler Rn 78). Wo eine ausdrückl Regelung fehlt, ist daher zunächst durch eine an Sinn und Zweck der Verbotsnorm orientierte Auslegung im Einzelfall zu ermitteln, ob diese das Rechtsgeschäft wegen des mit ihm erstrebten Erfolgs ohne Rücksicht auf den konkret beschrittenen rechtl Weg schlechthin untersagt oder nicht (Soergel/Meier Rn 74; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 168). Bei dieser Auslegung ist insb zu fragen, ob mit dem jew Rechtsgeschäft der Zweck des Verbotsgesetzes vereitelt würde (vgl etwa BGHZ 44, 171, 176; 51, 255, 262; 56, 285, 289; 58, 60, 65; 59, 343, 348; 85, 39, 46; BGH NJW 1991, 1060, 1061; Frankfurt NJW 2001, 1504, 1505). Ergibt die Auslegung, dass das Gesetz nur eine bestimmte rechtl Gestaltung, nicht aber generell den angestrebten Erfolg verbieten will, liegt kein Umgehungsgeschäft vor, sofern die Beteiligten einen anderen zulässigen rechtl Weg beschritten haben. Für die Nichtigkeit eines Umgehungsgeschäfts genügt der obj Verstoß gegen die umgangene Verbotsvorschrift (BGHZ 51, 255, 262; 56, 285, 289; BGH WM 1990, 222, 227; BAG 10, 65, 70; 13, 129, 134; 39, 67, 70); es sind weder Umgehungsabsicht noch das Bewusstsein der Umgehung erforderlich; es genügt, dass ohne die Sanktion der Nichtigkeit der Gesetzeszweck nicht zu erreichen ist (BeckOGK/Vossler Rn 79; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 169; Soergel/Meier Rn 77). VI. Einzelfälle (alphabetisch) P Abtreibung. Ein Vertrag über eine nach §§ 218ff StGB strafbare Abtreibung ist nach § 134 nichtig (Bremen VersR 1984, 288; AG Bad Oeynhausen NJW 1998, 1799 – für Vertrag vor Beratung durch anerkannte Beratungsstelle; Grü/Ellenberger Rn 14; Deutsch NJW 1993, 2361, 2362). Dagegen erfasst § 134 Vereinbarungen über einen rechtswidrigen, aber nicht strafbaren Schwangerschaftsabbruch nicht (BVerfG NJW 1993, 1751, 1764). P Arbeitsrecht. Für die Fragen der ArbN-Vermittlung bzw -Überlassung enthalten § 297 SGB III und §§ 9f AÜG Sonderregeln, neben denen für die Anwendung des § 134 kein Platz mehr ist. Auch das TzBfG regelt für den Bereich der Teilzeitarbeit die Folgen von Verstößen teilw selbst (§§ 11, 13, 16 TzBfG). Gleiches gilt für das Berufsbildungsgesetz (§ 12 BBiG) und das MiLoG (§ 3 MiLoG). Aus dem BGB sind insb noch §§ 612a, 613a Verbotsgesetze iSv § 134. Zu § 613a als Verbotsgesetz vgl BAGE 27, 291, 298; 32, 326, 336; 48, 40, 49ff; 55, 228, 232f; BAG AP § 613a Nr 4, 5; BB 1986, 1644, 1646; NJW 1996, 213, 214; NZA 1997, 148, 149; 1999, 262, 263; 2005, 405, 407. Ein Arbeitsvertrag kann daneben nach § 134 etwa wegen Verletzung von Schutzvorschriften, die für ArbN schlechthin oder für bestimmte Gruppen von ArbN gelten (zB Frauen, Jugendliche, Kranke, Schwerbehinderte, bestimmte Berufe), oder wegen der Vereinbarung von Tätigkeiten, die gegen ein Strafgesetz oder ein sonstiges Verbot verstoßen, nichtig sein. Ob ein Verbotsgesetz vorliegt und ob der Verstoß zur Nichtigkeit führt, lässt sich nicht allg, sondern nur durch Auslegung der jew Schutznorm nach den allg Grundsätzen bestimmen; vielfach ist Rechtsfolge eines Verstoßes nur ein Beschäftigungsverbot, das die Wirksamkeit der vertragl Vereinbarung nicht berührt. Im Falle der Nichtigkeit von arbeitsvertragl Regelungen sind regelmäßig die Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsvertrags zu beachten: Das vollzogene Arbeitsverhältnis ist idR für die Rechte und Pflichten aus der Vergangenheit wie ein wirksames zu behandeln; die Nichtigkeitswirkungen treten erst für die Zukunft ein. Zu einer Nichtigkeit ex tunc wird man nur im Ausnahmefall kommen, etwa bei bewusstem Gesetzesverstoß beider Vertragsseiten (BAGE 8, 47, 50; BGHZ 53, 152, 158; vgl auch Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 129).
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Auch die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) stellen Verbotsgesetze iSd § 134 dar (BAG NZA 2017, 58, 61; 2019, 535, 536; BeckOGK/Vossler Rn 123; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 240ff). Dies gilt nicht nur für § 3 ArbZG, sondern etwa auch für das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit (§ 9 ArbZG), wenn keine Ausnahmebewilligung der Aufsichtsbehörde vorliegt (BAG NJW 2010, 394, 395f). Allerdings soll ein Verstoß regelmäßig nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags führen. Vielmehr wird die Arbeitszeit allein auf das gesetzl zulässige Maß verringert (BAG NZA 2017, 58; 61; BeckOGK/Vossler Rn 123; MüKo/Armbrüster Rn 120). Auch soll der vertragl Vergütungsanspruch des ArbN für die Mehrarbeit unberührt bleiben (BAG NZA 2017, 58, 61: Ableitung aus § 612). Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrags kommt freilich in Betracht, wenn allein Arbeit zu unzulässigen Zeiten geleistet werden soll (NK/Looschelders Rn 94; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 241: Kommt es durch den Abschluss eines weiteren Arbeitsverhältnisses zur Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit, ist allein der zweite Vertrag nichtig (BAGE 8, 47, 50; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 241). Bei Fehlen der für die Beschäftigung eines ausl ArbN erforderlichen Arbeitserlaubnis (§§ 4, 18, 39 AufenthG, § 284 SGB III) nahm die Rspr schon bisher an, dass der Arbeitsvertrag nur dann gem § 134 nichtig ist, wenn beide Beteiligten absichtlich gegen das Beschäftigungsverbot verstoßen (BAG NJW 1969, 2111, 2112; so auch noch die Voraufl). Da § 98a AufenthG auch bei unzulässiger Beschäftigung einen Vergütungsanspruch des ArbN vorsieht, ist aber nunmehr eine Nichtigkeit des Arbeitsvertrags nach § 134 generell zu verneinen (MüKo/Armbrüster Rn 117; NK/Looschelders Rn 97). Ebenso soll das Fehlen eines erforderlichen Gesundheitszeugnisses die Wirksamkeit eines abgeschlossenen Arbeitsvertrags von vornherein nicht berühren (BAG AP Nr 1, 2 § 18 BSeuchG; aA für die §§ 42, 43 IfSG MüKo/Armbrüster Rn 113). Ein Arbeitsvertrag unter Verletzung des Beschäftigungsverbots für Kinder (§§ 5, 7 JArbSchG) ist nichtig (BAG JZ 1973, 375, 382; NK/Looschelders Rn 108). Allerdings sind insoweit die Grundsätze über fehlerhafte Arbeitsverhältnisse (Nichtigkeit idR nur für die Zukunft, s schon Rn 27) zu beachten. Nach § 134 nichtig sollen die Erschwerung einer Kündigung ggü den gesetzl Voraussetzungen des § 626 (BGH NJW 2000, 2983, 2384; NJW-RR 2008, 1488, 1489 – Vereinbarung, nach der im Fall einer außerordentlichen Kündigung ein Übergangsgeld zu zahlen ist; BAGE 99, 24, 29; BAG NJW 2005, 3230, 3231) sowie Verträge sein, die der Umgehung des Kündigungsschutzes (etwa §§ 620ff; KSchG) dienen (vgl BAGE 26, 417, 419 – bedingter Aufhebungsvertrag; 10, 65, 67f; 25, 125, 127; 47, 314, 319; 82, 101, 104; 83, 82, 87; BAG NJW 1998, 2237, 2238; 1999, 597, 598; NZA 1997, 313, 314; 1997, 941, 942; 1997, 1222, 1223; 1998, 1118, 1119; NJW 2001, 532, 533). Eine Änderungskündigung ist unwirksam, wenn sie auf den Abbau tarifvertragl gesicherter Leistungen oder eine sonstige tarifwidrige Gestaltung des Arbeitsvertrags abzielt (BAG NJW 1999, 2541 mwN aus der früheren Rspr; vgl auch BAG NZA 1999, 255). Vereinbarungen, die gegen die zwingenden Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) verstoßen, sind – auch wenn sie sich erst auf die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen – gem § 134 unwirksam (BAGE 20, 24, 25; vgl auch BAG DB 1985, 48, 49; NJW 2001, 460, 461). Das soll auch für Arbeitsverträge gelten, die ArbN für die Dauer des Urlaubs unter Verstoß gegen § 8 BUrlG schließen (MüKo/Armbrüster Rn 121; aA wohl BAG AP Nr 3 § 8 BUrlG; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 316; Dieckhoff DB 1966, 1235). Nichtig nach § 134 sind auch Vereinbarungen, die gegen die Beschränkungen des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) hinsichtl der Zulässigkeit von Vereinbarungen über eine Abfindung (§ 3) oder über die Übertragung unverfallbarer Anwartschaften (§ 4) verstoßen (für Abfindung: BAG NZA 1985, 218). Verbotsgesetz sind ferner das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot nach § 78 S 2 BetrVG (BAG NJW 2010, 2077, 2078; NZA 2019, 253, 256) und das Diskriminierungsverbot nach § 4 I 2 TzBfG (BAG NZA 2019, 1588, 1590). Von den vorstehend behandelten Vereinbarungen, die gegen zwingende arbeitsrechtl Bestimmungen verstoßen, sind sog Fälle der Scheinselbständigkeit zu unterscheiden, bei denen durch die Gestaltung des Vertrags allg die Geltung von ArbN-Schutzbestimmungen umgangen werden sollen. In diesem Fall ist der Vertrag nicht nach § 134 nichtig, und die Bestimmungen zB des KSchG, des EntgFG oder § 28e SGB IV und § 41a EStG finden ohne weiteres Anwendung (BGH MDR 2018, 1506; Grü/Ellenberger Rn 15). P Arzneimittelrecht. Verträge zum Erwerb apotheken- oder rezeptpflichtiger Arzneimittel sind idR auch dann wirksam, wenn dabei Bestimmungen des Arzneimittelrechts über die Abgabe von Arzneimitteln (etwa §§ 43ff AMG) verletzt werden (BGH NJW 1968, 2286; aM MüKo/Armbrüster Rn 137; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 234). Nach wie vor iSv § 134 verboten ist ein Arzneimittelverkauf im Reisegewerbe unter Verstoß gegen § 51 I AMG (Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 235; LG Stuttgart NJW 1965, 354, 355 zu § 36 AMG aF; LG Düsseldorf, NJW 1980, 647). Ferner kann ein Verstoß gegen das Importverbot für nicht zugelassene bzw registrierte Arzneimittel gem § 73 AMG zur Nichtigkeit gem § 134 führen (Karlsruhe NJW-RR 2002, 1206, 1207; vgl auch KG MMR 2005, 246). P Ärzte. Verträge, die die Übernahme ärztlicher Leistungen durch eine Person, der die erforderliche Approbation oder Erlaubnis (§ 2 BÄO) weder erteilt ist noch erteilt werden kann, vorsehen, sind nach § 134 nichtig; das gilt sowohl für Heilbehandlungsverträge mit einem Patienten als auch für Arbeitsverträge, die auf eine ärztliche Tätigkeit gerichtet sind (BAG MedR 2005, 362, 363; Düsseldorf NJW 1988, 2308; Spickhoff NJW 2006, 1630, 1632), als auch für einen Gesellschaftsvertrag, in dem eine solche Person die Verpflichtung zu ärztlichen Leistungen übernimmt (vgl München MedR 2006, 172, 173). Nach § 134 nichtig sind auch Verträge über Wahlleistungen entgegen § 17 III 1 KHEntGG (BGH NJW 2015, 1375, 1376; 2019, 1519, 1520). Unwirksam ist auch – wegen
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Verstoßes gegen die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte – die Übernahme einer kassenärztlichen Praxis durch einen Arzt ohne Kassenzulassung (München NJW-RR 1998, 1441, 1442). Ein Arzt oder Zahnarzt kann ohne Zustimmung des Patienten seinen aus privatärztlicher Behandlung entstehenden Anspruch auf Vergütung oder Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns nicht wirksam unter Übergabe der Abrechnungsunterlagen zur Rechnungserteilung und Einziehung an eine (gewerbliche oder auch privatärztliche) Verrechnungsstelle abtreten, weil er damit unter Verletzung von § 203 I Nr 1 StGB gegen seine ärztliche Schweigepflicht verstößt (vgl BGHZ 115, 123, 138; BGH NJW 1992, 2348, 2349; LM Nr 145; NJW 1996, 775 für einen Schadensersatzanspruch). Ebenfalls wegen Verstoßes gegen § 203 I Nr 1 StGB nichtig ist die bei Veräußerung einer Arztpraxis übernommene Verpflichtung, dem Erwerber – auch ohne Zustimmung der betroffenen Patienten – die Patienten- und Beratungskartei zu übergeben (vgl BGH NJW 1974, 602: BGHZ 116, 268, 272; KG NJW-RR 1996, 431, 432; vgl auch BGH NJW 1995, 2026, 2027). Die Nichtigkeit trifft in diesen Fällen gerade auch das Erfüllungsgeschäft. Die Nichtigkeit der Vereinbarung zur Übergabe der Kartei kann über § 139 trotz einer salvatorischen Klausel zur Gesamtnichtigkeit des Veräußerungsvertrags führen (BGH NJW 1996, 773, 774 mwN; KG NJW-RR 1996, 431, 432). Verträge zw Ärzten über die gegenseitige Patientenzuweisung sind bei Verstoß gegen die Berufsordnung für Ärzte nichtig (BGH NJW 1986, 2360, 2361; NJW-RR 2022, 336, 337; aM Taupitz JZ 1994, 221ff mwN). P Bauordnungs- und Bauplanungsrecht. Ein Verstoß gegen bauordnungsrechtl Vorschriften führt grds nicht über § 134 zur Unwirksamkeit des Vertrags über Werkleistungen an einem Bauwerk (BGHZ 75, 366, 368; KG JW 1938, 2349; Köln NJW 1961, 1023, 1024). Insb ist ein Bauvertrag trotz (noch) fehlender Baugenehmigung wirksam. Nichtigkeit kommt in Betracht, wenn von vornherein vereinbart wird, ohne Baugenehmigung oder unter Verstoß gegen Bauordnungsrecht zu bauen. Ein Mietvertrag ist auch bei Verstoß gegen ein bauordnungsrechtl Nutzungsverbot wirksam (BGHZ 75, 366, 368; VGH Kassel NJW 1964, 2444; OVG Lüneburg DÖV 1968, 699; LG Frankfurt NJW 1977, 1885; aM AG Celle NZM 1999, 473; AG Hamburg NZM 1999, 460; vgl auch zu § 536 Düsseldorf ZMR 1993, 275, 276 und NJOZ 2006, 2978, 2980). Ein Verbotsgesetz soll § 1 III 2 BauGB bilden, nach dem sich eine Gemeinde nicht durch Vertrag zur Aufstellung eines Bebauungsplans verpflichten kann (BeckOGK/Vossler Rn 167); gegen diese Vorschrift wird aber nicht verstoßen, wenn die Gemeinde ein Grundstück unter der aufschiebenden Bedingung des Zustandekommens eines Bebauungsplans veräußert (BGH NVwZ 2016, 404, 405). P Bauträgerverträge/Baubetreuungsverträge. Eine § 3 MaBV widersprechende Fälligkeitsvereinbarung soll gem § 12 MaBV, § 134 mit der Wirkung nichtig sein, dass an ihre Stelle die Regelung der § 650u I 2, § 641 I tritt (BGHZ 146, 250, 257; BGH NJW 2007, 1947, 1948; Naumburg NJW-RR 2010, 1323, 1324; vgl auch Koblenz NJW-RR 2003, 1173, 1174; vgl iÜ auch zu den Rechtsfolgen von Abweichungen von § 3 MaBV BGH ZIP 2014, 227, 229). Wegen Verstoßes gegen §§ 3, 12 MaBV nichtig ist ferner die in einem Bauträgervertrag getroffene Vereinbarung, nach der sich der Erwerber der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft und der Notar die Vollstreckungsklausel ohne besonderen Nachw erteilen darf (BGHZ 139, 387, 389; zur Problematik ferner BGH NJW 2002, 138, 139). P Beamtenrecht/öffentlicher Dienst. Die Nebentätigkeit eines Beamten oder Angestellten ohne die nach dem Beamtenrecht oder dem Tarifvertrag erforderliche Erlaubnis führt nicht zur Nichtigkeit des über die Nebentätigkeit geschlossenen Vertrags (BGH NJW 1974, 1374, 1377; Schleswig SchlHA 1974, 205). Dagegen folgt aus einem Verstoß gegen das Verbot der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) die Unwirksamkeit der Vereinbarung (Stach NJW 1988, 943, 945). P Datenschutzrecht. Das Datenschutzrecht iVm dem Bankgeheimnis verbietet nicht die Abtretung von Darlehnsrückzahlungsansprüchen einer Bank gegen ihre Kunden ohne deren Zustimmung (BGH NJW 2007, 2106, 2107). Ebenso verstößt die Abtretung von Darlehensforderungen durch eine als Anstalt des öffentlichen Rechts organisierte Sparkasse nicht gegen § 203 II 1 Nr 1 StGB (BGH NJW 2010, 361, 362). P Dieselskandal. Wird ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abgasmanipulationseinrichtung verkauft, ist der Kaufvertrag auch dann nicht nach § 134 nichtig, wenn ein Verstoß gegen § 27 EG-FGV zu bejahen sein sollte (Koblenz NZV 2021, 623, 630; Hamm BeckRS 2022, 21258; Hamburg DAR 2019, 85, 88; Karlsruhe BeckRS 2019, 14948; München BeckRS 2019, 23400; Armbrüster NJW 2018, 3481); denn die darin enthaltene Vorgabe, dass nur vorschriftsgemäße Fahrzeuge in den Verkehr gelangen sollen, richtet sich allein an den Verkäufer, und ein Verstoß gegen die Regelung wird bereits als Ordnungswidrigkeit sanktioniert und kann ggf zum Widerruf der Typengenehmigung berechtigen. P Gesellschafts- und Vereinsrecht. § 134 ist insb von Bedeutung, wenn der Gesellschafts- oder Vereinszweck oder der Unternehmensgegenstand einem Verbotsgesetz zuwiderläuft (Bsp: Verstoß gegen gesetzl Berufsordnungen; BGHZ 62, 234, 240 – Inkassotätigkeit/RBerG; BGHZ 75, 214, 217 – Apothekenrecht; BGHZ 97, 243, 250 – Berufsrecht für Vermessungsingenieure; BGH WM 1967, 229, 230 – Güterfernverkehr; Verstoß gegen Strafgesetze; Hamm NJW-RR 2000, 1565, 1566 – Umgehung der Handwerksordnung; Koblenz WM 1979, 1435, 1436 – Steuerhinterziehung). Zu beachten ist, dass bei manchen Gesellschaften eine Nichtigkeit aus diesem Grund nur mit einer befristeten Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann (vgl zB § 94 GenG, § 75 GmbHG, § 275 AktG). Bei Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrags einer in Vollzug gesetzten Gesellschaft sind die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zu beachten. Gleiches gilt für einen unwirksamen Geschäftsführeranstellungsvertrag bei einer GmbH (BGH NJW 2000, 2983, 2984 mwN). Kein Verbotsgesetz stellt das aktienrechtl Verbot Arnold
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Rechtsgeschäfte
der Einlagenrückgewähr (§ 57 AktG) dar (BGH NZG 2013, 496, 497). Ebenso stellen die §§ 30f GmbHG kein Verbotsgesetz dar (BGH NJW 1997, 2599, 2600). Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern einer AG, die sich auf die Aufsichtsratstätigkeit beziehen, sind nach § 134 wegen Verstoßes gegen § 113 I 2 AktG nichtig; dies gilt auch dann, wenn der Vertrag von der AG mit einer Gesellschaft geschlossen wird, an der das Aufsichtsratsmitglied – nicht notwendig maßgeblich – beteiligt ist (BGH NZG 2006, 712, 716; 2007, 103, 104). Erfasst ist auch der Fall, dass eine Gesellschaft, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer ein Mitglied des Aufsichtsrats einer AG ist, einen Vertrag zur Beratung in Angelegenheiten der AG mit einem Drittunternehmen abschließt, das die AG berät (BGH NZG 2021, 1311, 1312). P Gewerberecht/Handwerksrecht. Ein Verstoß gegen gewerberechtl Vorschriften führt nach der Rspr grds nicht zur Nichtigkeit (BGHZ 53, 152, 157; 78, 269, 272; 88, 240, 243; 93, 264, 267; 108, 364, 368; BGH NJW 1968, 2286, 2287; 1990, 1354, 1355), weil diese Vorschriften weitgehend nur eine allg Ordnungsfunktion erfüllen, ohne das einzelne Rechtsgeschäft treffen zu wollen (krit dazu Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 362). Gültig sind nach der hM insb Verträge von Kunden mit Gewerbetreibenden, die nicht Inhaber einer zur Ausführung ihres Gewerbes notwendigen Erlaubnis sind (zB §§ 29ff, 55ff GewO; § 2 GastG; § 3 GüKG; §§ 1, 6ff HwO; hierzu BGHZ 88, 240, 242; BGH NJW 1985, 2403, 2404; NJW-RR 2002, 557; Düsseldorf NJW-RR 1996, 661; Hamm NJW-RR 1990, 523). Nach § 134 unwirksam sind Verträge, deren Ziel es ist, das Erfordernis einer öffentlich-rechtl Erlaubnis für eine Tätigkeit zu umgehen (in der Praxis besonders häufig bei Verträgen zum Betrieb von Gastwirtschaften – Kastellanvertrag, vgl Hamm NJW 1986, 2440, 2441; LG Berlin NJW 1977, 1826, 1827; RGZ 155, 138, 142 – vorgetäuschtes Vertreterverhältnis zur Umgehung der Staatsaufsicht im Versicherungswesen; BGH WM 1967, 229, 230; NJW 1990, 1354; Hamm BB 1988, 236; ArbG Ludwigshafen DB 1996, 1527 – konzessionierter Güterkraftverkehr). Auch § 34 IV IV GewO, nach dem der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts verboten ist, stellt ein Verbotsgesetz dar (BGH BB 2023, 396, 399). Wirksam sind Rechtsgeschäfte, bei denen die Rechtsordnung zwar den Abschluss eines Rechtsgeschäfts aus Ordnungsgründen verhindern will, das Ergebnis des gleichwohl vollzogenen Geschäfts aber nicht missbilligt; das gilt zB für Geschäfte, die unter Verstoß gegen Ladenschlussvorschriften, § 18 GastG (Sperrzeit; vgl RGZ 103, 263, 264) oder § 5 LFGB (Inverkehrbringen verdorbener oder irreführend bezeichneter Lebensmittel; vgl RGZ 100, 39, 40; 170, 156) zustande kommen. Ebenso zu bewerten sind Geschäfte, die an die Verletzung von Preisauszeichnungsvorschriften anschließen (vgl etwa BGH NJW 1982, 2436, 2437; ZIP 1982, 1044, 1045), und der Verkauf unter Verstoß gegen das Saatgutverkehrsgesetz (Köln NJW-RR 2000, 136). Bei Haustürgeschäften im Reisegewerbe ist infolge der ohnehin regelmäßig bestehenden Verbraucherwiderrufsrechte für § 134 bei einem Verstoß gegen die auf die entgeltliche Vermittlung beschränkte Bestimmung des § 56 I Nr 6 GewO kaum noch Raum (BGHZ 131, 385, 388; 133, 254, 257; München NJW-RR 1990, 1528, 1529; Hamm NJW 1994, 2159; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 335b ff). Auch die durch die Corona-Pandemie bedingten Betriebsbeschränkungen eines Einzelhandelsgeschäfts stellen keine Verbotsgesetze dar, die zur Nichtigkeit entspr Mietverträge führen (BGH NJW-RR 2022, 1303, 1305). P Handelsrechtl Vorschriften. Unwirksam ist wegen §§ 238ff, 257ff HGB die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts an Teilen von Handelsbüchern (KG Rpfleger 1972, 441, 442) sowie die Bestellung eines nach § 319 II HGB ausgeschlossenen Abschlussprüfers (BGH NJW 1992, 2021). Verbotsgesetz ist ferner § 89b HGB; unzulässig sind daher etwa der Vorausverzicht des Handelsvertreters auf seinen Ausgleichsanspruch (BGHZ 152, 121, 133) oder eine Anrechnung eines Teils der laufenden Vergütung auf den Ausgleichsanspruch (BGH NJW 2016, 3439, 3490). Ein Verbotsgesetz stell auch § 89 II 1 HGB im Hinblick auf einseitige Erschwerungen des Kündigungsrechts des Handelsvertreters dar (BGH NJW 2016, 242, 245). P Haushaltsrecht. Die im öffentlichen Haushaltsrecht des Bundes und der Länder für öffentlich-rechtl Körperschaften enthaltenen weitgehenden Verbote von unentgeltlichen Zuwendungen oder der Veräußerung unter Wert (§§ 44, 23 BHO) stellen Verbotsgesetze iSv § 134 dar (dahingehend BGHZ 47, 30, 40 für Art 81 BayVerf; BayObLG 95, 225, 226 zu Art 75 BayGO; Grü/Ellenberger Rn 23). Dagegen ist ein Rechtsgeschäft mit einem öffentlichen Auftraggeber nicht bereits deshalb nichtig, weil dieser Vorschriften über die Aufstellung des Haushaltsplans nicht berücksichtigt hat (BAG AP Nr 21 § 1 TVG; BGH NJW 2014, 2354, 2355); denn derartige Bestimmungen sind lediglich intern für das Verwaltungshandeln verbindlich. P Heimgesetz. Infolge des Übergangs der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder haben diese inzwischen das HeimG durch eigene gesetzl Regelungen ersetzt. Diese enthalten aber durchweg Bestimmungen, die § 14 I und V HeimG (Verbot der Gewährung oder des Versprechens von Geld oder geldwerten Leistungen) entsprechen (§ 16 BaWürttWTPG, Art 8 BayPfleWoqG, § 18 BlnWTG, § 14 BbgPBWoG, § 24 BremWoBeG, § 5a HmbWBG, § 6 HessGBP, § 6 M-PEQG, § 2 I NiedNuWG iVM § 14 HeimG, § 7 NWWTG, § 11 RhPfWTG, § 8 SaarHeimG, § 7 SächsBeWoG, § 15 SachsAnhWTG, § 28 SchlHolSbStG, § 12 ThürWTG). Die hM, die § 14 I und V HeimG als Verbotsgesetz iSv § 134 ansah, kann daher auch auf die neuen landesrechtl Vorschriften übertragen werden (s Frankfurt NJW 2015, 2351, 2352; KG ZEV 2018, 526, 528; Köln ZEV 2019, 703; BeckOGK/Vossler Rn 200). Die in diesen Regelungen untersagten Rechtsgeschäfte von Heimbewohnern oder Bewerbern um einen Heimplatz zugunsten des Heimträgers, der Heimleitung oder des Heimpersonals sind nichtig (BGHZ 110, 235, 237 zu § 14 HeimG). Auch letztwillige Verfügungen können nach dieser Bestimmung unwirksam sein (vgl BGHZ 110, 235, 240; BGH NJW-RR 1995, 1272; 2012, 155; BVerwG NJW 1990, 2268; BayObLG NJW 1992, 55, 56; 93, 1143, 1144; 2000, 1875, 1876; NJW-RR 2004, 1591, 1593; KG NJW-RR 1999, 2; Frankfurt NJW-RR 1994, 312; VGH Mannheim NJW 2004, 3792, 3794); Voraussetzung ist allerdings, dass der Bedachte Kenntnis hat (BGH NJW 404
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Willenserklärung
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2012, 155; München ZEV 2022, 42, 43). Das Verbot gilt auch für die Umgehung der Regelung durch Zuwendungen an/durch Personen, die mit den im Gesetz genannten Empfängern bzw mit dem Heimbewohner verbunden sind (Bsp: BayObLG NJW 2000, 1875, 1877 – Erbeinsetzung des Alleingesellschafters einer GmbH als Heimträgerin oder dessen Ehefrau; Düsseldorf NJWE-FER 1997, 253, 254 – Einsetzung der Kinder des Heimleiters als Nacherben; Frankfurt NJW 2001, 1504, 1505 – Erbeinsetzung der Ehefrau eines Heimbediensteten; vgl auch BayObLG NJW 2000, 1959, 1961 – mittelbare Begünstigung durch Zuwendung an einen Dritten; München NJW 2006, 2642, 2643 – Vermächtnis zugunsten des Heimträgers durch einen Angehörigen des Heimbewohners). Dagegen soll die letztwillige Zuwendung an eine Stiftung, von der das Heim gemietet ist, nicht unter das Verbot fallen (BayObLG FamRZ 2003, 1882, 1883). Ebenso genügt es nicht, dass die Betreibergesellschaft des Heims Mitglied des bedachten Wohlfahrtsvereins ist oder beide in die Strukturen eines Bistums eingebunden sind (Frankfurt BeckRS 2022, 42021). Auf das Verhältnis zw Betreuer und Betreutem sind die heimrechtl Verbote nicht analog anwendbar (BayObLG NJW 1998, 2369, 2370), ebenfalls nicht auf die häusliche Pflege (BayObLG NJW-RR 1999, 1454, 1455; LG Bonn NJW 1999, 2977). Sie gelten auch nicht für Träger und Personal von Heimen im Ausland (Oldenburg NJW 1999, 2448). P Jagdrecht. Ein Jagdpachtvertrag, mit dem sich der Verpächter einen Anteil von 50 % am Jagdausübungsrecht vorbehält, ist mit § 11 BJagdG unvereinbar und deshalb nichtig (BGHZ 115, 116, 117). Vereinbarungen, in denen ein Teil sich dazu verpflichtet, gegen sachliche Verbote des § 19 BJagdG zu handeln, sind idR ebenfalls gem § 134 unwirksam. P Kartellrecht. Unzulässige Kartellverträge sind nach Maßgabe von Art 101f AEUV unwirksam. Diese Verbotsnormen regeln die Folgen eines Verstoßes selbst; daher ist § 134 insoweit nicht anzuwenden. Das GWB enthält zwar weiterhin Verbotsgesetze, verzichtet aber auf eine eigenständige Regelung der unmittelbaren Rechtsfolgen von Verstößen. Insoweit ist – unbeschadet etwaiger Eingriffsmöglichkeiten der Kartellbehörden (etwa nach §§ 32ff GWB) – § 134 anzuwenden. Verbotsgesetze iSv § 134 sind das allg Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (§ 1 GWB, s etwa BGH NZKart 2020, 196; 610, 611) und die Verbote des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 GWB), das Diskriminierungsverbot und das Verbot unbilliger Behinderung (§ 20 GWB), das Boykottverbot sowie das Verbot sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens (§ 21 GWB, s nur BGH ZIP 2022, 2636, 2639). Bei Verträgen, die aufgrund der Länge ihrer Laufzeit gegen § 19 II Nr 1 GWB verstoßen, kommt allerdings eine geltungserhaltende Reduktion auf das zeitl zulässige Maß in Betracht (BGH NZM 2021, 556, 558). Keine gesetzl Verbote enthalten demggü die Regelungen über die Zusammenschlusskontrolle (§§ 35ff GWB). P Kreditwesen. Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und weitere Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich iSv §§ 1ff KWG bedürfen für ihre Geschäftstätigkeit gem § 32 KWG einer Erlaubnis; der Abschluss von Geschäften mit Kunden ohne diese Erlaubnis ist gem § 54 KWG verboten. Diese Regelung stellt aber kein Verbotsgesetz iSv § 134 dar, weil es sich um eine Ordnungsregelung für die Finanzdienstleistungsbranche handelt, die nur einen der beiden Geschäftspartner betrifft (BGH WM 1966, 1101, 1102; 1972, 853; WM 1978, 1268, 1269; 1980, 374, 376; Köln VersR 1974, 1185). Die Abtretung von Darlehensforderungen an eine Nichtbank ist nicht gem § 32 I 1 KWG iVm § 134 nichtig (BGH NJW 2011, 3024). P Maklervertrag. Wirksam ist ein Maklervertrag auch dann, wenn der Makler sein Gewerbe ohne die gem § 34c GewO erforderliche Erlaubnis ausführt (BGHZ 78, 269, 271ff; BGH NJW 1998, 62, 64; BeckOGK/Vossler Rn 182). Ebenso ist die Wohnungsvermittlung ohne den dazu gem § 6 I WoVermG vorgeschriebenen Auftrag nicht nichtig (BGHZ 152, 10, 11; Karlsruhe NJW 1976, 1408; aA MüKo/Armbrüster Rn 129). Nichtig ist jedoch der gegen § 14 IV BNotO verstoßende Maklervertrag des beurkundenden Notars (BGH WM 1990, 1250, 1251) und – im Hinblick auf die Wertung von § 45 II BRAO und § 46 III BRAO aF – eines mit einem Anwaltsnotar zu gemeinsamer Berufsausübung verbundenen Rechtsanwalts (BGHZ 147, 39, 41). P Mietrecht. Ein Vertrag, insb ein Mietvertrag, über die Nutzung einer dem Zweckentfremdungsverbot unterliegenden Wohnung ist allein wegen des Fehlens der erforderlichen Genehmigung der zuständigen Behörde noch nicht nach § 134 iVm Art 6 § 1 Mietrechtsverbesserungsgesetz nichtig (BGH NJW 1994, 320 mwN; Köln VersR 1992, 361, 362; VGH München NJW-RR 1993, 1422; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 401). Auch ein Mietvertrag, der gegen das zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen erlassene Wohnungsbindungsgesetz verstößt (§§ 4, 7 WoBindG; Abschluss mit einem nicht wohnberechtigten Mieter), ist wirksam (LG Aachen ZMR 1973, 379; Weimar MDR 1967, 806). P Preisrecht. Im Preisrecht haben gesetzl Verbote praktische Bedeutung vor allem noch im Wohnungsmietrecht (§ 8 WoBindG; § 5 WiStG), im Kleingartenpachtrecht (§ 5 KleingartenG), in der BundespflegesatzVO und im Bereich der staatlichen Gebührenordnungen (etwa: RVG, GOÄ, GOZ); die HOAI enthält nunmehr keine verbindlichen Mindest- und Höchstsätze mehr, da die entspr Regelungen nicht mit dem Unionsrecht vereinbar waren (EuGH NJW 2019, 2529, 2531; zur Neuregelung s nur V. Schmidt NJW 2021, 2491). Rechtsgrundlagen für eine Tarif- oder Entgeltregulierung finden sich ferner im EnWG (vgl etwa § 39 EnWG), in §§ 19ff, 23 PostG und im Telekommunikationsrecht (vgl §§ 37–48 TKG). Als Preisvorschrift soll ferner auch § 3 KAV anzusehen sein (BGH NZBau 2015, 115, 118). Allg anerkannt ist heute, dass preisrechtl Vorschriften nur die Vereinbarung eines unzulässigen Preises verhindern wollen, nicht jedoch das Rechtsgeschäft insg. Dieser Verbotszweck bedeutet, dass die Nichtigkeitsfolge des § 134 – mangels abw Regelungen im Einzelfall – auf die verbotswidrige Preisvereinbarung zu beschränken ist und dass es für den Fortbestand des Rechtsgeschäfts insg – abw von der Regel des § 139 Arnold
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– nicht auf den (hypothetischen) Parteiwillen des Vertragsteils ankommen darf, der einen unzulässigen Preis durchgesetzt hat (MüKo/Armbrüster Rn 184ff; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 119ff). Eine Überschreitung des zulässigen Preises führt deshalb grds nicht zur Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts; nichtig ist vielmehr nur der über den zulässigen Preis hinausgehende Teil der Preisvereinbarung (vgl BGHZ 51, 174, 181 – zum früheren § 5 BaupreisVO; 60, 199, 205 und BGH NJW 2008, 55, 56 – zum früheren § 4 HOAI; 89, 316, 319ff – zu § 5 WiStG; 108, 147, 150 – zu § 5 KleingartenG; BGH NZBau 2015, 115, 118f – zu § 3 KAV; Hamburg NJW-RR 2000, 458, 459 und Hamm WuM 1982, 302 – zu § 5 WiStG; vgl auch BGHZ 116, 77, 85 zu einem devisenrechtl genehmigten Preis; MüKo/Armbrüster Rn 107; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 117ff). Im Wohnungsmietpreisrecht ist für die Fälle des Mietwuchers allerdings str, ob die vereinbarte Miete auf den höchstzulässigen Betrag (so, von BVerfG NJW 1994, 993, 994 gebilligt: BGHZ 89, 316, 321; ferner BGH NJW 2004, 1740, 1741; NZM 2006, 291, 292; Frankfurt ZMR 2000, 753, 754; vgl die ausdrückl Regelung in § 8 II WoBindG) oder auf den angemessenen, marktüblichen oder ortsüblichen Betrag (so Stuttgart NJW 1981, 2365; Karlsruhe NJW 1982, 1161; Hamburg ZMR 1983, 100, 102; MüKo/Armbrüster Rn 185; BeckOGK/Vossler Rn 90) zu reduzieren ist. Der Verbotszweck, der sich allein gegen die Vereinbarung einer unzulässig hohen Miete richtet, rechtfertigt nach richtiger Ansicht nur die Zurückführung der Miete auf den höchstzulässigen Betrag; deshalb ist der erstgenannten Meinung zu folgen. Für die Fälle der Vereinbarung eines unzulässig niedrigen Preises ist gleichfalls davon auszugehen, dass sich die Nichtigkeitswirkung nur auf die Vereinbarung einer zu niedrigen Vergütung erstreckt, während der Vertrag iÜ – wiederum unabhängig von den Voraussetzungen des § 139 – einschl der Vereinbarung einer Vergütungspflicht dem Grunde nach erhalten bleibt; die Höhe der Vergütung folgt dann etwa über § 612 II, § 632 II (direkt oder analog) aus dem jew Preisrecht, etwa der staatlichen Gebührenordnung. Es bleibt allerdings allein Sache des Gläubigers, ob er den danach gegebenen höheren Vergütungsanspruch wirklich durchsetzt. Bei unzulässigen Preisunterschreitungen kann der Zahlungspflichtige einer etwaigen Nachforderung uU mit dem Einwand aus § 242 (widersprüchliches Verhalten) begegnen (vgl BGH NJW 1997, 2329, 2330 zu § 4 HOAI aF). Wenn beide Vertragsparteien bewusst gegen eine materielle Preisvorschrift verstoßen, soll nach einer früher vertretenen Ansicht eine Preisanpassung ausscheiden und das gesamte Rechtsgeschäft nichtig sein (RG DR 1939, 1633; 1942, 1409, 1410). Nach dem Verbotszweck ist das weder geboten noch sinnvoll. P Rechtsanwalt. Auch bei einem Rechtsanwalt verstößt die Abtretung von Honoraransprüchen ohne Zustimmung des Mandanten idR gegen § 203 I Nr 3 StGB und gegen das Recht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung; die Abtretung und die zugrundeliegende Verpflichtung sind deshalb unwirksam (vgl ua BGHZ 122, 115, 119; 148, 97, 101; BGH NJW 2005, 507, 508). Abtretungen mit Zustimmung des Mandanten sind dagegen unbedenklich (BGH NJW-RR 2008, 1647, 1648). Die Abtretung von Vergütungsforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an Rechtsanwälte oder rechtsanwaltliche Berufsausübungsgemeinschaften wird von § 49b IV 1 BRAO ebenfalls ausdrückl für zulässig erklärt. Aus denselben Gründen wie die Abtretung einer Honorarforderung ist auch die Verpflichtung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters zur Überlassung von Handakten und Mandantenunterlagen verboten, vor allem bei einem Praxisverkauf (BGH NJW 1995, 2026 im Anschluss an BGHZ 116, 268, 272; BGH NJW 1995, 2915; 2001, 2462, 2463). Im Einzelfall kann aber beim Praxisverkauf eine andere Bewertung angezeigt sein (Bsp: BGH NJW 1995, 2915; 1997, 188). Ob und inwieweit § 49b IV BRAO auch beim Praxisverkauf aus den vom BGH für die Zulässigkeit der Abtretung einer Honorarforderung angeführten Gründen (BGH NJW 2007, 1196ff) zu einer von der bisherigen Praxis abw Bewertung führen wird, bleibt abzuwarten. Nicht unter das Verbot fallen Verträge, die nicht mit einer Preisgabe geschützter Daten des Mandanten verbunden sind; dies wird in der Rspr zu Recht auch bejaht, wenn ein Rechtsanwalt seine Praxis an einen anderen Rechtsanwalt veräußert, mit dem er in einer Außensozietät verbunden war oder in Zukunft – als freier Mitarbeiter – verbunden bleibt (BGHZ 124, 47, 51; 148, 97, 102; aM München NJW 2000, 2592, 2593). Tritt ein zum Betreuer bestellter Rechtsanwalt seine Betreuervergütung an eine anwaltliche Verrechnungsstelle ab, verstößt dies nicht gegen ein gesetzl Verbot, selbst wenn es ohne Zustimmung des Betroffenen erfolgt (BGH NJW 2013, 2961, 2962). Ein gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen (§ 43a IV BRAO; vgl auch § 3 I BORA) verstoßender Anwaltsvertrag ist nach § 134 nichtig (BGH NJW 2016, 2561; 2019, 1147, 1150). Entspr gilt im Hinblick auf § 45 I Nr 1 BRAO: Ein Anwaltsvertrag, den ein mit der Sache zuvor als Notar befasster Anwaltsnotar schließt, ist daher nichtig (BGH NJW 2011, 373, 374). Ein Verbotsgesetz ist auch § 45 I Nr 1c BRAO, nach dem ein Rechtsanwalt nicht tätig werden darf, wenn er als Notar eine Urkunde aufgenommen hat, deren Rechtsbestand oder Auslegung streitig ist oder aus der die Vollstreckung betrieben wird (Hamm DNotZ 1989, 632, 634; Köln AnwBl 1980, 70, 71). Nichtig wegen Verstoßes gegen § 45 I Nr 3 BRAO ist auch ein Anwaltsvertrag, wenn der Anwalt in der gleichen Sache bereits außerhalb seiner Funktion als Anwalt beruflich tätig war (BGH NW 2016, 2561, 2564). Entspr gilt wegen § 43a VI BRAO auch im umgekehrten Fall, dass der Anwalt zunächst innerhalb seiner anwaltlichen Tätigkeit mit der Angelegenheit beruflich befasst war und nunmehr außerhalb derselben tätig werden soll. Ferner kommt bei einem Verstoß gegen § 146 S 1 StPO (Verbot der Mehrfachvertretung) die Nichtigkeit des Anwaltsvertrags in Betracht (München NJW 1983, 1688; AG Arnsberg NJW-RR 1999, 63, 64; offenlassend BGH NStZ 1991, 398, 399). Die Nichtigkeit erfasst aber nicht die aufgrund des Vertrags erteilte Prozessvollmacht (Hamm DNotZ 1989, 634; AnwBl 1989, 397; NJW 1992, 1174, 1176 mwN gegen Hamm DNotZ 1989, 632, 633; Köln MDR 1974, 310). Kein Verbotsgesetz ist § 14 II Nr 8 BRAO: Übt ein Rechtsanwalt 406
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Willenserklärung
§ 134
eine standesrechtl unzulässige Tätigkeit aus, sind die im Rahmen dieser Tätigkeit abgeschlossenen Verträge daher nicht nichtig (BGH NJW 2016, 2561, 2563). Die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für die Vergütung von Anwaltstätigkeiten noch festgelegten Gebühren sind bindende Mindestsätze (§ 49b I 1 BRAO); Vereinbarungen über niedrigere Gebühren sind unzulässig und damit iSv § 134 verboten, soweit nicht ein Ausnahmetatbestand eingreift. Nach dem Verbotszweck ist idR nicht der Anwaltsvertrag insg, sondern nur die unzulässige Gebührenvereinbarung unwirksam (München NJW 2002, 3641, 3642 mwN). Verboten ist auch eine Vereinbarung von Vorteilen für die Vermittlung von Aufträgen (§ 49b III 1 BRAO). Genügt die Vereinbarung eines Erfolgshonorars nicht den Vorgaben der § 49b II BRAO, § 4a RVG, ist die Vergütungsvereinbarung wegen § 4b RVG nicht nichtig, und geschuldet ist die vereinbarte Vergütung bis zur Grenze der gesetzl Gebühr (BGH NJW 2014, 2653, 2654). P Rechtsdienstleistung. Der Bereich der Rechtsberatung hat durch das RDG, das mWv 1.7.2008 das RBerG abgelöst hat, eine grundlegende Neuregelung erfahren. § 2 RDG geht vom Begriff der „Rechtsdienstleistung“ aus. Er wird in § 2 I RDG definiert als jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtl Prüfung des Einzelfalls erfordert. Für die Fremdheit der Angelegenheit ist dabei das Eigeninteresse des Betroffenen maßgeblich: Eine Rechtsdienstleistung erbringt daher etwa nicht, wer einen abgetretenen Räumungs- und Herausgabeanspruch geltend macht, um den von ihm mit dem Vermieter abgeschlossenen Nachfolgemietvertrag realisieren zu können (BGH NJW-RR 2021, 12f). Erfasst werden nach § 2 II RDG auch Inkassodienstleistungen, gem § 2 III RDG aber nicht die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten, die Tätigkeit als Schiedsrichter, Schlichter oder Mediator, die Erörterung von arbeitsrechtl Fragen in von Beschäftigten gewählten Interessenvertretungen (Betriebs- oder Personalräte) sowie die Darstellung von Rechtsfragen und Rechtsfällen in den Medien. Geregelt wird vom RDG gem § 1 RDG nur die Befugnis, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Diese Befugnis besteht nach § 3 RDG nur in dem Umfang, in dem sie durch das RDG oder durch andere Gesetze erlaubt wird; ein anderes Gesetz idS ist insb § 3 BRAO, der Rechtsanwälten die Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten erlaubt. Gestattet sind gem § 5 RDG von vornherein Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören; als erlaubte Nebenleistungen gelten dabei gem § 5 II RDG insb Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Testamentsvollstreckung, Haus- und Wohnungsverwaltung und der Fördermittelberatung. IÜ unterscheidet das Gesetz zw Rechtsdienstleistungen durch nicht registrierte Personen (§§ 6–9 RDG) und registrierte Personen. Ohne Registrierung sind danach insb unentgeltliche Dienstleistungen zulässig (§ 6 RDG); außerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnl enger persönlicher Beziehungen muss allerdings sichergestellt sein, dass die Rechtsdienstleistung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt. Ferner erlaubt das Gesetz Rechtsdienstleistungen durch nicht registrierte Personen bei Berufs- und Interessenvereinigungen (§ 7 RDG, Bsp: BGH GRUR 2012, 79) und durch öffentliche und öffentlich anerkannte Stellen (§ 8 RDG, zB Verbraucherzentralen, s zur Reichweite BGH NJW 2013, 3580f). Daneben gestattet § 10 RDG die Erbringung von Rechtsdienstleistungen von registrierten Personen aufgrund besonderer Sachkunde bei Inkassodienstleistungen (eingehend BGH ZIP 2019, 2465), in der Rentenberatung und bei Rechtsdienstleistungen in einem ausl Recht. Die grundlegende Änderung der Vorschriften über die Rechtsberatung führt dazu, dass die frühere Rspr zum RBerG nicht ohne weiteres auf das RDG übertragen werden kann (eingehend zur Reichweite des RBerG als Verbotsgesetz Erman/Palm12 Rn 85). Es unterliegt jedoch im Grundsatz keinem Zweifel, dass auch die Regelungen des RDG Verbotsgesetze iSd § 134 darstellen und daher Verträge, die unter Verstoß gegen die Vorgaben des RDG geschlossen werden, nichtig sind (s nur BGH VersR 2017, 277, 280; LG Stuttgart NZV 2011, 131; jurisPK/ Nasall Rn 185; zum RBerG BGHZ 37, 258, 261; 70, 12, 17; BGH NJW 2008, 3069, 3070); denn auch wenn sich das Verbot nur gegen die beratende Person richtet, kann der Zweck des RDG, eine unsachgemäße Beratung der Rechtssuchenden zu verhindern, nur durch die Nichtigkeit entspr Vereinbarungen erreicht werden. Bei unzulässigen Inkassoleistungen ist nicht nur das schuldrechtl Geschäft, sondern auch die Forderungsabtretung nichtig (BGH NJW-RR 2019, 1524, 1527; ZIP 2019, 2465, 2468ff). Die Nichtigkeit erstreckt sich auch auf eine mit der verbotenen Rechtsbesorgung verbundenen Vollmacht; allerdings kommt uU eine Rechtsscheinshaftung nach §§ 171, 172 in Betracht (BGH NJW 2002, 66; 2002, 2325, 2326; 2003, 1252, 1254; 2003, 2088, 2089; 2004, 59, 60; 2004, 2378, 2379; 2006, 1957, 1959; NZG 2007, 179, 180; NJW-RR 2007, 395, 396). Ferner wird man wie früher annehmen müssen, dass der Vertrag gem § 139 als Ganzes nichtig ist, auch wenn er zugleich erlaubte Tätigkeiten enthält (so zum RBerG etwa BGHZ 50, 90, 92; BGH NJW 2000, 1560, 1562). Wird eine Rechtsdienstleistung ohne die entspr Erlaubnis erbracht, wird die Beratung auch nicht dadurch zulässig, dass der Handelnde sich dabei der Hilfe eines Anwalts bedient (BGH NJW 2009, 3242, 3244). Schwierig ist vor allem die Bewertung von solchen (inhaltlich „gemischten“) Rechtsgeschäften, die neben der Wahrnehmung rechtl Interessen auch einen anderen Leistungsinhalt etwa kaufmännisch-wirtschaftl Art haben. In diesen Fällen muss letztlich vor allem mit der durch Art 12 GG geschützten Berufsfreiheit abgewogen werden, ob sich die angebotene Dienstleistung in einer wertenden Gesamtschau (noch) als überwiegend nichtrechtl, etwa wirtschaftliche Interessenwahrnehmung oder im Wesentlichen (schon) als erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung darstellt (vgl zum RBerG BGH NJW 2002, 2877, 2278; 2003, 3046, 3047f; 2005, 969, 970). Diese verfassungsrechtl vorgegebene Abgrenzung liegt letztlich auch § 5 RDG zugrunde, der darauf abstellt, ob die Rechtsdienstleistung als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsbild einer anderen Tätigkeit gehört (vgl BTDrs 16/3655, 51). Daher ist bei gefestigten Berufsbildern mit nur kleinen und leicht beherrschbaren Elementen Arnold
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§ 134
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Rechtsgeschäfte
rechtl Interessenwahrnehmung regelmäßig keine ohne Erlaubnis verbotene Tätigkeit anzunehmen. Teilw entspr den früheren Grundsätzen werden daher auch weiterhin nicht erlaubnispflichtig sein: Überwachung, Mitteilung der Fälligkeit, Berechnung der Höhe und Einzahlung der von Patentinhabern geschuldeten Aufrechterhaltungsgebühren (BVerfGE 97, 12, 16); Rechtsberatung von Kunden durch einen zugelassenen Inkassounternehmer darüber, ob und unter welchen rechtl Gesichtspunkten ihnen die zum Inkasso abgetretene Forderung zusteht (BVerfG NJW 2002, 1190, 1191); Beschaffung von Informationen und Tatsachenmaterial im Rahmen der Erbensuche durch ein Unternehmen oder sonstige berufsmäßige Erbenermittler (BGH NJW 2003, 3046, 3048; s ferner auch zu § 5 RDG BT-Drs 16/3655, 53); Zeichnungsschein mit Vollmacht zur Beschaffung eines Darlehens (BGHZ 167, 223, 228; BGH NZG 2007, 179, 180; NJW-RR 2007, 395); fachtechnische Überprüfung von Architektenleistungen und der Berechnung durch ein Architekturbüro (BGH NJW 2007, 842, 843); Hilfe eines Bausachverständigen bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (Düsseldorf NJW-RR 2006, 562, 563); die gewerbliche Baubetreuung (BGHZ 70, 12, 17; 145, 265, 272); rechtl Beratung zur vorzeitigen Beendigung von Darlehensverträgen durch ein Finanzdienstleistungsunternehmen im Rahmen der Umschuldung (BGH NJW 2012, 1589, 1590); nicht aber ein Geschäftsbesorgungsvertrag zur Abwicklung des Erwerbs eines Grundstücks oder von Wohnungseigentum im Rahmen eines steuerlich begünstigten Bauträger- oder Bauherrenmodells, wenn der Abschluss von Kauf-, Finanzierungs- und Mietgarantievereinbarungen, die dingliche Belastung des Eigentums und ggf die Bildung der WE-Gemeinschaft im Vordergrund stehen (BGHZ 145, 265, 269ff; ferner BGH NJW 2001, 756; 2002, 66, 67; 2002, 2325, 2326; 2007, 1130, 1131; NJW-RR 2007, 395, 396). Entspr gilt für einen Treuhandvertrag, der den Treuhänder nicht primär zur Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange des Treugebers verpflichtet, sondern ihm umfassende Befugnisse zur Vornahme und Änderung von Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit dem Beitritt des Treugebers zu einem geschlossenen Immobilienfonds einräumt (BGH NJW 2001, 3774, 3775; 2003, 1252, 1253). Ebenso handelt es sich nicht um eine bloße Nebenleistung iSd § 5 RDG bei der Einziehung der Forderungen geschädigter Kapitalanleger durch eine Gesellschaft, die die Interessen der geschädigten Anleger bündeln und der Informationsbeschaffung dienen soll (BGH NJW 2013, 59, 61), bei der Patentanmeldung durch einen Entwicklungsingenieur (BGH NJW 2016, 3441, 3442), bei der Anfertigung gerichtlicher Schriftsätze durch einen Hausverwalter für seine Kunden (Düsseldorf NJW-RR 2014, 1387) oder bei Vertretung der Grundstückseigentümer in einem Widerspruchsverfahren gegen die abschlägige Bescheidung einer Bauvoranfrage durch den Architekten (BGH NJW-RR 2021, 1288, 1291). 58a Für die Abgrenzung einer nach § 2 II und § 3 RDG unter Erlaubnisvorbehalt stehenden Inkassodienstleistung zum (erlaubnisfreien) echten Forderungskauf ist maßgeblich, ob die Forderung endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt (BGH NJW 2013, 59, 60; 2015, 397, 398; ZIP 2014, 130, 131; VersR 2017, 277, 279; 2018, 1400, 1404). Ausgehend von diesen Grundsätzen fällt das echte Factoring nicht unter das RDG; Gleiches gilt aber auch für das unechte Factoring, weil die Forderungseinziehung nur Nebenleistung im Rahmen eines Kreditgeschäfts ist und daher nicht § 2 II RDG unterfällt (BGH NJW 2018, 2254, 2256; für eine Anwendung des § 2 II RDG beim Factoring, wenn das wirtschaftliche Risiko nicht voll übernommen wird, dagegen BGH NJW 2015, 397, 398). IÜ kann auch ein Inkassodienstleister, der nach § 10 I Nr 1 RDG registriert ist, gegen § 3 RDG verstoßen, wenn er in erheblichem Maße Tätigkeiten ausübt, die über die ihm erlaubten Inkassodienstleistungen hinausgehen (BGH ZIP 2019, 2465, 2468ff). Dies kann etwa anzunehmen sein, wenn das Unternehmen Rechtsberatung anbietet oder andere Tätigkeiten vornimmt, die nicht mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen (zB Abwehr von Ansprüchen, BGH ZIP 2019, 2465, 2474). Ausgehend von diesen Grundsätzen soll ein registrierter Inkassodienstleister, der seinen Kunden die Möglichkeit gibt, Forderungen gegen ihren Vermieter im Zusammenhang mit der „Mietpreisbremse“ zu berechnen, und der diese sodann für die Kunden unter Freihaltung von sämtlichen Kosten gegen ein Erfolgshonorar durchsetzt, aber noch nicht gegen § 3 RDG verstoßen (BGH ZIP 2019, 2465, 2478ff). Dies gilt auch dann, wenn der Inkassodienstleister zusätzlich die Vermieter aufgefordert hat, in Zukunft die Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen (BGH ZIP 2022, 378, 380; 1923, 1925). Zulässig ist nach § 10 I Nr 1 RDG ein sog „Sammelklage-Inkasso“, bei dem sich der Anbieter Forderungen zur gerichtl Geltendmachung abtreten lässt (BGH NJW 2021, 3046, 3048; MDR 2022, 1541). Dies gilt auch, soweit es sich um Forderungen handelt, die ausl Sachrecht unterfallen (BGH NJW 2022, 3350, 3353). 59 Verneint worden ist eine unerlaubte Rechtsberatung schon nach früherem Recht ferner: Wenn der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage Ansprüche der Wohnungseigentümer mit deren Ermächtigung geltend macht (BGHZ 122, 327, 328f); wenn eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern in Prozessstandschaft bestimmte Ansprüche von Erwerbern von Wohnungseigentum geltend macht (BGH NJW 2007, 1957, 1959; vgl auch BGH NJW 2007, 842, 843); wenn für eine Gesellschaft ein Treuhandgesellschafter bestellt wird (BGH NJW-RR 2006, 1182, 1183); wenn eine Gesellschaft zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen die Führung ihrer Geschäfte – verbunden mit der Erteilung einer umfassenden Vollmacht – einem Geschäftsbesorger überträgt, der selbst nicht Gesellschafter ist (BGH NJW 2004, 839, 840; ZIP 2005, 1361, 1363; NJW 2006, 2980, 2981; NZG 2007, 140, 142 – jew mwN; aA dazu vor allem Ulmer ZIP 2005, 1341, 1345f; vgl auch Altmeppen ZIP 2006, 1, 4; Habersack BB 2005, 1695, 1697; Schimansky WM 2005, 2209, 2210); für den Betrieb einer Telefonhotline, über die bundesweit Rechtsberatung durch Rechtsanwälte eingeholt werden kann (München NJW 1999, 150, 151; vgl dazu aber auch München NJW 2000, 1651, 1652 zu § 1 UWG aF); für die Übernahme der Veröffentlichung von Titelschutzanzeigen in dafür üblichen Veröffentlichungsblättern (BGH NJW 1998, 3563, 3564); für die öffentliche Ausschreibung
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§ 134
eines Auftrags durch ein Bundesland, der die auch rechtl Klärung von Restitutionsansprüchen zum Gegenstand hat (BGH NJW 1999, 497, 498). Bei einem Wirtschaftsprüfer fällt eine rechtl Beratung nicht unter das Verbot, soweit sie im unmittelbaren Zusammenhang mit Aufgaben stattfindet, die zum anerkannten herkömmlichen Berufsbild des Wirtschaftsprüfers gehören (BGH NJW 1988, 561, 562; Koblenz NJW-RR 1998, 1675). Häufig findet sich eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Zusammenhang mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen. Geschäftsbesorgungsverträge, Einziehungsermächtigungen und Forderungsabtretungen, die Schadensersatzansprüche aus Kfz-Unfällen und sonstigen Vorgängen im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, waren unter Geltung des RBerG unwirksam, wenn sie auf eine geschäftsmäßige Durchsetzung des Anspruchs auf fremde Rechnung oder auf eine geschäftsmäßige Schadensregulierung – etwa durch einen Autovermieter (st Rspr seit BGHZ 47, 364, 366 und 61, 317, 320f; BGH NJW 2006, 1804, 1805) oder einen sog Unfallhelferring (vgl dazu Buschbell AnwBl 1994, 108) – abzielten (BGHZ 47, 364, 369; 2003, 1938, 1940). Sie waren gültig, wenn sie auf eigene Rechnung erfolgten, zB wenn die Abtretung im Wesentlichen der Sicherung des Forderungserwerbers = Unternehmers und der Verwirklichung seiner Forderung gegen den Zessionar dienten (BGH NJW 1974, 1246, 1246; 2005, 135f; 2005, 3570; 2006, 1726). Nach dem RDG ist nunmehr gem § 2 I RDG darauf abzustellen, ob es sich um eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten handelt, die eine rechtl Prüfung des Einzelfalls erfordert. Dies dürfte in den genannten Fällen zu bejahen sein. Allerdings ist § 5 RDG zu beachten. Nach dieser Norm soll jetzt die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen zedierten Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten zulässig sein, wenn lediglich die Höhe der Mietwagenkosten unklar ist, nicht aber, wenn die Haftung dem Grunde oder der Haftungsquote nach str ist (BGH NJW 2012, 1005, 1006f; NZV 2013, 31). Dabei ist die Abtretung bereits zulässig, bevor klar ist, wie sich der Unfallgegner bzw dessen Haftpflichtversicherung einlässt, wenn nicht bereits ohne weiteres erkennbar ist, dass die Einziehung der Forderung durch das Mietwagenunternehmen unzulässig ist (BGH NJW 2013, 1870). Die gleichen Grundsätze sollen auch für die Abtretung eines Schadensersatzanspruchs auf Ersatz von Gutachterkosten an den Gutachter selbst gelten (BGH NJW 2018, 455, 456). P Scheckrecht. Eine über Art 4 ScheckG hinausgehende Einlösungsvereinbarung ist gültig (BGH WM 1956, 1293, 1294; BGHZ 64, 79, 81). Gleiches gilt für die schuldrechtl Verpflichtung des Bezogenen, entgegen Art 32 ScheckG einen Widerruf vor Ablauf der Vorlegungsfrist zu beachten (BGHZ 35, 217, 220); insb gilt dies für die Vereinbarung einer Verpflichtung, eine Schecksperre (= Scheckwiderruf) vor Ablauf der Vorlegungsfrist zu beachten (BGH NJW 1988, 3149, 3150; dazu ua Ahlers NJW 1990, 1149 und Huff NJW 1990, 1160). P Schwarzarbeitsgesetz. Auch die Vorschriften zum Verbot der Schwarzarbeit stellen ein Schutzgesetz dar. Rechtsgeschäfte, mit denen diese Bestimmungen missachtet werden, sind nach § 134 nichtig, wenn beide Vertragspartner dem Gesetz bewusst zuwiderhandeln (BGH NJW 2013, 3167, 3168). Bei einem bloß einseitigen Verstoß des Unternehmers ist eine Nichtigkeit des Vertrags dann anzunehmen, wenn der Unternehmer vorsätzlich gegen das Verbot verstößt und der Besteller davon weiß und dies bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt (BGH NJW 2013, 3167, 3168; 2014, 1805; 2015, 2406). Treffen die Parteien nachträgl einen „Ohne-RechnungAbrede“, ist regelmäßig nicht nur die Abänderungsvereinbarung, sondern der gesamte Vertrag unwirksam (BGH NJW 2017, 1808, 1809; Stuttgart NJW 2016, 1394, 1396; aA St. Lorenz NJW 2013, 3132, 3134; Jerger NZBau 2016, 137, 138). Ist der Vertrag nichtig, so kann ein Anspruch aus Vergütung auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag abgeleitet werden (BGH NJW 2014, 1805). Ferner steht dem Unternehmer auch kein bereicherungsrechtl Anspruch zu, weil diesem § 817 S 2 entgegensteht (BGH NJW 2014, 1805ff unter Aufgabe der bisherigen Rspr; ferner BGH NJW 2015, 2406f; s auch Stamm NJW 2014, 2145). Umgekehrt stehen dem Auftraggeber keine Mängelgewährleistungsansprüche zu (BGH NJW 2013, 3167, 3169; 2015, 2406). Bei einem Arbeitsverhältnis, das den Tatbestand der Schwarzarbeit erfüllt, erfasst die Nichtigkeit mit Rücksicht auf die Schutzbedürftigkeit des ArbN idR nur die verbotswidrige Abrede, keine Steuern und/oder Sozialabgaben abzuführen (sofern dies nicht der Hauptzweck der Vereinbarung war), nicht hingegen den eigentlichen Arbeitsvertrag (BAGE 105, 187, 190ff; BAG NZA 2010, 881, 882). P Steuerberatungsgesetz. § 5 I StBerG verbietet die unbefugte geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen. Die Regelung schützt nicht nur die Interessen der ratsuchenden Steuerpflichtigen, sondern darüber hinaus wichtige Gemeinschaftsgüter. Sie ist deshalb Verbotsgesetz iSv § 134. Ein Vertrag, durch den sich eine dazu nach §§ 2ff, 6 StBerG nicht befugte Person zur Hilfeleistung in Steuersachen verpflichtet, ist nichtig (BGH NJW 1996, 1954, 1955; NJW-RR 2005, 1290, 1291 für einen Vertrag mit einem Kontierer iSv § 6 Nr 4 StBerG; Düsseldorf NJOZ 2002, 527). Auch ein Steuerberater kann im Hinblick auf § 64 II StBerG und § 203 I Nr 3 StGB ohne Zustimmung seiner Mandanten weder Honoraransprüche wirksam abtreten noch eine wirksame Verpflichtung zur Honorarabtretung oder zur Übergabe von Handakten, Mandantenunterlagen usw eingehen (vgl BGH NJW 1996, 2087, 2088; Rostock NJOZ 2006, 1263, 1267; BGH NJW 1999, 1544, 1546; Jena MDR 2005, 1180; LG Konstanz NJW 1992, 1241, 1242 für die Abtretung des Honoraranspruchs; Frankfurt DB 2006, 1839 für die Abtretung an eine Sozietät aus Steuerberatern und Rechtsanwälten; München NJW-RR 2001, 1145, 1146 für die Abtretung an eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft). Ebenso führt der Verstoß gegen das für Steuerberater geltende Verbot einer gewerblichen Betätigung (§ 57 IV Nr 1 StBerG) regelmäßig nicht zur Nichtigkeit entsprechender Verträge (s nur BGH
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Rechtsgeschäfte
NJW-RR 2011, 1426f für einen „Beratungsvertrag Sanierung“; NJW 2014, 3568, 3569 für Forderungsabtretungen im Rahmen einer unzulässigen Inkassotätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft). Eine auf eine Steuerstraftat (§§ 369ff AO), insb auf eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder Steuerhehlerei (§ 374 AO), gerichtete Vereinbarung ist nach hM nur dann nichtig, wenn die Steuerstraftat Hauptzweck des Vertrags war (Bsp: BGHZ 14, 25, 30f; 136, 125, 132; BGH NJW 1983, 1843, 1844; 2003, 2742; NJW-RR 2001, 380, 381; 2008, 1051, 1052; BGH NStZ-RR 2022, 279, 280; MüKo/Armbrüster Rn 77; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 437). Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn etwa bei einem Grundstückskaufvertrag oder bei einem Mietvertrag der vereinbarte Preis mit dem Ziel der Steuerersparnis zu niedrig angegeben wird, lässt sich sachgerecht nur nach den Umständen des Einzelfalls entscheiden (BGH NJW 2003, 2742 – für Mietvertrag; für Grundstückskaufvertrag idR verneinend BGH NJW-RR 2002, 1527). Ist ein Vertrag nichtig, weil er auf eine Steuerverkürzung gerichtet war, soll die Rückforderung der erbrachten Leistung nach § 817 S 2 nur insoweit ausgeschlossen sein, wie diese die Gegenleistung für die steuerverkürzende Abrede bilden sollte (BGH DStR 2017, 163, 167). P Strafrecht. Vereinbarungen, die auf die gemeinsame Begehung einer Straftat oder auf die strafbare Teilnahme eines Vertragsteils an einer Straftat des anderen Vertragsteils zum Nachteil der Allgemeinheit oder eines Dritten abzielen, sind in aller Regel als beiderseitige Verletzung des allg in den Strafgesetzen liegenden Verbots, Straftaten zu begehen, gem § 134 unwirksam (BeckOGK/Vossler Rn 322). Ferner sind nicht alle (BGHZ 53, 152, 157), aber doch die meisten Strafnormen nach ihrer Zweckbestimmung inhaltlich Verbotsgesetze iSv § 134. Ein strafbewehrtes Verbot führt aber grds nur dann zur Nichtigkeit des mit dem Inhalt der Verbotsnorm unvereinbaren Rechtsgeschäfts insg, wenn der Straftatbestand von allen Vertragsbeteiligten obj und subj erfüllt wird (BGHZ 89, 369, 373; 115, 123, 125; 132, 313, 318). Verstößt hingegen nur ein Vertragsteil mit einem Vertrag gegen ein Strafgesetz, ist zu unterscheiden: Nichtigkeit tritt allein dann ein, wenn der Verbotszweck nur so erreicht werden kann. Keine Nichtigkeit ist idR anzunehmen, wenn das strafbare Verhalten des einen Teils für den anderen Teil eine Möglichkeit eröffnet, sich einseitig vom Vertrag zu lösen (Bsp: Anfechtbarkeit aus § 123 bei Betrug; anders, wenn zwei zum Nachteil eines Dritten einen Betrug vereinbaren, vgl Karlsruhe DAR 1990, 183, 184; MüKo/ Armbrüster Rn 70; BeckOGK/Vossler Rn 325); in diesen Fällen überlässt das Gesetz dem durch die Straftat benachteiligten Vertragspartner durch § 123 die Entscheidung, ob der Vertrag gelten soll oder nicht (teilw aM für einen Submissionsbetrug München NJW-RR 2002, 886, 887). Anwendungsbsp: Verträge, die eine wegen eines Berufsverbotes nach § 70 StGB verbotene Tätigkeit zum Inhalt haben, sind ungültig, da sie gegen § 145c StGB verstoßen (Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 443). Zu § 168 StGB als Verbotsgesetz vgl BGH NJW 1994, 2613 – Vertrag über die Bergung eines gesunkenen U-Bootes. Die Veräußerung einer unterschlagenen oder veruntreuten Sache (§§ 246, 266 StGB) an einen Gutgläubigen ist wirksam (RGZ 78, 347, 353); dagegen ist schon das Verpflichtungsgeschäft nichtig, wenn der Erwerber Hehler (§ 259 StGB) ist oder zu der vorausgegangenen Unterschlagung oder Untreue Beihilfe geleistet hat (MüKo/Armbrüster Rn 70; Soergel/Meier Rn 161). Eine mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB) in einer Vertragsurkunde führt ebenfalls nicht zur Nichtigkeit des Vertrags (RG HRR 1931 Nr 579). Ein Rechtsgeschäft, das wegen Gläubigerbegünstigung oder Schuldnerbegünstigung unter §§ 283c oder 283d StGB oder wegen Zwangsvollstreckungsvereitelung unter § 288 StGB fällt und nach den Sonderregeln der §§ 129ff InsO, §§ 1ff AnfG angefochten werden kann, ist idR nicht nach § 134 nichtig (vgl für die Gläubigerbenachteiligung BGH NJW-RR 2002, 1359, 1361; 2007, 121; MüKo/Armbrüster Rn 79; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 456). IÜ sind aber wegen Verstoßes gegen § 288 StGB Vereinbarungen nichtig, die darauf abzielen, eine Zwangsvollstreckung zu vereiteln (vgl RGZ 142, 373, 377; Schleswig SchlHA 1957, 96; MüKo/Armbrüster Rn 79), sofern nicht ein Gutgläubiger beschenkt wird (Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 456 mwN). Ungültig ist ein Vertrag, der gegen § 284 StGB verstößt (Nürnberg MDR 1978, 669; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 455; zur Abgrenzung BGHZ 47, 393, 397f – keine Nichtigkeit bei Verstoß gegen Auflagen oder Zulassungsbedingungen). Eine wucherische Vereinbarung unter Verstoß gegen § 291 StGB ist idR nur ungültig, wenn entweder die Leistung des Bewucherten nicht teilbar ist oder eine Beschränkung der Nichtigkeit auf den über das höchstzulässige Maß hinausgehenden Teil seiner Leistung im Einzelfall nicht in Betracht kommt (Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 456). Nichtig sind die einer Bestechung oder unzulässigen Vorteilsannahme (§§ 331ff, 299ff StGB) dienenden Rechtsgeschäfte (BGHZ 141, 357, 359; BGH NJW 2018, 2412, 2413; Soergel/Meier Rn 183; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 458f). P UWG. Rechtsgeschäfte, die selbst zu unlauterem Wettbewerb unter Verstoß gegen zwingende Verbote etwa des UWG verpflichten, sind regelmäßig nach § 134 nichtig (Bsp: BGHZ 110, 156, 175; 141, 357, 360f; BGH NJW 1998, 2531, 2533; München AfP 1995, 655, 656; NJW-RR 2006, 768f; Stuttgart BB 1996, 2060; NJW-RR 1997, 236, 237; MüKo/Armbrüster Rn 93; Staudinger/Fischinger/Hengstberger Rn 476; Körner WRP 1979, 774, 775; Sack WRP 1974, 445, 447; vgl auch BGH NJW 2002, 2093, 2094f). Dagegen sind Rechtsgeschäfte, die mit Hilfe wettbewerbsrechtl unlauteren Verhaltens zustande kommen („Folgeverträge“), nicht ohne weiteres unwirksam; das gilt insb, wenn das Verbotsgesetz, wie es die Regel ist, nicht gerade den Abschluss von Rechtsgeschäften mit diesem Inhalt verhindern will (Bsp: BGHZ 110, 156, 174f; 123, 330, 336;Staudinger/Fischinger/ Hengstberger Rn 477); Voraussetzung für eine Nichtigkeit gem § 134 aus wettbewerbsrechtl Gründen ist in diesen Fällen, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens innewohnt (BGHZ 110, 156, 175; BGH NJW 1998, 2531, 2532; 1999, 2266, 2267).
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Willenserklärung
§ 136
P Vergaberecht. Im Vergaberecht (§§ 97ff GWB; VgV) führen materielle oder verfahrensmäßige Rechtsverstöße 70 regelmäßig nicht zur Anwendung von § 134. Ihre Auswirkungen sind vielmehr in Nachprüfungsverfahren von den Vergabekammern (§§ 155ff GWB) und den zuständigen Gerichten (§ 171 GWB) zu klären. Denkbar ist, dass eine Bietergemeinschaft vom Wettbewerb ausgeschlossen wird, wenn der Zusammenschluss etwa gegen § 1 GWB verstößt und daher gem § 134 unwirksam ist (vgl BGH NZBau 2006, 809 mwN; Düsseldorf NZBau 2006, 810; Byok NJW 2004, 198, 200; Kämper/Hesshaus NZBau 2003, 303 und Wiedemann ZfBR 2003, 240, 241). Während des Vergabeverfahrens und des Verfahrens vor der Vergabekammer gelten zur (EU-rechtl gebotenen, vgl EuGH NJW 2000, 569, 570) Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes für unterlegene Bieter befristete Zuschlagsverbote (§ 134 GWB für das Vergabeverfahren; § 169 GWB für das Verfahren vor der Vergabekammer). Verbotswidrig vergebene Aufträge sind nichtig; allerdings wird in § 135 GWB die Nichtigkeitsfolge unmittelbar angeordnet und von einer Feststellung des Verstoßes im Nachprüfungsverfahren abhängig gemacht. Nichtigkeit nach § 134 (oder § 138) kann im Einzelfall aber begründet sein, wenn durch wettbewerbsbeschränkende Abreden bei der Ausschreibung strafbar oder in kollusivem Zusammenwirken gehandelt wird (§§ 263, 298 StGB; Bsp: BGH NJW 2001, 3718, 3719; München NZBau 2002, 509, 510; Portz VergabeR 2002, 211, 218). P Versicherungsrecht. Auch ein Versicherungsvertrag kann wegen Verstoßes gegen ein gesetzl Verbot nichtig 71 sein. Das Schwergewicht der Inhaltskontrolle von Versicherungsverträgen liegt in der Rechtspraxis aber nicht bei der Prüfung von Verbotsgesetzen iSv § 134, sondern im AGB-Recht. Verstöße gegen das in § 48b VAG geregelte Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot haben gem Abs I S 3 der Vorschrift die Unwirksamkeit entspr Absprachen zur Folge (MüKo/Armbrüster Rn 95). – Zur Wirksamkeit der Vereinbarung einer Gebäudeversicherung trotz Vermögensbeschlagnahme nach § 290 StPO Düsseldorf NJW-RR 2004, 468. P Versteigerung. Unwirksam ist ein Vertrag über eine Versteigerung ohne die nach § 34b I GewO erforderliche 72 Genehmigung (Hamm NJW-RR 1994, 546, 547; vgl zur Abgrenzung – keine Nichtigkeit bei Verletzung von Vorschriften für die Versteigerung RGZ 60, 273, 275; BGH NJW 1981, 1204, 1205; Celle NJW 1969, 1764, 1765).
§ 135
Gesetzliches Veräußerungsverbot
(1) Verstößt die Verfügung über einen Gegenstand gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt, so ist sie nur diesen Personen gegenüber unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt. (2) Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung. Zu § 135 s die Erl in § 136 Rn 1ff.
§ 136
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Behördliches Veräußerungsverbot
Ein Veräußerungsverbot, das von einem Gericht oder von einer anderen Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen wird, steht einem gesetzlichen Veräußerungsverbot der in § 135 bezeichneten Art gleich. 1. Allgemeines. Die §§ 135f regeln über ihren Wortlaut hinaus nicht nur die Rechtsfolgen von Veräußerungs- 1 verboten, sondern allg von – praktisch freilich kaum vorkommenden (s Rn 5) – gesetzl und behördlichen relativen Verfügungsverboten (allg M). Diese dienen dem Schutz bestimmter (einzelner) Personen. Deshalb ist die Verfügung, die gegen ein solches Verbot verstößt, nur ggü den geschützten Personen unwirksam, ggü anderen aber wirksam; sie ist also nach §§ 135, 136 relativ unwirksam. 2. Abgrenzung. a) Absolute Verfügungsverbote. Nicht anwendbar sind die § 135f auf absolute Verfügungs- 2 verbote. Sie dienen idR dem Schutz überragender Interessen der Allgemeinheit und verbieten mit ihnen unvereinbare Rechtsgeschäfte; sie wirken ggü jedermann. Deshalb ist eine Verfügung, die gegen ein absolutes Veräußerungsverbot verstößt, nach § 134 nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt (BGHZ 19, 355, 359; BGH NJW 1983, 636). Bsp für absolute Verfügungsverbote bilden etwa § 111b StPO, § 290 StPO (Düsseldorf NJW-RR 2004, 468), §§ 43, 50–52 AMG (MüKo/Armbrüster § 135 Rn 9), § 3 BtMG und § 55 III 3 BNotO (BGH NJW 2006, 294, 296). Auch § 81 InsO enthält ein absolutes Verfügungsverbot (s nur MüKo-InsO/Vuia § 81 Rn 13); dasselbe gilt für § 88 InsO (BGH NJW 2006, 1286f). Als absolute Verfügungsverbote werden insb von der Rspr auch die §§ 1365, 1369 angesehen (s nur BGHZ 40, 218, 219f; s auch § 1365 Rn 41, § 1369 Rn 12). Demggü wird in der Lit vielfach angenommen, es handele sich um sog Verfügungsbeschränkungen (s Rn 3), da durch die Regelungen nicht das Allgemeininteresse geschützt werde (MüKo/Armbrüster § 135 Rn 22; Medicus/ Petersen AT Rn 670). Praktische Konsequenzen hat die Kontroverse freilich nicht, da die §§ 1366f die Rechtsfolgen von gegen §§ 1365, 1369 verstoßenden Verfügungen gesondert regeln. b) Verfügungsbeschränkungen. Von den relativen Verfügungsverboten zu unterscheiden sind auch die sog 3 Verfügungsbeschränkungen, die zwar nur dem Schutz individueller Interessen dienen, aber – im Gegensatz zu den relativen Verfügungsbeschränkungen – absolut wirken, weil dem Verfügenden die erforderliche Verfügungsmacht fehlt. Eine dagegen verstoßende Verfügung ist absolut unwirksam; nicht nur der Geschützte, sondern jedermann kann sich auf die Unwirksamkeit berufen. Hierher gehören zB die Verfügungsbeschränkungen der Eltern (§§ 1643ff), des Vormunds (§ 1798), des Vorerben (§ 2113) und des Erben bei Testamentsvollstreckung Arnold
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Rechtsgeschäfte
(§ 2211; BGHZ 48, 214, 219). Auch §§ 717, 719 (§§ 711, 711a nF), die Verfügungen eines Gesellschafters über seine Mitgliedschaftsrechte an einer Personengesellschaft oder über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausschließen, stellen Verfügungsbeschränkungen dar (BGHZ 13, 179, 183; 24, 106, 114). Gleiches gilt für Verfügungen über vereinbarungsgemäß nicht abtretbare Forderungen oder Rechte, §§ 399, 413 (BGHZ 56, 228, 231; Jauernig/Mansel Rn 3). c) Verpflichtungsbeschränkungen. Erst recht nicht von §§ 135f erfasst werden Verpflichtungsbeschränkungen, wie sie zB § 311b II, IV für Verträge über künftiges Vermögen oder den Nachlass eines lebenden Dritten vorsehen. Soweit in den Fällen des § 311b IV auch das Verfügungsgeschäft unwirksam ist (s nur BGHZ 37, 319, 324f), beruht dies darauf, dass Verfügungen über den Nachlass eines Dritten zu dessen Lebzeiten nach den Grundsätzen des BGB von vornherein ausgeschlossen sind; mit § 135 hat daher auch dieser Fall nichts zu tun (vgl MüKo/Armbrüster § 135 Rn 14). 3. Relative Verfügungsverbote. a) Gesetzliche Verfügungsverbote. Relative Veräußerungsverbote können auf Gesetz (§ 135) oder auf gerichtlicher bzw behördlicher Anordnung (§ 136) beruhen; durch Rechtsgeschäft können sie dagegen nicht begründet werden. Gesetzl relative Verfügungsverbote sind freilich äußerst selten. Zwar stellen etwa die §§ 1124ff relative Verfügungsverbote dar; doch enthalten sie zugleich eigene Regelungen hinsichtl der Rechtsfolgen, so dass für die Anwendung des § 135 kein Raum bleibt. Letztlich wird für das BGB eine Anwendung des § 135 allein im Hinblick auf § 473 diskutiert (s RGZ 114, 105, 111; Grü/Weidenkaff § 473 Rn 2; aA MüKo/Armbrüster § 135 Rn 16f). Auch außerhalb des BGB sind relative Veräußerungsverbote äußerst selten: Als Bsp werden etwa §§ 17, 108 VVG genannt (Medicus/Petersen AT Rn 671; Prölss/Martin/Lücke § 108 VVG Rn 15). b) Behördliche Verfügungsverbote. Der Hauptanwendungsbereich der §§ 135, 136 liegt daher bei den gerichtlichen oder behördlichen Verfügungsverboten. Die wichtigsten Bsp bilden die Beschlagnahmen im Zwangsvollstreckungsrecht (§§ 829, 857 ZPO, s BGHZ 58, 25, 26; 100, 36, 45; BGH NJW 1998, 746; 2007, 81) sowie nach ZVG (§§ 23, 146 ZVG, s BGH NJW 1997, 1582), die Zahlungssperre nach § 480 FamFG und die einstw Verfügungen (vgl § 938 II ZPO), durch die ein relatives Veräußerungsverbot ausgesprochen wird. In Betracht kommen auch entspr strafprozessuale Maßnahmen gem § 111d I, § 111h I StPO und § 75 III StGB, etwa die Beschlagnahme von Geld (Düsseldorf NJW 1995, 2239) oder von Wertpapieren (Düsseldorf NJOZ 2004, 1213, 1218). Auch die vorläufige Untersagung gem § 15 I 2 iVm § 172 II BauGB stellt ein behördliches Veräußerungsverbot iSv § 136 BGB dar (BG NJW-RR 2020, 395, 397). c) Entsprechende Anwendung auf Erwerbsverbote. Gesetzl Erwerbsverbote sieht das BGB nicht vor. Dagegen werden gerichtliche Erwerbsverbote von der Rspr (RGZ 117, 287, 291; 120, 118, 119; BGH NJW 1983, 565) zugelassen (ebenso MüKo/Armbrüster § 136 Rn 11f; aA Flume AT II § 17, 6e; Medicus/Petersen AT Rn 665; Staudinger/Kohler § 136 Rn 49ff). Sie sollen zB verhindern, dass der Grundstückskäufer bei einem formnichtigen Kaufvertrag und bereits erfolgter Auflassung als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wird, wodurch der Formmangel des Kaufvertrags nach § 311b I S 2 geheilt würde. Durch einstw Verfügung (§§ 935, 938 ZPO) wird dem Käufer verboten, das Grundstück zu erwerben. Das Verbot bildet ein Eintragungshindernis (BayObLG NJW-RR 1997, 913, 914). Wird der Käufer dennoch als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen, so ist in entspr Anwendung der §§ 135, 136 der Erwerb des Eigentums dem durch das Verbot geschützten Verkäufer ggü relativ unwirksam; das gilt auch für die Heilung des Kaufvertrags (RGZ 117, 287, 294). 4. Folgen relativer Unwirksamkeit. Besteht kraft Gesetzes, gerichtlicher oder behördlicher Anordnung ein relatives Veräußerungs- oder Verfügungsverbot, so darf der Rechtsinhaber über den Gegenstand nicht zum Nachteil des durch das Verbot Geschützten verfügen. Tut er es doch, ist die Übereignung ggü jedermann wirksam, ggü dem Geschützten jedoch unwirksam. Die Verbotswirkung endet und die verbotswidrige Verfügung wird in vollem Umfang wirksam, wenn das Verbot aufgehoben wird, der von ihm Geschützte die Verfügung genehmigt oder das durch das Verbot geschützte Recht entfällt (BGH NJW 1997, 1581, 1582; 2007, 81; BeckOGK/Muthorst § 135 Rn 204ff; Staudinger/Kohler § 135 Rn 82f). Verpflichtungsgeschäfte über den Gegenstand, der einem relativen Verfügungsverbot unterliegt, sind wirksam. Werden sie nicht erfüllt, kommen Ansprüche wegen Nichterfüllung in Betracht. Auch Verfügungsgeschäfte über den Gegenstand, der einem relativen Verfügungsverbot unterliegt, sind trotz des Verbots möglich. Dieses bewirkt keinen Verlust der Verfügungsmacht und – selbst wenn es im Grundbuch eingetragen ist – keine Grundbuchsperre (BGH NJW 1997, 1581, 1582; NJW-RR 2020, 395, 397). Durch die verbotswidrige Verfügung treten die gewöhnlichen Wirkungen der Verfügung ein, so dass der Erwerber Eigentümer der Sache oder Inhaber des Rechts wird. Die Verfügung ist aber relativ, dh nur dem Geschützten ggü, unwirksam (anders beim gutgläubigen Erwerb; vgl Rn 12ff). Über die Geltendmachung der relativen Unwirksamkeit ergibt sich aus §§ 135f nichts. Ein direktes Vorgehen des Geschützten gegen einen nicht gutgläubigen Dritten, der durch eine verbotswidrige Verfügung ggü dem Geschützten relativ unwirksam erworben hat, wird jedoch abgelehnt (s nur BGHZ 111, 364, 368; NK/Looschelders § 135 Rn 25f). Vielmehr muss der Geschützte gegen den verbotswidrig Verfügenden vorgehen. Gegen diesen hat der Geschützte regelmäßig aufgrund des zw beiden bestehenden Rechtsverhältnisses (zB Kaufvertrag) weiterhin einen Anspruch auf Übertragung des Rechts, da wegen der relativen Unwirksamkeit der Verfügende im Verhältnis zum Geschützten immer noch Inhaber des Rechts ist. Der Verfügende hat daher die ihm verbliebene Rechtsmacht auf den Geschützten zu übertragen. Hierzu soll bei beweglichen Sachen eine dingliche Einigung zw dem 412
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§ 137
Verfügenden und den Geschützten genügen; dagegen soll die Abtretung von – ohnehin idR nicht gegebenen – Ansprüchen gegen den Erwerber gem § 931 nicht erforderlich sein (BGHZ 111, 364, 368; BeckOGK/Muthorst § 135 Rn 184; anders Erman/Palm12 Rn 10 und Staudinger/Kohler § 135 Rn 141, der annimmt, ein entspr Anspruch des Verfügenden gegen den Erwerber folge aus leistungsstörungsrechtl Grundsätzen; krit auch Jauernig/ Mansel Rn 6). Sodann kann der Geschützte vom Dritten die Herausgabe der Sache verlangen. Ist über ein Grundstück relativ unwirksam verfügt worden, kann der Geschützte vom Verfügenden die Auflassung verlangen, und er hat gegen den Erwerber einen Anspruch auf Zustimmung zu seiner Eintragung und zur Löschung des Erwerbs (§ 888 II; BeckOGK/Muthorst § 135 Rn 190; Grü/Ellenberger Rn 7). Bei der verbotswidrigen Abtretung einer Forderung kann der Geschützte von dem Verfügenden, der trotz der Abtretung ihm ggü noch Inhaber der Forderung ist, Abtretung der Forderung verlangen (NK/Looschelders § 135 Rn 29). Hat allerdings der Schuldner, der das Verfügungsverbot nicht kannte, inzwischen an den, der durch die verbotswidrige Verfügung relativ unwirksam erworben hat, geleistet, wird er in analoger Anwendung der §§ 407f geschützt (BGHZ 86, 337, 339; Staudinger/Kohler § 135 Rn 88; Flume AT II § 17, 6d). Den Verfügungsgeschäften stehen Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung und der Arrestvollziehung gleich (§ 135 I 2, § 136). Die Zwangsvollstreckungsmaßnahme, die gegen ein Verfügungsverbot verstößt, ist relativ unwirksam. Der Geschützte hat nach § 772 ZPO die Möglichkeit, Drittwiderspruchsklage zu erheben (§ 771 ZPO). Daneben soll auch die Erinnerung (§ 766 ZPO) zulässig sein (NK/Looschelders § 135 Rn 17; MüKo/Armbrüster § 135 Rn 42). Im Insolvenzverfahren ist nach § 80 II 1 InsO ein Verfügungsverbot dagegen wirkungslos. 5. Gutglaubensschutz des Erwerbers (§ 135 II). a) Grund. Die relative Unwirksamkeit kann den Interessen dessen zuwiderlaufen, der durch eine verbotswidrige Verfügung erwirbt. Wenn das Gesetz schon denjenigen schützt, der gutgläubig vom Nichtberechtigten erwirbt, dann muss erst recht derjenige geschützt werden, der vom Berechtigten, dessen Verfügung nur relativ unwirksam ist, erwirbt. Deshalb sind nach § 135 II die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§ 892f, 932ff, 1032, 1138, 1155, 1207, 1244; § 366 HGB) entspr anwendbar. b) Voraussetzungen. Es muss sich um einen rechtsgeschäftlichen Erwerb handeln. § 135 II ist also nicht bei einem Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung anwendbar, da das Gesetz für solche Fälle keinen Gutglaubensschutz vorsieht (RGZ 90, 335, 338; Grü/Ellenberger Rn 9; aA Soergel/Meier Rn 41; NK/Looschelders § 135 Rn 31f; MüKo/Armbrüster § 135 Rn 51). Wie in jedem Fall des gutgläubigen Erwerbs ist ein Verkehrsgeschäft erforderlich. Der Erwerber muss gutgläubig in Bezug auf das Nichtbestehen des relativen Verfügungsverbots sein (RGZ 90, 335, 338). Demnach schadet beim Erwerb von Rechten an beweglichen Sachen Kenntnis und grobfahrlässige Unkenntnis (vgl §§ 932ff, 1032, 1207, 1244; § 366 HGB), beim Erwerb von Grundstücken oder Grundstücksrechten aber nur positive Kenntnis (vgl §§ 892, 893, 1138, 1155). Ein gutgläubiger Erwerb von Grundstücken oder Grundstücksrechten kann durch Eintragung des relativen Verfügungsverbots im Grundbuch ausgeschlossen werden (§ 892 I 2). Dies gilt auch für das behördliche relative Verfügungsverbot nach § 15 I 2 iVm § 172 II BauGB (KG NJW-RR 2021, 946). Für das ZVG kommt es auf die Kenntnis der Beschlagnahme an, der die Kenntnis des Versteigerungsantrags gleichsteht (vgl § 23 II ZVG).
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Rechtsgeschäftliches Verfügungsverbot
Die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung, über ein solches Recht nicht zu verfügen, wird durch diese Vorschrift nicht berührt. 1. Bedeutung. S 1 soll den numerus clausus der Sachenrechte und die Zwangsvollstreckung sichern (ein- 1 gehend dazu BGHZ 134, 182, 186). Die Vorschrift soll verhindern, dass Gegenstände durch Rechtsgeschäft dem Rechtsverkehr entzogen werden. Damit dient sie der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit; im Rechtsverkehr muss man sich darauf verlassen können, dass der Rechtsinhaber an der Verfügung über das Recht zumindest durch Parteivereinbarung nicht wirksam gehindert ist. Ferner soll durch die Vorschrift vermieden werden, dass der Schuldner durch Vereinbarung eines Verfügungsverbots mit einem Dritten Vermögensstücke dem Zugriff des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung entzieht (Staudinger/Kohler Rn 11). Dagegen schützt die Vorschrift nicht auch die Verfügungsfreiheit des Inhabers (BGHZ 134, 182, 186; NK/Looschelders Rn 4; aA BayObLG NJW 1978, 700, 701; Grü/Ellenberger Rn 1), denn S 1 verbietet eine Verfügungsbeschränkung nur mit Wirkung gegen Dritte; dagegen ist nach S 2 eine bloß schuldrechtl Verpflichtung, nicht zu verfügen, wirksam. Eine Verletzung dieser Verpflichtung kann einen Schadensersatzanspruch gegen den Verfügenden auslösen. Nach § 137 kann also nicht das rechtl Können, wohl aber das rechtl Dürfen durch Rechtsgeschäft beschränkt werden. 2. Unzulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkung (S 1). a) Voraussetzungen. Die Vor- 2 schrift erfasst grds alle veräußerlichen Rechte, auch Anwartschaftsrechte (BGH NJW 1970, 699; Liebs AcP 175, 1, 41). Kraft Gesetzes unveräußerliche Rechte wie das Vorkaufsrecht (§ 473), der Nießbrauch (§ 1059), eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§ 1092 I) und eine Vereinsmitgliedschaft (§ 38 S 1) werden dagegen von der Vorschrift nicht erfasst. Gleiches gilt auch für den Anspruch auf eine Dienstleistung, wenn dieser – wie im Zweifel (§ 613 S 2) – nicht übertragbar ist. Unzulässig sind nach § 137 S 1 rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen. Zu den Rechtsgeschäften gehö- 3 ren dabei auch die Verfügungen von Todes wegen (BeckOGK/Muthorst Rn 49; MüKo/Armbrüster Rn 13; s auch Arnold
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Rechtsgeschäfte
KG ZEV 2022, 406, 408; vgl aber Rn 5). Auf Verfügungsbeschränkungen kraft Gesetzes oder gerichtlicher bzw behördlicher Anordnung (§§ 135f) findet § 137 keine Anwendung. Ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Erwerbsverbot fällt nicht unter § 137 S 1 (Koblenz NJW-RR 2005, 570). b) Folgen. Rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote mit dinglicher Wirkung gegen Dritte sind nichtig. Die Nichtigkeit kann über § 139 auch zur Nichtigkeit der mit dem Verfügungsverbot verknüpften Verfügung selbst führen (BGH NJW 1993, 1640). Die verbotswidrige Verfügung ist wirksam. Der Dritte erwirbt trotz des Verbots und unabhängig von seinem guten oder bösen Glauben in Bezug auf das Verbot. c) Spezialnormen. Nach § 399 kann die Abtretung einer Forderung durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. Eine vereinbarungswidrige Abtretung ist absolut unwirksam (BGHZ 102, 293, 301; zur Frage, ob hierin eine wirkliche Ausnahme von § 137 liegt MüKo/Armbrüster Rn 20; rechtspolitisch krit Stamm JZ 2022, 1093ff). Das gilt auch für eine Vereinbarung, dass eine Hypothek oder Grundschuld nicht oder nur beschränkt übertragbar sein soll; hier sind §§ 413, 399, nicht § 137 S 1 einschlägig (Stuttgart OLG 1965, 96, 97; Staudinger/Kohler Rn 21). Im Erbrecht werden Verfügungsbeschränkungen durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung (§ 2211) sowie einer Vor- und Nacherbschaft (§§ 2113ff), nicht dagegen andere Verfügungsbeschränkungen zugelassen. Der Erblasser kann etwa nicht wirksam ausschließen, dass Vor- und Nacherbe oder Testamentsvollstrecker und Erbe gemeinsam über einen Nachlassgegenstand verfügen (BGHZ 40, 115, 118; 56, 278, 280). Im Wohnungseigentumsrecht kann nach § 12 WEG vorgesehen werden, dass die Veräußerung des Wohnungseigentums der Zustimmung der anderen Eigentümer oder eines Dritten bedarf (vgl zur Abweichung von § 137 nur BGH NZM 2019, 542, 542); eine entspr Regelung enthält § 35 WEG für die Veräußerung des Dauerwohnrechts. Bei einem Erbbaurecht kann die Veräußerung von der Zustimmung des Grundstückseigentümers abhängig gemacht werden (§ 5 ErbbauRG). Schließlich können im Gesellschaftsrecht auch § 68 II AktG, § 15 V GmbHG als Abweichungen vom Grundsatz des § 137 verstanden werden (s MüKo/Armbrüster Rn 23). d) Einzelfälle. Beim Treuhandverhältnis ist ein Verfügungsverbot oder eine Verfügungsbeschränkung des Treuhänders wegen Verstoßes gegen § 137 S 1 unwirksam (BGHZ 11, 37, 43; BGH NJW 1968, 1471; BB 1982, 890, 891; MüKo/Armbrüster Rn 18; Henssler AcP 196, 37, 66; aM Schlosser NJW 1970, 681, 684f; Assfalg NJW 1970, 1902). Eine Verfügung des Treuhänders ist daher auch dann wirksam, wenn der Erwerber die Abrede zw Treuhänder und Treugeber kennt (BGH NJW 1968, 1471; MüKo/Armbrüster Rn 18; Medicus/Petersen BürgR Rn 502; Henssler AcP 196, 37, 68; aA unter Heranziehung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht etwa Gruber AcP 202, 435ff; Kötz NJW 1968, 1471f). Zulässig ist nur eine Verpflichtung des Treuhänders ggü dem Treugeber, über das Treugut nicht oder nur in bestimmter Weise zu verfügen (S 2). Eine verdrängende unwiderrufliche Vollmacht oder Verfügungsermächtigung verstößt wegen der dinglichen Bindungswirkung gegen § 137 S 1 (BeckOK/Wendtland Rn 11; Soergel/Meier Rn 16; Flume AT II § 53, 6; Medicus/Petersen AT Rn 936). Ebenso bleibt eine Sperrkonto-Abrede, wonach ein Kontoinhaber nur mit Zustimmung eines Dritten über die Guthabenforderung verfügen kann, wegen S 1 ohne dingliche Wirkung (Grü/Ellenberger Rn 2; Kollhosser ZIP 1984, 389, 391ff). Dagegen verstößt eine auflösende Bedingung für den Fall einer vereinbarungswidrigen Verfügung mit der Folge, dass das Recht bei Eintritt der Bedingung an den Übertragenden zurückfällt, nicht gegen § 137 (BeckOGK/Muthorst Rn 52; MüKo/Armbrüster Rn 15; Soergel/Meier Rn 16; Kohler DNotZ 1989, 339ff; aA Erman/Palm12 Rn 5; Flume AT II § 17, 7; diff Medicus/Petersen AT Rn 852). Zulässig ist bei Grundstücken auch die Vereinbarung eines durch eine unzulässige Verfügung aufschiebend bedingten, durch Vormerkung gesicherten Rückübereignungsanspruchs (BGHZ 134, 182, 186f; BayObLG NJW 1978, 700; DNotZ 1996, 374, 377; Düsseldorf OLG 1984, 90, 91; NK/Looschelders Rn 16; aA Erman/Palm12 Rn 9). Eine derartige Abrede kann nicht nur mit der Übertragung eines Grundstücks, sondern auch mit einem Erbvertrag verbunden werden, um zu verhindern, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten über das Grundstück verfügt (vgl den Fall BGH NJW 2011, 224). 3. Zulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung, nicht zu verfügen (S 2). a) Allgemeines. Zulässig sind nach S 2 regelmäßig Abreden, in denen sich der Rechtsinhaber – lediglich schuldrechtl – verpflichtet, nicht über ein Recht zu verfügen. Sie erklärt das Gesetz allein in den Fällen des § 1136 (Verpflichtung des Eigentümers ggü dem Hypothekengläubiger, das belastete Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten) und § 2302 (Beschränkungen der Testierfreiheit) für unzulässig. Regelmäßig bedürfen Vereinbarungen, in denen sich ein Teil verpflichtet, über ein Recht nicht zu verfügen, keiner besonderen Form; das gilt auch dann, wenn die Unterlassungsverpflichtung ein Grundstück betrifft (BGHZ 103, 235, 238; BGH NJW 1963, 1602, 1603). Abw soll nur ausnahmsw gelten, wenn die Verpflichtung, nicht zu verfügen, mit einem formbedürftigen Geschäft eine rechtl Einheit bildet (BGH FamRZ 1967, 470; Grü/Ellenberger Rn 5). Eine gesetzl Regelung hinsichtl der Höchstdauer eines schuldrechtl Verfügungsverbots besteht nicht. Ein Verfügungsverbot wird daher nicht nach 30 Jahren unwirksam (BGH NJW 2012, 3162, 3163; aA MüKo/Armbrüster Rn 27). Grenzen für schuldrechtl Verfügungsverbote können sich allerdings aus § 138 I ergeben (s BGH NJW 2012, 3162, 3164). b) Einzelfälle. Der Vermieter kann sich ggü dem Mieter verpflichten, das vermietete Grundstück nicht an einen Dritten zu veräußern (BGH DB 1958, 1070). Auch die schuldrechtl Verpflichtung des Vorbehaltskäufers ggü dem Verkäufer, über das Anwartschaftsrecht nicht zu verfügen, ist wirksam (BGH NJW 1970, 699). Zwar wird durch einen Erbvertrag das Recht des Erblassers, über sein Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen, nicht beschränkt (§ 2286); der Erblasser kann sich aber schuldrechtl verpflichten, über Vermögensgegenstände auch unter Lebenden nicht zu verfügen (BGHZ 31, 13, 19; BGH NJW 1963, 1602, 1603). Wirk414
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Willenserklärung
§ 138
sam ist auch die schuldrechtl Verpflichtung des Treuhänders ggü dem Treugeber, über das Treugut nicht oder nur in bestimmter Weise zu verfügen. c) Folgen. Die wirksame Verpflichtung begründet einen Unterlassungsanspruch des Gläubigers gegen den 9 Schuldner der Unterlassungspflicht. Verletzt der Schuldner diese Verpflichtung, ist die Verfügung zwar wirksam; der Schuldner haftet dem Gläubiger der Unterlassungspflicht aber auf Schadensersatz (BGHZ 31, 13, 19; Medicus/Petersen AT Rn 677). Ansprüche des Gläubigers ggü dem Erwerber des Gegenstandes bestehen dagegen grds nicht. Abw gilt allein dann, wenn der Erwerber sich selbst iSv § 137 S 2 verpflichtet hat (Köln NJW-RR 1996, 327) oder die Voraussetzungen des § 826 gegeben sind. Möglich ist auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zw Schuldner und Gläubiger. Der Unterlassungsanspruch des Gläubigers soll durch ein Verfügungsverbot im Wege der einstw Verfügung 10 (§§ 935ff ZPO) gesichert werden können (BGH LM Nr 2; BGHZ 134, 182, 187; BayObLG NJW 1978, 700, 701; BeckOK/Wendtland Rn 15; aA BeckOGK/Muthorst Rn 105; MüKo/Armbrüster Rn 33; Staudinger/Kohler Rn 62); ein solches gerichtliches Veräußerungsverbot fällt unter § 136 und kann ins Grundbuch eingetragen werden. Dagegen kann der Anspruch auf Unterlassung einer Verfügung über ein Grundstück nicht durch eine Vormerkung gesichert werden, weil es sich nicht um einen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung iSd § 883 I handelt (NK/ Looschelders Rn 21). Möglich ist aber die Vereinbarung eines durch die unzulässige Verfügung aufschiebend bedingten Rückübereignungsanspruchs, der durch die Eintragung einer Vormerkung gesichert werden kann (s Rn 6).
§ 138
Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzungen 1. Auslegung . . . . . . . . . 2. Ehe . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaftsrecht . . . . . 4. Arbeitsrecht . . . . . . . . 5. Anfechtung . . . . . . . . 6. Gläubigeranfechtung . . . 7. AGB . . . . . . . . . . . . 8. Haustürgeschäfte . . . . . 9. Gesetzliches Verbot, § 134
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III. Das sittenwidrige Rechtsgeschäft (§ 138 I) 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Das wucherische Rechtsgeschäft (§ 138 II) 1. Objektive Voraussetzungen . . . . . . . . . 2. Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das wucherähnliche Geschäft . . . . . . . .
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39 40 47 55 59
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. 61 . 62 . 63 . 63a . 64 . 65 . 71 . 73 . 74 . 74a
V. Einzelfälle (alphabetisch) Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abwerbung von ArbN oder Kunden . . . . . . Adelsbezeichnungen etc . . . . . . . . . . . . AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Animierlokal . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . Automatenaufstellungsvertrag . . . . . . . . . Bankkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benachteiligung der Allgemeinheit/Geschäfte zulasten der Allgemeinheit . . . . . . . . . Benachteiligung Dritter/Eingriff in Rechte Dritter/Verleiten zum Vertragsbruch . . . . Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bietungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Darlehensverträge und sonstige Kreditgeschäfte Dauerschuldverhältnisse und langfristige Vertragsbindungen . . . . . . . . . . . . . . Diskriminierung von Personen oder Gruppen . Ehe und Familie, Unterhaltsrecht . . . . . . . . Erbbaurechtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franchisevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . Glücksspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundstücksverkehr . . . . . . . . . . . . . . . Grundstücksnutzungsverträge . . . . . . . . . . Kaufverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knebelung eines anderen . . . . . . . . . . . . Laufzeit eines Vertrags . . . . . . . . . . . . . . Leasingverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . Maklervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miet- und Pachtrecht . . . . . . . . . . . . . . Mithaft von nahen Angehörigen und Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monopolstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichteheliche Lebensgemeinschaft . . . . . . . Öffentliche Verwaltung . . . . . . . . . . . . . Öffentliche Verwaltung/Vergaberecht . . . . . . Öffentliche Verwaltung/Gegenleistung für Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . Schneeballsystem . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweigevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . Sexuellem Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . Spielverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport/Verbandsstrafenhaftung . . . . . . . . . Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rechtsgeschäfte
Tankstellenvertrag . . . . . . . . . . . . Telekommunikation . . . . . . . . . . . Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . Terrororganisationen . . . . . . . . . . . Timesharing . . . . . . . . . . . . . . . Treuhandverträge . . . . . . . . . . . . . Überforderung des Schuldners . . . . . . Unlauterer Wettbewerb . . . . . . . . . . Unterricht/Schule/Aus- und Fortbildung Nutzung von Urheberrechten . . . . . .
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Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollmachtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . Wahrsagerei . . . . . . . . . . . . . . . . . Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . Wohnungseigentumsrecht . . . . . . . . . . Zwangsversteigerung, Zwangsvollstreckung
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I. Bedeutung. § 138 beschränkt die Privatautonomie. Die Vorschrift knüpft an den allg im Ursprung außerrechtl Wertmaßstab der guten Sitten an. Sie macht die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften von der Einhaltung dieses Maßstabes abhängig und begrenzt dadurch jede private Rechtsgestaltung. Sie trägt als Generalklausel dem Umstand Rechnung, dass die Grenzen der Privatautonomie durch spezielle gesetzl Verhaltensanforderungen nicht abschließend normiert werden können. § 138 hat damit einen spezifisch rechtl Ordnungszweck. Er dient nicht etwa der umfassenden Durchsetzung der Sittlichkeit im Sinne einer positiven Verwirklichung ethischer Forderungen (RGZ 130, 5). Die Bestimmung will vielmehr allein verhindern, dass Rechtsgeschäfte in den Dienst des Unsittlichen gestellt werden (Medicus AT Rn 680). Deshalb spricht sie negativ nur solchen Rechtsgeschäften die Wirksamkeit ab, die im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechts- und Sittenordnung stehen. In Abs II sind beispielhaft Sonderfälle eines Verstoßes gegen die guten Sitten angeführt. II. Abgrenzungen. 1. Auslegung. Der Anwendung von § 138 muss die (ggf erg) Auslegung des Rechtsgeschäfts nach den allg Grundsätzen (§§ 133, 157) vorausgehen. Bei Auslegungsalternativen sollte tunlichst die Möglichkeit gewählt werden, die einen Sittenverstoß vermeidet; das zur möglichst gesetzeskonformen Auslegung Gesagte (§ 133 Rn 29) gilt hier entspr. Wenn die Auslegung ergibt, dass das Rechtsgeschäft – vielleicht entgegen dem ersten äußeren Anschein – die Grenzen des sittlich Erlaubten doch (noch) einhält, scheidet § 138 I aus. Auch einer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242) möglichen Korrektur oder Ergänzung des Rechtsgeschäfts wird nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit regelmäßig der Vorzug zu geben sein, wenn dadurch ein Sittenverstoß mit der scharfen Folge der Nichtigkeit entfällt (vgl etwa BGH JZ 1952, 366; BAGE 16, 21, 25; Grü/ Ellenberger Rn 14; aM MüKo/Armbrüster Rn 9). Erst recht gilt das, wenn das Gesetz selbst eine Möglichkeit vorsieht, eine unangemessene Verpflichtung auf ein angemessenes Maß zurückzuführen wie etwa bei der Vertragsstrafe (§ 343). 2. Ehe. Die Nichtigkeit einer Ehe kann wegen der abschließenden Regelung der §§ 1313ff nicht unmittelbar aus § 138 hergeleitet werden. 3. Gesellschaftsrecht. § 138 ist auch nicht für die Beurteilung der Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen einer AG heranzuziehen. Insoweit sind ausschließlich §§ 241ff AktG anzuwenden. Für Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH gilt das Gleiche (BGHZ 15, 385; Einzelheiten bei Roth/Altmeppen § 47 GmbHG Rn 99). Die Rechtsfolge der Nichtigkeit ist auch für eine sittenwidrige Beitrittserklärung zu einer Kapitalgesellschaft nicht unmittelbar aus § 138 abzuleiten (für GmbH: RGZ 123, 108; Genossenschaft: RGZ 147, 270); die Unwirksamkeit ist vielmehr durch Nichtigkeitsklage geltend zu machen. 4. Arbeitsrecht. Die Unwirksamkeit einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, die iSd § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, und grds auch die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung können nur durch eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden. § 138 findet wegen dieser Spezialregelung unmittelbar nur insoweit Anwendung, als die Kündigung nicht dem KSchG unterfällt (BAG NJW 1973, 77) oder der Sittenverstoß aus einem Umstand folgt, der über den für die Sozialwidrigkeit maßgebenden Sachverhalt hinausgeht (vgl § 13 II KSchG; BAGE 16, 26; 20, 319; Schwerdtner JZ 1973, 378). 5. Anfechtung. Wenn jemand einen anderen durch arglistige Täuschung oder widerrechtl durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt hat, führt dieser Sittenverstoß allein nicht über § 138 zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Vielmehr räumt § 123 dem Getäuschten oder Bedrohten ein Wahlrecht ein, ob er das Rechtsgeschäft durch Anfechtung vernichten will oder nicht. Erschöpft sich das sittenwidrige Verhalten in der Täuschung oder Drohung beim Zustandekommen des Rechtsgeschäfts, wird § 138 also durch die Spezialvorschrift des § 123 verdrängt (BGHZ 60, 104; 77, 394; 230, 347 Rn 46; BGH WM 1966, 589; NJW 1988, 2601; 1995, 1425, 1428; 1995, 3315; 2002, 2774; NJW-RR 1990, 1521; ZUM-RD 2021, 612 Rn 58; BAG NJW 1994, 1022). Treten neben die unzulässige Willensbeeinflussung jedoch weitere sittenwidrige Umstände und prägen sie das Gesamtbild des Rechtsgeschäfts, ist § 138 anwendbar (BGHZ 60, 104; 230, 347 Rn 46; BGH WM 1972, 766; 1977, 394; NJW 1988, 903 und 2601; 2008, 982, 983; NJW-RR 1990, 1522; ZUM-RD 2021, 612 Rn 58; BAG NJW 1999, 2059, 2061f mwN); dies wird insb in Betracht kommen, wenn solche Umstände über das Zustandekommen hinaus den Inhalt des Rechtsgeschäfts betreffen (ähnl Staudinger/Fischinger Rn 49) oder wenn schutzwürdige Interessen (nicht anfechtungsberechtigter) Dritter oder der Allgemeinheit verletzt sind. 6. Gläubigeranfechtung. Das Verhältnis des § 138 zu den Vorschriften der Gläubigeranfechtung (§§ 129ff InsO) richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie unter Rn 6 aufgezeigt. Diese Vorschriften schließen also die Anwendung des § 138 aus, soweit nicht besondere, über diese Anfechtungstatbestände hinausgehende Umstände hinzukommen (BGHZ 53, 174, 180; 56, 339, 355; 60, 104; 130, 314, 331; 138, 291, 299f; 210, 30 Rn 43; BGH NJW 1973, 513; 1993, 2041f; 1995, 1668 – Globalzession eines konkursreifen Unternehmens ohne sons416
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§ 138
tiges pfändbares Vermögen; NJW-RR 1987, 1401; 1990, 143; 2002, 1359, 1361; WM 2005, 610, 611; 2005, 1037, 1038; KG ZIP 2016, 1451, 1453; Düsseldorf WM 2016, 1488, 1492; Saarbrücken ZInsO 2022, 155 unter II 1 b). 7. AGB. Die Wirksamkeit von AGB ist vorrangig nach §§ 305ff zu beurteilen (MüKo/Armbrüster Rn 8; Grü/ Ellenberger Rn 16). In diese Prüfung muss auch ein etwaiger Verstoß einer Klausel gegen die guten Sitten als Prüfungselement einfließen, soweit die Gründe der Sittenwidrigkeit im Schutzbereich der §§ 305ff liegen. Eine aus solchen Gründen sittenwidrige Klausel wird in aller Regel auch zumindest mit § 307 unvereinbar sein. Bedeutsam ist der Vorrang von §§ 307ff für die Rechtsfolgen (§ 306). Die speziellen Maßstäbe der §§ 305ff dienen indes nur dem Schutz des Vertragspartners (vgl etwa BGH NJW 1994, 1798); sie schließen deshalb die unmittelbare Anwendung von § 138 nur insoweit aus, als für die Sittenwidrigkeit daran angeknüpft wird, dass der Verwender gerade den Vertragspartner durch die AGB unangemessen benachteiligt. Soweit ein Sittenverstoß hingegen den Individualvertrag oder ein nicht in den persönlichen oder sachlichen Geltungsbereich (§ 310; vgl etwa BGH NJW 2001, 1270) fallendes Rechtsgeschäft betrifft oder einschl der unangemessenen AGB-Klauseln in seinen Gründen über den Schutzbereich von §§ 307ff hinausgeht, etwa wegen der Benachteiligung dritter Personen oder der Allgemeinheit, ist § 138 unmittelbar anzuwenden. 8. Haustürgeschäfte. Die Gültigkeit außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Verträge (früher: Haustürgeschäfte) richtet sich in erster Linie nach den Vorschriften der §§ 312ff. Nur soweit diese Regelungen nicht einschlägig sind oder besondere Umstände hinzutreten, ist § 138 anzuwenden (BGH ZIP 1988, 582; Frankfurt NJW-RR 1988, 501; vgl auch BGH NJW 1982, 1457). § 138 ist keine verbraucherschützende Norm iSd § 2 UKlaG (Düsseldorf ZIP 2016, 158, 160), kann aber bei der AGB-Kontrolle eine Rolle spielen (BGH ZIP 2017, 170 Rn 31ff). 9. Gesetzliches Verbot, § 134. Von § 134 unterscheidet § 138 sich insoweit, als § 134 Verstöße gegen gesetzl Verbote, § 138 hingegen auch Verstöße gegen sonstige Wertungen in der Rechtsordnung, die keine Verbotsgesetze iSv § 134 sind, sowie gegen die nicht kodifizierte Ordnung erfassen will. Ein Verstoß gegen § 134 macht ein Rechtsgeschäft nicht notwendig auch sittenwidrig (RGZ 115, 325; BAG NJW 1993, 2703); umgekehrt kann ein Sittenverstoß vorliegen, während die Voraussetzungen von § 134 nicht erfüllt sind. Die beiden Vorschriften überschneiden sich immer dann, wenn ein nach § 134 zur Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führender Gesetzesverstoß zugleich einen Sittenverstoß iSd § 138 I darstellt. In diesem Fall ist § 134 vorrangig anwendbar, da kein Bedürfnis für eine zusätzl Begründung der Nichtigkeit über § 138 I besteht (BGH NJW 1983, 869f; BAG NJW 1993, 2703). Ausschließlich nach § 138 beurteilt sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, wenn lediglich ein Verstoß gegen die guten Sitten, nicht aber gegen ein gesetzl Verbot in Betracht kommt. Demnach ist § 138 zB dann einschlägig, wenn ein Rechtsgeschäft im Widerspruch zu den durch die Grundrechte normierten Wertentscheidungen des Grundgesetzes steht (sog mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, vgl Rn 12a) oder wenn es unter Verstoß gegen ausl Rechtsnormen zustande gekommen ist (vgl Rn 71). § 138 kommt ferner in Betracht, wenn ein Rechtsgeschäft als solches nicht von einem Verbotsgesetz erfasst wird, aber andere Umstände (etwa der Abschlussvorgang und/oder die Durchführung) zum Verstoß gegen die guten Sitten führen. Der Vorrang von § 134 gilt nicht für ein nach § 138 II nichtiges wucherisches Rechtsgeschäft, dessen Abschluss zugleich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 291 StGB erfüllt. Hier wird § 138 II nicht von § 134 iVm § 291 StGB verdrängt (Grü/Ellenberger Rn 65); beide Vorschriften finden vielmehr nebeneinander Anwendung (aA – nur § 138 II – mit unterschiedlicher Begr MüKo/Armbrüster Rn 7, 264; s auch Jauernig/Mansel Rn 19: § 138 II wegen § 134 BGB, § 291 StGB gegenstandslos). III. Das sittenwidrige Rechtsgeschäft (§ 138 I). 1. Anwendungsbereich. § 138 I gilt für alle Rechtsgeschäfte, neben Verträgen also auch für Beschl in Vereinen, Gesellschaften usw, für einseitige Rechtsgeschäfte und (entspr) für geschäftsähnl Handlungen. Auch Verfügungen von Todes wegen unterliegen dem § 138 I. Über § 59 I VwVfG findet § 138 I auf öffentlich-rechtl Verträge Anwendung (vgl auch BGH NJW 1972, 1657). § 138 I findet ebenfalls auf Rechtsgeschäfte Anwendung, die zugleich eine Prozesshandlung darstellen (zB Prozessvergleich, BGHZ 16, 390; 28, 172). Auf reine Prozesshandlungen ist § 138 indes nicht anwendbar. 2. Voraussetzungen. a) Begriff der guten Sitten. Der Ausdruck „gute Sitten“ ist ein ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff. Was den guten Sitten entspricht, bestimmt die Rspr in Anlehnung an die Entstehungsgeschichte des BGB nach dem Rechts- und Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (Mot II 727; RGZ 48, 124; BGHZ 69, 297; BGH NJW 1994, 187f; ZIP 2019, 1907 Rn 24; krit zu der Formel Rüthers NJW 1992, 879). Diese Umschreibung ist zwar ihrerseits wiederum ausfüllungsbedürftig. Sie verdeutlicht aber doch, dass der Begriff im Gesetz weder an die strengen Anforderungen einer umfassenden Sittlichkeit im gesinnungsethischen Sinne noch allein an das rein tatsächliche Verhalten in der Gesellschaft und an die darin zum Ausdruck kommende tatsächlich herrschende Sozialmoral anknüpft. Deshalb ist der Begriffsinhalt auch nicht durch demoskopische Umfragen zu ermitteln (instruktiv dazu: BVerwG NJW 1996, 1423 zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer PeepShow), sondern als Teil der rechtl Sollensordnung obj-normativ zu bestimmen. Für die inhaltliche Ausformung des Begriffs der guten Sitten ist mithin ein obj Maßstab anzulegen. Auf die subj Moralanschauungen des Richters kommt es nicht an (Wieacker JZ 1961, 342), ebenso nicht auf die rein subj Vorstellungen bei sonstigen Beteiligten oder in der Allgemeinheit. Die Inhaltsbestimmung muss in erster Linie auf den in der Gesamtrechtsordnung – insb in der Verfassung sowie im Europarecht – enthaltenen oder ihr zugrunde gelegten rechtl-ethischen Grundwertungen aufbauen (vgl BVerfGE 7, 198, 206; 42, 143, 148; 89, 214, 229; BGHZ 68, 1, 4; 80, 153, 156; 106, 336, 338; BGH NJW 1986, 2944; 2000, 1028; BAG NJW 2020, 634 Rn 13; MaySchmidt-Räntsch
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er-Maly AcP 194, 105, 136ff). Von zentraler Bedeutung ist dabei insb das Grundgesetz. Zwar hat sich die ursprünglich vertretene Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr nicht durchgesetzt. Die grundlegenden Wertentscheidungen der Verfassung prägen aber auch die ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe des Privatrechts, insb die Generalklauseln wie §§ 138 und 242. Diese sind verfassungskonform auszulegen. Als Teil der Rechts- und Sozialordnung insg sind die Wertentscheidungen der Verfassung einschl der Entscheidung für einen freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat damit auch bestimmendes Element der rechtl anzuerkennenden Sittenordnung; sie wiederum ergibt in ihrer Gesamtheit den Inhalt des Begriffs der „guten Sitten“ (mittelbare Drittwirkung; vgl BVerfGE 7, 198, 206; 35, 79, 114; 39, 1, 41; 42, 143, 148; 66, 116, 135; 73, 261, 269; 81, 242, 254; BGHZ 70, 313, 324f; 140, 118, 128f; 178, 322 Rn 24). Als sittenwidrig zu missbilligen sind damit etwa Rechtsgeschäfte, die sich mit den Grundentscheidungen der Verfassung zur Wahrung der Menschenwürde (Art 1 I GG), zur Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art 4 GG), und zum Schutz von Ehe und Familie (Art 6 GG) nicht vertragen. Vor allem aus der Grundwertung des Art 1 I GG ergeben sich auch Maßstäbe für die Vereinbarkeit von Verträgen zum Handel mit menschlichen Organen sowie zur Anwendung moderner naturwissenschaftlich-medizinischer Methoden (Biotechnik, Gentechnik) auf den Menschen und den menschlichen Embryo mit den guten Sitten. Im Bereich dieser Grundwertungen wird iÜ auch eine Kommerzialisierung vor der Sittenordnung keinen Bestand haben können. Auch aus dem Sozialstaatsprinzip und der Sozialbindung des Eigentums können sich im Einzelfall Grenzen der Sittenordnung für die privatrechtl Gestaltungsfreiheit (etwa im Arbeitsrecht oder im Mietrecht) ergeben (Bsp: BAG NZA 2006, 1354). IÜ hat § 138 – erg zu anderen Instrumenten des Privatrechts, etwa zu § 123 – auch dem Schutz der Beteiligten vor Fremdbestimmung als verfassungsrechtl Grundwert gem Art 1, 2 GG zu dienen und dem Missbrauch wirtschaftl Macht entgegenzuwirken. Ein nach diesen Grundwertungen zu billigendes Rechtsgeschäft kann im Regelfall nicht sittenwidrig sein. Nur in den nach der Gesamtrechtsordnung verbleibenden Wertungsfreiräumen kommen für die Inhaltsbestimmung außerrechtl Kriterien in Betracht. Es ist dabei abzustellen auf die Auffassung eines am Recht orientierten anständigen Durchschnittsmenschen. Im Gesamtbild muss die äußerste Grenze des danach sittlich noch Hinnehmbaren überschritten sein, ehe ein Rechtsgeschäft als sittenwidrig bewertet wird; insoweit decken sich dann rechtl Sollensgebot und Sittengebot. Moralisch besonders hoch stehende Anschauungen dürfen nicht zum Maßstab gemacht werden (vgl BGHZ 21, 350; 60, 33; BGH NJW 1967, 873). Es dürfen aber auch keine besonders laxen Ansichten, missbräuchliche Praktiken und Unsitten zugrunde gelegt werden, selbst wenn diese weit verbreitet sind (RGZ 120, 148; BGHZ 10, 232; 16, 4, 12; BGH NJW 1994, 188; BAG NJW 1976, 1958). b) Sittenverstoß. Der für § 138 I erforderliche Verstoß gegen die guten Sitten kann sich aus dem Inhalt des Geschäfts, aber auch aus dem mit ihm verfolgten Zweck oder den Beweggründen der Beteiligten ergeben. Häufig wird erst der Gesamtcharakter des Geschäfts, wie er sich aus Inhalt, Zweck und Beweggründen entnehmen lässt, zur Sittenwidrigkeit führen (BGHZ 107, 92, 97; 125, 218, 228; 146, 298, 301; 205, 117 Rn 69; 210, 30 Rn 37; BGH NJW 1990, 704; MDR 2018, 1506 Rn 17; ZIP 2018, 2162 Rn 10). aa) Umstände beim Zustandekommen des Rechtsgeschäfts. Sittenwidrig sein muss immer das Rechtsgeschäft selbst. Mit den Umständen beim Zustandekommen des Rechtsgeschäfts allein lässt sich deshalb eine Anwendung von § 138 I grds nicht begründen. Diese Umstände, insb eine ausgeprägt ungleiche Verhandlungsstärke, können aber Anlass geben, eine Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts selbst näher zu prüfen, weil ihnen im Widerspruch zu den Grundvoraussetzungen der Vertragsfreiheit eine Tendenz zur Einschränkung oder Beseitigung des Selbstbestimmungsrechts des schwächeren Beteiligten („Fremdbestimmung statt Selbstbestimmung“) innewohnt. Ungleiche Verhandlungspositionen können sich aus ganz unterschiedlichen Gründen ergeben (etwa: Wirtschaftskraft, Fachkompetenz, Geschäfts- und Verhandlungserfahrung, sonstige Persönlichkeitsmerkmale usw). Sie sind in einer freien Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung normal und im Allg kein Grund, von vornherein an Sittenwidrigkeit zu denken. Erhöhte Aufmerksamkeit fordern sie dann, wenn die Ungleichheit sehr ausgeprägt und zugleich der Inhalt des Rechtsgeschäfts für eine Seite sehr ungünstig ist. Durchweg besonders stark in Verhandlungen sind Monopole und andere Teilnehmer am Rechtsverkehr mit einer vergleichbar gewichtigen Marktposition. Schon eine herausgehobene örtliche oder regionale Marktstellung kann für die Frage nach einem Sittenverstoß bedeutsam sein, wenn ihr ein mehr oder minder ortsgebundener Bedarf etwa an lebenswichtigen Versorgungsleistungen (zB Wohnung, Nahrungsmittel, Energie, Gesundheitsfürsorge, Verkehr usw) gegenübersteht. Andere Gründe hierfür können sich aus den in § 138 II beschriebenen Lebenssituationen (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche), aber auch aus besonderen rechtl oder sittlichen Pflichten oder ähnl Bindungen – etwa ggü Angehörigen oder nahe stehenden Personen – ergeben. Eine obj ungleiche Verhandlungslage kann durch das Verhalten einer Seite bei den Verhandlungen, etwa durch eine Überrumpelung (vgl zB BGH NJW 1997, 1980 und dazu Lorenz NJW 1997, 2578), zumindest verstärkt werden. Das Ungleichgewicht der Verhandlungspartner wird in aller Regel nur zur Sittenwidrigkeit des Geschäfts führen, wenn es von einer Seite herbeigeführt, gefördert oder ausgenutzt worden ist, um ein für die eigene Seite unangemessen günstiges, für die andere Seite unangemessen ungünstiges und in der Gesamtwürdigung nicht mehr hinnehmbares Verhandlungsergebnis zu erreichen. Ein so begründetes Unwerturteil kann dabei zB sowohl wegen der Einzelausgestaltung des Rechtsgeschäfts – etwa auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (vgl Rn 59f) – als auch wegen des Geschäftsabschlusses überhaupt – etwa: Bürgschaftsvertrag mit einer vermögenslosen Person oder Vertrag mit einer hilflosen Person über eine für sie unsinnige Leistung – in Betracht kommen.
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bb) Obj Inhalt sittenwidrig. Ein Rechtsgeschäft kann schon deshalb gegen die guten Sitten verstoßen, weil (nur) sein obj Inhalt sittenwidrig ist. Dieses gilt allerdings regelmäßig nur für Verpflichtungsgeschäfte. Der Inhalt von Erfüllungsgeschäften ist demggü gemeinhin sittlich indifferent (anders zB bei erfüllungshalber übernommenen Verpflichtungen). Ein sittlich zu missbilligender Inhalt kann sich sowohl aus dem mit dem Geschäft erstrebten Erfolg als auch aus der Einzelausgestaltung des Geschäfts als auch aus dessen Auswirkungen ergeben. Wie der Gegenschluss aus § 138 II zeigt, führt ein bloßes auffälliges Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung nicht dazu, dass das Rechtsgeschäft allein wegen seines Inhalts sittenwidrig ist (BGHZ 87, 318; aA Stuttgart NJW 1979, 2412). Für einen Sittenverstoß sind vielmehr weitere obj und/oder subj Umstände erforderlich, wie etwa die Ausnutzung einer Macht- oder Monopolstellung (BGHZ 19, 89) oder auch die Ausnutzung einer Vertrauensstellung (BGH LM [Bc] Nr 1; [Aa] Nr 19). Die Sittenwidrigkeit eines unentgeltlichen Geschäfts gem § 138 I kann sich nicht nur aus Motiven des Zuwendenden ergeben, sondern auch und sogar in erster Linie aus den Motiven des Zuwendungsempfängers. So kann es sich um einen Fall handeln, in dem aus fremder Bedrängnis in sittenwidriger Weise Vorteile gezogen werden (BGH MDR 2022, 1207 Rn 33). IÜ reicht es nach st Rspr aus, wenn das Leistungsmissverhältnis auf einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten beruht, wobei im Einzelfall allein das krasse/grobe Leistungsmissverhältnis eine tatsächliche Vermutung für eine solche Gesinnung darstellen kann (BGHZ 146, 298, 305; BGH NJW-RR 2008, 1436, 1438; zu Einzelheiten vgl Rn 60). Ist ein Rechtsgeschäft bereits seinem obj Inhalt nach sittenwidrig, bedarf es insb keiner Prüfung mehr, mit welchen subj Vorstellungen, insb zu welchem Zweck und aus welchen Beweggründen die Beteiligten das Geschäft geschlossen haben. Nach ganz hM müssen die Beteiligten eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts nämlich nicht in dem Bewusstsein handeln, dass das Rechtsgeschäft sittenwidrig ist (st Rspr, vgl BGHZ 94, 2723; BGH NJW 1988, 1374; 1993, 1588; 1994, 187; BAG NJW 1991, 861; Medicus AT Rn 689). Allerdings wird nicht selten verlangt, dass die Parteien von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen Kenntnis haben (s nur BGH NJW 1994, 187, 188; Flume § 18, 3). Andere wollen demggü den obj Sittenverstoß genügen lassen (Staudinger/Fischinger Rn 146ff; zweifelnd auch Medicus AT Rn 690). Praktisch dürfte diese Kontroverse aber kaum einmal von Bedeutung sein; denn die Kenntnis der Beteiligten von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen wird stets vorliegen, wenn sich die Sittenwidrigkeit schon allein aus dem obj Inhalt des Rechtsgeschäfts ergibt (BGHZ 94, 273). cc) Sonstige obj Umstände. Ergibt sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht bereits allein aus dessen obj Inhalt, ist zu prüfen, ob ein Sittenverstoß wegen sonstiger obj Umstände, die außerhalb des Inhalts des Rechtsgeschäfts liegen (etwa Umstände des Zustandekommens; über den Inhalt hinausgehende Auswirkungen, auch auf Dritte und/oder die Allgemeinheit), und/oder wegen subj Merkmale (etwa Beweggründe der Parteien, Geschäftszweck) bejaht werden kann. Dabei wird sich die Sittenwidrigkeit des Geschäfts vielfach nicht allein aus einzelnen Merkmalen, sondern erst aus der Gesamtschau sämtlicher obj und subj Momente ergeben (BGHZ 86, 88; 107, 92, 97; 125, 218, 228; 146, 298, 301; BGH NJW 1990, 704; LM [Cb] Nr 6; BAG NZA 2006, 1354, 1355; Köln ZIP 1985, 1472). Ergibt sich bereits bei Würdigung allein der obj Umstände des Rechtsgeschäfts (Inhalt zusammen mit allen sonstigen Umständen) ein Verstoß gegen die guten Sitten, reicht es jedenfalls aus, wenn die Beteiligten Kenntnis von den zur Sittenwidrigkeit führenden obj Umständen haben (so auch BGH LM [Ca] Nr 1; NJW 1993, 1587; 94, 188; Soergel14/Baldringer Rn 35; weitergehend grds gegen das Erfordernis eines subj Elements etwa NK/ Looschelders Rn 95f; Staudinger/Fischinger Rn 146ff). § 166 ist dabei anzuwenden. Weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine besonders verwerfliche Gesinnung sind erforderlich (MüKo/Armbrüster Rn 245). Der Kenntnis der Umstände wird es idR gleichstehen, wenn jemand sich der Kenntnis der maßgebenden obj Umstände bewusst oder leichtfertig/grob fahrlässig entzieht oder verschließt (BGHZ 10, 233; 20, 52; 80, 153; 146, 298, 301; BGH NJW 1980, 445; 2002, 429, 430; 432; NJW-RR 1998, 590; WM 1982, 849f; Köln ZIP 1985, 24, 1474). Nicht selten machen allerdings erst die subj Absichten ein Geschäft sittenwidrig. Reichen die obj Umstände allein nicht aus, sondern ergibt sich die Sittenwidrigkeit erst aus dem Gesamtcharakter des Geschäfts unter Berücksichtigung der subj Merkmale (Ausnutzung von Vorteilen der Verhandlungsposition, Zweck, Beweggrund), ist es gerechtfertigt, eine verwerfliche Gesinnung der Beteiligten zu verlangen (BGH ZIP 2019, 1907 Rn 24; MüKo/Armbrüster Rn 48, 168; vgl auch BGH WM 1980, 597; NJW 1985, 3007). Jedoch ist auch in diesem Fall ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich. dd) Ein- oder beiderseitiger Sittenverstoß. Für die Frage, ob beide Teile sittenwidrig handeln müssen oder ob ein einseitiger Sittenverstoß ausreicht, gilt Folgendes: Bei einseitigen Rechtsgeschäften kommt es nur auf die Person des Erklärenden an (RGZ 142, 412; 154, 102; BAG DB 1964, 1057). Bei Verträgen ist zu unterscheiden: Beide Teile müssen sittenwidrig handeln, wenn der Sittenverstoß sich gegen die Allgemeinheit oder gegen Dritte richtet (RGZ 78, 353; 98, 79; 140, 190; BGH NJW 1990, 568; 1995, 2284). Liegt ein solcher Sittenverstoß in obj Umständen begründet, müssen also beide Teile hiervon Kenntnis haben oder sich doch zumindest einer solchen Kenntnis grob fahrlässig/leichtfertig verschlossen haben (BGH aaO). § 166 gilt. Wird für einen Sittenverstoß an subj Merkmale (Zweck, Beweggrund) angeknüpft, müssen diese subj Vorstellungen bei beiden Beteiligten vorhanden sein. Dagegen genügt ausnahmsw ein einseitiger Sittenverstoß, wenn die Sittenwidrigkeit gerade in dem Verhalten ggü dem Vertragspartner zum Ausdruck kommt (RGZ 93, 30; 120, 149; BGHZ 50, 70).
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ee) Maßgeblicher Zeitpunkt. Maßgebend für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist nach hM grds der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, etwa des Vertragsschlusses (BGHZ 72, 308, 314; 100, 353, 359; 120, 272, 276; 138, 291, 300; 205, 117 Rn 69; 210, 30 Rn 46, 55; BGH NJW 2012, 1570 Rn 13; 2014, 2177 Rn 10; 2015, 1668 Rn 7; FamRZ 2013, 195 Rn 20; 2015, 921 Rn 7; 2017, 884 Rn 32; K&R 2022, 518 Rn 37; Medicus NJW 1995, 2578; Soergel14/Baldringer Rn 41), bei Ergänzungs- oder Zusatzvereinbarungen deren Zeitpunkt (BGHZ 100, 353, 359). Zum Einfluss späterer Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse oder der Bewertungsmaßstäbe auf die Wirksamkeit des Geschäfts vgl Rn 34ff. ff) Grundlegende Gesichtspunkte. In Rspr und Wissenschaft sind verschiedene Fallgruppen entwickelt worden, die jedenfalls zu einer Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit des Geschäftsinhalts Anlass geben; dies sind insb: (1) Die Rechtsgeschäfte zulasten der Grundlagen des Staatswesens und des Zusammenlebens der Menschen in der Gesellschaft. Hierzu gehören insb Rechtsgeschäfte, die mit der Menschenwürde und anderen für das Zusammenleben in der Gemeinschaft wesentlichen Grundwertungen der Verfassung, mit den Grundlagen von Ehe und Familie und mit der Funktionsfähigkeit des freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaates nicht vereinbar sind. Auch die unsachliche Diskriminierung von Personen oder Personengruppen hat hier ihren Ort. Vielfach enthalten solche Rechtsgeschäfte auch eine (2) unzulässige Kommerzialisierung von Vorgängen und/oder Verhaltensweisen, die in einer vom Sittengesetz geprägten Rechtsordnung nicht von einer vermögenswerten Gegenleistung abhängig sein dürfen. Eine weitere Gruppe bilden (3) die Rechtsgeschäfte zum Nachteil der Allgemeinheit, etwa der öffentlichen Sozialkassen, des Steuerfiskus („Steuerhinterziehung“) oder Dritter. In der Rechtspraxis nimmt einen großen Raum ein die (4) sittenwidrige Benachteiligung des Geschäftspartners, etwa durch sittenwidrige Ausnutzung einer strukturell ungleichen Verhandlungslage (zB bei einer Bürgschaft), durch ein wucherähnl Geschäft (Rn 59) oder durch eine im Interesse des Selbstbestimmungsrechts und der persönlichen, beruflichen und/oder wirtschaftl Freiheit nicht hinnehmbare übermäßige zeitl, örtliche und/oder sachliche Bindung bis hin zur Knebelung. Auch der Missbrauch einer Vollmacht gehört hierher (vgl dazu Rn 165a) 3. Rechtsfolgen. a) Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Ein Verstoß gegen die guten Sitten führt grds zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts von Anfang an. Die Nichtigkeit ist von Amts wegen zu beachten und kann von jedermann geltend gemacht werden, auch von Dritten oder – in den Grenzen von § 817 S 2 – von dem/den für die Sittenwidrigkeit Verantwortlichen selbst (BGHZ 27, 180; 60, 105; BAG NJW 1976, 1959). Nur in Ausnahmefällen (vgl dazu BGH NJW 1981, 1439; 1986, 2945; BAG NJW 1968, 1648; 1976, 1959) kann § 242 die Berufung auf die Sittenwidrigkeit durch den/die Verantwortlichen ausschließen; sonst würde auf diesem Umweg die Nichtigkeitsfolge unter den Beteiligten praktisch ausgeschaltet. Zur Begründung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben reicht es nicht aus, dass der, welcher sich auf die Nichtigkeit des Geschäfts beruft, bereits die Vorteile des Geschäfts in Anspruch genommen hat (Soergel14/Baldringer Rn 62). Gem § 138 I ist grds nur das Verpflichtungsgeschäft nichtig (BGH NJW 1973, 615; 1990, 385; DtZ 1997, 229). Das Verfügungsgeschäft ist nur dann nichtig, wenn es seinerseits sittenwidrig ist. Das ist der Fall, wenn das dingliche Geschäft selbst sittenwidrige Zwecke verfolgt oder der Sittenverstoß gerade in der Zuwendung bzw der Änderung der dinglichen Rechtslage liegt (BGHZ 41, 341; BGH NJW 1985, 3007; NJW-RR 1992, 594; 2006, 888, 889; VGH München 21.1.2020 – 8 ZB 19.192, juris Rn 18; Flume § 18, 8a). Dies kommt etwa in Betracht, wenn (erst oder gerade) durch das Verfügungsgeschäft Dritte oder die Allgemeinheit benachteiligt werden. Die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts erstreckt sich auch nicht ohne weiteres über § 139 auf das Verfügungsgeschäft, da Grund- und Verfügungsgeschäft gemeinhin nicht Teile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts sind (vgl BGH NJW 1985, 3007; 1990, 385; zur rechtsgeschäftlich begründeten Geschäftseinheit Eisenhardt JZ 1991, 271ff). Eine solche generelle Annahme liefe nämlich auf eine Missachtung des Abstraktionsprinzips hinaus. Die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts erfasst auch nicht ohne weiteres die vereinbarte Bestellung von Sicherheiten (BGH NJW-RR 1992, 594) oder Verpflichtungen, die erfüllungshalber übernommen wurden. b) Gesamtnichtigkeit. Grds ist ein sittenwidriges Rechtsgeschäft in seinem gesamten Umfang nichtig (BGH NJW 1989, 26). Wegen des mit § 138 verfolgten Straf- und Abschreckungszwecks lässt die Rspr keine Umdeutung (§ 140) des sittenwidrigen Geschäfts zu (BGHZ 68, 204, 206). In der Lit wird ggü der in der Rechtspraxis hM zunehmend die Auffassung vertreten, die harte und undifferenzierte Folge der generellen Nichtigkeit sei, insb bei quantitativ geprägten Missgriffen der Vertragsgestaltung, einzuschränken, etwa durch einschränkende Auslegung des § 138 I oder durch teleologische Reduktion bzw Extension der Rechtsfolgen nach dem Normzweck; die volle Nichtigkeit sei häufig kein angemessenes Ergebnis; einer Einschränkung stehe auch der von § 134 abw Wortlaut des § 138 nicht entgegen (vgl die eingehende Darstellung der Problemdiskussion bei Staudinger/Fischinger Rn 159f). Die für die Einschränkung der Gesamtnichtigkeit angeführten Gründe sind teilw sehr beachtlich. Die Rspr hat jedoch eine generelle Möglichkeit zur Einschränkung der Nichtigkeitsfolge bisher nicht anerkannt. Ist allerdings nur eine einzelne Klausel eines Rechtsgeschäfts oder eine damit im Zusammenhang stehende Nebenabrede (BGH WM 1967, 231) sittenwidrig, findet § 139 Anwendung. Für den Fall, dass die Sittenwidrigkeit sich nur auf Teile eines Vertrags bezieht, ist eine salvatorische Klausel zulässig und zweckmäßig (vgl § 139 Rn 10). Das bedeutet aber nicht, dass nur die Alternative zwischen der Gesamtnichtigkeit und dem „Hinausstreichen“ der betroffenen Klausel bestünde. Die Vorschrift des § 139 lässt nach ihrem Sinn und Zweck auch eine sog quantita420
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tive Teilbarkeit zu, also eine Aufspaltung der nichtigen Regelung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil. Sie kommt vor allem in Betracht, wenn eine Vertragsklausel wegen des Übermaßes der in ihr enthaltenen Rechte oder Pflichten nichtig ist und angenommen werden kann, dass die Parteien bei Kenntnis dieses Umstands an ihrer Stelle eine auf das zulässige Maß beschränkte Regelung getroffen hätten (BGHZ 105, 213, 220ff; 107, 351, 355ff; 146, 37, 47f; BGH NJW 2009, 1135 Rn 12). Auch sie ist nach § 139 aber nur möglich, wenn sie dem hypothetischen Willen der Vertragsparteien entspricht (BGH NJW 1986, 2576, 2577), wenn also konkrete, über allg Billigkeitserwägungen hinausgehende Anhaltspunkte den Schluss rechtfertigen, dass die Aufspaltung dem entspricht, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit ihrer Vereinbarung geregelt hätten (BGHZ 146, 37, 48; BGH NJW 2009, 1135 Rn 14). Sie setzt weiter voraus, dass sich feststellen lässt, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit einer Regelung an deren Stelle gesetzt hätten (BGH NJW 2009, 1135 Rn 13), und scheidet aus, wenn mehrere Möglichkeiten der Ersetzung bestehen und sich nicht feststellen lässt, welche von ihnen die Parteien gewählt hätten (BGHZ 107, 351, 356; BGH NJW 2009, 1135 Rn 13). Dann allerdings muss geprüft werden, ob sich dadurch eine planwidrige Lücke ergibt; sie läge etwa vor, wenn die Parteien den Vertrag nicht ohne eine der nichtigen vergleichbare Regelung getroffenen hätten (BGH ZfIR 2012, 872 Rn 32, 34). Das kann i Erg dazu führen, dass die sittenwidrige Regelung nicht ersatzlos gestrichen, sondern durch eine nicht sittenwidrige Regelung ersetzt wird. Bsp sind die Aufrechterhaltung von Testamenten, langfristigen Lieferverträgen oder Wettbewerbsverboten unter Verminderung sittenwidriger Verpflichtungen auf ein sachlich, örtlich und zeitl vertretbares Maß (einschränkend BGH NJW 1997, 3089; dazu Römermann WiB 1997, 1028) sowie die Aufrechterhaltung von Wohnungsmiet- bzw Arbeitsverträgen unter Veränderung der Entgelte bei Mietwucher (vgl BGH NJW 2006, 1059) und beim Lohnwucher (Rn 66). Für die Fälle des Miet-/Pachtwuchers und der wucherähnl Überhöhung von Miete/Pacht für gewerbliche Räume hat die Rspr bisher keine Teilnichtigkeit angenommen (BGH NJW-RR 2006, 16, 17f). Stets abgelehnt worden ist bislang die Zurückführung sittenwidrig hoher Darlehenszinsen oder Kaufentgelte auf ein vertretbares Maß (BGHZ 44, 162; 68, 207; BGH NJW 1994, 1275; Flume § 18, 9). c) Keine Bestätigung. Solange der Tatbestand der Sittenwidrigkeit erfüllt bleibt, ist keine Bestätigung (§ 141) des sittenwidrigen Vertrags möglich (BGHZ 60, 108). d) Heilung. Eine Heilung des sittenwidrigen Geschäfts durch Zeitablauf oder Verwirkung der Geltendmachung der Nichtigkeit ist ausgeschlossen (RAG DR 1942, 1607). Eine Heilung ist auch nicht durch Schuldumschaffung möglich (BGH MDR 1959, 35). Zur Wirksamkeit eines Vergleichs über ein evtl sittenwidriges Geschäft vgl BGH NJW 1963, 1198; BB 1966, 1323. e) Dauerrechtsverhältnis. Bei in Vollzug gesetzten Dauerrechtsverhältnissen sind die Nichtigkeitsfolgen des § 138 I zT eingeschränkt. – Die Nichtigkeit eines sittenwidrigen Arbeitsvertrags kann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vollzogen ist, grds nur für die Zukunft geltend gemacht werden. Die Grundsätze des faktischen/fehlerhaften Arbeitsverhältnisses sind jedoch dann nicht anzuwenden, wenn die dem Arbeitsvertrag entspr Beschäftigung nach ihrem Inhalt und Zweck selbst unsittlich ist, so zB bei einem auf öffentliche Vorführung des Geschlechtsverkehrs gerichteten Arbeitsverhältnis (BAG NJW 1976, 1958). Liegt einer vollzogenen Gesellschaft ein sittenwidriger Gesellschaftsvertrag zugrunde, tritt im Normalfall Nichtigkeit ebenfalls nur für die Zukunft ein (BGHZ 55, 5; BGH WM 1973, 901f). Eine Anwendung der Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft kommt aber nicht in Betracht, wenn die Gesellschaft auf einen sittenwidrigen Zweck gerichtet ist (BGHZ 62, 234, 241; 75, 214, 217; BGH NJW-RR 1988, 1379 mwN) oder gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter, besonders schutzwürdiger Personen der Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen entgegenstehen (vgl BGHZ 3, 288; 17, 167; 26, 335; 55, 9). f) Änderung der Bewertungsmaßstäbe oder des Sachverhalts. Eine Änderung der Bewertungsmaßstäbe oder des die Sittenwidrigkeit tragenden Sachverhalts nach Abschluss des Rechtsgeschäfts kann Einfluss auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts haben (BGH NJW 1983, 2692 f; allg dazu Medicus NJW 1995, 2578; Ulmer/ Schäfer ZGR 1995, 134; Lecheler WM 1994, 2049). Ist ein Rechtsgeschäft bereits abgewickelt (so bei allen Verfügungsgeschäften), wirkt sich eine spätere Änderung der Umstände auf die Wirksamkeit bzw Nichtigkeit des Geschäfts nicht aus (BGH NJW 1983, 2692). Ob das Geschäft wirksam ist, beurteilt sich allein nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Vornahme (BGH NJW 1989, 1277 mN). Es kommt daher auch nicht darauf an, wann ein Wandel dieser Verhältnisse von der Rspr erstmals festgestellt wird (BVerfG NJW 1984, 2345; BGH NJW 1983, 2692; krit Bunte NJW 1983, 2674; 1985, 705). Ein im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses wirksames Rechtsgeschäft wird, auch wenn es noch nicht abgewickelt ist, durch eine spätere Änderung der Bewertungsmaßstäbe oder des Sachverhalts nicht zu einem sittenwidrigen Rechtsgeschäft (BGH NJW 1993, 3193; ZIP 1995, 1026; Staudinger/Fischinger Rn 135). Einem Erfüllungsverlangen kann jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden, wenn das zugrundeliegende Rechtsgeschäft im Hinblick auf die geänderten Maßstäbe oder Umstände nunmehr sittenwidrig wäre (BGHZ 126, 241; BGH NJW 1983, 2692f; Staudinger/ Fischinger Rn 136). Möglicherweise kommt auch eine Anpassung an veränderte Umstände durch erg Vertragsauslegung oder gem § 313 in Betracht (BGHZ 126, 226, 241). War das Rechtsgeschäft dagegen bei seiner Vornahme wegen Sittenverstoßes nichtig, ändert sich daran nicht deshalb etwas, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben (BGH DtZ 1994, 80, 81; NJW 2002, 429, 431; 2012, 1570 Rn 13). Es ist also etwa ohne Bedeutung, ob sich später Gewinnmöglichkeiten ergeben (BGH NJW 2002, 429, 431) oder ob später ein Preisnachlass gewährt wird (BGH NJW 2012, 1570 Rn 13). Das Rechtsgeschäft bleibt vielmehr nichtig. Etwas anderes gilt freilich, wenn das Rechtsgeschäft selbst verändert wird. SolSchmidt-Räntsch
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che Veränderungen sind zu berücksichtigen (BGHZ 100, 353, 359; BGH WM 1977, 399; BGH-Report 2001, 448; NJW 2007, 2841 Rn 13). Sie können zu einer Veränderung des beiderseits geschuldeten Leistungssolls und damit dazu führen, dass die Leistungen nicht mehr in einem auffälligen oder besonders groben Missverhältnis stehen (BGH NJW 2012, 1570 Rn 14). Das gilt aber nur, wenn die Änderung des Rechtsgeschäfts auch wirksam wird. Das erfordert eine Bestätigung des ja bislang nichtigen Rechtsgeschäfts gem § 141 (BGH NJW 2012, 1570 Rn 17f; Düsseldorf NZKart 2015, 201 Rn 65). Eine solche Bestätigung kann nicht schon angenommen werden, wenn die Parteien überhaupt Änderungen an dem Rechtsgeschäft vornehmen, zB den Kaufpreis herabsetzen. Sie müssen vielmehr dabei auch Bestätigungsbewusstsein haben (BGH NJW 2012, 1570 Rn 21). Nach diesen Grundsätzen ist auch zu verfahren, wenn sich nicht die tatsächlichen Verhältnisse oder das Rechtsgeschäft selbst verändert haben, sondern die sittlichen Maßstäbe. Denn das Rechtsgeschäft verstößt auch dann gegen das Sittengesetz und ist nach § 138 nichtig. Diese durch Gesetz angeordnete Nichtigkeit ist vorbehaltlich ausdrücklich bestimmter Ausnahmen wie etwa in § 311b I 2 endgültig. Sie kann nicht durch Heilung, sondern nur durch Bestätigung überwunden werden (BGH NJW 2012, 1570 Rn 17). Das wird auch von Autoren eingeräumt, die an sich für eine Lockerung eintreten (MüKo/Armbrüster Rn 261 aE). Etwas anderes kann man in Anlehnung an die Rspr zu Verträgen, die zwar bei ihrer Vornahme gegen ein gesetzl Verbot verstoßen, aber für den Fall des Fortfalls dieses Verbots geschlossen werden (BGH LM Nr 7 zu § 134 BGB; dazu jurisPK/Nassall9 § 134 Rn 25; MüKo/Armbrüster § 134 Rn 32), nur bei Rechtsgeschäften sehen, die ihre Wirkungen nicht im Zeitpunkt der Vornahme, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt entfalten sollen. Das praktische relevante Bsp wäre das Testament, dessen Wirksamkeit nach verbreiteter Ansicht nicht nach dem Zeitpunkt seiner Errichtung, sondern nach dem Zeitpunkt des Erbfalls beurteilt werden soll (Hamm OLG 1979, 425, 427; MüKo/Armbrüster Rn 258; Brox/Walker AT Rn 332; Flume § 18, 6; Gernhuber FamRZ 1960, 326ff; Mayer-Maly JZ 1981, 801, 802f; Medicus AT Rn 692; aM Grü/Ellenberger Rn 10). In der Rspr hat sich diese Meinung bislang nicht durchgesetzt (aM BGHZ 20, 71, 75; Stuttgart FamRZ 1998, 260f; offen BGHZ 140, 118, 128) g) Weitere Ansprüche und Rückabwicklung. Wer den Abschluss eines wegen Benachteiligung des anderen Teils sittenwidrigen Vertrags herbeiführt, kann wegen schuldhafter Verletzung der vorvertragl Pflicht zur Rücksichtnahme auf seinen Vertragspartner aus cic zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet sein, die der Partner im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrags tätigt (BGHZ 99, 101, 106f; 142, 51, 61; BGH NJW-RR 2005, 1290, 1291). Da § 138 weitgehend die gleichen Voraussetzungen hat wie § 826, kann das sittenwidrige Handeln, insb das einseitige sittenwidrige Handeln ggü dem Geschäftspartner, auch einen Ersatzanspruch aus § 826 auslösen (BGHZ 99, 107; BGH NJW 1970, 658). Ist das Verfügungsgeschäft nichtig, bestehen dingliche Ansprüche (zB § 985). Verstößt nur das Verpflichtungsgeschäft gegen die guten Sitten, kommt ein Ausgleich nach Bereicherungsrecht (§§ 812ff) in Betracht. Ein Bereicherungsanspruch kann aber durch § 817 S 2 ausgeschlossen sein (vgl im Einz § 817). 4. Beweislast. Dem Zweck des § 138 und dem Begriff der Nichtigkeit entspricht es, dass § 138 zu beachten ist, auch wenn keine Partei sich darauf beruft. Zu beweisen sind nur die eine Sittenwidrigkeit begründenden obj und subj tatsächlichen Umstände. Diese hat derjenige zu beweisen, der sich auf die Nichtigkeit beruft (BGHZ 95, 85; BGH NJW 1979, 2089; 1995, 1429; MüKo/Armbrüster Rn 298 für die subj Voraussetzungen). Im Einzelfall kann jedoch allein das Vorliegen eines obj Merkmals (zB Leistungsmissverhältnis) eine (tatsächliche) Vermutung für subj Umstände (zB Benachteiligungsabsicht, verwerfliche Gesinnung) begründen (BGH NJW 1979, 758; zu weitgehend Stuttgart NJW 1979, 2412). Die vom Gericht durchzuführende Würdigung ist Rechtsfrage, also revisibel (BGH WM 1969, 1257; NJW 1991, 354). IV. Das wucherische Rechtsgeschäft (§ 138 II). Bei dem in § 138 II geregelten Wuchergeschäft handelt es sich um einen Spezialfall eines gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäfts; deshalb ist § 138 II vor § 138 I zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen des § 138 II vor, ist die zusätzl Prüfung des § 138 I entbehrlich (RGZ 72, 69; 97, 254; 150, 4). Ist der Wuchertatbestand hingegen nicht erfüllt, ist weiter zu prüfen, ob das Rechtsgeschäft iSd § 138 I gegen die guten Sitten verstößt. Für die Bejahung der Sittenwidrigkeit ist dann das Vorliegen weiterer – in § 138 II nicht geregelter – Umstände erforderlich (RGZ 83, 112; 97, 254; 103, 37; 150, 4; BGH NJW 1951, 397; LM [Ba] Nr 2; Einzelheiten unter Rn 59f). 1. Objektive Voraussetzungen. Obj Anknüpfungspunkt für § 138 II ist ein Rechtsgeschäft, durch welches jemand sich selbst oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen. a) Austauschverhältnis vermögensrechtl Art. Da § 138 II auf das Verhältnis zw Leistung und Gegenleistung abstellt, fällt nur ein Austauschverhältnis vermögensrechtl Art unter diese Vorschrift (BGH NJW 1982, 2767; FamRZ 1990, 1344; NJW 1998, 590, 591). § 138 II umfasst sowohl Verpflichtungs- („Vermögensvorteile versprechen“) als auch Erfüllungsgeschäfte („gewähren“). – Mangels Austauschverhältnisses fallen Rechtsgeschäfte, in denen sich lediglich eine Partei verpflichtet (zB Bürgschaft, BGHZ 106, 271; BGH NJW 1988, 2599, 2601; 1991, 1952; Schenkung, RG JW 1907, 167), nicht unter den Wuchertatbestand. Das Gleiche gilt für die Fälle vorweggenommener Erbfolge, in denen kein Austausch von Leistungen bezweckt ist (RG SeuffA 96 Nr 3; zum Erbverzichtsvertrag vgl RG JW 1907, 167). IÜ kann Wucher bei jeder Geschäftsart vorkommen, so zB beim Arbeitsvertrag (BAG AP Nr 30), Darlehen, Grundstücksgeschäften, Kauf, Miete/Pacht und Vergleich. b) Auffälliges Missverhältnis. Zw Leistung und Gegenleistung muss ein auffälliges Missverhältnis bestehen.
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aa) Maßgebliche Leistungspflichten. Bei der Ermittlung der auszutauschenden Leistungen muss sich die Würdigung im Schwerpunkt auf die Hauptleistungen beziehen; sonstige Pflichten können aber daneben von Bedeutung sein (BGHZ 80, 171), ebenso eine völlig einseitige Verteilung von Rechten und Pflichten (Bsp einseitige Verfallklausel: BGH NJW 2009, 1135 Rn 9). Bei einem Grundstückskaufvertrag sind neben dem Kaufpreis auch andere Vorteile zu berücksichtigen, die der Begünstigte dem Benachteiligten nach dem Vertrag schuldet zB die Übernahme von Erwerbsnebenkosten, die normalerweise der Erwerber trägt (BGH MDR 2016, 455 Rn 8). Es sind nicht nur die dem Vertragspartner ggü zu erbringenden Vermögensvorteile zu berücksichtigen, sondern auch solche Leistungen, die eine Vertragspartei aufgrund der zu beurteilenden Vereinbarung an einen Dritten (etwa den Erfüllungsgehilfen des Partners, München NJW 1966, 837) zu leisten hat. Str ist, ob auch Leistungen einbezogen werden dürfen, die aufgrund eines anderen als des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts zu erbringen sind. Eine solche Einbeziehung wird teilw im Hinblick auf die Additionsklausel des § 291 I 2 StGB bejaht (Müller-Emmert/Maier NJW 1976, 1664; Grü/Ellenberger Rn 66; Soergel14/Baldringer Rn 76; Staudinger/Fischinger Rn 243; vgl auch BGH NJW 1980, 1155, 1156). Danach ist bei Mitwirkung mehrerer Personen (sei es als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise) auf sämtliche Vermögensvorteile abzustellen. Gegen eine Berücksichtigung der Wertung des StGB im Rahmen des § 138 II wird hingegen geltend gemacht, dass § 138 II für die Beurteilung eines auffälligen Missverhältnisses nur an ein Rechtsgeschäft anknüpfe und die Formulierung des StGB nicht übernommen worden sei. Dem ist nicht zu folgen. Die Additionsklausel hat nur deshalb keinen Eingang in § 138 II gefunden, weil bei den Novellierungsberatungen davon ausgegangen wurde, dass die Gerichte bei der Rspr zu § 138 II ohnehin den gesamten Sinngehalt der strafrechtl Regelung berücksichtigen würden (BT-Drs 7/5291, 20; vgl Freund NJW 1977, 636). Demnach sind zB bei einem Darlehensvertrag auch solche Aufwendungen einzubeziehen, die der Darlehensnehmer aufgrund eines im Zusammenhang mit der Kreditaufnahme geschlossenen Vermittlungs- oder Versicherungsvertrags zu erbringen hat (BGH NJW 1979, 808). bb) Bewertungsmaßstab. Um das Wertverhältnis zw den auszutauschenden Leistungen bestimmen zu können, sind die einzelnen Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu bewerten. Dabei ist ein obj Maßstab („verkehrsübliches Äquivalent“, vgl MüKo/Armbrüster Rn 206) anzulegen; auf die subj Wünsche und Vorstellungen der Vertragsparteien ist nicht abzustellen (BGH LM [Ba] Nr 1, 4, 4a; NJW 1988, 130; 1996, 1204; 2002, 429, 431; NJW-RR 1990, 950; 93, 198). Der obj Wert einer Leistung bestimmt sich dabei nach dem Preis, welcher der zu bewertenden Leistung üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr zukommt (marktüblicher Preis; vgl BGHZ 125, 135; BGH WM 1976, 289). Bei einem Vergleich oder einer Verzichtsvereinbarung kommt es nicht auf einen Vergleich der wechselseitig geschuldeten Leistungen, sondern auf einen Vergleich des beiderseitigen Nachgebens an (BGH ZfIR 1999, 656, 657; WM 2019, 1653 Rn 94; Frankfurt 6.12.2016 – 11 U 38/15 Kart, juris Rn 194; 14.2.2017 – 11 U 44/15 Kart, juris Rn 207; vgl auch Rn 163). Auch eine grob einseitige Abwicklungsregelung für den Fall der Kündigung eines Vertrags kann sittenwidrig sein (Brandenburg ZinsO 2016, 510). cc) Wertvergleich. Die für die einzelnen Leistungen ermittelten obj Werte sind miteinander zu vergleichen. Anhand dieses Vergleichs ist dann festzustellen, ob zw den auszutauschenden Leistungen ein auffälliges Missverhältnis besteht. Die Disparität von Leistung und Gegenleistung kann sowohl in einem völlig überhöhten Preis (Bsp: Mietwucher) als auch in einem unvertretbar niedrigen Preis (Bsp: Lohnwucher) zum Ausdruck kommen. Der wertende Vergleich muss einzelfallbezogen vorgenommen werden. Allgemeingültige Kriterien scheitern vor allem an der Typenvielfalt der Geschäfte und an der gegenständlichen, örtlichen und zeitl Unterschiedlichkeit der als Maßstab bedeutsamen Marktbedingungen. Stets sind wertend sämtliche Umstände des jew Einzelfalles zu berücksichtigen. Von Bedeutung sind insb die allg Marktlage (BGH DB 1956, 1010) sowie die mit dem Geschäft verbundenen Risiken (BGHZ 69, 300; BGH NJW 1982, 2767; BB 1990, 1509). Beachtet werden muss, dass § 138 die freie Preisbildung als Funktionsprinzip der Marktwirtschaft nicht ausschalten darf und soll; die Vorschrift ist weder bestimmt noch geeignet, durch Verengung marktwirtschaftl Spielräume ein stets völlig ausgewogenes Verhältnis zw Leistung und Gegenleistung positiv zu sichern. Die Anwendung von § 138 kommt vielmehr erst und nur in Betracht, wenn die Grenzen des noch Hinnehmbaren überschritten sind. Diese Grenze ist allerdings nicht erst bei einem besonders groben Missverhältnis überschritten. Besonders grob ist das Missverhältnis, wenn der Wert der einen Leistung mindestens 90 % – je nachdem, welche Vertragspartei benachteiligt ist, – über oder unter dem Wert der Wert der anderen liegt (BGH WM 2014, 1440 Rn 8). Ein solches Missverhältnis ist jedenfalls auch auffällig (BGHZ 128, 255, 256f; BGH NJW-RR 1991, 589; NJW 1992, 899; 1994, 1344, 1347). Auffällig kann aber auch ein deutlich darunterliegendes Missverhältnis sein (BGHZ 160, 8, 16f: 59 % bzw 62 %; MüKo/Armbrüster Rn 212 f). Dann allerdings werden die Anforderungen an die hinzutretenden Umstände strenger sein. Die benachteiligte Vertragspartei muss das auffällige oder besonders grobe Missverhältnis darlegen und beweisen. In der Rspr des BGH noch nicht abschließend geklärt sind die Anforderungen an die Darlegung (dazu J. Schmidt-Räntsch ZfIR 2015, 169, 172). Nach der Rspr des V. Zivilsenats reicht es im Grundsatz aus, wenn die benachteiligte Partei einen Wert behauptet und dafür Sachverständigenbeweis antritt (BGH NJW 2002, 429, 431; NJW-RR 2003, 491; 2009, 1236 Rn 12; ZfIR 2014, 349 LS = juris Rn 6). Demggü verlangt der XI. Zivilsenat die Darlegung von Anknüpfungstatsachen (BGH ZfIR 2003, 101; 2007, 287 Rn 20; MDR 2017, 43 Rn 39f). Eine gewisse Annäherung zwischen diesen beiden Ansätzen wird dadurch erreicht, dass auch der V. Zivilsenat keine Behauptung ins Blaue hinein akzeptiert (BGH WM 2008, 2068 Rn 9; NJW-RR 2009, 1236 Rn 11), wovon der Senat aber zurückhaltend Gebrauch macht (ZfIR 2014, 349 LS = juris Rn 6). Bei der Erhebung des Sachverständigenbeweises besteht zwar im Ansatz keine Festlegung auf eine bestimmte Bewertungsmethode (BGHZ 160, 8, Schmidt-Räntsch
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11). Zu beachten ist aber, dass die Feststellung eines besonders groben Missverhältnisses die Vermutungswirkung nur auslöst, wenn sie auf Grund der Vergleichswertmethode ermittelt wird (BGHZ 160, 8, 15; BGH NJWRR 2008, 1436, 1438). dd) Maßgeblicher Zeitpunkt. Für die Beurteilung, ob ein auffälliges Missverhältnis vorliegt, ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend (BGHZ 80, 153, 171; 100, 353, 359; 107, 92, 96f; BGH NJW 2002, 429, 431; 1996, 261; aA Stuttgart BB 1972, 1202: Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung). Nachträgl Wertveränderungen sind grds bedeutungslos (RG SeuffA 80 Nr 2; BGH WM 1968, 1248). Übernimmt jedoch eine Vertragspartei nach Abschluss eines nicht wucherischen Vertrags weitere mit diesem Geschäft im Zusammenhang stehende Leistungen (zB Bestellung nachträgl Sicherheiten), so sind diese für die Frage des Leistungsmissverhältnisses mit einzubeziehen (BGH WM 1977, 399); für das Verhältnis der Gesamtleistungen ist dann auf den Zeitpunkt der Zusatzvereinbarung abzustellen (RGZ 86, 299). Abreden, durch die die ursprünglich vorgesehenen Hauptleistungen nachträgl geändert werden, sind bei der Feststellung des auffälligen Missverhältnisses grds zu berücksichtigen (BGH NJW 2012, 1570, 1571). 2. Subjektive Voraussetzungen. Erforderlich ist, dass der Wucherer entweder eine Zwangslage des Bewucherten, dessen Mangel an Urteilsvermögen oder seine erhebliche Willensschwäche ausbeutet. Nach einer teilw vertretenen Ansicht soll ein Defizit bei der Prüfung der subj Tatbestandsmerkmale durch eine Übererfüllung des obj Tatbestandsmerkmals – auffälliges Leistungsmissverhältnis – ausgeglichen werden können (sog „Sandhaufentheorem“, vgl Stuttgart NJW 1979, 2412). Danach soll zB bei einem besonders auffälligen Missverhältnis ein geringerer Grad an Unerfahrenheit für die Bejahung des § 138 II ausreichen. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen (BGHZ 80, 159f; BGH NJW 1979, 758 und Hamburg WM 1984, 1423 zu § 138 I; Medicus AT Rn 711). Sie vermengt in unzulässiger Weise die vom Gesetz kumulativ aufgestellten Tatbestandserfordernisse. a) Ausbeutung. Unter Ausbeutung versteht man das bewusste Ausnutzen der ungünstigen Situation des Geschäftspartners oder einer anderen Person. Wenn der Wucherer auch regelmäßig die Erzielung eines übermäßigen Gewinns bezwecken wird, ist doch für die Ausbeutung keine besondere Ausbeutungsabsicht (RGZ 60, 11; 86, 300; BGH NJW 1982, 2768; 1985, 3006; 1994, 1276; BB 1990, 1510) oder Gewinnerzielungsabsicht (RAG 16, 35) erforderlich. Der Wucherer braucht auch nicht arglistig zu handeln (RG JW 1905, 366). Ebenso wenig muss von ihm der Anstoß zu dem Geschäft ausgegangen sein; die Annahme eines Angebotes genügt (RAG 9, 244; BGH LM [Ba] Nr 3; WM 1985, 1269), selbst wenn das Angebot des Bewucherten auf Dankbarkeit beruht (RG HRR 1930, 695). Der Wucherer muss aber Kenntnis von dem auffälligen Leistungsmissverhältnis und der Ausbeutungssituation (zB der Zwangslage des Bewucherten) haben und sich diese Situation vorsätzlich zunutze machen; dabei reicht bedingter Vorsatz aus (BGH NJW 1982, 2767, 2768; 1985, 3006, 3007; 1994, 1275, 1276; NJWRR 1990, 1199). Das Wissen von Hilfspersonen ist dem Wucherer entspr § 166 I zuzurechnen (BGH WM 1992, 442). Fahrlässiges Nichterkennen der wucherischen Situation stellt hingegen keine Ausbeutung dar (BGH NJW 1985, 3006); ggf kommt jedoch bei Hinzutreten weiterer sittenwidriger Umstände eine Anwendung des § 138 I in Betracht (BGH aaO, ferner: BGH BB 1962, 156; WM 1971, 858). Auch ein besonders grobes Missverhältnis begründet keine tatsächliche Vermutung einer Ausbeutungsabsicht (BGH NJW-RR 2011, 880 Rn 10f). Die nach § 138 II erforderliche Ausnutzung einer – auf einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, dem Mangel im Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche beruhenden – besonderen Schwächesituation beim Bewucherten durch den Wucherer setzt zwar keine Ausbeutungsabsicht, wohl aber voraus, dass dieser Kenntnis von dem auffälligen Missverhältnis und der Ausbeutungssituation hat und sich diese Situation vorsätzlich zunutze macht (BGH NJW 1985, 3006, 3007; NJW-RR 1990, 1199). Dafür ist das Äquivalenzmissverhältnis allein keine tragfähige Grundlage (BGH NJW-RR 2011, 880 Rn 11). b) Obj vorliegende besondere Situation. Der Wucherer muss eine obj vorliegende besondere Situation auf Seiten des Bewucherten oder eines Dritten ausbeuten. Ob eine Zwangslage, Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche vorliegt, ist, da es sich dabei um Rechtsbegriffe handelt, in der Revision nachprüfbar (RG JW 1905, 75). aa) Zwangslage. Eine Zwangslage ist zu bejahen, wenn wegen einer erheblichen Bedrängnis ein zwingendes Bedürfnis nach Sach- oder Geldleistungen besteht. Eine solche Bedrängnis liegt – anders als eine „Notlage“ nach der früheren Fassung – nicht nur bei Bedrohung der wirtschaftl Existenz vor; es reicht vielmehr aus, wenn zB schwere wirtschaftl Nachteile drohen (BGH NJW 1994, 1276 = LM § 138 Ba Nr 13 m krit Anm Grunewald; ZfIR 2010, 587 Rn 16). Auch jede andere Bedrängnis genügt, sei sie auch etwa gesundheitlicher (BGH WM 1981, 1051), politischer oder sonstiger Art. Wucherisch handelt also auch zB derjenige, der einem Kranken ein dringend benötigtes Medikament nur gegen einen unverhältnismäßig hohen Preis verkauft. Eine Zwangslage kann auch auf einer plötzlich auftretenden besonderen Problemsituation beruhen, die aus anerkennenswerten Gründen schnell überwunden werden muss (zB Brand, Unfall, Wasserrohrbruch usw). In jedem Fall muss der Bedarf für die Leistung des Wucherers aber in einer gegenwärtigen Notsituation seinen Grund haben; es genügt regelmäßig nicht, wenn das Bedürfnis auf bloßen Zukunftsplänen beruht (BGH NJW 1957, 1274; 1994, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 13 m krit Anm Grunewald zu den Abgrenzungsproblemen). Nimmt etwa jemand lediglich zu spekulativen Zwecken einen Kredit auf, ist eine Zwangslage zu verneinen (RG JW 1919, 102). Die Zwangslage muss stets auf den individuellen Verhältnissen einer Person beruhen; eine ungünstige Marktlage, die für einen unbestimmten größeren Personenkreis besteht, reicht nicht aus (BGH NJW 1957, 1274). Dass der Bewucherte vermögend ist, steht einer Notlage nicht entgegen (BGH NJW 1987, 2767); auch eine vorüber424
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gehende Geldverlegenheit kann eine Notlage darstellen (BGH NJW 1982, 2768; Hamm WM 1984, 1448). Die individuelle Zwangslage muss obj vorliegen; die irrtümliche Annahme genügt nicht (RGSt 28, 290; zweifelnd BGH WM 1968, 331; aM Staudinger/Fischinger Rn 277). Darauf, ob die Zwangslage verschuldet ist, kommt es nicht an (BGH BB 1954, 175; 58, 1153). Eine Zwangslage kann auch bei einer juristischen Person eintreten (RG SeuffA 80 Nr 2; enger RGZ 98, 324). Es ist auch möglich, dass sie bei einer anderen Person als beim Bewucherten (zB bei Familienangehörigen oder einem engen Freund) besteht (vgl RG JW 1915, 574; RAG 17, 292; BGHZ 80, 157f). bb) Unerfahrenheit. Unter Unerfahrenheit ist ein Mangel an allg Lebens- oder Geschäftserfahrung zu verstehen (BGH DB 1958, 1241; BB 1966, 226; WM 1982, 849). Sie ist eine persönliche Eigenschaft und liegt dann vor, wenn der Betroffene die Vor- und Nachteile des Geschäfts nicht abzuwägen vermag. Eine genaue Abgrenzung zum Mangel am Urteilsvermögen und einer erheblichen Willensschwäche ist weder möglich noch notwendig. Unerfahrenheit kann insb bei alten, mit dem Rechtsverkehr nicht mehr vertrauten Menschen, bei Jugendlichen (BGH NJW 1966, 1451), bei geistig Behinderten (RGZ 67, 393), aber auch bei langjährig Kranken oder auch bei längere Zeit Inhaftierten vorliegen. Unerfahrenheit ist nicht – jedenfalls nicht ohne weiteres – gegeben, wenn es dem Bewucherten lediglich auf bestimmten Lebens- oder Wirtschaftsgebieten an Erfahrungen und Geschäftskenntnissen mangelt (BGH LM [Ba] Nr 2; BB 1958, 571; 1966, 226; NJW 1957, 1274; 1979, 758; WM 1982, 849; Hamm NJW-RR 1993, 629). Fehlende Branchenkunde (BGH DB 1966, 226) bedeutet somit ebenso wenig Unerfahrenheit wie mangelnder technischer oder wirtschaftl Sachverstand (BGH NJW 1979, 758; WM 1982, 849; Köln VersR 1957, 433). cc) Mangel an Urteilsvermögen. Ein Mangel an Urteilsvermögen besteht, wenn in erheblichem Maße die Fähigkeit fehlt, sich bei seinem rechtsgeschäftlichen Handeln von vernünftigen Beweggründen leiten zu lassen oder die beiderseitigen Leistungen und die wirtschaftl Folgen des Geschäfts richtig zu bewerten. Kein Mangel an Urteilsvermögen liegt vor, wenn der Betroffene nach seinen Fähigkeiten in der Lage wäre, Inhalt und Folgen eines Rechtsgeschäfts sachgemäß einzuschätzen, er diese Fähigkeiten aber nicht oder nur unzureichend einsetzt und deshalb ein für ihn unwirtschaftl Rechtsgeschäft abschließt (BGH NJW 2006, 3054). Ob ein Mangel an Urteilsvermögen vorliegt, ist im Hinblick auf das konkret zu beurteilende Geschäft festzustellen; darauf, ob der Bewucherte ansonsten vernünftige Überlegungen anstellt, kommt es nicht an. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Mangel an Urteilsvermögen auf Verstandesschwäche beruht; selbst einer durchschnittlich intelligenten Person kann bei einem schwierigen und unklar formulierten Geschäft das nötige Urteilsvermögen fehlen (Stuttgart FamRZ 1983, 499). Das Urteilsvermögen dürfte regelmäßig fehlen, wenn jemand Anschaffungen macht, die zu seinem Leistungsvermögen oder zu seinen Bedürfnissen in keinem Verhältnis stehen (MüKo/Armbrüster Rn 275). Ein Mangel an Urteilsvermögen liegt jedoch nicht vor, wenn jemand in der spekulativen, irrtümlichen Erwartung über die Bebaubarkeit eines im Landschaftsschutzgebiet gelegenen Grundstücks einen außergewöhnlichen Kaufpreis zahlt (BGH WM 1976, 926). dd) Erhebliche Willensschwäche. Eine erhebliche Willensschwäche liegt vor, wenn der Betroffene zwar die Vorund Nachteile des Rechtsgeschäfts richtig bewertet, seine psychische Widerstandsfähigkeit aber soweit vermindert ist, dass er sich trotz richtiger Einsicht nicht sachgerecht verhalten kann (Köln OLG 1993, 193; MüKo/ Armbrüster Rn 277; Staudinger/Fischinger Rn 284 mwN). Hierher gehört insb die infolge dauernder Sucht (zB Drogenabhängigkeit, Alkohol) verursachte Beeinträchtigung der Entschlusskraft, bei der auch schon § 105 II eingreifen kann. Ein Krankheitszustand ist aber nicht notwendig (BGH NJW-RR 1988, 764). Eine erhebliche Willensschwäche kann auch bei Jugendlichen oder alten Menschen vorliegen. 3. Rechtsfolgen. a) Nichtigkeit von Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft. Das wucherische Verpflichtungsgeschäft ist nichtig; eine Anpassung des Vertragsinhalts unter Korrektur des Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung scheidet grds aus (BGHZ 44, 162; 68, 207; BGH NJW 1958, 1772; 1994, 1275; Celle NJW 1959, 1972). Ausnahmen von der Nichtigkeitsfolge sind bislang nur anerkannt beim Lohnwucher (vgl Rn 66) und beim Mietwucher (vgl Rn 126). Im Einzelfall kann der Wucherer gem § 242 gehindert sein, sich ggü dem Bewucherten, der am Geschäft festhalten will, auf die Nichtigkeit zu berufen (Staudinger/Fischinger Rn 298). Nach dem Wortlaut des § 138 II („oder gewähren lässt“) ist auch das Verfügungsgeschäft des Bewucherten nichtig, wenn beim Erfüllungsgeschäft die Wuchervoraussetzungen vorliegen; von der Nichtigkeit werden dann auch Leistungen erfüllungshalber (Wechsel, Scheck) und die Gewährung von Sicherheiten erfasst (BGH NJW 1982, 2767; 1990, 384; LM § 138 [Ba] Nr 13 m krit Anm Grunewald zur Erstreckung auf die Sicherheiten; 1994, 1470; ZIP 1994, 527; ZfIR 2004, 998f; 2018, 400 Rn 20; WM 2006, 1915 Rn 30; NJW-RR 2011, 880 Rn 8; Düsseldorf MittBayNot 2002, 290 [Ls] = juris Rn 36). Der Bewucherte kann also seine Leistung zB nach § 985 zurückfordern und ist nicht auf den schwächeren (§ 818 III) Bereicherungsausgleich angewiesen. Ist in Erfüllung des Wuchergeschäfts eine Grundbucheintragung erfolgt, kann der Bewucherte nach § 894 Grundbuchberichtigung verlangen (vgl BGH WM 1984, 1546; NJW-RR 2011, 880). Demggü ist nach hM das Verfügungsgeschäft des Wucherers wirksam (Grü/Ellenberger Rn 75; Soergel14/Baldringer Rn 58), da sich § 138 II nur auf die Leistung des Bewucherten, nicht aber auf die Leistung des Wucherers bezieht (VG Leipzig 15.12.2010 – 1 K 611/07, juris Rn 78). Die Mindermeinung, wonach sich die Nichtigkeit der Leistung des Wucherers aus § 138 I bzw § 139 ergibt (so Ennecerus/Nipperdey § 192 III 1), ist abzulehnen (Flume § 18, 7). Der Wucherer hat deshalb nur einen Bereicherungsanspruch (§ 812), der vielfach durch § 817 S 2 ausgeschlossen sein wird (RGZ 161, 52, 57; BGH NJW 1983, 1423; 1993, 2108; 1995, 1152). Beim wucheriSchmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
schen Darlehen steht § 817 S 2 der Rückforderung des Darlehens durch den Wucherer jedoch nur bis zum Ablauf der vereinbarten Darlehenszeit entgegen (BGHZ 99, 338; BGH NJW 1995, 1153); ferner kann der Wucherer sich nicht aus etwaigen Sicherheiten befriedigen (BGH NJW 1994, 1275); Zinsen soll er nicht, auch nicht in angemessener Höhe, verlangen können (BGH NJW 1983, 1422; Köln ZIP 1985, 26; anders Medicus/Petersen BürgR Rn 700 mwN). b) Späterer Eintritt oder Wegfall der Wuchervoraussetzungen. Treten die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes erst nach Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ein (entsteht zB ein auffälliges Leistungsmissverhältnis erst durch spätere Wertänderungen), bleibt das Verpflichtungsgeschäft wirksam (BGHZ 7, 111, 114; Soergel14/Baldringer Rn 42). Dem Anspruch auf Erfüllung kann aber der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242) entgegenstehen (BGHZ 7, 111, 114; Soergel14/Baldringer Rn 44 mN). Im Einzelfall können auch die Regeln über die Geschäftsgrundlage anwendbar sein. Fallen die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes nach Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts weg, ändert das nichts an der Unwirksamkeit dieses Geschäfts, so dass kein Anspruch auf Erfüllung besteht. Erbringen die Vertragsparteien jedoch die (unwirksam) vereinbarten Leistungen, ist § 141 zu beachten (BGH WM 2012, 2015 Rn 17f). Liegen dessen Voraussetzungen nicht vor und greift auch nicht ausnahmsw § 242 ein, sind die Leistungen nach § 812 zurückzugewähren. 4. Das wucherähnliche Geschäft. Die zusätzl Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsgeschäft bei einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nach § 138 II wegen Wuchers sittenwidrig ist, sind vielfach nicht gegeben oder nicht feststellbar. Ein auffälliges Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung allein genügt als Grundlage für die Anwendung von § 138 I nicht; sonst würde der Sondertatbestand des § 138 II völlig entwertet. Ein obj durch ein solches Missverhältnis geprägtes Austauschgeschäft ist aber nach § 138 I als wucherähnl Geschäft nichtig, wenn mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subj und obj Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. (st Rspr, s nur BGHZ 146, 298, 302; 196, 299 Rn 21; BGH NJW 1951, 397; 1979, 805; 2012, 1570). Dies ist insb der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftl schwächere Position des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGHZ 146, 298, 302).Solche Umstände können sich iÜ sowohl aus den Vorgängen und Verhältnissen beim Vertragsschluss, etwa der einseitigen Dominanz eines Ehegatten beim Unterhaltsverzicht (BGHZ 178, 322 Rn 29) als auch aus Inhalt, Zweck oder Beweggründen des Rechtsgeschäfts allein oder aus dem Gesamtbild ergeben. Könnte zB ein Ehegatte bei einem Vertrag zum Zwecke der Steuerersparnis im sog Wiesbadener Modell von dem anderen Ehegatten die Rückübertragung der belasteten Immobilie verlangen, ohne dass der andere Ehegatte von den Verbindlichkeiten befreit würde, würde dies eine sittenwidrige Übervorteilung des anderen Ehegatten bedeuten, die zur Nichtigkeit des Vertrags führt (BGH NJW 2015, 1168 Rn 7 in casu allerdings wegen Freistellungspflicht verneint; ähnl bei Verfallklausel BGH NJW 2009, 1135 Rn 9). Infolge von Umständen der geschilderten Art kann es zu einem wucherähnl Geschäft auch dann kommen, wenn das Missverhältnis nicht auffällig ist (BGH DtZ 1997, 66). Diese Regeln gelten nicht nur für Kaufverträge auch über bewegliche Sachen (Frankfurt IBR 2018, 477 – Sportpferd) oder Darlehensverträge, sondern auch für andere entgeltliche Verträge, etwa die Partnerschaftsvermittlung (Nürnberg 13.6.2018 – 12 U 1919/1, juris Rn 85). Subj ist im Prinzip erforderlich, dass der durch das Missverhältnis Begünstigte in verwerflicher Gesinnung gehandelt hat (grundlegend: BGHZ 146, 298, 302; dazu Maaß NJW 2001, 3467; Flume ZIP 2001, 1621; Eckert ZfIR 2001, 884; Staudinger/Fischinger Rn 316ff). Vorsatz oder bewusstes Ausnutzen der schwächeren Position des anderen Teils ist dazu nicht erforderlich; es genügt, dass sich der Begünstigte leichtfertig der Einsicht in die Verwerflichkeit seines Handelns verschließt (BGHZ 80, 153, 160f). Im Streitfall ist das grds von dem zu beweisen, der sich auf Sittenwidrigkeit beruft. Bei einem obj besonders groben oder krassen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung erleichtert die Rspr – jedenfalls zugunsten von benachteiligten Privatpersonen – die Beweisführung durch eine widerlegliche tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung des durch das Geschäft Begünstigten (BGHZ 98, 174, 178; 104, 102, 107; 125, 135; 125, 218, 227; 128, 255; 146, 298; BGH NJW-RR 2008, 1436, 1438). Diese Vermutung befreit die nachteilig betroffene Partei allerdings nicht von ihrer Behauptungslast, der sie aber dadurch entsprechen kann, dass sie sich auf die Vermutung beruft (BGH NJW 2010, 363 Rn 19; 2012, 1570 Rn 9; WM 2014, 1440 Rn 6). Zur Entkräftung der Vermutung genügt ein Hinw auf mögliche, als solche nicht anstößige Motive der Beteiligten nicht (BGH WM 1987, 353). Vielmehr muss die begünstigte Vertragspartei einen Sachverhalt darlegen und beweisen, der die Vermutung ausräumt (BGHZ 128, 255, 267; 146, 298; dazu Maaß NJW 2001, 3467; Flume ZIP 2001, 1621; Eckert ZfIR 2001, 884; NJW 2002, 429, 430f und 3165, 3166). Dafür genügt es nicht, dass die benachteiligte Vertragspartei das Missverhältnis kennt (BGH NJW 2007, 2841, 2842). Im Einzelfall können aber besondere andere Umstände dem Rückschluss auf eine verwerfliche Gesinnung entgegenstehen; das gilt etwa, wenn die Vertragsparteien in einer schwierigen Bewertungssituation ein nicht erkennbar grob unrichtiges Verkehrswertgutachten eingeholt haben und Verkäufer ein erfahrener Konkursverwalter ist (BGH WM 1985, 948; ZIP 1997, 931; NJW-RR 2008, 1436, 1438; vgl ferner das Bsp in Köln ZEV 1998, 435) oder wenn der Käufer darauf spekuliert, dass das Kaufgrundstück zu Bauland wird (Hamm RNotZ 2015, 346, 348). Ebenso gilt die Vermutung nicht, wenn sich das grobe Missverhältnis aufgrund einer Wertermittlung anhand des Ertragswertverfahrens ergibt (BGHZ 160, 8, 15; BGH NJW-RR 2008, 1436, 1438; MDR 2019, 343 Rn 20) oder der Preis auf einer Internetauktion beruht (BGH NJW 2012, 2723; KG MMR 2019, 391 Rn 17). Ggü benachteiligten Kaufleuten und vergleichbaren geschäftserfahrenen Teilnehmern am Rechts426
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verkehr gilt die Vermutung nicht (BGHZ 128, 255, 268; BGH NJW-RR 1989, 1068; NJW 1991, 1810; ZIP 2003, 1189, 1191; München ZMR 1996, 551; Nürnberg BB 1996, 660; Rostock 29.10.2020 – 3 U 55/19, juris Rn 46). V. Einzelfälle (alphabetisch) P Abtretung. Die Wirksamkeit der Abtretung einer Forderung oder eines Rechts als Verfügungsgeschäft wird von der Sittenwidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts idR nicht berührt (BGH NJW 1997, 3370; 2002, 429, 432). Etwas Anderes gilt, wenn (auch) die Abtretung selbst gegen die guten Sitten verstößt. S zu den einschlägigen Fällen wie etwa Übersicherung, Kollision mit verlängertem Eigentumsvorbehalt etc § 398 Rn 36ff. P Abwerbung von ArbN oder Kunden. Die Abwerbung von ArbN oder Kunden mag im Einzelfall gegen §§ 3, 4 UWG verstoßen. Der mit dem abgeworbenen ArbN oder Kunden geschlossene Vertrag ist jedoch nur bei zusätzl sittenwidrigen Umständen – etwa bei Verleitung zum Vertragsbruch oder bei einem den Umständen nach anstößigen gezielten Eingriff in ein anderes Unternehmen – nichtig (für ArbN: BAGE 13, 281, 284; Bremen und Frankfurt NJW 1963, 862; Karlsruhe GRUR 2002, 459 sowie NJW-RR 2002, 397; Braun DB 2002, 2326; Busch/ Dendorfer BB 2002, 301; Luft NJW 1961, 2000; aM Schmiedl BB 2003, 1120; für Kunden: Celle NJW-RR 1999, 550). Sittenwidrig können wegen unangemessener Beschränkung der beruflichen Freiheit vertragl Regelungen sein, die unabhängig von schutzwürdigen eigenen Interessen eines Unternehmers darauf abzielen, einen Mitarbeiter an einem Wechsel zu einem Wettbewerber zu hindern (vgl LAG Thüringen ZIP 2002, 587 zu § 74a HGB). P Adelsbezeichnungen etc. Auf den Erwerb von Adelsbezeichnungen, öffentlichen Ämtern, Auszeichnungen, Orden gerichtete Verpflichtungsgeschäfte, insb der Erwerb gegen Bezahlung („Titelkauf“), und normalerweise auch entspr Erfüllungsgeschäfte sind sittenwidrig. Dies gilt selbst bei grenzüberschreitenden Geschäften dieser Art, wenn die ausl Rechtsordnung den Titelhandel zulässt. Die Anstößigkeit ergibt sich sowohl aus der Störung der rechtl als auch aus der nach dem Verständnis unserer Rechts- und Sittenordnung sachfremden, ethischen Prinzipien widersprechenden Verknüpfung der Verleihung mit einer Gegenleistung in Geld (BGH NJW 1994, 187 – Ernennung zum Honorargeneralkonsul; BGH NJW 1997, 47 – Vermittlung einer Adoption zum Zwecke des Erwerbs eines Adelstitels; Stuttgart NJW 1996, 666 – Dr hc; Koblenz NJW 1999, 2904 – Promotion; MüKo/ Armbrüster Rn 250; Hospach NJW 1996, 643; Prieß NVwZ 1991, 111; Weiler NJW 1997, 1053; vgl auch Koblenz NJW 1996, 665 und Köln NJW-RR 1994, 1540 – Hilfe zur Promotion; LG Bonn 8.4.2022 – 2 O 49/20, juris Rn 18 – Diplomatenpass). P AGB. Die Einbeziehung einer neuen Fassung von Nutzungsbedingungen in eine bestehende Vertragsbeziehung ist nicht deswegen unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam, weil der Verwender den Kunden vor die Wahl gestellt hat, die neuen Bedingungen anzunehmen oder das Vertragsverhältnis faktisch zu beenden. Ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden liegt nicht vor, wenn die angetragene Änderung keine wesentl Veränderungen des Pflichtengefüges bewirkt und dem Verwender die Möglichkeit offen gestanden hätte, jedenfalls mittelfristig die Vertragsbeziehung zu beenden (Nürnberg 4.8.2020 – 3 U 3641/19, juris Rn 73). P Animierlokal. Wird in einem Animierlokal ein weit überhöhter Getränkepreis vereinbart, kann ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen (Nürnberg MDR 1977, 1016; vgl aber zu den für einen überhöhten Preis erforderlichen Feststellungen BayObLG NJW 1985, 873 – zu § 302a I 1 Nr 3 StGB aF). Das Gleiche kann auch für die Begebung eines für die Verzehrkosten hingegebenen Schecks oder Wechsels (LG Hamburg MDR 1974, 50; Kollhosser JuS 1977, 513) oder für die Abgabe eines Schuldanerkenntnisses (Schleswig NJW 2005, 225) gelten; letztlich ist das indes eine Frage der Würdigung aller Umstände im Einzelfall (vgl BGH NJW 1980, 1742). Sittenwidrigkeit liegt besonders dann nahe, wenn wegen der Höhe des anerkannten Betrages der Gast mit der Begebung eines Wertpapiers oder der Abgabe eines Anerkenntnisses durch die Umkehr der Beweislast in Beweisnot gebracht wird (BGH NJW 1987, 2014). Ferner kommt Sittenwidrigkeit in Betracht, wenn hohe Verzehrkosten zugleich eine versteckte Gegenleistung für sexuelle Handlungen in dem Lokal tätiger Personen enthalten (Hamm NJW-RR 1986, 547; Köln NJW-RR 2002, 620, 621; Schleswig aaO). P Arbeitsverhältnis. Ein Arbeitsvertrag, der zu einer sittenwidrigen Arbeitsleistung verpflichtet, etwa zur Mitwirkung an einer strafbaren Handlung, auch unterhalb der Schwelle der eigenen Strafbarkeit des ArbN (vgl in diesem Zusammenhang auch Schulz NJW 2006, 183 zur Strafbarkeit der Beschäftigung von Scheinselbständigen), zur Prostitution (BGHZ 67, 119; BGH AP Nr 35; Düsseldorf NJW 1970, 1852; vgl auch BVerwG NJW 1982, 665; NVwZ 1990, 668) oder gar zur öffentlichen Vorführung des Geschlechtsverkehrs (BAG NJW 1976, 1958), ist – wenn nicht schon nach § 134 – jedenfalls nach § 138 von Anfang an ungültig, nicht jedoch zB ein Arbeitsvertrag mit einer Stripteasetänzerin (BGH UFITA 74, 337; vgl auch BVerwG NVwZ 1985, 826; NJW 1982, 664). Große Bedeutung hat § 138 ferner für die arbeitsvertragl Umsetzung von Grundwertungen der Verfassung, die selbst keine gesetzl Verbote enthalten (etwa: Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht – Bsp: BAG DB 1983, 2780; BB 1983, 1727 m Anm Schlund; 1988, 137; 1995, 204; 1998, 431; Gewissensfreiheit – BAG BB 1985, 1853; 90, 212; Meinungsfreiheit; Schutz von Ehe und Familie; vgl zur Problematik insg Zachert BB 1998, 1310ff). Wenn zw der geschuldeten Arbeitsleistung und dem individuell vereinbarten Lohn ein auffälliges Missverhältnis besteht, kann bei einem nicht tarifgebundenen ArbN (bei Tarifbindung besteht Anspruch auf den Tariflohn, BAG DB 1990, 2023) ein Arbeitsvertrag unter den weiteren Voraussetzungen von § 138 II wegen Lohnwuchers nichtig sein. Ausgangspunkt für die Feststellung eines solchen Missverhältnisses ist der Vergleich zw dem vereinbarten Lohn und dem (regionalen und/oder branchenüblichen) Marktpreis der geschuldeten Arbeitsleistung Schmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
(vgl dazu BGHSt 43, 53, 59f mwN – zu § 302a I StGB1 aF, heute § 291 StGB); zweifelhaft erscheint, ob – so BGH aaO – ein in der Branche und Region geltender Tariflohn zum Maßstab für den Marktpreis genommen werden kann (vgl auch BAG AP Nr 30; vermittelnd BAG NZA 2004, 971); mehr spricht für eine Anknüpfung an die für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer ortsübliche Vergütung iSv § 612 II, um individuelle Lohnbemessungsmerkmale (etwa eine Unterqualifikation infolge unzureichender Ausbildung oder individueller Eignungsbeschränkungen) und regionale Unterschiede im Lohnniveau angemessen berücksichtigen zu können (BGH AnwBl 2010, 439 Rn 19). Gegen eine ausschließliche oder vorzugsweise Anknüpfung an den Tariflohn spricht nicht zuletzt, dass die Tariflöhne in manchen Branchen oder Regionen selbst bisweilen sehr niedrig sind. Ein Missverhältnis nimmt die Rechtspraxis teilw an, wenn der vereinbarte Lohn 20–30 % des Vergleichslohnes unterschreitet (vgl etwa BGHSt 43, 53, 54; AnwBl 2010, 439 Rn 19, 22; BAG NZA 2006, 1354, 1356; BAGE 130, 338 Rn 17; 143, 212 Rn 19; LAG Berlin AuR 1998, 468; Peter AuR 1999, 289, 293; Reinecke NZA 2000 Beil zu Heft 3, 23; überholt daher BAG EzA Nr 29). Letztlich wird es auf die Umstände des jew Einzelfalles (zB auch auf die absolute Höhe des vereinbarten Lohnes und auf die Produktivität der konkreten Arbeitsleistung im Beschäftigungsunternehmen) ankommen (Hanau EwiR 2002, 420). Lohnwucher kann auch bei Vereinbarung eines überhöhten Entgelts gegeben sein (BAG AP Nr 1 und 30). Bei einem auffälligen Missverhältnis bei der Bemessung des Arbeitslohnes kann auch nach § 138 I Sittenwidrigkeit gegeben sein, wenn in der Vertragsregelung eine verwerfliche Gesinnung zum Ausdruck kommt (LAG München KuR 2021, 152 = juris Rn 33). Die bloße Unterschreitung des Tariflohnes (BAG AP Nr 30 m krit Anm Konzen) oder des marktüblichen Lohnes um einen bestimmten Prozentsatz reicht allein für einen Sittenverstoß weder bei § 138 I noch bei § 138 II aus (Grü/Ellenberger Rn 79). Von Bedeutung mag dabei im Einzelfall sein können, ob das Entgelt trotz angemessener Arbeitsleistung für den Unterhalt der Familie nicht ausreicht („Hungerlohn“; BAG AP Nr 30; bedenklich, wenn nach den Marktverhältnissen, etwa wegen der begrenzten individuellen Leistungskraft des Arbeitnehmers, ein höherer Lohn nicht in Betracht kommt) oder wenn der Lohn außer Verhältnis zum wirtschaftl Wert der Arbeit steht. Die individuellen Voraussetzungen, die neben dem Vorliegen eines Missverhältnisses für Sittenwidrigkeit iSv § 138 I oder II vorliegen müssen, werden sich letztlich schwerlich feststellen lassen, wenn die Produktivität des konkreten Beschäftigten in seinem Unternehmen keine höhere Vergütung erlaubt. Insg dürfte § 138 deshalb kein geeignetes Mittel sein, um generell in einer Branche, einer Region oder einem Unternehmen zu niedrige Löhne zu verhindern. Nicht ohne weiteres zu beanstanden sind Kombinationen einer angemessenen Festvergütung mit erfolgsabhängigen Vergütungselementen; bedenklich ist allerdings ein Dienstvertrag eines Geschäftsführers einer GmbH, der als Vergütung nur eine Tantieme vorsieht (KG GmbHR 1996, 613). Nicht mit den guten Sitten vereinbar ist es, die Vergütungspflicht für eine Probezeit von zwei Wochen vom endgültigen Abschluss eines Arbeitsvertrags abhängig zu machen (LAG Köln AuR 1999, 461). Eine vom ArbGeb angebotene Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit ist nicht sittenwidrig, wenn darin Lohnausgleich nicht vorgesehen ist. Sie dient dem Erhalt der Arbeitsplätze und ist nicht Ausdruck einer verwerflichen Gesinnung (LAG Nürnberg LAGE § 612a BGB 2002 Nr 16 = juris Rn 53) Sittenwidrig können auch Vertragsregelungen sein, die ohne wirtschaftl Ausgleich Arbeitgeberrisiken auf den ArbN verlagern. Bsp für Sittenwidrigkeit: Abhängigkeit des Entgelts von einem schwer erreichbaren Mindesterfolg (LAG Hamm ZIP 1990, 880; vgl auch LAG Hamm BB 1980, 105f); Verlustbeteiligung ohne Gegenleistung (BAG NJW 1991, 860); Mankoabrede ohne wirtschaftl Ausgleich (BAG NJW 1974, 1155; Bleistein DB 1971, 2213); Delkrederehaftung bei unzureichender Provision (LG Heidelberg BB 1958, 7); ein Vergütungsausschluss bei Ausschussarbeit (Sack RdA 1975, 171); Verpflichtung des ArbN zum Ersatz von Unfallschäden ohne Vereinbarung einer angemessenen Gegenleistung (ArbG Marburg BB 1969, 1479); Verpflichtung zur Weiterzahlung von Leasingraten für einen zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagen nach Ende des Arbeitsverhältnisses und Rückgabe des Fahrzeuges (BAG NJW 2004, 1754). Nichtig ist der vertragl Ausschluss des Kündigungsrechts einer Minderjährigen auf die Dauer von zwei Jahren, wenn der Bindung an den Arbeitsvertrag kein Äquivalent gegenübersteht (LAG Berlin AP Nr 23), ebenso ein Lohnverzicht für den Fall einer Kündigung des Arbeitsvertrags. Große Bedeutung hat § 138 in der Praxis für die Überprüfung der Wirksamkeit von einseitigen Rechtsgeschäften und rechtsgeschäftsähnl Handlungen des Arbeitgebers, insb von Kündigungen und betrieblichen Weisungen. Praktische Bedeutung hat § 138 vor allem, soweit das KSchG nicht anwendbar ist. Das BVerfG weist § 138 – gemeinsam mit den übrigen zivilrechtl Generalklauseln – insb die Funktion des durch Art 12 I GG gebotenen Mindestschutzes für ArbN zu, soweit die gesetzl Kündigungsschutzregelungen keinen hinreichenden Schutz bieten (BVerfG NJW 1998, 1475; zur Beweislast insoweit BAG NJW 2002, 532 mwN). Zu § 138 bei einer Kündigung wegen einer AIDS-Erkrankung BAG AP Nr 46 (zust Kramer); LAG Düsseldorf NZA 1988, 658. Bei Aufhebungsverträgen verneint das BAG für den Regelfall zutr eine zur Sittenwidrigkeit führende Lage, weil der ArbN einen Aufhebungsvertrag mit einem schlichten „Nein“ ablehnen könne (BAG NJW 1996, 2593; vgl auch BAG DB 1994, 279). Ein zurückdatierter Aufhebungsvertrag soll grds auch dann nicht gegen die guten Sitten verstoßen, wenn die Rückdatierung ein Ruhen des Arbeitslosengeldes nach §§ 156ff SGB III – verhindern will (LAGE BW § 611 BGB Aufhebungsvertrag; vgl auch Bauer EwiR 1997, 344 zu BAG ZIP 1997, 603; ähnl LAG Berlin NZA-RR 2000, 460 für eine Vereinbarung, die möglicherweise einen Subventionsbetrug enthält). Hinzunehmen und nicht sittenwidrig ist es auch, wenn anstelle einer möglicherweise berechtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsgebers eine Aufhebung des Arbeitsvertrags vereinbart wird und daraus letztlich als Nebenwir-
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kung auch Ansprüche auf öffentliche soziale Leistungen entstehen (LAG Nds NZA-RR 2005, 415; vgl auch den besonders gelagerten Sachverhalt in BAG ZIP 1999, 1572). P Auslandsbezug. § 138 gilt grds nur für Rechtsgeschäfte, die nach den Regeln des IPR dt Recht unterliegen. Für die Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften mit Auslandsbezug, die dem dt Recht unterliegen, insb für Verträge zu grenzüberschreitenden Leistungen oder Lieferungen, gelten zwar keine grds anderen Maßstäbe als bei reinen Inlandsgeschäften. Jedoch wirkt sich hier faktisch stärker aus, dass die (nationale) Sittenordnung auch von den innerstaatlich verbindlichen (vgl Art 25 GG) rechtl Grundwertungen des internationalen Rechts einschl der anerkannten internationalen Handelsbräuche und des übernationalen Rechts, insb des Rechts der EU, geprägt wird. Bei der Ausfüllung des Begriffs der guten Sitten sind diese Grundwertungen heranzuziehen (Köln FamRZ 2016, 720, 721 für Beurteilung einer iranischen Morgengabe bei deutschem Recht unterliegender Ehe). Was nach diesen Regeln erlaubt ist, kann gemeinhin im grenzüberschreitenden Verkehr nicht sittenwidrig sein, sofern nicht zusätzl anstößige Umstände das Rechtsgeschäft im Einzelfall insg sittenwidrig prägen. Ein Verstoß gegen ausl Recht kann insb zur Sittenwidrigkeit führen, wenn seine Beachtung auch im dt Interesse liegt (BGHZ 94, 268, 270, 272; BGH NJW 1991, 634; Fikentscher/Waibl IPRax 1987, 86; Staudinger/Fischinger Rn 742) oder wenn das ausl Recht auch nach den im Inland geltenden Rechts- und Sittenanschauungen als Maßstab anzuerkennen ist (BGHZ 94, 268, 271), etwa wegen Übereinstimmung mit grundlegenden dt Gerechtigkeitsvorstellungen (vgl Mayer-Maly AcP 194, 105, 145; Staudinger/Fischinger Rn 742; vgl auch BGH GRUR 1980, 858) oder mit den gemeinsamen sittlich-rechtl Vorstellungen aller Kulturstaaten (BGHZ 59, 82, 85; 69, 295, 298; 94, 268, 271). Grds nicht abzustellen ist auf ausl Recht, das gegen dt Interessen gerichtet ist oder das sich mit den Grundwertungen innerstaatlichen dt Rechts nicht verträgt (BGHZ 34, 169, 176; 69, 295, 298). P Automatenaufstellungsvertrag. Ein Automatenaufstellungsvertrag ist wegen Wuchers (§ 138 II) nichtig, wenn sich der Automatenaufsteller neben einer der Vorfinanzierung dienenden „Sicherheit“ eine Mietvergütung versprechen lässt, die den Anschaffungswert des Automaten um das Doppelte übersteigt (KG NJW 1964, 1475; vgl aber BGH NJW 1979, 758). Die Sittenwidrigkeit eines Aufstellungsvertrags (§ 138 I) kann sich iÜ vor allem aus der Gesamtheit der Vertragsbestimmungen ergeben; ein Sittenverstoß kann insb vorliegen, wenn die Belastungen für den Gastwirt, in dessen Gaststätte Automaten aufgestellt werden, in ihrer Gesamtwirkung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den Investitionen des Aufstellers stehen und/oder wenn die wirtschaftl Bewegungsfreiheit etwa des Wirts in unvertretbarem Maße eingeschränkt wird; von Bedeutung können dabei zB die Laufzeit des Vertrags und/oder die Vereinbarung sehr langer Kündigungsfristen mit Verlängerungsklausel sein (vgl BGHZ 51, 55; BGH NJW 1971, 1034; 1983, 159; WM 1971, 243; 1977, 112; 1982, 1354; 1983, 159; Celle WuW 1975, 609; v Olshausen/K. Schmidt Automatenrecht, 1972, B 29ff, 53). Die ordentliche Kündigung eines laufenden Gaststättenpachtvertrags mit dem Ziel, in einem neuen Vertrag (auch) das alleinige Recht zur Automatenaufstellung zu erhalten, ist grds nicht sittenwidrig (BGH NJW 1998, 76). P Bankkonto. Ein Vertrag über ein Konto bei einem Kreditinstitut (etwa Girovertrag) kann nach den AGB der Banken und Sparkassen idR ohne Begründung gekündigt werden. Bei Wahrung der vereinbarten oder einer angemessenen Frist ist auch eine vertragsgemäße, wenn auch ohne plausiblen Grund ausgesprochene Kündigung regelmäßig wirksam. Ausnahmsw kann nach den allg Kriterien Sittenwidrigkeit in Betracht kommen, etwa wenn das Kreditinstitut eine strukturelle Machtposition in anstößiger Weise ausnutzt (Parallele zur Bürgschaft). Bei der stets erforderlichen Gesamtabwägung kann ggü der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit des Kreditinstituts neben beiderseitigen Interessen und den obj nachteiligen rechtl und tatsächlichen Auswirkungen für den Kontoinhaber von Bedeutung sein, ob die Kündigung verfassungsrechtl gesicherte Rechtspositionen (etwa Art 4, Art 9 III 2, Art 21, möglicherweise iVm Art 3 III GG) beeinträchtigt und/oder die Beweggründe der Kündigung nach verfassungsrechtl Grundwertungen zu missbilligen sind. Dies wird man insb anzunehmen haben, wenn Motiv für die Kündigung allein die nach Meinung des Kreditinstituts verfassungsfeindliche Politik einer extremen, aber nicht verbotenen politischen Partei ist (näher dazu Boemke NJW 2001, 43 und WiB 1997, 617, 622 und Köndgen NJW 2004, 1288, 1291f sowie aus der Rspr einerseits Dresden NJW 2001, 1433 und 2002, 757; LG Leipzig NJW 2001, 80 und andererseits Brandenburg NJW 2001, 450; Köln NJW 2001, 452; AG Essen NJW-RR 1994, 1330; vgl auch LG Stuttgart NJW 1996, 3347 – Kündigung ggü Scientology). Für öffentlich-rechtl Banken und Sparkassen kommt statt § 138 I die Anwendung von § 134 iVm dem Willkürverbot des GG in Betracht (BverfG NJW 2003, 1658f; EuGRZ 2001, 333, 334 und 335; BGHZ 154, 146; BGH NJW 2004, 1031; Köndgen NJW 1996, 558, 559 und 2004, 1288; Steuer WM 1998, 439). P Bauverträge. Auch bei Bauverträgen kommt Sittenwidrigkeit vor allem unter den Voraussetzungen des Wuchers oder eines wucherähnl Geschäfts (Rn 59) in Betracht (Bsp: BGHZ 196, 299 Rn 21; Karlsruhe MDR 2015, 497, 498). P Benachteiligung der Allgemeinheit/Geschäfte zulasten der Allgemeinheit. Sittenwidrig sind aus eigennützigen Gründen getroffene Vereinbarungen, die geeignet sind, zum Schutz gewichtiger Interessen der Allgemeinheit erlassenen Rechtsvorschriften durch Herabsetzung der Hemmschwelle ihre Wirksamkeit zu nehmen (Bsp: Zusage eines ArbG über die Erstattung von etwaigen Geldbußen für Verstöße des ArbN gegen Vorschriften über Lenkzeiten im Güterkraftverkehr, BAG NJW 2001, 1962; vgl auch LAG Hamm NJW 1991, 861; Holly/Friedhofen NZA 1992, 145, 148ff, 153). Mit den guten Sitten unvereinbar sind ferner Rechtsgeschäfte, die dazu dienen, in missbilligenswerter Weise private Lasten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Dies gilt insb für Vermögensdispositionen (Abtretung von Forderungen oder Rechten, Übereignung von beweglichen Sachen, Auflassung von Schmidt-Räntsch
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Grundstücken) mit dem prägenden Zweck, die sonst nicht oder nicht im gleichen Ausmaß gegebenen Voraussetzungen für Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln (etwa: Subventionen, Sozialhilfe und sonstige soziale öffentliche Leistungen, Wohngeld, auch Prozesskostenhilfe) zu schaffen oder Rückgriffsmöglichkeiten öffentlicher Träger von solchen Leistungen zu verkürzen (BGHZ 178, 322 Rn 36f); in diesem Fall erfasst die Sittenwidrigkeit gerade auch das Verfügungsgeschäft (Bsp: Stuttgart NJW 2001, 3484; Schleswig SchlHA 1998, 48; VGH Mannheim NJW 1993, 2953; OVG Münster NJW 1989, 2834; 1997, 2901; VG Gießen NJW 2000, 1515; Frank BWNotZ 1983, 153; Schwarz JZ 1997, 545). Ein Unterhaltsverzicht oder eine sonstige Unterhaltsvereinbarung ist nicht erst dann sittenwidrig, wenn bewusst die Notwendigkeit öffentlicher sozialer Hilfe herbeiführt wird. Beide können vielmehr auch ohne eine solche Absicht sittenwidrig sein, wenn die Ehegatten damit grob fahrlässig eine Unterstützungsbedürftigkeit des einen Ehegatten zu Lasten des Sozialhilfeträgers herbeiführen oder wenn sie die auf der Ehe beruhenden Familienlasten obj zum Nachteil des Sozialhilfeträgers regeln (BGHZ 178, 322 Rn 36) oder wenn sie eine über die gesetzl Unterhaltspflicht hinausgehende Zahlungspflicht vereinbaren und dadurch den zahlungspflichtigen Ehegatten außer Stande setzen, seine eigene Existenz zu sichern, der deshalb Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss (BGHZ 178, 322 Rn 37). Diese Grundsätze lassen sich nicht ohne weiteres auf Überlassungsverträge übertragen, durch welche Eltern ihren Kindern ihr Grundstück gegen Einräumung eines Wohnrechts und Übernahme von Pflege und Wartung übertragen (BGH NJW 2009, 1346 Rn 16). Vielmehr muss hier auch die Wertung der §§ 528, 529 berücksichtigt werden, nach der selbst bei einer Schenkung nur für die Dauer von 10 Jahren ein Rückforderungsrecht besteht (BGH NJW 2009, 1346 Rn 11; BGHZ 220, 226 Rn 23). Allerdings kann dem Beschenkten die Berufung auf die Einrede eigenen Unterhaltsbedarfs nach § 529 II versagt sein, wenn den Vertragsparteien bei Abschluss des Schenkungsvertrags bekannt sind oder sie sich grob fahrlässig der Erkenntnis verschließen, dass die Schenkung zur Verarmung des Schenkers und damit zu einer Belastung der öffentlichen Haushalte führt (BGHZ 86, 823, 89; 178, 322 Rn 40; 220, 226 Rn 20, 24). Eine vergleichbare Fragestellung ergibt sich bei einem Behindertentestament. Das sind Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann. Sie sind grds nicht sittenwidrig, weil das Gesetz dem behinderten Kind nur einen – überleitungsfähigen (BGHZ 123, 368, 379) – Pflichtteilsanspruch gewährt und die Ausnutzung der Testierfreiheit zum Wohl des behinderten Kindes nicht verbietet (BGHZ 111, 36; 123, 368, 373ff; 188, 96 Rn 12; BGH NJW-RR 2006, 223 Rn 19; FamRZ 2020, 128 Rn 12, 15; Hamm ZEV 2017, 158 Rn 56ff). Entspr gilt auch für den Erbverzicht (BGHZ 188, 96 Rn 17ff; Hamm FamRZ 2022, 832, 833), der aber sittenwidrig sein kann, wenn er Teil einer den Verzichtenden einseitig übervorteilenden und ihn überrumpelnden Vereinbarung ist (Hamm ZEV 2017, 163 Rn 28ff). Umgekehrt führt eine Übernahme der Kosten der Heimunterbringung in solchen Fällen nicht ohne weiteres zu einer sittenwidrigen Überforderung der Kinder (Bsp: Koblenz FamRZ 2017, 660, 662). Nicht sittenwidrig ist auch ein Verzicht auf Ansprüche aus der gesetzl Tierhalterhaftung nach § 833, der im Rahmen einer Vereinbarung erklärt wird, ein Reitpferd des Halters jederzeit kostenlos und ohne Beteiligung an Pflege und Unterhaltung reiten zu dürfen. Eine solche Vertragsgestaltung überschreitet die Grenzen des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden nicht. Zwar müsste der Sozialversicherungsträger bei einem Reitunfall die Krankenbehandlungskosten tragen. Das müsste er aber bei einem Unfall auf einem eigenen Pferd des Reiters ebenfalls. Davor könnte ihn nur eine Unfallversicherung bewahren, deren Abschluss aber Sache des Reiters wäre (Schleswig VersR 2022, 259, 262f). Sittenwidrig kann die Abtretung einer str Forderung einer nicht armen Partei sein mit dem Ziel, sie durch den Zessionar unter Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe verfolgen zu lassen (BGHZ 96, 151, 153; LM [Ca] Nr 3a; Düsseldorf NZKart 2015, 201 = juris Rn 64); die Prozesskostenhilfe ist in einem solchen Fall nicht wegen Rechtsmissbrauchs (BGHZ 47, 289, 292), sondern schon wegen mangelnder Erfolgsaussicht zu versagen. Eine Abtretung wäre aber nicht sittenwidrig, wenn sie zu dem Zweck erfolgt, den anderen aus einer ungünstigen Beweislage zu befreien (BGH NJWRR 1988, 126, 127). P Benachteiligung Dritter/Eingriff in Rechte Dritter/Verleiten zum Vertragsbruch. Die Privatrechtsordnung verbietet ein Verpflichtungsgeschäft nicht, dessen Inhalt mit einem anderen Verpflichtungsgeschäft einer Vertragspartei kollidiert (Bsp: Dasselbe Grundstück wird vom Verkäufer mehrfach an unterschiedliche Käufer verkauft). Ein Teilnehmer am Privatrechtsverkehr muss nicht ohne weiteres bei der Vornahme von Rechtsgeschäften die Verfolgung seiner eigenen Interessen ggü drittbezogenen schuldrechtl Pflichten seines Geschäftspartners zurückstellen (st Rspr, vgl BGHZ 12, 308, 317; BGH NJW 1979, 1704; 1981, 2184f; 1992, 2152f; 1994, 128, 129). Selbst Verfügungsgeschäfte, mit denen in Rechte Dritter eingegriffen wird, werden vom Gesetz nicht von vornherein ausgeschlossen (gutgläubiger Erwerb, § 185). Für eine Kollision von Verpflichtungsgeschäften und auch für jede andere Verletzung privater Pflichten enthält das Gesetz eigene Regelungen. Schlichte Pflichtwidrigkeiten eines Geschäftsbeteiligten und die obj Mitwirkung eines Geschäftspartners daran verdienen deshalb das qualifizierte Unwerturteil der Sittenwidrigkeit nicht; Sittenwidrigkeit verlangt ein höheres Maß an Anstößigkeit (BGH ZIP 2019, 19707 Rn 29). Deshalb sind Rechtsgeschäfte, deren Vollzug i Erg bei mindestens einem Beteiligten zu einem Konflikt mit anderen privatrechtl Pflichten führen würde, nicht ohne weiteres sittenwidrig; es müssen besondere anstößige Umstände hinzukommen (BGH NJW 1981, 2183f; 1992, 2152f; 1994, 128, 129; Rostock 20.9.2018 – 3 U 37/17 juris Rn 53). Erst recht ist es nicht sittenwidrig, durch Rechtsgeschäft einseitig auf eine im Gesetz vorgesehene Weise einen Vertrag ordnungsgemäß zu beenden (Bsp: Kündigung eines Miet-/ Pachtvertrags), um einen günstigeren Anschlussvertrag zu ermöglichen und durch die Vertragsbeendigung mit430
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telbar auch auf Pflichten des anderen Teils ggü Dritten einzuwirken (Bsp: Ein Untermietvertrag, ein Automatenaufstellvertrag oder eine Bezugsverpflichtung für das Miet-/Pachtobjekt laufen mit der Kündigung des Hauptmietvertrags aus; vgl BGH NJW 1998, 76 für Kündigung eines Gaststättenpachtvertrags). Sittenwidrigkeit kann in Betracht kommen, wenn ein Rechtsgeschäft – bezogen auf privatrechtl Pflichten min- 77 destens eines Partners – eine Pflichtverletzung ggü einem Dritten zum Inhalt hat (Bsp: Ein Beteiligter wird, möglicherweise mit einer Vertragsstrafe bewehrt, zur Verletzung von Vertragspflichten ggü einem Dritten verpflichtet). Dieser Fall ist in der Praxis selten. Praktisch häufiger sind Sachverhalte, in denen die Beteiligten mit einem inhaltlich zumeist neutralen Rechtsgeschäft gemeinsam in anstößiger Weise (durch kollusives Zusammenwirken) auf eine Beeinträchtigung von Rechten oder schuldrechtl Ansprüchen Dritter abzielen (BGHZ 60, 102, 104ff; BGH NJW 1981, 2184f; 1988, 902; ZIP 2019, 1907 Rn 25; BayVfGH 25.5.2021 – Vf. 38-VI-20 juris Rn 35). Hier steht im Vordergrund der Sittenwidrigkeit die für den Dritten nachteilige Zweckverfolgung durch bewusstes Zusammenwirken der Geschäftspartner (Bsp: Mit dem Rechtsgeschäft soll, häufig unter Täuschung des Dritten, ein Vorkaufsrecht, ein Wiederkaufsrecht, eine schuldrechtl Nutzungsberechtigung des Dritten, ein Vermächtnis, ein Vollziehungsanspruch gem § 2194, eine Kostenerstattungspflicht gem §§ 91ff ZPO oder die Weitergabe einer Skontoermäßigung ausgeschaltet werden; vgl BGH NJW 1964, 540; WM 1970, 321, 1318; NJW-RR 2005, 1534 – Vorkaufsrecht; für einen anderen Weg – analoge Anwendung von § 162 I – insoweit BGH NJW 1992, 236; vgl zum Eingriff in ein fremdes Vorkaufsrecht auch München NJW-RR 1999, 1314; BGH NJW 1985, 2953 mwN – Wiederverkaufsrecht; BGHZ 84, 91, 95 – Untermietvertrag; BGH NJW 1992, 2152 – Vermächtnis; BGHZ 121, 357, 366 – Vollziehungsanspruch gem § 2194; BGHZ 60, 102, 104f; BGH NJW 1988, 902f, sowie – zu § 826 – BGH NJW-RR 1999, 1186 und München NZM 1999, 797 – Vereitelung schuldrechtl Ansprüche; BGH NJW-RR 2009, 1207, 1208 – Missbrauch des Lastschriftverfahrens zur risikolosen Kreditgewährung an den Lastschriftgläubiger unter Abwälzung des Kreditrisikos auf die Gläubigerbank; Düsseldorf NJW-RR 2001, 1025 – Abtretung, um Aufrechnung mit Gegenansprüchen aus demselben Geschäft zu vereiteln oder zu erschweren; BGH NJW 1980, 991 und MDR 1959, 999 – Kostenerstattungspflicht gem §§ 91ff ZPO; Frankfurt NJW-RR 2001, 1634 – Nichtweitergabe einer Skontoermäßigung; vgl auch Düsseldorf NJW-RR 1996, 270 – Vereitelung von zukünftigen Rechten des Erstehers aus § 93 ZVG nicht sittenwidrig). Ein Rechtsgeschäft, das nach der Absicht der Parteien einen Dritten schädigen soll, ist nicht sittenwidrig, wenn es für den Dritten obj nicht nachteilig ist (BGH NJW-RR 2012, 18; VersR 2013, 370, 371; MDR 2918, 856 Rn 26). Sittenwidrige Kollusion bei der Vertragsanbahnung und/oder beim Vertragsschluss kommt in Betracht, 78 wenn die eine Seite mit einem (gesetzl oder rechtsgeschäftlichen) Vertreter, Mitarbeiter, oder sonstigen (auch freiberuflichen) Sachwalter (etwa Handelsvertreter, Versicherungsagent) oder Berater (etwa Anwalt, Architekt, Baubetreuer, Makler, Steuerberater) der anderen Seite zu deren Nachteil in anstößiger Weise zusammenwirkt. Ob und wann ein Zusammenwirken dieser Art anstößig ist, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilen. IdR wird der Vertreter/Sachwalter/Berater durch sein Verhalten interne Pflichten verletzen, sei es durch inhaltlich pflichtwidrige Aufgabenwahrnehmung, sei es durch Annahme von Vorteilen, von denen der Vertragspartner selbst nichts erfahren soll; ein solcher Vorteil kann auch in einer – als solche unbedenklichen – Provision oder sonstigen Vergütung für das angebahnte Geschäft liegen, die dem Vertragspartner verheimlicht wird. Häufig werden bei kollusiven Geschäften Vorteile für den Sachwalter mit erstrebten oder in Kauf genommenen Nachteilen für den Vertragspartner verbunden, etwa mit der Unterdrückung wichtiger Informationen (Bsp, zT aus Entscheidungen zu § 826: BGH NJW-RR 1989, 642 – kollusives Zusammenwirken mit Testamentsvollstrecker zum Nachteil des Nachlasses; BGH NJW 1994, 2357 – kollusives Zusammenwirken eines Bankangestellten mit dem Gutschriftempfänger bei der Ausführung eines gefälschten Überweisungsauftrags; Frankfurt ZIP 2003, 1192 – kollusives Zusammenwirken eines Bankangestellten mit dem Verkäufer einer kreditfinanzierten Wohnung; BGH NJW-RR 1996, 869 – kollusives Zusammenwirken eines Gesellschafters mit dem Käufer eines Miteigentumsanteils zum Nachteil der Gesellschaft; BGH NJW-RR 2004, 247 – kollusives Zusammenwirken der Geschäftsführer von zwei Gesellschaften zum Nachteil mindestens einer Gesellschaft bei der Erfüllung gegenseitiger Vertragspflichten; BGH BauR 2004, 337 – kollusives Zusammenwirken eines Angestellten einer Vertragsseite mit der anderen Vertragsseite zum Nachteil seines Geschäftsherrn bei der Abwicklung eines Werkvertrags; BGHZ 84, 91, 95 – einvernehmliche Beendigung einer an sich noch länger laufenden Gaststättenpacht, um einem vom Pächter geschlossenen Automatenaufstellvertrag die Grundlage zu entziehen; BGH NJW 2000, 2896 – Absprache über Erteilung einer fingierten Rechnung zw einem Mitarbeiter des Geschädigten und dem Schädiger; BAG NJW 1997, 1940 – kollusives Zusammenwirken des geschäftsführenden Gesellschafters mit einer Angestellten bei einem Aufhebungsvertrag zum Nachteil der Gesellschaft). Der Nachteil für den Vertragspartner muss aber nicht notwendig in einer für ihn letztlich ungünstigen Vertragsgestaltung oder in einer Vermögensgefährdung liegen, wie die in Rn 79 dargestellten Fälle der Schmiergeldzahlung zeigen. Es genügt, dass der Vertragspartner durch die Kollusion von einer von ihm selbst beteiligten Person hintergangen und dass zugleich auf diese Weise in seinen inneren Entscheidungsprozess eingegriffen wird. Die Vereinbarung von Schmiergeldzahlungen oder eines vergleichbaren anderen Vorteils selbst ist zweifelsfrei 79 wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn der Versprechende weiß oder in Kauf nimmt, dass der zukünftige Vertragspartner von ihr nichts erfahren soll (st Rspr, vgl BGH NJW 1962, 1099 – Schmiergeld für Vertreter des Geschäftsherrn; BGH WM 1976, 1306 – Honorarabrede zw einem Bankkunden und dem Mitarbeiter einer Bank; BGH NJW 1973, 363 – Schmiergeld für Vermittlungsvertreter; BGHZ 78, 263, 268 sowie BGHZ 95, 81, 85 – nicht offen gelegte Provisionsabrede mit Steuerberater für Gewinnung von Vermögensanlegern; BGHZ 114, 87, 91ff – nicht Schmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
offengelegte Provisionsabrede mit Baubetreuer; Düsseldorf BauR 1997, 122 – Schmiergeldzahlungen durch Geschäftsführer einer GmbH mit dem Ziel, Bauaufträge zu beschaffen; weitere Bsp: BGHZ 76, 1306; BGH NJW-RR 1987, 42; 1990, 443; NJW 2001, 1065; Brandenburg NJW-RR 2018, 530 Rn 34; Düsseldorf MDR 1998, 1283; Köln NJW-RR 1998, 1431; Hamburg MDR 1970, 47; Hamm ZIP 1993, 468; Köln NJW-RR 1988, 144; Stuttgart NJW 1985, 1401; Schleswig SchlHA 2022, 217 = juris Rn 50ff – als Darlehen getarntes Schmiergeld; Sethe WM 1998, 2309, 2312f), und wenn sie nicht schon von § 134 BGB iVm §§ 299ff und 331ff StGB erfasst wird; ob zugleich Nachteile für den Geschäftsgegner erstrebt oder in Kauf genommen werden, ist unerheblich. Fraglich ist, ob nicht nur das Schmiergeldgeschäft, sondern auch das im Gefolge eines kollusiven Zusammenwirkens – etwa einer Bestechung/Schmiergeldzahlung – vorgenommene Hauptrechtsgeschäft sittenwidrig und damit nichtig ist (eingehend dazu Sethe WM 1998, 2309, 2313ff mwN). Das wird in der Rspr zumeist bejaht (BGH NJW 1989, 26 im Anschluss an RGZ 136, 359f; 141, 357, 359; BGH NJW 2000, 511; BGH 201, 129 Rn 33; Köln NJW-RR 1992, 624; zurückhaltender BGH 141, 357, 363f; vgl ferner BGH NJW 2001, 1065 und Hamm NJW-RR 1997, 737; Grü/Ellenberger Rn 63). Eine Ausnahme soll gelten, wenn sich positiv feststellen lässt, dass die Vorteilsgewährung auf das Rechtsgeschäft keinen Einfluss gehabt haben kann (BGH NJW-RR 1990, 443); in der Praxis wird eine solche Feststellung zumeist nicht möglich sein. Naheliegend ist der (allerdings mit der strikten Rechtsfolge des § 138 schwer zu vereinbarende) Gedanke, dass in solchen Fällen dem hintergangenen Geschäftspartner analog § 177 die Möglichkeit gegeben werden sollte, das Geschäft gelten zu lassen (vgl Staudinger/ Fischinger Rn 504; Grü/Ellenberger Rn 63; krit dazu Sethe WM 1998, 2309, 2313ff mwN). Im Einzelfall ist § 177 ohnehin anwendbar, wenn nämlich der Bestochene als Vertreter des Geschäftsherrn seine Vertretungsmacht missbraucht und deshalb ohne Vertretungsmacht gehandelt hat (vgl BGHZ 141, 357, 363f). Zur Pflicht, Schmiergelder herauszugeben, vgl BGH NJW 2001, 2476. Zur Sittenwidrigkeit kann es schließlich auch führen, wenn – ohne kollusives Zusammenwirken – ein Beteiligter im Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft um des eigenen Vorteils willen eine Verletzung wichtiger Pflichten des anderen Teils ggü einem Dritten in anstößiger Weise veranlasst, fördert oder ausnutzt (anstößige Mittel-Zweck-Relation; „Verleiten zum Vertragsbruch“). Das Schwergewicht des anstößigen Verhaltens liegt hier – anders als bei der Kollusion – auf einer Seite; die Drittbenachteiligung ist meist nicht Zweck, sondern nur in Kauf genommene Folge des Rechtsgeschäfts; die Grenzen zur Kollusion sind aber fließend. Anstößig handelt insb, wer seinen eigenen Vorteil rücksichtslos, ohne Respekt vor den berechtigten Interessen anderer und illoyal ggü den Grundanforderungen der Rechtsordnung verfolgt (BGH NJW 1981, 2185f); das kann etwa geschehen durch Versprechen von Vorteilen, durch Ankündigung von Nachteilen oder durch Ausnutzen einer ungünstigen Lage des Vertragspartners. Dessen Pflichtverletzung muss nicht Ziel des Handelns sein; es genügt, wenn sie billigend in Kauf genommen wird. Bsp: Versprechen der Freistellung von Ersatzpflichten durch einen Käufer ggü dem Verkäufer bei Doppelverkauf eines Grundstücks (BGHZ 60, 102, 104f; BGH NJW 1981, 2184f – zu § 826); Versprechen einer überhöhten Gegenleistung mit dem Ziel, den/die Empfänger zur Verletzung vertragl Pflichten als Miteigentümer zugunsten eines Dritten zu veranlassen (BGH NJW-RR 1999, 1186); zeitl unbegrenzte Reservierungsvereinbarung eines Grundstücksmaklers mit einem Kaufinteressenten im Widerspruch zu Pflichten des Maklers ggü dem Eigentümer (BGHZ 103, 241); Hinwirken auf das Sistieren von Aufträgen (BGH NJW-RR 1994, 728); Benachteiligung des Wechsel-Ausstellers durch die diskontierende Bank im Wechsel/Scheckverfahren (Hamm NJW-RR 1995, 617); Einwirken zur Veranlassung eines Steuerberaterwechsels (Stuttgart NJW-RR 1997, 362); Überlassung eines Kontos zur Überweisung von veruntreuten Fremdgeldern (Düsseldorf NJW-RR 1998, 1717); Kündigung eines Kredits durch eine Bank unter bewusster und gewollter Ausnutzung ihrer dominierenden Stellung zulasten von Mitgläubigern des Schuldners (Köln ZIP 2000, 742). P Berufsrecht. Praktische Bedeutung hat § 138 im Berufsrecht vornehmlich dort, wo ein gesetzl Verbot fehlt. Dabei ist zu beachten, dass die Berufsausübung wirksam nur durch oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden kann (Art 12 I 2 GG). Das sog interne, also nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erlassene Standesrecht bestimmt deshalb als solches auch den Inhalt der rechtl geschützten allg Sittenordnung nicht (mehr), soweit es weder an rechtssatzmäßige Regelungen des Berufsrechts anknüpft noch eine allg Rechtsüberzeugung wiedergibt. Auch deshalb ist nicht jedes standeswidrige Rechtsgeschäft sittenwidrig (BGHZ 39, 142, 148; 60, 28, 33; 78, 263, 267; BGH NJW 1967, 873; 1980, 2407; 1999, 2360f; 2000, 3067; NJW-RR 1989, 1385; WM 1990, 1250; 1995, 1064; Sack WRP 1985, 1, 7; Taupitz NJW 1989, 2871). Bei der Anwendung von § 138 in diesem Bereich ist darauf zu achten, dass die Wahrung standesrechtl verfestigter Interessen eines bestimmten Berufsstandes nicht notwendig in dem durch die Sittenordnung zu schützenden Allgemeininteresse liegt. Sittenwidrigkeit kommt vor allem in Betracht, wo ein auf die berufliche Tätigkeit bezogenes Rechtsgeschäft geeignet ist, gewichtige, durch die Rechts- und Sittenordnung insg anerkannte und abgesicherte Allgemeininteressen zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Das ist insb bei Rechtsgeschäften zu bejahen, die unmittelbar oder mittelbar in die sachliche Unabhängigkeit und die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung des Freiberuflers oder in andere allg anerkannte Grundelemente der freiberuflichen Tätigkeit, etwa in das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit des Berufsstandes im Allg, eingreifen (vgl aus der Judikatur: BGH NJW 1965, 2005 – Arzt; 1987, 3203; 1992, 682; 1996, 2500; NJW-RR 1990, 948; Frankfurt NJW 1990, 2131 – Rechtsanwalt; NJW 2000, 1797 – Bindung eines Zuschusses zur Errichtung einer Arztpraxis daran, dass der Arzt sich verpflichtet, für eine im gleichen Haus gelegene neue Apotheke durch seine Verschreibungen einen bestimmten Kassenrezeptumsatz zu sichern; BGH NJW 1996, 1956 – Steuerberater; Nürnberg MDR 1988, 861 – Zahnarzt).
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Willenserklärung
§ 138
In der Vergangenheit ist vielfach geprüft worden, ob sich Vergütungsvereinbarungen von Angehörigen freier Berufe im Rahmen der Sittenordnung halten. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Vereinbarung über die Vergütung für eine freiberufliche Tätigkeit zulässig oder verboten ist, muss nach heutigem Verständnis indes in erster Linie nach § 134 iVm den durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes getroffenen einschlägigen Gebührenregelungen beurteilt werden. Fehlt eine zwingende Regelung dieser Art, dann gilt grds Vertragsfreiheit. Für § 138 bleibt vor allem die Funktion, den Vertragspartner des Freiberuflers vor Gebührenvereinbarungen zu schützen, die zu einer anstößigen Übervorteilung (Bsp: BGH NJW 1980, 445; 1997, 2388 – verneinend) oder zu einer nicht hinnehmbaren Fremdbestimmung führen. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann § 138 auch eine Vergütungsvereinbarung erfassen, die mit rechtl ausgeformten Grundwertungen des jew Berufsrechts, insb mit den Grundprinzipien der Eigenverantwortlichkeit und rein sachbezogenen Wahrnehmung der berufsspezifischen Aufgaben nicht im Einklang steht; darunter fällt es, wenn für die Gewinnung von Mandanten/Patienten eine Provision oder ein sonstiger Vorteil versprochen wird (Bsp: BGH NJW 1965, 2005 – Arzt; 1980, 2407 – Provision für die Vermittlung von Anwaltsmandanten; 1996, 2499 – RA als Abwickler einer AG; NJW 1985, 2523 und NJW-RR 1987, 1108 – Provision für die Vermittlung einer Vermögensanlage durch Steuerberater; NJW 1996, 1954, 1957 – verschleierte Vermittlungsprovision für Steuerberater entgegen § 9 StBerG; vgl dazu auch umgekehrt BGHZ 78, 263 zum Provisionsanspruch eines Steuerberaters für Vermittlung von Kunden an einen Baubetreuer; vgl auch Sittenwidrigkeit bejahend KG NJW 1989, 2893 und dazu i Erg zust, in der Begr abl Taupitz NJW 1989, 2371 – Provisionsvereinbarung eines Rechtsanwalts mit einem Nichtanwalt für die Vermittlung von Mandanten; Frankfurt NJW 1990, 2131 – Rechtsanwalt als Hausverwalter und Makler für Handwerkerleistungen; Hamm NJW 1985, 679 – entgeltliche Vermittlung von Arztpatienten; verneinend: Frankfurt NJW-RR 1995, 373 – Vergütungsregelung im Rahmen einer gemischten Bürogemeinschaft Notar/Rechtsanwalt/Steuerberater). Hingegen ist, wo nach dem Gesetz Spielräume für Vergütungsvereinbarungen bestehen, § 138 kein geeignetes und zulässiges Mittel zur Steuerung und Regulierung der Vergütung und damit zugleich des Preiswettbewerbs zw Freiberuflern etwa nach Mindestsätzen oder sonstigen Maßstäben, die nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes festgelegt, sondern – von Kammern oder Verbänden – berufsintern entwickelt worden sind. § 138 baut auf der allg, nicht auf einer berufsständischen Sittenordnung auf; StandesRL können insoweit nur Auslegungshilfen zur Beurteilung von Honorarvereinbarungen unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit sein (BGH NJW 1995, 1425, 1427 mit eingehender Darstellung der früheren Rspr – Rechtsanwalt). Allerdings kann auch eine an sich zulässige Vergütungsvereinbarung ein wucherähnl Geschäft und als solches nach § 138 I nichtig sein. Wucherähnl ist ein Rechtsgeschäft, wenn zwischen der Vergütung und der vergüteten Dienstleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, welche die Sittenwidrigkeit begründen. Das kann etwa die verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit für das eigene unangemessene Gewinnstreben sein (BGH MDR 2000, 382; BGHZ 144, 343, 345). Der benachteiligte Vertragspartner muss das auffällige Missverhalten und die zusätzl erforderlichen Gesichtspunkte darlegen und beweisen. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aber besonders grob, wird die verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners vermutet (BGHZ 146, 298, 301f; BGH NJW 2014, 1652 Rn 5; MDR 2016, 455 Rn 7). Der Benachteiligte muss dann nur das besonders grobe Missverhältnis darlegen und beweisen. Der Begünstigte kann diese Vermutung, die keine gesetzl, sondern eine auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung ist, erschüttern; gelingt ihm das, bleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Benachteiligten. Diese Grundsätze gelten auch für nach § 3a RVG grds zulässige Vereinbarungen über die Rechtsanwaltsvergütung (BGH ZIP 2016, 2479 Rn 18f). Die Vergütung steht aber nicht schon dann in einem auffälligen oder besonders groben Missverhältnis zur anwaltlichen Leistung, wenn sie die gesetzl Gebühren (um ein Mehrfaches) überschreitet. Den Maßstab bildet vielmehr die dem von dem Rechtsanwalt nach dem Anwaltsvertrag geschuldeten tatsächlichen Aufwand, insb dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit entspr angemessene Vergütung Die gesetzl Gebühren stellen hierbei ein Indiz dar. Die tatsächliche Vermutung, dass ein Honorar unangemessen hoch ist, wenn es die gesetzl Gebühren um mehr als das Fünffache übersteigt, gilt auch für zivilrechtl Streitigkeiten. Der Anwalt kann die Vermutung entkräften (BGH ZIP 2016, 2479 Rn 19f, 27; München JurBüro 2022, 301). Zum Wettbewerbsverhalten des Freiberuflers gelten die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erlassenen rechtssatzmäßigen Verhaltensvorschriften und iÜ die allg Maßstäbe redlichen Verhaltens: Bei der rechtl Bewertung des Wettbewerbsverhaltens ist davon auszugehen, dass Konkurrentenschutz und Schutz vor Umsatzverlagerungen keine legitimen Zwecke sind, die eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit – etwa über § 138 – rechtfertigen (BVerfG NJW 2003, 3472); auch werbende wahre Informationen sind – gleich in welchem Medium – nicht als berufsrechtswidrig zu beanstanden, soweit sie interessengerecht und sachangemessen sind (BVerfG NJW 2003, 3470). Nur idS auf berufsrechtswidrigen Wettbewerb gerichtete Rechtsgeschäfte können nach den Umständen des Einzelfalles sittenwidrig und nichtig sein. Durch berufsrechtswidrigen Wettbewerb zustande gekommene Rechtsgeschäfte sind aber regelmäßig wirksam und nur dann unwirksam, wenn besondere sittenwidrige Umstände hinzukommen. Vom jew Berufsrecht in seiner verfassungskonformen Interpretation geprägt sind dabei die Maßstäbe für berufswidriges Verhalten des Freiberuflers im Wettbewerb. In diesem Zusammenhang kann das interne Standesrecht als Auslegungshilfe eine den Handelsbräuchen für den kaufmännischen Verkehr ähnl Funktion haben. Der Verkauf einer Praxis, etwa von Ärzten und Rechtsanwälten, wurde in der früheren Rspr (RGZ 66, 142; 161, 155) grds als sittenwidrig bewertet. Schon in der Nachkriegszeit haben sich aber die Maßstäbe gelockert (vgl Schmidt-Räntsch
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BGHZ 7, 27; Köln NJW 1956, 346). Nach heutiger Ansicht ist ein Praxisverkauf generell nicht sittenwidrig, sofern nicht besonders anstößige Umstände – etwa eine übermäßige wirtschaftl Beschränkung des Praxisübernehmers oder eine unangemessene Kaufpreisregelung – hinzukommen (BGHZ 16, 74; BGH NJW 1989, 763 – Arztpraxis; 43, 46; NJW 1973, 99 – Anwaltspraxis; BB 1958, 496 – Steuerberatungspraxis; Naumburg NJW-RR 2006, 421 – Steuerberaterpraxis, Kaufpreisreduzierung bei Umsatzrückgang; Tiefenbacher BB 1959, 473; Schmitz NJW 1963, 1288). Eine Bemessung des Entgelts nach den Einnahmen ist zulässig (BGH NJW 1973, 100). Der Vertrag darf aber nicht die dem Allgemeininteresse widersprechende Gefahr begründen, dass die verkaufte Praxis von dem Übernehmer – etwa im Hinblick auf die vertragl Gestaltung seiner Pflichten – nicht ausschließlich in sachlicher Unabhängigkeit und Eigenverantwortung fortgeführt wird (vgl BGH NJW 1989, 763 – Arzt; NJW 1973, 98, 100 – Rechtsanwalt). Auch beim Verkauf einer Praxis ist iÜ die berufsbezogene Verschwiegenheitspflicht des § 203 StGB zu beachten (vgl dazu § 134 Rn 53). P Bierbezugsverträge. Bei langfristigen Bierbezugsverträgen und vergleichbaren anderen Getränkelieferungsverträgen ist das Bestreben der Brauereien/Lieferanten, sich durch eine Bezugsverpflichtung dauerhaft die Absatzgrundlage zu sichern, grds nicht zu beanstanden. Insb ist es nicht anstößig, über die reine Getränkelieferung hinausgehende Leistungen, die der Lieferant im Zusammenhang mit der Eröffnung oder dem Betrieb einer Gaststätte erbringt (etwa Beratung vor, bei oder nach der Betriebsaufnahme; Bereitstellung von Einrichtungsgegenständen; Kredite oder sonstige finanzielle Hilfen zur Einrichtung, zur Renovierung oder zum Betrieb; Werbungs- oder Marketingmaßnahmen) für längere Zeit mit Abnahmeverpflichtungen zu verknüpfen (BGH NJW 1970, 2243; 1972, 1459; 1974, 2089; WM 1981, 687; 1984, 88; BGHZ 147, 279). Das gilt ganz besonders, wenn der Lieferant durch seine Hilfen dem Gastwirt erst die Existenzgründung ermöglicht. Der Lieferant muss zudem die Rückzahlung etwaiger Kredite in geeigneter Weise sichern können. Sittenwidrigkeit setzt eine grobe Interessenverletzung von erheblicher Stärke ggü einer Vertragsseite voraus (BGH ZIP 1996, 957); sie kommt vornehmlich in Betracht, wenn Leistung und Gegenleistung nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und/oder die wirtschaftl Bewegungsfreiheit des Gastwirtes über Gebühr eingeschränkt wird und er dadurch ggü dem Lieferanten in eine wirtschaftl Abhängigkeit gerät (BGHZ 54, 145; BGH NJW 1970, 2243; 1972, 1459; 1974, 2089; 1979, 2149; 1985, 2693; WM 1973, 357; 1973, 1360; 1975, 850; 1981, 687; 1984, 88). Für die Bewertung als sittenwidrig ist auch hier die Gesamtwürdigung aller Vertragsbedingungen und sonstigen Umstände maßgeblich, also etwa der inhaltliche und zeitl Umfang der Bezugsbindung, die Höhe einer etwaigen Vertragsstrafe (BGH WM 1977, 641; 80, 1309; vgl auch BGH NJW 1993, 64), die Vereinbarung einer Rechtsnachfolgeklausel (vgl einerseits BGH NJW 1966, 652; GRUR 1984, 298; Köln NJW-RR 2007, 498; LG Berlin NJW-RR 1990, 820; andererseits LG Koblenz WuW 1955, 217) sowie ein etwaiges Lösungsrecht der Brauerei mit Fortdauer der Verpflichtung des Gastwirts. Von Bedeutung kann sein, ob der Vertrag die Absatzmöglichkeiten der Gaststätte angemessen berücksichtigt und Spielraum sowohl für den Bezug anderer Getränke als auch für eine Umstellung entspr den sich ändernden Publikumswünschen lässt (BGH NJW 1970, 2243; 1974, 2089; 1979, 865). Je intensiver die Bindung und je länger der Zeitraum ist, für den der Gastwirt eine Bezugsverpflichtung übernimmt, desto näher liegt der Schluss, dass die wirtschaftl Freiheit des Wirts in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise beschränkt wird (BGH NJW 1970, 279). Wenn auch allein die Bezugspflicht über längere Jahre noch keine Sittenwidrigkeit des Bierlieferungsvertrags begründet (RGZ 67, 103; BGH NJW 1970, 2243), insb eine Erstreckung der Abnahmepflicht über die Rückzahlung eines Kredits des Lieferanten hinaus zulässig ist, wird jedoch als Höchstgrenze eine Bezugsbindung von 15 Jahren (BGHZ 74, 293; BGH WM 1981, 687; NJW 1985, 2693; 1992, 2145) oder von 20 Jahren (BGHZ 68, 1, 5; 74, 293; BGH NJW 1970, 2243; 1972, 1459; 1974, 2089; 1979, 865; 1985, 2693; 1989, 2362; 1992, 2145; NJW-RR 1990, 816; WM 1973, 357 und 925; 1975, 307 und 850; 1981, 687; 1984, 88; GewA 1977, 235; Frankfurt NJW 1977, 1157) angenommen; in engen Ausnahmefällen wird sogar eine kurze Überschreitung dieser Frist zugelassen (BGH DB 1973, 1843; WM 1975, 307; NJW 1979, 865). Je stärker unter Berücksichtigung aller Umstände im jew Einzelfall die wirtschaftl Bewegungsfreiheit des Gastwirts sachlich eingeschränkt wird, um so kürzer muss die Bindungsdauer sein, wenn der Vertrag mit den guten Sitten im Einklang stehen soll; je größer im Wert die Leistungen des Lieferanten sind, um so einschneidender und längerfristig können im Einzelfall die Bindungen sein (vgl BGH 54, 156; 147, 279, 280f; BGH NJW 1968, 1574; 1970, 279 und 2243; 1972, 1459; 1973, 363; 1974, 2089; 1979, 865; 1985, 2393; WM 1970, 99; 1973, 357; 1975, 850; 1981, 687; 1984, 88; Köln NJW-RR 1995, 1516 und NJW-RR 2007, 498, 499; Bedenken dagegen München NJW 1968, 650). Zeitl unbegrenzte Bezugsverpflichtungen sind aber in jedem Fall mit den guten Sitten unvereinbar (BGHZ 68, 1, 5; BGH NJW 1979, 2150; 1988, 2362). Zur Frage der Sittenwidrigkeit eines Bierlieferungsvertrags, der während seiner Laufzeit verlängert worden ist: BGH NJW 1974, 2089; Götz BB 1990, 1217; zum Eintritt eines Nachfolgers in die Bezugsbindung BGH NJW 1988, 2362. Bei einer zu langen Vertragsdauer kann diese nach dem tatsächlichen oder vermuteten Willen der Parteien unter Aufrechterhaltung des Vertrags iÜ nach §§ 139, 242 gekürzt werden (BGHZ 68, 1, 5 und 204, 206f; BGH NJW 1972, 1459; 1979, 866; 1985, 2693; 1992, 2145; NJW-RR 1990, 816; WM 1973, 357; 1974, 1042; 1975, 850; 1984, 88; Grü/Ellenberger Rn 81; aA Lindacher AcP 173, 129; krit ferner Meilicke/Weyde DB 1994, 821). Ergibt sich die Bezugsverpflichtung aus einem Vertrag zugunsten der Brauerei, so muss diese sich bei der Prüfung, ob diese Bindung gegen § 138 verstößt, so behandeln lassen, als sei sie selbst Vertragspartnerin des Gastwirts (BGHZ 54, 145; BGH NJW 1970, 279 m Anm Lempfuhl GRUR 1970, 197; Bernhardt WRP 1970, 241). Nicht sittenwidrig ist die Vereinbarung einer unbefristeten oder jedenfalls über 20 Jahre hinausgehenden (Mindest-)Laufzeit einer (beschränkt persönlichen) Dienstbarkeit, die der Sicherung einer Bierbezugsverpflichtung 434
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§ 138
dient und nach welcher ohne Zustimmung des Berechtigten der Betrieb einer Gast- und Schankwirtschaft oder einer sonstigen Bierabsatzstätte nicht gestattet ist; denn es handelt sich bei ihr nur um ein von der Bestellungsverpflichtung und der Sicherungsabrede unabhängiges dingliches Geschäft (BGH NJW 1981, 343; 1988, 2364; NJW-RR 1992, 593; dazu Walter/Maier NJW 1988, 377; Düsseldorf 7.1.2015 – VI U (Kart) 17/14, juris Rn 20; München NJW-RR 2004, 164). P Bietungsabkommen. Ein Bietungsabkommen, das sich auf eine Zwangsvollstreckung/Zwangsversteigerung, eine sonstige Versteigerung oder eine ähnl, auf Wettbewerb von Interessenten angelegte Veranstaltung bezieht, ist nur sittenwidrig, wenn besondere anstößige Umstände vorliegen (BGH NJW 1961, 1012; WM 1965, 203; BGH 72, 234; Celle NJW 1969, 1764 m Anm Franzen NJW 1970, 662; Frankfurt WM 1989, 1104; Koblenz NJWRR 2002, 1504; Köln NJW 1978, 47). Mit den guten Sitten unvereinbar sind insb Verträge, die dazu dienen, den Wettbewerb von Bietern zu vereiteln oder abzuschwächen, um selbst den Versteigerungsgegenstand besonders günstig erwerben zu können (BGH, Frankfurt, Köln aaO; Karlsruhe OLGZ 1994, 107, 109f; Naumburg OLGR 2004, 449, 450); anstößig ist dabei vornehmlich, dass solche Vereinbarungen mit systemstörenden Mitteln einseitig den eigenen Vorteil zulasten des Anbieters anstreben. – Bieteabkommen zw Unternehmen können auch gegen § 1 GWB oder Art 101 AEUV verstoßen (Frankfurt aaO). In solchen Fällen können auch schon die Rechtsbehelfe im Zwangsversteigerungsverfahren helfen (BGH MDR 2012, 998 Rn 7f) Das Gesagte gilt entspr für Absprachen zw (potentiellen) Bietern bei einer Ausschreibung von Lieferungen oder Leistungen, etwa im Baugewerbe, soweit heute nicht schon § 134 iVm § 298 StGB oder iVm dem Vergaberecht zur Nichtigkeit führt (zur Strafbarkeit als Submissionsbetrug nach altem Recht BGH NJW 1995, 737). P Bürgschaft. Die Vereinbarkeit eines Bürgschaftsvertrags (§§ 765ff) mit den guten Sitten ist nur nach § 138 I zu beurteilen. § 138 II kommt nicht in Betracht, weil der gesetzl Tatbestand ein – bei der Bürgschaft fehlendes – Austauschverhältnis voraussetzt (BGHZ 106, 271; BGH NJW 1988, 2599, 2601; 1991, 1952; 2001, 2466, 2467; aM Wochner BB 1989, 1354ff; BB 1996, 1405). Praktische Bedeutung hat § 138 im Bürgschaftsrecht vor allem im Anschluss an Entscheidungen des BVerfG über die Pflicht der Zivilgerichte zur Inhaltskontrolle und zum korrigierenden Eingriff bei Verträgen erlangt, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind (BVerfGE 89, 214; BVerfG NJW 1994, 2749). Zu den Einzelheiten § 765 Rn 50. P Darlehensverträge und sonstige Kreditgeschäfte. Bei Kreditwucher wird das Darlehensgeschäft idR schon nach § 134 iVm § 291 I 1 Nr 2, 3 StGB unwirksam sein. Die Anwendung von § 138 II ist aber nicht ausgeschlossen (Bsp: BGH NJW 1994, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 4 – Grunewald). Das nachfolgend zum auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung im Rahmen von § 138 I Gesagte gilt im Rahmen von § 291 StGB auch beim Kreditwucher. – Bei der Anwendung von § 138 I auf Kreditgeschäfte sind zu unterscheiden: Verbraucherkreditverträge; Kreditverträge zw gewerblichen oder beruflichen Darlehensgebern und Kaufleuten, Freiberuflern und sonstigen im Geschäftsleben stehenden Darlehensnehmern; Kreditverträge von sonstigen Darlehensgebern (Gelegenheitsdarlehen). Das Problem der Sittenwidrigkeit von Verbraucherkreditverträgen hat sich für die Rechtspraxis durch die Schutzwirkung des früheren Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) und der mit der Schuldrechtsreform an seine Stelle getretenen Bestimmungen (§§ 491ff) sowie durch die seit Jahren gefestigte Rspr (vgl dazu Steinmetz NJW 1991, 881) deutlich entschärft. Ein Verbraucherkreditvertrag ist nach § 138 I sittenwidrig, wenn zw der geschuldeten Leistung des Kreditnehmers und der Gegenleistung des Kreditgebers ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Kreditgeber entweder die schwächere wirtschaftl Lage des Kreditnehmers bei der Festlegung der Vertragsbestimmungen bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt oder sich leichtfertig der Erkenntnis verschließt, dass der Kreditnehmer sich nur wegen seiner ungünstigen Lage auf die für ihn belastende Kreditregelung einlässt (BGHZ 80, 160; BGH NJW 1995, 1020; allg hierzu Kohte JuS 1984, 509, 510f, 514ff; krit zur Entwicklung der Rspr H.P. Westermann NJW 1997, 1, 5f). Das Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung ist in erster Linie durch einen Vergleich zw dem effektiven Jahreszins als Vertragszins (BGH BB 1975, 1129) und dem zur Zeit der Kreditgewährung marktüblichen Zins (BGH NJW 1983, 1420) festzustellen. Erg kommt es auf die Vertragsgestaltung insg an. Zu der Gesamtbelastung (= Gesamtkreditkosten) gehören neben den vereinbarten eigentlichen Zinsen auch die sonstigen Kreditkosten wie Bearbeitungs- und Verwaltungsgebühren sowie Inkassospesen (vgl § 6 III PangV sowie zum alten Recht BGH NJW 1979, 805 und 808; 1980, 2074 und 2076; 1982, 2433). Bei Einschaltung eines Kreditvermittlers muss auch dessen Vermittlungsprovision einbezogen werden. Selbst wenn diese vom Darlehensnehmer aufgrund einer besonderen Vereinbarung direkt an den Vermittler gezahlt wird, ist sie – entspr dem Additionsgedanken des § 291 I 2 StGB – den Kreditkosten hinzuzurechnen (BGHZ 104, 102; BGH NJW 1987, 181; 1987, 2220; 1988, 1659; 1988, 1661; 1990, 1048; aA Canaris ZIP 1980, 709, 718; Koziol AcP 188, 183, 214f). Sofern auch der Darlehensgeber dem Vermittler eine Provision zahlt und diese auf den Darlehensnehmer umlegt („packing“), erhöht sie ebenfalls den Effektivzins, zumal die Einschaltung eines Kreditvermittlers im überwiegenden Interesse der darlehensgewährenden Bank liegt, die sich Aufwendungen für Zweigstellen und für die Kundenbetreuung erspart (BGHZ 80, 167; BGH NJW 1988, 1662; WM 1989, 167). Etwas Anderes kann gelten, wenn der Vermittler vornehmlich im Interesse des Kunden – etwa wegen seiner schwachen Bonität – oder ohne Kenntnis des Kreditgebers eingeschaltet wurde (BGH NJW 1987, 181; NJW-RR 1989, 303; WM 1987, 1331; Köln ZIP 2002, 563 m Anm Vortmann EwiR 2002, 556). Die Kosten einer Restschuldversicherung sind weder beim Vertrags- noch Schmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
beim Markteffektivzins zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 2012, 416). Eine Klausel über Bereitstellungszinsen ist nicht nach § 138 I sittenwidrig, auch wenn die Bereitstellungsprovision den Darlehenszins relativ um mehr als 100 % übersteigt. Vergleichsmaßstab für die Sittenwidrigkeit ist vielmehr der marktübliche Bereitstellungszins (Karlsruhe ZIP 2021, 2272 Rn 43). Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung liegt idR vor, wenn der effektive Jahreszins den Marktzins um rund 100 % übersteigt (BGHZ 104, 102, 105; 110, 336, 338f; BGH NJW 1991, 834; 1995, 1019 und 1146; LG Saarbrücken ZIP 2020, 2060, 2061). Diese Grenze ist allerdings nur ein Regelwert; entscheidend ist im Einzelfall eine Gesamtwürdigung aller Kreditbedingungen und Geschäftsumstände (BGHZ 104, 105; 110, 336, 338f; BGH NJW 1988, 696; 1988, 818; 1988, 1661; Canaris NJW 1978, 1895; Reifner DB 1984, 2179). So reicht in einer Hochzinsphase (Marktzins über 13 %) eine geringere Überschreitung aus, um ein auffälliges Missverhältnis zu bejahen (BGH 104, 102; BGH ZIP 1990, 499); in einer Niedrigphase (unter 9 %) ist dazu eine höhere Überschreitung erforderlich (vgl BGH WM 1988, 654; 1989, 1719; NJW 1991, 834; Hamm NJW-RR 1993, 1326). Bei einem Schuldner mit schwacher Bonität ist auch das bestehende besondere Rückzahlungsrisiko zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 1990, 1199). Zum Zinsvergleich bei Umsatzbeteiligung Stuttgart NZG 2001, 750. Ein grobes Missverhältnis ist im Einzelfall schon bejaht worden bei Überschreitungen um 60,403 % (Oldenburg VuR 1988, 200), 67,64 % (Frankfurt WM 1985, 116), 87,79 % (Koblenz ZIP 1984, 571), 91 % (BGH NJW 1982, 2433), 98,2 % (Schleswig WM 1985, 882), bei ca 24 % Effektivzins und 11,3 % Marktzins (vgl Stuttgart WM 1985, 643), bei 26,73 % Effektivzins und 14,01 % Marktzins (Celle WM 1985, 995) und bei einem mindestens 12 % (absolut) über dem Vergleichszins liegenden Effektivzins (KG MDR 1985, 582). Sittenwidrig ist auch der Effektivzins eines Kfz-Finanzierungsleasingvertrags, der um 91,18 % den Marktzins bei Ratenkreditverträgen übersteigt (Karlsruhe DB 1986, 107). Für sittenwidrig gehalten wurden schon früher ein Geschäftskredit zu 40 % (BGH WM 1971, 857), ein Ratenkredit zu 54 % (BGH WM 1976, 423), zu über 35,2 % (BGH NJW 1979, 2090, bei erschwerenden Umständen), zu fast 29 % (Köln NJW 1979, 554) und zu 25,37 % (LG Bielefeld BB 1980, 14). Zumindest ein starkes Indiz für ein auffälliges Missverhältnis sieht die Rspr in einem absoluten Zinsunterschied zw Vertragszins und Marktzins von 12 oder mehr Prozentpunkten (BGHZ 110, 336, 5; zur Abgrenzung bei 11,5 Prozentpunkten Unterschied: BGH WM 1989, 1675). Kein auffälliges Missverhältnis nimmt die Rspr iÜ im Regelfall bei einem relativen Zinsunterschied von bis zu 90 % an (BGHZ 99, 333, 336; 104, 102, 105f; 110, 336, 338; BGH NJW 1988, 1661; 1989, 829; Düsseldorf NJWRR 1987, 1335). Verneint worden ist eine Sittenwidrigkeit bei einer Vergleichszinsüberschreitung von 37,36 % (Hamm WM 1985, 1338), 53,79 % (KG WM 1985, 15f), 61,95 % (Hamm WM 1986, 286), 62,98 % (Frankfurt WM 1985, 1104), 70,75 % (Hamburg WM 1984, 1445), 72,88 % (Düsseldorf WM 1985, 17) und 77,2 % (Hamm WM 1985, 1524). Als effektive Zinssätze wurden für zulässig erachtet 29,96 % (für Ratenkredit, Köln NJW 1979, 221), 27,33 % (Frankfurt MDR 1978, 139), 26,16 % (KG WM 1980, 73), 24,68 % (BGH NJW 1979, 541f), 24 % (Köln NJW 1968, 1934) und 22 % (BGH DB 1980, 251). Da bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Vertrags sämtliche Kreditbedingungen zu berücksichtigen sind, kann Sittenwidrigkeit trotz eines für sich allein hinnehmbaren Effektivzinses gegeben sein, falls noch weitere Belastungen hinzutreten. Das ist etwa der Fall, wenn aE der Kreditlaufzeit eine (überaus hohe) Ballonrate zu zahlen ist, damit zu rechnen war, dass der Kreditnehmer sie nicht würde aufbringen können, und der Kreditgeber sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschloss (Karlsruhe NJW-RR 1987, 299; Köln ZIP 1985, 22f; anders, wenn eine künftige Zuwendung an den Kreditnehmer in den Tilgungsplan einbezogen worden ist: BGH NJW 1989, 829). Gewürdigt werden können ferner falsche Angaben über den Effektivzins (BGH NJW 1980, 2302; 1982, 2437; Frankfurt WM 1985, 116) und eine unangemessene Häufung übermäßiger Belastungen im Fall des Zahlungsrückstandes des Darlehensnehmers (BGHZ 80, 171), zB Fälligkeit des Restsaldos auch bei unverschuldetem teilw Zahlungsrückstand von weniger als zwei Monatsraten (BGHZ 96, 191), Verzugszinsenberechnung vom Gesamtkreditbetrag ohne Gebührenrückerstattung (BGH NJW 1982, 2433; 1988, 679; vgl auch BGH NJW-RR 1989, 1320) oder die unangemessene Höhe der Verzugszinsen (zum angemessenen Verzugszins BGH NJW 1988, 1967; 1971). Die Vereinbarung eines Kontokorrents für die Abrechnung des Kredits stößt ebenfalls auf starke Bedenken, da der Kreditnehmer wegen des Anfalls von Zinseszinsen stark belastet wird, sobald er mit seinen Zahlungen in Rückstand gerät (vgl BGH BB 1991, 294; Wahl VuR 1987, 241; aA Canaris WM 1987, Sonderbeil 4). Auch übermäßige Straffolgen bei unzutreffender Selbstauskunft (BGH NJW 1980, 2078) oder die (unwirksame: BGH NJW 1986, 46) Schufa-Klausel können berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für Vertragsbedingungen, die als AGB möglicherweise unwirksam sind (BGH NJW 1987, 183; 1988, 696). Bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist auch das für den Gläubiger nach den ihm gewährten Sicherheiten verbleibende Ausfallrisiko (BGH NJW-RR 1989, 1068; 1990, 1199; BB 1990, 1510). Die Sittenwidrigkeit kann sich auch daraus ergeben, dass die Kreditgewährung von der Umschuldung günstigerer Altdarlehen abhängig gemacht wird (BGHZ 104, 102; BGH NJW-RR 1991, 502). Umschuldungsnachteile sind bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen (BGH NJW 1988, 818; NJW-RR 1991, 502; Stuttgart NJWRR 1988, 427). Dagegen kann ein Sittenverstoß nicht allein daraus gefolgert werden, dass ein durch den neuen Kredit abzulösender Vorkredit sittenwidrig war (vgl dazu Canaris WM 1986, 1453; Derleder JZ 1987, 679; BGHZ 99, 333). Bei interner Umschuldung sind die Ansprüche des Darlehensgebers aber gem § 242 auf dasjenige beschränkt, was bei Berücksichtigung der Unwirksamkeit des ersten Vertrags vereinbart worden wäre (BGHZ 99, 333; BGH NJW 1990, 1597; NJW-RR 1987, 679; 1988, 363; Köln NJW-RR 1991, 1456). 436
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Willenserklärung
§ 138
Für die Bejahung der Sittenwidrigkeit ist außer einem obj Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung im Hinblick auf den subj Tatbestand erforderlich, dass der Darlehensgeber die schwächere wirtschaftl Lage des Darlehensnehmers bei der Festlegung der Vertragsbestimmungen in verwerflichem Gewinnstreben bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt. Hieran ist selbst bei Übererfüllung des obj Tatbestandes im Prinzip festzuhalten; allerdings kann bei grobem Leistungsmissverhältnis in aller Regel auf die verwerfliche Gesinnung geschlossen werden (tatsächliche Vermutung; vgl BGHZ 98, 178; BGH NJW 1979, 758; 1984, 2292; 1994, 1275 = LM § 138 Ba Nr 13 m Anm Grunewald; NJW 1995, 1022). IÜ reicht es aus, wenn sich der Darlehensgeber als der obj sittenwidrig Handelnde zumindest leichtfertig (grob fahrlässig) der Erkenntnis verschließt, dass sich der Darlehensnehmer nur aufgrund seiner wirtschaftl schwächeren Lage auf die ihn beschwerenden Darlehensbedingungen einlässt (BGHZ 80, 153, 160; 98, 178; BGH WM 1989, 1461; NJW 1995, 1020). Bei einer Objektfinanzierung durch ein Kreditinstitut muss, um die Sittenwidrigkeit (auch) des Finanzierungsvertrags festzustellen, auch die Kenntnis des Kreditinstituts von der sittenwidrigen Überteuerung des Objekts nachgewiesen werden (Frankfurt DB 2006, 1371 L). Die für Verbraucherkredite entwickelten Grundsätze lassen sich nicht schematisch auf Kredite für einen Geschäftsbetrieb oder eine freiberufliche Praxis übertragen. Insb gilt das bei Krediten mit ausreichender Absicherung. Auch bei solchen Krediten weist aber eine Überschreitung des Marktzinses um rund 100 % auf ein regelmäßig nicht hinnehmbares Missverhältnis hin. Jedoch greift die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der subj Voraussetzungen nicht ein (BGH NJW 1982, 2767; 1983, 1420; 1987, 181; 1991, 1810; 1995, 1022). – Die Kündigung eines Darlehens mit der Folge, dass durch die Rückführung des Kredits andere Gläubiger einen Nachteil erleiden könnten oder dass ein Unternehmen insolvent werden kann und die im Vertrauen auf das Darlehen leistenden Lieferfirmen geschädigt werden, ist nicht sittenwidrig (BGH NJW 1956, 945; Köln ZIP 2000, 742). Zur Sittenwidrigkeit des Verhaltens einer Bank in besonderen Fällen vgl BGH NJW 2001, 2632 und 2001, 2880. Besonderheiten sind beim Gelegenheitsdarlehen eines nicht gewerbsmäßig/geschäftsmäßig handelnden Darlehensgebers zu berücksichtigen (BGH WM 1990, 1322). Die Vermutung, dass aus einem Leistungsmissverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden kann, gilt nicht bei einem aus familiärer Verbundenheit gewährten Darlehen (Naumburg ZIP 2006, 1485 L) und iÜ nur bei einem krassen Missverhältnis (BGH NJW-RR 1990, 1199; NJW 1991, 1810; 1994, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 4 – Grunewald; 1995, 1022; vgl auch BGH NJW 1994, 1056). Auch die 100 %-Regel ist nicht uneingeschränkt anwendbar (BGH NJW-RR 1990, 1199; NJW 1994, 1057). Ein absoluter Effektivzins von 28 % rechtfertigt selbst für ein nur mit nachrangigen Sicherheiten ausgestattetes Privatdarlehen noch nicht die Feststellung eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (BGH NJW 1994, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 4 – Grunewald). P Dauerschuldverhältnisse und langfristige Vertragsbindungen. Grds steht es im Rahmen der Vertragsfreiheit jedermann frei, bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung seiner Rechtsbeziehungen auch sehr langfristige Bindungen einzugehen (BGHZ 64, 288). Solche Vertragsbindungen (auch in der Form des Ausschlusses oder der Beschränkung von Kündigungsmöglichkeiten) können aber (unabhängig von einer etwaigen Kartellrechtswidrigkeit, vgl zB Markert WRP 2003, 356) sittenwidrig sein, wenn sie die persönliche, berufliche oder wirtschaftl Freiheit des Verpflichteten unangemessen einengen. Dabei muss das Maß der Knebelung (Rn 120 „Knebelung“) nicht erreicht sein. Es genügt ein nach Abwägung der beiderseitigen schützenswerten Interessen nicht mehr hinnehmbares Übermaß (BGH NJW-RR 1986, 982). Wann eine zeitl Bindung unangemessen lang ist, lässt sich sachgemäß nicht allg, sondern nur für den jew Regelungsbereich unter Berücksichtigung seiner Struktur und der Besonderheiten des Einzelfalles beurteilen; die für bestimmte Fallgruppen entwickelten Grundsätze sind nicht schematisch auf andere Sachverhalte zu übertragen (BGHZ 64, 288; BGH NJW-RR 1993, 1460; NJW 1995, 2351). Auch sehr langfristige Bindungen können sachangemessen sein, wenn die Vertragsdurchführung nicht unerhebliche Investitionen und Vorhaltekosten voraussetzt; das ist zB für einen Kabelanschluss, einen Wäschereivertrag und einen Wärmelieferungsvertrag angenommen worden (vgl BGHZ 64, 288, 292; 100, 1; BGH NJW 1993, 1133; NJW-RR 1993, 1460). Für die Vereinbarkeit einer langfristigen vertragl Bindung mit den guten Sitten kann es auch von Bedeutung sein, wenn der andere Teil seinerseits zum Ausgleich über die Lieferbeziehung hinausgehende verpflichtende Leistungen, insb die Bereitstellung von Kapital und/oder sonstigen Hilfen, übernimmt. Bejaht worden ist Sittenwidrigkeit wegen unangemessener zeitl Bindung ua bei Automatenaufstellverträgen (Rn 73), bei Bier- und Getränkebezugsverpflichtungen (Rn 86), bei einem Managementvertrag (BGH WM 1982, 394, 399), bei Unterrichts- und Internatsverträgen (BGHZ 120, 108, 115, 118f; BGH NJW 1985, 2585) sowie bei Wettbewerbsverboten (Rn 170). Dagegen ist der langfristige Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrags im Hinblick auf § 544 idR unbedenklich (s auch BGH NJW 2013, 2820: 13-jährige Bindung unbedenklich). Bei einem Handelsvertretervertrag ist der langfristige Ausschluss der Kündigung des Unternehmers nicht zu beanstanden, wenn nicht sonstige sittenwidrige Umstände hinzukommen (BGH NJW 1995, 2350, 2351). Ganz besonders bei langfristigen Vertragsbindungen kann es – unabhängig von der Vertragsart – zur Sittenwidrigkeit führen, wenn ein Teil beim Vertragsschluss die Verhandlungsunterlegenheit der anderen Seite in anstößiger Weise ausnutzt und durch einseitige Vertragsgestaltung seine Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchsetzt, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich für die langfristige Bindung zu gewähren (so zu § 307 BGB, aber auch zu § 138 zutr: BGHZ 143, 103ff). Auch eine sehr langfristige dingliche Bindung (etwa: beschränkte persönliche Dienstbarkeit), der kein angemessener Ausgleich ggü steht, kann im Einzelfall sittenwidrig sein. Schmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
Eine sittenwidrige langfristige Vertragsbindung bewirkt idR keine Gesamtnichtigkeit; vielmehr kommt, soweit die Sittenwidrigkeit sich nicht auch auf den Inhalt der Bindung bezieht, eine Verkürzung der Bindungsfrist auf ein noch hinnehmbares Maß in Betracht (Hamm GesR 2016, 227, juris Rn 80). Grundlage wäre eine erg Vertragsauslegung. Sie kommt nur in Betracht, wenn dispositives Gesetzesrecht zur Füllung der Lücke nicht zur Verfügung steht und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet (BGHZ 90, 69, 75; 96, 18, 26; 107, 273, 276; 117, 92, 98f; 137, 153, 157; 143, 103, 120). Außerdem muss festzustellen sein, welche von mehrere in Betracht kommenden Lösungen des Problems die Parteien gewählt hätten (BGHZ 143, 103, 121; WM 2009, 181 Rn 13). Das kann der Fall sein, wenn mit der Klausel der Vertrag nach § 139 insg nichtig wäre, das wiederum dem Willen der Parteien nicht entspricht und sich feststellen lässt, dass sie die höchstzulässige Frist gewählt hätten (BGH NJW-RR 2007, 1608 Rn 20f; ZfIR 2012, 872 Rn 32f). 104 P Diskriminierung von Personen oder Gruppen. Die frühere Diskussion zu nach § 138 unzulässigen Diskriminierungen ist durch das Inkrafttreten des AGG weitgehend gegenstandslos geworden. Zu einer Normierung noch weiter gehender Benachteiligungsverbote für den rechtsgeschäftlichen Privatrechtsverkehr ist es im Gesetzgebungsverfahren nicht gekommen. Daraus folgt, dass in der Zivilrechtsordnung die Entwicklung von allg eigenständigen Diskriminierungsverboten außerhalb des AGG und ohne besondere gesetzl Grundlage nicht in Betracht kommt. Dies schließt es freilich nicht aus, dass in einem besonderen Einzelfall ein diskriminierendes Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, ohne zugleich einen Tatbestand des AGG zu erfüllen. Als Voraussetzung dafür ist allerdings zu verlangen, dass zu einer Diskriminierung weitere anstößige Umstände hinzutreten, die das Rechtsgeschäft in seinem Gesamtcharakter sittenwidrig machen. Dies wird sich für eine nicht vom AGG erfasste Diskriminierung nur ausnahmsw unter besonderen Umständen feststellen lassen. 105 P Ehe und Familie, Unterhaltsrecht. Ob eine Ehe geschlossen wird oder nicht, ob man Kinder haben möchte oder nicht, ob eine Ehescheidung betrieben wird oder nicht, haben nach unserer Rechts- und Sittenordnung, insb auch nach den Grundwertungen der Art 1 I, 2 I und 6 GG, ausschließlich und höchstpersönlich die unmittelbar Beteiligten zu entscheiden (von den eherechtl Ausnahmefällen der notwendigen Mitwirkung des gesetzl Vertreters und/oder des Gerichts abgesehen); damit unvereinbare Rechtsgeschäfte sind sittenwidrig. Das gilt einmal für alle Verträge mit Dritten, die Verpflichtungen in der einen oder anderen Richtung enthalten, insb für die Vereinbarung einer sog Zölibatsklausel etwa in einem Arbeitsvertrag, die eine Eheschließung generell, auf Zeit oder mit einem bestimmten Partner verbietet (vgl BAGE 4, 275). Sittenwidrig sind aber auch Verträge mit Dritten oder einseitige Rechtsgeschäfte Dritter (Bsp: Kündigung eines Arbeits-, Dienst-, Mietvertrags), die nach ihrem prägenden Gesamtcharakter ausschließlich oder vorwiegend dazu dienen, in anstößiger Weise unmittelbar oder mittelbar – etwa durch nachteilige oder belohnende wirtschaftl Maßnahmen – auf die höchstpersönliche Entscheidung einzuwirken. Freilich ist es nicht zu beanstanden, wenn rechtsgeschäftlich – insb in personenbezogenen Verträgen, etwa in einem Gesellschaftsvertrag, oder in Rechtsgeschäften zur Regelung der Erbfolge – Vorsorge für zukünftige Entwicklungen (Heirat, Wiederheirat, Scheidung, Kinder usw) getroffen wird. Wo die Grenze zw sachlich begründbarer Vorsorge und unzulässiger Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit liegt, ist abstrakt nicht zu beschreiben und letztlich nur in einer Gesamtschau aller Umstände des einzelnen Falles herauszufinden; bei rechtsgeschäftlichen Zuwendungen unter Lebenden oder von Todes wegen muss in der Gesamtschau auch der große Spielraum berücksichtigt werden, den jedermann bei seinen Vermögensdispositionen – etwa durch die Eigentümerrechte und die Testierfreiheit – hat. So soll eine Erbeinsetzung unter der Bedingung, dass der Erbe sich scheiden lasse, nicht gegen § 138 verstoßen (BGH LM [Cd] Nr 5); das ist nach der hier vertretenen Grundauffassung bedenklich (vgl Keuk FamRZ 1972, 9; Brox/Walker ErbR Rn 263; Medicus AT Rn 687). Sittenwidrig ist die arbeitsvertragl Verpflichtung, empfängnisverhütende Mittel zu benutzen (BGH NJW 1986, 2043; vgl auch LAG Hamm DB 1969, 2353 zu § 1324). 106 Sittenwidrig und damit nichtig sind auch Rechtsgeschäfte, die dem Wesen der durch Art 6 GG geschützten Ehe widersprechen (RGZ 158, 294; BayObLG NJW 1983, 831). Insb gilt das für: einen Vertrag, der (etwa zwecks Täuschung der Ausländerbehörde) eine Scheinehe vorbereiten soll (Düsseldorf FamRZ 1983, 1023); eine Vereinbarung, deren Inhalt der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 I) zuwiderläuft (zB: Eheversprechen einer verheirateten Person, vgl RGZ 170, 72, 76 sowie Karlsruhe NJW 1988, 3023, 3024; s dazu auch BayObLG NJW 1983, 831 zu § 11 I Nr 1 lit a StGB; nach RGZ 105, 245 auch ein Eheversprechen eines bereits mit einer anderen Person Verlobten); einen Vertrag, der eine Verpflichtung zum Getrenntleben enthält (vgl RGZ 61, 51 und RG JW 1920, 640); einen Vertrag, der geeignet ist, ein dauerndes Getrenntleben zu fördern oder zu verfestigen und/oder die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu erschweren (vgl RGZ 158, 297; BayObLG aaO; Düsseldorf FamRZ 1981, 545 m abl Anm Knütel). Nicht mit dem Wesen der Ehe vereinbar sind ferner Vereinbarungen, die eine nach dem Gesetz mögliche Scheidung ausschließen oder wesentlich erschweren, etwa durch eine Abfindungsverpflichtung in existenzvernichtender Höhe oder ein Vertragsstrafeversprechen (BGHZ 97, 304; BGH NJW 1990, 703; FamRZ 1978, 881; Hamm FamRZ 1991, 443; aM Hattenhauer FamRZ 1988, 229 und ZRP 1985, 200). Diese Grenze wird aber bei der Vereinbarung einer Morgengabe in der in dem Heimatland der Ehegatte üblichen, nicht ruinösen Höhe nicht überschritten, mag der Geldbetrag auch beträchtlich sein (Köln FamRZ 2016, 720, 721: Goldmünzen im Wert von 94.000 Euro). Sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft, das eine nach den gesetzl Voraussetzungen nicht zulässige Scheidung ermöglichen soll, etwa eine Absprache über unrichtige Angaben zur Dauer des Getrenntlebens beim FamG. Auch eine Unterhaltsvereinbarung, die ein Ehegatte mit einem Dritten schließt, ist sittenwidrig, wenn sie die wirtschaftl Grundlage für einen noch nicht 103
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Willenserklärung
§ 138
gefassten Scheidungsentschluss legen soll (BGH NJW 1951, 269; Soergel/Baldringer Rn 248). Etwas Anderes mag gelten, wenn die Abrede mit dem Dritten lediglich eine Ergänzung der zw den Ehegatten nach § 1585c in zulässiger Weise getroffenen Regelung der Unterhaltspflicht darstellt. Nicht sittenwidrig sind hingegen der Verzicht auf ein bereits entstandenes Scheidungsrecht (BGHZ 97, 304) sowie eine Vereinbarung, die im Falle der Scheidung der Sicherung der wirtschaftl Existenz eines Ehepartners oder einer angemessenen Wiedergutmachung dient (BGH NJW 1990, 703; WM 1974, 967). Schon während bestehender Ehe und zT auch bereits vor Eheschließung können insb für den Fall der Scheidung 107 wirksame Vereinbarungen zum Unterhalt, zum Sorgerecht für gemeinsame Kinder, zum VersA, zur Hausratsteilung und zum Zugewinnausgleich bis hin zum Verzicht eines Teils getroffen werden, § 1378 III, § 1408 II iVm §§ 6 und 8 VersAusglG, § 1585c, § 1671 II. Solche Vereinbarungen werden nach der Rspr des BGH regelmäßig nur sittenwidrig und schon unwirksam sein, wenn durch sie Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzl Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (vgl BGHZ 158, 81, 96ff; BGH FamRZ 2007, 1310 Rn 15; 2008, 2011 Rn 17; 2009, 1041 Rn 14; 2018, 577 Rn 12f; MDR 2020, 994 Rn 19; Brandenburg FamRB 2021, 136; Frankfurt FamRZ 2020, 1550). Der Rückschluss auf eine gestörte Vertragsparität ist aber, auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles, idR nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil ein Ehegatte die Ehe nur bei Abschluss eines Ehevertrags eingehen will (BGH FamRZ 2018, 577 Rn 21; Brandenburg MittBayNot 2019, 591). Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise den Vorwurf der Sittenwidrigkeit jew für sich genommen nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag nach ständiger Rspr des Senats im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insg sittenwidrig erweisen, wenn das obj Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (BGHZ 221, 308 Rn 35). Namentlich die Sittenwidrigkeit von Eheverträgen ist dabei in den letzten Jahrzehnten Gegenstand einer umfangreichen Judikatur gewesen, s § 1408 Rn 6. Ein vertragl Wohnsitzverbot, das nach einer Ehescheidung die Freizügigkeit eines der früheren Ehepartner beschränkt, verstößt idR gegen die guten Sitten (BGH NJW 1972, 1414; MüKo/Armbrüster Rn 111; krit Merten NJW 1972, 1799). P Erbbaurechtsvertrag. Ob die in einem Erbbaurechtsvertrag vereinbarte Verpflichtung zum Ankauf des Grund108 stücks auf Verlangen des Eigentümers sittenwidrig ist, hängt von den Umständen ab. Auch sehr lange Fristen für den Ankauf des Grundstücks durch den Erbbauberechtigten sind nicht ohne Weiteres sittenwidrig. Der BGH leitet dies zum einen aus der Parallele zum Wiederkaufsrecht (BGH NJW-RR 2011, 1582 Rn 11ff und NJW 2011, 515 Rn 9ff) und zu Verfügungsbeschränkungen ab (BGH NJW 2012, 3162 Rn 10ff) und zum anderen aus § 2 Nr 7 ErbbauRG ab, der für den umgekehrten Fall einer Verkaufspflicht des Grundstückseigentümers eine Bindung über die gesamte Dauer des Erbbaurechts zulässt (NJW-RR 2013, 1028 Rn 37f; NJW 2017, 1540 Rn 9). Sittenwidrigkeit kommt aber in Betracht, wenn die Ankaufsverpflichtung des Erbbauberechtigten dazu führt, dass dieser zur Unzeit – etwa als Rentner – mit dem Ankaufsverlangen überrascht werden und dann keine ausreichende Zeit mehr hat, sich wirtschaftl auf den Ankauf einzustellen; eine zeitl unangemessen ausgestaltete Ankaufsverpflichtung ist jedoch nicht insg nichtig, sondern geltungserhaltend auf ein noch hinnehmbares Maß zu reduzieren (BGHZ 68, 1, 5; 75, 15, 19; BGH WM 1980, 877; NJW 1989, 2129, 2131; NJW-RR 2013, 1028 Rn 27; Hamm NJW 1977, 203). Sittenwidrig kann ein Kaufvertrag über ein Erbbaurecht sein, wenn der Kaufpreis fast das Doppelte des Verkehrswertes des Erbbaurechts beträgt und die Wertdifferenz und/oder weitere Umstände auf eine verwerfliche Gesinnung des Verkäufers schließen lassen (BGH NJOZ 2001, 272). Zur Sittenwidrigkeit wegen eines wucherähnl Geschäfts bei Aufgabe einer wirtschaftl einem Erbbaurecht gleichkommenden Rechtsposition: BGH NJW 2002, 429, 430ff; dazu Vierhuß NJ 2002, 206. Der Ausgeber des Erbbaurechts kann das Erbbaurecht mit dem Zweck versehen, dass es nur an Erbbauberechtigte ausgegeben oder übertragen werden soll, die Kirchenmitglieder sind. Er kann auch die Zustimmung zur Veräußerung verweigern, wenn der Erwerber aus der Kirche ausgetreten ist (Schleswig ErbbauZ 2021, 19 = juris Rn 106, Ausgeber war eine Kirchengemeinde). P Erbrecht. Zur möglichen Sittenwidrigkeit von Testamenten s Vor § 2064 Rn 13ff. Bei einem Erbvertrag kann 109 sich Sittenwidrigkeit auch daraus ergeben, dass der Vertragserbe eine psychische Zwangslage des Erblassers ausgenutzt hat (BGHZ 50, 70); ein Sachverhalt, der eine Anfechtung nach §§ 2281, 2285 iVm § 2078 rechtfertigen würde, genügt allein für § 138 aber nicht. Sittenwidrig können ferner Ebenbürtigkeitsklauseln in Erbverträgen sein (vgl BVerfG NJW 2004, 2008). Dass als Folge der Nichtigkeit des Testaments der Fiskus erben wird (§ 1936 S 1), verändert den Maßstab bei der Anwendung von § 138 nicht zugunsten der eingesetzten Erben (Celle FamRZ 2021, 1153, 1158). Die langfristige Verleihung von Wohn- und Geschäftsräumen durch den Vorerben ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer Umgehung der Rechte des Vorerben nach § 2113 sittenwidrig. Der Nacherbe wird nur gegen bestimmte Verfügungen des Vorerben über Vorerbschaftsgegenstände geschützt. Ein Leihvertrag des Vorerben bindet den Nacherben mangels Rechtsnachfolge nicht (BGHZ 208, 357 Rn 31f). Auch Bedingungen für die Erbeinsetzung können als solche nichtig sein. Macht etwa ein Erblasser die Erbeinsetzung seiner Enkelkinder davon abhängig, dass sie ihn zu Lebzeiten regelmäßig besuchen, werden die Enkelkinder unzumutbar unter Druck gesetzt. Das führt dazu, dass die Bedingung unwirksam ist (Frankfurt MDR 2019, 489, 490). Entspr gilt für die testamentarische Auflage an eine Miterbin, ihrem außerehelichen Lebenspartner auf Dauer zu untersagen ist, eine zum Nachlass gehörende Immobilie, die sie seit langer Zeit als Familienheim bewohnt, zu betreten (LG Bochum ZErb 2022, 275). Auch im Erbrecht kann sich die Frage nach einem wucherähnl Geschäft stelSchmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
len. Beispiel ist der Pflichtteilsverzicht gegen Begründung eines Vermächtnisses in einem Erbvertrag. In einem solchen Fall gelten die unter Rn 116–118 beschriebenen Grundsätze (BFH HFR 2021, 286 Rn 13f). P Factoring. S § 398 Rn 54ff. P Franchisevertrag. Ein Franchisevertrag ist insg wegen Verstoßes gegen § 138 nichtig, wenn er den Franchisenehmer übermäßig in seiner wirtschaftl Bewegungsfreiheit beeinträchtigt und ihm hierfür auch kein (annähernd) angemessener Ausgleich gewährt wird (BGH MDR 1993, 692; 2018, 1506 Rn 17). Diese Beeinträchtigung kann auch in einer Vielzahl der den Franchisegeber einseitig begünstigenden und den Franchisenehmer benachteiligenden Bestimmungen des Vertrags liegen. Ob das der Fall ist, bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die Beschränkungen des Franchisenehmers über die vertragstypischen Regelungen hinausgehen (BGH MDR 2018, 1506 Rn 17). P Gerichtliches Verfahren. Jedenfalls sittenwidrig – wenn nicht von § 134 erfasst – ist eine Abrede, die darauf abzielt, dass in einem gerichtlichen Verfahren nicht, unrichtig oder in einem wesentlichen Punkt prozessordnungswidrig entschieden oder die für den Bestand des Rechtsstaates wesentliche Funktionsfähigkeit der Justiz beeinträchtigt wird. Das gilt insb für Vereinbarungen, die zugleich auf eine strafbare Handlung hinauslaufen (etwa Aussagedelikt, Bestechung, Prozessbetrug, Nötigung; vgl zB Hamm 13.5.2005 – 9 U 18/05) und für Absprachen über einen bewusst unrichtigen Sachvortrag. Es genügt aber auch ein kollusives Zusammenwirken der Parteien zum Nachteil eines Dritten, etwa einer Haftpflichtversicherung (vgl das Bsp in Düsseldorf NJW-RR 1998, 606 – zur Unwirksamkeit eines gerichtlichen Geständnisses). In dem Versprechen eines Entgelts für eine unrichtige Zeugenaussage oder die Ausübung eines Zeugnisverweigerungsrechts liegt zugleich eine sittenwidrige Kommerzialisierung (RGZ 79, 371). Dasselbe kann gelten, wenn einem Beteiligten ein Rechtsbehelfsverzicht „abgekauft“ wird (s aber BGHZ 79, 131 – Rechtsbehelfsverzicht einer Bürgerinitiative gegen einen Kraftwerksbau bei Übernahme von Zahlungspflichten durch den Betreiber nicht sittenwidrig); eine Verpflichtung zum Rechtsbehelfsverzicht, die im Rahmen eines Vergleichs übernommen wird, wird aber idR nicht sittenwidrig sein. Ein Rechtsmittelverzicht vor Ausspruch des Scheidungsurteils ist dann sittenwidrig, wenn er ein auf anstößige Weise, etwa durch bewusst unrichtigen Sachvortrag, zustande gekommenes Scheidungsurteil aufrechterhalten soll (BGHZ 28, 45). Unvereinbar mit den guten Sitten ist ferner eine Abtretung, mit deren Hilfe Prozesskostenhilfe erlangt oder ein Kostenerstattungsanspruch einer anderen Partei unterlaufen werden soll (BGH NJW 1980, 991; WM 1987, 1408; vgl auch BGHZ 47, 289, 292). Vereinbarungen mit Dritten zur Finanzierung von Prozessen sind nicht sittenwidrig, soweit nicht im Einzelfall der Vertragsinhalt oder die besonderen Umstände des Vertragsschlusses mit den guten Sitten unvereinbar sind (Conrad MDR 2006, 848; Dethloff NJW 2000, 2225; Frechen/Kochheim NJW 2004, 1213; Fritzsche/Schmidt NJW 1999, 2998, 3002; Grunewald BB 2000, 729 und AnwBl 2001, 540; abw Bruns JZ 2000, 232; vgl auch LG Bonn NJW-RR 2007, 132 – aber gestützt auf § 134 iVm § 203 I StGB). – Dass jemand seinen str Anspruch an einen Dritten abtritt, um im Prozess als Zeuge vernommen werden zu können, reicht für sich aber nicht aus, die Sittenwidrigkeit der Abtretung zu begründen (BGH WM 1976, 424; NJW 1980, 991; Frankfurt VersR 1982, 1079; Karlsruhe NJW-RR 1990, 753; München BauR 1985, 210; Nürnberg VersR 1969, 46). P Gesellschaftsrecht. Beim Gesellschaftsvertrag lässt die Vertragsfreiheit einen weiten Gestaltungsspielraum. Eine Nichtigkeit des gesamten Vertrags ex tunc wegen Verstoßes gegen § 138 wird nur ausnahmsw in Betracht kommen, wenn gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder einzelner schutzwürdiger Personen verletzt sind (vgl BGHZ 3, 285; 17, 167; 26, 330, 335) oder der Gesellschaftszweck insg von vornherein mit den guten Sitten unvereinbar ist; das wird sich nur selten feststellen lassen (vgl die Bsp in BGH NJW 1967, 36; 1970, 1540; WM 1973, 900; DB 1976, 2106; NJW-RR 1988, 1379; 2003, 1116). Bei allen anderen Verstößen gegen § 138 sind die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden, s eingehend § 705 Rn 164ff. Für die einzelnen Regelungen eines Gesellschaftsvertrags kann Sittenwidrigkeit ua in Betracht kommen bei Klauseln, nach denen ein Gesellschafter ohne sachlichen Grund ausgeschlossen oder hinausgekündigt werden kann (BGHZ 164, 98, 101f; 164, 107, 110f; Einzelheiten: § 727 Rn 11). Entspr gilt für neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtl Regelungen (München 13.5.2020 – 7 U 1844/19, juris Rn 98) und Regelungen, nach denen ein GmbH-Geschäftsanteil ohne sachlichen Grund eingezogen werden kann (München MDR 2017, 42). Sittenwidrig ist auch ein schuldrechtl Vertrag zw Aktionär und Gesellschaft, mit dem sich dieser verpflichtet, seine entgeltlich erworbenen Aktien bei Vertragsbeendigung unentgeltlich auf die Gesellschaft zu übertragen (BGH NJW-RR 2013, 410 Rn 15). Eine Regelung, nach der die Abfindung im Fall der Einziehung auf den Nennbetrag beschränkt ist, kann bei einem gemeinnützigen Unternehmen durch den ideellen Zweck gerechtfertigt sein; sie ist dann nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig (Hamm ZIP 2022, 1205, 1207f). Ferner unwirksam sind Vertragsregelungen, die an die Ausübung des als solchen gem § 723 (vgl auch § 133 III HGB) nicht abdingbaren Kündigungs- oder Austrittsrechts des Gesellschafters durch den Ausschluss oder die Einschränkung des Abfindungsanspruchs nachteilige vermögensrechtl Folgen von so hohem Gewicht knüpfen, dass der Gesellschafter in der Freiheit der Entscheidung über die Kündigung unvertretbar eingeengt und das Kündigungsrecht damit faktisch ausgeschlossen wird (BGH NJW 1985, 192; 1989, 3272; 1993, 2101; BGHZ 126, 226; eingehend § 728 Rn 15ff). Die Übertragung der gesamten Gesellschafterstellung in einer OHG an einen Treuhänder, auf dessen Auswahl, Tätigkeit und Abberufung der Gesellschafter keinen Einfluss hat, ist wegen zu großer Bindung der persönlichen Freiheit sittenwidrig (BGHZ 44, 158, 161); das Gleiche gilt für eine sehr langfristige und weitgehende Übertra440
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§ 138
gung von Aufgaben der Geschäftsführung an Dritte (BGHZ 36, 293; BGH DB 1982, 846). Unwirksam sind ferner die von dem geschäftsführenden Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft übernommene Verpflichtung, auf eine Dauer von 30 Jahren Einnahmen aus anderweitiger Tätigkeit an die Gesellschaft abzuführen (BGHZ 37, 385) oder uU die Entbindung des geschäftsführenden Gesellschafters von der Pflicht zur Rechnungslegung (BGH Warn 1965, 126). Stimmrechtsbindungsverträge, wie sie sich insb bei Vereinen, Gesellschaften uä finden, sind im privatrechtl Bereich grds gültig (RGZ 133, 93; 161, 300; 165, 144; BGH NJW 1951, 268; 1987, 1890; 2009, 669, 672; ZIP 1983, 432; Köln GmbHR 1989, 76; vgl auch BGHZ 48, 166). Solche Verträge sind jedoch sittenwidrig, wenn eine Knebelung (Rn 120 „Knebelung“) vorliegt oder die Freiheit der Willensbildung, etwa einer juristischen Person bei der Bestellung von Organen, zu sehr eingeschränkt ist (vgl RGZ 57, 208; 131, 183; BGH ZIP 1983, 293, 295; Frankfurt NZG 2000, 378; Oldenburg AG 2006, 724 – faktische Bindung der Stimmabgabe von Aktionären an Weisungen des Vorstandsvorsitzenden; vgl aber auch RGZ 133, 95). Sittenwidrig sind ferner auch gesellschaftsrechtl Regelungen, die sich mit dem allg Gebot zur Stimmenthaltung in eigener Sache nicht vereinbaren lassen (RGZ 136, 236, 245; BGHZ 108, 21, 26; BGH WM 1980, 64), sowie gegen das Stimmenthaltungsgebot verstoßende Beschlüsse (BGHZ 108, 21, 27). Spezialregelungen finden sich in §§ 136, 405 II Nr 6, 7 AktG. P Glücksspiel. Ein Rechtsgeschäft, das sich nach Inhalt und/oder Zweckbestimmung auf eine Förderung oder 115 Beteiligung bei strafbarem Glücksspiel (§§ 284–286 StGB) oder bei einer unerlaubten Lotterie oder einer Ausspielung (§ 287 StGB) richtet, ist idR schon iSv § 134 verboten und deshalb nichtig. § 138 hat Bedeutung vor allem für Rechtsgeschäfte im für sich nicht strafbaren Umfeld der Veranstaltung von strafbedrohten Glücksspielen, Lotterien oder Ausspielungen sowie bei erlaubtem Glücksspiel (vgl auch §§ 33c-33i GewO). Ein zum Zwecke der (weiteren) Beteiligung an einem Glückspiel hingegebenes Darlehen ist jedenfalls dann sittenwidrig, wenn der Darlehensgeber aus Gewinnstreben die Spielleidenschaft des Darlehensnehmers ausnutzt und es sich um Beträge handelt, die für den Darlehensnehmer nicht unbedeutend sind (RGZ 67, 356; 70, 3; BGH WM 1961, 530; 1991, 1941; NJW 1974, 1821; Hamm NJW-RR 1988, 871; Köln WM 1983, 1072). Das gilt auch dann, wenn das Spiel behördlich genehmigt ist. P Grundstücksverkehr. Ein Kaufvertrag über ein – bebautes oder unbebautes – Grundstück oder eine Eigen116 tumswohnung kann vor allem bei einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung und Hinzutreten weiterer anstößiger Umstände als Wucher oder – meist – wucherähnl Geschäft (vgl Rn 59) sittenwidrig sein. Ein Missverhältnis zw Grundstückswert und Preis kann in überhöhtem oder in einem zu niedrigen Preis liegen. Sittenwidrig kann das Rechtsgeschäft – idR ein Grundstückkauf – nur sein, wenn das Missverhältnis auffällig ist. Ist es „nur“ auffällig, kann Sittenwidrigkeit nur bei Hinzutreten weiterer Umstände angenommen werden. Das ist in der weit überwiegenden Zahl der Fälle eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag Begünstigten. Ist das Missverhältnis allerdings besonders grob, wird die verwerfliche Gesinnung tatsächlich vermutet. Für ein besonders grobes Missverhältnis hat der BGH bis Anfang 2014 im Grundstücksverkehr genügen lassen, dass der obj Wert der Leistung der einen Seite fast (knapp) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGHZ 125, 218, 227; 146, 298, 302; 160, 8, 16f; BGH NJW 1992, 899, 906; 1996, 1204; 1997, 931; WM 1980, 597; 1981, 404; 2000, 1487, 1488; 2.12.2000 – V ZR 270/99, juris Rn 11; NJW-RR 1991, 589; 1993, 198; 2000, 1431; 2000, 1487; 2001, 1127; 2011, 880 Rn 16; ZIP 1995, 1322, 1325; Hamm NJW-RR 2002, 128 – für eine Eigentumswohnung; Brandenburg VersR 1996, 1020). Diese etwas weiche Formulierung eröffnete einerseits Spielräume für eine gerechtere Beurteilung des Einzelfalls. Sie erschwert andererseits aber auch die Anwendung und ihre Vorhersehbarkeit für die Rechtsanwender. Der BGH hat sich deshalb Anfang 2014 auf eine feste Untergrenze der Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von mindestens 90 % festgelegt (BGH WM 2014, 1440 Rn 8). Maßgeblich ist dabei die Perspektive des durch das Geschäft Benachteiligten. Dabei werden der Wert des Grundstücks und der Wert aller zusätzl Vorteile für den anderen Teil wie zB die Übernahme der Erwerbsnebenkosten berücksichtigt (BGH MDR 2016, 455 Rn 8). Bei Fehlen eines Marktpreises (etwa bei Eigentumswohnungsanlagen oder Ferienobjekten) kann sich die Überhöhung des vereinbarten Preises auch aus anderen Umständen ergeben; ein auffälliges Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass andere Erwerber – etwa im Rahmen eines Steuersparmodells in einer Eigentumswohnungsanlage – vergleichbare Preise gezahlt haben (BGH NJW 2005, 820; NJW-RR 2005, 1418). Das besonders grobe Missverhältnis begründet eine tatsächliche Vermutung für die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (BGHZ 146, 298, 302). Der Schluss von einem groben Missverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung ist, wenn sich das besonders grobe Missverhältnis nach der Vergleichswertmethode ergibt, auch dann möglich und gerechtfertigt, wenn dem Begünstigten das für ihn besonders vorteilhafte obj Wertverhältnis nicht bewusst ist und auch keine weiteren belastenden Umstände vorliegen (BGHZ 146, 298, 303; 160, 8, 15; krit vor allem Bork JZ 2001, 1138; Eckert ZfIR 2001, 884; Flume ZIP 2001, 1621; Maaß NJW 2001, 3467). Steht der nach dieser Methode ermittelte Wert aber nicht in einem groben Missverhältnis zum Wert des Grundstücks, scheidet eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten regelmäßig aus, ohne dass es einer ergänzenden Berechnung nach einer anderen Berechnungsmethode bedürfte. Denn der Begünstigte muss nicht klüger sein als die übrigen Marktteilnehmer (BGHZ 160, 8, 15). Anders liegt es aber, wenn sich das grobe Missverhältnis nicht durch einen direkten Vergleich mit dem maßgeblichen Markt, also nach der Vergleichswertmethode, sondern erst nach der Ertragswertmethode ergibt. Diese Methode ist grds zulässig, auch wenn bei Vorhandensein von Vergleichswerten die Vergleichswertmethode die einfachste und zuverlässigste ist (BGHZ 160, 8, 14f; BGH ZIP 2008, 962 Rn 32; Schmidt-Räntsch
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unrichtig daher KG 27.2.2020 – 8 U 150/19, juris Rn 20). Bei der Wahl der Ertragswertmethode bedarf es weiterer Anhaltspunkte dafür, dass es dem Verkäufer bekannt war oder er sich ihm leichtfertig verschlossen hat (BGHZ 160, 8, 15; BGH NJW-RR 2008, 1436, 1438). Diese Vermutung ist keine gesetzl Vermutung, die nach § 292 ZPO widerlegt werden müsste. Sie ist eine tatsächliche Vermutung, die „nur“ erschüttert werden muss. Zur Erschütterung der Vermutung genügen sachgerechte Bemühungen um ein angemessenes Leistungsverhältnis (BGH NJW 2002, 3165, 3166 mwN) oder – bei einem in absoluter Höhe geringen Wert – obj Schwierigkeiten der Werteinschätzung (BGH NJW 2003, 283). Greift die Vermutung von vornherein nicht oder ist sie erschüttert, scheidet eine Nichtigkeit unter dem Gesichtspunkt des wucherähnl Geschäfts nicht endgültig aus. Entscheidend ist vielmehr, ob ein auffälliges Missverhältnis erreicht ist. Dessen Untergrenze hat der BGH bislang noch nicht beschrieben. Sie wird aber deutlich über 50 % liegen müssen. Dann nämlich kann der Benachteiligte die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten oder andere Umstände nachweisen, die das Geschäfts sittenwidrig erscheinen lassen (BGH WM 2014, 1440 Rn 10 mwN; LG Nürnberg-Fürth NJ 2021, 312 = juris Rn 39). Erst, wenn ihm auch das nicht gelingt, scheidet die Nichtigkeit nach § 138 I aus. Die Wirksamkeit der Auflassung wird von der Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags regelmäßig nicht berührt (BGH WM 1997, 1155, 1156; NJW 2001, 1127, 1129; ZfIR 2004, 998f). Nicht ohne weiteres sittenwidrig ist die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts mit einer Ausübungsfrist von 90 oder mehr Jahren (BGH NJW 2011, 515, 516; NJW-RR 2011, 1582, 1583). P Grundstücksnutzungsverträge. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für Grundstücknutzungsverträge, etwa einen Vertrag, durch den dem einen Teil gestattet wird, auf einem Grundstück eine Windkraftanlage zu errichten, und der Grundstückseigentümer das Entgelt im Nachhinein viel zu niedrig findet (Dresden 10.11.2020 – 9 U 994/19, juris Rn 20, 24; vgl nachfolgend Rn 118). P Kaufverträge. Auch bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen etc kommt Sittenwidrigkeit vor allem unter den Voraussetzungen des Wuchers oder eines wucherähnl Geschäfts (Rn 59) in Betracht. Bei welcher Überschreitung des Marktpreises ein Missverhältnis zw vereinbartem Preis und Wert des Kaufgegenstandes vorliegt, lässt sich nicht allgemeingültig sagen. Wenn der Wert der Leistung doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, wird nach dem heutigen Verständnis regelmäßig schon ein besonders grobes Missverhältnis vorliegen (BGH BB 1998, 393; NJW 2000, 1254, 1255 – Münzkauf; NJW-RR 2003, 558 – Kauf eines Reitpferdes; vgl auch Düsseldorf NJW-RR 1999, 408; KG NJW-RR 1995, 1422; Kohte VuR 2003, 114), bei dem aus dem obj Wertverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils geschlossen werden kann. An der Berechtigung des Schlusses auf die verwerfliche Gesinnung des bevorteilten Teils ändert ein Affektionsinteresse des übervorteilten Teils grds nichts. Nur in Ausnahmefällen kann, etwa wegen eines starken Affektionsinteresses an einem Reitpferd, der Schluss auf die verwerfliche Gesinnung nicht gerechtfertigt sein (München RdL 2021, 239). Tendenziell kann bei einem obj hohen Kaufpreis auch schon eine Überteuerung um weniger als 100 % zu beanstanden sein (vgl Nürnberg BB 1996, 659 – Preis einer EDV-Anlage). Von krassen Überschreitungen des Marktpreises abgesehen (vgl etwa LG Bremen NJW-RR 1988, 570), wird es für die Bewertung stets auf die abwägende Würdigung aller Vertragsbedingungen und Umstände ankommen. Sittenwidrigkeit kommt aber auch in Betracht, wenn Kaufverträge bei erheblichem psychologischen Druck, unter Einsatz anstößiger Mittel (etwa arglistige Täuschung; wiederholtes Drängen auf Bestellung iVm Gewinnzusagen) und vielfach unter Ausnutzung der Unerfahrenheit des Kunden abgeschlossen werden (Bsp: BGH NJW 2005, 2991, 2992); dies gilt nicht zuletzt, wenn unter solchen Umständen Dinge verkauft werden, mit denen der Käufer nichts anfangen oder die er nicht bezahlen kann, mag der Preis als solcher auch nicht zu beanstanden sein (Medicus AT Rn 708; Bsp: BGH NJW 1966, 1451; 1988, 1373; vgl auch Frankfurt NJW-RR 1988, 501; KG MDR 1984, 405). P Knebelung eines anderen. Verträge, die die wirtschaftl Freiheit des Vertragspartners so beschränken, dass er seine Eigenständigkeit ganz oder im Wesentlichen einbüßt und praktisch zum Werkzeug des anderen Teils wird, sind sittenwidrig (BGHZ 7, 111ff; 19, 12, 18; 22, 347; 44, 158, 161; 83, 313, 316; BGH NJW 1962, 102; 1967, 1043; 1970, 657; 1976, 181; 1993, 1587; WM 1976, 183; LM § 138 [Bc] Nr 13). Sittenwidrigkeit tritt allein schon wegen der obj knebelnden Wirkung ein; weitere subj Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen; insb ist eine Knebelungs- oder Schädigungsabsicht nicht erforderlich (Staudinger/Fischinger Rn 340). In erster Linie ist die rechtl Bindung entscheidend; jedoch kann auch eine tatsächliche Zwangslage ein Sittenwidrigkeitsurteil begründen. Allerdings ist nicht schon jede Beschränkung der wirtschaftl Freiheit, wie sie im Wirtschaftsleben vielfach aus Verträgen folgt, sittenwidrig (vgl RGZ 165, 14; BGH NJW 1967, 1042; BAG BB 2004, 2303 – zum einzelvertragl Ausschluss der ordentlichen Kündigung für einen längeren Zeitraum; Brandenburg BB 1999, 655 – für ein Darlehen mit 17 Jahren Tilgungsfrist; Dresden WM 2000, 1689 – Globalzession mit Verbleib der Einziehungsbefugnis beim Schuldner; Hamm NJW 1977, 203 – Erbbaurechtsvertrag mit Kaufzwangklausel; Hamm NJW-RR 1988, 117 – übermäßige Sicherungsabtretung; AG Neubrandenburg 18.12.2020 – 111 XV 1/19 – lange Bindung verbunden mit einem Rückkaufspreis, der nach 17 Jahren dem Ankaufspreis entspricht). Ein Vertrag verstößt aber dann gegen die guten Sitten, wenn der Vertragspartner (fast) ganz der geschäftlichen Dispositions- und Handlungsfreiheit beraubt wird (BGH ZfIR 2012, 872 Rn 30f: absolutes Verbot von Verpfändungen bei Übergabe des Familienguts an Sohn); dies kann sich auch infolge der Einräumung weitgehender Mitwirkungs- und/oder Kontrollrechte für einen Außenstehenden ergeben (BGH NJW 1993, 1587; Hamm BB 1970, 374; zu Eingriffsmöglichkeiten aus wichtigem Grund BGH WM 1961, 1297, 1299). Die Freiheitsbeschränkung bei einem Knebelungsvertrag bezieht sich auf Personen, juristische Personen eingeschlossen (RGZ 130, 145). Die Bindung von 442
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Vermögen reicht als solche nicht; jedoch kann auch eine weitgehende Überlassung des pfändbaren Vermögens an einen Gläubiger zur Sicherheit für den Schuldner knebelnde Wirkung haben (BGH NJW 1967, 1043; RGZ 136, 247, 253f). S auch zum Franchisevertrag Rn 110a. Eine übermäßige wirtschaftl Bindung wird zur Begründung des Sittenwidrigkeitsurteils zB bei Automatenaufstellungsverträgen (Rn 73), Bierbezugsverträgen (Rn 86) sowie vor allem bei Sicherungsgeschäften (Rn 145) herangezogen. Eine Knebelung kann aber auch bei einem Gesellschaftsvertrag (RG 82, 308; 163, 391; BGH NJW 1992, 3035), einem Finanzierungsvertrag (RGZ 131, 213; BGHZ 19, 12, 18; BGH NJW 1962, 102), einem Mietoder Pachtvertrag (vgl RG JW 1929, 3161; BGH WM 1976, 181 – Unternehmenspacht; Hamm BB 1970, 374 – Mietvertrag über Gewerbeobjekt; Nürnberg BB 1958, 892), einem Übergabevertrag mit einem für übermäßige lange Zeit vereinbarten umfassenden Verfügungsverbot (ZfIR 2012, 872 Rn 21), einer weder zeitl noch gegenständlich beschränkten verlagsrechtl Optionsvereinbarung (BGHZ 22, 347) oder einem Treuhandvertrag (BGHZ 44, 158; NJW 1967, 1043) vorliegen. Entspr gilt für die Einräumung eines zeitl unbegrenzten Alleinverkaufsrechts zugunsten eines Maklers. Eine solche bewusst zeitl unbegrenzt vereinbarte Dauerbindung dieser Art beeinträchtigt die wirtschaftl Bewegungsfreiheit des betroffenen Vertragspartners in unzulässig starkem Maße (BGH WM 1976, 533 = juris Rn 17; NZM 1998, 677 = juris Rn 6; KG 14.4.2021 – 10 W 22/21, juris Rn 16f). So auch für einen Künstlermanagementvertrag, der die künstlerische und wirtschaftl Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Künstlers nahezu vollständig zugunsten des Managers einschränkt (LG Potsdam ZUM-RD 2021, 532 = juris Rn 63). P Laufzeit eines Vertrags. Die – sehr lange – Laufzeit eines Vertrags führt jedenfalls bei einem frei ausgehandelten Vertrag nicht schon per se zur Sittenwidrigkeit. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob aufgrund der Gesamtumstände dem Verpflichteten genügend wirtschaftl Bewegungsfreiheit verbleibt (Frankfurt WRP 2020, 633 Rn 19f für Bindung eines Markeninhabers). Auch bei AGB-Verträgen ist eine umfassende Abwägung anzustellen (BGH MDR 2012, 136 Rn 15) P Leasingverträge. Bei finanzierten Leasingverträgen kommt Sittenwidrigkeit vornehmlich in Betracht, wenn zw dem Marktwert der Nutzungsmöglichkeit des Leasingnehmers und der vereinbarten Leasingrate ein auffälliges Missverhältnis besteht und entweder die Wuchervoraussetzungen erfüllt sind oder sonstige sittenwidrige Umstände hinzutreten. Dabei ist nach der Rspr beim Leasing von beweglichen Sachen (ob auch bei Immobilienleasing ist ausdr offengelassen) die tatsächlich vereinbarte Leasingrate in erster Linie mit einer marktüblichen Leasingrate zu vergleichen (BGHZ 128, 255 mwN zur vorherigen Diskussion, ergänzt durch BGH NJW 1995, 1146); ein auffälliges Missverhältnis ist jedenfalls ab einer ggü der marktüblichen Leasingrate um 100 % höheren tatsächlichen Leasingrate anzunehmen. Neben einem auffälligen Missverhältnis ist für § 138 I die Feststellung einer verwerflichen Gesinnung des Leasinggebers oder sonstiger sittenwidriger Umstände nötig. P Maklervertrag. Auch beim Maklervertrag ist Sittenwidrigkeit vor allem bei einem auffälligen Missverhältnis von Maklerleistung und vereinbarter Provision in Betracht zu ziehen, sofern zusätzl die subj Voraussetzungen von § 138 II erfüllt sind oder andere, auch den subj Voraussetzungen von § 138 I genügende sittenwidrige Umstände hinzukommen (BGHZ 125, 135, 137; BGH NJW 2000, 2669). Um ein etwaiges Missverhältnis zu ermitteln, sind zunächst vereinbarte und marktübliche Provision einander gegenüberzustellen (BGH WM 1976, 289; BGHZ 125, 135). Eine feste Provisionsobergrenze, von der an ein Missverhältnis beginnt, ergibt sich aus der Rspr bisher nicht. Vielmehr ist bislang im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der Sachverhalte einzelfallbezogen – unter Berücksichtigung auch des Schwierigkeitsgrades der Maklertätigkeit – entschieden worden. Eine Provision von 3 %-5 % des Wertes des vermakelten Gegenstandes bzw von 6 % beim Doppelmakler wird von der Rspr regelmäßig nicht beanstandet (vgl BGHZ 125, 135, 139; BGH NJW 2000, 2669f). Dagegen ist die Vereinbarung einer Provision, die das Übliche um etwa das Fünffache übersteigt, sittenwidrig (BGH NJW 2000, 2669; BGH DB 1976, 573; weitere Bsp: Oldenburg NJW-RR 1986, 857f – Provision von 6 % für die Vermittlung eines höheren Kredits bei ortsüblicher Provision von 1 %; LG Aachen NJW-RR 1987, 741 – Provision von 50 000 DM für die Vermittlung eines Kredits von 450 000 DM; LG München NJW-RR 1989, 197; AG Eltville FamRZ 1989, 1299; verneinend Nürnberg NJOZ 2002, 85 bei Provision von 11 % des Kaufpreises für Bauerwartungsland). Ein besonderes Problem bilden die sog Übererlösklauseln, bei denen der Makler als Provision ganz oder zT den ggü den Ausgangsvorstellungen des Auftraggebers erzielten Mehrerlös erhält. Solche Klauseln sind bei individualvertragl Vereinbarung nicht sittenwidrig, wenn im Zeitpunkt der Vereinbarung obj unsicher ist, ob überhaupt, in welchem Umfang und mit welchem Aufwand ein Übererlös erzielt werden kann; Risiko und Chancen des Maklers halten sich in einem solchen Fall die Waage (vgl etwa BGH WM 1969, 886; NJW 1969, 1628; 1994, 1475; NJW-RR 1994, 559; KG NZM 2001, 481 L; Düsseldorf NJW-RR 1999, 1140, 1141; 1996, 1012). Übererlösklauseln sind aber mit den guten Sitten nicht vereinbar, wenn sie zu einer obj unverhältnismäßig hohen Vergütung führen und ihrerseits unter missbilligenswerten Umständen zustande gekommen sind; das gilt insb, wenn der Makler bei Vertragsschluss die konkrete Möglichkeit eines Übererlöses in beträchtlicher Höhe bereits kannte und den Auftraggeber pflichtwidrig darüber nicht informiert hat (BGHZ 125, 135 – erwarteter Erlös; vgl auch Düsseldorf MDR 1968, 494). Schon allein aus einem auffälligen Missverhältnis ist regelmäßig auf die für § 138 I zusätzl erforderliche verwerfliche Gesinnung zu schließen (BGHZ 125, 135). Ist – etwa aus subj Gründen – Sittenwidrigkeit zu verneinen, bleibt die Herabsetzung des überhöhten Maklerlohns gem § 655 zu prüfen. § 655 verdrängt § 138 nicht (Brandenburg 13.1.2022 – 10 U 97/21, juris Rn 57). Unwirksam ist auch ein durch Formularvertrag eingeräumtes, erfolgsunabhängiges Maklerlohnversprechen (BGHZ 61, 24; krit Schulte NJW 1974, 1221); beim Doppelmakler verstößt eine solche Klausel insb gegen die Schmidt-Räntsch
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von ihm zu fordernde Unparteilichkeit (BGH 48, 348). Die Individualvereinbarung einer erfolgsunabhängigen Maklerprovision ist hingegen grds wirksam (BGH DB 1976, 189). Das einem Makler bewusst zeitl unbegrenzt eingeräumte Alleinverkaufsrecht ist sittenwidrig (BGH WM 1976, 533), nicht dagegen eine Maklerbindung für fünf Jahre (BGH WM 1974, 257). P Miet- und Pachtrecht. Ein Miet- oder Pachtvertrag kann als Ganzes sittenwidrig sein, wenn er auf einen anstößigen und unerlaubten Zweck gerichtet ist. Das kommt zB in Betracht, wenn das Miet- oder Pachtobjekt als Standort für Straftaten (etwa Drogenhandel) oder für einen öffentlich-rechtl unerlaubten Zweck (etwa Standort für verbotene Vereinigung) bestimmt ist. Die Unerlaubtheit des Zwecks darf bei Vertragsschluss aber nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Wenn die Erlaubtheit umstr ist – etwa in einem Straf- oder Verwaltungsstreitverfahren –, sollte das Risiko der späteren Klärung idR nicht den Vermieter als Vertragspartner treffen. Der Nutzungszweck muss nicht unbedingt insg anstößig und unerlaubt sein. Bei gemischter – teils neutraler, teils sittenwidriger – Zweckrichtung muss der anstößige und/oder unerlaubte Teilzweck aber qualitativ oder quantitativ so gewichtig sein, dass er das Gesamtbild des Vertrags prägt und ihn insg als sittenwidrig erscheinen lässt. Kein anstößiger und unerlaubter Zweck ist nach heutigem Verständnis (anders noch BGHZ 41, 341) die Nutzung eines Miet- oder Pachtobjekts als Bordell, soweit nicht die Voraussetzungen des § 180a StGB erfüllt werden (BGHZ 63, 365; BGH NJW-RR 1988, 1379; 1990, 750; Hamm NJW 1975, 653), oder für Zwecke der Prostitution (BGH NJW 1970, 1179). Erst recht kann man die Vermietung von Räumen an Nichtverheiratete seit langem nicht mehr als sittenwidrig werten. Für eine unangemessene Höhe einer Wohnungsmiete, insb für den Mietwucher, enthält das Preisrecht iVm § 5 WiStG die erforderlichen Regelungen; im Einzelfall kann aber auch § 138 in Betracht kommen (Bsp: Koblenz NZM 1998, 479 – überhöhte Miete für die Wohnung einer Prostituierten). Um ein auffälliges Missverhältnis der vereinbarten Miete im Vergleich zur ortsüblichen Miete für entspr Wohnraum festzustellen, sind als Vergleichsbasis idR die Verhältnisse im gesamten Stadtgebiet, nicht in einem einzelnen Ortsteil maßgebend (BGH NJW 2005, 2156; NJW-RR 2006, 591). Bei anderen Miet- oder Pachtobjekten, etwa Gewerbeimmobilien und Geschäftsräumen, wird man ein auffälliges Missverhältnis zw dem Nutzungswert eines Objekts nach den örtlichen Marktbedingungen und der vereinbarten Miete/Pacht idR jedenfalls dann annehmen müssen, wenn das vereinbarte Nutzungsentgelt den obj Nutzungswert um etwa 100 % übersteigt (BGH NJW-RR 2002, 1521; NJW 2004, 3553, 3554f; KG NJW-RR 2001, 1092; Naumburg NZM 1999, 965; aM KG MDR 2002, 999; AG BerlinSchöneberg GE 2000, 1477; vgl auch Stuttgart NJW-RR 1993, 654 und Naumburg NZM 1999, 965: besonders krasses Missverhältnis bei Überschreitung um 145 % bzw 140 %; Karlsruhe NJWE-MietR 1997, 151: kein krasses Missverhältnis bei Überschreitung um 68 %). Bei einem gewerblichen Objekt muss auch eine unüblich hohe Mietkaution nicht zu Sittenwidrigkeit führen (Brandenburg ZMR 2006, 854). Verbietet der Eigentümer von Parkplätzen die unbefugte Nutzung nicht, sondern macht er diese von der Zahlung eines Nutzungsentgelts von mind 30 t abhängig, kann der Parkplatznutzungsvertrag ein wucherähnl Geschäft und damit nichtig sein (AG Marl 18.8.2020 – 3 C 67/20, juris Rn 62). Scheitert der Wuchertatbestand des § 138 II daran, dass sich die subj Wuchervoraussetzungen, insb eine Ausnutzung von geschäftlicher Unerfahrenheit des Vertragspartners, nicht feststellen lassen, so soll ein wucherähnl Geschäft nach § 138 I auch bei Vorliegen eines besonders grobem Missverhältnisses – anders als im Allg (s Rn 60) – wegen der bei solchen Objekten vielfach bestehenden Bewertungsunsicherheiten einen Schluss auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten nur zulassen, wenn dem Vermieter ohne weiteres erkennbar war, wie hoch die marktübliche Miete oder Pacht in etwa war und er sich danach leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass ein auffälliges Missverhältnis vorliegt (BGH NJW 2002, 55, 57f; vgl auch BGH NJW 2004, 3553; Brandenburg NZM 2006, 743); bei stark schwankendem Marktwerten wird diese Voraussetzung nicht ohne weiteres erfüllt sein (BGH NJW-RR 2002, 8). Sittenwidrigkeit kann sich aber stets daraus ergeben, dass der Vermieter/Verpächter subj zurechenbar eine ungünstige Ausgangslage des Mieters/Pächters in anstößiger Weise zu seinem Vorteil ausnutzt (vgl BGH NJW 1990, 567, 568f). – Ferner kann sich eine sehr hohe Miete/ Pacht iVm der Vertragsgestaltung insg uU als eine sittenwidrige Knebelung (vgl dazu Rn 120) darstellen; das kommt etwa in Betracht, wenn sich in dem gewerblichen Miet-/Pachtobjekt ein zumindest bescheidener Gewinn oder gar die vereinbarte Miete/Pacht nachhaltig nicht erwirtschaften lässt (BGHZ 83, 315; BGH WM 1976, 181, 184; Hamm BB 70, 374; LG Frankfurt NJW-RR 1988, 344; LG Wuppertal ZMR 1996, 440; vgl auch Düsseldorf NZM 1999, 461; Hamm NJW-RR 1995, 205; München ZMR 1996, 550; München NZM 1999, 224). Wenn in einem Mietvertrag über gewerbliche Räume eine (in der Tendenz steigende) Staffelmiete vereinbart ist, verstößt die dadurch eintretende Mieterhöhung selbst dann nicht gegen die guten Sitten, wenn die Marktmiete inzwischen erheblich gesunken ist (BGH NJW-RR 2005, 236; vgl auch BGH NJW 2002, 2384; bei Vereinbarung einer Staffelmiete für Wohnraum ist die Begrenzung des Kündigungsausschlusses in § 557a III, IV auf vier Jahre zu beachten; dazu BGH NJW 2006, 1059; NJW-RR 2006, 1236; NJW 2006, 2696). Für andere Vertragsklauseln kommt § 138 I in Betracht, soweit nicht schon das Miet-/Pachtrecht selbst oder das AGB-Recht ihre Geltung hindert. Das gilt insb auch für die Wohnungsmiete. Die einzelnen Vertragsregelungen und die Gesamtgestaltung des Vertrags dürfen den Mieter nicht übermäßig in seiner persönlichen Freiheit (Art 2 I GG) einengen. Verbote und Verhaltensregeln, die sich weder mit den schützenswerten Interessen des Eigentümers/Vermieters noch mit denen der Mitmieter und Nachbarn sachlich rechtfertigen lassen, sind daher idR nicht hinnehmbar und mit den guten Sitten unvereinbar (vgl BGH NJW 1993, 1061 – generelles Verbot der Haltung von Haustieren nach § 307 unangemessen; BGH NJW 1995, 2036 – keine Sittenwidrigkeit bei Verbot 444
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der Hundehaltung in einer Wohnanlage; ferner zur Hundehaltung: KG NJW 1992, 2577; BayObLG NJW-RR 1994, 658; ZMR 1995, 167). Dabei dürfte sich in derartigen Fällen die Nichtigkeitsfolge auf die betroffene Bestimmung, im Hinblick auf den intendierten Schutz des Mieters aber nicht auf den gesamten Vertrag erstrecken. Sittenwidrig kann auch eine Kündigung des Mietverhältnisses über eine Wohnung sein, wenn sie den zur Würdigung einzelner Vertragsklauseln dargestellten Grundgesichtspunkten nicht gerecht wird. Nicht sittenwidrig ist die Kündigung eines Miet-/Pachtvertrags über ein Objekt, um einen für den Vermieter günstigeren, aber inhaltlich unbedenklichen Anschlussvertrag zu ermöglichen, auch wenn durch die Vertragsbeendigung mittelbar auch auf Pflichten des anderen Teils ggü Dritten eingewirkt wird (Bsp: Ein Untermietvertrag, ein Automatenaufstellvertrag oder eine Bezugsverpflichtung für das Miet-/Pachtobjekt laufen mit der Kündigung des Hauptmietvertrags aus; vgl BGH NJW 1998, 76 für Kündigung eines Gaststättenpachtvertrags). Vgl iÜ BGH NJW 1970, 855 – Kündigung eines Tankstellenvertrags. Scheidet ein Mieter aus einem langfristigen Mietverhältnis vorzeitig aus und schließt der Vermieter einen neuen Mietvertrag mit einem vom bisherigen Mieter gestellten Nachmieter, kann der neue Mietvertrag sittenwidrig sein, sofern er zu einer Konkurrenzschutzverletzung ggü den vorhandenen Mietern führt (BGH NZM 2005, 340). Ein individualvertragl vereinbarter dauerhafter Ausschluss der ordentlichen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses ist als solcher nicht anstößig und nach § 138 I nichtig. Etwas anderes gilt nur, wenn die Zwangslage einer Partei ausgenutzt wird oder sonstige zusätzl Umstände vorliegen, die der Vereinbarung das Gepräge eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts geben (BGH MDR 29018, 855 Rn 16). Die einvernehmliche Aufhebung eines Mietvertrags durch Vermieter und Mieter kann sittenwidrig und nach § 138 I nichtig sein, wenn der Mieter einen Untermietvertrag geschlossen hat, für den Vermieter und den Mieter kein vernünftiger Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses besteht, der Zweck des Mietaufhebungsvertrags allein darin liegt, dass der Eigentümer wieder Alleinbesitz an dem Mietobjekt erlangt und der Untermieter tatsächlich geschädigt wird (BGH MDR 2018, 856 Rn 26). Das wäre etwa der Fall, wenn das Nutzungsverhältnis des Untermieters sonst zu dem vereinbarten Zeitpunkt nicht beendet werden könnte. P Mithaft von nahen Angehörigen und Arbeitnehmern. Ähnl wie bei der Bürgschaft (s dazu Rn 90 und § 765 Rn 50) kann auch die Mithaft eines nahen Angehörigen sittenwidrig sein, wenn der nahe Angehörige finanziell krass überfordert ist. Auch ohne Hinzutreten zusätzl Umstände spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der nahe Angehörige in einer solchen Situation die – ihn uU lang bindende – Mithaft nur wegen seiner persönlichen Verbindung mit dem Hauptschuldner übernimmt und der Kreditgeber diese Verbindung in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 156, 302, 307; BGH WM 2005, 421, 422; 2017, 93 Rn 20; FamRZ 2006, 1024, 1025). Das gilt auch für ArbN, die zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes eine Mithaft für ihren ArbGeb eingehen (BGH ZIP 2018, 2162 Rn 11). Der abgesenkte Maßstab, den das BAG im Verhältnis des ArbN zum ArbGeb annimmt – § 138 I, wenn der ArbN mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des ArbGeb belastet wird (NJW 1991, 860) – gilt im Verhältnis zu den Gläubigern des ArbGeb nicht (BGH ZIP 2018, 2162 Rn 20f). Eine tatsächliche, widerlegliche Vermutung dafür, dass der ArbN eine ihn krass finanziell überfordernde Bürgschaft allein aus Angst um seinen Arbeitsplatz übernommen hat, besteht aber nur für Zeiten einer hohen Arbeitslosigkeit (BGH ZIP 2018, 2162 Rn 12). Zur gebotenen (BGH WM 2017, 93 Rn 20) Widerlegung der Vermutung durch den Gläubiger genügt das Vorhandensein anderer Sicherheiten nur, wenn sichergestellt ist, dass der mithaftende krass überforderte Angehörige erst nach ordnungsgemäßer Verwertung der anderen Sicherheiten in Anspruch genommen wird (BGH WM 2017, 93 Rn 23). Auch fehlende Angaben zur Überforderung genügen nicht ohne weiteres zur Widerlegung der Vermutung (BGH WM 2017, 93 Rn 26). P Monopolstellung. Eine sittenwidrige Ausnutzung einer Monopolstellung ist gegeben, wenn eine allg Vormachtstellung (rechtl oder tatsächlicher Art; räumlicher, sachlicher oder zeitl Art; auch marktbeherrschende Oligopole können hierunter fallen) dazu benutzt wird, dem Verkehr aus Eigennutz unbillige Opfer aufzuerlegen (BGHZ 19, 84, 95; BGH BB 1971, 1177; NJW 1976, 710; 1998, 3191; ZUM-RD 2021, 612 Rn 60; Jena NJWE-WettbR 1998, 118). Der Missbrauch der Marktmacht wird dabei häufig eingesetzt, um ein übermäßiges Entgelt, einen Verzicht auf gesetzl Schutzrechte oder sonstige unangemessene rechtsgeschäftliche Vorteile zu erzielen. Entscheidend wird regelmäßig sein, dass der Vertragspartner praktisch nicht auf eine andere rechtsgeschäftliche Bedarfsdeckung zu angemessenen Bedingungen ausweichen kann. Ein Monopolmissbrauch kommt auch bei (ggf öffentlich-rechtl) Verträgen von Trägern öffentlicher Gewalt in Betracht, etwa bei vertragl Einräumung von Sondernutzungsrechten durch Gemeinden oder bei öffentlich-rechtl organisierten Versorgungsbetrieben (Bsp: BGHZ 19, 94; 65, 284, 289; BGH NJW 1958, 1772; 1976, 709 und 710; dazu Ebel NJW 1976, 700; BGH BB 1971, 1177; WM 1984, 1253). Sittenwidrig kann auch die sachlich nicht gerechtfertigte Ablehnung der Aufnahme in einen Verein mit einer Monopolstellung sein (Bsp: LG München NJW-RR 1993, 890 – Bergwacht im Bayerischen Roten Kreuz). Eine Knappheitslage auf dem Markt kann, muss aber nicht auf einer monopolartigen Marktmacht beruhen; wenn sie – etwa für Grundstücke – zu entspr hohen Preisen führt, ist das für sich als normale marktwirtschaftl Reaktion auf die Knappheit eines Wirtschaftsgutes noch nicht zu beanstanden; erst das anstößige Übermaß ist sittenwidrig (vgl zB BGHZ 65, 284, 289; BGH BB 1971, 1177; NJW 1976, 710; LM § 138 [Cc] Nr 4). Unerheblich ist, ob die Initiative zum Vertragsschluss von dem Monopolisten oder dem anderen Teil ausgegangen ist. P Nichteheliche Lebensgemeinschaft. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft wird von der Sittenordnung nicht (mehr) missbilligt. Durch die Lebensgemeinschaft veranlasste oder auf sie bezogene Rechtsgeschäfte (Bsp: Wohnungsmiete, Regelung des Unterhalts, der gemeinsamen Wirtschaftsführung und/oder – etwa für den Fall der Trennung – der Vermögensverhältnisse; Zuwendungen des einen Teils an den anderen) sind deshalb nicht sittenwidrig (BGHZ 77, 55, 59; 112, 259, 262; BGH WM 1965, 793; NJW 1973, 1645; 1984, 797; 1984, 2150; Schmidt-Räntsch
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BayObLG FamRZ 1984, 1153; Hamm FamRZ 2000, 95). Dies gilt auch dann, wenn ein Partner noch verheiratet ist (BGHZ 77, 55, 59; 112, 259, 262; BGH NJW 1984, 2150). Sittenwidrig ist jedoch ein Vertrag, der bezweckt, einen der Partner durch Verhängung wirtschaftl Sanktionen zur Aufrechterhaltung der Gemeinschaft zu zwingen (Hamm NJW 1988, 2475). Dasselbe soll wegen Unvereinbarkeit mit den Persönlichkeitsrechten des anderen Teils für einen Vertrag gelten, mit dem ein Detektiv wegen des Verdachts sexueller Untreue mit der Observation des anderen Teils beauftragt wird (AG Siegburg NJW-RR 2004, 1695). P Öffentliche Verwaltung. Wie die Gerichte, so verdient auch die öffentliche Verwaltung in allen Erscheinungsformen im Interesse der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen Schutz vor anstößigen Rechtsgeschäften, die ein ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln beeinträchtigen oder verhindern. Rechtsgeschäfte, die allein oder in ihrem prägenden Schwergewicht gerade diesen Zweck verfolgen oder diese Wirkung haben, sind deshalb sittenwidrig. Sittenwidrig ist zB eine Vereinbarung, die auf eine Täuschung einer Behörde über einen verwaltungserheblichen Sachverhalt hinausläuft (Bsp: Vereinbarung über eine nach der maßgeblichen Prüfungsordnung unzulässige Beteiligung eines Dritten an einer eigenständig zu erbringenden Prüfungsleistung, etwa „Kauf“ einer schriftlichen Prüfungsarbeit). Auch der Kauf eines Gegenstandes, der praktisch allein dazu dienen kann und nach dem beiden Parteien erkennbaren Vertragszweck darauf gerichtet ist, ein Eingreifen der Behörden im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu verhindern oder zu erschweren und dadurch ein ordnungswidriges Verhalten des Bürgers zu erleichtern oder zu verdecken, ist sittenwidrig (Bsp: Kauf eines Radarwarngerätes; die dazu früher vertretenen unterschiedlichen Auffassungen sind durch BGH NJW 2005, 1490; 183, 235 Rn 13 überholt). P Öffentliche Verwaltung/Vergaberecht. Zur ordnungsmäßigen Verwaltungstätigkeit gehört auch die Beachtung des öffentlichen Haushaltsrechts; deshalb können Rechtsgeschäfte, die das öffentliche Haushaltsrecht missachten oder umgehen, ebenfalls sittenwidrig sein, sofern der Verstoß beiden Seiten auch subj zuzurechnen ist (Bsp: BGH NZBau 2006, 590 – Abschluss eines Immobilienleasingvertrags durch eine Gemeinde unter grober Verletzung von Haushaltsgrundsätzen; BGHZ 36, 398). Entspr gilt für die Einhaltung des Vergaberechts. Das Vergaberecht soll einen fairen Wettbewerb der Anbieter um öffentliche Aufträge gewährleisten und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die Angebote zur Schonung der öffentlichen Haushalte sachangemessen günstig ausfallen. Die vergaberechtl Vorschriften sind zT auch zur Gewährleistung der Marktfreiheiten der europäischen Verträge unionsrechtl vorgeschrieben. Dieses öffentliche Interesse wird in sittlich anstößiger Weise unterlaufen, wenn ein öffentlicher Auftraggeber mit einem Bieter, der davon Kenntnis hat, unter bewusster Missachtung des Vergaberechts und zum Nachteil potentieller anderer Bieter, die deshalb keine Möglichkeit haben, sich im Rahmen eines fairen Wettbewerbs um den Zuschlag zu bemühen, einen Vertrag schließt (Brandenburg 22.4.2010 – Verg W 5/10, juris Rn 46; Celle ZfBR 2005, 719f = juris Rn 21; 24.10.2019 – 13 Verg 9/19, juris Rn 67; Düsseldorf NJW 2004, 1331, 1334; Karlsruhe NZBau 2007, 395, 399; KG NZBau 2005, 538, 543; Saarbrücken VergabeR 2016, 796 = juris Rn 93). P Öffentliche Verwaltung/Gegenleistung für Verwaltungshandeln. Einer vertragl Verknüpfung von öffentlich-rechtl Handeln der Verwaltung mit einer Gegenleistung des Bürgers sind durch §§ 56, 36 VwVfG enge Grenzen gesetzt. Zwar bezieht sich § 56 VwVfG ausdr nur auf öffentlich-rechtl Verträge; schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen werden aber auch privatrechtl Verträge der öffentlichen Hand diese Grenzen einhalten müssen, um Gesetzwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit zu vermeiden. Ein Verwaltungshandeln, auf das ein Anspruch besteht, darf nicht durch Vertrag mit einer im Gesetz nicht vorgesehenen Gegenleistung verknüpft werden (§ 56 iVm § 36 I VwVfG; vgl auch BGH LM § 134 Nr 50). Bei einem Handeln, das im Ermessen der Verwaltung liegt, steht die Vereinbarung einer Gegenleistung mit § 56 VwVfG nicht im Einklang, wenn ein sachlicher Zusammenhang mit der Verwaltungsleistung fehlt (Bsp: BGHZ 26, 84; 94, 125; BGH NJW 1972, 1657; 1975, 1019; 1985, 1892 – Verknüpfung einer bauplanungsrechtl oder bauordnungsrechtl Entscheidung mit der Abtretung von Grundstücksanteilen; BGH NJW 1979, 642; 1983, 2823; WM 1981, 179; 1983, 713 – Ablösungsvereinbarung für öffentlich-rechtl Stellplatzverpflichtung; BGHZ 26, 84; 94, 125, 127 – Ausnahme von einer Bausperre; BGH NJW 1975, 1019; BVerwGE 73, 1895 – Folgekostenverträge im Zusammenhang mit einem Bauplanungs- oder Baugenehmigungsverfahren; BGHZ 94, 125, 129, 131 – Verknüpfung von steuerlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung mit der Sicherung künftiger Steueransprüche). Auch darf die Verwaltung sich nicht im Hinblick auf Leistungen eines Bürgers – etwa die Übereignung von Grundstücken – zu bestimmten bauplanungsrechtl Maßnahmen – etwa Aufstellung eines Bebauungsplans (vgl § 1 III 2 BauGB) – für andere Grundstücke verpflichten. Bei dem erwähnten Koppelungsverbot des § 1 III 2 BauGB liegt § 138 I neben § 134 vor (BGH ZfIR 2016, 69 Rn 10 und 208, 316 Rn 9). Allerdings entfällt der Verstoß, wenn der Vertrag nicht der Begründung einer Verpflichtung zur Aufstellung eines Bebauungsplans, sondern dazu dient, die Verwertung der im Fall der Aufstellung und Genehmigung des Bebauungsplans entstehenden Baugrundstücke vorzubereiten (BGH ZfIR 1998, 726; 2016, 69 Rn 11). Abreden in einem mit einer Gemeinde geschlossenen Pachtvertrag verstoßen ebenfalls gegen die guten Sitten, wenn sie auf eine unzulässige Ausweitung der Steuerpflicht hinauslaufen (BGHZ 66, 201). Nicht sittenwidrig ist ein von einer Gemeinde bei Veräußerung eines Grundstücks verlangter Rücktrittsvorbehalt für den Fall, dass das Grundstück nicht in einem bestimmten Sinne genutzt wird (BGH WM 1984, 1252), oder die Verpflichtung, sich bei einem Bauvorhaben an einen noch nicht bestandskräftigen Bebauungsplan zu halten (BGH NJW 1985, 1892f). P Scheckverkehr. Die zum Zwecke der „Scheckreiterei“ getroffene Vereinbarung, Schecks zur Kreditbeschaffung auszutauschen, und die darauf beruhenden jew abstrakten Scheckbegebungsverträge sind idR sittenwidrig 446
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§ 138
(BGH WM 1961, 1381; 1969, 334; 1970, 663; BGHZ 121, 279). Ferner kann im Einzelfall – etwa bei kollusivem Zusammenwirken der Vertragschließenden zum Nachteil eines Dritten – der Scheckbegebungsvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein (Hamm NJW-RR 1998, 628). Die Nichtigkeit eines Darlehensvertrags berührt grds die Wirksamkeit eines im Zusammenhang mit der Darlehenshingabe – etwa zur Sicherung der Rückzahlung – abgeschlossenen Scheckbegebungsvertrags nicht ohne weiteres; anderes gilt bei einem wucherischen Darlehensvertrag (BGH NJW 1990, 384). IdR nicht sittenwidrig, sondern nur anfechtbar ist der Scheckbegebungsvertrag zw einem betrogenen Kunden und einer betrügerischen Anlagegesellschaft (Hamm NJW-RR 1998, 337). Nur wenn gerade in der Begebung eines Schecks auch der Vollzug einer betrügerischen Wertverschiebung liegt, erfasst die Sittenwidrigkeit auch den Begebungsvertrag (LG München WM 1996, 1982). P Schiedsverträge. Schiedsverträge sind zwar Prozessverträge. Sie unterliegen aber dennoch materiellrechtl Gültigkeitsschranken, darunter auch der Schranke des § 138 (BGHZ 180, 221 Rn 17). Nach ihrem Inhalt zielen sie darauf, den Zugang zu den staatlichen Gerichten einzuschränken. Solche Beschränkungen sind – im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip – ungeachtet der Vertragsfreiheit nur zulässig, wenn ein effektiver Rechtsschutz durch die Verweisung auf das Schiedsgericht nur in seiner Ausgestaltung, aber nicht in seiner Substanz abbedungen wird (BGHZ 180, 221 Rn 18). Das bedeutet etwa, dass eine Schiedsklausel für Beschlussmängelklagen bestimmten Mindestanforderungen etwa an die Bestellung des Schiedsgerichts genügen muss (BGHZ 180, 221 Rn 20; Köln 4.1.2021 – 19 SchH 37/20, juris Rn 24f). Dagegen wird der Rechtsschutz durch eine Schiedsklausel nicht substantiell eingeschränkt, wenn ein Abhilfeverfahren innerhalb einer Frist von zwei Wochen eingeleitet werden muss (BGH ZIP 2015, 2019 Rn 28). Gegen eine Regelung, dass Zustellungen durch Einschreiben mit Rückschein zu erfolgen haben, ist schon deshalb nichts einzuwenden, weil vergleichbare Regelungen auch bei staatlichen Gerichten gelten (BGH ZIP 2015, 2019 Rn 36). Die Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Ausschließungsklage kann auf ein Schiedsgericht übertragen werden (BGH NZG 2022, 218 Rn 19). Die Nichtigkeit wegen Verfehlens der Mindestanforderungen muss nicht zur Nichtigkeit der Klausel insg führen. Vielmehr ist zu prüfen, ob sie iÜ aufrechterhalten werden kann (BGH ZIP 2022, 125 Rn 42). P Schneeballsystem. Auf dem Schneeballsystem aufbauende Vertriebsverträge verstoßen wegen der Irreführung über die Gewinn- und Absatzaussichten gegen die guten Sitten (BGH WM 1978, 877; Köln BB 1971, 1210; München NJW 1986, 1880; vgl auch § 4 Nr 5 und 6 UWG; aus der Zeit vor Neufassung des UWG BGH NJW 1994, 1344, 1346f zum Schneeballsystem beim Vertrieb von Time-sharing-Verträgen sowie BGH NJW 1998, 390 zu § 6c UWG aF – Unternehmer-Life-Spiel). Wegen ihrer Sozialschädlichkeit sind Verträge über die mit einem Geldbeitrag, nicht jedoch mit einem Waren- oder Leistungsaustausch verbundene Teilnahme an einem nach dem Schneeballsystem angelegten Gewinnspiel ebenfalls sittenwidrig, weil nach der Grundkonzeption derartiger Spielsysteme die Masse der späteren Teilnehmer keinen Gewinn erzielen kann, sondern sogar den Einsatz zu verlieren droht und weil das Spielsystem damit auf den Vorteil weniger Teilnehmer zulasten vieler anderer in ihrer Unerfahrenheit, Leichtgläubigkeit, Spiellust und finanziellen Begehrlichkeit ausgerichtet ist (BGH NJW 1997, 2314 – World-trading-System; Celle NJW 1996, 2660 – Life-Spiel; vgl auch: LG Düsseldorf NJW-RR 1997, 306 – Take-Off-Spiel; LG Gießen NJW-RR 1996, 796f; LG Hamburg NJW-RR 1996, 796; LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 1998, 1519; LG Karlsruhe NJW-RR 2007 – thailändisches Share-Spiel). Sittenwidrig ist insb die Teilnahme an nach dem Schneeballsystem aufgebauten „Schenkkreisen“, die in den letzten Jahren vielfach die Rspr beschäftigt haben (BGH NJW 2006, 45, 46 m Bspr Lorenz LMK 2006, 164413 unter eingängiger Darstellung des Systems und K. Schmidt JuS 2006, 265; 2008, 1942; BGH NJW 2012, 3366, 3367; Köln NJW 2005, 3290 und NJW 2006, 3288; LG Freiburg NJW-RR 2005, 491). Dies gilt auch dann, wenn die Teilnehmer über die Abwicklung des Spiels vorab informiert werden (München NJW-RR 2009, 1648, 1649). Der BGH wendet in diesen Fällen – anders als noch Köln NJW 2005, 3290 – auch die Kondiktionssperre des § 817 S 2 nicht an. Dem ist zu folgen (ebenso ua: Köln NJW 2006, 3288; Lorenz aaO und Möller NJW 2006, 268; dagegen Armgardt NJW 2006, 2070). – Nicht ohne weiteres sittenwidrig sind Verträge, mit denen die Teilnahme an einem Spiel im Schneeballsystem vermittelt und kreditiert wird; jedoch steht dem Darlehensanspruch uU § 242 entgegen (LG NürnbergFürth NJW-RR 1998, 1519). Nicht nichtig sind ferner (stille) Gesellschaften der Organisatoren eines Schnellballsystems mit Kleinanlegern; sie lösen nur Kündigungsrechte und Schadensersatzansprüche der Kleinanleger aus (BGH ZIP 2005, 753, 756f; KG Berlin 6.3.2020 – 14 U 111/19, juris Rn 29). P Schuldbeitritt. S zur Sittenwidrigkeit des Schuldbeitritts naher Angehöriger in Anlehnung an die Rspr zum Bürgschaftsrecht Vor § 414 Rn 23. P Schweigevertrag. Ein Schweigevertrag, zB die Verpflichtung zu einer Geldleistung für das Unterlassen einer Strafanzeige, ist dann nicht sittenwidrig, wenn die Geldleistung eine Wiedergutmachung für den aus der nicht angezeigten Straftat entstandenen Schaden darstellt (vgl auch BGH NJW 1957, 598, 1796; 1991, 1046). Bei sachwidriger Koppelung des Verzichts auf eine Anzeige, eine Selbstanzeige beim Finanzamt bei Steuerverkürzung oder auf eine ähnl Maßnahme mit einer geldwerten Gegenleistung ist der Vertrag hingegen nichtig, weil er den Verzicht auf eine Anzeige und damit zugleich die Verhinderung oder Erschwerung einer Sanktion für ein Fehlverhalten sittenwidrig kommerzialisiert; vielfach wird auch eine psychische Zwangslage oder eine persönliche Verstrickung des eigenen Vorteils ausgenutzt (vgl RGZ 58, 205; BGH NJW 1991, 1046 – Verzicht auf Strafanzeige; BAG NJW 1968, 1647f und Nürnberg NJW-RR 2001, 1587 – Verzicht auf Offenlegung einer Steuerhinterziehung). P Rechtsgeschäfte mit sexuellem Bezug. Bei der Beurteilung von Rechtsgeschäften mit sexuellem Bezug wird die Wandelbarkeit der Sittenordnung besonders deutlich. Die heute noch anerkannt besonders sozialschädlichen Schmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
Rechtsgeschäfte aus diesem Bereich sind vielfach schon durch das Jugendschutzrecht, das Strafrecht und auch das Ordnungswidrigkeitenrecht verboten und daher gem § 134 nichtig. Über diese Bestimmungen geht § 138 vor allem dadurch hinaus, dass er auch nicht durch Gesetz verbotene Rechtsgeschäfte erfasst, die mit der Menschenwürde als Grundwert der Verfassung (Art 1 I GG) und damit als Bestandteil der Sittenordnung nicht vereinbar sind. Wegen Unvereinbarkeit mit der Menschenwürde sittenwidrig sind alle Rechtsgeschäfte, die zu sexuellen Handlungen (zum Begriff vgl auch § 184h StGB) ggü anderen verpflichten oder solche sexuellen Handlungen belohnen. Eine etwaige Bereitschaft zu einem sexuellen Verhalten muss stets unabhängig von einer Gegenleistung oder einer Belohnung und jederzeit widerrufbar sein, darf also nicht rechtl verpflichtend sein. Zuwendungen an Geschlechtspartner unter Lebenden oder von Todes wegen werden aber von § 138 nur dann erfasst, wenn die Förderung oder Belohnung der geschlechtlichen Hingabe ihre prägende Zweckbestimmung ist (vgl BGH NJW 1984, 2150; für Zuwendungen von Todes wegen BGHZ 53, 346; BGH NJW 1973, 1646; 1983, 675; vgl zum „Geliebtentestament“ im Erbrecht auch Vor § 2064 Rn 15). Gegen die Menschenwürde verstößt besonders eine entgeltliche, das Sexualverhalten kommerzialisierende Verpflichtung zum Geschlechtsverkehr sowie eine rechtsgeschäftliche Belohnung von Geschlechtsverkehr (BGHZ 67, 119, 122; BGH AP Nr 35; Düsseldorf NJW 1970, 1852). Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG) v 20.12.2001 (BGBl I 3983) hat die dargestellte Rechtslage nicht grds verändert (str; wie hier BGH NStZ 2015, 699 Rn 5; Schleswig NJW 2005, 225, 227; Kurz GewA 2002, 142, 143f; Medicus AT Rn 701; Grü/Ellenberger Rn 52 und § 1 ProstG Rn 2; aM – einseitig verpflichtender Vertrag: BeckOK/Wendtland § 1 ProstG Rn 4; MüKo/Armbrüster § 1 ProstG Rn 12; Bergmann JR 2003, 270ff; Dehner NJW 2002, 3747, 3748; Rautenberg NJW 2002, 650, 651; nach dieser Auffassung ist § 138 nur bei Hinzutreten weiterer anstößiger Umstände anzuwenden, vgl MüKo/Armbrüster aaO Rn 34). Zwar begründet nach § 1 S 1 ProstG die Vereinbarung, wenn sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden sind, eine rechtswirksame Forderung auf das vereinbarte Entgelt. Dasselbe gilt nach § 1 S 2 ProstG, wenn sich eine Person, insb im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung sexueller Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeit bereitgehalten hat. Das nimmt einer dahingehenden Vereinbarung als ganzer, zu der auch die Verpflichtung zur Vornahme einer sexuellen Handlung oder zum Bereithalten für sexuelle Handlungen gehört und die als Einheit bewertet werden muss, aber auch im Hinblick auf § 26 I und II ProstSchG (Ausgestaltung sexueller Dienstleistung allein zw Prostituierten und Kunden [Abs I] und Weisungsverbot an den Bordellbetreiber [Abs II]) nicht von Anfang an den Makel der Sittenwidrigkeit (BGH NStZ 2011, 278 Rn 4; BGHSt 61, 149 Rn 23). Erst der tatsächliche Vollzug der Vereinbarung durch die Vornahme der sexuellen Handlung oder das Bereithalten für solche Handlungen führt zum sozialen Schutz der Person, die ihre Leistung erbracht hat, insb zu einem rechtswirksamen Anspruch auf Entgelt (nachträgl Teilwirksamkeit der Vereinbarung ab Vollzug kraft besonderer gesetzl Regelung); insoweit ist die Nichtigkeitswirkung von § 138 eingeschränkt. Hingegen entstehen, weil die Grundvereinbarung als Ganze sittenwidrig und damit unwirksam bleibt, auch durch den Vollzug keine vertragl Pflichten der tatsächlich leistenden Person (etwa wegen nicht vertragsgemäßer Leistung); das zeigt sich auch in dem weitgehenden Ausschluss von Einwendungen gegen den Anspruch auf Entgelt durch § 2 ProstG. Auch ein Rechtsgeschäft, das eine öffentliche Darbietung von Geschlechtsverkehr zum Gegenstand hat, ist menschenunwürdig und damit sittenwidrig (BAG NJW 1979, 1958; BVerwG NJW 1982, 776; NVwZ 1990, 668; Staudinger/Fischinger Rn 722; aM für die Rechtslage nach Inkrafttreten des ProstG MüKo/Armbrüster § 1 ProstG Rn 34f mwN). Dasselbe gilt für jede vertragl Regelung anderer sexueller Handlungen, die über eine reine Schaustellung („Striptease“) hinausgehen. Sittenwidrig sind sowohl die Rechtsgeschäfte zw den Anbietern und Empfängern sexueller Dienstleistungen persönlich (Bsp: Vertrag Prostituierte/Freier), als auch die Verträge der einen oder anderen Seite mit entspr „Unternehmern“ (Bsp: Verträge Prostituierte/Bordellbetreiber – vgl für einen „Sauna-Club“ LAG Hessen NZA 1998, 221 – Bordellbetreiber/Freier). Nichtig ist auch ein Rechtsgeschäft, in dem einer Prostituierten eine Gegenleistung dafür versprochen wird, dass sie sich von dem Bordellbetreiber „freikauft“, um ausschließlich dem Kunden sexuell zur Verfügung zu stehen (Köln NJW-RR 1998, 1518; vgl auch Düsseldorf NJW-RR 1998, 1517). Wirksam soll allerdings das Verfügungsgeschäft über Dirnenlohn sein (BGHSt 6, 379; Düsseldorf NJW 1970, 1852). Verträge über eine sog Peep-Show wurden traditionell als sittenwidrig angesehen (BVerwG NJW 1982, 664f; 1982, 665f; NVwZ 1990, 668f; NJW 1996, 1423ff; VGH Mannheim NVwZ 1992, 76). Daran wird man im Hinblick auf das ProstG nicht mehr festhalten können (MüKo/Armbrüster § 1 ProstG Rn 44; Staudinger/Fischinger Rn 722; Grü/Ellenberger Rn 52a). Verträge über „Telefonsex“ zw einer Sex per Telekommunikation anbietenden Person und ihren Kunden werden nunmehr im Hinblick auf die Regelungen des ProstG vom BGH nicht mehr als sittenwidrig angesehen (BGH NJW 2008, 140, 141). Ebenso sind Verträge über Anzeigen, in denen sexuelle Dienste gegen Entgelt angeboten werden, heute nicht mehr ohne weiteres nach § 120 I Nr 2 OWiG iVm § 134 unwirksam (BGH NJW 2006, 3490, 3491f; anders noch BGHZ 118, 182, 185ff; vgl auch BGH NJW 1998, 2895). Für sich betrachtet neutrale Rechtsgeschäfte im Umfeld unsittlicher sexueller Dienstleistungen („Hilfsgeschäfte“; etwa Verträge über den Erwerb oder die Nutzung von Immobilien für einen Bordellbetrieb – BGHZ 63, 365, 367; BGH NJW-RR 1988, 1379; Karlsruhe ZMR 1990, 301; Miete von Räumen für Zwecke der Prostitution; handwerkliche Leistungen – BGH NJW-RR 1987, 999 – oder Lieferungen – BGH NJW-RR 1990, 750f – für Bordellbetrieb; Getränkeverzehr bei Bordellaufenthalt) sind nach heutigem Verständnis idR nicht sittenwidrig, wenn nicht besondere verwerfliche Umstände (etwa nach § 180a StGB verbotener Bordellbetrieb, vgl BGH NJW 448
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1987, 3209 und NJW-RR 1990, 750f; überhöhtes Entgelt, vgl BGHZ 63, 365, 367; 67, 119, 124f; BGH NJW 1970, 1179; WM 1974, 750; NJW-RR 1988, 1379; 1990, 750f; Düsseldorf NJW-RR 1991, 246; Hamm NJW 1975, 653f) hinzukommen. Zu beachten ist allerdings § 26 IV ProstSchG, wonach sich der Betreiber eines Prostitutionsgewerbes für die Vermietung von Räumen, für die Vermittlung einer Leistung oder für eine sonstige Leistung keine Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lassen darf, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder zu deren Vermittlung stehen. Solche Vereinbarungen wären sowohl nach § 134 als auch nach § 138 I nichtig. Verträge zur Herstellung oder Verbreitung pornographischer Schriften oder Darbietungen – etwa in Theater, Rundfunk, Fernsehen, Unterhaltungsveranstaltungen jeder Art – sind gesetzwidrig und idR auch sittenwidrig, soweit das Verhalten strafbar (§§ 184ff StGB) oder ordnungswidrig (vgl § 33a I, II Nr 2, § 144 GewO) ist. Bei fehlender Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit wird sich hingegen ein Sittenverstoß nur ausnahmsw unter besonderen Umständen feststellen lassen. Nicht sittenwidrig sind nach der Rspr unter der Voraussetzung der Straflosigkeit des Verhaltens hingegen: Verträge über Striptease-Darbietungen (BVerwG NVwZ 85, 826; NJW 1982, 664; NVwZ 1990, 668; BAG BB 1973, 291), Kaufverträge über pornographische Publikationen (BGH NJW 1981, 1439), Verträge über die Herstellung pornographischer Aufnahmen (Stuttgart NJW-RR 1987, 1435) und Verträge über die Vorführung pornographischer Filme (BGH NJW 1981, 1439; BVerwGE 71, 34; BVerwG NVwZ 1990, 668). P Sicherungsgeschäfte. Verträge, mit denen Schuldner ihren Gläubigern eine Sicherheit für deren Forderung versprechen oder gewähren (Sicherungsgeschäfte) – das sind neben der an anderer Stelle erörterten Bürgschaft, dem Pfandrecht und den Grundpfandrechten (hierzu BGH NJW 2002, 2633 – keine Übertragung der zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft entwickelten Grundsätze) vor allem Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung von Rechten oder Forderungen, verlängerter Eigentumsvorbehalt, treuhänderische Verwaltung im Gläubigerinteresse –, sind grds nicht zu beanstanden. Sie können vor allem in folgenden Fallgruppen sittenwidrig sein: Der Umfang der dem Gläubiger versprochenen oder verschafften Sicherheit ist unangemessen (Übersicherung des Gläubigers). Das Sicherungsgeschäft belastet den Schuldner – bis zur Knebelung des Schuldners – unvertretbar stark. Das Sicherungsgeschäft greift in Sicherheiten anderer Gläubiger ein. Das Sicherungsgeschäft führt zu einer Täuschung oder unangemessenen Benachteiligung anderer Gläubiger, oder es verletzt die schützenswerten Interessen der Allgemeinheit, etwa durch Insolvenzverschleppung. Die Aspekte können sich überschneiden; ein Lebenssachverhalt lässt sich oft mehreren Fallgruppen zuordnen. Zur Übersicherung s in Bezug auf die Sicherungsabtretung § 398 Rn 38 und bei der Sicherungsübereignung Anh § 931 Rn 29. Die Sittenwidrigkeit wegen anfänglicher Übersicherung setzt eine verwerfliche Gesinnung voraus, für die keine tatsächliche Vermutung besteht (BGH NJW-RR 2010, 1529 Rn 12f; Köln 25.6.2020 – 13 U 65/19, juris Rn 42). Weder die Sicherungsübereignung eines vollständigen Warenlagers (RGZ 132, 187; BGH NJW 1962, 102) oder des gesamten Maschinenparks (BGH NJW 1956, 585) oder der gesamten Wohnungseinrichtung (BGH WM 1961, 244; Bamberg MDR 1981, 50; Wacke JZ 1987, 382) noch die Abtretung aller pfändbaren Gehaltsforderungen (BGH DB 1976, 383; zu Einschränkungen nach AGB-Recht vgl BGH NJW-RR 2005, 1408) oder sämtlicher (auch künftiger) Forderungen eines Unternehmens (Globalzession; BGH WM 2000, 1689, 1692; Köln NJOZ 2002, 2213) ist von vornherein sittenwidrig. Ein Sicherungsgeschäft kann aber deshalb gegen die guten Sitten verstoßen, weil der Schuldner in seiner wirtschaftl Bewegungsfreiheit und zugleich in seinem Selbstbestimmungsrecht unangemessen eingeschränkt wird. Dies kommt vor allem in Betracht, wenn das Sicherungsgeschäft durch Umfang und Ausgestaltung der Sicherheit und durch etwaige Begleitregelungen dem Schuldner (fast) jeden Spielraum für sein wirtschaftl Verhalten nimmt und ihn gewissermaßen zum Werkzeug des Gläubigers oder eines Dritten macht („Knebelung“; vgl etwa BGHZ 19, 12, 18; 26, 190; 44, 158, 161; 83, 313, 316; BGH NJW 1967, 1043; 1993, 1587; 138, 291; Hamm WM 1985, 842; NJW-RR 1988, 117). Daran ist zu denken, wenn bei einem Unternehmer das Sicherungsgeschäft praktisch das gesamte pfändbare Vermögen erfasst (vgl RGZ 136, 247; BGHZ 19, 12, 18; BGH NJW 1956, 337; 1967, 1043) und/oder die wichtigen unternehmenspolitischen Entscheidungen, etwa über Produktionsprogramm und -methoden, Finanzierung, Marktstrategien, Investitionen, Rationalisierungsmaßnahmen, im Innenverhältnis mehr oder minder dem Sicherungsnehmer oder einem Dritten, zB einem Treuhänder (vgl BGHZ 44, 158), überantwortet werden, wenn also freie Selbstbestimmung durch Fremdbestimmung ersetzt wird. Eine ähnl knebelnde Wirkung können dichte Kontrollmaßnahmen (etwa eine umfassende Pflicht zur ständigen Vorlage aller Bücher, Hamm BB 1970, 374), weitgehende Verpflichtungen zur Abstimmung des unternehmerischen Verhaltens mit dem Gläubiger oder Dritten oder die Bindung unternehmerischer Entscheidungen an die Interessen Dritter haben. Eine Knebelung kommt auch in Betracht, wenn eine GmbH einen Kredit für ihre Muttergesellschaft besichert und danach nicht mehr genügend freies Vermögen hat, um ihre eigenen Gläubiger zu befriedigen (BGHZ 138, 291). Gegen eine Knebelung spricht es, wenn dem Schuldner für die zur Sicherung übertragenen Forderungen die Einziehungsbefugnis verbleibt (BGHZ 138, 291, 303; BGH WM 2000, 1689, 1692). Ob die Voraussetzungen einer (knebelnden und daher) sittenwidrigen Beeinträchtigung der Schuldnerinteressen erfüllt sind, lässt sich letztlich nur im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände entscheiden. Für die legitime Wahrnehmung der Sicherungsinteressen des Gläubigers muss Spielraum bleiben. Ein nach § 138 aufzulösender Konflikt zw der Sicherung eines Gläubigers und den Sicherungsrechten anderer Gläubiger kommt in Betracht, wenn für Kundenforderungen des Schuldners etwa zugunsten des Waren- oder Schmidt-Räntsch
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Materiallieferanten ein sog verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart ist und sich ein anderer Gläubiger alle Forderungen des Schuldners, also auch die vom verlängerten Eigentumsvorbehalt erfassten, global zur Sicherung abtreten lässt. Eine Globalzession ohne Rücksicht auf einen verlängerten Eigentumsvorbehalt ist nach der Rspr sittenwidrig (BGHZ 30, 149, 152; 32, 367; 55, 34, 35; 72, 308, 310; 82, 50; 98, 303, 314f; NJW 1968, 1516; 1969, 318; 1971, 372; 1974, 942; 1977, 2261; 1979, 365; 1983, 2502, 2504; 1991, 2144; 1995, 1668, 1669; 1997, 651; 1998, 2047; 1999, 940; 1999, 2588, 2589; aM – striktes Festhalten an der zeitl Priorität – Baur § 59 Rn 55). Der Schuldner darf über Waren oder Material regelmäßig nur verfügen, wenn zugunsten des Lieferanten an die Stelle des vorbehaltenen Eigentums an den gelieferten Sachen die entspr Kundenforderungen treten. Eine Globalzession, die solche Forderungen einschließt, erzwingt oder bewirkt einen Vertragsbruch des Schuldners ggü seinem Lieferanten; das ist mit den guten Sitten nicht vereinbar (krit zu diesem Ansatz etwa Medicus AT Rn 699; er will eher auf den Gesichtspunkt der Schuldnerknebelung abstellen). Eine lediglich schuldrechtl Teilverzichtsklausel, dh die Einräumung eines schuldrechtl Anspruchs des Vorbehaltsverkäufers gegen den Zessionar, vermag der Globalabtretung nicht den Makel der Sittenwidrigkeit zu nehmen; erforderlich ist vielmehr eine sog dingliche Teilverzichtsklausel, die die von einem verlängerten Eigentumsvorbehalt erfassten (zukünftigen) Forderungen von vornherein von der Globalzession ausnimmt (BGHZ 72, 308, 310ff; 98, 303, 314; 109, 240, 245; BGH NJW 1974, 942, 943; 1991, 2144, 2147; 1994, 445; 1995, 1668; 1999, 940; 1999, 2588, 2589; Düsseldorf 16.5.2013 – 14 U 96/12, juris Rn 30). Die Mitwirkung am Vertragsbruch als Element der Sittenwidrigkeit kann dem Gläubiger allerdings nur zugerechnet werden, wenn er die Drittverpflichtung des Schuldners kennt oder sich dieser Kenntnis vorwerfbar verschließt. Eine missbilligenswerte Gesinnung der Vertragsparteien ist dafür (entgegen BGHZ 32, 361, 366) nicht erforderlich. Kenntnis von den Umständen des Sittenverstoßes oder SichVerschließen vor dieser Kenntnis genügt (Soergel14/Baldringer Rn 35). Bedeutsam kann dafür sein, inwieweit ein verlängerter Eigentumsvorbehalt im Geschäftsbereich des Schuldners handelsüblich ist und daher von jedermann in Rechnung gestellt werden muss oder inwieweit er branchenüblich ist (BGHZ 30, 149, 151ff; 32, 361, 366; 55, 34, 35f; 98, 303, 314f; BGH WM 1991, 1273, 1277; NJW 1995, 1668; 1999, 2588, 2589). 149 Die Sittenwidrigkeit eines Sicherungsgeschäfts kann sich auch aus der Täuschung Dritter über die Kreditwürdigkeit des Schuldners ergeben. Sicherungsgeschäfte werden vielfach nicht nach außen sichtbar, solange das Kreditgeschäft ordnungsgemäß abgewickelt wird; das gilt insb für den (verlängerten) Eigentumsvorbehalt und die Sicherungsübereignung, zumeist aber auch für die Sicherungsabtretung. Das schließt – insb bei weitgehender Aushöhlung der Haftungsmasse durch das Sicherungsgeschäft – die Gefahr der Täuschung anderer Gläubiger über die (weitere) Kreditwürdigkeit des Schuldners ein. Das kann, je nach den Umständen des Einzelfalles, das Sicherungsgeschäft sittenwidrig machen (BGHZ 10, 228ff; 20, 43, 49f; BGH JZ 1951, 686f; WM 1958, 845f; NJW 1962, 102; 1984, 728f; 1995, 1668; 1993, 2041; 1998, 2592, 2595; Ganter WM 1998, 2045, 2048). Freilich werden Dritte in vielen Fällen nicht wirklich getäuscht, weil sie im Geschäftsalltag üblicherweise mit verdeckten Sicherungsgeschäften ihres Schuldners zu rechnen haben. Die Gläubigertäuschung muss aber nicht das festgestellte Ziel des Handelns gewesen sein. Zu einem Sittenverstoß wird man idR vielmehr kommen können, wenn das Sicherungsgeschäft insg so angelegt ist, dass Gläubiger und Schuldner zusammenwirken und die Irreführung anderer über die Kreditwürdigkeit des Schuldners nach dem Gesamtbild des Zusammenwirkens entweder bezweckt ist oder aber zumindest billigend in Kauf genommen wird (BGH LM § 138 [Cb] Nr 11; NJW 1995, 1668). Das wird sich positiv zwar nur in Ausnahmefällen feststellen lassen. Allerdings genügt es, wenn der Gläubiger die für erhebliche wirtschaftl Schwierigkeiten des Schuldners maßgebenden Umstände kennt und sich entgegen seiner deswegen bestehenden Prüfungspflicht über diese Erkenntnis grob fahrlässig hinwegsetzt; je größer und konkreter die Gefahr des Zusammenbruchs ist, desto sorgfältiger muss der Gläubiger die Auswirkungen auf das Vermögen und die Kreditwürdigkeit des Schuldners prüfen, von dem er sich umfassende Sicherheiten gewähren lässt (BGHZ 10, 228, 233f; 20, 43, 50f; BGH NJW 1956, 417; 1995, 1668; Brandenburg NJ 2005, 84; Köln WM 1997, 762; Koller JZ 1985, 1013, 1017f). Bei einem Sicherungsgeschäft im Rahmen einer Sanierung kann es für § 138 I genügen, dass der Sicherungsnehmer die Sanierungsaussichten nicht ausreichend – etwa durch einen Sachverständigen (auch eine behördliche Prüfung kann genügen, BGH MDR 1958, 599; vgl aber Neuhof NJW 1998, 3225, 3230) – untersuchen lässt (BGHZ 10, 234; 96, 231; BGH NJW 1955, 1273; KG ZIP 2016, 1451, 1453). Allerdings reicht es nicht aus, dass der Sicherungsnehmer den Sicherungsgeber (über längere Zeit hinweg) als „Sanierungsfall“ angesehen hat, ohne die tatsächliche Lage des Scherungsgebers in diesem Zeitraum, insb Anzeichen einer Besserung seiner wirtschaftl Lage, zu berücksichtigen. Das würde dazu führen, dass mit § 138 I die differenzierten Regelungen der Insolvenzanfechtung überspielt würden (BGHZ 210, 30 Rn 52f). 150 Einer über eine Gläubigertäuschung hinausgehenden Benachteiligung anderer Gläubiger durch ein Sicherungsgeschäft wirken zunächst die Bestimmungen über die Anfechtung solcher Geschäfte (InsO, AnfG) sowie gläubigerschützende Straftatbestände iVm § 134 entgegen. Sittenwidrigkeit kommt aber bei einem von Schädigungsvorsatz getragenen Verhalten in Betracht, das über den Schutzbereich dieser Regelungen hinausgeht (vgl BGHZ 56, 339, 355; 130, 314, 331; 138, 291, 299; BGH NJW-RR 1990, 142; NJW 1993, 2041f; 1993, 2041; NJWRR 2002, 1359; WM 2005, 610, 611; Koller JZ 1985, 1013). Das wäre etwa der Fall, wenn es dem planvollen und zielgerichteten Entzug von Vermögen bei Insolvenzreife der Schuldnerin dient und der Schuldner hierzu planmäßig mit eingeweihten Helfern zusammenwirkt, um sein wesentliches Vermögen dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen. Dazu gehören auch Rechtsgeschäfte, die Teil einer sog Firmenbestattung sind (BGH MDR 2018, 1019 Rn 38). Sittenwidrig kann ein Sicherungsgeschäft schließlich sein, weil es etwa zu einer Insolvenzverschleppung beiträgt und dadurch schützenswerte Interessen der Allgemeinheit verletzt; dies kommt vornehmlich in 450
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Betracht, wenn sich der Sicherungsnehmer um eigener Vorteile willen rücksichtslos über die Insolvenzreife/Konkursreife eines Unternehmens und damit zugleich über die mit der Fortführung des Geschäftsbetriebes verbundene Täuschung und/oder Gefährdung anderer Gläubiger hinwegsetzt (vgl aus der Zeit vor Inkrafttreten der InsO BGHZ 10, 228, 233f; 90, 381, 399; BGH NJW 1956, 417; 1995, 1668; WM 2005, 610, 611; KG ZIP 2016, 1451, 1453; Köln ZIP 1985, 1474). Zur subj Seite gilt das zur Gläubigertäuschung oben Gesagte entspr. Bei gleichzeitiger Verletzung von Insolvenzstrafrecht wird allerdings vielfach schon § 134 eingreifen. P Spielverträge. Spielverträge einer entspr dem dafür geltenden Recht betriebenen Spielbank mit einem Spieler sind im Grundsatz durch die Berufsausübungsfreiheit des Spielbankbetreibers gedeckt und schon deshalb idR nicht sittenwidrig (BVerfG NVwZ 2001, 790, 793; BGHZ 165, 276). Sittenwidrig sind aber Verträge über die Gewährung von größeren Darlehen für Spielzwecke, weil sie den Spieler in die Gefahr immer größerer Spielschulden bringen (BGH LM § 762 Nr 1; NJW 1992, 316; 1995, 1153, 1153; 131, 136). Auch die Begründung einer Wechselverpflichtung zur Absicherung der Darlehensschuld zw dem Spieler als Akzeptanten und der Spielbank als Ausstellerin verstößt trotz der abstrakten Natur der Wechselerklärungen wegen des mit ihr verfolgten Zwecks gegen die guten Sitten (BGH NJW 1992, 316). Dagegen sind ohne vorheriges Setzen eines Limits abgeschlossene Internet-Spielverträge nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig (BGH NJW 2008, 2026, 2027). P Sport. An den guten Sitten sind sowohl Verträge von Sportlern (meist Berufssportlern) mit ihren Vereinen sowie mit Dritten als auch die privatrechtl Regelungen der Vereine und der Dachorganisationen zu messen. So kommt die Anwendung von § 138 I iVm den Grundwertungen der Art 2, 12 GG als Teil der Sittenordnung in Betracht, wenn die persönliche und/oder berufliche Freiheit des Sportlers durch Regelungen von Dachorganisationen oder Vereinen übermäßig eingeengt wird. Bedenklich sind alle Regelungen des Sportbetriebs, in denen im Spannungsverhältnis zw Dachorganisation, Vereinen und Sportlern die schutzwürdigen Interessen einer beteiligten Gruppe oder Person nicht ausgewogen berücksichtigt, die Interessen anderer Gruppen also übergewichtet werden. Bei einer (faktischen) Monopolstellung im Sportbetrieb können schon die Regelungen über die Begründung einer Mitgliedschaft und/oder über die Teilnahme am Sportbetrieb wegen Monopolmissbrauchs und/oder die Anwendung dieser Regelungen mit den guten Sitten unvereinbar sein (LG Frankfurt SpuRt 2002, 155; AG Frankfurt SpuRt 1999, 36; LG München I NJW-RR 1993, 890). Sittenwidrig wegen übermäßiger Beschränkung der Berufsfreiheit ist insb eine Regelung, wonach beim Vereinswechsel eines Sportlers der frühere Verein vom neuen Verein auch dann eine Transferentschädigung verlangen kann, wenn im Zeitpunkt des Vertrags mit dem neuen Verein das Arbeitsverhältnis mit dem alten Verein bereits beendet, der Sportler also vertragslos ist (BAGE 84, 344, 354 für die Spielordnung des Deutschen Eishockeybundes; vgl auch BAGE 63, 232 zur Verhältnismäßigkeit der Regelung; ferner LAG Berlin NJW 1979, 2582 für das frühere DFB-Lizenzspielerstatut; LG Braunschweig SpuRt 2004, 69; ArbG Hanau NZA-RR 1998, 108 – zur Neufassung der Spielordnung des DFB; zu einer wirksamen Ablösevereinbarung: Düsseldorf NJW-RR 2001, 1633). Auch die in den Regelungen einer Verbandsordnung festgelegte Verpflichtung, bei einem Vereinswechsel eines Amateurs zu einem Proficlub eine Aus- und Weiterbildungsentschädigung zu zahlen, ist idR wegen Unvereinbarkeit mit den Grundwertungen von Art 12 I GG sittenwidrig und daher nichtig (eingehend BGHZ 142, 305 zu einer Regelung des Nds Fußballverbands für die Verpflichtung sog Vertragsamateure in der Regionalliga; BGH NJW 2000, 1028 zu Regelungen des Dt Eishockeybundes für die Verpflichtung eines Amateurs in der Bundesliga; vgl auch LG Stuttgart NJW-RR 2004, 929; LG Oldenburg SpuRt 2005, 72 und 164). Den Statuten der Vereine oder Dachorganisationen widersprechende finanzielle Zuwendungen – auch an NichtBerufssportler – sind in der Vergangenheit durchweg nicht als sittenwidrig beurteilt worden (vgl BAG NJW 1971, 855; Köln NJW 1971, 1367; Hamm NJW 1976, 331; Karlsruhe NJW 1978, 324; Düsseldorf NJW-RR 2001, 1633; abw Reuter NJW 1983, 650; vgl auch LAG Hamm NZA-RR 2000, 411 zu einem „Handgeld“ im Zusammenhang mit einem Vereinswechsel). Wegen eines übermäßigen Eingriffs in die Berufsfreiheit ist ein langfristiger Betreuervertrag sittenwidrig, der den Sportler in seinen Berufsentscheidungen weitgehend von einem Betreuer abhängig macht, der zudem weder fachkundig noch landeskundig ist (Frankfurt NJW-RR 1996, 1333). Sittenwidrig sind schließlich Vereinbarungen, in denen Vorteile, etwa finanzielle Zuwendungen, für die Nichtbeteiligung an einem Wettkampf, für eine sportliche Minderleistung oder für sonstiges unsportliches Verhalten versprochen oder gewährt werden (RGZ 138, 137, 141f; Rauste SpuRt 1998, 7; Flume AT § 18, 2, S 369; zur Wirksamkeit derartiger Abreden am Bsp des „Bundesligaskandals“ im Fußball Triffterer NJW 1975, 612 mwN). Dasselbe gilt für Verträge zw Sportlern und/oder ihren Vereinen, Trainern, Betreuern usw untereinander sowie mit Dritten, die auf eine Verfälschung der sportlichen Leistung mit unzulässigen Mitteln, etwa durch Doping, hinauslaufen (Derleder/Deppe JZ 1992, 117; Turner NJW 1992, 720; vgl auch Bach ZRP 2006, 239; Krähe SpuRt 2006, 194; Prokup SpuRt 2006, 192; Röwekamp ZRP 2006, 239). P Sport/Verbandsstrafenhaftung. Nicht gegen die guten Sitten verstößt die Verbandsstrafenhaftung des § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des Deutschen Fußball-Bundes. Sie sieht zwar eine verschuldensunabhängige Haftung der Fußballklubs für unsportliches Verhalten ihrer Anhänger, etwa den Einsatz von Pyrotechnik oä, während der Spiele vor. Diese Maßnahme hält sich aber vor dem Hintergrund des Ausmaßes der Störungen und des Umstands in einem angemessenen Rahmen, dass sich die Anhänger weniger von den staatlichen Normen als davon beeindrucken lassen, dass ihr Verein bestraft wird. Hinzu kommt eine Verantwortung der Vereine als Veranstalter der Spiele (Frankfurt MDR 2020, 1060). P Steuerhinterziehung. Ein zur Steuerhinterziehung geschlossener Vertrag ist jedenfalls sittenwidrig, wenn die Hinterziehung Hauptzweck des Vertrags ist (BGHZ 14, 31; BGH DNotZ 1969, 350; NJW 1983, 1843, 1844; 136, Schmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
125, 132; NJW 1998, 1864; Grü/Ellenberger Rn 44; weiter MüKo/Armbrüster Rn 63). Dabei wird sich die Nichtigkeit regelmäßig bereits aus § 134 ergeben. Ein Grundstückskaufvertrag verstößt nicht schon dann gegen die guten Sitten, wenn in der notariellen Urkunde ein unrichtiger Kaufpreis angegeben ist, um dadurch Steuern zu hinterziehen; Hauptzweck des Vertrags bleibt trotz der Steuerhinterziehung das eigentliche Grundstücksgeschäft (RGZ 107, 364; BGH NJW 1966, 589; Oldenburg MDR 2000, 877). Ein Vertrag, in dem zur Steuervermeidung die Erteilung einer Rechnung ausgeschlossen wird, ist wegen Nichtigkeit des Rechnungsausschlusses gem § 139 insg unwirksam (BGH LM § 134 Nr 57; NJW-RR 2008, 1050; Hamm NJW-RR 1997, 722; aM BGH NJW-RR 2001, 380). P Straftat. Zur Vorbereitung, Durchführung oder Ausnutzung einer Straftat geschlossene Geschäfte können bereits nach § 134 nichtig sein. Darüber hinaus ist ein Rechtsgeschäft wegen Sittenverstoßes nichtig, wenn das Geschäft die Begehung einer Straftat zum Gegenstand hat (BGH NJW 1992, 2027) oder wenn ein Vertragspartner in Kenntnis der zur Strafbarkeit führenden Umstände das vom Gegner mit dem Geschäft verfolgte strafbare Verhalten fördert oder zum eigenen Vorteil ausnutzt; dies gilt auch dann, wenn der Vertragspartner selbst dadurch nicht zum Teilnehmer der strafbaren Handlung wird (BGH DB 71, 39 und NJW-RR 1990, 1522 – Vorbereitung oder Verwirklichung eines Betruges; NJW-RR 1990, 750 – Darlehen für ein nach § 180a StGB strafbares Bordell; NJW 1992, 310 – Verkauf von Diebesgut; Frankfurt NJW-RR 2001, 1634; vgl auch BGH WM 1990, 1324). Geschäfte, die selbst weder eine Straftat zum Gegenstand haben noch auf die Förderung einer Straftat oder die Nutzung ihrer Vorteile abzielen, sind hingegen durchweg nicht sittenwidrig. Das gilt für den Verkauf von Sachen, die der Käufer bei einer strafbaren Handlung verwenden will, idR auch dann, wenn der Verkäufer von der beabsichtigten Verwendung weiß (BGH NJW 1992, 310; RG JW 1931, 928; Hamm GRUR 1988, 564) oder (BGH NJW 1955, 586) später erfährt (vgl zur Abgrenzung auch Nürnberg NZV 1997, 124 und Rn 132 aE). Eine Grundschuldbestellung ist wirksam, wenn der Sicherungsgläubiger im Zeitpunkt der Eintragung weiß, dass das Grundstück mit auf strafbare Weise erlangten Mitteln im Wege der Ersatzhehlerei erworben ist (BGH NJW 1955, 586; aA MüKo/Armbrüster Rn 61). Nicht ohne weiteres sittenwidrig sind Verträge, mit denen ein Teil Geldstrafen für den anderen Teil übernimmt (Kapp NJW 1992, 2797; vgl auch BGHZ 1991, 990, 992). Ein Schuldanerkenntnis eines Arbeitnehmers ggü seinem Arbeitgeber über seine Pflicht, den aus einer strafbaren Handlung entstandenen Schaden zu ersetzen, ist nicht grds sittenwidrig, sofern es nur eine hinreichend abgesicherte Ersatzpflicht bestätigt und nicht unter anstößigen Umständen zustande gekommen ist (LAG Hamm NZA-RR 2002, 654 L; LAG Thüringen NZA-RR 1999, 399). P Tankstellenvertrag. Ein Tankstellenvertrag kann sittenwidrig sein, wenn einer langfristigen Bindung des Betreibers der Tankstelle keine vertragl Pflicht des anderen Teils zu hinreichenden Gegenleistungen – etwa Bereitstellung von Kapital für Ausbau und Betrieb der Tankstelle – als Ausgleich gegenübersteht. Eine fünfjährige Bindung ist idR unbedenklich, auch eine 15-jährige Bindung kann noch hinnehmbar sein (BGHZ 52, 171, 176, 181; BGH NJW 1998, 156, 159f – Tankstellenvertrag mit 15-jähriger ausschließlicher Bezugsbindung in einem der neuen Bundesländer; vgl aber auch BGHZ 83, 313, 318f zu einer Regelung für einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren). Eine Bindung des Tankstellenbetreibers für 10 Jahre oder mehr entspricht aber nach dem heutigen Stand nur noch dann den guten Sitten, wenn der Lieferant seinerseits für die Tankstelle Leistungen erbracht oder übernommen hat, die der vereinbarten Bindungsdauer gleichgewichtig gegenüberstehen (BGHZ 143, 103; BGH NJW-RR 2006, 615f). Eine übermäßig lange Laufzeit kann auf ein noch hinnehmbares Maß verkürzt werden. Die zur Sittenwidrigkeit von Bier- und Getränkebezugsverträgen aufgestellten Grundsätze (Rn 86) lassen sich für Tankstellenverträge entspr heranziehen. P Telekommunikation. Nicht als sittenwidrig bewertet wurde eine vertragl Verpflichtung des Netzbetreibers, einem Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen Rufnummernblöcke mit fiktiven Auslandsnummern zur Verfügung zu stellen (München NJW 2004, 78). Bedenklich sind hingegen allzu lange Vertragslaufzeiten, etwa für die Nutzung von Grundstücken zur Errichtung und zum Betrieb von Hausverteilungsanlagen bzw Breitbandkommunikationsanlagen oder von Wartungsverträgen für Fernmeldeanlagen (BGH NJW 2003, 886; KG NJOZ 2002, 2309 – beide zu § 9 AGBG aF). P Termingeschäfte. Termingeschäfte können ähnl wie Spiel und Wette nach ihrem Inhalt sittenwidrig sein. Dafür bieten allerdings weder der spekulative Charakter an sich noch eine auffällige Abweichung vom Vergleichswert überzeugende Abgrenzungskriterien. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber mit § 99 S 1 WpHG für solche Verträge den Spieleinwand ausgeschlossen hat, um eine sichere Rechtsgrundlage hierfür zu schaffen. Daraus hat der BGH die überzeugende Schlussfolgerung gezogen, dass Termingeschäfte nur sittenwidrig sind, wenn sie darauf angelegt sind, den Vertragspartner der Bank chancenlos zu stellen (BGHZ 205, 117 Rn 70). P Handel mit Terrororganisationen. Der Handel mit einer Terrororganisation ist als sittenwidrig einzustufen, weil hiermit der Terrorismus unterstützt wird. Für die Einstufung einer Gruppierung oder eines Unternehmens als Terrororganisation sind in erster Linie die internationalen oder unionsrechtl Vorschriften über entspr Handelsbeschränkungen maßgeblich. Ist ein Unternehmen oder eine Person in diesen Vorschriften nicht als Terrororganisation gelistet, ist sie im Zweifel nicht als Terrororganisation anzusehen (LG Frankfurt/M 13.3.2020 – 27 O 425/18, juris Rn 45). P Timesharing. Die Wirksamkeit eines Timesharing-Vertrags (Vertrag über ein zeitl begrenztes Nutzungsrecht an einem Gebäude oder Gebäudeteil, in der Praxis vor allem an einer Ferienwohnung) ist in erster Linie nach den §§ 481ff zu beurteilen. Bei § 138 sind für die Ausfüllung des Begriffs der Sittenwidrigkeit die Wertungen des 452
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Teilzeitwohnungsrechts und der zugrundeliegenden EG-RL zu beachten. Sittenwidrigkeit kommt vornehmlich in Betracht bei einem auffälligen oder besonders groben Missverhältnis zw finanzieller Gesamtverpflichtung und Gegenleistung (BGHZ 125, 218; Düsseldorf NZM 1998, 43; Frankfurt NZM 1999, 383; Köln NJW 1995, 1333; ZMR 1996, 606; LG Berlin NJW-RR 1995, 754; LG Darmstadt VuR 1996, 342; einschränkend Köln NJWRR 1994, 144). Aber auch zB die Vertriebsmethoden sowie die Umstände bei der Gewinnung von Interessenten (Bsp: LG Hanau NJW-RR 2001, 1500), unklare und/oder undurchsichtige Regelungen der Rechte und Pflichten (Bsp: Dresden NZM 2000, 207; dazu Eckert ZfIR 2000, 621; Winkler NJ 2000, 379), fehlende dingliche Absicherung sowie unangemessene Beschränkungen von Veräußerungs-, Kündigungs- oder Austrittsmöglichkeiten können dem Vertrag einen sittenwidrigen Gesamtcharakter geben (BGHZ 125, 218; Köln aaO; weitere Bsp: LG Dortmund VuR 1996, 208; AG Hamburg VuR 1994, 19; 1996, 347; LG Hamburg NJW-RR 1995, 1078; VuR 1995, 338; LG Kleve VuR 1993, 49; LG Leipzig NZM 1999, 725; LG Lübeck VuR 1996, 127; s auch Düsseldorf NJW-RR 1993, 1533). P Treuhandverträge. Treuhandverträge sind nicht schon wegen der mit ihnen verbundenen Durchbrechung des Offenkundigkeitsprinzips nichtig (RGZ 160, 57; RG Gruch 54, 167). Sie können aber wegen einer zu weitgehenden sachlichen und/oder zeitl Bindung sittenwidrig sein (BGHZ 44, 158, 161f; BGH MDR 1966, 101 m Anm Wiedemann – Treuhand für Gesellschaftsanteil auf Lebenszeit). P Überforderung des Schuldners. Ein Rechtsgeschäft ist nicht deshalb von vornherein sittenwidrig, weil es den Schuldner bis an die äußerste Grenze seiner Leistungskraft bindet oder diese Grenze gar überschreitet (vgl zB BGHZ 107, 92; BGH NJW 1989, 1665; 1991, 2015; 1995, 592; 1996, 1274; vgl auch Medicus AT Rn 706c). Die Vertragsfreiheit schließt grds die Möglichkeit ein, dass der Verpflichtete ein Geschäft nicht oder nur schwer oder nur unter günstigen Umständen erfüllen kann; der Verpflichtete hat im Rahmen der Vertragsfreiheit zunächst selbst seine Leistungsfähigkeit zu prüfen und zu entscheiden, welches Risiko er eingehen und ob er sich so weitgehend verpflichten will. Freilich darf der Gläubiger im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss die missliche Lage des ihm in der Vertragsverhandlung unterlegenen Schuldners nicht in anstößiger Weise herbeiführen, fördern oder ausnutzen; insb darf er sich nicht über naheliegende Bedenken gegen das Leistungsvermögen des Schuldners vorsätzlich oder leichtfertig hinwegsetzen; sonst greift § 138 I ein. P Unlauterer Wettbewerb. Eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zu einem als unlauterer Wettbewerb iSv §§ 1ff UWG unzulässigen Verhalten ist vielfach – wenn nicht schon nach § 134 – jedenfalls nach § 138 I nichtig, weil Inhalt und Zweckrichtung mit den guten Sitten unvereinbar sind (BGHZ 110, 156, 177; Stuttgart NJWRR 1997, 236f – für Verstoß gegen § 8 UWG aF; München NJW-RR 2006, 768 – für einen auf getarnte Werbung gerichteten Vertrag; LG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1544 – für einen auf unlauter versteckte Werbung gerichteten Vertrag; Staudinger/Fischinger Rn 124). Durch unlauteren Wettbewerb zustande gekommene Rechtsgeschäfte sind dagegen nicht ohne weiteres sittenwidrig, weil die Schutzbereiche der §§ 1ff UWG (Schutz der Lauterkeit bei wettbewerblichem Handeln; vgl Beater JZ 1997, 916) und des § 138 (Vereinbarkeit des Rechtsgeschäfts mit den guten Sitten) sich nicht zwangsläufig decken; vielmehr müssen zusätzl sittenwidrige Umstände hinzukommen (hM, vgl BGHZ 110, 156, 174; dazu Mayer-Maly AcP 194, 105, 138; BGH NJW-RR 1995, 240; Körner WRP 1979, 774, 775; Sack NJW 1974, 564f; Sack WRP 1985, 1, 4; Schockenhoff NJW 1995, 500). Ob – bei neutralem Inhalt und Zweck – allein die Umstände des Zustandekommens ausreichen, um das Rechtsgeschäft sittenwidrig zu machen, wird sich letztlich nur im Einzelfall beurteilen lassen. Dementspr schließt auch die Regelung des § 661a (Verpflichtung zur Zahlung des Gewinns) die Anwendung des § 138 I auf den durch die Gewinnzusage geförderten Kaufvertrag nicht von vornherein aus (BGH NJW 2005, 2991, 2993; dazu Nasall NJW 2006, 127; vgl ferner auch Sack GRUR 2004, 625 und LG Trier NJW 1974, 152; dazu Sack NJW 1974, 564f). P Unterricht/Schule/Aus- und Fortbildung. Bei Verträgen über Fernunterricht oder Fernlehrgänge bietet das weitgehend zwingende Fernunterrichtsschutzgesetz dem Verbraucher einen gewissen Schutz vor sittenwidrigen Rechtsgeschäften. Daneben ist aber § 138 uneingeschränkt anwendbar. Ein (Programmierer-)Fernlehrvertrag ist sittenwidrig, wenn er mit einem offensichtlich wenig berufsgeeigneten Kunden ohne eine entspr Eignungsprüfung abgeschlossen wird (Hamm MDR 1970, 841). – Bei einem Internats- und Direktunterrichtsvertrag (vgl dazu Dörner NJW 1979, 241) kann vor allem eine übermäßig langfristige Bindung die Berufs- und Ausbildungsfreiheit sittenwidrig beeinträchtigen (BGHZ 120, 108, 115ff; BGH WM 1985, 780; DB 1995, 1560). – Ein Ausbildungsvertrag, der ein Konkurrenzverbot zw einer privaten Ausbildungsstätte und ihren Schülern enthält, ist nicht sittenwidrig, wenn sich das Konkurrenzverbot räumlich auf das Einzugsgebiet der Ausbildungsstätte beschränkt (Karlsruhe GRUR 1975, 271). P Nutzung von Urheberrechten. Für die Beurteilung, ob Verträge über die Komposition und Produktion von Musik für eine Fernsehserie sowie die Einräumung der Nutzungsrechte an der Musik durch den Künstler an den Musikverlag wegen eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sittenwidrig iSd § 138 I sind, ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt nicht absehbare Entwicklungen bleiben außer Betracht (BGH K&R 2022, 518 Rn 37). Eine AGB-Kontrolle ist damit nicht ausgeschlossen. P Vergleich. Für die Sittenwidrigkeit eines Vergleichs kommt es im Allg nicht auf das obj Missverhältnis zw der wahren Ausgangslage und den Leistungen an, die eine Partei mit Abschluss des Vergleichs übernommen hat (BGHZ 51, 141). Abzuwägen ist vielmehr das beiderseitige Nachgeben (vgl Rn 44). Es kommt darauf an, wie die Parteien die Sach- und Rechtslage bei Vergleichsabschluss eingeschätzt haben, in welchem Ausmaß sie davon abgewichen sind und zur Streitbereinigung gegenseitig nachgegeben haben. Sittenwidrigkeit wird sich idR nicht Schmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
annehmen lassen, wenn den Parteien der Vergleichsabschluss als letztlich sachgerechte Bereinigung ihrer Streitigkeiten erschien (vgl BGH NJW 1999, 3113 Rn 8 mN zur früheren Rspr; Hamm 8.6.2016 – 9 U 38/15, juris Rn 36; ferner BGH NJW-RR 1998, 590; BAG NJW 1985, 2661). Ein Vergleich ist auch nicht deshalb nichtig, weil er die Rechtsfolgen eines nichtigen Ausgangsgeschäfts regelt (BGH NJW-RR 1989, 1143). Ein in einem Vergleich übernommenes einseitiges Schuldversprechen kann wegen unangemessener Übervorteilung sittenwidrig sein (BGH WM 1977, 583). Ein Vergleich über die Höhe einer Schadensersatzforderung mit der Abrede, dem Haftpflichtversicherer des Schuldners den wahren Sachverhalt nicht mitzuteilen und dadurch dem Gläubiger einen ungerechtfertigt hohen Ersatzbetrag zu verschaffen, verstößt gegen die guten Sitten (BGH VersR 1969, 733). Ein zur Nichtigkeit führendes grobes Missverhältnis des beiderseitigen Nachgebens liegt bei einem Abfindungsvergleich über die betriebliche Altersversorgung vor, wenn die Abfindungssumme nur einen Bruchteil des Anwartschaftswertes darstellt und kein Grund für einen so weitgehenden Verzicht besteht (BAG NZA 1986, 519). Hingegen ist eine vergleichsweise getroffene Vereinbarung, mit der sich ein Grundstückseigentümer verpflichtet, der Bebauung eines Nachbargrundstücks nicht länger entgegenzutreten, nicht deshalb sittenwidrig, weil die hierfür vom Bauwilligen zu erbringende Zahlung weit über die Minderung des Wertes des beeinträchtigten Grundstücks hinausgeht (BGH NJW 1999, 3113). P Versicherungsvertrag. Bei Versicherungsverträgen schützt schon die Anwendung des AGB-Rechts weitgehend gegen sittenwidrige Inhalte. Sittenwidrigkeit kommt vornehmlich in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer und ein – oft freiberuflich tätiger und provisionsberechtigter – Sachverwalter der Versicherung bei der Vertragsanbahnung kollusiv zum Nachteil der Versicherung zusammenwirken (Bsp: Der Sachwalter übernimmt für den Vertragsschluss mit Wissen des Versicherungsnehmers bedeutsame unrichtige Angaben oder gibt im Einvernehmen mit diesem wichtige ungünstige Informationen nicht weiter; vgl BGH NJW 1989, 26; 1990, 1851; 2002, 1497, 1498; Düsseldorf NJW-RR 1997, 158). Aus ähnl Gründen ist es ebenfalls mit den guten Sitten unvereinbar, wenn im Rahmen eines Sachverständigenverfahrens – etwa in der Feuerversicherung – der Versicherungsnehmer ohne Kenntnis der Versicherung mit dem Sachverständigen ein Erfolgshonorar vereinbart (Bsp: Naumburg VersR 2004, 778). – Die möglicherweise sittenwidrige (einseitige) Absicht des Versicherungsnehmers, mit Hilfe einer Rechtsschutzversicherung für seine Eigentumswohnung der Versicherung Kosten für die Wahrnehmung rechtl Angelegenheiten der gesamten Wohnanlage anzulasten, macht den Versicherungsvertrag als solchen nicht sittenwidrig, wenn die Realisierung schon an den Vertragsbedingungen scheitern würde (BGH NJW 1995, 2284). – Verträge, in denen für den Versicherungsnehmer das Leben eines Dritten versichert wird, sind nicht ohne weiteres sittenwidrig (Celle VersR 1995, 405). P Vertragsstrafe. Eine vereinbarte Vertragsstrafe ist nicht allein wegen Überhöhung nichtig (RG HRR 1932 Nr 1644; BGH GRUR 1952, 141); bei unverhältnismäßiger Höhe greift vielmehr § 343 ein (Ausnahme: § 348 HGB). Ein Vertragsstrafeversprechen kann jedoch bei Hinzukommen weiterer besonderer Umstände sittenwidrig sein. Das gilt besonders, wenn es als unzulässiges Druckmittel ausgestaltet ist (vgl RGZ 68, 229; 85, 102; 90, 183; Celle BauR 2001, 1108; Köln NJW-RR 1988, 634; LG Köln VIZ 1995, 119, 120). Die Sittenwidrigkeit kann sich aus einer Mehrzahl von denkbaren Straffällen ergeben, wenn für jeden Fall eine überhöhte Vertragsstrafe vereinbart wurde (vgl RG JW 1936, 179). P Vollmachtsmissbrauch. Macht ein Vertreter von seiner Vollmacht bewusst zum Nachteil des Vertretenen Gebrauch, verstößt das so zustande gekommene Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten und ist nichtig (vgl BGH NJW 1968, 1379; 2002, 1488; NZG 2011, 1225; München 6.4.2022 – 7 U 9421/21, juris Rn 77). Das gilt auch dann, wenn der Vertreter von den Beschränkungen des § 181 befreit ist. Die Befreiung gibt ihm nicht das Recht, den Vertretenen bewusst zu schädigen (Karlsruhe ZIP 2021, 571, 572). Auch die mögliche Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers gem § 43 GmbHG ändert an diesen Ergebnissen nichts. P Wahrsagerei. Bei Verträgen, die das Wahrsagen durch Kartenlegen zum Inhalt haben, wird der Kunde zwar nicht schon wegen Unmöglichkeit der Wahrsagerei nach § 326 I, § 275 von der Entgeltpflicht frei (BGHZ 188, 71 Rn 16). Solche Verträge können aber leicht nach § 138 I nichtig sein, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen, weil sich die Kunden oft in einer schwierigen Lebenssituation befinden und die Wahrsager diese ausnutzen (BGHZ 188, 71 Rn 21). Dies gilt jedoch nicht, wenn eine derartige Leistung gegen ein geringes Entgelt erfolgt und nach den Erwartungen der Beteiligten eine jahrmarktmäßige Unterhaltung erfolgen soll (LG Ingolstadt NStZ-RR 2005, 313, 314). P Wechsel. Die Begebung lediglich zu Kreditzwecken geschaffener Wechsel, die nicht mit einem Waren- oder Dienstleistungsgeschäft im Zusammenhang stehen (Finanzwechsel), und die ihr zugrundeliegende Vereinbarung sind nicht grds sittenwidrig. So liegt etwa eine sittenwidrige „Wechsel-Scheckreiterei“ nicht vor, wenn der Wechselnehmer für den Wechsel einen gedeckten und sofort fälligen Scheck hingibt („Wechsel-Scheck-Verfahren“; vgl BGH NJW 1980, 931; Frankfurt WM 1995, 1497; Hamm NJW-RR 1995, 617f; München NJW 1988, 1272). Gegen die guten Sitten verstößt jedoch der planmäßige, gegenseitige Austausch von Wechseln und Schecks zw kreditschwachen Personen, wenn die missbräuchliche Verwendung der verdeckten Kreditbeschaffung der Beteiligten dient (für organisierten Austausch von Wechselakzepten: BGHZ 27, 172; BGH MDR 1959, 751; NJW 1980, 931; vgl auch für „Scheckreiterei“ BGHZ 121, 279). In diesen Fällen sind sowohl der Begebungsvertrag als auch das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft nichtig (vgl auch BGH LM § 138 [Ca] Nr 3). Die Diskontierung von umgekehrten Wechseln, die der Bank vom Akzeptanten eingereicht werden, ist jedoch grds wirksam; es ist regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn die Bank – die Haftung des Ausstellers im Blick – einen Wechsel übernimmt, obwohl sie Hinw auf wirtschaftl Schwierigkeiten des Akzeptanten hat (BGHZ 56, 266; 454
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BGH NJW 1980, 931; WM 1983, 1406; Frankfurt WM 1993, 1710; Hamm NJW-RR 1995, 617; Karlsruhe WM 1996, 1294). Etwas anderes gilt, wenn die Bank die Zahlungsunfähigkeit des Akzeptanten kennt (Koblenz NJWRR 1987, 40) und/oder das Verhalten der Bank auf eine eigennützige Verzögerung eines Insolvenzverfahrens zum Nachteil anderer Gläubiger und der Allgemeinheit hinausläuft (BGH WM 1977, 638; NJW 1984, 728; Hamm aaO). Ein Kreditinstitut, das einem Kunden einen Wechseldiskontkredit gewährt, obwohl der Kunde die den Wechseln zugrundeliegenden Forderungen gegen seine Abnehmer durch verlängerten Eigentumsvorbehalt im Voraus an seinen Lieferanten abgetreten hat, verstößt dadurch grds nicht gegen die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vorbehaltsverkäufers (BGH NJW 1979, 1704 m Anm Henseler BB 1979, 1261). Trotz der abstrakten Natur der Wechselverpflichtung verstößt die Begebung eines Wechsels zur Absicherung eines sittenwidrigen Kredits ebenfalls gegen die guten Sitten, weil ein sittenwidriger Zweck verfolgt wird (BGH LM § 762 Nr 1; NJW 1992, 316; 1995, 1152). P Wettbewerbsverbot. Die Wirksamkeit vertragl Wettbewerbsverbote und ähnl Klauseln (etwa Kunden- oder Mandantenschutzvereinbarungen; Gebietsschutzvereinbarungen; Sperrvereinbarungen zw Unternehmen) ist vielfach zunächst nach den einschlägigen Spezialvorschriften (§§ 60f, 74ff, 90a HGB; § 12 BBiG) sowie uU nach §§ 305ff zu beurteilen. Neben ihnen bleibt § 138 grds selbständig anwendbar; die gesetzl Wertung in Spezialvorschriften ist aber bei der inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs „sittenwidrig“ und bei der Bestimmung der Rechtsfolgen zu berücksichtigen. Vorbehaltlich abw Spezialregelungen sind vertragl Wettbewerbsverbote, über die Fälle der Knebelung des Verpflichteten hinaus, regelmäßig sittenwidrig, wenn sie die durch Art 2, 12 GG geschützte berufliche und/oder wirtschaftl Freiheit des Verpflichteten unangemessen einschränken; unangemessen sind insb solche Einschränkungen, die nach Art, Dauer und räumlicher Ausdehnung über den notwendigen und angemessenen Schutz der berechtigten Interessen des Begünstigten hinausgehen (vgl BGH WM 2003, 2334; NJW 2010, 1206 Rn 15f; Düsseldorf DStRE 2016, 823 Rn 60); die das verbotene Handeln nicht hinreichend bestimmt beschreiben (Stuttgart WRP 2021, 1498 Rn 24, 34 – vergleichbare Produkte); Schutz vor Konkurrenz allein rechtfertigt ein nachvertragl Wettbewerbsverbot nicht (st Rspr, vgl etwa BGH NJW 1979, 1606; 1986, 2944; 1991, 699; 1994, 384, 386; NJW-RR 1990, 226; 1996, 741; DB 1989, 1621; BAG AP § 74a HGB Nr 2; AP § 133f GewO Nr 21, 23; NJW 1996, 1365). Auch relativ kurzfristige Beschränkungen können bei Machtmissbrauch oder Vorenthaltung jedweder Karenzentschädigung sittenwidrig sein, relativ langfristige hingegen durch angemessene Entschädigung des Verpflichteten und schutzwürdige Interessen des Berechtigten erträglich werden (Düsseldorf DStRE 2016, 823 Rn 59). Ergibt sich die Sittenwidrigkeit eines Wettbewerbsverbots allein aus der Dauer seiner Laufzeit oder aus dem Umfang seines räumlichen Geltungsbereichs (insoweit str, vgl zB BGH NJW 2000, 2584; 2005, 3061 m Anm Henssler/Bank LMK 2005, 163409), wird eine Anpassung der Bindungsdauer bzw des Geltungsbereichs gem §§ 139, 242 zu erwägen sein (BGH NJW 1991, 699; NJW-RR 1996, 742, WM 2000, 1496; 2019, 1653 Rn 57; München NJW-RR 1997, 873; Zweibrücken NJW-RR 1990, 482; Hamm NJW-RR 1993, 1314; Saarbrücken NZI 2001, 41; Nürnberg 14.10.2020 – 12 U 1440/20, juris Rn 56; LAG Düsseldorf NZA-RR 1998, 58; offengelassen in BGH NJW 1979, 1606; vgl auch Hamm GRUR-RR 2002, 273). Eine geltungserhaltende Reduktion kommt hingegen (Ausnahme: Vereinbarung einer geeigneten salvatorischen Klausel; dazu Kamanabrou ZGR 2002, 898; Bsp: Köln NZG 2001, 165) nicht in Betracht, wenn das Wettbewerbsverbot nicht nur wegen rein quantitativer Überschreitung des erträglichen Maßes sittenwidrig ist; in solchen Fällen ist es insb nicht Sache des Gerichts, engere gegenständliche Grenzen festzulegen (BGH NJW 1986, 2994; 1991, 699; 1994, 384; 1997, 3089; dazu krit Römermann WiB 1997, 1028 und Butters JuS 2001, 324; NJW 2000, 2584; NJW 2005, 3061 m Anm Henssler/Bank LMK 2005, 163409; Stuttgart ZIP 2019, 1425, 1428). Für wettbewerbsregelnde Verträge zw Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen gelten in erster Linie die dem Schutz des Wettbewerbs dienenden Vorschriften des nationalen und supranationalen Kartellrechts (zu den dadurch bei Unternehmenskaufverträgen gezogenen Grenzen: Mäger/Ringe WuW 2007, 18); § 138, der anders als das Kartellrecht vor allem dem Schutz berechtigter Individualinteressen dient (zur Abgrenzung vgl BGH NJW 1994, 386), ist aber daneben anwendbar (BGH NJW 1979, 1605; 1994, 384; NJW-RR 1989, 900). Praktische Bedeutung hat § 138 vor allem für die Beurteilung von Wettbewerbsabreden im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtl Verträgen sowie mit einer Veräußerung oder Verpachtung von Unternehmen oder Unternehmensteilen, auch bei Erbauseinandersetzungen. So ist ein anlässlich eines Unternehmensverkaufs für einen Zeitraum von zehn Jahren oder gar unbefristet und/oder örtlich unbegrenzt auferlegtes Wettbewerbsverbot idR sittenwidrig (BGH NJW 1979, 1606; NJW 1982, 2000; NJW-RR 1989, 800; vgl auch NJW 1980, 185 – Wettbewerbsverbot bei der Erbauseinandersetzung; NJW 1982, 2000 – Unternehmenskauf; München NJW-RR 1995, 1191 – Wettbewerbsverbot in der Sondersituation bei Betriebsübernahme zur Konkursverhinderung; Frankfurt OLG 1974, 2ff – Vereinbarung einer begrenzten Sortimentsbeschränkung). Im Gesellschaftsrecht sind als Spezialregelungen §§ 112, 113 HGB und § 284 iVm § 88 AktG zu beachten, uU auch § 1 GWB (vgl Kanzleiter DNotZ 1989, 195, 198ff; Mellulis WRP 1994, 686). Nach der Rspr des BGH ist beim Ausscheiden eines Gesellschafters ein zu dessen Lasten und zugunsten der Gesellschaft vereinbartes oder satzungsmäßig festgelegtes Wettbewerbsverbot mit den guten Sitten nur vereinbar, wenn für die Beschränkung der zukünftigen Tätigkeit des Gesellschafters ein anzuerkennendes Bedürfnis besteht, um den Ausscheidenden an einer illoyalen Verwertung des Erfolges seiner Arbeit und der im Zuge der Tätigkeit für die Gesellschaft erworbenen Verbindungen, Kenntnisse und Erfahrungen zu hindern (vgl BGHZ 91, 3; BGH NJW 1968, 1717; 1979, 1605; 1986, 2944; 1991, 699; 1994, 384; 1997, 3089; NJW-RR 1990, 226; 1993, 1314; DStR 1997, 2038; ZIP Schmidt-Räntsch
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Rechtsgeschäfte
2015, 472 Rn 8; Düsseldorf NJW-RR 1993, 35; BB 1996, 2378; Hamm NJW-RR 1993, 1314; Karlsruhe WM 1986, 1473). Das gilt gleichermaßen für ausscheidende Organmitglieder (Hamm WuW 2017, 95 Rn 35; s dazu auch die Erl oben sowie Bauer/Diller BB 1995, 1134). Dagegen scheiden sowohl ein Verstoß gegen § 1 GWB als auch Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit nach § 138 I aus, wenn das Wettbewerbsverbot in einem Gesellschaftsvertrag notwendig ist, um das iÜ kartellrechtsneutrale Gesellschaftsunternehmen in seinem Bestand und seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und davor zu schützen, dass ein Gesellschafter es von innen her aushöhlt oder gar zerstört, etwa, wenn zu besorgen ist, dass sie durch ihr jew Stimmverhalten strategisch wichtige Unternehmensentscheidungen aufgrund einer in der Satzung enthaltenen Einstimmigkeitsklausel blockieren (BGH WM 2009, 2238 Rn 17f, 24). Nichtig ist es aber dann, wenn es über das zum Schutz der berechtigten Interessen der Antragstellerin notwendige Maß hinausgeht (Düsseldorf WuW 2019, 400, 405). Nachvertragl Wettbewerbsverbote sind insb sittenwidrig, wenn sie einen Gesellschafter oder ein Organmitglied nach dem Ausscheiden – gemessen an den berechtigten Schutzinteressen der Gesellschaft – sachlich und/oder räumlich (Bsp: BGH DStR 1997, 2038) zu weitgehend und/oder zeitl übermäßig lange binden. Ein zeitl unbegrenztes Wettbewerbsverbot verstößt in aller Regel gegen die guten Sitten. Angemessen ist durchweg eine Schutzfrist von zwei Jahren (BGHZ 91, 1; BGH NJW 1991, 699; WM 1974, 74; NJW-RR 1990, 226; ZIP 2015, 472 Rn 11; Düsseldorf DStRE 2016, 823 Rn 60; Hirte ZHR 154, 443, 447ff). Nach ähnl Maßstäben zu beurteilen sind, soweit berufsrechtl Spezialvorschriften fehlen, Wettbewerbsverbote, Mandantenschutzklauseln uÄ für die Fälle der Auseinandersetzung freiberuflicher Sozietäten, des Ausscheidens einzelner Mitglieder/Mitarbeiter oder des Praxiskaufs oder -tauschs. Die Beschränkungen müssen mit dem Berufszweck der jew Berufsgruppe vereinbar sein. Die Umstände müssen ein anerkennenswertes, nicht allein in der Abwehr von Konkurrenz liegendes Bedürfnis begründen, den Begünstigten für begrenzte Zeit zu schützen, insb ein illoyales „Mitnehmen“ von Mandanten, Verbindungen, internen Planungen und Informationen usw zu verhindern (vgl BGHZ 91, 1; BGH NJW 1968, 1717; 1986, 2944; 1991, 699; 1994, 384; 2000, 2584; 2004, 66; vgl auch Hamburg NZG 1999, 342; Stuttgart NJW 2002, 1431). Zulässig ist in solchen Fällen ein zeitl (regelmäßig nicht mehr als zwei Jahre; zu lang sieben Jahre, Stuttgart NJW 2002, 1431), räumlich und inhaltlich angemessen begrenztes Verbot, das den Verpflichteten nicht übermäßig beschränkt (Bsp: BGHZ 16, 71 – Praxistausch bei Ärzten; Koblenz MedR 1994, 450 – Zahnarztpraxis; LG Hannover BB 1998, 1501 – ärztliche Gemeinschaftspraxis; BGH NJW 1997, 3089 – Tierarzt nach Ausscheiden aus einer Gesellschaft; BGH NJW 1964, 2203 – Apothekenpächter nach Pachtende; BAG NJW 1966, 1677f; 1971, 2245; DB 1989, 1089; BGH NJW 1991, 699; München NJW-RR 1997, 873 – Steuerberaterpraxis; Steuerfachkraft; BGHZ 91, 1; BGH NJW 1968, 1717 – Wirtschaftsprüfer; BGH NJW 1986, 2944; NJW-RR 1996, 741; NJW 1997, 3089; 2000, 2584; 2004, 66 – fünfjähriges Wettbewerbsverbot bei Ausscheiden aus einer Sozietät von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern; NJW 2005, 3061 m Anm Henssler/Bank LMK 2005, 163409 – Überschreitung der zeitl, räumlichen und gegenständlichen Grenzen eines Wettbewerbsverbots für einen Rechtsanwalt auch nicht als Sanktion iVm einer Ausschließung aus der Sozietät; Celle NJW 1963, 1310; Köln BB 2001, 538; Stuttgart NJW 2002, 1431 – Sozietät oder Bürogemeinschaft von Anwälten; Frankfurt MDR 2005, 226 – Verbot für einen Zahnarzt in einem Praxisübernahmevertrag, im Umkreis von 10 km eine eigene Praxis zu betreiben; Naumburg NJW-RR 2006, 421 – Mandantenschutzklausel und Berufsausübungsverbot für 10 Jahre im Umkreis von 60 km für den Veräußerer bei Übernahme einer Steuerberatungspraxis). Das gilt auch für Wettbewerbsverbote in Berufsordnungen (BGH NJW 1997, 799). Ein Recht, bei Ausscheiden aus einer Sozietät Klienten/Patienten oÄ „mitzunehmen“, kann andere Einschränkungen rechtfertigen (Schleswig NJOZ 2001, 1549, 1550). Zu Wettbewerbsverboten bei Freiberuflern allg Römermann BB 1998, 1489; K. Schmidt NJW 2005, 2801; H.P. Westermann AnwBl 2007, 103, 108ff und Wertenbruch NZG 2006, 408, 411. Auch die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots ohne Karenzentschädigung für den Fall der Beendigung eines Franchise-Vertrags ist sittenwidrig (KG MDR 1974, 144). Die Verpflichtung des Franchisenehmers, nach Vertragsbeendigung die Telefonnummern seines Geschäfts auf den Franchisegeber zu übertragen, fällt aber nicht unter § 90a HGB (Köln MMR 2005, 321). P Wohnungseigentumsrecht. Auch Beschlüsse der Wohnungseigentümer können gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen und wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein. Die Sittenwidrigkeit kann sich neben seinem Inhalt auch aus dem Gesamtcharakter eines Beschlusses ergeben; im letzteren Fall ist nicht nur der objektive Gehalt des Beschlusses maßgeblich, sondern auch die Motive der Beteiligten sowie der Zweck der Regelung. So kann auch die rechtswidrige Ausnutzung der Stimmenverhältnisse zur Nichtigkeit eines Beschlusses wegen Sittenverstoßes führen, wenn der begünstigte Eigentümer treuwidrig in sachwidriger Weise eigene Zwecke auf Kosten der übrigen Eigentümer verfolgt (Schleswig FGPrax 2006, 66; AG Hamburg-St. Georg ZMR 2021, 155 = juris Rn 20). Die Nichtigkeit wird regelmäßig mit einer Beschlussmängelklage geltend zu machen sein. Dabei wird sich oft ergeben, dass der Beschluss ohnehin den RegeIn ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht und jedenfalls anfechtbar ist. P Zwangsversteigerung, Zwangsvollstreckung. Rechtsgeschäfte, die gegen strafrechtl Bestimmungen zum Schutz der Zwangsvollstreckung oder der Vollstreckungsgläubiger verstoßen, sind idR schon nach § 134, sonst nach § 138 I nichtig, soweit der Schutzbereich der Bestimmungen über die Gläubigeranfechtung überschritten ist. § 138 I erfasst darüber hinaus auch Rechtsgeschäfte, die darauf abzielen, mit anstößigen Mitteln die ordnungsgemäße Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern oder zu erschweren. Verneint worden ist das für einen Mietvertrag zw Familienangehörigen mit dem alleinigen Zweck, die Rechtslage des § 93 ZVG 456
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auszuschalten (Düsseldorf NJW-RR 1996, 720). Sittenwidrig handelt aber, wer in der Zwangsversteigerung ein Gebot in der Absicht abgibt, das Bargebot nicht zu entrichten oder zu hinterlegen. Das Gebot wäre dann nichtig und nach § 71 ZVG zurückzuweisen. Der bei Fehlen entspr Anhaltspunkte dennoch erteilte Zuschlag bliebe aber wirksam (BGH WM 2019, 1356 Rn 14f). Allerdings kommt eine Haftung des Bieters nach § 826 in Betracht (BGH WM 2019, 1356 Rn 31ff).
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Teilnichtigkeit
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. 1. Bedeutung. Die Vorschrift enthält eine Auslegungsregel (BGHZ 85, 315, 318; BGH NJW 1994, 720f; vgl auch BGH NJW 1996, 774; aA Staudinger/Roth Rn 2: „Nichtigkeitsvermutung“). Sie greift ein, wenn bei Vornahme eines Rechtsgeschäfts keine Regelung für den Fall getroffen wurde, dass ein Teil des Rechtsgeschäfts nichtig ist. § 139 bestimmt als Folge der Teilnichtigkeit die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts, „wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde“. Danach muss zunächst der (hypothetische) Wille der Parteien für den Fall der Teilnichtigkeit ermittelt werden. Erst wenn dies nicht zum Ziel führt, ist nach § 139 das ganze Rechtsgeschäft nichtig. Damit soll erreicht werden, dass den Beteiligten, die einen umfassenden Rechtserfolg als Ganzen verwirklichen wollen, eine nur teilw Verwirklichung nicht gegen ihren Willen aufgedrängt wird. 2. Anwendungsbereich. a) Zivilrecht. § 139 gilt grds für alle Rechtsgeschäfte. Anwendbar ist die Vorschrift etwa auch auf die Vereinbarungen zur Bildung von Wohnungseigentum (s BayObLG NJW-RR 1999, 8, 10), Beschl der Hauptversammlung (Hamburg NZG 2000, 549, 551; 2003, 539, 541; Oldenburg NJW-RR 1995, 1313, 1314) und auch des Aufsichtsrats einer AG, soweit diese auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung sozialoder individualrechtl Befugnisse gerichtet sind (BGHZ 124, 111, 122), und Beschl einer WohnungseigentümerGemeinschaft (BGHZ 139, 288, 297; Hamm NJW-RR 1986, 500, 501). Nicht anwendbar ist § 139 auf Vereinssatzungen, da diese obj auszulegen sind (s § 133 Rn 34) und daher für die Konsequenzen einer Teilnichtigkeit nicht auf den hypothetischen Parteiwillen abgestellt werden kann (BGHZ 47, 172, 179). Ebenso findet die Vorschrift auf den normativen Teil eines Tarifvertrags (BAG NZA 2008, 892, 894; Löwisch/Rieble § 1 TVG Rn 580) und einer Betriebsvereinbarung keine Anwendung (BAG NZA 2015, 1207, 1210; 2020, 49, 58: idR Teilwirksamkeit). aa) Spezialregeln. Teilw ergibt sich aus Spezialregelungen, dass § 139 im Fall der Teilnichtigkeit nicht anzuwenden ist. Derartige Vorschriften finden sich etwa im Erbrecht. So hat nach § 2085 die Unwirksamkeit einer von mehreren im Testament enthaltenen Verfügungen die Unwirksamkeit der übrigen Verfügungen nur zur Folge, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde. Anders als § 139 stellt § 2085 also eine Auslegungsregel zugunsten der Wirksamkeit der übrigen Verfügungen auf. Dem § 2085 entsprechen § 2195 und § 2279 I (im Zweifel Gültigkeit der unter einer Auflage gemachten Zuwendung bei Unwirksamkeit der Auflage). Auch für vertragsmäßig bindende Verfügungen im Erbvertrag und wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftl Testament gelten Spezialvorschriften (§ 2298 I, § 2270). Im AGB-Recht bleibt nach § 306 bei Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit von AGB – abw von § 139 – der Vertrag iÜ wirksam. An die Stelle der nichtigen Bestimmungen treten die gesetzl Vorschriften. Fehlen gesetzl Vorschriften, kommt im Rahmen von § 306 II eine Vertragsergänzung entspr dem hypothetischen Parteiwillen in Betracht. Nur ausnahmsw ist nach § 306 III der ganze Vertrag unwirksam. Sonderregelungen enthält auch das Kapitalgesellschaftsrecht in den § 275 AktG, § 75 GmbHG. Nach diesen Regelungen können nach Eintragung der Gesellschaft nur noch bestimmte Satzungsmängel im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Mängel anderer, in diesen Vorschriften nicht genannter Satzungsbestimmungen haben damit nach der Eintragung keine Bedeutung mehr für die Wirksamkeit der Gesellschaft (s KK-AktG/Arnold § 23 Rn 168). § 139 kann insoweit nicht angewendet werden (Staudinger/Roth Rn 11). Darüber hinaus wird in verschiedenen Vorschriften eine unzulässige Vertragsbestimmung nicht ausdrückl für nichtig erklärt. Der Anwendungsbereich des § 139 ist damit in diesen Fällen von vornherein nicht eröffnet (NK/ Faust Rn 5). So kann sich etwa der Verkäufer nach § 444 auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht „berufen“, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Von der ausdrückl Anordnung der Nichtigkeit einer entspr Abrede hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen, um klarzustellen, dass die Unwirksamkeit der Vereinbarung über den Gewährleistungsausschluss keinesfalls zur Unwirksamkeit des gesamten Kaufvertrags führt (s BT-Drs 14/6040, 240). Entspr Formulierungen finden sich etwa in den § 476 I 1, § 478 II 1, § 639. bb) Ungeschriebene Ausnahmen. Neben den ausdrückl Ausnahmen kann gelegentlich auch der Zweck einer Gesetzesbestimmung unabhängig vom hypothetischen Parteiwillen gegen eine Gesamtnichtigkeit sprechen. Das ist insb dann der Fall, wenn sich die Teilnichtigkeit aus der Verletzung einer Norm ergibt, die den Schutz eines Vertragspartners bezweckt, und eine Gesamtnichtigkeit gerade diesem Schutz zuwiderliefe (BGHZ 40, 235, 238f; BGH NJW 1980, 2407, 2408; 2000, 1333, 1335; BAG NJW 1979, 2119, 2120; BeckOGK/Jakl Rn 23; BeckOK/Wendtland Rn 5; Neuner AT § 56 Rn 4f; Medicus/Petersen AT Rn 515). Wird etwa entgegen § 276 III die HafSchmidt-Räntsch und Arnold
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tung des Schuldners für Vorsatz vertragl ausgeschlossen, ist nur dieser Haftungsausschluss, nicht aber der ganze Vertrag nichtig (Flume AT II § 32, 4; Neuner AT § 56 Rn 5). Entspr gilt im Mietrecht. Eine Vielzahl von Vorschriften sieht hier vor, dass von den Regelungen des BGB zulasten des Mieters abw Vereinbarungen unwirksam sind (zB § 551 IV, § 553 III etc). Dies hat indes nach § 139 im Zweifel nicht die Gesamtnichtigkeit des Vertrags zur Folge. Vielmehr bleibt der Mietvertrag wirksam, und anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt die gesetzl Regelung (s nur BGH MDR 1964, 495; Celle OLG 1982, 219, 220f; Staudinger/Roth Rn 15). Die gleichen Grundsätze gelten, wenn bei einem Arbeitsvertrag eine Bestimmung gegen zwingende Vorschriften verstößt, die zugunsten des ArbN gelten (vgl BAG AP Nr 2 § 5 BBiG; NJW 1979, 2119, 2120; NZA 1987, 445, 447). Ebenso führen Vereinbarungen, die den zwingenden Verbraucherschutzregelungen der §§ 312ff, 355ff, 481ff, 491ff widersprechen, nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags (NK/Faust Rn 55; Staudinger/Roth Rn 16). Auch bei einem Verstoß gegen preisrechtl Bestimmungen würde die Gesamtnichtigkeit vielfach dem Schutzzweck zuwiderlaufen (vgl § 134 Rn 49ff „Preisrecht“ und Staudinger/Roth Rn 17). Insb führen Mängel bei einer anwaltlichen Vergütungsvereinbarung regelmäßig nicht zur Unwirksamkeit des ganzen Anwaltsvertrags (s nur BGHZ 18, 340, 349; BGH NJW 1980, 2407, 2408). Wird in einem Handelsvertretervertrag eine mit den zwingenden Vorgaben des § 89 HGB nicht vereinbare Regelung getroffen, hat dies nicht die Nichtigkeit des gesamten Vertrags zur Folge (BGHZ 40, 235, 238). 7 Im Arbeits- und Gesellschaftsrecht ergibt sich eine Einschränkung des § 139 überdies aufgrund der Grundsätze über das fehlerhafte Arbeitsverhältnis bzw die fehlerhafte Gesellschaft (Grü/Ellenberger Rn 3; vgl zur fehlerhaften Gesellschaft auch Stuttgart NZG 2022, 1542, 1546; s aber auch zu Einschränkungen im Hinblick auf nichtige Klauseln MüKo/Schäfer § 705 Rn 344). IÜ ist im Personengesellschaftsrecht bei Nichtigkeit lediglich einzelner Vertragsklauseln für die Anwendung des § 139 ohnehin wegen des gemeinsamen Interesses der Gesellschafter am Bestand der Gesellschaft regelmäßig kein Raum (MüKo/Schäfer § 705 Rn 53). Auch bei Fehlen einer salvatorischen Klausel (s Rn 10) ist die Lücke durch erg Vertragsauslegung zu schließen. Ähnl gilt für den Vertrag zur Gründung einer Kapitalgesellschaft vor Eintragung derselben ins Handelsregister: Sind einzelne Satzungsbestimmungen nichtig, führt dies abw von § 139 regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags, sondern die Gesellschafter sind aufgrund der sie treffenden Treuepflicht dazu verpflichtet, den Mangel durch eine entspr Vertragsänderung zu beseitigen und damit die Eintragung zu ermöglichen (KK-AktG/Arnold § 23 Rn 163 mwN). Nach Eintragung der Gesellschaft sind Mängel einzelner Satzungsbestimmungen nur nach Maßgabe der § 275 AktG, § 75 GmbHG beachtlich (s Rn 4). 8 b) Prozessrecht. Auf Prozesshandlungen, die gleichzeitig Rechtsgeschäfte sind, ist § 139 entspr anwendbar. So führt zB die Nichtzulassung der Aufrechnung im Prozess über § 139 zur Unwirksamkeit der materiellrechtl Aufrechnungserklärung (Staudinger/Roth Rn 30; Soergel/Martens Rn 32). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann der Rechtsgedanke des § 139 anwendbar sein (BayObLG Rpfleger 1962, 179; Staudinger/Roth Rn 30). Dagegen scheidet eine Anwendung des § 139 auf zusammengehörige (teils wirksame, teils unwirksame) Registereintragungen aus (RGZ 132, 22, 26). Im Grundbuchberichtigungsverfahren gilt § 139 ebenfalls nicht (BayObLG NJW-RR 1997, 590). 9 c) Öffentliches Recht. Auf öffentlich-rechtl Willenserklärungen ist § 139 nicht anwendbar. Für öffentlichrechtl Verträge gilt § 59 III VwVfG, der § 139 entspricht. Für Verwaltungsakte bestimmt § 44 IV VwVfG die Gesamtnichtigkeit, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. 10 3. Vorrang einer abweichenden Parteivereinbarung. Die Parteien können eine von § 139 abw Regelung vereinbaren. Insb können sie rechtsgeschäftlich mit sog „salvatorischen Klauseln“ Vorsorge für den (erwarteten, befürchteten, jedenfalls nicht ausschließbaren) Fall der Teilnichtigkeit treffen. Dabei ist zw sog Erhaltungsklauseln und Ersetzungsklauseln zu unterscheiden. Erhaltungsklauseln sehen vor, dass die Unwirksamkeit eines Teils des Vertrags die Gültigkeit des übrigen Vertrags nicht berühren soll. Sie sollen freilich regelmäßig nicht zur Folge haben, dass das Rechtsgeschäft generell ohne die nichtige Regelung wirksam ist. Vielmehr ist auch bei Vereinbarung einer Erhaltungsklausel nach dem mutmaßlichen Parteiwillen zu entscheiden, ob Gesamtnichtigkeit eintreten soll. Die Bedeutung derartiger Klauseln liegt nur darin, dass nunmehr abw von der Regel des § 139 die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Gesamtnichtigkeit bei der Streitpartei liegt, die entgegen der Erhaltungsklausel den Vertrag als Ganzen für unwirksam hält (BGH NJW 2003, 347; 2010, 1660, 1661; NJW-RR 2005, 1534, 1535; anders noch BGH NJW 1994, 1651). Ersetzungsklauseln legen darüber hinaus fest, welche Bestimmungen an die Stelle der unwirksamen Regelungen treten sollen. Üblich sind etwa Klauseln, nach denen die unwirksame Regelung durch eine dieser wirtschaftl soweit wie möglich entspr gültige Regelung zu ersetzen ist. Sie decken allerdings die Nichtigkeit wesentlicher Vertragsregelungen nicht ohne weiteres ab. Wenn von der Teilnichtigkeit etwa die Bestimmung einer Hauptleistung oder andere, nach dem Parteiwillen wesentliche Bestandteile des Rechtsgeschäfts betroffen sind, kann die Auslegung ergeben, dass trotz der Ersetzungsklausel Gesamtnichtigkeit eintreten soll (BGH WM 1976, 1027, 1028; NJW 1996, 773, 774; KG NJW-RR 1996, 431, 432). Eine Erhaltungsklausel behält auch dann ihre Bedeutung, wenn eine zugleich vereinbarte Ersetzungsklausel – etwa wegen Unvereinbarkeit mit dem AGB-Recht – unwirksam ist (BGH NJW 2005, 2225, 2226). Eine salvatorische Klausel rechtfertigt iÜ idR nicht eine Teilanfechtung einer einzelnen Vertragsregelung (Bsp: BAG NJOZ 2006, 1859, 1864).
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4. Voraussetzungen. Die Nichtigkeitsfolge des § 139 tritt ein, wenn ein Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts nichtig und nicht anzunehmen ist, dass das ganze Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. a) Einheitliches Rechtsgeschäft. § 139 setzt voraus, dass es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn es sich um einen Geschäftstyp handelt und einzelne Vertragsklauseln nichtig sind (s BGHZ 50, 8, 13; Neuner AT § 56 Rn 9ff). Vielmehr kann ein einheitliches Rechtsgeschäft auch aus mehreren Geschäften, von denen jedes einzeln bestehen kann, zusammengesetzt sein. Für die Annahme eines derartigen einheitlichen zusammengesetzten Rechtsgeschäfts ist die Einheitlichkeit des Zustandekommens nicht entscheidend (Medicus/Petersen AT Rn 501f). Gleiches gilt für den obj Sinnzusammenhang der Rechtsgeschäfte (Staudinger/Roth Rn 37f; aA MüKo/Busche Rn 17ff). Maßgeblich ist vielmehr der Parteiwille: Eine Zusammenfassung verschiedener Rechtsgeschäfte zu einer rechtl Einheit ist dann zu bejahen, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, dh die Vereinbarungen miteinander stehen und fallen sollen (BGHZ 50, 8, 13; 110, 230; BGH NJW 1990, 1473, 1474; 2007, 1131, 1133; NJW-RR 1990, 443; 2007, 395, 396; BeckOGK/ Jakl Rn 60; NK/Faust Rn 11; Staudinger/Roth Rn 39; aA MüKo/Busche Rn 17ff, der den obj Sinnzusammenhang in den Vordergrund stellt). Dabei ist es ausreichend, dass eine Partei den Willen zur Geschäftseinheit hat und die andere Partei dieses billigt oder zumindest hinnimmt (BGH MDR 1971, 468). Für einen solchen Parteiwillen kann es sprechen, wenn der obj Sinn einer Mehrzahl von Geschäften ergibt, dass ihre Einheit gewollt sein muss (Staudinger/Roth Rn 38, 45). Geschäftseinheit setzt nicht voraus, dass an allen Geschäften dieselben Personen in gleicher Weise beteiligt sind (RGZ 79, 434, 436; BGH NJW 1976, 1931, 1932; NJW-RR 1990, 442, 443; 2011, 2874, 2877; aA Flume AT II § 32, 2a) oder die einzelnen Geschäfte demselben Geschäftstyp angehören (BGH NJW 1976, 1931, 1932). Wenn auch der wirtschaftl Zusammenhang zw den Geschäften oder die gleichzeitige Vornahme häufig ein starkes Indiz für eine Geschäftseinheit bilden, kommt es doch stets maßgebend auf den Willen der Parteien an (RGZ 79, 434, 439; BGH NJW 1967, 1128, 1129; 1987, 2004, 2007). Eine tatsächliche Vermutung für ein einheitliches Geschäft ergibt sich dabei aber aus der Aufnahme der einzelnen Geschäfte in eine Urkunde (BGHZ 54, 71, 72; BGH NJW 1987, 2004, 2007). Bei Niederlegung mehrerer selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden besteht dagegen die – widerlegliche – Vermutung, dass die Rechtgeschäfte keine Einheit bilden sollen (BGHZ 78, 346, 349; BGH NJW-RR 2007, 395, 396). Im Hinblick auf die besondere Fallgestaltung wurde eine Geschäftseinheit bejaht, zw mehreren zusammenhängenden Grundstücksgeschäften (BGH NJW 2000, 2017, 2018), zw einem Kaufvertrag über ein Wohnhaus und dem Kauf von Einrichtungsgegenständen, die sich im dem Wohnhaus befinden (BGH NJW-RR 2018, 752, 754), zw einem Mietvertrag und der Einräumung eines Vorkaufsrechts (RGZ 107, 39, 40), zw einem Grundstückskaufvertrag und einer Auflassungsvollmacht (RGZ 94, 147, 149) oder einem Baubetreuungsvertrag (BGH NJW 1976, 1931, 1932), zw einem formbedürftigen Geschäftsbesorgungsvertrag und einer darin erteilten Vollmacht (BGHZ 102, 60, 62), zw der vertragl Begründung einer Forderung und einer Sicherungsabrede (BGH NJW 1994, 2885), zw einer Wahlleistungsvereinbarung Krankenhaus/Patient und einer Zusatzvereinbarung über die Vergütung der Wahlleistung Arzt/Patient (BGHZ 138, 91, 96), zw einer Trennungsabrede unverheirateter Partner und einer Unterhaltsregelung für das gemeinsame Kind (Zweibrücken NJW-RR 1993, 1478) sowie zw einem Kreditvertrag und einem Umschuldungsvertrag (Düsseldorf WM 1986, 221, 223; Frankfurt NJW 1985, 745, 746). UU ist eine Geschäftseinheit auch anzunehmen zw einem Kaufvertrag über Einrichtungsgegenstände oder einem Bierlieferungsvertrag und einem Mietvertrag über die entspr Räume (BGH NJW 1983, 2027, 2028; Köln MDR 1997, 32) und zw einem Franchise-Vertrag und einem Mietvertrag (Nürnberg NZM 1998, 375). Verneint wurde ein solcher Zusammenhang zB: zw einer Vollmacht zum Erwerb eines Anteils an einem Fonds und der im zugehörigen Zeichnungsschein enthaltenen Vollmacht zur Aufnahme eines Darlehens für die Finanzierung (BGH NJW-RR 2007, 395, 396; offengelassen in BGH NJW 2007, 1131, 1133), zw einem formunwirksamen Angebot auf Übereignung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück und einer Auflassungsvollmacht, wenn diese unwiderruflich erteilt wurde, um die Heilung der Formnichtigkeit sicherzustellen (BGH NJW-RR 2020, 962, 963), zw Erbeinsetzung und Übergabevertrag (Hamm DNotZ 1996, 671, 673), Schiedsvertrag und Hauptvertrag (BGHZ 53, 315, 318f; BGH NJW 1979, 2567, 2568), Darlehensvertrag und Pfandbestellung (RGZ 86, 323, 324; s aber BGH NJW 1994, 2885), Rahmenvertrag und Einzellieferungsverträgen (BGH NJW 1997, 933, 934), Künstlervertrag und Verlagsvertrag (Frankfurt NJW 2004, 616), zw einem Leasingvertrag und einem Werbevertrag des Leasingnehmers mit einem Dritten, nach dem eine Erstattung der Leasingraten für die Werbung von Neukunden erfolgen soll (BGH NJW 2011, 2874, 2877) oder einem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag und einem damit wirtschaftl zusammenhängenden Treuhandvertrag, wenn dieser nicht gleichfalls notariell beurkundet wurde (BGH NJW 2016, 3525, 3526). Auch bei mehreren sachlich oder rechtl zusammenhängenden Beschlüssen der Hauptversammlung einer AG oder der Gesellschafterversammlung findet § 139 keine Anwendung (BGH NZG 2015, 867, 871; 2019, 979, 986; Grunewald NZG 2017, 1321, 1323). Ob Grundgeschäft und abstraktes Erfüllungsgeschäft ein einheitliches Rechtsgeschäft iSd § 139 bilden können, ist str. Während Rspr und ein Teil der Lit (BGHZ 31, 321, 323; BGH NJW 1967, 1128, 1130; 2005, 415, 417; NJW-RR 1989, 519; 2003, 733, 735; BAG NJW 1967, 751; BeckOGK/Jakl Rn 110; Soergel/Martens Rn 52; Grü/ Ellenberger Rn 7; Eisenhardt JZ 1991, 271ff) der Ansicht sind, dass über § 139 auch die durch die abstrakte Natur des Verfügungsgeschäfts bewirkte Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft überwunden werden kann, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Abrede bestehen, geht das Schrifttum (Staudinger/Roth Rn 54ff; Jauernig/Mansel Rn 3; Flume AT II § 12 III 4; Medicus/Petersen AT Rn 241, 504; Neuner AT § 56 Rn 12) Arnold
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überwiegend davon aus, dass das Abstraktionsprinzip die Zusammenfassung dieser Geschäfte zu einer Geschäftseinheit verbietet. Dem ist zu folgen, da die Annahme einer Geschäftseinheit eine unzulässige Umgehung des Abstraktionsprinzips darstellt. Dieses ist der privatautonomen Gestaltung vorgegeben und schließt daher entspr Abreden der Parteien aus (Flume AT II § 12 III 4). Soweit das Erfüllungsgeschäft jedoch bedingungsfreundlich ist, können die Parteien dieses Geschäft unter der Bedingung (§ 158) der Gültigkeit des Kausalgeschäfts schließen. Für die Annahme einer solchen Bedingung ist jedoch nur Raum, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine gewollte Verknüpfung dieser Art sprechen, etwa wenn die Parteien über die Gültigkeit des Kausalgeschäfts im Ungewissen sind (Flume AT II § 12 III 4). IÜ kann aber ein Mangel des Kausalgeschäfts, soweit er nicht auch beim Verfügungsgeschäft gegeben ist, nicht dessen Unwirksamkeit herbeiführen. Entspr gilt erst recht für den umgekehrten Fall, dass allein das Verfügungsgeschäft nichtig ist (s für den Erbverzicht Düsseldorf ZEV 2014, 265f). b) Nichtigkeit. Erforderlich ist weiterhin die Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts. Auf welchem Grund die teilw Nichtigkeit beruht, ist grds unerheblich. Die Teilnichtigkeit kann sich zB aus einem Formmangel (§ 125), aus einem Verstoß gegen ein gesetzl Verbot (§ 134) oder der Sittenwidrigkeit eines Geschäftsteils (§ 138) ergeben. Ferner kann die Nichtigkeit auch aus einer zulässigen Teilanfechtung folgen (BGH NJW 1969, 1759; s § 143 Rn 3). Anwendbar ist § 139 auch dann, wenn das Gesetz ein Rechtsgeschäft nicht ausdrückl als „nichtig“ bezeichnet, sondern nur die Unwirksamkeit anordnet (allg M, s nur Staudinger/Roth Rn 33; Neuner AT § 56 Rn 2). Erfasst ist damit auch die Unwirksamkeit eines Vergleichs nach § 779 (Köln OLG 1972, 42, 49). Ferner gilt die Vorschrift bei schwebender Unwirksamkeit eines Teils des Geschäfts (BGHZ 53, 174, 179; KG DNotZ 2004, 795, 796; BeckOK/Wendtland Rn 3). Erst recht ist § 139 anwendbar, wenn in diesen Fällen das Rechtgeschäft wegen Verweigerung der erforderlichen Genehmigung (§§ 108, 177) endgültig unwirksam geworden ist (Staudinger/Roth Rn 33). Anwendbar soll die Vorschrift nach verbreiteter Auffassung auch dann sein, wenn ein Rechtsgeschäft infolge eines Verbraucherwiderrufs unwirksam ist (NK/Faust Rn 42; MüKo/Busche Rn 8; vgl auch BGHZ 128, 155, 265, aA BeckOGK/Jakl Rn 115f). Gleiches soll gelten, wenn bei zwei an sich selbständigen, aufgrund des Parteiwillens zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft verbundenen Vereinbarungen eine Partei von einer der Vereinbarungen zurücktritt; das Rücktrittsrecht soll hier nur einheitlich ausgeübt werden können (BGH NJW 1976, 1931, 1932). Dagegen ist § 139 nicht anzuwenden, wenn die Vertragsschließenden später einen Teil des früheren Rechtsgeschäfts vertragl wieder aufheben (BGH FamRZ 1990, 975, 976). Ob bei einer durch spätere Gesetzesänderung herbeigeführten Teilnichtigkeit § 139 Anwendung findet, ist umstr (bejahend BGH NJW 1952, 299; Flume AT II § 32, 6; aA RGZ 146, 366, 368; BGHZ 17, 41, 49). Dies wird man indes nicht mit der Erwägung ablehnen können, dass nach § 139 auf den Willen der Parteien bei Vertragsschluss abzustellen sei und somit nur zu diesem Zeitpunkt bestehende Nichtigkeitsgründe berücksichtigt werden könnten (so aber RGZ 146, 366, 368); denn § 139 ist ohnehin nicht anwendbar, wenn den Parteien die Teilnichtigkeit bekannt ist (Flume AT II § 32, 6; s auch Rn 23). Wenn die Vorschrift vorsieht, dass über die Gesamtnichtigkeit der mutmaßliche Parteiwille entscheidet, passt dies auch bei nachträgl Teilnichtigkeit. Die Vorschrift sollte daher auch in diesem Fall gelten. c) Teilbarkeit. Obj Voraussetzung für den Fortbestand eines Rechtsgeschäfts ohne einen nichtigen Teil ist die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts. Sie ist gegeben, wenn bei Wegfall eines Teils des Rechtsgeschäfts ein Rest bleibt, der als selbständiges Rechtsgeschäft bestehen bleiben kann (RGZ 93, 334, 338; BGH NJW 1962, 912, 913). Sie kann sich zunächst daraus ergeben, dass einzelne Bestimmungen eines Rechtsgeschäfts wie etwa Gewährleistungsregeln unwirksam sind. Teilbar ist auch ein einheitliches, aus mehreren Geschäftstypen zusammengesetztes Rechtsgeschäft (s Rn 12), wenn die Nichtigkeit nur eines der Geschäfte betrifft. Freilich wird in diesem Fall gerade der Parteiwille, der die Verknüpfung der Geschäfte begründet, für die Gesamtnichtigkeit sprechen. Teilbar kann ein Rechtsgeschäft auch in quantitativer Hinsicht sein. Eine derartige Aufspaltung in einen nichtigen und einen wirksamen Teil ist insb dann denkbar, wenn sich die Nichtigkeit aus der vereinbarten Vertragsdauer oder dem Leistungsumfang, insb dem vereinbarten Entgelt oder der Menge verkaufter Sachen ergibt. Wird etwa von der Genossenschaft einem Mitglied ein Kredit unter Verstoß gegen § 22 IV GenG gewährt, so soll sich die Nichtigkeit auf die Kreditierung der Geschäftsanteile beschränken und nicht den gesamten Darlehensvertrag erfassen (BGH NJW 1983, 1420). Ferner wird zB die Zerlegung eines von einem Vormund für einen Mündel ohne die nach § 1799 II erforderliche Genehmigung des FamG geschlossenen Pachtvertrags in zeitl Hinsicht insoweit zugelassen, als die Aufrechterhaltung eines solchen Vertrags bis zu einem Jahr nach Volljährigkeit möglich ist (BGH NJW 1962, 734). Entspr soll für ein – gesellschaftsrechtl ausnahmsw zulässiges – Hinauskündigungsrecht gelten, das den anderen Gesellschaftern die Prüfung ermöglichen soll, ob mit dem neuen Gesellschafter das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann: Wird für die Ausübung des Kündigungsrechts eine unzulässig lange Frist vorgesehen, soll eine Reduzierung auf eine angemessene Frist möglich sein (BGH NZG 2007, 583, 585). Gleiches gilt hinsichtl der Laufzeit einer schuldrechtl Vereinbarung, mit der sich der Erbbauberechtigte zum Ankauf des Erbbaugrundstücks auf Verlangen des Grundstückseigentümers verpflichtet (BGH NJW-RR 2013, 1028, 1030). Teilbar ist auch ein Staffelmietvertrag, der erst für spätere Jahre gegen § 557a verstößt (BGH NJW 2012, 1502, 1503). Gleiches gilt für ein Mieterhöhungsverlangen wegen verschiedener Modernisierungsmaßnahmen, das nur hinsichtlich einzelner Maßnahmen nicht ausreichend begründet ist (BGH NZM 2020, 795, 796). 460
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Willenserklärung
§ 139
Ergibt sich die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts aus einer sittenwidrigen Bindungsdauer oder einer nichtigen räumlichen Erstreckung (Bsp: räumlich zu sehr ausgedehntes Wettbewerbsverbot), kann unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine Aufteilung in einen gültigen und einen ungültigen Teil erfolgen. So soll eine wegen übermäßig langer Laufzeit unzulässige schuldrechtl Vereinbarung, mit der sich der Erbbauberechtigte zum Ankauf des Erbbaugrundstücks auf Verlangen des Grundstückseigentümers verpflichtet, nach § 139 auf eine angemessene Bindungsdauer zu reduzieren sein (BGH NJW-RR 2013, 1028, 1030). Folgt die Nichtigkeit jedoch aus der Vereinbarung eines wegen seiner Höhe sittenwidrigen Entgelts, ist die Zerlegung in einen angemessenen und einen unangemessenen Teil nicht möglich (vgl § 138 Rn 30). Auch iÜ ist bei sittenwidrigen Geschäften bei einer quantitativen Aufteilung – und damit einer geltungserhaltenden Reduktion – besondere Sorgfalt bei Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens geboten, da andernfalls das Risiko beseitigt würde, das mit der Anordnung der Nichtigkeit verbunden ist (BGH NJW 2009, 1135, 1136f; s auch NK/Faust Rn 31ff). Eine Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts kann auch in subj Hinsicht bestehen. Sie kommt in Betracht, wenn mehrere Personen auf einer Seite des Rechtsgeschäfts beteiligt sind (RGZ 59, 174, 175; BGHZ 53, 174, 179; BGH NJW 1991, 39, 40). Ist die Erklärung eines Beteiligten nichtig, greift § 139 ein. Dieses ist insb bei einem Gesamtschuldverhältnis der Fall (RGZ 99, 52, 55; 138, 270, 272; Karlsruhe NJW-RR 1991, 947, 948). Wenn bei einer Mehrheit von Bürgen oder Bürgschaftsgläubigern eine einzelne Bürgschaftsbeziehung unwirksam ist, können die übrigen Bürgschaftsbeziehungen gem § 139 erhalten bleiben (RGZ 138, 279, 271f für Mitbürgen; BGH NJW 2001, 3327, 3328f für Mehrheit von Bürgschaftsgläubigern). Teilbarkeit besteht auch bei einem Geschäftsabschluss durch einen vollmachtlosen Vertreter im eigenen und zugleich im fremden Namen (vgl BGH NJW 1970, 240, 241). Ist hingegen die Erklärung eines Gesamtvertreters nichtig, scheidet eine Teilbarkeit aus, da die Erklärungen der anderen Vertreter nicht allein bestehen können (BGHZ 53, 210, 214f). Ist die nichtige Erklärung eines Beteiligten für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts rechtl überflüssig, liegt keine Teilnichtigkeit iSd § 139 vor (Flume AT II § 32, 2b; aA BGHZ 3, 206, 209). Dagegen soll § 139 Anwendung finden, wenn bei einem von mehreren Verbrauchern mit einem Unternehmer abgeschlossenen Darlehensvertrag einer den Widerruf erklärt (BGH NJW 2017, 243, 245; 2018, 223, 225). d) Kein abweichender Parteiwille. Wird die Teilnichtigkeit festgestellt, ist zu prüfen, ob nach dem Willen der Beteiligten der Rest des Geschäfts nichtig oder gültig sein soll (vgl Rn 10). Erst wenn die Parteien weder eine ausdrückl noch eine konkludente Regelung für den Fall der Teilnichtigkeit getroffen haben, ist nach § 139 auf den mutmaßlichen Parteiwillen abzustellen. Maßgeblich ist, welche Entscheidung die Beteiligten bei Kenntnis der Sachlage vernünftigerweise nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte geschlossen hätten (BGH NJW 1986, 2576, 2577; 1993, 1587, 1589; NJW-RR 2005, 1290, 1291). Dabei kommt es nicht auf die Sicht eines obj Dritten, sondern den Standpunkt der Parteien an; ihre (mutmaßliche) Sicht ist auch dann entscheidend, wenn sie obj unvernünftig ist (Medicus/Petersen AT Rn 508; vgl auch BGH NJW 2004, 3045, 3046; 2006, 2696, 2697: Die Parteien wollten „idR“ das obj Vernünftige). Zu berücksichtigen sind auch einseitige, nicht zum Vertragsinhalt gewordene Interessen einer Partei, da keiner Seite die Geltung des wirksamen Geschäftsteils aufgezwungen werden darf (Flume AT II § 32, 5; Medicus/Petersen AT Rn 508). Führt die Auslegung nicht zu einem klaren Ergebnis, greift die Auslegungsregel des § 139 ein, und das Rechtsgeschäft ist insg nichtig. Ist nur ein geringfügiger Teil des Geschäfts nichtig, wird es regelmäßig dem Willen der Beteiligten entsprechen, den im Vordergrund stehenden überwiegenden Teil des Geschäfts aufrechtzuerhalten (s nur BeckOGK/Jakl Rn 168). Das gilt insb, wenn für eine nichtige (Neben-)Abrede eine gesetzl Regelung eingreift. Bei nichtiger Vereinbarung überlanger Vertragslaufzeiten, die sich im Wege geltungserhaltender Reduktion auf ein zulässiges zeitl Maß reduzieren lassen (Bsp: Dauer einer Bezugsbindung, etwa bei einem Bierlieferungsvertrag; zeitl Überdehnung eines Wettbewerbsverbotes), wird idR ebenfalls ein auf Fortbestand des Gesamtgeschäfts gerichteter (hypothetischer) Parteiwille anzunehmen sein (s zu den Grenzen einer derartigen geltungserhaltenden Reduktion allerdings Rn 20). Ebenso soll eine zeitl zu weit reichende Vereinbarung einer Staffelmiete nicht insg, sondern nur insoweit unwirksam sein, wie sie über das zeitl zulässige Maß hinausgeht (BGH NJW-RR 2009, 306; NJW 2012, 1502, 1503). Bloße Teilnichtigkeit kann auch bei Beschlüssen in einer Gesellschaft oder einer WE-Gemeinschaft in Betracht kommen, bei denen mehrere Gegenstände zusammengefasst werden und ein Teil nichtig ist (BGH NZG 2015, 867, 870f für Hauptversammlungsbeschlüsse in der AG; KG NJW-RR 2016, 716 für die Wohnungseigentümer-Gemeinschaft; generell krit gegen die Geltung der Vermutung des § 139 bei Beschlüssen Grunewald NZG 2017, 1321, 1323). Ebenso kann eine teilw unwirksame Schiedsvereinbarung im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft iÜ aufrechtzuerhalten sein (BGH NZG 2022, 264, 267; krit Schlüter DZWiR 2022, 605). Bei beiderseitiger Kenntnis der Teilnichtigkeit ist § 139 nicht anwendbar, so dass danach das Restgeschäft gültig bleibt (RGZ 68, 322, 326; BGHZ 45, 376, 379; vgl auch BGH NJW 1999, 351; BeckOGK/Jakl Rn 170). Dies wird von der Rspr damit begründet, dass es hinsichtl des nichtigen Teils am Erklärungsbewusstsein und damit an einem Rechtsgeschäft fehle; das Rechtsgeschäft werde daher in diesen Fällen allein vom gültigen Teil gebildet, so dass § 139 von vornherein nicht anwendbar sei (BGHZ 45, 376, 379). IÜ lässt sich dieses Ergebnis aber jedenfalls mit der Erwägung rechtfertigen, dass sich die Teilnichtigkeit bei Koppelung einer bewusst unwirksamen Erklärung mit einer wirksamen nach dem Parteiwillen nicht auf das gesamte Geschäft erstrecken soll (Medicus/ Petersen AT Rn 507). Hat nur einer der Beteiligten die Teilnichtigkeit gekannt, aber erklärt, den Erfolg zu wollen, muss er sich entspr § 116 an seinen erklärten Willen binden lassen.
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Rechtsgeschäfte
5. Rechtsfolge. Ist nicht anzunehmen, dass das ganze Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde, tritt Gesamtnichtigkeit ein. Diese kann von jedermann geltend gemacht werden und ist im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen (Grü/Ellenberger Rn 16). Der Geltendmachung der Nichtigkeit kann aber die Einrede der Arglist entgegenstehen, wenn sich zB eine Partei auf die Nichtigkeit von einzelnen Bestimmungen, die nur dem Vorteil und dem Schutz der anderen Partei dienen sollen, und auf die damit nach § 139 BGB eintretende Nichtigkeit des ganzen Vertrags beruft, um sich ihrer Vertragspflichten insg zu entledigen (BGH NJW 1967, 245; WM 1983, 267, 268; Schleswig NJW-RR 2006, 1665, 1667). Die Berufung auf die Gesamtnichtigkeit kann auch dann arglistig sein, wenn der nichtige Teil des Rechtsgeschäfts bei der Durchführung des übrigen Geschäfts bedeutungslos geblieben ist (RGZ 153, 59, 61; BGHZ 112, 288, 296). Ferner soll einer Partei die Berufung auf die Nichtigkeit des gesamten, bereits erfüllten Vertrags verwehrt sein, wenn diese Vorteile aus der Erfüllung gezogen hat, die nicht mehr sachgemäß rückabgewickelt werden können oder sogar bei dieser Partei unwiederbringlich verbleiben müssten (Düsseldorf MittRhNotK 2000, 339, 341). 6. Beweislast. Wer in einem Rechtsstreit geltend macht, das Rechtsgeschäft sei wegen Nichtigkeit eines Teils insg nichtig, muss die str Tatsachen beweisen, die zur Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts erforderlich sind. Trägt er vor, dass mehrere formell selbständige Geschäfte zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft zusammengefasst sind, so muss er die dafür erheblichen Tatsachen beweisen (BGH NJW 1997, 3304, 3307). Ist eine für die Ermittlung des (hypothetischen) Willens der Parteien erhebliche Tatsache str, so hat dafür derjenige die Beweislast, der geltend macht, dass das Geschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre (BGH NJW 1970, 1414, 1415; NJW-RR 1997, 684, 685; 2005, 1290, 1291; BeckOGK/Jakl Rn 188). Enthält das Rechtsgeschäft eine salvatorische Klausel, so verkehrt diese die Nichtigkeitsvermutung des § 139 in ihr Gegenteil; die Darlegungsund Beweislast für alle Umstände, die gleichwohl die Gesamtnichtigkeit begründen sollen, trifft dann denjenigen, der sich entgegen der Klausel auf die Nichtigkeit beruft (s Rn 10).
§ 140
Umdeutung
Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. 1 1. Bedeutung. Die Umdeutung (Konversion) eines nichtigen Rechtsgeschäfts in ein anderes – gültiges – Rechtsgeschäft (Ersatzgeschäft) soll dem Willen der Parteien auch dann möglichst zum Ziel verhelfen, wenn das von ihnen primär gewählte rechtl Mittel unzulässig ist. Sofern die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit – etwa im Hinblick auf das im Wesentlichen gleiche Ergebnis – das andere gültige Geschäft gewollt hätten, soll nach § 140 dieses Geschäft gelten. Die Umdeutung knüpft damit an den von den Parteien gewollten wirtschaftl Erfolg an; um ihn – zumindest im Wesentlichen – zu erreichen, wird das unzulässige Mittel durch ein (hypothetisch) hilfsweise gewolltes zulässiges ersetzt. 2 2. Anwendungsbereich. Umdeutungsfähig sind zunächst alle privatrechtl Rechtsgeschäfte (Einzelheiten Rn 8). Auf fehlerhafte Prozesshandlungen kann § 140 analog angewandt werden (BGHZ 100, 383, 387; BGH NJW 1962, 1820; 2001, 1216, 1217; 2017, 260, 262; 2019, 2034, 2035; NJW-RR 2008, 1876, 1877; 2016, 445; vgl auch BSG NZS 2004, 334, 336). So kann etwa ein unwirksamer Prozessvergleich als außergerichtlicher materiellrechtl Vergleich Bestand haben (BGH NJW 1985, 1962, 1963). Ebenso kann ein unzulässiges Rechtsmittel in ein zulässiges umgedeutet werden (BGHZ 100, 383, 387; BGH NJW 1962, 1820; 2001, 1217, 1218). Möglich ist auch die Umdeutung einer unzulässigen Hauptberufung in eine unselbständige Anschlussberufung (BGH NJWRR 2016, 445). Die Umdeutung von Erklärungen an das Grundbuchamt ist dagegen nur in den durch die Formalisierung gezogenen Grenzen möglich; sie setzt voraus, dass das Grundbuchamt ohne weitere Ermittlungen anhand der urkundlichen Unterlagen zu einer abschließenden Würdigung in der Lage ist (BayObLG NJW 1953, 1914; NJW-RR 1997, 1237, 1238; 1511, 1512; KG NJW 1967, 2358, 2359; Düsseldorf DNotZ 1977, 305, 307). Für das öffentliche Recht ergibt sich die Anwendbarkeit des § 140 auf öffentlich-rechtl Verträge schon aus § 62 S 2 VwVfG. Bei öffentlich-rechtl Willenserklärungen soll eine analoge Anwendung des § 140 möglich sein (OVG Münster NVwZ 1984, 655; NVwZ-RR 1998, 70; offengelassen in NVwZ 1990, 677; Grü/Ellenberger Rn 1; skeptisch MüKo/Busche Rn 11). Für Verwaltungsakte gelten die Spezialregelungen der § 47 VwVfG, § 128 AO, § 43 SGB X. 3 3. Abgrenzung. a) Auslegung. Der Umdeutung nach § 140 muss die Auslegung (§§ 133, 157) vorangehen (BAG NJW 2006, 2284, 2286; BeckOGK/Beurskens Rn 5, Soergel/Martens Rn 8; Medicus/Petersen AT Rn 517). Für eine Umdeutung ist daher zB kein Raum, wenn die Auslegung ergibt, dass die Parteien etwas vom Wortlaut des Geschäfts Abw gewollt haben und das übereinstimmend Gewollte gültig ist (falsa demonstratio; § 133 Rn 18). Führt die Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Parteien für den Fall der Nichtigkeit eine Ersatzregelung getroffen haben, so gilt die Ersatzregelung unter der Voraussetzung, dass das primär Gewollte nichtig und das hilfsweise Vereinbarte gültig ist; auf den hypothetischen Willen kommt es nicht an. Eine Konversion scheidet schließlich auch dann aus, wenn die Auslegung ergibt, dass die Parteien im Falle der Nichtigkeit eine Umdeutung nicht wollten; dann bleibt es bei der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, vgl Rn 16. 3a Aus dem Vorrang der Auslegung vor der Umdeutung folgt auch das Verhältnis von § 140 zur wohlwollenden Auslegung von Testamenten (§ 2084). Diese scheidet aus, wenn der Erblasserwille auf einen nichtigen Inhalt gerichtet ist; in diesem Fall kommt allein die Umdeutung in Betracht (MüKo/Leipold § 2084 Rn 70; NK/Kroiß/ 462
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Willenserklärung
§ 140
Fleindl § 2084 Rn 58; Berneith Die Konversion, 2016, S 25; aA Kipp/Coing ErbR14 1990, 147: § 2084 bezieht sich anders als § 140 nur auf einzelne Bestimmungen innerhalb eines Rechtsgeschäfts). Unklar ist das Verhältnis der Umdeutung zur erg Auslegung (s § 133 Rn 20). Teilw wird darauf abgestellt, dass die erg Auslegung einen wirksamen, aber lückenhaften Vertrag voraussetze, während § 140 bei einem nichtigen Vertrag eingreife (Staudinger/Roth Rn 8). Nach aA soll es sich bei der Umdeutung dagegen um einen Spezialfall der erg Auslegung handeln (NK/Faust Rn 3). Praktische Konsequenzen dürften sich aus dieser Kontroverse freilich kaum ergeben, da § 140 jedenfalls als vorrangige Spezialregelung anzusehen ist. b) Teilnichtigkeit. § 139 behandelt den Fall, dass nur ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig ist, und regelt die Auswirkungen auf den gültigen Teil des Rechtsgeschäfts. Dagegen betrifft § 140 die nichtige Regelung selbst (NK/Faust Rn 4). Unklar ist, ob § 140 bei einem teilnichtigen Geschäft auf den unwirksamen Teil angewandt werden kann (dafür NK/Faust Rn 12; aA MüKo/Busche Rn 12; Staudinger/Roth Rn 14; offenlassend BGH NJW 1986, 58, 59). Insoweit dürfte freilich Zurückhaltung geboten sein. Im Hinblick auf den Parteiwillen wird regelmäßig die Frage vorrangig sein, ob der wirksame Teil allein aufrechterhalten werden kann. Ist dies der Fall, ist wegen des Vorrangs der Auslegung für § 140 kein Raum (Berneith Die Konversion, 2016, S 35f). c) Gesetzliche Sonderregelungen. Gelegentlich enthält das Gesetz Spezialregelungen zur Behandlung unwirksamer Rechtsgeschäfte. So ist etwa nach § 150 II die verspätete Annahme als neuer Antrag zu behandeln. Als weitere Sonderregelungen werden § 550 S 1 und § 2301 genannt (MüKo/Busche Rn 5; Staudinger/Roth Rn 5). 4. Voraussetzungen der Umdeutung. a) Rechtsgeschäft. In Betracht kommen alle Arten von Rechtsgeschäften. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäft (s RGZ 66, 24, 28) handelt. Auch familienrechtl Rechtsgeschäfte sind umdeutbar (Karlsruhe NJW 1977, 1731). Rechtsgeschäfte unter Lebenden sind in Geschäfte von Todes wegen und diese in Geschäfte unter Lebenden umdeutbar (vgl Staudinger/Roth Rn 9). Schließlich werden nicht nur Verträge (BGH NJW 1963, 339), sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte von § 140 erfasst. So ist möglicherweise eine Anfechtung in einen Rücktritt (BGH NJW 2006, 2839, 2842) oder in einen Widerruf, eine außerordentliche Kündigung eines Dienst- oder Arbeitsvertrags in eine ordentliche Kündigung umzudeuten (Einzelheiten Rn 20). Bei einem wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit eines Teils unwirksamen mehrseitigen Rechtsgeschäft (zB Erbvertrag, gemeinschaftl Testament) kommt eine Umdeutung in ein einseitiges Rechtsgeschäft des vollgeschäftsfähigen anderen Teils in Betracht (zB Testament; Einzelheiten Rn 21). b) Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. § 140 setzt die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts voraus. Der Grund der Nichtigkeit ist grds gleichgültig. Anwendbar ist die Vorschrift auch dann, wenn das Gesetz ein Rechtsgeschäft nicht ausdrückl als „nichtig“, sondern als unwirksam bezeichnet (BGHZ 40, 218, 222; Staudinger/Roth Rn 14). § 140 ist daher zB auch auf eine wegen Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksame außerordentliche Kündigung anwendbar (s Rn 20; ferner nur Grü/Ellenberger Rn 3). Auch ein zunächst schwebend unwirksames Geschäft ist umdeutbar, wenn es (zB durch Verweigerung der Genehmigung) endgültig unwirksam geworden ist (BGHZ 40, 218, 222; Staudinger/Roth Rn 14). Dagegen kommt ein Rückgriff auf § 140 nicht in Betracht, solange das Geschäft noch wirksam werden kann (BGHZ 40, 218, 222; BGH ZIP 2009, 264, 266; vgl auch BGHZ 125, 355, 363f; Medicus/Petersen AT Rn 518); dasselbe gilt, solange die Heilung eines formnichtigen Rechtsgeschäfts noch möglich ist (NK/Faust Rn 11). Keine Umdeutung ist möglich, wenn es bereits an einer Einigung zw den Parteien fehlt. Ist daher ein Vertrag wegen Dissenses nicht zustande gekommen, kann man durch Umdeutung nicht zu einem Vertragsschluss kommen (RGZ 93, 297, 300; NK/Faust Rn 10). Ebenso liegt bei einer nichtigen Scherzerklärung (§ 118) keine Willenserklärung vor, die umgedeutet werden könnte (MüKo/Busche Rn 12). Bei Nichtigkeit des Geschäfts wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit scheitert an dieser auch eine Umdeutung in ein gültiges Geschäft (Staudinger/Roth Rn 17; Flume AT II § 32, 9c). Ausgeschlossen ist eine Umdeutung ferner, wenn der Vertragsschluss daran scheitert, dass von zwei Gesamtvertretern einer die Genehmigung des Geschäfts verweigert (BGH WM 1982, 155, 156). Bei einem Scheingeschäft geht § 117 II dem § 140 vor (MüKo/Busche Rn 12; Mühlhans NJW 1994, 1049). Keine Umdeutung kommt entgegen teilw vertretener Auffassung (s MüKo/Busche Rn 13; Staudinger/Roth Rn 14: entspr Anwendung) im Fall der Unmöglichkeit der Leistung in Betracht, da auch die anfängliche obj Unmöglichkeit nach der Schuldrechtsreform nicht mehr zur Nichtigkeit des Vertrags führt (ebenso BeckOGK/ Beurskens Rn 35). Umstr ist, ob auch ein wirksam angefochtenes Rechtsgeschäft der Umdeutung zugänglich ist. Für die Möglichkeit einer Umdeutung wird geltend gemacht, dass es sich bei einem angefochtenen Rechtsgeschäft nicht um ein Nicht-Rechtsgeschäft, sondern um ein nichtiges Geschäft handele, das wie jedes andere nichtige Geschäft umdeutbar sei (BeckOGK/Beurskens Rn 38; Staudinger/Roth Rn 15). Nach anderer Auffassung ist für eine Umdeutung kein Raum mehr, da durch die Anfechtung die Erklärung als Grundlage für ein Ersatzgeschäft entfallen sei (Flume AT II § 32, 9c; Medicus/Petersen AT Rn 518). Praktisch wird in diesen Fällen eine Umdeutung freilich ohnehin kaum in Betracht kommen (zurückhaltend auch Soergel/Martens Rn 15, der eine Umdeutung nur für möglich hält, wenn der angestrebte wirtschaftl Erfolg vom Willensmangel nicht betroffen ist). IdR wird es allein darum gehen können, ob das Geschäft mit dem Inhalt, den der Anfechtende eigentlich gewollt hat, aufrechterhalten werden kann. Diese Möglichkeit folgt aber nicht aus § 140, sondern aus dem Grundsatz, dass die Anfechtung kein Reuerecht darstellt (s § 119 Rn 48). Von vornherein ausgeschlossen ist die Umdeutung iÜ vor der Anfechtung; denn bis zur Anfechtung ist das anfechtbare Geschäft wirksam. Arnold
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c) Wirksames Ersatzgeschäft. Das nichtige Geschäft muss den Erfordernissen eines anderen entsprechen. Dieses Ersatzgeschäft braucht aber nicht als ein Minus in dem nichtigen Geschäft enthalten zu sein (vgl dahingehend aber zB BGHZ 19, 269, 275; 20, 369, 370; BGH NJW 1963, 339, wo es heißt, das Ersatzgeschäft müsse in dem nichtigen Rechtsgeschäft enthalten sein). Denn bei der Umdeutung handelt es sich nicht um einen besonderen Fall der Teilnichtigkeit; das andere Geschäft braucht von den Parteien nicht wirklich vorgenommen worden zu sein (so aber Flume AT II § 32, 9c), sondern nur dem hypothetischen Willen zu entsprechen (Medicus/ Petersen AT Rn 519f; Staudinger/Roth Rn 21). Zwar wird das Ersatzgeschäft vielfach geringere Rechtswirkungen auslösen, als mit dem nichtigen Geschäft bezweckt sind (zB vertragl Zurückbehaltungsrecht anstelle der nichtigen Verpfändung, RGZ 124, 28, 30; Übertragung des Anwartschaftsrechts anstelle der Übereignung einer fremden Sache, vgl Staudinger/Roth Rn 73); erforderlich ist das aber nicht. So steckt in der Übereignung aufgrund vorweggenommener Erbfolge kein Erbvertrag; dennoch ist eine Umdeutung möglich (vgl BGHZ 40, 218, 221). Entscheidend ist allein, dass der wirtschaftl Erfolg, den die Parteien mit dem nichtigen Geschäft erreichen wollten, im Wesentlichen oder wenigstens teilw durch das andere Geschäft erreicht wird (RGZ 110, 391, 392; BGHZ 68, 204, 206; Staudinger/Roth Rn 21). Das Ersatzgeschäft darf also ggü dem nichtigen ein Weniger und auch ein Aliud, nicht aber ein Mehr darstellen (BGHZ 19, 269, 275; 20, 363, 370; 125, 355, 363; BAG DB 1975, 214; NJOZ 2006, 1859, 1864f; Soergel/Martens Rn 19). Die Umdeutung kann auch zu einer Veränderung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung oder zu einer Herabsetzung der Gegenleistung im Interesse des Gleichgewichts führen (BGH VIZ 2004, 326, 328). Ein Aliud in der Rechtsfolge gibt aber Anlass, den hypothetischen Willen besonders sorgfältig zu prüfen. Die Umdeutung darf insb nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes über die rechtl Beziehungen hinaus führen, die die Parteien regeln wollten (BGHZ 92, 363, 370; BGH NJW 1997, 521, 522). Die Grenze für eine Umdeutung liegt demnach dort, wo das Ersatzgeschäft in seinen Wirkungen über das nichtige Geschäft hinausgeht, also etwa dem Schuldner größere Pflichten auferlegt. Infolgedessen kann eine Kündigungs- oder Rücktrittserklärung nicht in eine Anfechtungserklärung wegen Irrtums umgedeutet werden, weil diese einen Schadensersatzanspruch nach § 122 zur Folge hätte (BGH BB 1965, 1083; BAG NJW 1976, 592); entspr gilt für die Umdeutung eines Verlangens auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in eine Kündigung nach § 648 (Karlsruhe NJW-RR 1993, 1368, 1369); im Versicherungsrecht scheitert die Umdeutung einer unwirksamen Rücktrittserklärung in eine Anfechtung gem § 123 daran, dass bei wirksamer Anfechtung § 21 II VVG ausgeschlossen wird (BGH NJW-RR 1997, 1112, 1113); wohl aber kann umgekehrt eine Anfechtung in eine Kündigung oder in einen Rücktritt umgedeutet werden (BGH NJW 1975, 1700, 1701). Eine nichtige Bestellung eines Pfandrechts ist nicht in eine Sicherungsübereignung umdeutbar, weil diese weitergehende Folgen nach sich zieht (Grün/Ellenberger Rn 12). Das Ersatzgeschäft selbst darf nicht an einem Nichtigkeitsgrund leiden. Deshalb müssen alle Gültigkeitsvoraussetzungen (zB Geschäftsfähigkeit, Verfügungsmacht, Form) gegeben sein. Fehlende Tatbestandsmerkmale dürfen nicht fingiert werden (RG JW 1938, 45; MüKo/Busche Rn 16). Bei einem nach § 138 nichtigen Geschäft ist zu beachten, dass eine Umdeutung immer nur dann zulässig sein soll, wenn das von den Parteien gewählte Mittel von der Rechtsordnung missbilligt wird, nicht aber, wenn mit dem Geschäft ein missbilligter Erfolg erstrebt wird (BGHZ 68, 204, 206; BGH NJW 1986, 2944, 2945; Grü/Ellenberger Rn 7; Medicus/Petersen AT Rn 523). Die Umdeutung eines nach § 134 nichtigen Geschäfts kommt nur dann in Betracht, wenn das Ersatzgeschäft nicht gegen das gesetzl Verbot verstößt. Niemals darf die Umdeutung dem Schutzzweck der Nichtigkeit zuwiderlaufen (Staudinger/Roth Rn 31; Neuner AT § 57 Rn 11). Eine Formnichtigkeit steht der Umdeutung nicht zwingend entgegen; doch kann sie im Einzelfall im Hinblick auf den Zweck der betroffenen Formvorschrift ausgeschlossen sein (BGH NJW 1980, 2517; Hamm NJW 1988, 3022 – keine Umdeutung der formunwirksamen Bürgschaft in einen Schuldbeitritt; Staudinger/Roth Rn 30; Medicus/Petersen AT Rn 522). Für eine Umdeutung ist auch dann Raum, wenn das Ersatzgeschäft weniger fehlerhaft ist als das umzudeutende Geschäft. Das ist etwa der Fall, wenn ein nichtiges Geschäft in ein zwar auch nichtiges, aber durch Erfüllung heilbares Geschäft (RGZ 129, 122, 123), in ein schwebend unwirksames oder in ein wirksames, wenn auch anfechtbares Geschäft (BeckOGK/Beurskens Rn 55; Staudinger/Roth Rn 20) umgedeutet werden kann; denn in den beiden erstgenannten Fällen besteht die Möglichkeit, dass das Geschäft wirksam wird, und im letzten Fall ist das Ersatzgeschäft gültig, sofern es nicht wirksam angefochten wird. d) Hypothetischer Wille. Für eine Umdeutung genügt es nicht, dass das nichtige Geschäft den Erfordernissen eines wirksamen Ersatzgeschäfts entspricht. Dieses Ersatzgeschäft gilt nur dann, „wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde“. Daraus folgt zunächst, dass eine Umdeutung ausscheidet, wenn die Parteien bei Abschluss des Geschäfts dessen Nichtigkeit kannten; wer ein Rechtsgeschäft in Kenntnis seiner Nichtigkeit vornimmt, ist nicht schutzwürdig; seinem Willen braucht nicht durch Umdeutung zum Erfolg verholfen zu werden (NK/Faust Rn 30; Mühlhans NJW 1994, 1049). Wenn die Parteien bei Geschäftsabschluss an die Nichtigkeit nicht gedacht haben, kann für die Umdeutung nicht auf die Ermittlung des wirklichen Willens abgestellt werden; vielmehr kommt es auf die Feststellung des mutmaßlichen Willens an. Für den hypothetischen Willen ist immer auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen (BGHZ 40, 218, 223; 1980, 2517). Bei der Auslegung ist zu erforschen, ob die Parteien das Ersatzgeschäft geschlossen hätten, wenn sie bei Vornahme des Geschäfts dessen Nichtigkeit gekannt hätten (BGHZ 19, 269, 273; 40, 218, 223; 125, 355, 363; BGH NJW 1980, 2517). Der Richter darf also nicht nach rein obj Gesichtspunkten den Inhalt des Rechtsgeschäfts bestimmen (BGHZ 19, 269, 273; 125, 355, 363; Soergel/ Martens Rn 24). Allerdings ist ein hypothetischer Wille, das Ersatzgeschäft gelten zu lassen, regelmäßig anzuneh464
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Willenserklärung
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men, wenn dadurch derselbe wirtschaftl Erfolg erreicht wird wie durch das nichtige Rechtsgeschäft; im Allg kann davon ausgegangen werden, dass es den Parteien als vernünftig denkenden Menschen beim Vertragsschluss auf den von ihnen angestrebten wirtschaftl Erfolg angekommen ist (so BGHZ 19, 269, 273). Die Umdeutung darf nicht zu einer Bevormundung der Parteien führen. Besondere individuelle Willensrichtungen und Interessen sind zu beachten, soweit sie für das umzudeutende Geschäft bestimmend waren. Deshalb gibt es keine Umdeutung gegen den erkennbaren Willen der Parteien, auch wenn die Umdeutung wirtschaftl vernünftig wäre (BGHZ 19, 269, 273; BGH NJW 1980, 2350, 2352; NJW-RR 1986, 352, 353; BeckOGK/Beurskens Rn 64; Medicus/Petersen AT Rn 521). Haben die Parteien für den Fall der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts eine gültige Ersatzregelung vorgesehen, greift diese ein; es bleibt kein Raum für eine Umdeutung. Ergibt die Auslegung, dass die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit von einem Abschluss des Geschäfts abgesehen hätten, hat eine Umdeutung zu unterbleiben. 5. Prozessuale Behandlung. Die Umdeutung tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer entspr Erklärung einer Partei bedürfte (BAG NJW 2002, 2972, 2973). Sie ist im Prozess von Amts wegen zu beachten (BGH NJW 1963, 339, 340; BeckOGK/Beurskens Rn 19). Macht eine Partei Rechtsfolgen aus einem umgedeuteten Geschäft geltend, hat sie für die von ihr für die Umdeutung behaupteten Tatsachen die Beweislast. 6. Einzelfälle. a) Abtretung. Die unwirksame Abtretung einer Forderung kann in eine Einziehungsermächtigung umgedeutet werden (BGHZ 68, 118, 125; BGH NJW 1987, 3121, 3122; NJW-RR 2003, 51, 52; NJW 2007, 1957, 1959). Möglich ist auch die Umdeutung der Abtretung eines schuldrechtl Herausgabeanspruchs aus einem Sicherungsgeschäft in die Abtretung des auf Herausgabe des Erlöses gerichteten Bereicherungsanspruchs (Hamm MDR 1962, 985). Gleiches gilt für die Umdeutung der Abtretung des Nießbrauchs in die Überlassung der Nießbrauchsausübung (RG JW 1910, 801). b) Anfechtung. Eine Anfechtung kann in eine Kündigung (BGH NJW 1975, 1700, 1701; Hamm VersR 1981, 275) oder einen Rücktritt umgedeutet werden (BGH NJW 2006, 2839, 2842; aA für Anfechtung eines Versicherers Köln VersR 1990, 769). c) Arbeits- oder Dienstvertrag. Die Umdeutung des Angebots eines Betriebsübernehmers (§ 613a) auf Abschluss eines Arbeitsvertrags in ein Angebot zur Vertragsänderung ist möglich (BAG NJW 1977, 1470), eines Beamtenverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis dagegen idR nicht (BAG NJW 1960, 358, 359; AP Nr 196 § 611 Lehrer, Dozenten). Die fristlose (außerordentliche) Kündigung eines Arbeits- oder Dienstvertrags ist in eine ordentliche (fristgemäße) Kündigung umdeutbar, falls die Kündigung erkennbar notfalls auch als ordentliche Kündigung gelten sollte (BAG AP Nr 10 § 626 Druckkündigung; NJW 1988, 581; 2002, 2972, 2973; NZA 2010, 1348, 1351f; BGHZ 20, 239, 249; BGH NJW 1998, 76) und beim Arbeitsvertrag die – notwendige – (vorsorgliche) Anhörung des Betriebsrats auch zu der ordentlichen Kündigung erfolgte (BAG NJW 1976, 2366, 2377; 1979, 76, 77ff; 1988, 581, 582; 1994, 1891, 1893; s auch BAG NZA 2015, 866, 871; 2019, 1343, 1345); bei schwerbehinderten ArbN muss zudem das Integrationsamt nach § 168 SGB IX auch der ordentlichen Kündigung zugestimmt haben (BAG NJW 2014, 3180, 3182). Entspr gilt für die Umdeutung einer fristlosen außerordentlichen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist (BAG NJW 2001, 1229, 1230). Ferner kann eine fristlose Kündigung in ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags umgedeutet werden (BAG AP Nr 64 § 626; München NJW-RR 1995, 95 – Handelsvertretervertrag; LAG Düsseldorf BB 1996, 1119). Vorbehaltlich § 7 KSchG kann auch eine mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung in eine zum nächsten zulässigen Termin umgedeutet werden (BAG NZA 2010, 1409, 1411). Unzulässig ist dagegen die Umdeutung der formnichtigen Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses in eine Suspendierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten (ArbG Berlin NJ 2003, 332) oder einer ordentlichen Kündigung in eine außerordentliche (BAG AP Nr 1 § 44 TV AL II) oder in eine Anfechtung des Arbeitsvertrags (BAG NJW 1976, 592). Wenn eine Betriebsvereinbarung über die Erhöhung der bisherigen Vergütung und über Weihnachtsgeld wegen Verstoßes gegen § 77 III BetrVG nichtig ist, kann die ihr zugrundeliegende Erklärung des ArbGeb ausnahmsw unter der Voraussetzung in ein entspr Vertragsangebot an die einzelnen ArbN umgedeutet werden, dass besondere Umstände auf den Willen des ArbGeb schließen lassen, sich unabhängig von der betriebsverfassungsrechtl Regelungsform ggü den ArbN binden zu wollen (BAG NZA 1990, 69; 1996, 948, 949; 2016, 642, 645; 2019, 1082, 1090; 2021, 1794, 1797). d) Erbrecht. Ein gemeinschaftl Testament, das nur von einem Ehegatten unterschrieben worden ist, kann in ein Einzeltestament umgedeutet werden, wenn dies dem Erblasserwillen entspricht (BayObLG NJW-RR 1992, 332, 333; Stuttgart NJW-RR 2019, 715, 716). Auch bei einem unwirksamen gemeinschaftl Testament von Nichteheleuten ist eine Umdeutung in Einzeltestamente möglich (Braunschweig NJW-RR 2005, 1027, 1028; München NJW-RR 2010, 1382, 1383). Beim gemeinschaftl Testament lassen sich aber wechselbezügliche Verfügungen nicht ohne weiteres in einseitige Verfügungen von Todes wegen umdeuten, wenn es an einer wirksamen korrespektiven Verfügung des anderen Ehegatten fehlt (Hamm NJW-RR 1996, 1290; Berneith, Konversion, 2016, S 134ff; Berneith ZEV 2019, 241ff; großzügiger München NJW-RR 2010, 1382, 1383; 2014, 1354, 1355; Düsseldorf FGPrax 2016, 176, 177; diff BeckOK/Litzenburger § 2265 Rn 25; im Hinblick auf § 2270 gegen die Umdeutung in den Fällen formeller Unwirksamkeit aufgrund eines nachträgl Ereignisses und Unwirksamkeit aufgrund inhaltlicher Mängel einer Verfügung Kollmeyer NJW 2018, 662, 664). Ein nichtiger Erbvertrag kann, soweit der Erblasserwille dies zulässt, in ein gemeinschaftl oder einfaches Testament (BayObLG NJW-RR 1996, 7, 8; Jena FamRZ 1994, 786) oder in einen schenkweisen Erlass (BGH NJW 1978, 423) umgedeutet werden. Zulässig ist Arnold
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Rechtsgeschäfte
die Umdeutung einer nach § 2302 nichtigen Verpflichtung zum Abschluss eines Erbvertrags in einen Vertrag zugunsten Dritter, sofern der Inhalt dieses Vertrags genügend konkret ist (BGH LM Nr 3; krit Berneith Die Konversion, 2016, S 160f), sowie einer (wegen § 311b IV nichtigen) Erbteilsübertragung in einen Erbverzicht (BGH NJW 1974, 43, 44). Umdeuten lässt sich ausnahmsw auch eine gem § 1365 unwirksame Vermögensübertragung unter Lebenden in einen Erbvertrag, wenn gewichtige Anhaltspunkte für einen dahingehenden hypothetischen Parteiwillen sprechen; durch die Umdeutung darf aber die Genehmigungsverweigerung nicht unterlaufen und der Schutzzweck des § 1365 nicht ausgehöhlt werden (BGHZ 40, 218, 220; 125, 355, 363; BGH NJW 1980, 2350, 2353). Eine in den Scheidungsvergleich aufgenommene Verpflichtung, ein Testament nicht zu ändern, kann in einen Erbvertrag umgedeutet werden (Stuttgart NJW 1989, 2700, 2701), eine gegen § 2302 verstoßende Auflagenanordnung in eine Vor- und Nacherbschaftseinsetzung (Hamm NJW 1974, 60). Möglich ist auch die Umdeutung einer nach § 2065 II unwirksamen Regelung betreffend die Änderung der Nacherbenbestimmung in eine Nacherbeneinsetzung unter der Bedingung, dass der Vorerbe nicht anders verfügt (München NJW-RR 2016, 976, 977). Ein Erbschaftskauf kann in einen Erbauseinandersetzungsvertrag (RGZ 129, 122, 123) oder in die Abtretung der Erbauseinandersetzungsansprüche (RGZ 137, 171, 176) umdeutbar sein. Die nach § 2033 unwirksame Veräußerung eines Erbschaftsgegenstandes kann in einen Erbauseinandersetzungsvertrag umgedeutet werden (Bremen OLG 1987, 10, 11). Ferner soll ein Schenkungsversprechen oder ein schenkweise gegebenes Schuldanerkenntnis als ein Testament aufrechterhalten werden können (RG JW 1910, 467; Koblenz NJW 1948, 384; aA Flume AT II § 32, 9e). e) Handels- und Gesellschaftsrecht. Bei handelsrechtl Dauerbeziehungen (zB Vertragshändler) kommt je nach Lage des Einzelfalles – wie im Arbeits- und Dienstvertragsrecht – die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung in Betracht (BGH NJW-RR 1992, 1059; Saarbrücken NJW-RR 1998, 1191, 1192). Möglich ist die Umdeutung der Anfechtung des Gesellschaftsvertrags in eine Kündigung aus wichtigem Grund (BGH NJW 1975, 1700, 1701), der Stimmrechtsübertragung eines Kommanditisten in einen gesellschaftsvertragl Stimmrechtsausschluss, verbunden mit der Erhöhung des Stimmrechts anderer Gesellschafter (BGHZ 20, 363, 370) und der unzulässigen Stimmrechtsübertragung oder -ermächtigung in eine widerrufliche Stimmrechtsvollmacht (Koblenz ZIP 1992, 844, 846; Hamburg NJW 1989, 1865, 1866). Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils ist in die Abtretung der Ansprüche aus § 717 S 2 (ab 1.1.2024: § 711a) umdeutbar (RG Recht 1913 Nr 1424), nicht aber in die Auflassung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück, von dem die Beteiligten irrig angenommen haben, dass er zum Gesellschaftsvermögen gehöre (BayObLG NJW-RR 1999, 620, 621). Die Umdeutung eines Treuhandvertrags an einem GmbH-Geschäftsanteil in eine Unterbeteiligung ist nicht möglich, wenn die Parteien einen Zugriff auf die GmbH-Anteile als Ganzes vereinbaren wollten (Bamberg NZG 2001, 509, 510). Auch im Gesellschaftsrecht kann eine unwirksame außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden (BGH NJW 1998, 1551; für einen Geschäftsführeranstellungsvertrag BGH NJW-RR 2000, 987, 988). Keinen Fall der Umdeutung stellt es dagegen – entgegen teilw verbreiteter Auffassung (s nur BGHZ 19, 269, 272; Staudinger/Roth Rn 57) – dar, wenn die Gesellschafter eine OHG gründen wollen, tatsächlich aber nur eine GbR zulässig wäre. Abgesehen davon, dass § 105 II HGB (ab 1.1.2024: § 107 HGB) in vielen Fällen ohnehin auch bei Fehlen eines Handelsgewerbes den Zugang zur OHG eröffnet, entsteht hier bereits kraft Rechtsformzwangs statt einer OHG eine GbR (Flume AT I/1 § 13 III; vgl auch K. Schmidt, GesR4 § 44 I 1). Entspr muss im umgekehrten Fall gelten, dass die Beteiligten eine GbR wollten, dies wegen des Betriebs eines Handelsgewerbes aber nicht möglich ist. In Betracht zu ziehen ist in diesen Fällen allein die Zulassung einer Kündigung aus wichtigem Grund (Flume AT I/1 § 13 III). f) Grundstücksgeschäfte. Ein unwirksamer Grundstücksveräußerungsvertrag lässt sich in die Verpflichtung zur Nießbrauchsbestellung (RGZ 110, 391, 392; RG JW 1937, 3153) oder in die Einräumung eines Optionsrechts (RGZ 169, 65, 71) umdeuten, eine unwirksame Erbbaurechtsbestellung in einen Pachtvertrag (RG Recht 1928 Nr 393). Ein dingliches Vorkaufsrecht ist in ein persönliches, durch Vormerkung zu sicherndes Vorkaufsrecht umdeutbar (RGZ 104, 122, 123; BGH LM § 497 BGB Nr 6). Eine Grunddienstbarkeit kann wegen des Eintragungserfordernisses zugunsten einer individuell bestimmten Person nicht in eine persönliche Dienstbarkeit umgedeutet werden (München NJW 1957, 1765, 1766). Die nichtige Übertragung von Wohnungseigentum ist in die Vereinbarung eines Dauerwohnrechts umdeutbar (BGH NJW 1963, 339). Umdeutbar können auch nichtige Wohnungseigentümerbeschlüsse sein (Schleswig NZM 2005, 669, 672). Die unwirksame Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum kann aber nicht in die Begründung von Sondernutzungsrechten umgedeutet werden (Düsseldorf NJW-RR 1996, 210; zur Umdeutung in eine Kostentragungsregelung vgl Niedenführ NZM 2002, 106 und AG Hamburg ZMR 2004, 221), die unwirksame Einräumung von Sondereigentum nicht in ein weitergehendes Sondernutzungsrecht (BayObLG MDR 1981, 145; s aber iÜ KG NZM 1999, 258, 259), wohl aber uU in eine Instandsetzungspflicht (Hamm NJW-RR 1992, 148, 149). g) Gütergemeinschaft. Umdeutbar ist die Verfügung über einen Anteil an einer fortgesetzten Gütergemeinschaft in die Übertragung des Anspruchs auf das, was dem Betreffenden bei der Auseinandersetzung zusteht (BGH MDR 1966, 750) sowie die Abtretung des Anteils des Ehegatten am Grundstück der Gütergemeinschaft in die Abtretung des Anspruchs auf den Auseinandersetzungserlös (Frankfurt LZ 1929, 575). h) Miete und Pacht. Eine außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche umgedeutet werden, wenn das Vertragsverhältnis erkennbar auf jeden Fall beendet werden soll (BGH NJW 1981, 976, 977; NZM 2018, 515, 517), dagegen nicht ohne weiteres in ein Angebot auf eine Vertragsaufhebung (BGH NJW 1981, 43, 44; WM 1984, 171; Düsseldorf ZMR 2003, 921; s aber BGH NJW NJW-RR 2014, 1423, 1426). Eine ordentliche Kündi466
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Willenserklärung
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gung mit unrichtig berechneter Kündigungsfrist ist in eine Kündigung zum richtig berechneten Termin umdeutbar, wenn es dem hypothetischen Willen des Kündigenden entspricht (Frankfurt NJW-RR 1990, 337; Hamm MDR 1994, 56). Die unwirksame Abtretung des Kündigungsrechts an den Käufer eines Grundstücks lässt sich in eine wirksame Ermächtigung zur Kündigung im eigenen Namen schon vor der Umschreibung im Grundbuch umdeuten (BGH NJW 1998, 896, 897), ferner die unzulässige Befristung des Mietvertrags in einen befristeten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung (LG Fulda ZMR 2016, 203) und die unzulässige Vereinbarung über abzurechnende Betriebskostenvorauszahlungen in eine zulässige Abrede über die Zahlung einer Betriebskostenpauschale (BGH NJW 2011, 1222, 1223). Nicht in Betracht kommt die Umdeutung eines einseitigen unwirksamen Mieterhöhungsverlangens in ein Angebot auf Abschluss einer Mieterhöhungsvereinbarung, das stillschw angenommen werden kann (BGH NJW-RR 2005, 1464, 1466; 2007, 1382, 1383). i) Sicherungsrechte. aa) Hypothek. Die Abtretung einer als Buchhypothek angesehenen Briefhypothek kann als Abtretung des Anspruchs auf Rückübertragung der an einen Dritten abgetretenen Hypothek aufrechterhalten werden (RG Recht 1909 Nr 3032). Die Abtretung einer nichtigen, vermeintlich zur Eigentümergrundschuld gewordenen Hypothek ist in die Bestellung einer Fremdgrundschuld umdeutbar (RG LZ 1931, 839). Möglich soll auch die Umdeutung einer Hypothek mit unzulässiger Kursgarantieklausel in eine Hypothek ohne diese Klausel sein (RGZ 108, 146, 149). bb) Pfandrecht, Sicherungsübereignung und -abtretung. Ein unwirksames Pfandrecht kann als Zurückbehaltungsrecht an dem geleisteten Gegenstand bis zur Rückzahlung des Kredits aufrechterhalten werden (RGZ 66, 24, 27; Staudinger/Roth Rn 67). Eine unwirksame Sicherungsübereignung eines Grundstücks kann in die Verpflichtung zur Bestellung einer Sicherungshypothek umgedeutet werden (RG JW 1929, 70). Eine unwirksame Verpfändung einer beweglichen Sache oder Forderung lässt sich nicht in eine Sicherungsübereignung oder Sicherungsabtretung umdeuten, weil diese weiter reichen als das Ausgangsgeschäft (Medicus/Petersen AT Rn 526). Dagegen kann eine Sicherungsabtretung in eine Verpfändung der Forderung umgedeutet werden (BGH VersR 1953, 470; Staudinger/Roth Rn 67). cc) Bürgschaft. Die Umdeutung einer formnichtigen Bürgschaft in einen Schuldbeitritt ist schon deshalb nicht möglich, da andernfalls § 766 umgangen würde (s Rn 12). Aber auch iÜ kommt eine derartige Umdeutung nicht in Betracht, da der Schuldbeitritt zu einer nicht nur akzessorischen Haftung führt (NK/Faust Rn 21; MüKo/Busche Rn 24). Eine unwirksame öffentlich-rechtl Haftungserklärung soll in eine Bürgschaft umdeutbar sein (BGH VersR 2009, 1384, 1385). j) Wertpapiere. Ein formnichtiger gezogener Wechsel ist in eine kaufmännische Anweisung (§ 363 I 1 HGB) oder in eine bürgerlich-rechtl Anweisung (§ 783) umdeutbar (Bamberg NJW 1967, 1913, 1914; Staudinger/Roth Rn 61), ein formnichtiger eigener Wechsel in einen kaufmännischen Verpflichtungsschein (§ 363 I 2 HGB) oder in ein abstraktes Schuldversprechen (RGZ 136, 207, 210; BGH ZIP 1988, 16, 18; MüKo/Busche Rn 33). Ebenso kann die Annahmeerklärung auf einem formnichtigen Wechsel in ein abstraktes Schuldversprechen umgedeutet werden (BGHZ 124, 263, 268f; NK/Faust Rn 26). Nicht umdeutungsfähig sind dagegen die Erklärungen auf einem gültigen, aber präjudizierten Wechsel (BGHZ 3, 238, 239 – für Scheck; Grü/Ellenberger Rn 12; Soergel/Martens Rn 35). Ebenso können Blankoindossamente auf einem nichtigen Wechsel nicht in eine bürgerlich-rechtl Verpflichtungserklärung umgedeutet werden (RGZ 130, 82, 84; BGH NJW 1957, 1837, 1838; anders aber Flume AT II § 32, 9e; Staudinger/Roth Rn 61). Ein Scheck kann in eine Ermächtigung des Scheckausstellers an die bezogene Bank umgedeutet werden, für ihn und auf seine Rechnung an den Scheckbegünstigten zu zahlen (BGH NJW 2001, 1855), regelmäßig nicht aber in einen kaufmännischen Verpflichtungsschein, ein selbständiges Schuldversprechen oder einen Garantievertrag, da es an einem entspr hypothetischen Willen fehlen dürfte (vgl Düsseldorf WM 1973, 403; Karlsruhe NJW 1977, 589; MüKo/Busche Rn 33; Soergel/Martens Rn 35). Das Indossament auf einem Ladeschein kann in die Abtretung des Herausgabeanspruchs umgedeutet werden (RG SeuffA 67 Nr 83).
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Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts
(1) Wird ein nichtiges Rechtsgeschäft von demjenigen, welcher es vorgenommen hat, bestätigt, so ist die Bestätigung als erneute Vornahme zu beurteilen. (2) Wird ein nichtiger Vertrag von den Parteien bestätigt, so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre. 1. Bedeutung. Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts ist vom Gesetz ohne zeitl Einschränkungen als dauerhaf- 1 te Rechtsfolge angeordnet; das gilt regelmäßig selbst dann, wenn der Nichtigkeitsgrund später wegfällt. § 141 I räumt jedoch demjenigen, der ein nichtiges Rechtsgeschäft vorgenommen hat, die Befugnis ein, dieses durch Bestätigung zu einem gültigen zu machen. Die Bestätigung ist eine Willenserklärung, durch die jemand sein nichtiges Geschäft als gültig anerkennt. Sachlich ist die Bestätigung eine Neuvornahme des nichtigen Rechtsgeschäfts. 2. Voraussetzungen. Es muss ein aus irgendeinem Grunde – auch Anfechtung (§ 142, vgl BGH NJW 1971, 2 1795, 1800) – nichtiges Rechtsgeschäft vorliegen; erfasst sind sowohl Verträge als auch einseitige Rechtsgeschäfte (NK/Faust Rn 8). In entspr Anwendung von § 141 kann auch ein infolge eines (Verbraucher-)Widerrufs (Braunschweig NZG 2003, 1156, 159; KG BKR 2019, 144, 145; Brandenburg BeckRS 2020, 19554; zweifelnd BeckOGK/Beurskens Rn 14) oder der Verweigerung einer erforderlichen Genehmigung unwirksames Rechtsgeschäft bestätigt werden (BGH NJW 1999, 3704, 3705), nicht aber ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft bis zur Arnold
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Rechtsgeschäfte
Entscheidung über die Genehmigung (LG Braunschweig WM 2006, 319, 321). Wenn es schon an einem bestätigungsfähigen Rechtsgeschäft fehlt, greift aber § 141 von vornherein nicht ein (BGH NJW 1987, 1698, 1699 – für den Fall eines Beitritts zu einer nicht bestehenden Schuld; KG DNotZ 1999, 157, 160). Erforderlich ist ein erklärter Bestätigungswille. Er setzt nach der Rspr Kenntnis der Nichtigkeit, mindestens aber Zweifel an der Gültigkeit des Geschäfts voraus und muss darauf gerichtet sein, die Wirksamkeit auf alle Fälle zu sichern (RGZ 150, 385, 388; BGHZ 110, 220, 222; BGH NJW 1982, 1981; 2006, 2116, 2117; 2012, 1570, 1572; BAG NZA 2021, 37, 39). Die in der Rspr vielfach verwendete Formulierung kann den unrichtigen Eindruck erwecken, für eine wirksame Bestätigung sei entgegen der neueren Rspr zum Erklärungsbewusstsein (vgl Vor § 116 Rn 15) neben dem allg Handlungsbewusstsein als besondere subj Voraussetzung ein spezifisches Erklärungsbewusstsein („Bestätigungsbewusstsein“) erforderlich. Notwendig ist demggü allein eine Erklärung – bei Verträgen eine Erklärung aller Vertragschließenden –, die (ggf mit Hilfe der Auslegung) den Willen der Erklärenden ergibt, das möglicherweise bis dahin unwirksame Geschäft solle fortan gültig sein (ähnl Medicus/Petersen AT Rn 531; Staudinger/Roth Rn 20; in diesem Sinne auch BGH NJW-RR 2003, 769, 770; Frankfurt NJW-RR 2004, 1640, 1641; Hamm NJOZ 2006, 428, 436). Nicht erforderlich ist es also, dass beide Parteien davon ausgehen, dass das Geschäft nichtig ist; es genügt, wenn beide Parteien irrtümlich von der Wirksamkeit des Geschäfts ausgehen, aber bestehende Zweifel ausräumen wollen (BGH ZIP 2009, 264, 266). In der Erklärung des Bestätigungswillens liegt die erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts. Die Erklärung kann ausdrückl oder konkludent erfolgen (BGHZ 11, 59, 60). Dafür reicht aus, dass die Parteien sich nach dem Inhalt ihrer Erklärung in Kenntnis der (möglichen) Nichtigkeit auf den Boden der früheren Vereinbarung stellen (BGH NJW 1982, 1981). Ein Festhalten an einem unerkannt nichtigen Geschäft ist aber keine Bestätigung (BGHZ 129, 371, 377). Eine Erfüllungshandlung kann eine Bestätigung enthalten (vgl BGH WM 1983, 231, 232), ebenso eine Vertragsänderung (BGH NJW 1982, 1981), ein „Rücktritt von der Kündigung“ (Frankfurt NJW-RR 2004, 1640, 1641) oder eine Veräußerung der erworbenen Sache. Auch ein Verhalten im Prozess kann eine Bestätigung darstellen (RGZ 125, 3, 7), nicht aber ohne weiteres eine Freigabe im Insolvenzverfahren (Düsseldorf BB 1994, 1379, 1380). In einer Weiterbenutzung der gekauften Sache nach erfolgter Anfechtung liegt nur dann eine Bestätigung, wenn das Verhalten eindeutig nicht anders als eine Bestätigung des nichtigen Geschäfts zu verstehen ist (BGH NJW 1971, 1795, 1800; 1985, 2579, 2580). Die Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen ist idR keine Bestätigung (vgl BGHZ 110, 220, 222 zu § 144). Bei dem neuen Geschäft müssen im Zeitpunkt der Bestätigung sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Neuvornahme erfüllt sein. Die Vorschriften über Willenserklärungen greifen ein. Demnach ist bei einer einseitigen empfangsbedürftigen Erklärung etwa der Zugang, bei einem Vertrag eine bestätigende Willensübereinstimmung der Vertragsparteien über den ganzen Vertragsinhalt erforderlich (RGZ 61, 264, 266). Es darf bei dem neuen Geschäft nicht mehr der Nichtigkeitsgrund des alten oder ein anderer Nichtigkeitsgrund bestehen. Daher ist die Bestätigung eines sittenwidrigen Geschäfts nicht möglich (RGZ 64, 141, 149). Sie kommt nur in Betracht, wenn die Gründe für die Sittenwidrigkeit weggefallen sind (BGHZ 60, 102, 108; BGH NJW 2012, 1570, 1572). Sofern sie nur teilw weggefallen oder neue sittenwidrige Umstände hinzugekommen sind, ist die Sittenwidrigkeit aufgrund der nunmehr insg bestehenden Umstände neu zu prüfen (vgl BGH NJW 1982, 1981, 1982). Ein wucherisches Geschäft kann nach Wegfall der subj Voraussetzungen bestätigt werden. Ebenso ist die Rechtslage bei gesetzwidrigen Geschäften; eine wirksame Bestätigung ist (erst) nach Wegfall des gesetzl Verbots möglich (RGZ 138, 52, 55; BGHZ 11, 59, 60). Die Bestätigung eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts kann – anders als bei der Bestätigung nach § 144 – wirksam nur unter Beachtung der Formvorschrift erfolgen (MüKo/Busche Rn 15). Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit des zu bestätigenden Geschäfts nicht aus der Verletzung einer Formvorschrift, sondern aus einem anderen Grund herrührt (BGH NJW 1985, 2579, 2580; BAG NJOZ 2006, 4677, 4680; aA Staudinger/Roth Rn 16). Abw gilt nur, wenn die Formvorschrift zwischenzeitl entfallen ist (BGH NJW 1973, 1367). Bei der Bestätigung ist aber eine Bezugnahme auf die ursprünglichen Erklärungen möglich (BGH NJW 1993, 1070, 1071; 1999, 3704, 3705; KG BKR 2019, 144, 145; BeckOGK/Beurskens Rn 25); insofern ist die Bestätigung ein vereinfachtes Verfahren der Fehlerbereinigung. Unter den Voraussetzungen des § 139 kommt eine Teilbestätigung in Betracht. 3. Wirkung. Die Bestätigung führt keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des früheren (nichtigen) Geschäfts herbei. Vielmehr entsteht erst durch die in ihr liegende Neuvornahme ein wirksames Geschäft (BGH NJW 1999, 3704, 3705; BAG NJW 2005, 2333, 2334 und 3595f; NJOZ 2006, 4677, 4679). Frühestens mit Wirksamkeit der Bestätigung wird auch eine bereits aufgrund des nichtigen Geschäfts eingetragene Vormerkung wirksam (str, vgl Frankfurt DNotZ 1995, 539, 540). Zwischenverfügungen bleiben daher unberührt. Bei Verträgen ist im Zweifel eine Rückwirkungsvereinbarung in schuldrechtl Hinsicht anzunehmen (§ 141 II). Es entspricht regelmäßig den Interessen der Vertragsparteien, dass sie schuldrechtl verpflichtet sein sollen, einander das zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre. Ein entgegenstehender Parteiwille muss unzweideutig erklärt werden, damit die Vermutung des § 141 II nicht eingreift (RG JW 1931, 2227). Die Vorschrift gilt nicht für einseitige Geschäfte und ist auch nicht auf die Bestätigung formnichtiger (§ 14 IV TzBfG) Befristungsabreden im Arbeitsrecht anzuwenden (BAG NJW 2005, 2333, 2334 und 3595, 3596). 4. Abgrenzung. Unter § 141 fällt nicht die Bestätigung eines anfechtbaren Geschäfts. Sie ist nach § 144 eine einseitige Willenserklärung des Anfechtungsberechtigten. Wenn aber das anfechtbare Geschäft wirksam ange468
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Willenserklärung
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fochten worden und damit nichtig ist, greift § 141 ein. Ebenso ist die Bestätigung von der Heilung eines formnichtigen Geschäfts durch Erfüllung (zB § 311b I, § 518 II, § 766 S 3, § 2301 II; § 15 IV 2 GmbHG; § 1031 VI ZPO) abzugrenzen. Sie erfolgt durch Geschäftsvollzug und setzt keinen Bestätigungswillen voraus. Jedoch greift der Rechtsgedanke des § 141 II als vermuteter Parteiwille ein (RGZ 115, 6, 12; BGHZ 32, 11, 13). Auch die Ergänzung eines unvollständig beurkundeten Vertrags durch Beurkundung des restlichen Parteiwillens stellt keine Bestätigung dar. Sie bedarf daher keines Bestätigungswillens (RG JW 1929, 575). Die Ergänzung oder Änderung kann aber gleichzeitig Bestätigung sein (BGHZ 7, 161, 163). Abzugrenzen ist die Bestätigung auch von der Genehmigung. Sie erfolgt idR durch einen Dritten (§§ 182, 177; anders § 108 III) und bewirkt rückwirkende Heilung des schwebend unwirksamen Geschäfts (§ 184). Schließlich gilt für Bestätigung einer nichtigen Ehe die Sonderregelung des § 1315 I 1 Nr 2.
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Wirkung der Anfechtung
(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen. (2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen. 1. Anwendungsbereich. § 142 greift nicht nur in den Fällen der §§ 119, 120, 123, sondern auch bei den erbrechtl Anfechtungstatbeständen der §§ 1954ff, 2078f, 2281, 2308 ein. Immer geht es um die Vernichtung eines Rechtsgeschäfts wegen eines Willensmangels. Deshalb gehören § 2340 sowie die Gläubigeranfechtung inner- und außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht hierher. Für einen Willensmangel bei der Eheschließung gelten die Spezialvorschriften der §§ 1313ff, bei der Annahme als Kind §§ 1759, 1760, beim Vaterschaftsanerkenntnis § 1598. 2. Rechtsfolge des Abs I. a) Nichtigkeit. Die Anfechtungserklärung bewirkt, dass das angefochtene Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist (Wirkung ex tunc). Es entsteht nicht etwa wie beim Rücktritt oder bei Ausübung eines Widerrufsrechts (§ 355) ein Rückgewährschuldverhältnis. Die Anfechtung reformiert das angefochtene Geschäft nicht, sondern kassiert es. An die Stelle des angefochtenen Geschäfts tritt also grds nicht das Geschäft, das ohne Willensmangel des Anfechtungsberechtigten zustande gekommen wäre. Der Erklärende darf aber seinen Willensmangel nicht dazu benutzen, von seiner Erklärung loszukommen, weil er das von ihm (ohne Willensmangel) Gewollte jetzt bereut. Er muss sich also vom anderen Teil, wenn dieser es wünscht, am tatsächlich Gewollten festhalten lassen (BeckOGK/Beurskens Rn 47f; Soergel/Martens Rn 16; Staudinger/Roth Rn 38; Flume AT II § 21, 6; Medicus/Petersen AT Rn 781; Lobinger AcP 195, 274ff; aA Spieß JZ 1985, 593ff). b) Wirkung gegenüber jedermann. Die rückwirkende Vernichtung des Rechtsgeschäfts wirkt absolut, also ggü jedermann und nicht nur im Verhältnis zw Anfechtendem und Anfechtungsgegner. Ist das Geschäft zw Gläubiger und Schuldner wirksam angefochten, verliert demnach der Zessionar, dem der Gläubiger die Forderung aus dem Geschäft abgetreten hat, die Forderung. Ein mithaftender Dritter (zB Bürge, Pfandschuldner), dem vor der Anfechtung nur ein Leistungsverweigerungsrecht (vgl §§ 770, 1137, 1211) zusteht, kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn das Geschäft, aus dem sich die gesicherte Forderung ergibt, durch Anfechtung vernichtet worden ist. Der Makler verliert die Vermittlungsgebühr für das angefochtene Geschäft (RGZ 76, 354, 355), der Begünstigte beim angefochtenen Vertrag zugunsten Dritter seinen Anspruch. c) Reichweite der Nichtigkeit. Die Anfechtung bewirkt sowohl die Nichtigkeit eines einseitigen Rechtsgeschäfts als auch die Nichtigkeit von Verträgen. Anfechtbar ist allerdings nur die einzelne, mit einem Willensmangel behaftete Willenserklärung (s NK/Feuerborn Rn 3). Wird aber der Antrag oder die Annahmeerklärung angefochten, so fehlt letztlich eine der für einen wirksamen Vertrag erforderlichen Willenserklärungen. Bei einer wirksamen Teilanfechtung (vgl zu § 143 Rn 3) kommt unter den Voraussetzungen von § 139 Teilnichtigkeit bei Wirksamkeit iÜ in Betracht (Saarbrücken VersR 1996, 488, 489; Staudinger/Roth Rn 26). Ist nur eine zum schuldrechtl Vertrag gehörende Willenserklärung anfechtbar und angefochten, so bestehen keine vertragl Verpflichtungen, auch keine vertragl Schadensersatzansprüche (hM, s nur BeckOGK/Beurskens Rn 33; Grü/Ellenberger Rn 2; Höpfner NJW 2004, 2865; aA Derleder NJW 2004, 969, 970). Hat eine Partei bereits erfüllt, so bleibt wegen des Abstraktionsprinzips (Einl § 104 Rn 28) die Gültigkeit des Erfüllungsgeschäfts von der Nichtigkeit des Kausalgeschäfts unberührt. Das Geleistete kann aber wegen Fehlens des Rechtsgrundes auf bereicherungsrechtl Weg zurückgefordert werden; bei Kenntnis der Anfechtbarkeit greift die verschärfte Haftung des § 819 ein (s Rn 10). Ist nur das Erfüllungsgeschäft (zB wegen einer Verwechselung bei Erfüllung eines Kaufvertrags) anfechtbar und angefochten, so besteht zB ein Herausgabeanspruch (§ 985) oder ein Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894), nicht aber ein Anspruch aus § 861 oder § 1007, da trotz der Anfechtbarkeit eine freiwillige Besitzaufgabe vorliegt. Das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft werden von der Anfechtung erfasst, wenn beide an einem (uU demselben) Willensmangel leiden (Fehleridentität; zB Verwechslung bei Kauf und Übereignung; arglistige Täuschung, die noch im Zeitpunkt der Erfüllung fortwirkt, s nur BGHZ 31, 321, 324; MüKo/Busche Rn 15; Staudinger/Roth Rn 22). Unklar ist, ob sich eine gleichzeitige Nichtigkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft auch aus § 139 ergeben kann, s § 139 Rn 14. d) Endgültige Nichtigkeit. Die Wirkung der Anfechtungserklärung ist nicht durch Rücknahme zu beseitigen (RGZ 74, 1, 3; Frankfurt BeckRS 2020, 16837; BeckOGK/Beurskens Rn 28; Grü/Ellenberger Rn 2; aA NK/Feuerborn Rn 15). Lediglich eine Neuvornahme des (durch Anfechtung) nichtigen Geschäfts nach § 141 ist möglich.
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Rechtsgeschäfte
Beruht die Anfechtungserklärung jedoch auf einem erheblichen Willensmangel, so kann sie wiederum durch Anfechtung rückwirkend vernichtet werden (BayObLG MDR 1980, 492; Grü/Ellenberger Rn 1). 3. Ausnahmen von Abs I. Eine rückwirkende Vernichtung des Rechtsgeschäfts durch Anfechtung passt gelegentlich nicht für Dauerrechtsverhältnisse. So sind im Gesellschaftsrecht die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zu beachten: Leidet beim Abschluss eines Vertrags über die Gründung einer Personengesellschaft die Erklärung eines Beteiligten an einem Willensmangel, so führt dieser Mangel nach Invollzugsetzung der Gesellschaft im Hinblick auf den notwendigen Schutz des Verkehrs nicht mehr zur Nichtigkeit der Gesellschaft ex tunc; vielmehr ist die Gesellschaft aufzulösen und abzuwickeln (s nur statt vieler MüKo-HGB/Fleischer § 105 Rn 472ff). Ist eine Kapitalgesellschaft bereits ins Handelsregister eingetragen worden und damit entstanden, sind Willensmängel eines Beteiligten bei der Gründung sogar regelmäßig unbeachtlich (KK-AktG/Arnold § 23 Rn 164ff mwN). Ebenso wirkt bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverträgen die Anfechtung wegen der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des ArbN idR nur ex nunc (Einzelheiten § 611a Rn 226ff). Dagegen ist die Anfechtung eines Mietvertrags auch nach Übergabe der Mietsache uneingeschränkt möglich, da die Schwierigkeiten, die sich bei der Rückabwicklung ergeben, keine Ausnahme von der gesetzl vorgesehenen Rückwirkung der Anfechtung rechtfertigen können (BGH NJW 2009, 1266, 1268 mwN). 4. Wirkung des Abs II. Mit der rückwirkenden Vernichtung eines Verfügungsgeschäfts wird auch der Rechtserwerb rückwirkend nichtig. Hatte der Erwerber vor der Anfechtung als Berechtigter an einen Dritten weiterverfügt, so wird er mit der Anfechtung rückwirkend zum Nichtberechtigten. Der Dritte soll trotz der Anfechtung geschützt werden, wenn er zZt der Vornahme des anfechtbaren und später angefochtenen Verfügungsgeschäfts in Bezug auf das Fehlen der Anfechtbarkeit gutgläubig war (§ 142 II). Während also § 932 den guten Glauben des vom Nichtberechtigten Erwerbenden an das Eigentum schützt, geht es in § 142 II um den guten Glauben an das Fehlen der Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäfts. Diese Vorschrift ist nur in den Fällen anwendbar, in denen das Gesetz einen Gutglaubensschutz vorsieht (zB §§ 892f, 932ff, 1138, 1155, 1207f, 1244; § 366 HGB), nicht aber zB beim Erwerb einer Forderung (s sogleich Rn 9). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich auch, ob dem Dritten nur die Kenntnis (zB § 892) oder auch grobfahrlässige Unkenntnis (zB § 932 II) der Anfechtbarkeit schadet. Maßgebend ist die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Tatsachen/Umstände, welche die Anfechtbarkeit begründen, idR im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs (BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457); dabei ist § 166 anzuwenden (BGH NJW 1989, 2879, 2880). Auf die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Rechtsfolgen kommt es nicht an (BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457). Beim Erwerb von Forderungen scheidet ein Gutglaubensschutz grds aus. Wird der Abtretungsvertrag angefochten, ist der Anfechtungsgegner Nichtberechtigter (RG JW 1906, 380). Die Leistung an ihn befreit den Schuldner nicht; auch § 122 hilft dem Schuldner nicht, da er nicht Empfänger der Abtretungserklärung ist; einen gewissen Schutz gewähren §§ 409f. Wegen § 142 II kann es erforderlich sein, auch ein nichtiges Geschäft anzufechten, wenn etwa der Dritte in Bezug auf die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts gutgläubig, in Bezug auf die Anfechtbarkeit aber bösgläubig ist (Kipp, Doppelwirkungen im Recht, FS v Martitz, 1911, 211; Staudinger/Roth Rn 27ff; vgl allg auch Schreiber AcP 211, 35ff). Abs II ist nicht nur im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerb von Bedeutung. Vielmehr hat die Vorschrift auch bei der Anfechtung von Verpflichtungsgeschäften Bedeutung für die Frage, ob eine verschärfte Bereicherungshaftung nach § 818 IV, § 819 besteht (s BeckOGK/Beurskens Rn 63; NK/Feuerborn Rn 17).
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Anfechtungserklärung
(1) Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner. (2) Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrag der andere Teil, im Falle des § 123 Abs. 2 Satz 2 derjenige, welcher aus dem Vertrag unmittelbar ein Recht erworben hat. (3) Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft, das einem anderen gegenüber vorzunehmen war, ist der andere der Anfechtungsgegner. Das Gleiche gilt bei einem Rechtsgeschäft, das einem anderen oder einer Behörde gegenüber vorzunehmen war, auch dann, wenn das Rechtsgeschäft der Behörde gegenüber vorgenommen worden ist. (4) Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft anderer Art ist Anfechtungsgegner jeder, der aufgrund des Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat. Die Anfechtung kann jedoch, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben war, durch Erklärung gegenüber der Behörde erfolgen; die Behörde soll die Anfechtung demjenigen mitteilen, welcher durch das Rechtsgeschäft unmittelbar betroffen worden ist. 1. Anfechtungserklärung (Abs I). a) Willenserklärung. Die Anfechtungserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Anfechtung kann ausdrückl oder durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Eine bestimmte Ausdrucksweise (zB der Gebrauch des Wortes „Anfechtung“) ist nicht erforderlich (BGH NJW-RR 1995, 859). Es muss aber der Wille zum Ausdruck kommen, dass das Geschäft wegen eines Willensmangels dauerhaft beseitigt werden soll. Da die Anfechtungserklärung – wie jede Willenserklärung – auszulegen ist, kommt es im Einzelfall entscheidend darauf an, dass der Anfechtungsgegner der Erklärung nach ihrem obj Erklärungswert den Willen entnehmen kann, das Rechtsgeschäft solle wegen eines Willensmangels (rückwir470
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Willenserklärung
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kend) nicht (mehr) gelten. In der Rspr (RGZ 158, 166, 168; BGHZ 88, 240, 245; 91, 324, 332; BGH NJW-RR 2002, 380; ähnl Neuner AT § 41 Rn 13) wird gelegentlich „Unzweideutigkeit“ der Erklärung idS gefordert. Dem ist nicht zu folgen, wenn damit weitergehende Anforderungen gestellt werden sollten als allg bei der Auslegung von Willenserklärungen; es besteht kein Anlass, bei Anfechtungserklärungen die üblichen Auslegungsmaßstäbe zu verlassen (wie hier Canaris NJW 1984, 2281, 2282; Medicus/Petersen AT Rn 717; Staudinger/Roth Rn 2f). Eine Rücktrittserklärung (RGZ 105, 206, 207), eine Widerrufserklärung (§ 355), eine Kündigung (LAG Rostock NZA-RR 1996, 401, 402), das Verlangen auf Schadensersatz statt der Leistung (BGH NJW 1991, 1673, 1674), ein Klageabweisungsantrag im Prozess (BGH MDR 1955, 25) sowie eine Strafanzeige (BGH WM 1975, 1002) reichen allein in aller Regel als Anfechtungserklärung nicht aus. Nach den Umständen können aber die Rückforderung des Geleisteten oder das Bestreiten einer nach dem obj Erklärungsinhalt bestehenden Forderung oder ein Widerspruch gegen sie als Anfechtungserklärung genügen (BGHZ 91, 324, 331f; BGH NZBau 2006, 390, 391; NJW 2017, 1660, 1663). Die Äußerung des Willens, das Rechtsgeschäft rückwirkend zu vernichten, ist nicht generell zu fordern; sie kann jedoch im Einzelfall zur Abgrenzung von einer erst in die Zukunft wirkenden Kündigung wichtig sein (Neuner AT § 41 Rn 13). Str ist, ob die Angabe des Anfechtungsgrundes erforderlich ist. Nach dem Gesetzeswortlaut besteht ein derartiges Erfordernis nicht; auch iÜ verlangt das Gesetz bei Gestaltungserklärungen nur selten ausdrückl die Angabe von Gründen (so etwa in § 573 III 1, § 573a III). Dementspr ist in der Rspr bislang nicht die Angabe des Anfechtungsgrundes verlangt worden (RGZ 65, 86, 88; offenlassend BGH NJW 1966, 39; vgl auch BGHZ 34, 32, 39). In der Lit hat sich jedoch inzwischen zu Recht die Auffassung durchgesetzt, dass die Nennung des Anfechtungsgrunds im Hinblick auf die berechtigten Interessen des anderen Teils nur dann entbehrlich ist, wenn dieser sich klar aus den Umständen ergibt (Grü/Ellenberger Rn 3; Staudinger/Roth Rn 11; Flume AT II § 31, 2; Medicus/ Petersen AT Rn 724; diff BeckOGK/Beurskens Rn 13f). Nennt der Anfechtende einen Anfechtungsgrund, ist es Auslegungsfrage, ob die Anfechtung auf diesen Grund beschränkt sein oder auch andere Gründe erfassen soll (so für die Frage, ob in der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zugleich eine solche wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft zu erblicken ist, BGHZ 34, 32, 39; 78, 216, 221). Ist die Anfechtung mit einer bestimmten Begründung erklärt worden, ist das Nachschieben eines anderen Anfechtungsgrundes als neue Anfechtungserklärung aufzufassen, die allerdings verspätet sein kann (BGH NJW 1966, 39; 1995, 190, 191; NJW-RR 1993, 948; BAG AP Nr 5 § 119 BGB; NJW 2008, 939, 940; MüKo/Busche § 143 Rn 10; krit BeckOGK/ Beurskens Rn 15). Eine Teilanfechtung ist nur bei einem iSv § 139 teilbaren Rechtsgeschäft möglich; eine beschränkte Anfechtung bei einem untrennbaren Geschäft ist wirkungslos (RGZ 146, 234, 236; BGH DNotZ 1984, 684, 685; NJW-RR 2002, 380, 381; BAG NJOZ 2006, 1859, 1864 zur Teilanfechtung von Versorgungsvereinbarungen). b) Form. Die Anfechtungserklärung ist formlos gültig, selbst wenn das angefochtene Geschäft formbedürftig ist. Eine Form kann allerdings vereinbart werden. Dies gilt grds auch für Vereinbarungen in AGB. Dabei setzt aber in AGB § 309 Nr 13 Grenzen. Eine besondere Form ist für einige Anfechtungen im Erbrecht vorgeschrieben (zB §§ 1955, 2081, 2282 III). c) Bedingungsfeindlichkeit. Die Anfechtung ist als Gestaltungsrecht im Interesse des Anfechtungsgegners bedingungsfeindlich (RGZ 66, 153, 154; 146, 234, 238); jedoch sind als Bedingung solche Umstände zuzulassen, die im Belieben des Anfechtungsgegners stehen (NK/Feuerborn Rn 4; Neuner AT § 41 Rn 16; aA; BeckOGK/ Beurskens Rn 22; Staudinger/Roth Rn 8; MüKo/Busche Rn 5). Zulässig ist auch eine Eventualanfechtung – etwa im Prozess – für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist (BGH NJW 1968, 2099) oder für den Fall des Scheiterns eines Widerrufs oder von Gewährleistungsansprüchen (BGH NJW 1991, 1673, 1674). 2. Anfechtungsberechtigter. Anfechtungsberechtigt ist idR der Erklärende. Dies gilt allerdings nicht im Fall der Stellvertretung. Hier steht das Anfechtungsrecht dem Vertretenen zu, wenn dieser den Vertreter nicht auch zur Erklärung der Anfechtung bevollmächtigt hat (Staudinger/Roth Rn 14; Flume AT II § 31, 3). Mehrere Anfechtungsberechtigte können die Anfechtungsbefugnis unabhängig voneinander ausüben (RGZ 56, 424, 424; 65, 399, 405; NK/Feuerborn Rn 10); die Auswirkungen der Anfechtung einer einzelnen Person richten sich nach § 139 (Soergel/Martens Rn 14). Die Notwendigkeit der Anfechtung durch alle anfechtungsberechtigten Personen kann aber aus der Besonderheit des zw ihnen bestehenden Verhältnisses folgen (zB Gesamthandsgemeinschaft, insb Erbengemeinschaft; RGZ 107, 238; BGH NJW 1951, 308; Staudinger/Roth Rn 15). Das Anfechtungsrecht ist vererblich (BeckOGK/Beurskens Rn 33; Staudinger/Roth § 142 Rn 14). Es kann dagegen nicht selbständig übertragen werden und ist auch nicht pfändbar (NK/Feuerborn Rn 12; Soergel/Martens Rn 13; aA MüKo/Busche § 142 Rn 7; Neuner AT § 41 Rn 19). Etwas anderes gilt, wenn das ganze Vertragsverhältnis kraft Gesetzes übergeht (zB §§ 566, 613a); da in den genannten Fällen auch noch den bisherigen Vermieter bzw ArbGeb Pflichten aus dem Vertrag treffen, steht das Anfechtungsrecht hier nur Veräußerer und Erwerber gemeinsam zu (Flume AT II § 31, 3; Medicus/Petersen AT Rn 714). Ebenso geht das Anfechtungsrecht bei einer rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme über, wenn der Anfechtungsgrund beim Übernehmenden fortbesteht (Staudinger/Roth § 142 Rn 10; Neuner AT § 44 Rn 19). Eine Ermächtigung zur Geltendmachung im eigenen Namen ist möglich (NK/Feuerborn Rn 12; BeckOK/Wendtland Rn 9; Soergel/Hefermehl Rn 6).
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Ausnahmsw kann eine andere Person als der Erklärende anfechtungsberechtigt sein. So kann ein Testament nicht vom Erblasser, sondern nur nach dessen Tod von bestimmten Dritten angefochten werden (§ 2080). Bei der Leistungsbestimmung durch einen Dritten sind die Vertragschließenden anfechtungsberechtigt (§ 318 II). 3. Anfechtungsgegner. a) Vertrag. Beim Vertrag ist die Anfechtungserklärung grds ggü dem Vertragspartner (oder dessen Erben) abzugeben (§ 143 II). Dabei spielt es keine Rolle, ob der andere Teil zwischenzeitl Rechte aus dem Vertrag an einen Dritten abgetreten hat (RGZ 86, 305, 310; NK/Feuerborn Rn 14). Ist über das Vermögen des Vertragspartners das Insolvenzverfahren eröffnet worden, ist die Anfechtung ggü dem Insolvenzverwalter zu erklären (Bamberg MDR 2015, 859). Der Vertragspartner ist auch dann Anfechtungsgegner, wenn ein Vertrag zugunsten eines Dritten vorliegt (BGH LM Nr 8 § 9 PatG) oder wenn für den Vertragspartner ein Vertreter den Vertrag geschlossen hat; im letzten Fall wird der Vertreter aber regelmäßig auch zur Entgegennahme der Anfechtungserklärung bevollmächtigt sein. Anfechtungsgegner können auch mehrere Personen sein. So ist etwa die Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags ggü allen Mitgesellschaftern zu erklären (BGH LM Nr 9 § 182). Bei einer Vertragsübernahme soll der Übernehmer verpflichtet sein, die Anfechtung sowohl ggü dem verbleibenden als auch ggü dem ausscheidenden Vertragspartner zu erklären (BGHZ 96, 302, 310; krit Dörner NJW 1986, 2916). Ebenso soll, wenn die Vertragsübernahme zw dem ausscheidenden und dem eintretenden Vertragspartner vereinbart und vom verbleibenden Vertragspartner genehmigt wird, die Erklärung über die Anfechtung der Genehmigung an beide Parteien des Übernahmevertrags zu richten sein (BGHZ 137, 255, 260). Die Anfechtungserklärung eines Schuldübernahmevertrags, der zw altem und neuem Schuldner vereinbart und vom Gläubiger genehmigt worden ist, soll dagegen allein an den ursprünglichen Schuldner zu richten sein (BGHZ 31, 321, 325). Ausnahmsw ist bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Anfechtungsgegner der Dritte, der aus dem Vertrag unmittelbar ein Recht erworben hat, sofern er die Täuschung kannte oder kennen musste (§ 143 II iVm § 123 II 2). b) Einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft (Abs III). Bei einem einseitigen empfangsbedürftigen Rechtsgeschäft ist der Empfänger der anfechtbaren Erklärung Anfechtungsgegner (§ 143 III 1). Wenn die Erklärung einer Behörde ggü abgegeben werden konnte (zB § 875 I 2, § 876 S 3, § 880 II 3, § 1168 II 2, § 1180 I 2, § 1183 S 2) und abgegeben wurde, ist die Anfechtung ebenfalls an den Anfechtungsgegner zu richten (§ 143 III 2). Unklar ist, ggü wem eine Erklärung angefochten werden muss, die wahlweise ggü zwei Personen abgegeben werden kann. Für die Erteilung der Vollmacht (§ 167) wird heute überwiegend angenommen, dass die Anfechtung, soweit der Bevollmächtigte von der Vollmacht noch keinen Gebrauch gemacht hat, ggü demjenigen erfolgen muss, ggü dem die Vollmacht erklärt worden war (NK/Feuerborn Rn 20; Medicus/Petersen AT Rn 721). Entspr gilt grds auch für die Zustimmung nach § 182 (BeckOK/Bub § 182 Rn 23; Grü/Ellenberger § 182 Rn 1; zur Anfechtung der Genehmigung zur Vertragsübernahme s aber Rn 9). Zur Erklärung der Anfechtung bei der bereits betätigten Innenvollmacht s § 167 Rn 46. c) Einseitige Rechtsgeschäfte anderer Art. Bei einem einseitigen nicht empfangsbedürftigen Rechtsgeschäft (zB Dereliktion, § 959) ist nach § 143 IV 1 Anfechtungsgegner derjenige, der aufgrund des anfechtbaren Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtl Vorteil erlangt hat (zB der Aneignende, § 958 I). Bei einer amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung (zB §§ 928, 1109 II 2) kann die Anfechtung wahlweise ggü dem, der unmittelbar einen rechtl Vorteil erlangt hat, oder ggü der Behörde erfolgen (Ausnahme: Anfechtung der Ausschlagung nur ggü dem Nachlassgericht, § 1955). Die in Abs IV S 2 geregelte Mitteilungspflicht ist lediglich eine Ordnungsvorschrift. Für die Wirksamkeit der Anfechtung spielt es keine Rolle, wenn die Mitteilung unterbleibt (BeckOGK/Beurskens Rn 52; Grü/Ellenberger Rn 7).
§ 144
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Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts
(1) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. (2) Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. 1. Bedeutung. Das anfechtbare, aber (noch) nicht angefochtene Rechtsgeschäft ist gültig; deshalb stellt seine Bestätigung – anders als in § 141 – nicht die Neuvornahme eines (nichtigen) Geschäfts, sondern einen einseitigen Verzicht des Anfechtungsberechtigten auf sein Anfechtungsrecht dar. Nach (wirksamer) Anfechtung des Geschäfts kommt hingegen nur noch eine Bestätigung (= Neuvornahme) nach § 141 in Betracht. Für die Bestätigung der aufhebbaren Ehe enthält § 1315 eine Spezialregelung. Die Bestätigung iSd § 144 soll nach traditioneller Auffassung eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung darstellen (s schon Mugdan I 731; RGZ 68, 398; 399; Grü/Ellenberger Rn 2; Jauernig/Mansel Rn 2). In der Lit überwiegt demggü heute zu Recht die Auffassung, dass die Bestätigung empfangsbedürftig ist, da der Anfechtungsgegner wissen muss, ob er auf den Bestand des Rechtsgeschäfts vertrauen kann (NK/Feuerborn Rn 7; Medicus/Petersen AT Rn 534; Staudinger/Roth Rn 4). 2. Voraussetzungen. Die Rspr verlangt, dass der Bestätigende Kenntnis vom Anfechtungsrecht oder mindestens das Bewusstsein haben müsse, dass das Rechtsgeschäft möglicherweise anfechtbar ist (RGZ 68, 399, 400; BGH NJW 1971, 1795, 1800; 1995, 2290, 2291; 2012, 296, 300; NJW-RR 1996, 1281, 1283; ebenso Neuner AT § 58 Rn 8). Soweit damit eine (zusätzl) subj Wirksamkeitsvoraussetzung begründet werden soll, bestehen dagegen die gleichen Bedenken wie bei § 141 (§ 141 Rn 3). Für eine wirksame Bestätigung ist danach ein wie auch 472
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Willenserklärung
§ 144
immer geartetes subj Bestätigungsbewusstsein nicht notwendig, sondern es genügt die Äußerung des Bestätigungswillens in einer entspr Erklärung (wie hier NK/Feuerborn Rn 4; Medicus/Petersen AT Rn 531; Staudinger/ Roth Rn 8f). Eine Bestätigung im Falle der Drohung (§ 123 I) setzt außerdem einen Wegfall der Zwangslage voraus (BAG AP Nr 16 § 123; Stuttgart BeckRS 2022, 41701; BeckOGK/Beurskens Rn 48; aA Soergel/Martens § 144 Rn 7, nach dem die Bestätigung bei fortwährender Drohung anfechtbar sein soll). Die Bestätigung muss erklärt werden. Sie kann bei einem teilbaren Rechtsgeschäft auf einen Teil oder bei 4 mehreren Anfechtungsgründen auf einen einzelnen Grund beschränkt werden (MüKo/Busche Rn 7). Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (§ 144 II). Möglich ist daher auch eine Bestätigung durch schlüssige Handlung (s nur BGH NZM 2016, 582; Stuttgart BeckRS 2022, 41701; BeckOGK/ Beurskens Rn 27). Diese muss jedoch den Willen erkennen lassen, an dem Geschäft trotz Anfechtungsmöglichkeit festzuhalten; die Rspr wertet ein Verhalten nur dann als konkludente Kundgabe eines Bestätigungswillens, wenn jede andere nach den Umständen einigermaßen verständliche Deutung ausscheidet (BGHZ 110, 220, 222; BGH NJW 1958, 177; 1967, 720, 721; 1971, 1795, 1800; NJW-RR 1992, 779; BAG NJOZ 2006, 2031, 2034; NZM 2016, 582, 583; aA NK/Feuerborn Rn 8; krit auch MüKo/Busche Rn 6). Für diese strengen Anforderungen spricht, dass ein Teilnehmer am Rechtsverkehr erfahrungsgemäß nicht ohne weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet. Als konkludente Bestätigung kommt insb die freiwillige Erfüllung in Betracht (Koblenz FamRZ 1983, 720). Auch die vorbehaltlose Entgegennahme und/oder die Benutzung, der Verbrauch sowie die Veräußerung der entgegengenommenen Leistung können uU eine Bestätigung darstellen (vgl RG JW 1911, 359; Hamm NJW-RR 2013, 170, 172: weitere Inanspruchnahme von Diensten aus einem anfechtbaren Maklervertrag; Nürnberg NJW-RR 2018, 1390, 1395); sie reichen aber zB dann nicht aus, wenn sie auf wirtschaftl Notwendigkeit beruhen und/oder der Abwehr des Verderbs oder eines größeren Verlusts dienen (BGH NJW 1971, 1795, 1800; NJW-RR 1992, 779, 780). Bei bloßen Sicherungsmaßnahmen oder Verwaltungshandlungen kann idR nicht auf einen Bestätigungswillen geschlossen werden. Macht ein Käufer in Kenntnis seines Anfechtungsrechts wegen arglistiger Täuschung gerichtlich oder außergerichtlich einen Gewährleistungsanspruch geltend, so lässt sich daraus noch kein Bestätigungswille entnehmen (BGHZ 110, 220, 222; BGH NJW 1958, 177). Bei einem anfechtbaren Arbeitsvertrag liegt in einer Kündigung zeitl vor oder zeitgleich mit der Anfechtung ebenfalls keine Bestätigung (BAG NJOZ 2006, 2031, 2034), ebenso bei einem Versicherungsvertrag nicht in der routinemäßigen elektronischen Ausstellung eines Nachtrags zum Versicherungsschein (Saarbrücken VersR 2003, 890). Aus der Nichtausübung einer eingeräumten Rückgabeoption soll nicht auf das Bestehen eines Bestätigungswillens geschlossen werden können (BGH NJW 2022, 1674, 1675; aA Grigoleit ZIP 2021, 1993, 2004). 3. Wirkung. Die Bestätigung führt zum Verlust des Anfechtungsrechts. Bestätigt nur einer von mehreren 5 Anfechtungsberechtigten, so wirkt die Bestätigung nur ihm ggü. Wie jede Willenserklärung kann auch die Bestätigung angefochten werden, so dass das Anfechtungsrecht wiederauflebt. Sonstige Rechte (zB Schadensersatzansprüche) erlöschen nicht durch die Bestätigung, sondern nur durch Erlassvertrag (RG JW 1911, 398; BGH NZM 2016, 582, 583f; NK/Feuerborn Rn 13). Ob der Bestätigende (auch) einen Erlasswillen erklärt hat, ist nach im Schrifttum vielfach vertretener Auffassung Frage der Auslegung im Einzelfall (BeckOGK/Beurskens Rn 54; MüKo/Busche Rn 8; Staudinger/Roth Rn 16; Soergel/Martens Rn 13). Dieser Auffassung hat sich auch die Rspr angeschlossen: Es könne nicht angenommen werden, dass der Bestätigende regelmäßig auf alle aus dem Anfechtungstatbestand folgenden Ansprüche verzichten wolle (BGH NZM 2016, 582, 584). Jedoch gehe mit der Bestätigung idR ein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrags im Hinblick auf solche Schadensersatzansprüche einher, die dem Anfechtenden aufgrund der Umstände, die ihn zur Anfechtung berechtigen, zustünden und durch die er so gestellt werde, als wäre der Vertrag nicht zustande gekommen; eine Annahme dieses Angebots durch den anderen Teil sei bereits dann anzunehmen, wenn dieser untätig bleibe (BGH NZM 2016, 582, 584). Dagegen biete der Bestätigende idR dem anderen Teil nicht zugleich den Erlass solcher Schadensersatzansprüche an, die den vertragl Leistungsaustausch unberührt ließen (BGH NZM 2016, 582, 584). Da derartige Ansprüche praktisch die Ausnahme bilden, sondern es überwiegend um Ansprüche auf schadensrechtl Rückabwicklung des Vertrags gem § 241 II, § 311 II, § 280 I gehen dürfte, sollte der Unterschied zu der bislang hier vertretenen Auffassung, nach der der Wille des Bestätigenden idR auf Beseitigung aller aus dem Anfechtungstatbestand folgenden Schadensansprüche gehen wird, gering bleiben. Problematisch erscheint es freilich, wenn nach Auffassung des BGH (NZM 2016, 582, 585) im Fall einer arglistigen Täuschung über einen Mangel der Kaufsache auch Ansprüche auf „großen Schadensersatz“ (§ 437 Nr 3, § 280 I, III, § 281 I 1, 3) durch die Bestätigung ausgeschlossen sein sollen. Derartige Ansprüche beruhen nicht auf dem Anfechtungstatbestand, sondern auf der mangelhaften Leistung; das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist allein im Hinblick auf die Entbehrlichkeit der Nachfrist relevant (§ 281 II Alt 2 oder § 440). Dementspr kann die Bestätigung des anfechtbaren Vertrags nur die sofortige Geltendmachung des großen Schadensersatzes hindern, steht aber einer Berufung auf § 437 Nr 3, § 280 I, III, § 281 I 1, 3 nach erfolgloser Nachfristsetzung nicht entgegen (iErg auch Regenfus Jura 2016, 1089, 1099). 4. Beweislast. Wer den Ausschluss des Anfechtungsrechts geltend macht, hat die Bestätigung zu beweisen 6 (BGH NJW 1967, 720, 721). Dabei soll es allerdings genügen, wenn der andere Teil nachweist, dass der Anfechtungsberechtigte die Tatsachen kannte, die sein Anfechtungsrecht begründen (MüKo/Busche Rn 9).
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Vor § 145
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Rechtsgeschäfte
Titel 3 Vertrag (§§ 145–157) Vorbemerkung vor § 145 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlicher Wille . . . . . . . . . . . . 3. Zustandekommen des Vertrags . . . . . . 4. Elektronischer Vertragsschluss . . . . . . 5. Internationales Recht; Rechtsvergleichung
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
II. Verträge der öffentlichen Hand (Staat, Gemeinden) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentlich- und privatrechtliche Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subordinationsrechtlicher Verwaltungsvertrag . 3. Öffentlich-rechtliche Bindungen bei privatrechtlichem Handeln der öffentlichen Hand . . 4. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang 1. Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrahierungszwang (Abschlusszwang) . . . 3. Vertragsgestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . 4. Reichweite der Typenfreiheit . . . . . . . . . 5. Geltung im internationalen Geschäftsverkehr 6. Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. 1 . 1 . 4 . 11 . 12a . 13 .
14
. .
14 20
. .
24 25
. . . . . . .
26 26 27 33 34 35 36
IV. Fehlerhafte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . 1. Existenz eines Vertrags . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit . . . . . . . . .
39 39 40
V. Faktischer Vertrag aufgrund sozialtypischen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lehre vom faktischen Vertrag . . . . . . . . . 2. Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichtigkeit wegen Willensmangels . . . . . . . 4. Delikts- und Bereicherungsrecht . . . . . . . .
. . . . .
42 42 43 44 45
VI. Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorhandvertrag 1. Vorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Optionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
46 46 52 52a
VII. Sukzessivlieferungsvertrag . . . . . . . . . . . 1. Sukzessivlieferungsvertrag . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 54
VIII. Richtlinien- und Rahmenvertrag . . . . . . . . 1. Grundregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 56
Schrifttum: Arnold, Vertrag und Verteilung, Die Bedeutung der iustitia distributiva im Vertragsrecht, 2014; Bailas, Das Problem der Vertragsschließung und der vertragsbegründende Akt, 1962; F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, 1967; Fischer, Die Entwicklung des europäischen Vertragsrechts, 2. Aufl 2016; Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT I, 1960, 135; Jansen/Zimmermann, Vertragsschluss und Irrtum im europäischen Vertragsrecht, AcP 210 (2010), 196; Köhler, Vertragsrecht und „Property Rights“-Theorie, ZHR 144 (1980), 589; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1980; Kramer, Grundlagen der vertraglichen Einigung, 1972; Kramer, Anmerkungen zum Konsenserfordernis bei zweiseitig verpflichtenden Verträgen, FS Canaris 2007, 665; Leenen, Abschluss, Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrages, AcP 188 (1988), 559; Leenen, Willenserklärung und Rechtsgeschäft in der Regelungstechnik des BGB, FS Canaris 2007, 699; Limbach, Das Rechtsverständnis in der Vertragslehre, JuS 1985, 10; MayerMaly, Vertrag und Einigung, FS Nipperdey I, 1965, 509; Pfeiffer, Von Preistreibern und Abbruchjägern – Rechtsgeschäftslehre bei Online-Auktionen, NJW 2017, 1437; L. Raiser, Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT I, 1960, 101; L. Raiser, Die Aufgabe des Privatrechts, 1977; Reinhardt, Die Vereinigung subjektiver und objektiver Gestaltungskräfte im Vertrage, FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115; Rother, Der Vertrag als Vertragsgegenstand, FS Larenz, 1973, 409; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001; Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, 1986; Schmidt-Rimpler, Zum Vertragsproblem, FS Raiser, 1974, 3; Stöhr, Die Vertragsbindung – Legitimation, Herkunft, Grenzen, AcP 214 (2014), 425; Tosche, Entwicklung und Auflösung der Lehre vom Vertrag, 1980; Willoweit, Rechtsgeschäft und einverständliches Verhalten, NJW 1971, 2045; Windel, Die Typologie der Schuldverträge, FS Schilken, 2015, 153. Vgl auch die Schrifttumshinweise vor Rn 14, 26, 39, 46, 53, 55.
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I. Grundlagen. 1. Überblick. a) Anwendungsbereiche von Verträgen. Die §§ 145–157 enthalten Regeln darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Vertrag zustande kommt und wie sein Inhalt zu bestimmen ist. Kern jedes Vertrags ist die Willenseinigung zweier oder mehrerer Rechtssubjekte. Die Einigung kommt in gegenseitig ausgetauschten und inhaltlich korrespondierenden Willenserklärungen der Vertragspartner zum Ausdruck (Rn 11f), die eine Rechtswirkung zur Folge haben. Der Vertrag dient somit der Selbstgestaltung im Rahmen der Rechtsordnung (Vertragsfreiheit; Rn 26ff). Die Parteien legen einverständlich fest, was zw ihnen rechtens sein soll. Dies lässt sich mit dem Begriff der „lex contractus“ veranschaulichen (jurisPK/Backmann Rn 4; krit BeckOGK/Möslein § 145 Rn 16), da die Parteien im Rahmen der ihnen gewährten Gestaltungsmacht gleichsam ihr eigener Gesetzgeber sind, dessen Regelsetzung dem dispositiven Gesetzesrecht vorgeht. Sie können sich ausdrückl oder konkludent (dh durch schlüssiges Verhalten) einigen. Auch im Falle schlüssigen Verhaltens ist der beiderseitige Wille erforderlich, einen bestimmten Vertrag zu schließen. Insb muss auch das schlüssige Verhalten zu einer Einigung über die essentialia negotii (Rn 4 und § 154 Rn 2) führen (Brandenburg 25.6.2008 – 3 U 195/07). Existent ist nur der konkrete Vertrag. Die Abstraktion „Vertrag“ iSd §§ 145ff erfasst alle Einigungen im Bereich des Privatrechts (zum öffentlich-rechtl Vertrag s Rn 14ff). Das Hauptanwendungsgebiet liegt im Schuldrecht (Rn 2f). Daneben kommen Verträge im Sachen-, Familien- und Erbrecht vor; für sie gelten gleichfalls die §§ 145–157, während die Bestimmungen des Schuldrechts auf sie idR nicht anwendbar sind (RGZ 66, 90, 99; Vor § 311 Rn 1). Gegenstand eines Vertrags kann auch eine Verfügung sein, wie zB die Abtretung oder der Erlass einer Forderung (§§ 398, 397), die Eigentumsübertragung (§§ 929, 925, 873) oder die Bestellung eines dinglichen Rechts. Verträge über dingliche Rechte bilden als „dingliche“ Verträge eine Unterart der Verfügungsverträge. 474
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Vertrag
Vor § 145
b) Insbesondere: Schuldverträge. aa) Durch den Schuldvertrag wird meist eine Verpflichtung zu künftigem Verhalten begründet. Je nachdem, ob nur eine oder beide Parteien verpflichtet werden, sind einseitig verpflichtende Verträge (zB Schenkungsversprechen) von zweiseitig verpflichtenden Verträgen (zB Kauf) zu unterscheiden. Daneben gibt es unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge, die gewissermaßen in der Mitte zw den einseitigen und den mehrseitigen Verträgen stehen. Sie setzen, wie zB der Auftrag, nur die Verpflichtung einer Partei voraus, können aber uU auch Verpflichtungen der anderen Partei auslösen. Auf jeder Seite können statt einer Partei auch mehrere Parteien stehen (mehrseitiger Vertrag; BeckOGK/Möslein § 145 Rn 55). In der Praxis stehen die verpflichtenden Verträge im Vordergrund. Zu den Schuldverträgen gehören aber auch die im täglichen Leben häufigen Handgeschäfte, wie zB Handkauf und Handschenkung. Sie begründen zwar keine Verpflichtung zu künftiger Leistung, schaffen aber einen Rechtsgrund iSd § 812 für erbrachte Leistungen. Die Regeln über das Zustandekommen von Verträgen (§§ 145–156) gelten für alle privatrechtl Vereinbarungen, die – außerhalb von Gefälligkeitsverhältnissen – auf die Erzielung eines bestimmten Rechtserfolgs gerichtet sind (BGH NJW-RR 1994, 1163, 1164). Das BGB regelt im Besonderen Schuldrecht (§§ 433ff) bestimmte Vertragstypen, die sich in drei Gruppen einteilen lassen: Verträge des Interessengegensatzes (Austauschverträge), zu denen Kauf, Miet-, Pacht- und Werkvertrag gehören, die Verträge der Interessengemeinschaft, insb Gesellschaftsverträge, sowie die Verträge der Interessenwahrung, insb Geschäftsbesorgungsverträge (§ 675). Die §§ 145ff sind grds auch auf Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558ff anwendbar, da es sich bei dem Erhöhungsverlangen um einen Antrag auf Abschluss eines Änderungsvertrags handelt (BGH NJW-RR 2022, 953 Rn 25; § 558b Rn 3). bb) Soweit Schuldverträge zugleich das Verhalten der Parteien im Markt zum Gegenstand haben und die Vertragsfreiheit einengen, sind sie marktordnende (organisatorische) Verträge. Mit ihnen befasst sich das GWB. Das Kartellverbot erfasst nach § 1 GWB Vereinbarungen zw Unternehmen, Beschl von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Ob eine „Vereinbarung“ iSd § 1 GWB neben der Willenseinigung (vgl zu ihr BGH [Kartellsenat] NJW 1971, 521, 524 – Teerfarben) keinen rechtl Bindungswillen der Parteien verlangt (so Erman/Hefermehl10 Rn 6), ist nach der Neufassung des GWB überaus fraglich. Überzeugender ist es, Übk ohne Bindungswillen und damit auch das Gentlemen’s Agreement (Rn 8) als aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen iSd § 1 GWB anzusehen (Staudinger/Bork Rn 7). 2. Erforderlicher Wille. a) Grundsatz. Der Vertrag erfordert einen auf eine Rechtsfolge gerichteten Willen der Parteien, bei einem schuldbegründenden Vertrag einen Rechtsbindungswillen (BGHZ 21, 102, 106 = BGH NJW 1956, 1313; BGHZ 56, 204, 208 = BGH NJW 1971, 1404, s § 145 Rn 3). An den Inhalt und Umfang dieses Willens sind nur geringe Anforderungen zu stellen. Rechtliche Einzelheiten sind den Parteien gewöhnlich unbekannt und können daher von ihnen nicht gewollt sein. Zielt der Parteiwille auf einen tatsächlichen wirtschaftl Effekt, genügt es, wenn dieser vom Recht gewährleistet werden soll. Richtet sich der Parteiwille auf einen gesetzl geregelten Vertragstyp, wie zB einen Kauf- oder Mietvertrag, so treten zugleich kraft zwingenden oder erg dispositiven Rechts die weiteren, dem Typus des Vertrags entspr, insb seiner Durchführung dienenden Regelungen ein. Auf sie braucht sich der Rechtsbindungswille der Parteien nicht zu erstrecken. Es genügt, dass der Geschäftskern, die essentialia negotii (Leistung, Gegenleistung, Parteien), vom Parteiwillen in laienhafter Vorstellung erfasst sind. Beim Garantievertrag gehört dazu die Vereinbarung, unter welchen konkreten Voraussetzungen der Garantiefall eintreten soll (Köln 20.10.2008 – 18 U 80/08). Zu den Anforderungen an die Bestimmbarkeit s § 145 Rn 2. Auch in der sog Zielfindungsphase eines Architektenvertrages müssen für einen Vertragsschluss die essentialia negotii bestimmbar sein; § 650p II enthält diesbzgl keine Ausnahme (eingehend Deckers ZfBR 2019, 731). b) Kenntnis der Unverbindlichkeit. Wissen die Parteien bei Vertragsabschluss, dass sie etwas rechtl Unverbindliches vereinbaren, so soll es nach st Rspr an einem Rechtsgeschäft fehlen (RGZ 122, 138, 140f; BGHZ 45, 376, 379 = BGH NJW 1966, 1747). Man spricht von „nicht rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen“ (RGZ 68, 322, 324). Wissen zB die Parteien, dass ein Teil ihrer Abreden wegen Nichtbeachtung der gesetzl vorgeschriebenen Form unwirksam ist, so soll diesem Teil keine rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommen; das Rechtsgeschäft soll demnach nur von den übrigen, von den Parteien allein im Rechtssinn gewollten Vertragsbestimmungen gebildet werden. Bei dieser Sichtweise greift § 139 wegen fehlenden Rechtsbindungswillens nicht ein, weil von einer Nichtigkeit eines Teils des „Rechtsgeschäfts“ nicht gesprochen werden kann (BGHZ 45, 376, 379f = BGH NJW 1966, 1747; 1999, 351). Wollen die Parteien freilich den übrig bleibenden Rest nicht mit diesem Inhalt, so kann nur Gesamtnichtigkeit die Folge sein (BGHZ 45, 376, 380 = BGH NJW 1966, 1747). Dieses Ergebnis zeigt, dass der Ausgangspunkt der Sichtweise der Rspr, die Unkenntnis der Rechtsunwirksamkeit sei begriffliche Voraussetzung eines Rechtsgeschäfts, durchaus angreifbar ist. Jener Sichtweise ist jedoch zuzugeben, dass bei Koppelung einer bewusst unwirksamen Erklärung mit einer wirksamen sich die Unwirksamkeit nach dem Parteiwillen gerade nicht auf das gesamte Rechtsgeschäft erstrecken soll, so dass die Vermutung des § 139 in der Tat nicht eingreift (s auch § 139 Rn 23; Staudinger/Roth § 139 Rn 24). c) Vermeintliche Unverbindlichkeit. Die Frage, ob ein Rechtsgeschäft vorliegt, stellt sich auch dann, wenn die Parteien ihre Vereinbarung wegen eines vermeintlichen Mangels als unwirksam angesehen haben, während sie in Wirklichkeit wirksam ist. Bsp: Beide Parteien nehmen irrtümlich an, gegen ein gesetzl Verbot oder eine Formvorschrift zu verstoßen. Beim error in dominio hält sich der Veräußerer irrigerweise für den Nichteigentümer, und der Erwerber glaubt irrig nicht an das Eigentum des Veräußerers. In solchen Fällen ist zu differenzieren: Hätten die Parteien keine Regelung getroffen, wenn der Grund für die fehlende Unwirksamkeit ihnen beArmbrüster
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wusst gewesen wäre, liegt kein verbindliches Rechtsgeschäft vor (vgl Enneccerus/Nipperdey § 145 Fn 7 [S 897]). Dies wird idR bei einem gewollten Verstoß gegen Formvorschriften anzunehmen sein (Flume II § 7, 8 [S 94]). Bisweilen kann der von der Rechtsordnung vermeintlich nicht anerkannte Rechtserfolg indessen von den Parteien durchaus gewollt sein, zumindest für den Fall, dass er obj rechtl möglich ist. Dies kommt insb bei einem vermeintlichen Verbotsverstoß in Betracht. Die Parteien verzichten dann nicht auf die Rechtsverbindlichkeit, sondern sie nehmen nur den Verstoß gegen das vermeintliche Verbot in Kauf (Flume II § 7, 8 [S 94]). Ein solches Rechtsgeschäft ist gültig. d) Abgrenzungen. aa) Mit dem Rechtsbindungswillen grenzt man auch rechtsverbindliche von nicht rechtl, sondern faktischen Bindungen wirtschaftl, gesellschaftlicher oder moralischer Art ab (vgl Staudinger/Bork Rn 79). Meist wird der Rechtsbindungswille jedoch von den Parteien nicht ausdrückl bejaht oder verneint sein. Es kommt dann darauf an, wie sich dem obj Betrachter das Verhalten des Leistenden darstellt (BGHZ 21, 102, 106f = BGH NJW 1956, 1313; 1992, 498f). So können sich Gefälligkeiten des täglichen Verkehrs außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs halten. Indizien für einen rechtl Bindungswillen sind hingegen etwa der hohe Wert einer anvertrauten Sache, die große wirtschaftl Bedeutung einer Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten und die nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung gelangen kann (München MDR 1999, 744 – Anlagevermittlung; Hamm NJW-RR 2001, 455, 456 – Schweißarbeiten beim Nachbarn; weitere Bsp aus der Rspr bei Staudinger/Bork Rn 82). Auch die Zumutbarkeit der Annahme einer Rechtspflicht und des daraus folgenden Schadensersatzrisikos spielt eine wichtige Rolle (BGH NJW 1974, 1705, 1706 betr Lottospielgemeinschaft; krit Plander AcP 176, 425, 432ff). Deshalb ist bei einer (einmaligen) Gefälligkeitsfahrt ein Rechtsbindungswille idR zu verneinen, während er bei einer (regelmäßigen) Fahrgemeinschaft mit Unkostenbeteiligung durchaus bestehen kann (BGH NJW 1992, 498f). bb) Bei einem Gentlemen’s Agreement werden die Erklärungen der Parteien ohne Rechtsbindungswillen abgegeben. Der erstrebte Erfolg soll im Vertrauen auf das Wort des Partners oder die Regeln des Anstands erreicht werden. Es besteht kein allg Rechtssatz des Inhalts, dass es immer dann, wenn die Partner einer Vereinbarung diese als Gentlemen’s Agreement bezeichnen, an einem rechtl Bindungswillen gefehlt habe, so dass die Parteien für die Durchführung ihrer Übereinkunft auf den beiderseitigen guten Willen oder die Einhaltung der Regeln des kaufmännischen Anstands angewiesen sind. Vielmehr muss unabhängig davon, ob die Bezeichnung „Gentlemen’s Agreement“ gebraucht wird oder nicht, nach den allg Regeln der Auslegung ermittelt werden, ob und in welchem Umfang die Parteien sich rechtl durch die Begr klagbarer Ansprüche verpflichten wollten (BGH MDR 1964, 570; München NJW 2011, 1369, 1370; s auch Widmann NJW 2001, 205 zum Ehrenwort). Ein Gentlemen’s Agreement kann allerdings als Beschreibung einer Geschäftsgrundlage angesehen und damit gem § 313 bedeutsam werden (vgl Nürnberg NJW-RR 2001, 636, 637). Die Rückforderung eines durch eine derartige Vereinbarung erlangten Vermögensvorteils erfolgt nach Bereicherungsrecht. Vom Gentlemen’s Agreement sind die sog gewillkürten Naturalobligationen bzw Vertrauensverträge abzugrenzen (NK/Rademacher/Schulze Rn 28). In diesen Fällen ist regelmäßig zwar die gerichtliche Erzwingbarkeit der Primärleistungspflichten ausgeschlossen, da ein Höchstmaß an inhaltlicher Flexibilität gewährleistet werden soll (Celle OLG 1969, 1, 2; NK/Rademacher/ Schulze Rn 28). Indes liegt ein Schuldverhältnis iSv § 241 I vor, aus dem sich Pflichten nach § 241 II und Schadensersatzansprüche nach § 280 I ergeben können. Zugleich bildet dieser Vertrauensvertrag einen Rechtsgrund iSv § 812 I 1. Etwaige Vermögensverschiebungen können demnach nicht über das Bereicherungsrecht korrigiert werden. Allerdings ist die Vereinbarung einer unklagbaren Forderung regelmäßig auf ein verbotenes oder sittenwidriges Verhalten gerichtet; insoweit sind an die Inhaltskontrolle strenge Maßstäbe anzulegen (Celle OLG 1969, 1, 2). Zur ähnl Struktur bei Spielsperrverträgen s KG NJW-RR 2003, 1359ff. cc) Der Rechtsbindungswillen fehlt idR auch beim Letter of Intent, bei dem es sich um eine reine Absichtserklärung handelt, zB zukünftig einen Vertrag (unter gewissen Bedingungen) zu schließen. Ein Letter of Intent kann allerdings Grundlage für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vorvertragl Vertrauens sein (vgl § 311 II, § 241 II, § 280 [cic]; s dazu Bergjan ZIP 2004, 395). Die Auslegung kann zudem ergeben, dass die Parteien ausnahmsw schon in einem Letter of Intent verbindliche Abreden treffen wollen („harter Letter of Intent“; Bergjan ZIP 2004, 395, 396; oder „Vorfeldvereinbarung“; MüKo/Busche Rn 60; eingehend Lutter Letter of Intent, 19ff). Zur Abgrenzung von Nebenabreden in einem Side Letter s Duhnkrack/Hellmann ZIP 2003, 1425, 1426. dd) Um eine sog unvollkommene Verbindlichkeit handelt es sich, wenn die Parteien nur die Klagbarkeit ausschließen (pactum de non petendo; zum gesetzl Ausschluss s §§ 762f), die Vereinbarung jedoch iÜ der Rechtsordnung unterstellen. Der Vertragscharakter einer Vereinbarung entfällt nicht dadurch, dass eine nicht klagbare Verpflichtung begründet wird. Daher gelten zB für ein Vermächtnis unter Ausschluss der Klagbarkeit – als einer Zusage einseitiger Leistung – abgesehen von der Klagbarkeit die Regeln über das Vermächtnis (Flume II § 7, 8, 95). Auch familiäre und gesellschaftliche Beziehungen sind einer rechtsgeschäftlichen Regelung nicht generell entzogen (s auch Rn 7). Zwar werden häufig keine klagbaren Verpflichtungen begründet worden sein, wohl aber durch Verfügungen oder Ermächtigungen andere Rechtswirkungen. Der rechtsgeschäftliche Charakter kann sich hier insb in der Festlegung eines Leistungszwecks, einer Haftungsbeschränkung oder im Ausschluss eines Rückforderungsanspruchs zeigen. 3. Zustandekommen des Vertrags. a) Der Vertragsschluss vollzieht sich gem §§ 145ff durch Antrag und Annahme, also durch gegenseitige, inhaltlich korrespondierende Willenserklärungen (Rn 1; vgl aber auch Leenen FS Canaris, 699ff, der den Abschluss des Vertrags von dessen Zustandekommen abgrenzt). Häufig wird die Annahme dem Antrag nachfolgen. Ein Vertrag kann aber auch durch gleichzeitig abgegebene Willenserklärun476
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gen, insb durch Unterzeichnung derselben Vertragsurkunde geschlossen werden; die gemeinsame Unterzeichnung stellt den Abschluss des Einigungsprozesses dar (instruktiv dazu Leenen AcP 188, 381, 399ff; s auch Merle ZWE 2005, 412ff). Beim Wiederkaufs-, Vorkaufs- oder Optionsrecht ist der Hauptvertrag aufschiebend bedingt geschlossen (s Vor § 158 Rn 13ff, § 463 Rn 3, § 456 Rn 4 – Vorkauf; § 456 Rn 3 – Wiederkauf sowie Vor § 158 Rn 14f – Option). – Als Ort des Vertragsschlusses ist der Ort anzusehen, an dem der Konsens zustande kommt. Das ist bei Erklärungen unter Abwesenden der Ort, an dem die Annahme dem Antragenden zugeht. Bedarf es keines Zugangs der Annahmeerklärung (§ 151), ist es der Ort der Abgabe (RGZ 62, 379, 381). Entspr gilt für den Zeitpunkt. – Ferner muss der Gegenstand des Vertrags bestimmt oder genügend bestimmbar sein (vgl BGH NJW 1996, 1751; NZM 2015, 497 Rn 24 – Architektenvertrag). Dies gilt insb für einen Vorvertrag: Er muss ein solches Maß an Bestimmbarkeit aufweisen, dass im Streitfall der Inhalt des Hauptvertrags richterlich festgestellt werden kann (Rn 47). b) Konsens. Zu einem Vertrag kommt es nur, wenn die Willenserklärungen inhaltlich übereinstimmen (Kramer, 12 FS Canaris, 2007, Bd 1, 665). Ob dies der Fall ist, muss durch Auslegung (§§ 133, 157; eingehend § 157 Rn 1ff) geklärt werden. Vertragszweck und Vertragsinhalt sind unter Berücksichtigung des erklärten Parteiwillens und von Treu und Glauben zu ermitteln (BGHZ 9, 273, 277 = BGH NJW 1953, 937). Dabei ist stets die individuelle Auslegung anhand der Interessenlage vorrangig. Maßgeblich ist der Einfluss, den das Interesse der Parteien auf den obj Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (BGH NJW 1998, 3268, 3269f; 2001, 1928f). Kann der übereinstimmende wirkliche Wille festgestellt werden, so besteht kein Anlass für eine obj (typisierende) Auslegung. So kommt es bei einer falsa demonstratio nicht auf den Wortlaut der Erklärungen, sondern auf das beiderseits Gewollte an (st Rspr, BGH NJW 1998, 746, 747; krit Mittelstädt Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, 126ff, 152; s § 155 Rn 2). Ein Vertrag kann aber auch zustande kommen, wenn sich die eine Partei ihres rechtsgeschäftlichen Verhaltens nicht bewusst geworden ist (fehlendes Erklärungsbewusstsein), die andere Partei aber hierauf vertraut hat (Schulbsp: sog Trierer Weinversteigerung, s dazu Boecken AT Rn 207). Privatautonomie und Vertrauensschutz bedingen einander und rechtfertigen eine normative Auslegung. Ein Vertrag kommt hingegen nicht zustande, wenn beide Parteien sich nicht bewusst waren, rechtsgeschäftlich zu handeln (Rn 4). Dasselbe gilt, wenn sie sich über einen wesentlichen Vertragsbestandteil nicht geeinigt haben und das Fehlende sich weder den Umständen (arg § 154) oder dem dispositiven Recht (zB §§ 612, 632) entnehmen lässt noch der Bestimmung durch eine Partei oder einen Dritten (§§ 315ff) oder ausnahmsw einer späteren Regelung vorbehalten wurde. Bei Vertragslücken, die nicht die essentialia negotii betreffen, kommen – abgesehen von speziellen gesetzl Auslegungsregeln – die Grundsätze ergänzender Auslegung zur Anwendung (§ 157 Rn 15ff). 4. Elektronischer Vertragsschluss. Problembehaftet ist der Vertragsschluss unter Verwendung von IT-Syste- 12a men. Bei elektronisch erzeugten Computererklärungen, die automatisiert durch eine herkömmliche Software generiert werden, handelt es sich um (gestreckte) Willenserklärungen des Systemnutzers (Effer-Uhe RDi 2021, 169, 170). Solche Erklärungen sind vom generellen Rechtsbindungs- und Handlungswillen des Nutzers umfasst (Kainer/Förster ZfPW 2020, 275, 280). Problematischer ist die Behandlung von Erklärungen, die durch Künstliche Intelligenz (KI) generiert werden. Hier ist danach zu differenzien, wie autonom das System agiert: Erklärungen, die sich in einem zuvor abgesteckten Rahmen bewegen, sind regelmäßig vom Rechtsbindungs- und Handlungswillen des Nutzers umfasst und daher wie Computererklärungen zu behandeln. Konnte dagegen bei der Inbetriebnahme der KI nicht damit gerechnet werden, dass das System eine Erklärung dieses Inhalts abgeben würde, handelt es sich nicht um eine Erklärung des Nutzers. Um eine Zurechnung der autonom erzeugten Erklärung nach § 164 I zu ermöglichen, wird teils erwogen, autonome Systeme als (teil-)rechtsfähig anzuerkennen (Mayinger, Die künstliche Person, 2017, 166ff; Schirmer JZ 2016, 660; Teubner AcP 218, 155, 182). Dies ist jedoch zumindest de lege lata abzulehnen (Foerster ZfPW 2019, 418, 426ff; selbst de lege ferenda zweifelnd MüKo/Spickhoff § 1 Rn 14; vgl auch im haftungsrechtl Kontext Zech Gutachten 73. DJT A 97). Auch eine analoge Anwendung des Stellvertretungsrechts ist nicht möglich (Kainer/Förster ZfPW 2020, 275, 292ff; BeckOGK/ Möslein § 145 Rn 71). 5. Internationales Recht; Rechtsvergleichung. a) UN-Kaufrecht (CISG). Besonders bedeutsam für das Ver- 13 tragsrecht ist das Übk der Vereinten Nationen (UN) v 11.4.1980 betreffend Verträge über den internationalen Warenverkauf, das am 1.1.1991 für Deutschland in Kraft getreten ist (BGBl II 1989, 5586). Internationale Warenkaufverträge, die seit dem 1.1.1991 mit CISG-Vertragsstaaten geschlossen werden, unterliegen den Vorschriften dieses Rechts (Art 100 CISG), sofern nicht die Parteien seine Anwendung abbedungen haben (Art 6 CISG). Der Vertragsschluss ist im Wesentlichen in den Art 14ff CISG geregelt (zu Anwendungsproblemen s Neumayer, FS W. Lorenz, 1991, 747). Diese Vorschriften weisen deutliche Parallelen zu jenen des BGB auf. Erg können als allg Grundsätze iSd Art 7 II CISG auch die UNIDROIT-Grundregeln der Internationalen Handelsverträge (UNIDROIT-Principles) herangezogen werden. Eingehend zum Ganzen Honsell (Hrsg), Kommentar zum UN-Kaufrecht2, 2009; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Kommentar zum UN-Kaufrecht (CISG)7, 2019; Staudinger/Magnus, Kommentar zum UN-Kaufrecht (CISG), Bearb 2018; http://www.unilex.info (Texte, Entscheidungssammlungen, Schrifttumshinweise zum CISG und zu den UNIDROIT-Prinzipien); s auch Ludwig, Der Vertragsschluss nach UN-Kaufrecht im Spannungsverhältnis von Common Law und Civil Law, 1994. b) Principles of European Contract Law (PECL). Die von der Kommission für Europäisches Vertragsrecht auf rechtsvergleichender Grundlage erstellten PECL (sog Lando-Principles; dt Übersetzung in ZEuP 2000, 657 und kommentiert bei v Bar/Zimmermann [Hrsg], Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, 2002) sind ein MoArmbrüster
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dell eines modernen europäischen Vertragsrechts. Sie enthalten in Kapitel 2 Bestimmungen zum Abschluss von Verträgen (Art 2:101–2:211), die teils Parallelen zu den §§ 145ff aufweisen, jedoch vielfach deutlich detaillierter sind. Schon weil die PECL keine Rechtsqualität haben (vgl Michaels RabelsZ 62, 580, 621f), scheiden sie für dem BGB unterliegende Sachverhalte als Analogiebasis aus; sie bieten dem Gesetzgeber jedoch de lege ferenda Anregungen. Eingehend zum Vertragsschluss gem PECL im Vergleich zu den §§ 145ff Jansen/Zimmermann AcP 210, 196ff c) Common Frame of Reference (CFR). Der CFR enthält im Bereich von Zustandekommen und Wirksamkeit von Verträgen im Wesentlichen Regelungen, die denen der PECL nachgebildet sind (näher Armbrüster Jura 2007, 321ff; Hellwege AcP 211, 665ff; Köhler in Basedow [Hrsg], Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und dt Recht, 2000, 33ff). d) Common European Sales Law (CESL). Beim CESL handelt es sich um eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, die bisher über das Entwurfsstadium nicht hinausgelangt ist (KOM (2011) 635 endg). Dieser Entwurf baut in seinen Art 30ff hinsichtl des Vertragsschlusses weitgehend auf dem CFR auf (näher Looschelders AcP 212, 581ff; s auch Martens AcP 211, 845ff). Im Jahr 2020 hat die Kommission den Entwurf zurückgenommen (2020/C 321/03). – Zum Stand des Europäischen Vertragsrechts s auch Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl 2015; Riesenhuber, EU-Vertragsrecht, 2013; Stürner, Europäisches Vertragsrecht, 2021. II. Verträge der öffentlichen Hand (Staat, Gemeinden) Schrifttum: Bartscher, Der Verwaltungsvertrag in der Behördenpraxis, 1996 [Empirie]; Butterwege, Verwaltungsvertrag und Verwaltungsakt, 2001; Dorf, Rückabwicklung echter und unechter zweistufiger Rechtsverhältnisse, NVwZ 2008, 375; Erichsen, Die Nichtigkeit und Unwirksamkeit verwaltungsrechtlicher Verträge, Jura 1994, 47; Grziwotz, Einführung in die Vertragsgestaltung im öffentlichen Recht, JuS 1998, 807/903/1013/1113, JuS 1999, 36/145/245; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000; Gurlit, Grundlagen des Verwaltungsvertrages, Jura 2001, 659/731; Höfling/Krings, Der verwaltungsrechtliche Vertrag: Begriff, Typologie, Fehlerlehre, JuS 2000, 625; Kämmerer, Privatisierung, 2001; R. Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, 1997; Krebs, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), 248; Kunig, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, DVBl 1992, 1193; D. Lorenz, Der Wegfall der Geschäftsgrundlage beim verwaltungsrechtlichen Vertrag, DVBl 1997, 865; Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, DVBl 1989, 798; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000; Weißenberger, Die Zweistufentheorie im Wirtschaftsverwaltungsrecht, GewArch 2009, 417/465. Rechtspolitik: Beirat Verwaltungsverfahrensrecht beim BMI, Schr v 30.4.2002, ZfIR 2002, 946.
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1. Öffentlich- und privatrechtliche Handlungsformen. a) Unabhängig davon, in welchen Beziehungen die Parteien zueinander stehen, ist der Vertrag stets Ausdruck der Gleichordnung der Vertragspartner. Nicht nur Privatpersonen, auch die Träger öffentlicher Verwaltung (Staat, Gemeinden und andere jur Personen des öffentlichen Rechts) können sich privatrechtl Organisationsformen (AG, GmbH, Verein) und privatrechtl Handlungsformen (Vertrag) zur Erfüllung staatlicher Aufgaben bedienen, soweit sie nicht zur Verwendung bestimmter Organisations- oder Handlungsformen im Einzelfall verpflichtet sind. Eine allg Grenze lässt sich für die privatrechtl strukturierte Verwaltungstätigkeit nicht ziehen. Demokratiegebot und rechtsstaatliche Grundsätze bilden die Schranken (näher Ehlers Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, 201ff; Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 299ff). IdR verlangt der Bereich der Eingriffsverwaltung öffentlich-rechtl Verwaltungstätigkeit, etwa Polizei-, Steuer- und Wehrverwaltung (Püttner Die öffentlichen Unternehmen, 1969, 126ff, 136ff; Zeidler VVDStRL 19, 208ff), während auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung innerhalb bestimmter verfassungsrechtl und einfachgesetzl Grenzen die freie Wahl zw öffentlich- und privatrechtl Gestaltungsformen besteht (Rn 16). Das öffentliche Recht umfasst die Normen, die auf der einen Seite ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten (BGHZ 41, 264, 267 = BGH NJW 1964, 1472). Als Handlungsform herrscht hier der Verwaltungsakt iSv § 35 S 1 VwVfG vor. Nach § 54 S 1 VwVfG kann ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts jedoch auch durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Ohne weiteres zulässig sind verwaltungsrechtl Verträge zw verschiedenen Trägern der öffentlichen Verwaltung (Gemeinden, Fürsorgeverbänden, Krankenkassen), die in Koordinationsbeziehungen stehen; einer besonderen gesetzl Ermächtigung bedarf es für solche Verträge zw Verwaltungsträgern nicht. Genauerer Betrachtung bedarf der verwaltungsrechtl Vertrag, wenn er in einer Subordinationsbeziehung zw Trägern öffentlicher Verwaltung und Privatpersonen geschlossen wird (Rn 20ff). Solche öffentlich-rechtl Verträge zw Staat und Bürger sind abzugrenzen ggü dem Verwaltungsakt und dem privatrechtl Vertrag. Auch die durch einen öffentlich-rechtl Vertrag begründeten Pflichten wirken grds nur inter partes. Nach VGH Mannheim NVwZ-RR 2006, 81 (LS) kommt allerdings bei der Verpflichtung eines Grundeigentümers, bestimmte Nutzungen zu unterlassen, auch eine dingliche Wirkung in Betracht (offenlassend BVerwG BauR 2010, 742, 743). b) Leistungsverwaltung. aa) Überblick. Im Bereich der sog Leistungsverwaltung besteht grds Freiheit der Formenwahl. Der Staat und die Gemeinden können sich daher, sofern ihnen ein öffentlich-rechtl Handeln nicht verbindlich vorgeschrieben ist, sowohl öffentlich-rechtl als auch privatrechtl Formen bedienen (BGHZ 91, 84, 95f = BGH NJW 1985, 197; Schoch/Schneider/Ehlers/Schneider, § 40 VwGO Rn 243; s auch § 839 Rn 37). So wird das Verhältnis zw Patient und Arzt bei Aufnahme in ein öffentliches Krankenhaus oder eine Universitätsklinik als privatrechtl angesehen, auch bei Einweisung durch eine öffentliche Krankenkasse (BGHZ 1, 383, 385f; 9, 145, 148 = BGH NJW 1963, 40); bei Einweisung aufgrund öffentlicher Fürsorge, insb Zwangsbehandlung, sind die Beziehungen indessen hoheitlich (BGHZ 38, 49, 50f = BGH NJW 1963, 40). Dabei besteht ein Zusammenhang zw Organisationsform und Qualifikation des Rechtsverhältnisses. Werden Verwaltungsaufgaben durch eine von einer öffentlich-rechtl Körperschaft beherrschte GmbH erfüllt, so sind die Rechtsbeziehungen zw dieser und den Benutzern privatrechtl, es sei denn, die GmbH ist mit Hoheitsaufgaben beliehen. Erfüllt zB eine Ge478
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meinde ihre Verwaltungsaufgabe durch eine von ihr beherrschte GmbH, so können die Beziehungen zw der GmbH und den Benutzern nur privatrechtl sein. Führt die Gemeinde die Verwaltungsaufgabe hingegen in eigener Regie durch, dann kann sie das Verhältnis zw ihr und den Benutzern öffentlich-rechtl oder privatrechtl ausgestalten (Maurer/Waldhoff Allg VerwR120 2020, § 3 Rn 25 [S 47f]). Ist eine eindeutige Zuordnung ausnahmsw nicht möglich, so ist davon auszugehen, dass die Verwaltung sich der auf das Verwaltungshandeln besonders zugeschnittenen öffentlichen Rechtsformen bedient (vgl BGHZ 63, 119, 121 = BGH NJW 1975, 106, 107; Eyermann/Wöckel, VwGO16, 2022, § 40 Rn 45; krit Schoch/Schneider/Ehlers/Schneider § 40 VwGO Rn 245). Wird das Benutzungsverhältnis privatrechtl ausgestaltet, so unterliegt die Verwaltung in jedem Fall hinsichtl des „Ob“ der Leistungsgewährung öffentlich-rechtl Bindungen (Eyermann/Wöckel § 40 VwGO Rn 46). Auch die Rspr erkennt für bestimmte Bereiche seit langem an, dass einer privatrechtl „Abwicklungsstufe“ die Stufe einer öffentlich-rechtl Entscheidung vorausgehen kann, wenn öffentliche Körperschaften mit ihrer im Privatrecht abzuwickelnden Entscheidung hoheitliche Zwecke verfolgen (grundlegend BVerwGE 1, 308, 309f; BGHZ 61, 296, 299; OVG Rh-Pf DÖV 1993, 351, 352f; OVG Münster NJW 2001, 698, 699; OVG Bln-Bbg BeckRS 2015, 46643). Dies ist eine der wesentlichen Aussagen der sog Zweistufenlehre (vgl Schoch/Schneider/Ehlers/Schneider, § 40 VwGO Rn 260ff; Weißenberger GewArch 2009, 417ff; zur Kritik s Rn 19). Die Anwendung dieser Lehre, die zur Vergabe von Subventionen (s dazu Rn 17) entwickelt wurde (Maurer/Waldhoff Allg VerwR § 17 Rn 15 [S 487]), ist mittlerweile auch für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen (Rn 18) anerkannt (vgl BVerwGE 32, 333, 334; OVG Münster DVBl 1968, 842, 842f m Anm Jülich; OVG Rh-Pf DÖV 1986, 153; Hessischer VGH DÖV 1994, 438, 439; krit Jauernig NJW 1972, 1ff; ausf zu § 70 GewO Hilderscheid GewArch 2008, 54ff). Für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe (vgl §§ 97ff GWB) wird die Zweistufenlehre hingegen abgelehnt (BVerwGE 14, 65, 67f = BVerwG NJW 1962, 1535, 1535f; NJW 2007, 2275 LS; vgl BGH NJW 1967, 1911, 1911f; aA auf der Grundlage von § 13 VgV aF Kämmerer in Schünemann/Stober Haftungsgrundsätze und Haftungsgrenzen des Sicherheitsgewerbes 2002, S 71, 76f mit 93). Hier besteht grds ein einheitliches Rechtsverhältnis, das entweder privatoder öffentlich-rechtl sein kann. bb) Bei Subventionen und anderen Förderungen erfolgt die Entscheidung über das „Ob“ der Subvention öf- 17 fentlich-rechtl (idR durch Verwaltungsakt), der Vollzug kann entweder ebenso wie die Bewilligung öffentlichrechtl oder aber durch einen selbstständigen zweiten Akt privatrechtl mit allen Folgen gestaltet werden (Zweistufenlehre, s Rn 16; Bleckmann Subventionsrecht, 1978, 116ff). So soll ein zur Durchführung einer Subvention geschlossener Bürgschaftsvertrag – ebenso wie das durch ihn gesicherte Bankdarlehen – privatrechtl Natur sein, wenn die Bedingungen wie bei einem privaten Bürgen in einer Schuldurkunde niedergelegt sind. Dann ist bei einem Streit über die Erfüllung der Bedingungen der Zivilrechtsweg gegeben, jedoch sind, wenn sich der Streit auf den Inhalt oder das Ausmaß der öffentlich-rechtl Bewilligung bezieht, stets die Verwaltungsgerichte zuständig (§ 40 I VwGO; BVerwGE 13, 307, 308f; 37, 243, 244). Widersinnig ist eine Aufspaltung, wenn die Pflichten bereits durch den Verwaltungsakt festgelegt sind (BGHZ 57, 130, 132f = BGH NJW 1972, 210 für den Anspruch auf Rückzahlung einer Spielfilmprämie bei Nichtherstellung des Films). Bei verlorenen Zuschüssen erfolgt die Gewährung ebenso wie die Bewilligung der Subvention einheitlich öffentlich-rechtl (BVerwG NJW 1969, 809; BGHZ 57, 130, 132f = BGH NJW 1972, 210; Maurer/Waldhoff AllgVerwR § 17 Rn 31 [S 492f]; Ipsen Öffentliche Subventionierung, 68). Besondere Probleme treten bei der Rückabwicklung rechtswidrig gewährter Subventionen auf. Hier muss bei zweistufigen Subventionsverfahren neben der Aufhebung des Bewilligungsbescheids auch die vertragl Grundlage beseitigt werden (Weißenberger GewArch 2009, 465, 466). Nach der Rspr des BVerwG bildet in solchen Fällen der privatrechtl ausgestaltete Vertrag den Rechtsgrund für die Leistung, so dass ein Rückforderungsanspruch aus § 812 besteht, der vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist. § 49a VwVfG greift dann nicht (BVerwG NVwZ 2006, 536; Dorf NVwZ 2008, 375, 376; Weißenberger GewArch 2009, 465, 466). cc) Nutzung von Einrichtungen. Das Postbenutzungsverhältnis wurde früher öffentlich-rechtl beurteilt (zu- 18 letzt BGHZ 98, 140, 143 = BGH NJW 1986, 2826), ist aber durch die erste Postreform (Poststrukturgesetz, BGBl I 1989, 1026: § 7 PostG, § 9 I FAG) und vor allem die Privatisierung der drei Teilbereiche Postdienst, Postbank und Telekom aufgrund der zweiten Postreform (PostneuordnungsG, BGBl I 1994, 2325) durchweg privatrechtl Natur (s auch § 839 Rn 45); es handelt sich nicht mehr um Leistungsverwaltung, sondern um privatwirtschaftl Tätigkeiten (Art 87f II 1 GG; Kämmerer Privatisierung, 307). Bei förmlichen Zustellungen werden die Deutsche Post AG sowie andere Lizenznehmer für Briefzustelldienstleistungen freilich weiter hoheitlich tätig (§ 33 PostG; zum Problem der Beleihung der Deutschen Post AG für förmliche Zustellungen BFH NJW 1997, 3264, aA Späth DStR 1996, 1723ff; vgl auch die AGB der drei Unternehmen). – Für Rechtsbeziehungen der Eisenbahnen des Bundes zu ihren Benutzern galt auch schon vor der 1994 erfolgten Privatisierung (s Vor § 21 Rn 11) Privatrecht (RGZ 161, 341, 344; BGHZ 6, 304, 311; 20, 102, 105; s auch § 839 Rn 46). Zur Zulässigkeit der Privatisierung s allg Schoch Jura 2008, 672ff – Weitere Fälle: Privatrechtl einzuordnen ist auch die Nutzung der Leistungen von Flughäfen (BGH BB 1969, 1239 m Anm Hiller; BGH VersR 1993, 1239), Sparkassen (RGZ 91, 344), kommunalen Elektrizitätswerken (BGH NJW 1954, 1323; Hamm NJW 1961, 2348), Gaswerken (BVerwG BB 1959, 574), Markthallen (OVG Lüneburg OVGE 16, 455, 456); Einrichtungen der Abwasserentsorgung (BGH NJW 1992, 171, 172); Kindertagesstätten (Hessischer VGH NJW 1977, 452; Celle NJW 1977, 1295); Müllkippen (BGH NJW 1975, 106). – Öffentlich-rechtl ist die Benutzung häufig bei unselbstständigen Anstalten geregelt, ferner bei kommunalen Wasserwerken (BGHZ 17, 191, 192) sowie bei Kanalisation, Müllabfuhr, Schlachthof (BGHZ 61, 7, 10), wenn Anschluss- und Benutzungszwang besteht; Friedhöfen (BVerwGE 11, 68; München Armbrüster
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Rechtsgeschäfte
DVBl 1956, 175; VGH Stuttgart DÖV 1958, 498, 499); Obdachlosenheimen (LG Kassel NJW 1956, 1360); öffentlichen Bibliotheken (OVG Bremen NJW 1998, 3583; vgl auch AG Berlin-Wedding NJW 1960, 1525; aA LG Berlin NJW 1962, 55, 56); idR auch bei Schwimmbädern (s etwa VGH Mannheim NJW 1979, 1900; Koblenz NJW-RR 2001, 318; abw AG Würzburg NJW-RR 1993, 1332); s zum Ganzen Brüning LKV 2000, 54; v Danwitz JuS 1995, 1; Rüfner Die Nutzung öffentlicher Anstalten, Die Verwaltung Bd 17 (1984), 19ff. Erfüllt eine Gemeinde eine öffentliche Aufgabe durch Errichtung einer von ihr betriebenen öffentlichen Einrichtung und haben die Benutzer einen öffentlich-rechtl Benutzungsanspruch, spricht dies im Zweifel dafür, dass das gesamte Benutzungsverhältnis dem öffentlichen Recht angehört (VGH Mannheim NJW 1979, 1900; OVG Rh-Pf NVwZ 2020, 170f; betr Schwimmbäder). dd) Im verwaltungsrechtl Schrifttum begegnet die Zweistufenlehre zunehmend Kritik (s Maurer/Waldhoff Allg VerwR § 17 Rn 16ff [S 488ff]; Hilderscheid GewArch 2008, 54, 58ff). Insb wird vorgebracht, wegen der Möglichkeit zum Abschluss öffentlich-rechtl Verträge sei die Zweistufigkeit abzulehnen (näher Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 46ff). Für eine einheitliche Betrachtungsweise spricht zudem, dass damit die aus der Zweigleisigkeit des Rechtswegs folgenden Schwierigkeiten vermieden werden. Die Inanspruchnahme der Leistung, zB das Betreten einer U-Bahn, ist ein privatautonomer Akt (Rn 42), unabhängig davon, ob das Benutzungsverhältnis öffentlich- oder privatrechtl geregelt ist. Die Willenseinigung liegt im öffentlichen Angebot und der Inanspruchnahme der angebotenen Leistung. Wenn auch eine Benutzungsordnung alles regelt, so schließt dies einen Vertrag über den Abschluss nicht aus (Flume II § 3, 4, 38). Der Vertrag kann ein privat- oder ein öffentlich-rechtl sein, für den das Schriftformerfordernis nach § 57 VwVfG zu beachten ist. § 3 II der VO über die Allg Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnibusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen v 27.2.1970 (BGBl I 1970, 230; dazu Loh BB 1970, 1017) gibt schon Minderjährigen mit Vollendung des sechsten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Beförderung. Soweit für den Benutzer Pflichten begründet werden, ist auch bei öffentlichen Benutzungsverhältnissen volle Geschäftsfähigkeit oder Einwilligung des gesetzl Vertreters nötig. Doch kann nach Inanspruchnahme der Leistung eine Verweigerung der Genehmigung gegen Treu und Glauben verstoßen. 2. Subordinationsrechtlicher Verwaltungsvertrag. a) Zulässigkeit. Von den sog koordinationsrechtl Verwaltungsverträgen (zu ihnen BeckOK-VwVfG/Kämmerer § 54 Rn 85) sind solche Verträge zu unterscheiden, die einen Verwaltungsakt ersetzen oder die Behörde zu einer Handlung ggü dem Bürger verpflichten (subordinationsrechtl Verwaltungsverträge; s § 54 S 2 VwVfG). Für einige Bereiche sind solche Verträge ausdrückl gesetzl zugelassen. Dies gilt insb im öffentlichen Baurecht, etwa im Erschließungs- und Enteignungsrecht (s die Zusammenstellung bei Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz 36ff – Städtebaurecht, 42ff – Umweltrecht). Fehlt eine ausdrückl Regelung, so kommt es für die Zulässigkeit eines verwaltungsrechtl Vertrags darauf an, ob Rechtsvorschriften dieser Handlungsform entgegenstehen (§ 54 S 1 VwVfG). Solche Rechtsvorschriften (sog Vertragsformverbote) können außer den Grundrechten und formellen Gesetzen auch Verordnungen und Satzungen sein. Der verwaltungsrechtl Vertrag ist nicht auf den Bereich der Ermessensermächtigungen und gesetzesfreien Verwaltung beschränkt, sondern auch bei gebundener Verwaltung zulässig (Götz JuS 1970, 1, 2; Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz 251ff). Die Parteien sind nicht an die Vertragstypen des BGB gebunden (BVerwG 30.4.2008 – 7 B 6/08 Rn 19, betr Einordnung als Garantievertrag); insoweit besteht freilich kein Unterschied zu privatrechtl Verträgen, da auch hier kein numerus clausus der Schuldverträge besteht. b) Inhalt. Der zulässige materielle Inhalt verwaltungsrechtl Verträge bestimmt sich nach der für die Gestaltung zw Staat und Bürger bestehenden spezialrechtl Regelung sowie nach den verfassungsrechtl Grundsätzen der Gleichheit, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Vorbehalts des Gesetzes (BVerwGE 23, 213, 216). Der Vorbehalt „entgegenstehender Rechtsvorschriften“ in § 54 S 1 VwVfG bezieht sich auch auf den Vertragsinhalt (Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 333ff). Die Behörde darf weder Hoheitsrechte veräußern noch umgekehrt ihre hoheitlichen Befugnisse vertragl erweitern. Austauschverträge iSd § 56 I 1 VwVfG dürfen die Verpflichtung zur Vornahme hoheitlicher Maßnahmen wie zur Erbringung von Gegenleistungen des Bürgers nur im Rahmen des Zwecks der speziellen Norm vorsehen. In solchen Verträgen dürfen hoheitliche Leistungen nicht von Gegenleistungen abhängig gemacht werden, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Maßnahme stehen (§ 56 I 2 VwVfG). Eine Leistung, auf die der Bürger einen Anspruch hat, kann die Behörde nur von einer gesetzl vorgesehenen oder einer solchen Gegenleistung abhängig machen, deren Erbringen Voraussetzung der Leistungsgewährung an den Bürger ist und die bei Erlass eines Verwaltungsaktes Inhalt einer Nebenbestimmung iSd § 36 VwVfG sein könnte (§ 56 II VwVfG). – Bsp: Zulässig sind Verträge zw Gemeinde und Bauwilligem über die Ablösung der gesetzl Stellplatzpflicht in Form der Zahlung einer entspr Geldleistung durch den Bauwilligen (BVerwGE 23, 213, 218ff); auch kann der Ablösungsvertrag eine privatrechtl Verpflichtung begründen, da er lediglich einen den Baudispens ermöglichenden Zustand schafft (BGHZ 35, 69, 74f = BGH NJW 1961, 1355). Wird im Zusammenhang mit einem Baudispens eine Geldleistung des Bauwilligen vereinbart, die auf später anfallende Erschließungsbeiträge anzurechnen ist, so liegt hierin kein Verstoß gegen das Verbot abw Vereinbarungen über die Zahlung öffentlicher Abgaben und Beiträge (BVerwG DVBl 1970, 40; vgl zum Verbot die öffentliche Abgabenpflicht einschränkender Vereinbarungen schon RGZ 148, 101, 103). Zu Folgekostenverträgen s Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 38f, 361ff; insoweit ist das Koppelungsverbot bereichsspezifisch in § 11 I 2 Nr 3, II BauGB normiert. Einen Sonderfall stellen die sog hinkenden Verwaltungsverträge dar. Dabei handelt es sich um einseitig verpflichtende Verträge, die zwar eine Pflicht zulasten des Bürgers, nicht aber der Verwaltung begründen (näher Stelkens DÖV 2009, 850ff). Besonders bedeutsam sind die neben480
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Vertrag
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bestimmungsersetzenden Verträge, mittels derer sich ein Bürger verpflichtet, die Voraussetzungen für den Erlass eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts zu schaffen. Darin liegt ein milderes Mittel ggü einem Verwaltungsakt mit Auflage gem § 36 II Nr 4 VwVfG. c) Anwendbarkeit von Privatrecht. Wie bei privatrechtl (Rn 4) bedarf es auch bei öffentlich-rechtl Verträgen ei- 22 nes Rechtsfolgewillens. Er fehlt idR bei Selbstbeschränkungsabkommen (vgl BVerfG NVwZ 2002, 585 – Atomkonsens). Für Störungen der Geschäftsgrundlage enthält § 60 VwVfG eine Regel. Zudem ordnet § 62 S 2 VwVfG an, dass erg die vertragsrechtl Vorschriften des BGB entspr heranzuziehen sind (zB der Grundsatz der Einheitlichkeit der Vertragsurkunde, s dazu BVerwG DVBl 2010, 523 LS). Auch bei öffentlich-rechtl Verträgen hat die Verwaltung mithin für Leistungsstörungen nach den vertragsrechtl Regeln des BGB einzustehen (Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 568ff). Eine spezielle Verweisung auf das BGB enthält § 59 I VwVfG für die Nichtigkeitsgründe, zu denen ua § 134 zählt; vorrangig sind allerdings die Nichtigkeitsgründe des § 59 II VwVfG (dazu und zur Anwendung von § 134 s Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG9, 2018, § 59 Rn 9ff, 27ff). Besondere Schwierigkeiten können bei der Rückabwicklung nichtiger Verträge entstehen, wenn von der Verwaltung erbrachte Leistungen nicht mehr zurückgewährt werden können (vgl BVerwG NVwZ 2000, 1285ff; NVwZ 2009, 1109ff). § 62 S 2 VwVfG verweist dynamisch auf das BGB, so dass auch die §§ 305–310 (AGB-Recht) entspr heranzuziehen sind; dies war zum AGBG noch str (vgl Grziwotz JuS 1998, 902, 904f). Gleichwohl können die Besonderheiten des öffentlichen Rechts einer Anwendung der §§ 305–310 entgegenstehen. So geht das in § 56 VwVfG enthaltene Angemessenheitsprinzip demjenigen des § 307 BGB vor (vgl Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG9, 2018, § 62 Rn 33). d) Abgrenzung zum privatrechtl Vertrag. aa) Ob ein Vertrag öffentlich-rechtl oder privatrechtl Natur ist, ent- 23 scheidet sich nicht nach den am Vertrag beteiligten Rechtssubjekten, sondern nach dem Gegenstand des Vertrags (st Rspr; GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313f = BGH NJW 1986, 2359; 1988, 337; NVwZ 2009, 1054 LS; BVerwGE 97, 331, 335; Maurer/Waldhoff AllgVerwR20 § 14 Rn 12f; Tegethoff in Kopp/Ramsauer VwVfG23 2022, § 54 Rn 23). Der zu regelnde Sachverhalt muss nach öffentlichem Recht zu beurteilen sein. Das ist stets der Fall, wenn er dem Vollzug einer öffentlich-rechtl Norm dient. Öffentlich-rechtl Natur ist daher zB die Einigung zw den Beteiligten im Enteignungsverfahren gem § 110 BauGB oder die Übertragung der Erschließung auf einen Dritten nach § 124 BauGB (BGHZ 54, 287, 289 = BGH NJW 1970, 2107). IÜ kommt es darauf an, ob sich der Vertrag auf einen von der gesetzl Ordnung öffentlich-rechtl geregelten Sachverhalt bezieht (BGHZ 35, 69, 71 = BGH NJW 1961, 1355; BGHZ 56, 365, 368 = BGH NJW 1971, 1842; BVerwGE 42, 331, 332; BVerwG DÖV 1981, 878). Bei typischen Aufgaben, die eine Behörde kraft der ihr übertragenen hoheitlichen Befugnisse zu erfüllen hat, wird idR davon auszugehen sein, dass sie sich öffentlich-rechtl Mittel bedient (BGHZ 4, 266, 268 = BGH NJW 1952, 466; BGHZ 17, 317, 322 = BGH NJW 1955, 1187; Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR12, 2017, § 22 Rn 46). Ein Vertrag, der eine gesetzl angeordnete Rechtsbeziehung ändert, zB eine Aufgaben- oder Lastenverteilung, ist ein öffentlich-rechtl Vertrag (BGHZ 32, 214, 217 = BGH NJW 1960, 1457). Das einzelne Rechtsverhältnis kann nur einheitlich qualifiziert werden (Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 25ff; s auch Höfling/Krings JuS 2000, 625, 627: es setzt sich der Teil durch, der die inhaltlich wichtigsten Bestimmungen enthält; ähnl BGHZ 76, 16, 20f = BGH NJW 1980, 826 – Schwerpunkt). Allerdings können ausnahmsw verschiedene Rechtsverhältnisse äußerlich zu einem Vertrag verbunden sein (sog zusammengesetzter Vertrag; Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz S 26f; Bsp bei BVerwG Buchholz Nr 316 § 54 VwVfG Nr 1); es liegen dann ggf mehrere öffentlichoder privatrechtl Verträge vor. bb) Betätigt sich die öffentliche Hand erwerbswirtschaftlich oder nimmt sie Hilfsgeschäfte vor, um sich die sachlichen Mittel zu verschaffen (Materialkauf, Hausmiete), so handelt es sich – vorbehaltlich der Vorgaben des Vergaberechts – um gewöhnliche Privatrechtsgeschäfte. Staat und Gemeinden können sich aber nicht nur auf diesen Gebieten, sondern auch im Kernbereich der Leistungsverwaltung zur Erreichung öffentlicher Zwecke des privatrechtl Vertrags bedienen (Rn 16). 3. Öffentlich-rechtliche Bindungen bei privatrechtlichem Handeln der öffentlichen Hand. Die privatrechtl 24 Organisationsform erfordert mangels hoheitlicher Gewalt den privatrechtl Vertrag als Handlungsform. Bei öffentlich-rechtl Organisationsform kann der Verwaltungsträger bei der Gestaltung der Leistungsbeziehungen zw privat- und öffentlich-rechtl Handlungsformen (Verwaltungsakt, verwaltungsrechtl Vertrag, öffentlich-rechtl Nutzungsverhältnis) wählen (Rn 16; Siebert FS Niedermeyer, 215, 229ff). Handelt die Verwaltung privatrechtl, so besagt dies nicht, dass ihr die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zustehen; sie ist Grundrechtsadressatin, nicht Grundrechtsträgerin. Die öffentlich-rechtl Bindungen bleiben daher bestehen. Dies gilt für die Bindung an die Grundrechte (vgl MüKo/Armbrüster § 134 Rn 45); zudem gelten auch zahlreiche Normen des einfachen Rechts unabhängig von der Handlungsform (Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 271f – Vertragsformverbote; 322ff – Verfahrensnormen; 377ff – materielle Normen, Inhaltsfreiheit; s auch BGHZ 91, 84, 96f = NJW 1985, 197). Die privatrechtl Normen werden vielfach durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert (Verwaltungsprivatrecht; BGHZ 91, 84, 96 = NJW 1985, 197; Siegel AllgVerwR14 Rn 61, 870ff; Maurer/Waldhoff AllgVerwR § 3 Rn 9). Ganz allg kann sich die Verwaltung durch eine privatrechtl Gestaltung nicht ihrer spezifischen Verantwortung entziehen. Sie darf daher vom Bürger keine Leistungen verlangen, für die bei öffentlich-rechtl Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses Abgaben nicht erhoben werden dürfen. Die typisch öffentlich-rechtl Bindungen gelten auch dann, wenn die Verwaltung nicht selbst oder durch einen Eigenbetrieb in privatrechtl Form, sondern durch eine von ihr beherrschte Gesellschaft des Handelsrechts oder ein anderes Privatrechtssubjekt handelt.
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Rechtsgeschäfte
4. Rechtsweg. Bei Streitigkeiten über öffentlich-rechtl Rechtsverhältnisse ist grds der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, für Schadensersatzansprüche aus Verletzung öffentlich-rechtl Pflichten, die nicht auf einem öffentlichrechtl Vertrag beruhen, der Zivilrechtsweg (§ 40 II VwGO; BGHZ 43, 34, 37ff = BGH NJW 1965, 442). Für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Pflichten aus öffentlich-rechtl Verträgen sind die ordentlichen Gerichte hingegen nicht zuständig (BGHZ 87, 9, 16 = BGH NJW 1983, 2311); dies gilt auch für Ansprüche aus § 311 II, § 241 II, § 280 (cic; s BVerwG DÖV 1974, 133; Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 466; aA BGH NJW 1986, 1109, 1110; BeckOK/Sutschet Ed 64, § 311 Rn 40). Ein auf Art 33 II GG gestützter Schadensersatzanspruch wegen eines rechtswidrig durchgeführten Einstellungsverfahrens ist im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen (BVerwG NJW 2010, 3592, 3593). Für eine Klage, die auf die Erklärung des Beklagten gestützt wird, die Haftung für den Rückforderungsanspruch einer öffentlich-rechtl Investitionsbank gegen den Empfänger einer Zuwendung mit zu übernehmen, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten jedenfalls dann eröffnet, wenn die Haftungserklärung möglicherweise als Bürgschaft auszulegen ist (BGH VersR 2009, 1384 Rn 9ff). III. Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang Schrifttum: Armbrüster, Kontrahierungszwang im AGG?, NJW 2007, 1494; M. Becker, Vertragsfreiheit, Vertragsgerechtigkeit und Inhaltskontrolle, WM 1999, 709; Bruns, Die Vertragsfreiheit und ihre Grenzen in Europa und den USA, JZ 2007, 385; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999; F. Bydlinski, Kontrahierungszwang und Anwendung des allg Zivilrechts, JZ 1980, 378; F. Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwangs, AcP 180 (1980), 1; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992; Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, 1991; Hellgardt, Privatautonome Modifikation der Regeln zu Abschluss, Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrags, AcP 213 (2013), S. 760; Höfling, Vertragsfreiheit. Eine grundrechtsdogmatische Studie, 1991; Kilian, Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47; Liebetrau, Der Zusammenhang von Kontrahierungszwang und Beschränkung der vertraglichen Inhaltsfreiheit am Beispiel von Entgeltregelungen für Basiskonten, 2019; St. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997; Marski, Schutz des Patienten durch Kontrahierungszwang?, 2021; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920; L. Raiser, Vertragsfreiheit heute, JZ 1958, 1; Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, 1986; Schmidt-Salzer, Vertragsfreiheit und Verfassungsrecht, NJW 1970, 8; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Handlungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, 1970. Vgl auch die Schrifttumsangaben vor Rn 1 und 14.
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1. Vertragsfreiheit. Von der Frage, wie ein Vertrag zustande kommt, ist diejenige zu unterscheiden, in welchem Umfang die Rechtsordnung den freien Willen des Einzelnen als Mittel der Rechtsgestaltung anerkennt. Hier geht es um die Privatautonomie, und zwar, soweit Rechtsverhältnisse durch Vertrag geregelt werden, um das Prinzip der Vertragsfreiheit. Verstanden als die Freiheit einzelner Rechtssubjekte, ihre Beziehungen zueinander einverständlich rechtl zu regeln, ist die Vertragsfreiheit kein Wesenserfordernis des Vertrags iSd §§ 145ff. Ein Vertrag liegt auch dann noch vor, wenn eine Partei widerrechtl durch Drohung zur Abgabe ihrer Willenserklärung bestimmt worden ist (arg § 123 I Fall 2). Der innere Zusammenhang zw Vertragsfreiheit und Vertrag besteht darin, dass der Vertrag das technische Mittel zu privatautonomer Rechtsgestaltung ist. Die Vertragsfreiheit zeigt sich in der Freiheit des Abschlusses (negative Vertragsfreiheit), der Wahl des Vertragspartners, der inhaltlichen Gestaltung, der Wahl des Vertragstyps und der Aufhebung des Vertrags. Ein Vertrag kann Ausdruck eines größeren oder geringeren Grades freier Selbstbestimmung der Vertragschließenden sein (F. Bydlinski, Privatautonomie, 122ff). Als Rechtsprinzip ist die Vertragsfreiheit ein Grundrecht. Sie wird zwar in Art 2 I GG nicht ausdrückl genannt, die allg Handlungsfreiheit schließt sie jedoch ein (st Rspr; BVerfGE 103, 197, 215 = BVerfG NJW 2001, 1709; BVerfGE 148, 267 = BVerfG NJW 2018, 1667 Rn 12). Der Einzelne hat dieses Recht nach Art 2 I Hs 2 GG nur insoweit, als er weder Rechte anderer verletzt noch gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (s auch BVerfGE 103, 197, 215 = BVerfG NJW 2001, 1709). Die Vertragsfreiheit ist damit ein Recht sub lege, das nur im Rahmen der Rechtsordnung gegeben sein kann (Flume II § 1, 10a [S 18]). Hieraus folgt, dass sie vorbehaltlich eines unantastbaren Bereiches persönlicher Freiheit (Art 2, 19 II GG) weitgehend eingeschränkt werden kann. Da der Freiheitsspielraum eines Privatrechtssubjekts auch durch die Machtstellung anderer Privatrechtssubjekte eingeengt werden kann, muss verhindert werden, dass die Privatrechtsordnung in ihrem freien Funktionieren gestört, insb mit den Mitteln dieser Ordnung beseitigt wird. Ein formales Verständnis der Vertragsfreiheit macht sie zu einem Instrument der Unterdrückung des Schwachen durch den Starken. Es bedarf deshalb auch ordnender Eingriffe in die Vertragsabschluss- und die Vertragsinhaltsfreiheit (Rn 27ff). 2. Kontrahierungszwang (Abschlusszwang). Dieser kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben: a) Vereinbarung. Vertragl Abreden wie namentlich Vorverträge (vgl Rn 46) können zum Abschluss eines Vertrags verpflichten. Inwieweit auch einseitige Selbstverpflichtungen einen Kontrahierungszwang begründen können, ist vor allem für Girokontoverträge „für jedermann“ bedeutsam geworden. So soll die Selbstverpflichtung einer Sparkasse ggü der Senatsverwaltung als abstraktes Schuldversprechen iSv § 780 einen Abschlusszwang begründen (LG Berlin WM 2003, 1985f m zust Anm Derleder EWiR § 676 1/03 S 963f; krit Berresheim ZBB 2005, 420, 422ff; zum Abschlusszwang öffentlich-rechtl Institute aufgrund unmittelbarer Grundrechtsbindung s BGHZ 154, 146, 149ff = BGH NJW 2003, 1658; MüKo/Armbrüster § 134 Rn 45). Einen Kontrahierungszwang von Kreditinstituten aufgrund der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) bejaht LG Bremen EWiR § 676 1/06 S 9f m zust Anm Derleder; dies ist indessen mangels vertragl Bindungswirkung abzulehnen (Bremen ZIP 2006, 798 LS m zust Anm Segna BKR 2006, 274ff; Berresheim ZBB 2005, 420, 424; Gschwandtner/Bornemann NJW 2007, 1253, 1254; aA Kohte VuR 2006, 163, 164). Lange str war, ob private Banken einem Kontrahierungszwang unterliegen (dafür LG Berlin WM 2008, 1825; Linnert ZRP 2009, 37f; aA Pieper ZVI 2008, 365; Erman14 Rn 27).
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Vertrag
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Mit dem Zahlungskontengesetz (ZKG) v 11.4.2016 (BGBl I 2016, 720) besteht nunmehr eine gesetzl Anordnung (Rn 28). b) Gesetzl Anordnung. In einigen Fällen ist ein Zwang zum Vertragsschluss gesetzl festgelegt, so zB für Per- 28 sonen- und Frachtbeförderungsunternehmen (§ 22 PBefG, § 10 AEG, § 7 AMbG, § 21 II LuftVG), Telekommunikationsunternehmen (§§ 19ff, 42 TKG), Patentinhaber (§ 24 PatG) und Hersteller von Tonträgern (§ 61 UrhG). Einen Abschlusszwang sehen auch vor: § 11 I 1 EEG (BGHZ 155, 141, 146ff = BGH WM 2003, 2160), §§ 32, 61 I SachRBerG, § 18 I PostG iVm § 3 PostdienstleistungsVO (BGBl I 2001, 2178), § 6 I 1 EnWG (LG Nürnberg-Fürth RdE 2003, 244ff m zust Anm Busche; s auch Tüngler JuS 2001, 739, 743; aA Lukes BB 1998, 1217, 1219: nur Anspruch auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen), § 11 I WahrnG (zu den Grenzen München GRUR-RR 2007, 186); § 6c I 4 SGB II (BAG NZA-RR 2016, 41 Rn 29; NZA 2021, 711 Rn 62); ferner im Versicherungsrecht § 110 I Nr 1, § 23 I 1 SGB XI (private Pflegeversicherung) und §§ 1, 5 PflVG (vgl auch Staudinger/Bork Rn 17). Zudem hat sich der Gesetzgeber des Abschlusszwangs bei der Bewirtschaftung bestimmter Waren bedient (dazu BGH NJW 1951, 109). In Umsetzung der EU-ZahlungskontenRL (RL 2014/92/EU, ABl Nr L 257/214) besteht auch ein Abschlusszwang für sog Basiskontenverträge für Banken mit Verbraucherkonten (§ 31 I ZKG; s dazu Rott VuR 2016, 3ff; Herresthal BKR 2016, 133ff). Auch Landesrecht sieht bisweilen einen Zwang zum Abschluss von Verträgen vor, so zB zur Einrichtung von Girokonten durch Sparkassen nach Sparkassenverordnungen (Staudinger/Bork Rn 17; s auch Rn 27). Für Rechtsanwälte besteht ein gesetzl Abschlusszwang grds nicht. Ausnahmen gelten gem §§ 48, 49 BRAO für die Beiordnung im Zivilprozess und für die Pflichtverteidigung im Strafverfahren sowie gem § 49a BRAO für die Beratungshilfe. Der Vertragsfreiheit wird hier insoweit Rechnung getragen, als der Rechtsanwalt die Aufhebung der Beiordnung oder der Bestellung beantragen kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Keinen Abschlusszwang beinhaltet die Regelung in § 160 SGB IX über die Ausgleichsabgabe für schwerbehinderte Menschen. c) Allg Kontrahierungszwang. aa) Herleitung. Auch ohne ausdrückl gesetzl Anordnung kann sich bei grund- 29 loser Verweigerung des Vertragsabschlusses ein Abschlusszwang ergeben (allg Kontrahierungszwang; BGH WM 1994, 1670, 1671; NJW 1990, 761, 762; grundlegend Nipperdey Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920). Die Einzelheiten sind str. An der Konstruktion als Schadensersatzanspruch gem §§ 826, 249 I (s etwa Breucker JR 2005, 133, 136) wird zu Recht bemängelt, dass der Vertragsschluss nicht Behebung eines eingetretenen Schadens ist (K. Schmidt AcP 206, 169, 191 [im Kontext des GWB]). Überzeugender ist es, einen verschuldensunabhängigen quasinegatorischen Folgenbeseitigungs- oder Unterlassungsanspruch anzunehmen, der auf eine Abwehr der Beeinträchtigung durch Kontrahieren gerichtet ist (Bork AT Rn 672; Staudinger/Bork Rn 20; Kilian AcP 180, 47, 82; F. Bydlinski AcP 180, 1, 13: „positiver Handlungsanspruch auf Naturalpraestation“; krit MüKo/Busche Rn 20ff: „Kontrahierungszwang nur bei qualifizierter Vertragsverweigerung“). – Was die Voraussetzungen angeht, wird teils angenommen, dass schon das Bestehen einer öffentlichen Versorgungsaufgabe, die im Allgemeininteresse von dem Unternehmen zu erfüllen ist, einen selbstständigen Abschlusszwang begründen könne (Larenz SchuldR I § 4 Ia; noch weitergehend Tilmann ZHR 141, 32, 74ff: Geschäftseröffnung für den allg Verkehr genüge). Begründet wird dies mit einer Gesamtanalogie zu den gesetzl Regelungen, die einen Kontrahierungszwang vorsehen (Rn 28), und mit dem Sozialstaatsprinzip. Gegen einen so weitreichenden Kontrahierungszwang spricht die Schwierigkeit der Abgrenzung; auch ist eine derart unbestimmte Ausdehnung des Abschlusszwangs mit einem marktwirtschaftl System nicht vereinbar (krit auch Jauernig/Mansel Rn 10; L. Raiser, Kartelle und Monopole im modernen Recht, 1961, Bd 2, 523, 526). Allein die Marktstärke eines Anbieters rechtfertigt es noch nicht, den Grundsatz der Vertragsfreiheit außer Kraft zu setzen (BGH NJW 1990, 761, 763; Kilian AcP 180, 47, 61; i Erg auch MüKo/Busche Rn 21f; aA noch MüKo/Kramer5 Rn 13); dasselbe gilt für die öffentlich-rechtl Struktur oder Finanzierung eines Anbieters. Grds ist vielmehr mit der Rspr daran festzuhalten, dass der allg Abschlusszwang eine faktische Monopolstellung voraussetzt, die Alternativen für den Kunden ausschließt (s zu Versorgungsunternehmen RGZ 132, 273, 276; 148, 326, 334; vgl auch BGH WM 1994, 1670, 1671f; eingehend Busche Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 162ff). Ein Abschlusszwang kann sich auch aus dem Kartellrecht ergeben, insb aus § 19 GWB (BGH NJW 2003, 748, 751) und dem Diskriminierungsverbot des § 20 I, II GWB; s dazu BGH NJW 1976, 801ff – Rossignol; BGH NJW-RR 2003, 1348ff – Kündigung eines Vertrags über Schülertransporte; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 301ff; MüKo/Busche Rn 18). Ein Kontrahierungszwang erwächst daraus zB der eine faktische Monopolstellung einnehmenden dt Vergabestelle für Internetadressen (DeNIC; Frankfurt WRP 1999, 366; Nordemann/Cychowski/Grüter NJW 1997, 1897, 1900; Koos MMR 2004, 359, 361). Zum Abschlusszwang aufgrund europäischen Kartellrechts (Art 102 AEUV) s Eilmansberger EWS 2003, 12ff. Ob jenseits dieser Bereiche auch ohne Monopolstellung ein Kontrahierungszwang bestehen kann, ist in letzter Zeit insb für Diskriminierungen beim Vertragsschluss diskutiert worden. Richtigerweise lässt sich aus § 21 AGG ein solcher Zwang nicht herleiten (dazu eingehend § 21 AGG Rn 15ff). bb) Einzelfälle. Für die Tagespresse besteht auch bei einer Monopolstellung keine Verpflichtung zum Abdruck 30 politischer Anzeigen. Sie ist grds frei bei der Auswahl von Nachrichten und der Verbreitung von Meinungen (BVerfGE 37, 84, 91; 42, 53, 62 = BVerfG NJW 1976, 1627; 2016, 788 Rn 6). Ein Kontrahierungszwang kommt jedoch bei Presseunternehmen mit (regionaler) Monopolstellung für Anzeigen unpolitischen Inhalts in Betracht (Staudinger/Bork Rn 25). Im Zusammenhang mit den Grundrechten der freien Meinungsäußerung, der Presseund der Berufsfreiheit (Art 5, 12 GG) ist heute auch die sog Theaterkritiker-Entscheidung des RG (RGZ 133, 388, 392) zu sehen. Lehnte das RG dort einen Abschlusszwang des Theaters ggü einem auf den Theaterbesuch Armbrüster
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angewiesenen Kritiker mit der Begr ab, die Verweigerung sei nicht willkürlich gewesen, so ist dies im Lichte der Grundrechte heute anders zu beurteilen (Staudinger/Bork Rn 23). – Ein Verband kann durch den allg Kontrahierungszwang zur Aufnahme neuer Mitglieder verpflichtet sein. Dabei sind jedoch die Besonderheiten der Mitgliedschaft im Verband zu beachten (ausf Grunewald AcP 182, 181ff). Insb wirkt sich aus, dass nicht ein Partner eines Austauschvertrags, sondern ein Mitglied einer Korporation akzeptiert werden muss. Bei Monopolverbänden oder Vereinigungen mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftl oder sozialen Bereich, bei denen die Mitgliedschaft für den Einzelnen aus beruflichen, wirtschaftl oder sozialen Gründen von erheblicher Bedeutung ist, besteht ein Aufnahmezwang, wenn die Ablehnung zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung oder unbilligen Benachteiligung im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern führen würde (BGHZ 93, 151, 152ff = BGH NJW 1985, 1216; BGHZ 102, 265, 276 = BGH NJW 1988, 552; Staudinger/Bork Rn 26). – Der sog diktierte Vertrag kommt durch einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt zustande, ohne dass es irgendwelcher Willenserklärungen der Beteiligten bedarf (Busche Privatautonomie und Kontrahierungszwang S 116). Das durch den Verwaltungsakt begründete Rechtsverhältnis hat zum Vertragsbegriff der §§ 145ff keinen Bezug; diese Vorschriften sind daher nicht anwendbar (vgl BeckOK/Eckert Ed 64, § 145 Rn 7; Staudinger/Bork Rn 35). Zu den Rechtsfolgen des diktierten Vertrags s Rn 31. d) Die Rechtsfolgen, die der Kontrahierungszwang auslöst, sind privatrechtl Natur, sofern das begründete Rechtsverhältnis nicht dem öffentlichen Recht unterliegt. aa) Schon der Abschlusszwang erzeugt ein gesetzl Schuldverhältnis, das die Verpflichtung zur Abgabe einer auf Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung beinhaltet. Dieses Schuldverhältnis ähnelt demjenigen, das durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründet wird (BGH NJW 1974, 1903, 1904; vgl nunmehr auch § 311 II Nr 1, 3). – Da der gesetzl Kontrahierungszwang (Rn 28) einen Zustand schafft, als ob die Parteien schon in einem Vertragsverhältnis oder wenigstens in Vertragsverhandlungen miteinander stünden, könnte bloßes Schweigen auf eine zugegangene rechtserhebliche Erklärung im Einzelfall bereits als Zustimmung angesehen werden (so OGH 2, 352, 356 = NJW 1950, 24). Allein schon der Zugang des Angebotes genügt freilich auch bei bestehendem Abschlusszwang nicht zum Vertragsschluss (KG NJOZ 2008, 3426; offenlassend OGH 2, 352, 357 = NJW 1950, 24, 25; s ferner OGH 1, 253, 255). Erforderlich ist vielmehr auch hier zumindest eine irgendwie nach außen erkennbar werdende Betätigung des Annahmewillens; es genügt, wenn – was meist der Fall sein wird – die Voraussetzungen von § 151 S 1 vorliegen (F. Bydlinski JZ 1980, 378, 379; zum reinen Schweigen als Zustimmung s § 147 Rn 3). bb) Weigert sich der Verpflichtete, den Vertrag abzuschließen, so kann er wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtung gem § 280 I, III, § 281 zum Schadensersatz verurteilt werden; ein Rückgriff auf die §§ 826, 823 II erübrigt sich. Nach Abschluss des Vertrags gelten die allg Regeln, zB §§ 104ff; §§ 119ff; uU auch §§ 434ff usw (vgl OGH 4, 149, 152; BGHZ 1, 75, 79; BGH NJW 1951, 109; teils abw OGH 1, 194, 196f). Auch beim sog diktierten Vertrag (Rn 30) ist das Ergebnis des behördlichen Zwangseingriffs meist ein privates Rechtsverhältnis (BGH MDR 1952, 155; Staudinger/ Bork Rn 35). Zwar kommt das Rechtsverhältnis durch einen hoheitlichen Akt zustande. Dennoch besteht kein Bedürfnis dafür, das Rechtsverhältnis selbst dem öffentlichen Recht zu unterstellen (vgl Flume II § 33, 6d [S 612f]; Staudinger/Bork Rn 35; Soergel/Riesenhuber Rn 52). e) Ähnl Eingriffe in die Vertragsfreiheit. Spiegelbildlich zum Abschlusszwang gibt es auch Abschlussverbote; sie finden sich in den verschiedensten Rechtsgebieten. Ob ein unter Verstoß gegen ein gesetzl Abschlussverbot geschlossener Vertrag gültig oder nichtig ist, beurteilt sich mangels besonderer Vorschrift nach § 134. Schließlich kann auch die Beendigung eines Vertragsverhältnisses erschwert oder gar unmöglich gemacht werden. Ein Zwang, an einem Vertrag festzuhalten, findet sich vor allem im Arbeitsrecht (Kündigungsschutz, Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels) sowie im Wohnungsmietrecht. Im beiderseitigen Einverständnis können die Parteien einen von ihnen geschlossenen Verpflichtungsvertrag jederzeit durch actus contrarius aufheben. Soweit bereits Leistungen erbracht wurden, sind sie wegen Wegfalls des rechtl Grundes nach § 812 I 2 Fall 1 kondizierbar (s § 812 Rn 44ff). Bei der Erstattung von im Voraus entrichteter Miete ist die Sonderregelung des § 547 zu beachten. 3. Vertragsgestaltungsfreiheit. Die inhaltliche Gestaltungsfreiheit kann durch zwingende Vorschriften eingeschränkt sein (s noch Rn 36ff). Deren Zahl hat sich im Laufe der Zeit erheblich vergrößert. Hervorzuheben sind die zwingend ausgestalteten Verbraucherschutzregeln, die durch die Schuldrechtsmodernisierung von 2001 weitgehend ins BGB integriert wurden (zum Übergangsrecht s Heß NJW 2002, 253, 254ff; Armbrüster/Wiese DStR 2003, 334). Auch dispositive Vorschriften können kraft ihrer Ordnungsfunktion der Privatautonomie gewisse Grenzen setzen. Besonders deutlich wird dies bei der Kontrolle von AGB gem § 307 II Nr 1. Oft sind Beschränkungen der inhaltlichen Gestaltung mit einem Abschlusszwang verbunden. Möglich ist es aber auch, dass der Vertragsschluss selbst freigestellt, jedoch für den Fall des Zustandekommens ein bestimmter Inhalt vorgeschrieben ist. Es liegt dann ein sog normierter Vertrag oder Normenvertrag vor (vgl Rieble ZfA 2000, 5, 12; grundlegend A. Hueck JherJB 73 [1923], 33). Darunter ist ein Vertrag zu verstehen, in dem „Normen“ für Einzelverträge festgelegt worden sind, die von den Partnern des Normenvertrags entweder untereinander oder mit Dritten geschlossen werden. Die Bindung an den normierten Vertragsinhalt kann sowohl auf Gesetz als auch auf Rechtsgeschäft oder Satzung beruhen. Der wichtigste Normenvertrag ist der Tarifvertrag, der von einzelnen ArbGeb oder ArbGeb-Verbänden mit Gewerkschaften geschlossen wird, vgl § 611a Rn 142ff; Staudinger/Bork Rn 91. Weitere Bsp sind Verlags- und Mietnormenverträge sowie Verträge zur Festlegung gemeinsamer Lieferbedingungen (vgl Staudinger/Bork Rn 92). Je nachdem, ob die Partner des Normenvertrags gleiche oder entgegengesetzte Interessen verfolgen, unterscheidet man einseitige Normenverträge von zweiseitigen (zB Tarifvertrag; 484
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A. Hueck JherJb 73 [1923], 33, 41). Abzugrenzen vom Normenvertrag sind RL-, Rahmen- und Mantelverträge (Rn 55). 4. Reichweite der Typenfreiheit. Die Typenfreiheit beschränkt sich im Wesentlichen auf das Schuldrecht. Die Vertragsparteien können Schuldverträge jeden beliebigen Inhalts schließen. Die Vertragstypen, die das Besondere Schuldrecht enthält, sind lediglich Muster, deren sich die Parteien bedienen können, ohne jedoch auf sie angewiesen zu sein. Bei Vorschriften wie den §§ 433, 516, 611 usw handelt es sich um reine „Definitionsnormen“ (Leenen/Häublein AT § 4 Rn 27). Sie erlauben es, einen konkreten Vertrag einem gesetzl geregelten Typ zuzuordnen, bilden aber nicht die Grundlage für die aus dem Vertrag erwachsenden (Primär-)Ansprüche. Diese ergeben sich aus dem Vertrag selbst. Vielfach enthalten die getroffenen Vereinbarungen Elemente verschiedener Vertragstypen; man spricht dann von typengemischten Verträgen (vgl auch BGH NJW 2002, 3317, 3318 zu einem „Werkrahmenvertrag“: für die rechtl Einordnung kommt es weder auf die gewünschte Rechtsfolge noch auf die gewählte Bezeichnung an, sondern auf den tatsächlichen Geschäftsinhalt; zum System der Vertragstypen s Windel, FS Schilken, 2015, 153, 160-164). Im Sachenrecht und im Gesellschaftsrecht (insb bei Kapitalgesellschaften, s aber etwa auch § 105 I HGB für die OHG) ist die Freiheit der inhaltlichen Gestaltung von Verträgen durch Typenzwänge erheblich eingeschränkt. 5. Geltung im internationalen Geschäftsverkehr. Im internationalen Geschäftsverkehr (s auch Rn 13) kommt der Vertragsfreiheit eine zusätzl Dimension zu. Sie betrifft die Frage, inwieweit die Parteien ihren Vertrag durch Rechtswahl einer bestimmten Rechtsordnung unterstellen können (sog kollisionsrechtl Parteiautonomie; Art 3 I Rom I-VO). Sie ist zu unterscheiden von der inhaltlichen Vertragsfreiheit, die sich nach dem kollisionsrechtl berufenen Recht beurteilt. Zur Vertragsgestaltung im internationalen Geschäftsverkehr s insb Döser, Vertragsgestaltung im internationalen Wirtschaftsrecht, 2001; v Bernstorff, Vertragsgestaltung im Auslandsgeschäft7, 2012. 6. Richtigkeitsgewähr. Die Vertragsfreiheit manifestiert sich nicht in dem formalen Akt einer durch korrespondierende Willenserklärungen zustande gekommenen Einigung der Parteien. Sie beruht vielmehr auf dem Gedanken rechtl und tatsächlicher Gleichordnung der sich verständigenden Rechtssubjekte. Eine beiderseits gewollte Rechtsgestaltung vermag eine gewisse „Richtigkeitsgewähr“ jedoch nur zu bieten, wenn zw den Parteien ein (relatives) wirtschaftl und auch intellektuelles und organisatorisches Machtgleichgewicht besteht (MüKo/ Busche Rn 6). Die Vertragsfreiheit allein ist kein Garant der Vertragsgerechtigkeit (eingehend Soergel/Riesenhuber Rn 11ff). Bei einem Ungleichgewicht der Kräfte muss die Rechtsordnung den schwächeren Vertragsteil, der in seiner freien Selbstbestimmung gehindert ist, gegen Ausnutzung von Übermacht schützen. Das kann generell durch eine Funktionalisierung des Wettbewerbs und speziell durch Maßnahmen geschehen, die auf einen gerechten Interessenausgleich zielen. a) Damit der Vertrag seine ordnungspolitische Bedeutung als Mittel der Koordinierung privater Rechtssubjekte auf dem Markt behalten kann, sind der Vertragsfreiheit im Interesse des Wettbewerbs Grenzen zu setzen. Hauptaufgabe des Kartellrechts ist es, wettbewerbsbeschränkende Verträge zu verhindern oder zu kontrollieren (vgl §§ 1ff GWB). Der Wettbewerb wird so als grundlegende Vorbedingung für das Funktionieren der Vertragsfreiheit institutionell gesichert (vgl Di Fabio in Dürig/Herzog/Scholz Art 2 I GG Rn 116). b) Der Gesetzgeber hat mittlerweile weitreichende, insb auf EU-RL zurückgehende soziale Schutzbestimmungen ins BGB integriert, die einen Ausgleich für die strukturelle Unterlegenheit von Verbrauchern (§ 13) ggü Unternehmern (§ 14) bei den Vertragsverhandlungen schaffen sollen. Ein wichtiges Instrument sind die Informationspflichten, denen der Unternehmer genügen muss (zB §§ 492, 502; BGB-InfoV), und die teils einem Schriftformerfordernis unterworfen sind (vgl § 492 I, § 494 I). Hervorzuheben sind zudem die Widerrufsrechte iSv § 355. Das Gesetz räumt sie dem Verbraucher aus verschiedenen Gründen ein, die mit den Umständen des Vertragsschlusses (vgl § 312g I für Haustür- und Fernabsatzgeschäfte) oder mit einem den Verbraucher besonders belastenden Vertragsinhalt (vgl § 495 für den Verbraucherdarlehensvertrag) zusammenhängen können (zum Widerruf s Reiner AcP 203, 1). Insg ist die Stellung des Verbrauchers insb für die typischen Geschäfte des Alltags mittlerweile umfassend abgesichert (vgl die §§ 474ff für den Verbrauchsgüterkauf). Dieselbe allg Zielrichtung wie die spezifischen Verbraucherschutzregeln, nämlich die Kompensation einer strukturellen Unterlegenheit, verfolgt auch die Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle von AGB gem §§ 305ff (zum Schutzzweck der AGBKontrolle Kötz JuS 2003, 209; aA MüKo/Fornasier Vor § 305 Rn 4ff: partielles Marktversagen). Massenverträge des täglichen Lebens werden nur selten individuell ausgehandelt. Der Verhandlungsstärkere kann daher aufgrund seiner strukturell überlegenen Position die Vertragsbedingungen einseitig vorgeben. In dieser Situation reichen die allg Regeln zur Verhinderung unangemessener Verträge (§§ 134, 138) zum Schutz des schwächeren Vertragspartners nicht aus. Hier greifen die §§ 305ff und außerhalb ihres Anwendungsbereichs (s § 310 IV) die Bedingungskontrolle nach § 242 (BGH NJW 2001, 1270, 1271 zu Gesellschaftsverträgen; s bereits BGHZ 64, 238, 241 = BGH NJW 1975, 1318). IV. Fehlerhafte Verträge Schrifttum: Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, 1998; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960; Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht, 1996; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992; Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in FS DJT, 1960, 135; Küchenhoff, Faktische Vertragsverhältnisse und faktische Arbeitsverhältnisse?, RdA 1958, 121; Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, 1979; St. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002; K. Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421; M. Weber, Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsabschluss, AcP 192 (1992), 391; Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, Diss Heidelberg, 1980.
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1. Existenz eines Vertrags. Die Existenz eines Vertrags im Rechtssinne wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vertrag von der Rechtsordnung als ungültig angesehen wird (vgl auch die Dreiteilung bei Leenen AcP 188, 381, 385ff, der den Abschluss eines Vertrags von dessen Zustandekommen und Wirksamkeit abgrenzt). Der Vertragstatbestand als Gegenstand der Beurteilung setzt lediglich eine Willenseinigung iS übereinstimmender Willenserklärungen voraus, die auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet sind. Ob der Vertrag gültig oder ungültig ist, ist eine Frage rechtl Wertung. Die Ungültigkeit kann darauf beruhen, dass die Willenserklärung eines Vertragsbeteiligten wegen Willensmängeln nach §§ 116ff nichtig ist. Sie kann sich aber auch daraus ergeben, dass der Vertrag Formmängel aufweist (§ 125) oder seinem Inhalt nach gegen ein Verbotsgesetz (§ 134) oder die guten Sitten (§ 138) verstößt. 2. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit. Die Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe des positiven Rechts (§§ 116ff) sind auf die einzelne Willenserklärung als Mittel individueller Rechtsgestaltung zugeschnitten. Es wird nicht danach differenziert, ob die Willenserklärung sich als einseitiges Rechtsgeschäft darstellt oder als Element eines Vertrags. Auch bei einem Vertrag hat die Nichtigkeit der einzelnen Willenserklärung die Ungültigkeit des ganzen Vertrags zur Folge (§ 142 I). Die Rechtsfolge anfänglicher Nichtigkeit tritt unabhängig davon ein, ob der Vertrag den Ausgleich entgegengesetzter Interessen bezweckt, auf die Wahrnehmung fremder Interessen gerichtet ist oder ein Zusammenwirken der Vertragsparteien regeln soll. Unberücksichtigt bleibt weiter, ob die Vertragsteile ihre Leistungen schon erbracht oder in Anspruch genommen haben und welcher Art diese Leistungen sind. Bei Nichtigkeit des Vertrags greifen die allg Regeln des Kondiktionsrechts ein, nach denen jede Partei verpflichtet ist, die vom Vertragsgegner empfangene Leistung zurückzugewähren (§ 812 I). Ist eine solche Rückgewähr möglich, so hat der Bereicherungsempfänger gem § 818 II Wertersatz zu leisten; diese Pflicht ist jedoch bei Redlichkeit auf die Höhe der noch vorhandenen Bereicherung begrenzt (§ 818 III, IV, § 819). Diese schematische Regelung, die jeden Vertrag ohne Rücksicht auf seine wirtschaftl Eigenart rechtl gleich behandelt, führt bisweilen zu unangemessenen Ergebnissen. Dies gilt namentlich bei komplexen, auf Dauer angelegten Rechtsverhältnissen (Arbeitsverhältnis, Gesellschaft; vgl auch Einl § 104 Rn 12, § 611a Rn 221ff). Teils wird hier von „faktischen“ Verträgen gesprochen, was ungenau ist, da es – anders als bei der Lehre vom faktischen Vertrag aufgrund sozialtypischen Verhaltens (Soergel/Riesenhuber Rn 91; s dazu auch Rn 42) – nicht um den Vertragsbegriff als solchen geht. Die §§ 116ff sind auf punktuelle Austauschverträge zugeschnitten und passen nicht auf durch Vertrag begründete Dauerschuldverhältnisse. Das trifft insb für den Nichtigkeitsbegriff des BGB zu, um dessen Relativierung es geht (Esser AcP 157, 86, 93f; Beckmann Nichtigkeit und Personenschutz, 1998, 274ff). a) So ist es heute im Recht der Personengesellschaften anerkannt, dass die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines Gesellschaftsvertrags nach seiner Invollzugsetzung grds nicht zu einer rückwirkenden Vernichtung des Gesellschaftsverhältnisses führt, sondern lediglich zu einer Auflösung für die Zukunft, und zwar bei einer OHG oder KG aufgrund einer Auflösungsklage nach § 133 HGB, bei einer GbR aufgrund einer Kündigung nach § 723 (Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft; vgl § 705 Rn 164ff; BGHZ 3, 285, 287ff = BGH NJW 1952, BGHZ 97; 55, 5, 8ff = BGH NJW 1971, 375; 2007, 1127 Rn 18; K. Schmidt, GesellschaftsR4 2002, § 6 I [136ff]). Diese Regeln gelten sinngemäß auch dann, wenn es um einen vollzogenen fehlerhaften Beitritt zu einer Personengesellschaft geht (BGH NJW 1988, 1321, 1323; NZG 2008, 460 Rn 21ff; MüKo/Schäfer § 705 Rn 379ff; s auch EuGH NJW 2010, 1513 Rn 42ff). Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft beruht auf dem Gedanken, dass es zu unerträglichen Ergebnissen führen würde und mit dem Zweck der Nichtigkeits- und Anfechtungsvorschriften nicht vereinbar wäre, eine auf die Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft, für die alle Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und das gemeinschaftl Risiko getragen haben, rückwirkend aus dem Rechtsleben zu streichen (BGHZ 55, 5, 8 = BGH NJW 1971, 375). Für die Vergangenheit wird daher die auf fehlerhafter Vertragsgrundlage beruhende Gesellschaft grds wie eine fehlerfrei entstandene behandelt. Dies gilt freilich dann nicht, wenn höherrangige Schutzinteressen der Allgemeinheit oder einzelner Personen ausnahmsw den Rückgriff auf die allg Rechtsfolgen unwirksamer Vertragsbeziehungen gebieten (BGHZ 62, 234, 241; 97, 243, 250 = BGH NJW 1986, 65). Das kommt insb bei Verstößen des Gesellschaftszwecks gegen Verbotsgesetze und bei mangelnder Geschäftsfähigkeit (s § 705 Rn 171, 173) in Betracht. b) Auch bei fehlerhaft gegründeten Kapitalgesellschaften kommt die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zur Anwendung (BGH NJW 1954, 1562 – GmbH; Bamberg NZG 2004, 861, 862; BGH NJW 2005, 627 – AG & Still; s auch Noack/Servatius/Haas/Servatius, § 2 GmbHG Rn 39; MüKo/Schäfer § 705 Rn 333; MüKo-AktG/Pentz § 23 Rn 175f; zum Streitstand bzgl der stillen Gesellschaft s BGH NJW-RR 2005, 627f; MüKo/Schäfer § 705 Rn 369ff). Bei Nichtigkeit eines GmbH-Anteilserwerbs gelten die Regeln hingegen nicht (BGH NJW 2007, 1058 Rn 19 – Arglistanfechtung; NZG 2015, 478 Rn 15 – Verbotsverstoß). c) Ähnl wie im Personengesellschaftsrecht ist auch im Arbeitsrecht anerkannt, dass nach Antritt der Arbeit ein fehlerhafter (nichtiger oder anfechtbarer) Arbeitsvertrag nicht mehr mit rückwirkender Kraft vernichtet werden kann, sondern lediglich mit Wirkung für die Zukunft aufhebbar ist (BAG NZA 1998, 199, 200; MüHdbArbR/Benecke § 38 Rn 48ff; zur Ausnahme bei besonders schwerem Mangel s BAG NZA 2005, 1409, 1410). Stets gelten die sozialen Schutzbestimmungen, insb § 618. Die Lehre vom fehlerhaften Vertrag kann auch bei anderen Dauerschuldverhältnissen Bedeutung erlangen. Dabei handelt es sich jedoch um Ausnahmefälle, da idR die allg Nichtigkeitsund Anfechtungsfolgen zu angemessenen Ergebnissen führen (Pieronczyk JuS 2022, 910, 913f). V. Faktischer Vertrag aufgrund sozialtypischen Verhaltens. 1. Lehre vom faktischen Vertrag. Typisierte Leistungen des modernen Massenverkehrs sind dadurch gekennzeichnet, dass sie jedermann angeboten werden und dass ihr Inhalt standardisiert ist (zB öffentliche Verkehrsmittel). Früher wurde teils vertreten, dass diese 486
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Leistungsbeziehungen nicht auf übereinstimmenden Willenserklärungen beruhten, sondern auf rein tatsächlichen Akten, nämlich dem öffentlichen Anbieten der Dienst- oder Sachleistung und ihrer Inanspruchnahme durch Benutzung oder Anschluss (Larenz NJW 1956, 1897; abl Neuner AT § 37 Rn 47). Auf diese Lehre vom faktischen Vertrag aufgrund sozialtypischen Verhaltens hat sich auch der BGH in einigen Urt gestützt (BGHZ 21, 319, 333 = BGH NJW 1956, 1475 – Inanspruchnahme eines Parkplatzes; BGHZ 23, 175, 177f = BGH NJW 1967, 627 – Bezug von Strom; BGHZ 23, 249, 261 = BGH NJW 1957, 787 – formlose Hoferbenbestimmung). Heute wird diese Lehre nahezu einhellig abgelehnt (MüKo/Busche § 147 Rn 5; Soergel/Riesenhuber Rn 90; Staudinger/Bork Rn 39); auch die Rspr greift nicht mehr auf sie zurück (vgl nur BGH WM 1968, 115, 117; WM 1976, 928; NJW 1991, 564). Die Sachverhalte sind ohne weiteres mit den allg Regeln der Rechtsgeschäftslehre zu bewältigen, nämlich mit § 151, der Anerkennung konkludenter Willenserklärungen und der Unbeachtlichkeit der protestatio facto contraria (s noch Rn 43; grds zust Staudinger/Bork Rn 39; i Erg auch Jauernig/Mansel Rn 20). So liegt beim Öffentlichen Personennahverkehr das Angebot darin, dass die Benutzung des Verkehrsmittels (Bus, U-Bahn usw) jedermann möglich ist (Realofferte ad incertas personas; s § 145 Rn 1); die Annahme erfolgt nach den Beförderungsbedingungen durch Inanspruchnahme der Beförderungsleistung (§ 145 Rn 9). Zumindest liegt eine Willensbetätigung des Fahrgastes vor, die in diesen Fällen das Zustandekommen eines rechtsgeschäftlichen Vertragsschlusses nach § 151 bewirkt (AG Wuppertal FPR 2009, 608). Entspr ist auch die Inanspruchnahme anderer öffentlich angebotener Dienst- oder Sachleistungen zu beurteilen, zB die Entnahme von Strom (vgl BGH NJW 2011, 3509 Rn 16; 2014, 3148 Rn 10, 11; aA Mitsching ZMR 2015, 750, 753; s auch zur Person des Vertragspartners BGH NJW-RR 2020, 201), die Inanspruchnahme von kostenpflichtigen Parkplätzen (BGH NJW 2016, 863 Rn 15; NJW 2020, 755 Rn 13) oder eines sog Internet-by-call-Tarifs (Saarbrücken NJW-RR 2014, 686). Dasselbe gilt für private Dienstleistungen, hinsichtl derer aufgrund gesetzl Bestimmungen ein Abschlusszwang besteht (BGH NJW 2012, 1948 Rn 11 – Abfallentsorgung). Vertragspartner des Energieversorgers wird bei einer Strom- oder Gasentnahme, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anschlussstelle hat. Dies ist zwar im Regelfall der Eigentümer, jedoch muss auch die rechtl Befugnis zur Entnahme aus Mietoder Pachtverträgen beachtet werden (BGH NJW 2014, 1951 Rn 13; 2014, 3150 Rn 20; 2014, 3148 Rn 13ff; vgl zur Entwicklung der Rspr Mitsching ZMR 2015, 750ff). Vertragspartner der Abfallentsorgung kann daher auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sein (BGH NJW 2012, 1948 Rn 12). 2. Vorbehalt. Wer eine typisierte Leistung in Anspruch nimmt, die nur gegen Zahlung eines Entgelts angebo- 43 ten wird, muss die verkehrsmäßige Bedeutung seines Verhaltens auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er vor oder bei der Inanspruchnahme der Leistung zum Ausdruck bringt, ein Entgelt nicht entrichten zu wollen. Die Bedeutungslosigkeit seines Vorbehalts folgt daraus, dass er tatsächlich die ihm gegen Entgelt angebotene Leistung in Anspruch genommen hat und damit der Vorbehalt im Widerspruch zu seinem eigenen tatsächlichen Verhalten steht (BGH NJW-RR 2005, 639, 640; NJW 2003, 313). Darin liegt ein bewusster Akt der Rechtsgestaltung, mag er sich auch nur auf das „Ob“ des Abschlusses beziehen (Flume II § 8, 2, 97ff). Meint der Benutzer, seinem Vorbehalt komme rechtl Bedeutung zu, so handelt es sich um einen unerheblichen Rechtsirrtum. Zum gleichen Ergebnis führt der Rechtsgedanke „protestatio facto contraria non valet“. Sinn eines Vorbehalts ist es, ein auslegungsbedürftiges Verhalten klarzustellen. Lässt sich aber ein Verhalten vernünftigerweise nicht anders denn als Ausdruck eines bestimmten Willens erklären und wird dieser Wille trotzdem in Abrede gestellt, so ist der Vorbehalt wirkungslos. Wer daher zB von einem Elektrizitätswerk Strom bezieht und weiß, dass ihm das Werk den Strom nur zu den allg festgesetzten Strompreisen anbietet, verpflichtet sich durch den Strombezug zur Zahlung des Strompreises, auch wenn er erklärt, sich dem festgesetzten Preis nicht unterwerfen zu wollen (BGHZ 115, 311, 314 = BGH NJW 1992, 171; 2003, 3131; 2014, 3148 Rn 10; s auch NJW 2000, 3429, 3431 zum Verbleib eines Patienten im Krankenhaus trotz Endes der Kostenübernahme durch den gesetzl Krankenversicherungsträger; aA Köhler JZ 1981, 464; krit auch Jauernig/Mansel Rn 20, der in solchen Fällen eine Abwicklung über §§ 812ff für vorzugswürdig hält). Auch wenn sich der Leistungsbezug nicht nach einem festen Tarif bestimmt, sondern das Entgelt jew vereinbart werden muss, kommt entgegen § 154 I gewöhnlich ein Stromabnahmevertrag mit der Maßgabe zustande, dass das Stromunternehmen analog §§ 315, 316 berechtigt ist, die Höhe des Strompreises nach billigem Ermessen zu bestimmen (BGH NJW 1983, 1777). Im Zweifel ist nicht anzunehmen, dass Lieferant und Abnehmer in einem vertragslosen Zustand bleiben wollen. Zu einem konkludenten Vertragsschluss kommt es also dann nicht, wenn der Stromabnehmer schon einen Vertrag mit einem anderen Anbieter geschlossen hat (vgl BGH NJW 2011, 3509 Rn 16; 2014, 1951 Rn 14). – Medicus/Petersen (AT Rn 249f) will die Fälle des anonymen Massenverkehrs analog §§ 612, 632 lösen, weil der die angebotene Leistung in Anspruch nehmende Benutzer die rechtl bestehende Vergütungspflicht regelmäßig nicht durch einseitige Erklärung ausschließen könne und wolle. Dieser Ansatz lässt indessen offen, wie es überhaupt zum Vertragsschluss kommen soll. IÜ lässt sich durch die Inanspruchnahme einer nicht mehr rückgängig zu machenden Leistung nicht stets eine vertragl Pflicht zur Zahlung des üblichen Entgelts begründen, so zB nicht bei Diebstahl oder heimlicher Erschleichung fremder Leistung. Dann lässt sich ein Ausgleichsanspruch aus Delikts- oder aus Bereicherungsrecht herleiten (Rn 45). Nach Mitsching (ZMR 2015, 750, 753f) soll erst in der Entnahme von Strom oder Gas aus dem Netz der Antrag liegen, welcher durch Verbuchung der weiteren Belieferung durch den Energieversorger angenommen werde. Kommt es nicht zum Vertragsschluss, so wäre der Energieversorger demnach auf die gesetzl Ausgleichsansprüche nach § 812 I 1 Fall 2, § 818 II verwiesen. Dies erscheint unangemessen. 3. Nichtigkeit wegen Willensmangels. Eine andere Frage ist es, ob sich derjenige, der eine ihm angebotene 44 Leistung tatsächlich in Anspruch genommen hat, auf die Nichtigkeit seiner Annahmeerklärung wegen eines Armbrüster
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Rechtsgeschäfte
Willensmangels berufen kann. Da eine echte Willenserklärung vorliegt, greifen grds die Regeln ein, welche die persönliche Zurechenbarkeit des Verhaltens ausschließen. Die Wertung der widerstreitenden Interessen ist jedoch bei Massenverträgen eine andere als bei individualisierten Leistungsbeziehungen, auf welche die Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe des BGB in erster Linie zugeschnitten sind. Im Bereich des Massenverkehrs kommt es vor allem auf den reibungslosen und einheitlichen Ablauf der Leistungsbeziehungen an. Dieser Gesichtspunkt führt zu einer Zurückdrängung individueller Elemente. Zu weit geht es jedoch, bei Willenserklärungen, die kraft der Verkehrssitte einen sozialtypischen Inhalt haben, die Berufung auf Willensmängel schlechthin auszuschließen (dafür noch Soergel/Wolf13 Rn 103). Bejaht man das Vorliegen einer Willenserklärung oder Willensbetätigung, so muss man auch Korrekturen zulassen, die dem Erklärenden die Möglichkeit geben, einen entgegengesetzten inneren Willen zur Geltung zu bringen. Auch im Bereich der Daseinsvorsorge ist daher nach § 123 zur Anfechtung berechtigt, wer durch arglistige Täuschung oder Drohung zum Vertragsschluss bestimmt worden ist. Problematischer ist die Heranziehung der §§ 116ff, insb eine Irrtumsanfechtung nach § 119 oder die Berufung auf fehlendes Erklärungsbewusstsein. Auch die Anwendbarkeit dieser Normen lässt sich freilich nicht bezweifeln. Missbräuchen kann jedoch durch hohe Anforderungen an Darlegung und Beweis entgegengewirkt werden. Diese Strenge rechtfertigt sich daraus, dass die Entgeltpflichtigkeit typisierter Leistungen des Massenverkehrs allg bekannt ist und Rechtsfolgenirrtümer unerheblich sind (für umfassendere Einschränkung über § 242 noch 11. Aufl; s auch; Mitsching ZMR 2015, 750, 752). 4. Delikts- und Bereicherungsrecht. In den Fällen, in denen es an einem rechtsgeschäftlichen Vertragsschluss fehlt, besteht keine Notwendigkeit, „faktische Verträge“ anzuerkennen (BGHZ 95, 393, 399). Sachgerechte Lösungen lassen sich, wenn nicht nach den Grundsätzen der Vertragslehre, nach den Vorschriften des Deliktsoder des Bereicherungsrechts erzielen (s insb § 818 Rn 15ff; BGHZ 55, 128, 130ff = BGH NJW 1971, 128 – Flugreise; Soergel/Riesenhuber Rn 89). VI. Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorhandvertrag Schrifttum: v Einem, Die Rechtsnatur der Option, 1974; Freitag, „Specific performance“ und „causa-Lehre“ über alles im Recht des Vorvertrags?, AcP 207 (2007), 287; Gehrlein, Das Zusammenspiel vorvertraglicher Ansprüche und einer Haftung aus culpa in contrahendo, VersR 1997, 928; Georgiades, Optionsvertrag und Optionsrecht, FS Larenz, 1973, 409; v Hase, Vertragsbindung durch Vorvertrag, 1999; D. Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965; Heussen, Letter of Intent, 2. Aufl 2014; Heyers, Put-Optionen auf Immobilien, DNotZ 2011, 6; Kocher, Diskriminierende Vertragsverweigerung als vorvertragliche Pflichtverletzung, FS Martiny, 2014, 411; Köhler, Vorvertrag, Optionsvertrag und Festofferte, Jura 1979, 456; Kösters, Letter of Intent – Erscheinungsformen und Gestaltungshinweise, NZG 1999, 623; Kues, Vereinbarungen im Vorfeld eines Vertrages, Diss Konstanz 1994; Lutter, Der Letter of Intent, 3. Aufl 1998; Maurer, Vorrechte in der vertraglichen Praxis, BwNotZ 2004, 57; Mock, Vorvertrag, Angebot, Angebotsvertrag, Optionsvertrag, insbesondere Ankaufsrecht, in Hagen/Brambring (Hrsg), RWSForum Immobilienrecht 1998, 91; Ritzinger, Der Vorvertrag in der notariellen Praxis, NJW 1990, 1201; Schmalzel, Vorverträge zugunsten Dritter, AcP 164 (1964), 446; K. Schmidt, Zur Durchsetzung vorvertraglicher Pflichten, DNotZ 1990, 708; M. Weber, Der Optionsvertrag, JuS 1990, 249; M. Weber, Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsabschluss, AcP 192 (1992), 390; Wertenbruch, Zur Haftung aus culpa in contrahendo bei Abbruch von Vertragsverhandlungen, ZIP 2004, 1525; M. Wolf, Rechtsgeschäfte im Vorfeld von Grundstücksübertragungen und ihre eingeschränkte Beurkundungsbedürftigkeit, DNotZ 1995, 179.
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1. Vorvertrag. a) Begriff und Zulässigkeit. Unter einem Vorvertrag versteht man eine schuldrechtl Vereinbarung, durch die für einen oder beide Vertragspartner die Verpflichtung begründet wird, einen bestimmten weiteren schuldrechtl Vertrag, den sog Hauptvertrag, abzuschließen (BGHZ 102, 384, 388 = BGH NJW 1988, 1261; Frankfurt NJOZ 2015, 916 Rn 138; s auch NJW 2006, 2843 Rn 11ff). Mit einem Vorvertrag bezwecken die Parteien es, eine vertragl Bindung schon zu einem Zeitpunkt zu erlangen, in dem der Abschluss des Hauptvertrags aus tatsächlichen oder rechtl Gründen noch nicht möglich ist (Frankfurt NJOZ 2015, 916 Rn 138). Durch den Vorvertrag begründen die Parteien einen vertragl Kontrahierungszwang (Staudinger/Bork Rn 51; MüKo/Busche Rn 66; s auch Rn 27; aA Freitag AcP 207, 287, 304). Ob der Kontrahierungszwang nur im Verhältnis der Vertragsparteien oder auch zugunsten eines Dritten bestehen kann (Schmalzel AcP 164, 446; Staudinger/Bork Rn 56), ist eine Frage der Terminologie (BGHZ 97, 147, 151f = BGH NJW 1985, 1983). Es spricht nichts gegen ein weiteres Begriffsverständnis. Die Zulässigkeit des Vorvertrags ergibt sich aus dem das Recht der Schuldverhältnisse beherrschenden Grundsatz der Vertragsfreiheit (Vertrag sui generis gem § 311 I, grundlegend RGZ 66, 116, 120). Grds unterliegt der Vorvertrag den allg für den Vertrag geltenden Regeln (RGZ 66, 116, 121; s auch Flume II § 33, 7, 614, der den Begriff des Vorvertrags deshalb mangels hinreichender Unterscheidungskraft für weitgehend sinnlos hält). Die Parteien müssen sich über den wesentlichen Vertragsinhalt geeinigt und den Willen zu der für den Vorvertrag typischen Bindung gehabt haben. Bei einer Beurkundung der Vereinbarung kann davon ausgegangen werden (BGH NJW 2006, 2843 Rn 9f). Der Vorvertrag unterscheidet sich vom Hauptvertrag somit nicht durch einen fehlenden Rechtsbindungswillen (der sog Letter of Intent begründet daher idR keinen Vorvertrag; Lutter Letter of Intent, 27ff; s allg Rn 9), sondern allein durch den Vertragsgegenstand. Der Vorvertrag setzt einen vom Hauptvertrag unterscheidbaren Vertragsgegenstand voraus. Ein Vertrag, in dem alle Vertragsbedingungen des Hauptvertrags festgelegt sind, ist daher kein Vorvertrag, auch wenn die Parteien ihn als solchen bezeichnet haben (BGH NJW 1962, 1812, 1813; Frankfurt NJOZ 2015, 916 Rn 138). – Da die Parteien regelmäßig nicht lediglich einen Anspruch auf Abschluss eines Hauptvertrags, sondern unmittelbar einen Anspruch auf die sich aus diesem ergebenden Rechte und Pflichten begründen wollen, ist im Zweifel von einem Hauptvertrag auszugehen (BGH NJW 1962, 1812, 1813; NJW-RR 1989, 800, 801). – Für die Abtretbarkeit des Anspruchs aus einem Vorvertrag gelten die allg Regeln, vgl insb § 399 (RGZ 68, 355, 356). Entspr gilt für die Vererblichkeit. – Der schuldrechtl Vertrag zur Herbeiführung einer dinglichen Rechtsänderung stellt seiner Na488
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tur nach keinen Vorvertrag zu dem späteren dinglichen Vertrag dar (RGZ 48, 133, 135). Zur Abgrenzung des Vorvertrags von Ausschließlichkeitsklauseln sowie Rahmen-, Mantel- und Optionsverträgen s Rn 52. b) Bestimmtheitserfordernis. An die inhaltliche Bestimmtheit des Vorvertrags sind im Grundsatz diejenigen 47 Anforderungen zu stellen, die auch für den Hauptvertrag gelten (Mot I S 178; Flume II § 33, 7, 614). Da die Bedeutung des Vorvertrags aber gerade darin liegt, eine vertragl Bindung auch dort zu ermöglichen, wo der Inhalt des Hauptvertrags noch nicht in allen Einzelheiten festgelegt werden kann (vgl Ritzinger NJW 1990, 1201, 1202f; M. Wolf DNotZ 1995, 179, 181), darf bei bestehenden Vertragslücken die Einigung der Parteien nicht vorschnell abgelehnt werden (vgl BGHZ 97, 147, 154 = NJW 1986, 1983, der allerdings missverständlich ausführt, der Vorvertrag fordere ein geringeres Maß an Bestimmtheit als der Hauptvertrag, s MüKo/Busche Rn 62). Es genügt ein solches Maß an Bestimmtheit oder doch Bestimmbarkeit und Vollständigkeit, dass im Streitfall der Inhalt des Vertrags richterlich festgestellt werden kann (st Rspr, BGHZ 97, 147, 154 = BGH NJW 1986, 1983; 1990, 1234, 1235; NJW-RR 1993, 139, 140; Frankfurt NJOZ 2015, 916 Rn 138). Steht fest, dass sich die Parteien vertragl binden wollten, so sind offene Punkte soweit möglich durch – ggf erg – Auslegung des Vorvertrags und unter Heranziehung des dispositiven Rechts zu schließen (BGH NJW-RR 1993, 139, 140; Staudinger/Bork Rn 57; M. Wolf DNotZ 1995, 179, 181). Das Bestimmtheitserfordernis bezieht sich auf die essentialia negotii (zum Begriff s Rn 4) und alle von den Parteien für wesentlich erachteten Nebenpunkte (vgl BGH NJW 1990, 1234, 1235). Dies schließt es jedoch nicht aus, dass die Parteien Nebenpunkte erst im Hauptvertrag regeln (vgl BGH NJW-RR 1993, 139, 140). – Bsp: Bei einem Mietvorvertrag muss sich die Einigung auf das Mietobjekt, die Mietdauer und die Miete beziehen; die näheren Vertragsbedingungen können weiteren Verhandlungen vorbehalten bleiben (BGH NJW-RR 1993, 139, 140; Frankfurt NJOZ 2015, 916 Rn 138). Bei Vermietung „vom Reißbrett“ ist hingegen eine genauere Beschreibung erforderlich (KG NJW-RR 2007, 519; s auch BGH NJW 2006, 140 Rn 21). Ein Gesellschaftsvorvertrag muss die Rechtsform der zu gründenden Gesellschaft angeben (RGZ 106, 174, 177); ist der Vorvertrag auf die Gründung einer GmbH gerichtet, müssen zu seiner Wirksamkeit jedenfalls Stammkapital und Stammeinlagen geregelt werden (Karlsruhe NJW-RR 1996, 997, 998; s auch BGH NJW 1990, 1234, 1235 zu den Bestimmtheitsanforderungen an einen Vorvertrag über den Kauf eines Unternehmens). Da allerdings § 154 auch für den Vorvertrag gilt (BGH NJW-RR 1992, 977f; Staudinger/Bork Rn 52), ist dieser im Zweifel nicht geschlossen, solange nicht alle Vertragspunkte, über die eine Einigung erzielt werden sollte, geregelt sind. Ist der Vorvertrag lückenhaft, kann zudem der Rechtsbindungswille zweifelhaft sein. Erhöhte Bestimmtheitsanforderungen gelten bei formbedürftigen Vorverträgen (Rn 48). c) Formbedürftigkeit. Der Vorvertrag bedarf grds keiner Form. Ausnahmen: aa) Gesetzl Formerfordernis. Ist 48 für den Hauptvertrag eine Form durch Gesetz vorgeschrieben, so ist ausnahmsw auch der Vorvertrag formbedürftig, wenn das Formerfordernis den Schutz eines oder beider Beteiligten vor voreiligen Entschlüssen bezweckt und aus diesem Grunde eine Bindung nur bei Einhaltung der Form eintreten lassen will (BGHZ 61, 48 = BGH NJW 1973, 1839: Formbedürftigkeit eines Jagdpachtvorvertrags gem § 11 III 1 BJagdG; BAG NJW 2010, 1100 LS: Formbedürftigkeit eines Vorvertrags über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags). Das Formerfordernis erstreckt sich dann auf alle Vereinbarungen, die schon im Vorvertrag hätten verbindlich geregelt werden können und nach dem Parteiwillen auch sollten. Bleiben solche Punkte offen, so ist der Vorvertrag nach § 125 S 1 nichtig (vgl BGHZ 97, 147, 154f = BGH NJW 1986, 1983). Der Vorvertrag zu einem Grundstückskaufvertrag bedarf der Form des § 311b I 1 (st Rspr; BGHZ 82, 398, 403 = BGH NJW 1982, 759; 2006, 2843 Rn 15; M. Wolf DNotZ 1995, 179, 182). Der Vorvertrag zum Gesellschaftsvertrag einer GmbH ist nach § 2 I GmbHG formbedürftig (BGH NJW-RR 1988, 288), der einer AG nach § 23 AktG (RGZ 156, 129, 138; Koch § 23 AktG Rn 14). Die Form des Zeichnungsscheins iSd § 185 I 1 AktG gilt auch für einen entspr Vorvertrag (Blaurock, FS Rittner, 1991, 33, 43ff; Hergeth/Eberl NZG 2003, 205, 206f). Die Erklärung des Bürgen in einem Bürgschaftsvorvertrag ist nach § 766 S 1 formbedürftig (s § 766 Rn 1). Dient das Formerfordernis dagegen nur der Beweissicherung, wie zB bei § 550, so bedarf der Vorvertrag keiner Form, da die Beweissicherung durch den formgerechten Abschluss des Hauptvertrags bewirkt werden kann (RGZ 86, 30, 32; 104, 131, 132; BGH NJW 2007, 1817 Rn 14; krit Eckert ZfIR 2007, 666f; aA Flume II § 33, 7 [S 616] zu § 566 aF; NK/Rademacher/Schulze Rn 35). Deshalb bedarf der Vorvertrag zu einem Schuldanerkenntnis iSd §§ 780, 781 keiner Form, wenn man als zentralen Formzweck die Beweissicherung sieht (zum Streitstand s § 781 Rn 8ff). Ein Vorvertrag zum Abschluss eines genau bestimmten Tarifvertrags bedarf nicht der Schriftform des § 1 II TVG (ErfK/Franzen § 1 TVG Rn 20; aA Löwisch/Rieble, TVG3, 2012, § 1 TVG Rn 1444; offenlassend BAG BB 2007, 556). bb) Gewillkürtes Formerfordernis. Für den Vorvertrag kann nach allg Regeln eine Form durch Parteivereinbarung vorgesehen werden. Dann gilt § 154 II. Ob eine Formvereinbarung für den Hauptvertrag auch auf den Vorvertrag zu beziehen ist, muss im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden (BGH NJW 1958, 1281). cc) Heilung. Der Formmangel des Vorvertrags kann etwa in den Fällen des § 311b I 2 durch formwahrenden Abschluss des Hauptvertrags geheilt werden (BGHZ 82, 398, 403ff = BGH NJW 1982, 759; eingehend Keim DNotZ 2005, 324; i Erg ähnl Freitag AcP 207, 287, 312). Eine Heilung tritt freilich nur insoweit ein, als die formlos vereinbarten Bedingungen in der richtigen Form bestätigt worden sind (BGH NJW-RR 1993, 522). Ein Hauptvertrag, der mit einem vom Vertragspartner vermittelten Dritten geschlossen wird, hat keine Heilungswirkung, da Auflassung und Eintragung nicht die Erfüllung des formunwirksam geschlossenen Vorvertrags darstellen (BGH NJW 2004, 3626 [auch zur Kondiktion des Hauptvertrags, 3628] m zust Anm Grünberg EWiR § 311b 1/05, 65; aA noch BGH NJW 1982, 759). dd) Treu und Glauben. Auch formwidrige Verträge können uU nach § 242 als wirksam zu behandeln sein (s § 242 Rn 117ff). Armbrüster
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d) Pflichten der Parteien des Vorvertrags. aa) Der Vorvertrag verpflichtet grds beide Parteien, beim Aushandeln ggf noch offener Vertragsbedingungen mitzuwirken, ein zum Abschluss des Hauptvertrags geeignetes Angebot abzugeben und ein entspr Angebot der Gegenseite anzunehmen (BGH NJW-RR 1994, 317, 318; NJW 2006, 2843 Rn 26; Frankfurt NJOZ 2015, 916 Rn 138; aA Freitag AcP 207, 287, 302ff). Außerdem können die Parteien aufgrund des Vorvertrags verpflichtet sein, eine in ihrem Namen von einem vollmachtlosen Vertreter abgegebene Erklärung zu genehmigen (BGHZ 108, 380, 384 = BGH NJW 1990, 508); die Genehmigung hat, wenn sie im Klageweg erzwungen wird, allerdings keine Rückwirkung (BGHZ 108, 380, 384 = BGH NJW 1990, 508; K. Schmidt DNotZ 1990, 708, 711). Zulässig ist auch ein einseitig verpflichtender Vorvertrag (BGH NJW 2001, 1285, 1286; MüKo/Busche Rn 66; v Riegen ZHR 167, 702, 711: Verpflichtung zur Annahme eines Übernahmeangebots; zur Abgrenzung von Optionen s Rn 52). Ob der angebotene oder abgeschlossene Hauptvertrag die Ansprüche aus dem Vorvertrag erfüllt, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Parteiwillens und des dispositiven Rechts zu prüfen (BGH NJW-RR 1994, 317, 318f). Die Unmöglichkeit der aufgrund des künftigen Hauptvertrags geschuldeten Leistungen lässt grds nicht die Ansprüche aus dem Vorvertrag entfallen (vgl BGH NJW 2001, 1285, 1286). Hat der Schuldner des Vorvertrags aber das Recht, sich vom Hauptvertrag zu lösen, kann dem Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrags § 242 entgegenstehen (vgl BGH NJW 2001, 1285, 1286 zu § 326 aF). bb) Verletzt der Verpflichtete die sich aus dem Vorvertrag ergebenden Pflichten, so stehen dem Berechtigten grds die aus den allg Regeln folgenden Sekundäransprüche und Rechte zu. So kann der Berechtigte etwa gem § 280 I, II, § 286 seinen Verzugsschaden ersetzt verlangen (Staudinger/Bork Rn 65) oder gem § 323 I – nach Setzung einer angemessenen Frist – vom Vertrag zurücktreten (vgl BGH NJW 1984, 479f zu einem auf pFV gestützten Rücktritt). Bei Verzug des aus dem Vorvertrag Verpflichteten kann der andere Teil zudem berechtigt sein, die Einräumung der Rechtsstellung zu verlangen, die er bei rechtzeitiger Erfüllung erlangt haben würde (RGZ 165, 260, 270). Daneben kommt auch ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem § 280 I, III, § 281 in Betracht (vgl Bucher AcP 186, 1, 52). Dieser umfasst auch diejenigen Schäden, die daraus erwachsen, dass der Hauptvertrag nicht durchgeführt wurde. Dasselbe gilt, wenn der Hauptvertrag wegen Unmöglichkeit einer Leistung nicht hätte durchgeführt werden können, denn aus dem Vorvertrag erwächst für den Schuldner die Pflicht, sich hinsichtl des Hauptvertrags leistungsbereit zu halten (BGH NJW 1963, 1247; 1990, 1233). 50 e) Prozessuales. Die Klage aus einem Vorvertrag ist nicht unmittelbar auf Leistung, sondern auf Abschluss des Hauptvertrags zu richten (Ausnahme: BGH NJW 1972, 1189, 1190), und zwar grds auf Annahme eines mit der Klage vorgelegten Angebots (BGH NJW 2001, 1272, 1273). Für eine Feststellungsklage besteht grds kein Rechtsschutzinteresse (BGH LM § 256 ZPO Nr 40). Ausnahmsw kann aus Gründen der Prozessökonomie eine Klage auf Abgabe eines Angebots zulässig sein (BGHZ 98, 130, 133 = BGH NJW 1986, 2822 m Anm Krüger ZNotP 2006, 447, 449). Wirkt eine Seite nicht an den aufgrund des Vorvertrags geschuldeten Verhandlungen über den Inhalt des Hauptvertrags mit oder ist eine Einigung nicht erzielbar, so kann der andere Teil auf Abgabe einer von ihm vorformulierten Vertragserklärung klagen; dem Beklagten obliegt es dann, konkrete Alternativvorschläge zu unterbreiten (BGH NJW 2006, 2843 Rn 26). Ebenso kann eine Klage auf Annahme eines abzugebenden, dem Inhalt des Klageantrags entspr Angebots zulässig sein (BGHZ 97, 147, 149 = BGH NJW 1986, 1983). Auch ist eine Klage auf künftige Leistung unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO zulässig. Mit der Klage auf Vertragsabschluss kann der Antrag auf die aufgrund des Hauptvertrags geschuldete Leistung verbunden werden (BGH NJW 1986, 2820, 2821; 2001, 1285, 1286; 25.4.2014 – LwZR 2/13 Rn 21). Bei Verurteilung zum Abschluss des Hauptvertrags sind, soweit nötig und möglich, zwischenzeitl Veränderungen zu berücksichtigen (BGH NJW 1962, 1812, 1813). 51 f) Abgrenzungen. aa) Vorverhandlungen. Anders als beim Vorvertrag haben die dem Vertragsschluss vielfach vorausgehenden Vorverhandlungen für die Beteiligten noch keine rechtsgeschäftlich bindende Wirkung. Sie können nur für die Ermittlung und Auslegung des Parteiwillens bedeutsam sein und Lücken bzgl der erforderlichen Bestimmtheit des Vertragsgegenstands schließen. Bereits während der Vorverhandlungen besteht zw den Beteiligten ein vertragsähnl Vertrauensverhältnis, das jeden Teil verpflichtet, dem anderen alle für dessen Entschließung nach Treu und Glauben wesentlichen Punkte mitzuteilen (vgl § 311 II, § 241 II). Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob der Vertrag zustande kommt. Ihre Verletzung kann den Geschädigten gem § 280 I, § 311 II, § 241 II (cic) zum Schadensersatz berechtigen. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund kann eine gleichfalls auf cic gestützte Pflicht zum Vertragsschluss nach sich ziehen (§ 145 Rn 20). 51a bb) Vom Vorvertrag ist der Optionsvertrag zu unterscheiden. Bei diesem verpflichten sich die Parteien (oder eine von ihnen; Rn 49) nicht zu einem Vertragsschluss. Vielmehr wird dem Vertragspartner das Recht eingeräumt, durch eine einseitige Erklärung den beabsichtigten und bereits festgelegten Vertrag zustande zu bringen (Rn 52; Vor § 158 Rn 14ff). 51b cc) Auch eine Ausschließlichkeitsklausel ist kein Vorvertrag (aA Rittner Ausschließlichkeitsbindungen in dogmatischer und rechtspolitischer Betrachtung, 1957, 32ff). Der Unterschied besteht darin, dass der Vorvertrag eine Verpflichtung zum Abschluss eines Hauptvertrags auslöst, die Ausschließlichkeitsklausel dagegen dem Gebundenen lediglich einen bestimmten Vertragspartner aufzwingt, ohne ihn jedoch notwendig zur Vornahme des Geschäfts zu verpflichten. 51c dd) Rahmen- oder Mantelverträge sind ebenfalls dadurch vom Vorvertrag zu unterscheiden, dass keine Pflicht zum Abschluss eines Einzelvertrags begründet wird (Rn 55; Staudinger/Bork Rn 54). 49
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Vertrag
Vor § 145
ee) Anpassungsklauseln stellen, auch wenn sie einen Anspruch auf Vertragsänderung begründen, keinen Vor- 51d vertrag dar, da sie auf eine Verfügung, nämlich die Vertragsänderung, gerichtet sind (Staudinger/Bork Rn 55; aA Grü/Ellenberger Rn 19). 2. Optionsvertrag. Durch einen Optionsvertrag wird dem Optionsberechtigten das Recht eingeräumt, durch 52 einseitige Willenserklärung ggü dem Optionsgeber einen Hauptvertrag mit dem im Optionsvertrag vereinbarten Inhalt zustande kommen zu lassen (s auch Vor § 158 Rn 14ff). Der Inhalt des hierdurch begründeten Optionsrechts bestimmt sich nach der Stellung des Optionsberechtigten innerhalb des vertragl Synallagmas. Ist der Berechtigte der spätere Erwerber eines Gegenstands, spricht man von einem Ankaufsrecht oder Call Option. Folgt durch den Vertragsschluss auf Seiten des Berechtigten indes die Pflicht zur Veräußerung eines Gegenstands, so bezeichnet man das Optionsrecht als Verkaufsrecht oder Put Option (zum Ganzen MüKo/Busche Rn 71ff; zur Unterscheidung von Call- und Put-Option hinsichtl Finanztransaktionen s BankR-Hdb/Schefold, § 116 Rn 283; zu einzelnen Problemen von Optionsrechten in Immobilienkaufverträgen Heyers DNotZ 2011, 6ff). Ein Optionsrecht gleich welchen Inhalts kann entweder durch eine sog Festofferte oder einen bedingten Hauptvertrag mit Optionsvorbehalt entstehen (zu letzterem s Vor § 158 Rn 14). Die Abgrenzung kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Die Festofferte, die systematisch lediglich ein mit langer Bindungsdauer versehenes Angebot des Optionsgebers darstellt (vgl § 148), unterscheidet sich vom Optionsvertrag darin, dass das Optionsrecht bei letzterem durch vertragl Konsens, bei ersterem durch einseitige Willensbekundung des Optionsgebers entsteht (MüKo/Busche Rn 75). Beim bedingten Hauptvertrag mit Optionsvorbehalt handelt es sich technisch um einen voll wirksamen Vertrag, dessen Wirkungen vom Wollen des „Bedingungsberechtigten“ abhängig gemacht werden (zur Zulässigkeit reiner Wollensbedingungen s Vor § 158 Rn 12ff). 3. Vorhand. Durch den Vorhandvertrag verpflichtet sich der Vorhandgeber, einen bestimmten Gegenstand 52a zunächst dem Vorhandberechtigten anzubieten (etwa zum Kauf, zur Miete, zur Pacht etc). Eine solche Vertragsgestaltung ist von einem Vorkaufsrecht nach §§ 463ff zu unterscheiden. Der Vorkaufsberechtigte tritt mit der Ausübung des Vorkaufsrechts in den zw dem Veräußerer und einem Dritten geschlossenen Kaufvertrag ein (§ 464 II). Der Vorhandvertrag verpflichtet den Vorhandgeber hingegen grds lediglich dazu, den Vertragsschluss zunächst dem Vorhandberechtigten anzubieten. Der Vorhandgeber ist zum Abschluss des Vertrags indes nur dann verpflichtet, wenn der Vorhandberechtigte zu denselben Bedingungen abzuschließen bereit ist wie der als Vertragspartner ins Auge gefasste Dritte. Die Parteien können eine solche Rechtsfolge im Vorhandvertrag vorsehen. VII. Sukzessivlieferungsvertrag Schrifttum: Reiter, Die Neuregelung des Widerrufsrechts bei Sukzessivlieferungsverträgen unter besonderer Berücksichtigung des Bierlieferungsvertrages, BB 1991, 2322; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993; M. Schwab, Leistungsstörungen im Sukzessivlieferungsvertrag nach neuem Schuldrecht, ZGS 2003, 73; Timme, Schadensersatzanspruch des nichtbelieferten Käufers bei einem Sukzessivlieferungsvertrag – BGH, NJW 1998, 2901, JuS 2001, 1060; Woitkewitsch, Die Rechte des Verbrauchers beim Abonnementvertrag, MDR 2005, 371.
1. Sukzessivlieferungsvertrag. Der Begriff des Sukzessivlieferungsvertrags wird uneinheitlich verwendet. Teils 53 wird darunter nur ein Teillieferungsvertrag verstanden, der auf Erbringung einer im Voraus fest bestimmten Leistung in zeitl aufeinander folgenden Raten gerichtet ist (s Vor § 433 Rn 32; BGH NJW 1977, 35; 1981, 679, 680; Timme JuS 2001, 1060; vgl auch RGZ 148, 326, 330). Beschrieben wird damit kein typisches Dauerschuldverhältnis, sondern ein nur zeitl gestreckter Kauf- oder Werklieferungsvertrag (Grü/Grüneberg Vor § 311 Rn 27; vgl BGH NJW 1981, 679, 680). Andere verstehen unter einem Sukzessivlieferungsvertrag einen Bezugsvertrag, bei dem die zu liefernde Menge nicht von vornherein feststeht, sondern sich im Lauf der Zeit (sukzessive) erhöht (Medicus/Lorenz SchuldR I § 2 Rn 4; aA ausdrückl BGH NJW 1981, 679, 680). Demnach ist der Sukzessivlieferungsvertrag eine Unterart eines echten Dauervertrags (Medicus/Lorenz SchuldR I § 2 Rn 4). Es spricht nichts gegen ein beide Begriffsdefinitionen umfassendes, weites Verständnis, wenn die Unterschiede in der rechtl Behandlung beachtet werden (zur beim Übergangsrecht gem Art 229 § 5 S 2 EGBGB gebotenen Differenzierung Armbrüster/Wiese DStR 2003, 334). So kommt insb eine Kündigung nur bei echten Dauerschuldverhältnissen in Betracht (vgl § 314 Rn 3c), während der Vertrag ansonsten durch Rücktritt zu beenden ist (vgl BGH NJW 1981, 679, 679f; Staudinger/Beckmann Vor §§ 433ff Rn 211). In diesem weiten Sinne sind Arten eines Sukzessivlieferungsvertrags sowohl der Raten- oder Teillieferungsvertrag als auch der Dauerlieferungs- oder Bezugsvertrag (Staudinger/Beckmann Vor §§ 433ff Rn 207; Grü/Grüneberg Vor § 311 Rn 27f; Jauernig/Stadler § 311 Rn 14; Reiter BB 1991, 2322). 2. Abgrenzungen. Wesentlich für den Sukzessivlieferungsvertrag bleibt in jedem Fall sein Charakter als Ein- 54 heitsvertrag, dh es muss von den Parteien trotz der vereinbarten Erfüllung in zeitl getrennten Teilleistungen ein einheitliches Ganzes gewollt sein (RGZ 148, 326, 330; vgl auch RGZ 161, 100, 104, wonach die Parteien auch für mehrere getrennte Verträge vereinbaren können, dass die Art und Weise der Abwicklung des einen zugleich für die Erfüllung des anderen erheblich sein soll). Hierdurch unterscheidet er sich insb vom sog Wiederkehrschuldverhältnis, das durch eine sich ständig wiederholende Erneuerung des Vertragsschlusses für bestimmte Zeitabschnitte oder Bezugsmengen gekennzeichnet ist (RGZ 148, 326, 330 betr § 17 KO aF). Seit Inkrafttreten von § 105 InsO (teilbare Leistungen) ist die Unterscheidung insolvenzrechtl weitgehend bedeutungslos; bei einem Sukzessivlieferungsvertrag liegen grds teilbare Leistungen vor (BGHZ 135, 25, 27 = BGH DtZ 1997, 196). Dennoch sollte der Begriff des Wiederkehrschuldverhältnisses nicht aufgegeben werden (zweifelnd Larenz SchuldR I § 2 VI [S 31 Fn 45]). Den Parteien steht es frei, im Rahmen ihrer Lieferbeziehungen zu vereinbaren, dass das rechtl Schicksal weiterer Lieferungen zunächst völlig offenbleibt, weil für bestimmte Zeitabschnitte oder für jede Armbrüster
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Vor § 145
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Rechtsgeschäfte
weitere Bezugslieferung erst noch ein neuer Kaufvertrag nach den Regeln der §§ 145ff zustande kommen muss (Staudinger/Beckmann Vor §§ 433ff Rn 212). – Vom Vorvertrag unterscheidet sich der Sukzessivlieferungsvertrag dadurch, dass durch ihn ein Anspruch unmittelbar auf die Leistung entsteht, während aufgrund des Vorvertrags erst ein anderer Vertrag abgeschlossen werden soll (Rn 46). VIII. Richtlinien- und Rahmenvertrag Schrifttum: Fuchs-Wissemann, Die Abgrenzung des Rahmenvertrages vom Sukzessivlieferungsvertrag, Diss Marburg 1979; Hoffbauer, Der Rahmenvertrag in der Lieferbeziehung, 2010; Muhl/Lüthge, Rahmenverträge in Lieferbeziehungen – Struktur, Beendigung und Rechtsfolgen, GWR 2016, 26; Windbichler, Neue Vertriebsformen und ihr Einfluß auf das Kaufrecht, AcP 198 (1998), 261.
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1. Grundregeln. In sog Richtlinien- sowie Rahmen- oder Mantelverträgen legen die Parteien bei auf Dauer angelegten Geschäftsverbindungen unverbindliche Empfehlungen (RL-Vertrag, dazu Staudinger/Bork Rn 92) oder verbindliche Bedingungen (Rahmen- oder Mantelvertrag; dazu K. Schmidt, HandelsR6 § 20 Rn 12 [S 727]) für künftige Einzelverträge fest (näher Windbichler AcP 198, 261, 264). Ein Bsp für den Inhalt von Rahmenverträgen umschreibt § 305 III. Aus solchen Verträgen kann mangels hinreichender Bestimmtheit grds nicht auf den Abschluss eines konkreten Einzelvertrags geklagt werden (BGH NJW-RR 1992, 977, 978 zu Rahmenvertrag mit Architekt). Wird der Abschluss eines Einzelvertrags verweigert, kann darin allerdings eine Verletzung der Pflichten aus dem Grundvertrag liegen, die gem § 280 I zum Schadensersatz verpflichtet (BGH NJW-RR 1992, 977, 978: pVV; s auch BGH NJW-RR 2000, 1560, 1563). Ein allg Bankvertrag (als Grund- oder Rahmenvertrag), der meist im Zusammenhang mit einem Giro- oder Darlehensvertrag abgeschlossen wird, erfüllt mangels einer eigenständigen bindenden Rechtsfolge nicht den Vertragsbegriff (BGHZ 152, 114, 119f = BGH NJW 2002, 3695, 3696; MüKo/Heermann § 675 Rn 56; Horn in Heymann, HGB, Anh § 372 Erster Teil Rn 7; offenlassend Grundmann in Staub4 HGB, Bd 10/1, 2016, Zweiter Teil Rn 1; aA Hopt/Hopt, HGB, BankGesch A6; Grü/Sprau § 675 Rn 9a; Staudinger/Martinek § 675 Rn B 31; Ulmer Der Vertragshändler 317f). Die mit einem Giro- oder Darlehensvertrag vereinbarten und für andere Verträge im Rahmen der Geschäftsverbindung geltenden AGB erfordern keinen Rahmenvertrag; vielmehr gelten die Bedingungen jeweils für den Einzelvertrag (BGHZ 152, 114, 119 = BGH NJW 2002, 3695, 3696; krit Köndgen NJW 2004, 1289f im Hinblick auf die Notwendigkeit einer dauerhaft bestehenden Vereinbarung über das Bankgeheimnis und der geschäftsbesorgungsrechtl Interessenwahrungspflicht). Für Internetauktionen wird diskutiert, inwiefern bestehende Rahmenverträge zur Begründung eines Vertragsschlusses herangezogen werden können (vgl Spindler in Spindler/Schuster Vor §§ 145ff Rn 10f; Neubauer/Steinmetz in Handbuch Multimedia-Recht, 58. EL Mär 2022, Teil 14 Rn 30). 2. Abgrenzungen. Der Unterschied zu Sukzessivlieferungsverträgen besteht darin, dass bei Rahmenverträgen idR die wesentliche Leistungspflicht noch durch abzuschließende Einzelverträge konkretisiert werden muss (vgl Köln CR 1994, 737, 738; Hoffbauer 83; Limbach Bezugsvertrag, 2014, 13). Die fehlende Vereinbarung einer Leistungspflicht grenzt den Rahmenvertrag auch zum Wiederkehrschuldverhältnis ab (Fikentscher/Heinemann SchuldR Rn 136). Die Abgrenzung zu Vorverträgen erfolgt anhand der fehlenden Pflicht zum Abschluss von Einzelverträgen (Staudinger/Bork Rn 54; K. Schmidt HandelsR6 § 20 Rn 12 [S 727]; Fikentscher/Heinemann SchuldR Rn 136; vgl BGH NJW-RR 1992, 977, 978; s auch Rn 52).
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Bindung an den Antrag
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat. I. Rechtliche Qualifikation des Antrags. Der Vertragsantrag (Angebot, Offerte) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die den allg Vorschriften über Willenserklärungen (§§ 116ff) unterliegt; Geschäftsfähigkeit ist hingegen nur Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts (instruktiv Leenen, FS Canaris 2007, Bd 1, 699, 708). Er ist jedoch ebenso wie die Annahme kein selbstständiges Rechtsgeschäft. Vielmehr bilden erst Antrag und Annahme zusammen ein einheitliches Rechtsgeschäft (Hamm NJW 1982, 2076 betr Erhöhungsverlangen nach § 2 MHRG; Staudinger/Bork Rn 1; Flume II § 35 I 1, 635). Die Vorschriften über einseitige Rechtsgeschäfte finden daher auf den Antrag und die Annahme keine Anwendung. Die Wahrung einer vorgeschriebenen Form ist auch dann erforderlich, wenn das Formerfordernis nicht für den gesamten Vertrag, sondern nur für die Willenserklärung eines Vertragspartners gilt und der Antrag jene Willenserklärung enthält. Eine reine Tatsachenmitteilung unterscheidet sich von einem Vertragsantrag dadurch, dass bei ihr der Empfänger nicht auf den Gedanken kommen kann, durch eine ausdrückl oder konkludente Annahme seinerseits eine vertragl Bindung zu begründen (RGZ 170, 397, 401 betr Versicherungsnachtrag). Im Bereithalten einer Ware oder Dienstleistung (Energieversorgung; öffentlicher Personennahverkehr; Telekommunikation) im Wege der sog Realofferte liegt ein Antrag (BGH NJW 2005, 3636, 3637; 2014, 1951 Rn 13; 2014, 3148 Rn 10; Saarbrücken NJW-RR 2014, 686; zum Vertragsschluss in solchen Fällen s Vor § 145 Rn 43). Demggü umfasst das „Anbieten“ einer Ware oder Leistung iSd § 3 I PAngV nach dem Schutzzweck der VO nicht nur Vertragsanträge iSd § 145, sondern darüber hinaus in einem rein tatsächlichen Sinne jede Erklärung eines Kaufmanns, in der entspr dem üblichen Sprachgebrauch die Bereitschaft zum Ausdruck kommt, eine bestimmte Ware oder Leistung gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen (BGH NJW 1980, 1388; NJW 1983, 894). II. Bestimmbarkeit. Der Antrag muss inhaltlich so bestimmt oder jedenfalls gem §§ 133, 157 bestimmbar und vollständig sein, dass mit seiner Annahme ohne weiteres die zum Zustandekommen des Vertrags notwen492
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Vertrag
§ 145
dige Willenseinigung erreicht ist und im Streitfall der Inhalt des Vertrags richterlich festgestellt werden kann (vgl BGH NJW 1990, 1234, 1235 zum Vorvertrag; BAG NZA 2005, 635, 636; NJOZ 2016, 866 Rn 18; NZA 2017, 499 Rn 14 zum Änderungsangebot bei einer Änderungskündigung; BAG NZA 2013, 1358 zum Änderungsangebot zu einem Altersteilzeitsarbeitsverhältnis). Entscheidend ist der nach §§ 133, 157 zu ermittelnde obj Empfängerhorizont (s auch MüKo/Busche Rn 6). Der Antrag muss die essentialia negotii enthalten (Vor § 145 Rn 4; vgl auch § 14 I 2 CISG und dazu Schroeter in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter Art 14 CISG Rn 9ff) oder zumindest alle Kriterien für ihre Festlegung (Faust AT § 3 Rn 3). Fehlt es an dieser Voraussetzung, liegt kein Vertragsantrag vor (RG HRR 1930, 91). Hinreichende Bestimmbarkeit ist jedoch bereits gegeben, wenn der Antrag iVm sonstigen Umständen, insb mit Vorverhandlungen (Vor § 145 Rn 51), einem vorausgegangenen Schriftwechsel oder durch Verweisung auf obj Standards, wie zB Qualitätsanforderungen oder allg Lieferbedingungen, die erforderliche Klarheit und Eindeutigkeit erhält (München NZBau 2011, 487, 488 – unwirksame Bezugnahme auf Vorverhandlungen). Der Antrag kann uU in einzelnen Beziehungen auch unbestimmt sein, sofern der Antragende die Bestimmung dieser Punkte dem Erklärungsgegner überlassen will (Enneccerus/Nipperdey § 161 I 1b [S 987]). Dies wird nach der Verkehrsübung namentlich bei der Preisbestimmung häufig der Fall sein, zB bei Hotelzimmerbestellung (s auch §§ 315, 316). Für einige Vertragstypen geht bereits aus dem Gesetz hervor, dass eine Vereinbarung über eine zu zahlende Vergütung bzw deren Höhe entbehrlich ist (s etwa §§ 612, 632). Der Vertragsschluss scheitert in diesen Fällen nicht am Fehlen einer entspr Einigung (Faust AT § 3 Rn 3). Ferner kann auch die Bestimmung durch einen Dritten vorbehalten bleiben (§§ 317–319) oder eine Wahlschuld (§§ 262–265) vereinbart werden. – Zum Antrag an einen unbestimmten Personenkreis s Rn 4, 7. Beim Blankett handelt es sich mangels Bestimmtheit nicht um eine Willenserklärung; bei Missbrauch durch den Empfänger kommt aber eine Zurechnung der im Rechtsverkehr abgegebenen Erklärung analog §§ 171, 172 in Betracht (näher Binder AcP 207, 155ff). – Ein an mehrere Personen gerichteter Vertragsantrag, nach dem die Antragsgegner gemeinschaftl die Vertragspartei bilden sollen, kann nur gemeinsam angenommen werden. Lehnt ein Teil der Antragsgegner ab, so entfällt grds die Bindung des Annehmenden (BGH MDR 1965, 572). – Der Antragende kann über die essentialia negotii hinaus weitere Punkte in sein Angebot aufnehmen und sie damit zum Vertragsgegenstand machen (sog accidentalia negotii). III. Rechtsbindungswille (Rechtsfolgewille). 1. Grundsatz. Es muss dem bekundeten Willen des Antragenden entsprechen, dass mit der Annahme seines Angebots ein gültiger, ihn bindender Vertrag zustande kommt. Maßgeblich ist der obj Empfängerhorizont (§ 133 Rn 19). Wendet sich etwa ein Interessent telefonisch an einen Makler, so kann darin nicht ohne weiteres ein Angebot gesehen werden, da der Anrufer idR erwarten darf, dass ein Vertragsverhältnis zw Makler und Verkäufer besteht (Brandenburg NJW-RR 2009, 1145, 1146). In der Übersendung eines nicht unterschriebenen Vertragsformulars liegt zumindest dann kein bindendes Angebot, wenn das Formular eine qualifizierte Schriftformklausel und Unterschriftszeilen enthält (Nürnberg BeckRS 2020, 19805 Rn 21ff). Fehlt es in Wahrheit am Rechtsbindungswillen, obwohl ein solcher nach außen in Erscheinung tritt, greifen die §§ 116ff ein. Zum Ausschluss der Gebundenheit nach Hs 2 s Rn 16. 2. Invitatio ad offerendum. Hat der Erklärende die Bindung an den Antrag ausgeschlossen, so liegt uU gar kein Antrag vor (Rn 16). Ist ein Angebot nicht an eine bestimmte Person gerichtet, sondern an die Allgemeinheit, so handelt es sich oft mangels Willens zu vertragl Bindung nur um eine Aufforderung zur Abgabe von Vertragsanträgen (invitatio ad offerendum), deren Sinn es ist, den potentiellen Vertragspartner über das eigene Waren- oder Leistungsangebot zu informieren und die grds Vertragsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen (Düsseldorf NJW-RR 2016, 1073, 1074; Bork AT Rn 705). Es kann jedoch auch ein echtes Vertragsangebot unter den sich aus den Umständen ergebenden Vorbehalten oder Einschränkungen vorliegen (offerta ad incertas personas). Entscheidend ist, ob der „Anbietende“ durch die Zustimmung des Erklärungsempfängers sofort verpflichtet sein soll. Dies ist durch Auslegung der Erklärung nach §§ 133, 157 zu ermitteln, wobei auch das spätere Verhalten der Parteien zu berücksichtigen ist (vgl LG Berlin MDR 2015, 883 – Zusendung eines Mietvertragsformulars ohne Unterschrift). Bei Waren- und Dienstleistungsangeboten eines Kaufmanns ist dies schon im Hinblick auf die beschränkte Leistungsfähigkeit grds zu verneinen (Düsseldorf NJW-RR 2016, 1073, 1075; Flume II § 35 I, 1, 637; Medicus/Petersen AT Rn 359). Hinzu kommt regelmäßig das Interesse, eine Bindung bei unzureichender Zahlungsfähigkeit des Gegners zu vermeiden (Staudinger/Bork Rn 4). Ist die individuelle Persönlichkeit des eventuellen Vertragspartners für den Antragenden von Bedeutung, wie gewöhnlich bei Dienstverträgen, so liegt idR nur eine Aufforderung zur Offertenabgabe vor. 3. Einzelfälle. Die öffentliche Ankündigung von Veranstaltungen (zB Konzerten, Theateraufführungen) ist nur als Aufforderung zur Abgabe von entspr Angeboten zu werten (RGZ 133, 388, 391; MüKo/Busche Rn 11). Die Übersendung von Katalogen, Preislisten und Werbeprospekten sowie Inserate in Zeitungen sind grds nicht als Vertragsanträge aufzufassen (Soergel/Riesenhuber Rn 19; Staudinger/Bork Rn 5; zum Vertragsangebot in der Werbung s Bernreuther WRP 2003, 846, 849ff). Dasselbe gilt für Speisekarten. Nur unter besonderen Umständen kann die Auslegung im Einzelfall einen anderen Willen ergeben. Allein ein Hinw wie „Solange der Vorrat reicht“ genügt dafür nicht (Staudinger/Bork Rn 5). Diese Regeln gelten auch für individuell adressierte Werbeschreiben. In der Bewerbung einer Mehrwertdienste-Nummer liegt gleichfalls lediglich eine invitatio ad offerendum (BGH NJW 2006, 286, 287). Die Zusendung unbestellter Waren ist als Antrag anzusehen; zur Annahme s § 147 Rn 4. Ein Warenangebot auf einer Website im Internet ist nach verbreiteter Ansicht – ähnl wie bei Katalogen (Rn 6) – ohne Weiteres als invitatio ad offerendum anzusehen (Düsseldorf 19.5.2016 – 16 U 72/15 Rn 24f; LG Essen Armbrüster
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Rechtsgeschäfte
NJW-RR 2003, 1207; LG Gießen NJW-RR 2003, 1206; BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 41; Köhler NJW 1998, 185, 187; Taupitz/Kritter JuS 1999, 839, 840; Waldenberger BB 1996, 2365ff; aA Mehrings MMR 1998, 30, 32). Angesichts des breiten Spektrums an Online-Auftritten muss differenziert werden (Bach K&R 2005, 308, 309 mit Fn 4; Glatt Vertragsschluss im Internet, 2002, 40ff, 44; s auch Dörner AcP 202, 363, 377f; Föhlisch/Stariradeff NJW 2016, 353, 354f; Kimmelmann/Winter JuS 2003, 532, 534; Wiese VuR 2008, 161, 163f; Woitkewitsch/Pfitzer MDR 2007, 61, 63). Die Präsentation der Ware ist auch dann lediglich als invitatio anzusehen (s allg Rn 4, 10), wenn ein Online-Versandhändler mit Hilfe von Warenwirtschaftssystemen stets nur seinen aktuell verfügbaren Warenbestand im Internet präsentieren kann (BGH NJW 2013, 598 Rn 14; Nürnberg MMR 2010, 31 und OLGRp 2009, 645 m zust Anm Schmidt, jurisPR-ITR 2/2010 Anm 5; abw noch 12. Aufl). Zwar ist so stets gesichert, dass der Vertrag nur bei ausreichendem Warenvorrat abgeschlossen wird; jedoch würde dem Verkäufer, wenn man von einem Angebot ausginge, die Bonitätsprüfung abgeschnitten (s dazu auch Hoffmann MMR 2003, 274, 275). Auch nach dem Klick des Kunden auf die Schaltfläche „zahlungspflichtig bestellen“ (vgl § 312j III 2) ist das Angebot des Seitenbetreibers nicht rechtsverbindlich, da nach Angabe der Zahlungsmodalitäten durch den Kunden gleichfalls Raum für eine Bonitätsprüfung verbleiben muss (aA Föhlisch/Stariradeff NJW 2016, 353, 358: je nach gewählter Zahlungsmodalität kommr es schon bei Aufstellung der Warenpräsentation zu einem bindenden Angebot). Häufig ergibt sich aus den AGB des Online-Anbieters, ob Erklärungen bindenden Charakter haben und unter welchen Voraussetzungen sich die Beteiligten ggf vom Vertrag wieder lösen können. Dabei sind die Anforderungen des § 305 II, III in Bezug auf die wirksame Einbeziehung der AGB beim Vertragsschluss im Internet besonders zu beachten: Auf der Website muss deutlich auf die AGB hingewiesen und dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, davon in zumutbarer Weise Kenntnis zu erlangen, etwa durch die Möglichkeit, die AGB kostenlos zu speichern und auszudrucken (Wörlen/Metzler-Müller AT Rn 335). Bei sog Click&Collectoder Call&Collect-Systemen ist anhand der Umstände des Einzelfalls durch Auslegung zu ermitteln, ob und wann bindende Erklärungen abgegeben werden (Fritz NJW 2021, 1697). Problembehaftet ist der Vertragsschluss mittels eines Dash Buttons, den der Kunde bei einem Onlinehändler erwirbt, um anschließend Produkte des täglichen Bedarfs unkompliziert durch Betätigung des Buttons nachbestellen zu können. Diese Gestaltung wahrt häufig nicht die Voraussetzungen des § 312j III 2 (Leeb MMR 2017, 89, 91; vgl auch München MMR 2019, 532 Rn 66ff), weshalb die Betätigung des Buttons nur eine invitatio ad offerendum darstellt (MüKo/Busche Rn 24). Ein rechtsverbindlicher Antrag (ad incertas personas) iSd § 145 und nicht etwa eine antizipierte Annahmeerklärung ggü dem Höchstbietenden liegt dann vor, wenn sich ein entspr Erklärungswert aus den von allen Beteiligten zur Kenntnis genommenen Teilnahmebedingungen einer Internetauktion (dazu s auch § 156 Rn 1) ergibt (BGHZ 149, 129 = BGH NJW 2002, 363, 364; 2014, 1292 Rn 18; 2015, 1009 Rn 14; Frankfurt 27.6.2014 – 12 U 51/13 Rn 16; Oldenburg NJW 2005, 2556f; KG NJW 2005, 1053 – Konstruktion des Vertragsschlusses unter einer auflösenden Bedingung; Sosnitza VuR 2007, 143, 144; Spindler/Nink DRiZ 2007, 193; Wiebe in Spindler/ Wiebe, Internet-Auktionen, 2005, 65ff; NK/Kremer Anh zu § 156 Rn 21f; aA LG Münster JZ 2000, 730; Hager JZ 2001, 786, 787; AG Gummersbach NJW-RR 2011, 133, 134 [sowohl Antrag als auch Annahme]; krit Hellgardt AcP 213, 761, 806; zum Meinungsstand vgl Wagner/Zenger MMR 2013, 343f). Dies gilt auch für ein im Wege der „Sofort-Kauf“-Option eingestelltes Angebot (BGH MMR 2013, 466, 467; Hamm MMR 2013, 375, 376; Föhlisch/Stariradeff NJW 2016, 353, 354; Spindler/Nink DRiZ 2007, 193, 195; Wellhausen, jurisPR-ITR 14/2008 Anm 4) und bei sog „Reverse Auctions“ (eingehend hierzu, insb auch bzgl der Wettbewerbs- und Sittenwidrigkeit einer solchen Auktion, NK/Kremer Anh zu § 156 Rn 47ff). Aber auch in den Geboten können ausweislich der AGB des Internetportals Angebote zu sehen sein (zB www.hood.de; vgl Sutschet NJW 2014, 1041). Zu den rechtl Problemen, die aus der sog „Preisvorschlags“-Option herrühren, s Spindler/Nink DRiZ 2007, 193, 195. Der Einsatz eines Bietagenten, obgleich er nach den AGB vieler Internetauktionshäuser verboten ist, führt nicht etwa dazu, dass kein Vertrag zw dem Höchstbietenden und dem Verkäufer zustande kommt. Insoweit muss vielmehr hinsichtl des Rechtsverhältnisses des Käufers zum Verkäufer und desjenigen des Käufers zum Betreiber differenziert werden (NK/Kremer Anh zu § 156 Rn 50). Zu den Problemen des „bid shielding“ und des „shill bidding“ s BGH NJW 2017, 468 Rn 19ff m Anm Pfeiffer NJW 2017, 1437; Frankfurt MMR 2021, 820; Sutschet NJW 2014, 1041. Die Beweislast dafür, dass die Erklärung von demjenigen abgegeben worden ist, dessen login-Daten verwendet wurden, trägt, wer aus der Erklärung Rechte herleiten will. Ein prima-facie-Beweis zugunsten des Vertragspartners scheidet aus (Hamm NJW 2007, 611; Grü/Ellenberger § 156 Rn 3). Die für ein Kfz, das in einer Online-Restwertebörse eingestellt ist, abgegebenen Angebote von potentiellen Käufern sind verbindlich iSv § 145 (Düsseldorf NJW-RR 2008, 617, 618). Besondere Auslegungsprobleme können entstehen, wenn im Rahmen einer Online-Auktion eine Sache kumulativ zu einem Auktionsstartpreis und zu einem – erheblich höheren – „Sofort-Kauf“-Preis angeboten wird. In solchen Fällen besteht das Angebot darin, wahlweise entweder per Auktion zu verkaufen oder zu dem angegebenen „Sofort-Kauf“-Preis. Das Angebot ist nicht obj mehrdeutig, auch dann nicht, wenn der „Sofort-Kauf“-Preis erheblich über dem durch die „Auktion“ erzielten Preis liegt (Köln OLGRp 2007, 565, 566; abw LG Stuttgart NJW-RR 2008, 1592, 1593). Abw Erklärungen, aus denen sich ein fehlender Bindungswille ergibt, sind jedoch auch dann vorrangig, wenn sie gegen die Teilnahmebedingungen verstoßen (LG Darmstadt NJW-RR 2002, 1139 – „Umfrage“). Handelt es sich bei einem Online-Angebot nach Auslegung um eine invitatio ad offerendum, so ist die nach § 312i I Nr 3 (§ 312g I Nr 3 aF) erforderliche Zugangsbestätigung, die lediglich eine Wissenserklärung darstellt, von der uU bereits damit einhergehenden Angebotsannahme iSv § 147 abzugrenzen (BGH NJW 2013, 598 Rn 19; s § 147 Rn 2). Die spezifischen Probleme des Online-Vertragsschlusses stellen sich nicht, wenn ein Mitarbeiter unter Bezugnahme auf den Online-Vertragsschluss diesen schriftlich bestätigt und der Kaufpreis daraufhin gezahlt wird (AG Fürth K&R 2008, 770). 494
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Vertrag
§ 145
Wird im Internet das Herunterladen von Software angeboten, so sind die Grundsätze heranzuziehen, die für das Bereitstellen von Automaten gelten (Rn 8; aA Stadler AT § 19 Rn 5 aE; Ernst NJW-CoR 1997, 165: offerta ad incertas personas). Ein entgeltlicher Vertrag kommt insoweit nicht zustande, wenn der Nutzer nach der Gestaltung der Website davon ausgehen darf, dass kein Entgelt erhoben wird (LG Mannheim MMR 2010, 241). Durch die Nutzung einer Website kommt mangels Rechtsbindungswillens regelmäßig kein Vertrag zwischen dem Nutzer und dem Anbieter der Website zustande (Kreutz ZUM 2018, 162). Das gilt grds auch, wenn der Nutzer der Verarbeitung seiner Daten durch Cookies zustimmt (Gansmeier/Kochendörfer ZfPW 2022, 1, 4f; Schreiber/Nuus RDi 2022, 246, 248ff; aA aber BT-Drs 19/27653, 40). Die Bereitstellung eines Automaten wird verbreitet als Vertragsangebot an jeden angesehen, der die entspr Mün- 8 ze einwirft, unter dem Vorbehalt (§§ 133, 157), dass der Vorrat ausreicht und der Automat technisch funktioniert (Flume II § 35 I, 1 [S 636]; MüKo/Busche Rn 12; Grü/Ellenberger Rn 7; Staudinger/Bork Rn 8). Für den schuldrechtl Vertrag ist es überzeugender, in der Automatenaufstellung nicht eine durch das Vorhandensein der Ware und das Funktionieren des Automaten bedingte offerta ad incertas personas, sondern eine bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten zu sehen. Dann liegt im Einwurf der Münze der (Kauf-)Vertragsantrag, der durch die Herausgabe der Ware angenommen wird (Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag, 1981], 284ff; Faust AT § 3 Rn 4; Medicus/Petersen AT Rn 362). Die Heraus- oder Freigabe der Ware enthält zugleich den Antrag zu ihrer Übereignung. Bei Geldautomaten soll sich das Angebot zur Übereignung der Geldscheine nach verbreiteter Literaturansicht (Staudinger/Bork Rn 8; Grü/Ellenberger Rn 7) nur an den Berechtigten richten. Dem hat sich auch der der BGH angeschlossen (BGHSt 135, 162 = NJW 1988, 979, 980f; NJW 2018, 245 Rn 9; NStZ 2019, 726 Rn 8). Diese Ansicht vermag jedoch inhaltlich nicht zu überzeugen. Legt man den obj Empfängerhorizont zugrunde, so richtet sich das Angebot zur Übereignung an denjenigen, der den Automaten ordnungsgemäß bedient (Huff NJW 1988, 981; Thaeter JA 1988, 547, 548; einschränkend LG Hamburg VuR 2021, 62, 64: nur bei Nutzung als Berechtigter oder mit dessen Einwilligung; aA LG Frankfurt NJW 1998, 3785). Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs fordern idR nicht zur Abgabe von Angeboten auf, 9 sondern machen jedem Interessierten einen Antrag zum Abschluss eines Beförderungsvertrags gem den Beförderungsbedingungen. Diese Bedingungen sehen typischerweise vor, dass der Kunde zunächst einen Fahrschein (oder ein Abonnement) erwirbt. Bereits dadurch kommt ein Vertrag über ein Guthaben zustande, der den Kunden zur Inanspruchnahme von Beförderungsleistungen berechtigt (idR mit einseitigem Leistungsbestimmungsrecht iSv § 315 hinsichtl der konkreten Fahrt oder Fahrten). Davon unabhängig hat die tatsächliche Inanspruchnahme der öffentlich angebotenen Leistung durch Benutzung des Verkehrsmittels, auch wenn ein öffentlich-rechtl Benutzungsverhältnis besteht, nach den Beförderungsbedingungen den Sinn einer Annahme der Realofferte des Verkehrsunternehmens zum Abschluss eines Beförderungsvertrags (Bsp: „Der Abschluss des Beförderungsvertrages erfolgt mit dem Verkehrsunternehmen, dessen Verkehrsmittel der Kunde betritt“). Daher kommt auch mit Schwarzfahrern ein Vertrag zustande (Vor § 145 Rn 42). Die Auslage von Waren in Schaufenstern sowie das Bereithalten zum Verkauf sind nach der Verkehrsanschau- 10 ung nur als Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio, s Rn 4) anzusehen, auch wenn die Waren mit einer Preisauszeichnung versehen sind (BGH NJW 1980, 1388; Flume II § 35 I, 1 [S 636]; Neuner AT § 37 Rn 7; Faust AT § 3 Rn 4; MüKo/Busche Rn 11; Staudinger/Bork Rn 7; aA Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag 1981, 291ff; Wahl, FS Hefermehl, 1976, 1, 6). Unabhängig davon ist die Frage, ob für den Verkäufer ein Kontrahierungszwang (dazu Vor § 145 Rn 27ff) besteht, was namentlich in Notsituationen unter dem Gesichtspunkt der Schadensersatzpflicht nach § 826 im Falle grundloser oder willkürlicher Weigerung zu bejahen ist. Gleiches wie für die Schaufensterauslage gilt für die Auslage im Selbstbedienungsgeschäft. Die Bereitstellung von Waren zur Selbstbedienung ist noch kein Angebot des Verkäufers, sondern soll dem Kunden nur die Auswahl und damit die Entscheidung über sein Angebot erleichtern; dieses wird mit dem Vorzeigen der Waren an der Kasse abgegeben (Dietrich DB 1972, 957ff; Kassing JA 2004, 615, 616; MüKo/Busche Rn 12 [anders noch MüKo/Kramer5 Rn 12]; offenlassend BGHZ 66, 51, 55f = BGH NJW 1976, 712; s ferner BGHZ 124, 39, 43 = BGH NJW 1994, 188). Die Gegenansicht (NK/Schulze Rn 4; Grü/Ellenberger Rn 8; Petersen Jura 2009, 183, 185; G. Schulze AcP 201, 232, 234f; Staudinger/Bork Rn 7) übergeht, dass der Geschäftsinhaber sich – anders als bei Automaten – ersichtlich an der Kasse noch eine Liquiditätsprüfung einzelner Kunden vorbehalten will. Entgegen BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 43 besteht bei Annahme eines Angebots auch ein Haftungsrisiko, etwa im Fall einer Vorreservierung (vgl Dietrich DB 1972, 957, 958). Ein solches Verständnis entspräche überdies nicht dem Interesse des Käufers, der sich bis zum Abschluss des Kassiervorgangs vorbehalten wird, von dem in Aussicht genommenen Vertragsschluss durch Zurücklegen der Ware Abstand zu nehmen (BGH NJW 2011, 2871 Rn 13; Faust AT § 3 Rn 4). Beim Selbstbedienungstanken liegen die Dinge wegen der faktischen Unumkehrbarkeit des Füllvorganges anders: Durch Einfüllen des Treibstoffs nimmt der Kunde ein Angebot des Tankstellenbetreibers an (A. Schmidt, Rechtsfiguren der Selbstbedienung im Zivilrecht, 1985, 96f; Staudinger/Bork Rn 8; so wohl auch BGH NJW 2011, 2871 Rn 13; aA Düsseldorf JR 1982, 343; Herzberg NJW 1984, 896, 897: Angebot durch Kunden, Annahme in der Freigabe der Zapfsäule). Eine andere Frage ist es, ob der Tankkunde mit dem Tankvorgang zugleich unbedingtes Alleineigentum an dem Kraftstoff erlangt. Regelmäßig wird schon deshalb von einem Eigentumsvorbehalt auszugehen sein, weil der Tankstellenbetreiber sein in der Freigabe der Zapfsäule liegendes Übereignungsangebot durch einen deutlichen Hinw entspr eingeschränkt hat. Ob ein Eigentumsvorbehalt auch dann vereinbart ist, wenn der Hinw fehlt, ist str (§ 449 Rn 2ff).
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Rechtsgeschäfte
Bei der Auslage von Waren (zB Zeitungen, Brot, Obst) in Hotels und Gaststätten liegt, sofern die Waren nicht bereits zum Leistungsumfang des Beherbergungs- oder Bewirtungsvertrags gehören, nicht lediglich eine invitatio ad offerendum vor. Vielmehr handelt es sich um einen Antrag zum Abschluss eines Kaufvertrags (Staudinger/Bork Rn 11); die Preisbestimmung steht gem § 316 im Zweifel dem Anbietenden zu. In der Bestellung eines Hotelzimmers liegt im Zweifel bereits ein Angebot (Düsseldorf NJW-RR 1991, 1143, 1144). Der Aufdruck „Pfand“ auf einer Flasche ist ein Angebot des Herstellers an jedermann, die Flasche gegen Zahlung des Pfandbetrags zurückzunehmen (BGH NJW 2007, 2912 Rn 9; NJW-RR 2010, 1432 Rn 15). Entspr gilt für sonstige Verpackungen. 4. Annahme bei invitatio. In Fällen, in denen nur eine invitatio ad offerendum vorliegt, kann die bejahende Antwort des anderen Teils, der die invitatio irrig für einen Antrag hält, zu gültigem Vertragsabschluss führen: Hat der Empfänger des Antwortschreibens den Irrtum erkannt und nicht rechtzeitig aufgeklärt, kann sein Schweigen uU nach Treu und Glauben als stillschw Annahme (§ 151) angesehen werden (vgl auch MüKo/Busche § 147 Rn 9). IV. Umdeutung. Eine unwirksame einseitig rechtsgestaltende Willenserklärung kann gem § 140 in einen entspr Vertragsantrag umgedeutet werden. In Betracht kommt insb die Umdeutung einer unwirksamen Kündigung in einen Antrag auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags (§ 140 Rn 20; RGZ 143, 124, 126; BAG LM § 626 Nr 64 m Anm Westermann) oder die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche (näher MüKo/Hesse Vor § 620 Rn 127f). Dies setzt freilich voraus, dass der Erklärende sich dessen bewusst war, dass seine Erklärung als einseitige unwirksam sein könnte und für diesen Fall gleichsam hilfsweise die Zustimmung des Erklärungsempfängers erforderlich sei (BGH NJW 1981, 43, 44). V. Bindungswirkung. Die regelmäßige Wirkung des Antrags ist die Bindung des Antragenden. Gilt für den ins Auge gefassten Vertrag ein Formgebot, so besteht die Bindungswirkung nur, soweit der Antrag selbst diesem Erfordernis entspricht (MüKo/Busche Rn 28). Er kann den Antrag, nachdem dieser dem Gegner zugegangen ist, nicht widerrufen (§ 130 I 2). Bei öffentlichen Vergabeverfahren können Angebote bis zum Ablauf der festgelegten Frist abgegeben werden, sodass ein Angebot erst mit Fristablauf gem § 145 bindend wird und bis dahin ausgetauscht werden kann (BGH ZfBR 2017, 247 Rn 27). Hat der Antragende ein Angebot abgegeben, sich zur Übereignung einer Sache zu verpflichten, und verfügt er vor Annahme anderweitig über die Sache, kommt für den Annehmenden nach der Annahme vorbehaltlich Rn 16ff ein Anspruch aus § 311a II (anfängliches Unvermögen) auf Schadensersatz statt der Leistung oder (wahlweise) Aufwendungsersatz in Betracht. Dasselbe gilt, wenn die Sache nach erfolgtem Angebot, aber vor Annahme untergeht (anfängliche obj Unmöglichkeit). Verfügt der Antragende nach seinem Angebot, die Sache zu übereignen, anderweitig über sie, so handelt er zum Zeitpunkt der Annahme als Nichtberechtigter. Der Annehmende hat einen Schadensersatzanspruch analog § 160 (Staudinger/Bork Rn 25). Diese Bindungswirkung besteht sowohl für das Hauptangebot als auch für etwaige Nebenangebote (BGH MDR 2011, 776). Auch für den Antragsempfänger können sich aufgrund des durch die Vertragsverhandlungen begründeten Vertrauensverhältnisses gewisse Sorgfaltspflichten für die Behandlung des Antrags ergeben, deren Umfang sich nach § 242 richtet. Dies gilt namentlich, wenn er besondere Vorkehrungen für die Entgegennahme und Weiterbeförderung von Vertragsanträgen getroffen hat. Hierbei kann für Verschulden von Angestellten eine Haftung nach § 278 eintreten (RGZ 107, 240, 242f). Aus der Bindung des Antragenden folgt ferner, dass er bereits in dem Antrag seine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung iSd § 794 I Nr 5 ZPO rechtswirksam erklären kann (RGZ 132, 6, 7f). Auch kann einem anderen ein Optionsrecht auf Erwerb von Grundeigentum rechtswirksam in der Weise eingeräumt werden, dass ihm ein der Formvorschrift des § 311b I 1 entspr Vertragsangebot unter Gewährung einer längeren Annahmefrist gemacht wird (RGZ 169, 65, 71; s auch Vor § 158 Rn 14). Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie ggü den ArbN in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen ArbN typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis kommt es dann nicht an (BAG ArbR 2010, 15; NZA 2021, 347 Rn 50). Ein Antrag des ArbN auf Verringerung und Verteilung seiner Arbeitszeit gem § 8 TzBfG ist auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet, so dass er hieran gebunden ist (BAG NJW 2021, 2675 Rn 19ff). Bei Einräumung eines Optionsrechts mit langer Bindungsdauer ist dem Antragenden nach dem Rechtsgedanken des § 313 dann ein Widerrufsrecht zuzubilligen, wenn sich im Zeitraum nach der Offerte und vor Ausübung des Optionsrechts durch den Akzeptanten Umstände, die zur Geschäftsgrundlage zählen, derart gravierend verändert haben, dass dem Antragenden unter Berücksichtigung der Interessen des Gegners ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist (MüKo/Busche Rn 29). Freilich gilt dies nicht, wenn der Antragende jenes Risiko bei Vertragsschluss ausdrückl oder konkludent übernommen hat. Dies ist insb dann der Fall, wenn er sich für die Einräumung der langen Bindungsdauer ein Entgelt gewähren lässt. Bestimmt der Antragende für seinen Antrag eine Bindungsfrist, so ist dies mit einer von ihm gesetzten Annahmefrist (§ 148) im Zweifel gleichbedeutend (Walter NotBZ 2012, 81). Eine nach Fristablauf erklärte Annahme gilt dann nach § 150 I als neues Angebot. Annahme- und Bindungsfrist können jedoch auch unterschiedlich gestaltet werden. So kann sich der Antragende zB zunächst für zwei Wochen an sein Angebot binden und es anschließend unbegrenzt fortbestehen lassen, sich aber jederzeit den Widerruf vorbehalten (vgl dazu Rn 16). Die Grenze für derartige Gestaltungen bilden im allg Zivilrecht lediglich die §§ 138, 242 (Walter NotBZ 2012, 81, 82). AGB-rechtl verstoßen solche sog unbefristeten Fortgeltungsklauseln allerdings gegen § 308 Nr 1 (vgl zur Annahmefrist § 148 Rn 1).
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Vertrag
§ 145
VI. Ausschluss der Bindung (Hs 2). 1. Ausschluss im Antrag. Eine Bindung an den Antrag tritt nicht ein, wenn der Antragende die Gebundenheit ausgeschlossen hat. Dies kann auch noch nach Abgabe des Antrags geschehen, sofern der Ausschluss spätestens gleichzeitig mit dem Antrag dem Gegner zugeht, § 130 I 2 (RGZ JW 1911, 643, 644; Staudinger/Bork Rn 26). Ob hier noch von einem Antrag im Rechtssinne gesprochen werden kann, hängt davon ab, welche Bedeutung im Einzelfall dem Ausschluss der Gebundenheit beizulegen ist. Will der Antragende seine Gebundenheit schlechthin ausschließen, sich also seine endgültige Entschließung in jedem Falle noch vorbehalten, so liegt in Wahrheit nur eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum; s Rn 4) vor. Der Ausschluss der Gebundenheit kann jedoch auch bedeuten, dass der Antragende sich nur ein Widerrufsrecht vorbehalten will. Dann wird meist anzunehmen sein, dass dem Antragenden das Widerrufsrecht sogar noch nach Zugang der Annahmeerklärung zusteht. Er ist in diesem Fall jedoch gehalten, den Widerruf unverzüglich ggü dem Gegner auszusprechen; sonst ist der Vertrag zustande gekommen (RGZ 102, 227, 229f; Neuner AT § 37 Rn 15; aA Faust AT § 3 Rn 9). Verlangt allerdings der Gegner zugleich mit der Annahme sofortige Lieferung, so genügt ein bloßes Schweigen des Antragenden nicht für das Zustandekommen; vielmehr muss er seinen (Annahme-)Willen durch die sofortige Lieferung betätigen. Andernfalls kann er sich nicht auf das Zustandekommen des Vertrags berufen (RGZ 103, 312, 313). Möglich ist auch, dass dem Antragenden das Widerrufsrecht nur bis zum Zugang der Annahmeerklärung zusteht, so dass dem Gegner vorher ein Widerruf zugegangen sein muss, um den Vertragsschluss zu verhindern. Ferner ist dem Antragenden bei einem auf längere Zeit befristeten Angebot im Zeitraum zw Zugang und Annahme seines Angebots ein unverzüglich auszuübendes Widerrufsrecht zuzubilligen, wenn sich die den Angebotsinhalt betreffenden Umstände unvorhersehbar so wesentlich ändern, dass ihm auch bei Berücksichtigung der Interessen des Gegners die Bindung unzumutbar wird (ähnl Flume II § 35 I, 3d [S 644]; Neuner AT § 37 Rn 14; s auch Düsseldorf NJW-RR 1991, 311: „Kündigung“ eines langfristigen Angebots aus wichtigem Grund; zur Haftung nach § 311a II bei verspätetem Widerspruch s Tettinger ZGS 2006, 452, 453ff). Eine zumutbare Anpassung ist aber vorrangig (arg § 313). Vereinbart werden kann auch die Möglichkeit der Rücknahme eines Widerrufs (BGH NJW-RR 2004, 952, 953 m Anm Keim MittBayNot 2005, 10, 11ff; Ludwig NotBZ 2004, 337). Bei einer Internetauktion ist die durch AGB eingeräumte Möglichkeit, in besonderen Fällen die Auktion vorzeitig zu beenden, als Widerrufsvorbehalt zu werten (BGH NJW 2011, 2643 Rn 17; 2014, 1292 Rn 20; 2015, 1009 Rn 14; Stieper MMR 2015, 627, 629; aA LG Gießen 25.7.2013 – 1 S 128/13; Alexander JR 2015, 289, 295 [anfechtungsähnl Gestaltungsrecht für den Anbieter]; Wagner/Zenger MMR 2013, 343, 346 [Vertragsschluss unter auflösender Bedingung]). Ein Vertrag mit dem zum Zeitpunkt der Angebotsrücknahme Höchstbietenden kommt also nicht zustande]. Umstritten ist dabei, welcher Art die Gründe für einen berechtigten Widerruf sein müssen, wenn die AGB der Auktionsplattform davon sprechen, dass der Antragende zur Rücknahme seines Angebots „gesetzl berechtigt“ sein muss (vgl Oechsler NJW 2015, 665ff). Während eine enge Ansicht davon ausgeht, dass eine solche Berechtigung nur im Falle eines gesetzl Anfechtungsrechts besteht (LG Gießen 25.7.2013 – 1 S 128/13), sind richtigerweise auch andere – insb in den AGB nicht abschließend genannte – Gründe ausreichend (BGH MMR 2014, 232; NJW 2016, 395 Rn 17, 20; krit Kulke NJW 2014, 1293). Dies gilt zB für Beschädigung oder Verlust des Verkaufsobjekts (BGH NJW 2011, 2643 Rn 23 – Abbruch wegen Diebstahls; Hamm MMR 2014, 108, 109 – Abbruch wegen fehlerhafter Mindestpreisangabe; LG Bonn 5.6.2012 – 18 O 314/11; LG Bochum MMR 2013, 443, 444 – Beschädigung/Mangelhaftigkeit des Verkaufsobjekts). Unerheblich ist hingegen die noch ausstehende Dauer der Auktion, selbst wenn diese in den Hinweisen der Auktionsplattform ausdrücklich erwähnt wird. Diese Hinweise betreffen nämlich nur die Abwicklungsmöglichkeit, nicht jedoch die Berechtigung zum Widerruf des Angebots (BGH NJW 2015, 1009 Rn 16ff; Celle MMR 2014, 663, 664f; Hamm MMR 2015, 25, 27; aA AG Darmstadt MMR 2014, 602, 603). Auch wenn die Gründe für den Widerruf in der Person des Bieters liegen, müssen diese von vergleichbarem Gewicht zu den gesetzl Lösungsvorschriften sein (BGH NJW 2016, 395 Rn 20; zust Wagner/Zenger MMR 2016, 28; krit Föhlisch/Stariradeff NJW 2016, 353, 358). Die Möglichkeit des Auktionsabbruchs besteht auch, wenn Leistungshindernisse zwar von Anfang an vorliegen, jedoch erst später bemerkt werden (AG Eschweiler 1.10.2013 – 26 C 111/13). Handelt es sich bei einem solchen Leistungshindernis um einen Mangel an der Kaufsache und nicht um eine Beschädigung von außen, so wird teils vertreten, dass dieser nur in Ausnahmefällen zum Widerruf des Angebots berechtigen soll (Oechsler NJW 2015, 665, 666f; krit auch Kulke NJW 2014, 1293). Dies ist abzulehnen, da insb die in den AGB enthaltenen Widerrufsgründe nicht abschließend sind und jedenfalls ein Irrtum des Anbieters vorliegt (BGH MMR 2014, 323; LG Heidelberg MMR 2015, 176, 178). Kein ausreichender Grund ist aber die Verkaufsreue des Anbieters oder ein Zwischenverkauf der Sache (Stuttgart MMR 2015, 577 Rn 53). Einen Ausschluss der Bindungswirkung kann der Anbieter auch unabhängig von den AGB der Internetplattform erklären, da diese nichts im Verhältnis zum Bieter regeln können (Düsseldorf 11.10.2013 – I-22 U 54/13; vgl Jerger GWR 2015, 114, 117). 2. „Freibleibend“. Vorstehende Grundsätze gelten auch für die Auslegung der Klausel „freibleibend“ und ähnl Klauseln. Nach der Verkehrssitte ist mitunter auch bei dieser Klausel anzunehmen, dass kein Vertragsantrag, sondern nur die Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (s Rn 4) gewollt ist (BGH NJW 1996, 919, 920). Zw der Klausel „freibleibend“ im Antrag und im Vertrag ist zu unterscheiden (Staudinger/Bork Rn 30ff). Im Zweifel wird die Klausel „freibleibend“ im Antrag nicht zum Bestandteil des Vertrags (RGZ 102, 227, 228). Wohl aber können Vorbehalte für einzelne Vertragsbestimmungen Vertragsinhalt werden, zB Preisvorbehaltsklauseln. – Ist die Vorbehaltsklausel dahin auszulegen, dass der Verkäufer zur Abgabe eines neuen Angebots berechtigt sein soll, so bedeutet dies, dass er in dem Augenblick vom Erstvertrag zurückgetreten ist, in dem er dem Armbrüster
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Käufer ein neues Angebot macht (vgl Neuner AT § 37 Rn 15). Ergibt die Auslegung, dass die Klausel „freibleibend entspr unserer Verfügbarkeit“ einen Widerrufsvorbehalt uU noch nach der Annahme des Angebots bedeutet, so muss der Widerruf unverzüglich erfolgen (Rn 16; BGH NJW 1984, 1885, 1886). 3. Beweislast. Den Ausschluss der Gebundenheit im Sinne eines Widerrufsvorbehalts zu beweisen, ist Sache dessen, der sich auf die Ausnahme beruft. Die Rechtzeitigkeit des Widerrufs hat der Antragende zu beweisen, wenn er sich auf den Vorbehalt beruft. Wird geltend gemacht, dass jegliche Gebundenheit ausgeschlossen gewesen sei und nur eine Aufforderung zur Abgabe von Offerten vorgelegen habe, so trifft die Beweislast denjenigen, der die Abgabe eines annahmefähigen Angebots behauptet (Grü/Ellenberger Rn 4; Staudinger/Bork Rn 38). VII. Rechtsstellung des Angebotsempfängers. Die sich aus der Bindung des Antragenden für den Empfänger ergebende Rechtsmacht, den Antrag durch Annahmeerklärung anzunehmen, wird teils als Gestaltungsrecht angesehen (RGZ 132, 6, 7; Celle NJW 1962, 743, 744; Enneccerus/Nipperdey § 161 IV 1 [S 993]; vgl auch Leenen AcP 188, 381, 395). Dagegen spricht, dass die Annahme ein Element des Vertragsschlusses ist (Bötticher, FS Dölle I, 52ff; Staudinger/Bork Rn 34). Praktische Bedeutung kommt dieser Frage kaum zu. – Die Rechtsstellung des Antragsempfängers kann übertragbar (§§ 413, 398) und vererblich (§ 1922 I) sein. Im Zweifel ist jedoch davon auszugehen, dass es nicht im Belieben des Antragsempfängers steht, dem Antragenden einen Dritten als Vertragspartner aufzunötigen. Die Frage der Übertragbarkeit und somit auch der Vererblichkeit (§ 153 Rn 6) ist daher in jedem einzelnen Falle nach §§ 133, 157 zu prüfen (Staudinger/Bork Rn 35). Soweit die Annahmebefugnis übertragbar ist, ist sie nach §§ 857, 851 I ZPO auch pfändbar und nach §§ 1273, 1274 II verpfändbar; zudem kann sie zur Insolvenzmasse gehören (vgl Staudinger/Bork Rn 35). Sie geht dem Antragsempfänger auch dann nicht verloren, wenn durch Gesetzesänderung die Verfügungsbefugnis des Antragenden beschränkt wird; einer Analogie zu § 153 bedarf es nicht (Celle NJW 1962, 743, 745; s auch § 153 Rn 5). Zur schuldhaften Verhinderung des Zugangs der Annahmeerklärung durch den Antragenden s § 147 Rn 21, § 148 Rn 6. VIII. Abbruch von Vertragsverhandlungen. Wer im Verlauf von Vertragsverhandlungen seine Bereitschaft zum Abschluss eines bestimmten Vertrags erklärt hat, darf die Verhandlungen nicht grundlos abbrechen, wenn er zuvor das Vertrauen bei seinem Vertragspartner, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, geweckt oder bestärkt hatte. Bei schuldhaftem Verstoß ist er dem Vertragspartner aus § 280 I, § 311 II, § 241 II (cic) zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet (BGH NJW 1996, 1884, 1885; DStR 2001, 802, 803; Köln 21.7.2014 – 11 U 10/14 Rn 13; eingehend Wertenbruch ZIP 2004, 1525). Allerdings darf durch diese Haftung nicht der Zweck der Formvorschrift des § 311b I 1 unterlaufen werden. Nur bei besonders schwerwiegenden Treueverstößen kommt daher hier eine Pflicht zum Ersatz des Vertrauensschadens in Betracht (BGH aaO: zB Existenzgefährdung). Kein besonders schwerwiegender Treueverstoß liegt darin, wenn der (potentielle) Verkäufer eines Grundstücks sich vor der Beurkundung vorbehält, den Kaufpreis zu erhöhen, ohne dies dem (potentiellen) Käufer mitzuteilen (BGH DNotZ 2018, 279 Rn 10ff). Zudem ist das bei den Vertragsverhandlungen geweckte Vertrauen zeitl nicht unbegrenzt geschützt, denn auch der Vertragspartner muss in angemessener Frist erklären, ob er den Vertrag abschließen will oder nicht (§ 242). Zur Bemessung der Frist sind die §§ 145ff, soweit sie die Wirksamkeit der Annahme betreffen, analog anzuwenden (BGH NJW 1970, 1840, 1841).
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Erlöschen des Antrags
Der Antrag erlischt, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn er nicht diesem gegenüber nach den §§ 147 bis 149 rechtzeitig angenommen wird. I. Grundregeln. § 146 behandelt das Erlöschen des Antrags. Es tritt ein durch Ablehnung oder nicht rechtzeitige Annahme (s §§ 147–149) oder auch – was das Gesetz nicht besonders hervorhebt – durch Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufsrechts (§ 145 Rn 16). Für das Erlöschen des Gebots bei einer Versteigerung gilt die Sondervorschrift des § 156. Einen weiteren Erlöschensgrund enthält § 153 aE. Eine Formunwirksamkeit des Antrags lässt die Möglichkeit des Erlöschens unberührt (BGH ZIP 2016, 2069 Rn 27). Der Normzweck von § 146 liegt darin, den Rechtsverkehr durch zügige Entscheidungen über die Annahme von Anträgen zu fördern (Mot I S 166; BGH NJW 2013, 3434 Rn 22). Die Ablehnung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 130) und ist folglich bis zum Zugang beim Antragenden gem § 130 I 2 widerruflich (MüKo/Busche Rn 3). Sie kann auch konkludent erfolgen; Schweigen genügt allerdings grds nicht. Sie bedarf auch dann keiner Form, wenn Antrag und Annahme formbedürftig sind. Richtet sich ein Antrag an mehrere Adressaten gemeinsam, so ist er bereits dann abgelehnt, wenn ein Adressat ihn ablehnt (BGH MDR 1965, 572; s auch § 150 Rn 3). Der Ablehnung steht eine Annahme mit Änderungen gleich (§ 150 II); ebenso ein Widerspruch (BGH NJW-RR 1994, 1163, 1164). Eine Pflicht zur ausdrückl Ablehnung eines Angebots, das nicht angenommen werden soll, besteht grds nicht. Nur ausnahmsw hat Schweigen die Bedeutung einer Annahme (§ 147 Rn 3). Eine Verletzung der Pflicht aus § 663 führt nicht zur Annahme, sondern löst lediglich einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens aus (§ 663 Rn 7). Die Ablehnung eines Antrags durch einen Minderjährigen bedarf der Einwilligung seines gesetzl Vertreters (MüKo/ Busche Rn 4). Da die durch den Antrag erlangte Rechtsposition (§ 145 Rn 19) durch die Ablehnung zerstört wird, gelten § 107 und § 111. Eine nach Ablauf der Annahmefrist zugegangene Ablehnung ist wirkungslos (BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 3).
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Vertrag
§ 147
Die Anfechtung einer erklärten Ablehnung führt gem § 142 I dazu, dass der Antrag noch angenommen werden 3 kann, es sei denn, er ist aus anderen Gründen (Rn 1) erloschen. Einer Einschränkung des Anfechtungsrechts in Fällen, in denen der Antragende im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Ablehnung über die angebotenen Waren bereits anderweitig verfügt hat (dafür Diederichsen, FS Medicus, 1999, 89, 99), bedarf es nicht. Der Antragende ist durch die Bindungsfrist (§§ 147, 148) und durch § 122 ausreichend geschützt (abw BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 7, wonach in der Annahme entspr § 150 II ein neuer Antrag liegen soll, obwohl der erste Antrag bindend geworden ist). II. Rechtsfolgen des Erlöschens. Das Erlöschen des Antrags bewirkt nicht nur, dass die Gebundenheit iSd 4 § 145 (§ 145 Rn 14) entfällt, sondern auch, dass er nicht mehr angenommen werden kann (vgl BGH NJW-RR 1994, 1163, 1164; NJW 2010, 2873 Rn 15; NJW-RR 2017, 114 Rn 27; MüKo/Busche Rn 6). Der erloschene Antrag ist nicht lediglich widerrufbar, sondern rechtl nicht mehr existent. Eine dennoch erklärte Annahme gilt gem § 150 I als neuer Antrag (vgl nur Düsseldorf 19.7.2011 – 24 U 186/10). Diese Regeln gelten nach dem Normzweck (Rn 1) auch für Angebote, die auf unbestimmte oder bestimmte Zeit gem § 145 Hs 2 nicht binden (BGH NJW 2016, 2173 Rn 21). III. Andere Willenserklärungen. § 146 gilt nur für Vertragsangebote. Die Norm kann auf andere Willens- 5 erklärungen grds nicht angewandt werden. So tritt zB bei einer Beitrittserklärung zu einer Genossenschaft ein Erlöschen nach § 146 nicht ein (RGZ 147, 257, 262).
§ 147
Annahmefrist
(1) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittels Fernsprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemachten Antrag. (2) Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. I. Überblick. § 147 bestimmt den Zeitpunkt, bis zu dem der Antrag angenommen sein muss, wenn der Antra- 1 gende dafür keine Frist festgesetzt hat. Für die Rechtzeitigkeit der Annahme kommt es nicht auf die Abgabe, sondern das Wirksamwerden der Annahmeerklärung an (§ 130). Der Antragende muss Gewissheit über das rechtl Schicksal seines Angebots erlangen können (Staudinger/Bork Rn 8). Im Folgenden wird zunächst auf die Annahme (Rn 2–15) und sodann auf ihre Rechtzeitigkeit (Rn 16–22) eingegangen. II. Annahme. Die Annahme ist ebenso wie der Antrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Ausnah- 2 men von der Empfangsbedürftigkeit sehen die §§ 151, 152 vor (vgl § 151 Rn 1). Zur Form der Annahme gilt das in § 145 Rn 1 für den Antrag Gesagte. Inhaltlich muss die Annahme die uneingeschränkte Zustimmung zum Vertragsantrag zum Ausdruck bringen; anderenfalls gilt sie gem § 150 II als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag (vgl § 150 Rn 3f). Dies kann bei formfreien Erklärungen auch konkludent geschehen, zB durch Bewirken der gewünschten Leistung oder durch sonstige Handlungen entspr dem Antrag (RGZ 129, 109, 113; BGH NJW 1980, 2245, 2246; NJW-RR 2008, 1436 Rn 38, betr Ratenzahlung beim Darlehensvertrag; Düsseldorf NJW-RR 2016, 1073, 1075 betr elektronischen Geschäftsverkehr). Eine wortgetreue Wiederholung des Angebots ist nicht nötig (BGH NJW 2015, 2584 Rn 35 zu einer Gerichtsstandsklausel). Möglich ist auch eine automatisierte Willenserklärung, die aufgrund vorheriger Programmierung abgegeben wird (BGH NJW 2013, 598 Rn 19; Mehrings MMR 1998, 30, 31). Ob ein bestimmtes Verhalten aus der Sicht des Empfängers als Annahme anzusehen ist, ist Auslegungsfrage. Bsp: Nimmt ein Mieter, der nach dem Mietvertrag zum Abschluss eines Wärmeabnahmevertrags mit einem Fernheizwerk verpflichtet ist, bei diesem Wärme ab, so erklärt er dadurch konkludent die Annahme, auch wenn er sich später weigert, das schriftliche Vertragsangebot des Heizwerks zu unterschreiben (Hamburg MDR 1973, 495). Ebenso liegt eine Annahme im umgekehrten Fall vor, wenn also der Versorger an die Verbrauchsstelle liefert (BGH NJW-RR 2011, 409 Rn 12). Mit dem Zugang beim Antragenden, im Falle der §§ 151, 152 mit der Annahme selbst, kommt der Vertrag zustande. Ist ein Handelsmakler von beiden Vertragsparteien ermächtigt, jew die Willenserklärungen der anderen Partei entgegenzunehmen, so kommt der Vertrag mit dem Zugang von Angebot und Annahme zustande (Karlsruhe VersR 1975, 1042). Ein Nachweismaklervertrag kann schon dadurch zustande kommen, dass ein Kaufinteressent in Kenntnis eines eindeutigen Provisionsverlangens die Dienste des Maklers in Anspruch nimmt und der Makler seine Tätigkeit aufnimmt. Eine ausdrückl Annahmeerklärung ist gem § 151 S 1 entbehrlich (BGH NJW 2002, 817; 2002, 1945; NZM 2009, 869 Rn 3). Allerdings setzt sich der Interessent durch dieses tatsächliche Verhalten nicht in Widerspruch zu einer vorhergehenden abl Erklärung (keine protestatio facto contraria; zu ihr s Vor § 145 Rn 43), so dass in diesem Fall kein Vertrag zustande kommt (BGH NJW 2002, 817; NJW 2002, 1945). Die Annahme eines Maklerangebots setzt voraus, dass sich das Verhalten des Erklärenden als Entscheidung zw Leistungsannahme und -ablehnung darstellt (Brandenburg NJW-RR 2009, 1145, 1146). Ein sog Auto-Reply (automatisierte Antwort) ist eine Annahmeerklärung, wenn ihm zu entnehmen ist, dass eine Bestellung ohne weiteres ausgeführt wird (BGH NJW 2013, 599 Rn 19; Frankfurt CR 2003, 450; Düsseldorf MDR 2016, 873, 874; s auch § 145 Rn 7; § 312i Rn 18; Leible/Sosnitza BB 2005, 725f; aA Vogl ITRB 2005, 145, 146f: Auto-Reply spreche dann für bindenden Antrag). Oft wird es sich bei der automatisierten Antwort freilich lediglich um die gesetzl vorgeschriebene Bestellbestätigung iSv § 312i I 1 Nr 3 handeln, durch die der Kunde nur darüber informiert werden soll, dass er Armbrüster
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Rechtsgeschäfte
eine Bestellung mit einem bestimmten Inhalt aufgegeben hat (BGH NJW 2013, 599 Rn 19; Düsseldorf MDR 2016, 873, 874). Die Erklärung dient dann allein seinem Schutz. III. Schweigen. Das bloße Schweigen auf einen Vertragsantrag ist grds keine konkludente Annahme (allg Vor § 116 Rn 8ff). Für einige Fälle bestimmt das Gesetz jedoch, dass Schweigen Annahme bedeutet (vgl § 516 II 2; § 362 I 1 Hs 2 HGB; § 5 III 1 PflVG) oder eine Schadensersatzpflicht begründet (§ 663; § 44 BRAO). Auch kann das Schweigen eine Annahmeerklärung sein, wenn es aufgrund einer Vereinbarung der Parteien diese Bedeutung haben soll (sog „beredtes Schweigen“; Ebert JuS 1999, 754, 756; Hellgardt AcP 213, 761, 777ff; Kramer Jura 1984, 235; Wiese VuR 2008, 161, 164; vgl aber § 308 Nr 5). Zudem steht das Schweigen einer Annahme gleich, wenn der Antragende eine ausdrückl Ablehnung erwarten durfte. Grds besteht freilich keine Pflicht zu einer solchen Ablehnung (§ 146 Rn 2). Eine ausdrückl Ablehnung kann der Antragende jedoch gem § 242 idR dann erwarten, wenn zw den Parteien, ähnl wie dies § 362 HGB voraussetzt, bereits vor Vertragsschluss eine geschäftliche Beziehung besteht. Hierher gehört etwa der Fall einer langjährigen Geschäftsbeziehung mit einer Bank, so dass von dieser ein Widerspruch gem § 242 erwartet werden kann (LG Potsdam WM 2011, 71, 73), oder das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als Außendienstmitarbeiter (LAG Rh-Pf 14.7.2015 – 6 Sa 409/14 Rn 28ff). Gleiches gilt, wenn zu allen wesentlichen Punkten Vorverhandlungen geführt worden sind (BGH NJW 1995, 1281), wenn der Antragende lediglich auf eine invitatio ad offerendum (§ 145 Rn 4) des Empfängers reagiert, sofern die invitatio inhaltlich mit dem darauffolgenden Angebot übereinstimmt (§ 145 Rn 12), sowie bei einer verspäteten Annahme iSd § 150 I (außer bei erkennbarem Sinneswandel oder bei besonders bedeutsamen, insb beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften; § 150 Rn 1). Eine stillschw Annahme liegt regelmäßig auch dann vor, wenn das Angebot für den Empfänger lediglich rechtl vorteilhaft ist (aA MüKo/Busche Rn 8: allein darauf könne es nicht ankommen). Bei einer laufenden Geschäftsverbindung kann sich die Übung bilden, dass schon das Schweigen auf Anträge zum Vertragsschluss führt (vgl RGZ 84, 320, 325). Dies gilt jedoch nur für gewöhnliche Geschäfte des (Handels-)Verkehrs; bei ungewöhnlichen Geschäften wird man das Schweigen regelmäßig nicht als Annahme werten können (BGH WM 1979, 437, 438 für einen nachteiligen Forderungsaustausch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen; NJW-RR 1994, 1163, 1165 für eine Neufestsetzung des Erbbauzinses nach Verkauf des Areals). Auch kann dem Schweigen ausnahmsw die Bedeutung einer Annahme zukommen, wenn nach den Vorverhandlungen Einigkeit über die wesentlichen Punkte des Vertrags bestanden hat (BGH NJW 1995, 1281; krit Scheffler NJW 1995, 3166, 3167; Schultz MDR 1995, 1187, 1188) und beide Parteien fest mit einem Vertragsschluss gerechnet haben (BGH NJW 1996, 919, 920). Besteht ein Kontrahierungszwang, so ist dem Schweigen gleichfalls der Wert einer Annahmeerklärung beizumessen (vgl Vor § 145 Rn 31; OGH NJW 1950, 24). Schweigen auf eine Auftragsbestätigung kann zum Vertragsschluss führen, wenn Vorverhandlungen mit einer namensähnl Schwestergesellschaft stattgefunden haben (BGH WM 1986, 527f). Der Versicherer, der sich meist eine längere Frist zur Prüfung des Versicherungsantrags ausbedingt, erklärt idR die Annahme des Antrags schriftlich, zB durch Übersendung des Versicherungsscheins. Die bloße Entgegennahme einer vom Versicherungsnehmer unaufgefordert gezahlten Erstprämie durch den Versicherer oder seinen Agenten ist noch nicht als konkludente Antragsannahme zu werten (BGH NJW 1976, 289, 290). IV. Zusendung unbestellter Waren. Bei Zusendung unbestellter Waren durch einen Unternehmer an einen Verbraucher folgt aus § 241a I, dass ein Anspruch gegen den Verbraucher dadurch nicht begründet wird; damit wird zugleich seinem Schweigen kein Erklärungswert beigemessen. Aber auch im Verkehr zw Unternehmern, für den § 241a I nicht gilt, bedeutet das Schweigen des Empfängers grds keine Annahme des in der Zusendung liegenden Kaufantrags (Köln NJW 1995, 3128, 3129). Dies gilt selbst dann, wenn der Antragende für die Rücksendung eine Frist gesetzt hat mit dem Hinw, dass er nach deren ergebnislosem Ablauf die Ware als angenommen betrachte. Anders kann es sein, wenn zw zwei Unternehmern eine dauernde Geschäftsverbindung besteht oder einem Kaufmann zusammen mit bestellten Waren unbestellte zugehen (MüKo/Busche § 145 Rn 26; vgl Staudinger/Bork § 146 Rn 12). Liegen solche Voraussetzungen nicht vor, kommt regelmäßig auch kein Verwahrungs- oder Besichtigungsvertrag zustande, da der Wille der Beteiligten nicht auf Abschluss eines solchen Vertrags gerichtet ist. Eine positive Verwahrungspflicht ist nur in § 362 II und § 379 HGB vorgesehen. Auch greifen die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses nicht ein. Wohl aber kann der Empfänger (außerhalb von § 241a) nach § 823 haften, jedoch beschränkt sich die Haftung analog § 300 auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (Staudinger/Bork § 146 Rn 16; Weimar JR 1967, 417, 418; aA Schwung JuS 1985, 449, 452: Risikoverteilung gem § 254 I). – Annahmewille: Bringt der Empfänger zum Ausdruck, dass er die Ware endgültig behalten will (zB durch Anbrechen einer Warensendung), ist zu differenzieren: Im Anwendungsbereich von § 241a I ist für einen Vertragsschluss nach § 151 S 1 kein Raum; eine konkludente Annahme durch Ingebrauchnahme etc. scheidet aus (str; näher § 241a Rn 15). Geht es hingegen nicht um Leistungen, die ein Unternehmer einem Verbraucher erbringt, kommt der Vertrag zustande, ohne dass es eines Zugangs der Annahmeerklärung bedarf (§ 151 S 1). V. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben. 1. Grundlagen. Die Frage, ob Schweigen als Annahme gewertet werden kann, ist von besonderer Bedeutung bei einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben. Durch dieses wird ein bereits zustande gekommener oder zumindest nach der Auffassung des redlichen Bestätigenden rechtswirksam abgeschlossener Vertrag vorwiegend zu Beweiszwecken inhaltlich festgelegt und uU lediglich in noch regelungsbedürftigen Nebenpunkten ergänzt (BGHZ 54, 236, 239 = BGH NJW 1970, 2021; BGHZ 61, 282, 285 = BGH NJW 1973, 2106; Düsseldorf NJW-RR 1996, 622f). Die Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben hat sich aus einem Handelsbrauch entwickelt (vgl BGHZ 40, 42, 46 = BGH NJW 1963, 1922; 1975, 1358f) und gehört inzwischen als Gewohnheitsrecht dem obj Recht an (BGH NJW 2011, 1965 Rn 22; K. Schmidt 500
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Vertrag
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HandelsR6 § 19 Rn 67 [S 692f]; v Dücker BB 1996, 3). Sie dient der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs, also obj Verkehrsschutzinteressen (Deckert JuS 1998, 121; K. Schmidt HandelsR6 § 19 Rn 69 [S 694]). Das vornehmlich unter Kaufleuten (s aber Rn 6) übliche Bestätigungsschreiben ist in erster Linie eine Beweisurkunde, der die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit zur Seite steht (BGHZ 67, 378, 381 = BGH NJW 1977, 270; WM 1986, 168, 169; Thamm/Detzer DB 1997, 213, 214). Der Nachw weiterer, über den Inhalt des Bestätigungsschreibens hinausgehender Vereinbarungen bleibt möglich (BGHZ 67, 378, 381 = BGH NJW 1977, 270). Aus dem grds deklaratorischen Charakter des Bestätigungsschreibens (s aber Rn 11 zum konstitutiven Bestätigungsschreiben) folgt, dass ein gültiger Vertrag idR auch dann zustande gekommen ist, wenn es an einer Bestätigung fehlt (BGH NJW 1964, 1269, 1270). Die Parteien können jedoch vereinbaren, dass das Bestätigungsschreiben konstitutiv wirkt (§ 154 Rn 10). 2. Nichtkaufleute. Die Grundsätze vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben haben sich zwar unter Kauf- 6 leuten gebildet (Rn 5), können aber auch unter Nichtkaufleuten anwendbar sein. Es ist dabei zw Empfänger und Absender zu differenzieren. Empfänger kann jeder sein, der ähnl einem Kaufmann in größerem Umfang am Geschäftsleben teilnimmt, so dass von ihm erwartet werden kann, dass er nach kaufmännischer Übung verfährt (BGHZ 40, 42, 43f = BGH NJW 1963, 1922, 1923; 1987, 1940, 1941; 2011, 1965 Rn 23). Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger des Bestätigungsschreibens oder die für ihn handelnden Personen den Gewohnheitsrechtssatz kennen oder kennen müssen, wie es meist bei Behörden (BGH NJW 1964, 1223f) oder bei Rechtsanwälten der Fall ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verkehrserwartung eine unverzügliche Reaktion erfordert (vgl BGH NJW 1975, 1358, 1359; K. Schmidt HandelsR6 § 19 Rn 73 [S 696]). Dies kann außer bei Kaufleuten iSd § 1 I HGB vor allem bei Kleingewerbetreibenden iSd § 1 II HGB der Fall sein (bejaht von BGHZ 11, 1, 3 = BGH NJW 1954, 105 für einen Schrotthändler; verneint von Frankfurt MDR 1966, 512 für einen Kleinsthandwerker). Daneben sind die Grundsätze auf Personen anwendbar, die – ohne Gewerbetreibende zu sein – als Unternehmer in größerem Umfang am Geschäftsleben teilnehmen. Bsp: Architekt (BGH WM 1973, 1376); Bauingenieur (Brandenburg IBR 2009, 721); Makler und Architekt (Düsseldorf NJW-RR 1995, 501, 502); Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter (zum Konkursverwalter BGH NJW 1976, 1402; 1987, 1940, 1941; zust K. Schmidt NJW 1987, 1905, 1909). Eine Grundstücks-GbR kann Empfängerin sein, wenn sie ein Bauvorhaben gewerblichen Ausmaßes betreut (Brandenburg IBR 2009, 721). Nicht anwendbar sind die Grundsätze zB auf einen Legationsrat (BGH WM 1981, 334, 335) oder einen Bankdirektor im privaten Bereich (Düsseldorf MDR 1981, 1022, 1023). Auch Behörden kommen im fiskalischen Tätigkeitsbereich trotz Geschäftstätigkeit in größerem Umfang mangels entspr Verkehrserwartung regelmäßig nicht als Empfänger eines Bestätigungsschreibens in Frage (vgl BGH NJW 1964, 1223f). Anders ist dies bei einer erwerbswirtschaftl Betätigung der öffentlichen Hand. Der Absender eines Bestätigungsschreibens muss grds Unternehmer sein. Dies sind zunächst alle Personen, die 7 auch als Empfänger eines Bestätigungsschreibens in Betracht kommen (Rn 6). Dabei wird man kleinere Gewerbetreibende und Freiberufler stets als taugliche Absender ansehen können. Versendet dagegen eine Privatperson ein Bestätigungsschreiben, so besteht grds keine Verkehrserwartung dahin, dass der Empfänger zur Vermeidung einer Rechtsfolge unverzüglich zu reagieren hat (BGHZ 40, 42, 43f = BGH NJW 1963, 1922; 1975, 1358, 1359: Regulierungsverhandlungen zw dem anwaltlich vertretenen Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer des Schädigers; Deckert JuS 1998, 121, 122; MüKo-HGB/Maultzsch § 346 Rn 154; aA Canaris HandelsR § 25 Rn 45; Hopt AcP 183, 608, 692; Flume II § 36, 2 [S 663]). 3. Inhalt. In dem Bestätigungsschreiben muss das Ergebnis der vorausgegangenen Vertragsverhandlungen 8 verbindlich festgelegt werden (BGHZ 54, 236, 239f = BGH NJW 1970, 2021; 2011, 1965 Rn 23). In welcher Form die Vorverhandlungen stattgefunden haben, ist nicht entscheidend (vgl Düsseldorf NJW-RR 1991, 374: mündlich, fernmündlich, fernschriftlich, telegrafisch oder per Fax). Erforderlich ist lediglich, dass die Verhandlungen über ein völlig unverbindliches Vorgespräch hinaus gegangen sind (MüKo-HGB/Maultzsch § 346 Rn 161) und nicht alle Vereinbarungen schriftlich fixiert wurden (Hamm DB 1968, 795; Deckert JuS 1998, 121, 122f; v Dücker BB 1996, 3, 4; vgl aber BGH JZ 1971, 134, 135 m abl Anm Lieb, wonach derjenige, der eine schriftliche Offerte mündlich annimmt, den Vertragsschluss durch ein Bestätigungsschreiben bestätigen können soll; ähnl BGHZ 54, 236, 240 = BGH NJW 1970, 2021 für einen Fall des § 150 II). Der behauptete Vertrag muss als endgültig geschlossen bestätigt werden, da der Bestätigende sonst das Schweigen des Empfängers nicht als Zustimmung auffassen kann (BGH NJW 1964, 1223, 1224; 1972, 820). Das Schreiben muss den Vertragsschluss zwar nicht wörtlich enthalten, wohl aber das Ergebnis der Verhandlungen ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergeben (BGH LM § 346 (Ea) HGB Nr 8/9). Nicht erforderlich ist, dass das Schreiben die vorausgegangenen Vertragsverhandlungen ausdrückl erwähnt oder in Bezug nimmt (BGHZ 54, 236, 239 = BGH NJW 1970, 2021). Kommen für den Empfänger erkennbar nur wenige Personen als Verhandlungspartner in Frage, so müssen in dem Schreiben auch die an der Verhandlung beteiligten Personen nicht angegeben werden (BGH WM 1975, 324, 325). Ein als „Auftragsbestätigung“ bezeichnetes Schreiben kann seinem Inhalt nach ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben sein (BGHZ 54, 236, 239 = BGH NJW 1970, 2021). Dasselbe gilt für ein Schreiben, mit dem ein geschlossener Vertrag in Kopie übersandt und eine zusätzl getroffene Abrede festgehalten wird (Düsseldorf NJW-RR 1997, 211, 212) oder ein Protokoll, in dem eine Verhandlung nach dem Vertragsschluss festgehalten wird (BGH NZBau 2011, 303 Rn 24). Hingegen können Schreiben, die hinsichtl der zu bestätigenden Abreden nicht eindeutig gefasst sind, nicht als Bestätigungsschreiben angesehen werden. Dies ist der Fall, wenn ein Schreiben nur die Schilderung eines historischen Vorgangs (BGH BB 1963, 918) oder Angaben in unüblicher Form am Rand oder auf der Rückseite enthält (RG JW 1932, 1465). Dasselbe gilt, wenn ein Nachtrag ausdrückl noch mit einer Armbrüster
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Rechtsgeschäfte
Unterschrift versehen werden soll, da dadurch deutlich wird, dass die Regelungen noch nicht als verbindlich angesehen wurden (Zweibrücken 22.12.2011 – 4 U 7/11). Verlangt der Absender des Bestätigungsschreibens eine Gegenbestätigung, so ist, wenn sie ausbleibt, das Schweigen des anderen Teils nicht ohne weiteres als Einverständnis zu werten; erforderlich ist eine Einzelfallprüfung (BGH NJW-RR 2007, 325 Rn 27). Das Bestätigungsschreiben muss zeitl im unmittelbaren Anschluss an die Vertragsverhandlungen abgeschickt werden, so dass der Empfänger mit seinem Eintreffen rechnen kann (BGH NJW 1964, 1223, 1224; WM 1967, 958, 960). Ferner muss das Bestätigungsschreiben als Rechtshandlung dem Empfänger analog § 130 zugegangen sein. Dies bedeutet, dass ihm die Kenntnisnahme des Schreibens möglich gewesen sein muss (BGHZ 70, 232, 234 = BGH NJW 1978, 886; s auch BGH NJW 1990, 386 – Übersendung „zu Händen“ des vollmachtlosen Vertreters); er braucht jedoch nicht tatsächlich Kenntnis genommen zu haben (BGHZ 20, 149, 152 = BGH NJW 1956, 869; allg § 130 Rn 8). Eine festumgrenzte Frist für den Zugang eines Bestätigungsschreibens nach einer Vertragsverhandlung gibt es nicht (BGH WM 1975, 324, 325: zwei Tage können noch unbedenklich sein; München BB 1995, 172: nahezu drei Wochen sind zu lang). Für den Zugang eines ordnungsgemäß verfassten Bestätigungsschreibens (vgl Rn 8) und den Zeitpunkt des Zugangs ist der Bestätigende beweispflichtig (BGHZ 70, 232, 234 = BGH NJW 1978, 886). Haben keine Vertragsverhandlungen stattgefunden, so kann der Absender eines Bestätigungsschreibens nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen, wenn dieser nicht widerspricht (BGH NJW 1974, 991, 992; 1990, 386). Hier weiß der Bestätigende, dass ein Vertrag noch nicht zustande gekommen ist. Ebenso liegt es bei einer modifizierten Auftragsbestätigung, die erst einen Vertragsschluss herbeiführen soll und nicht einen geschlossenen Vertrag bestätigt (st Rspr; BGHZ 18, 212, 216 = BGH NJW 1955, 1794; Rn 15; § 150 Rn 7). Nicht erforderlich ist es dagegen, dass die erfolgten Vertragsverhandlungen den Empfänger rechtswirksam verpflichtet haben (Rn 11). Enthält ein deklaratorisches Bestätigungsschreiben Abweichungen vom vereinbarten Vertragsinhalt, so kann der Bestätigende nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte davon ausgehen, dass der bereits vertragl gebundene Empfänger unverzüglich widerspricht, wenn er mit dem Inhalt nicht einverstanden ist. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, so muss er sein Schweigen als Zustimmung gegen sich gelten lassen (st Rspr; BGHZ 18, 212, 216 = BGH NJW 1955, 1794; 2007, 987 Rn 21). Das gilt auch, wenn der Bestätigende einen in Wahrheit noch gar nicht zustande gekommenen Vertrag bestätigt hat, den er gutgläubig als wirksam zustande gekommen angesehen hatte. So etwa, weil er irrtümlich der Meinung war, sein Agent habe bereits einen Vertrag abgeschlossen, oder auch, wenn die vorausgegangene Abrede von einem hierzu nicht oder nicht allein befugten Vertreter getroffen war (BGHZ 20, 149, 153 = BGH NJW 1956, 869; 2007, 987 Rn 21). Hier ist das Bestätigungsschreiben konstitutiv; es hat die Wirkung eines Vertragsantrags, dessen Annahme aus dem Schweigen des Empfängers gefolgert wird (vgl BGH NJW 1964, 1951, 1952; 1965, 965, 966). 4. Redlichkeit des Absenders. Die normative Wirkung des Schweigens setzt voraus, dass der Bestätigende das Schweigen des Empfängers nach Treu und Glauben als Einverständnis mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens auffassen konnte. Nur dann ist der Verkehrsschutz gerechtfertigt. Die Wirkung tritt daher nicht ein, wenn der Empfänger dem Bestätigenden ggü den Abschluss des Vertrags von seiner schriftlichen Annahmeerklärung abhängig gemacht hat (BGH WM 1970, 1314f). Bei bewusst falscher Bestätigung des wesentlichen Teils der Verhandlungen gilt das Schweigen auch für den zutr bestätigten Teil nicht als Zustimmung (BGH WM 1967, 958, 960). Bestätigt ein Vertreter des Absenders, der die Verhandlungen geführt hat, bewusst unrichtig, so muss sich dieser dessen Kenntnis zurechnen lassen (BGHZ 40, 42, 46 = BGH NJW 1963, 1922: Rechtsgedanke des § 166 I; anders dann, wenn der Empfänger Auslöser des Missverständnisses war, vgl RGZ 129, 347, 349; BGHZ 11, 1, 4 = BGH NJW 1954, 105). Ein Verkehrsschutz ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Inhalt des Bestätigungsschreibens sich von dem vorher Abgesprochenen so weit entfernt, dass der Bestätigende vernünftigerweise nicht mit einer widerspruchslosen Hinnahme durch den Empfänger rechnen und daher auch nach Treu und Glauben sein Schweigen nicht als Einverständnis ansehen konnte (BGHZ 7, 187, 190 = BGH NJW 1952, 1369; NJW-RR 2001, 680f; NJW 2011, 1965 Rn 23; v Dücker BB 1996, 3, 8; MüKo-HGB/Maultzsch § 346 Rn 162). Das ist etwa der Fall, wenn das Bestätigungsschreiben Änderungen enthält, die das Vereinbarte in sein Gegenteil verkehren oder dem Empfänger unzumutbar sind (zB BGHZ 93, 338, 343 = BGH NJW 1985, 1333: allg und umfassender Gewährleistungsausschluss ggü einer vorangegangenen Eigenschaftszusicherung). Ergänzungen des Vertragsinhalts in Nebenpunkten und Richtigstellungen, mit denen der Empfänger rechnen muss, sind ihm jedoch zuzumuten. Sie entsprechen dem Zweck eines Bestätigungsschreibens und begründen die Obliegenheit zum Widerspruch (zB BGH NJW 1968, 889 – Vorbehalt termingerechter Selbstbelieferung; DB 1970, 1777, 1778; Beschränkung der Mängelhaftung auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung]). Auch bei nachträgl Bezugnahme auf die AGB des Bestätigenden gelten diese, wenn der Empfänger nicht widerspricht (BGH NJW 1982, 1751; UBH/ Habersack § 305 Rn 178). Erforderlich ist hierfür allerdings, dass der Empfänger mit der Geltung von AGB rechnen musste, ihr Inhalt nicht erheblich vom dispositiven Recht abweicht und sie für den Empfänger nach Lage des Falles zumutbar sind (UBH/Habersack § 305 Rn 179). Zur Problematik sich kreuzender Bestätigungsschreiben s § 150 Rn 9. 5. Widerspruch des Empfängers. Der Widerspruch gegen das Bestätigungsschreiben muss im Interesse der Sicherheit des Geschäftsverkehrs unverzüglich (§ 121 I: „ohne schuldhaftes Zögern“) erfolgen (BGH LM § 346 (D) HGB Nr 7b; NJW 1962, 246, 247; im Ansatz aA BeckOGK/Möslein § 146 Rn 58: Umkehrschluss aus § 147 II: „unter regelmäßigen Umständen“). Die Länge der Überlegungsfrist hängt vom Einzelfall ab. Ein Wider502
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Vertrag
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spruch nach drei Tagen kann noch rechtzeitig sein (BGH NJW 1962, 246, 247); nach acht Tagen ist er verspätet (BGH LM § 346 (Ea) HGB Nr 5, 10; s auch BGH NJW 1987, 1940, 1941: 13 Tage Bedenkzeit sind zu lang). Im Streitfall hat der Empfänger des Bestätigungsschreibens zu beweisen, dass er rechtzeitig widersprochen hat (RGZ 114, 282, 283; BGH NJW 1962, 104). Da die Obliegenheit zum Widerspruch im Zeitpunkt des Zugangs entsteht (BGHZ 20, 149, 152 = BGH NJW 1956, 869), kann die Fiktion des Einverständnisses schon gelten, wenn der Empfänger erst nach Rückkehr von einer Reise widerspricht (RGZ 105, 389f) oder wenn das Bestätigungsschreiben im Betrieb des Empfängers nach Zugang unterschlagen wird (BGHZ 20, 149, 152 = BGH NJW 1956, 869). Zum Widerspruch gegen die Bestätigung bei fernmündlichen Abmachungen s BGH NJW 1962, 104. 6. Anfechtbarkeit. Ob und inwieweit der Empfänger, der dem Bestätigungsschreiben nicht unverzüglich widersprochen hat, wegen Irrtums anfechten kann, ist str. Da die Rechtswirkung des Bestätigungsschreibens bei Schweigen des Empfängers auf einem Gewohnheitsrechtssatz beruht (Rn 5) und daher unabhängig vom Willen des Empfängers eintritt, kann der Empfänger eine Anfechtung nicht darauf stützen, dass er sich über die rechtl Bedeutung seines Schweigens geirrt habe (BGHZ 11, 1, 5 = BGH NJW 1954, 105; 1972, 45; v Dücker BB 1996, 3, 8). Für ein Anfechtungsrecht ist erst Raum, wenn feststeht, dass der Empfänger durch sein Schweigen bewusst die Zustimmung zum Inhalt des Bestätigungsschreibens zum Ausdruck bringen wollte. Nur dann ist ein Irrtum für sein Schweigen kausal, so zB, wenn er geschwiegen hat, weil er den Inhalt des Bestätigungsschreibens missverstanden hat. Unter dieser Voraussetzung ist eine Anfechtung wegen Irrtums entspr § 119 zuzulassen, sofern dies nicht dem Sinn der Geltung des Bestätigungsschreibens bei Schweigen des Empfängers widerspricht (BGH NJW 1972, 45; Diederichsen JuS 1966, 129, 137; Flume II § 36, 7, 667f; MüKo-HGB/Maultzsch § 346 Rn 181f). 7. Abgrenzungen. Im kaufmännischen Verkehr wird vielfach auch dort von einem Bestätigungsschreiben gesprochen, wo es sich in Wahrheit um die schriftliche Annahme eines Vertragsantrags handelt. Das gilt besonders für sog „Auftragsbestätigungen“, in denen nicht das Ergebnis vorausgegangener Vertragsverhandlungen mitgeteilt, sondern ein Antrag, zB eine Bestellung, in der Form einer Bestätigung angenommen wird (Canaris HandelsR § 25 Rn 49f). Durch eine derartige Mitteilung wird nicht wie bei einem Bestätigungsschreiben ein geschlossener Vertrag bestätigt, sondern erst ein Vertragsschluss herbeigeführt. Für eine solche in die Form einer Bestätigung gekleidete Annahmeerklärung gelten die allg Vorschriften (BGHZ 18, 212, 215f = BGH NJW 1955, 1794; DB 1977, 1311, 1312; Deckert JuS 1998, 121, 123). Davon zu unterscheiden sind die Regeln über das kaufmännische Bestätigungsschreiben (dazu Rn 5ff). VI. Rechtzeitigkeit der Annahme. 1. Anwesende (Abs I). Für die Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem ein Vertragsantrag mangels Fristsetzung (§ 148) angenommen sein muss, unterscheidet das Gesetz zw dem Antrag an einen Anwesenden (Abs I) und dem an einen Abwesenden (Abs II). Anwesend iSd Abs I sind alle Personen, mit denen der Antragende in unmittelbaren Kontakt treten kann. Eine physische Präsenz ist nicht erforderlich (Neuner § 37 Rn 17). Vielmehr genügt eine Verbindung mittels Telekommunikationsmitteln, die eine unmittelbare Verständigung von Person zu Person ermöglichen. Hierzu gehören als technische Einrichtungen iSv Abs I S 2 auch Videokonferenzen und Internet-Chatforen (Neuner § 37 Rn 17; Taupitz/Kritter JuS 1999, 839, 841; aA bzgl Chat Dörner AcP 202, 363, 375f: es gelte insoweit Abs II). Bei Instant-Messaging-Diensten (zB WhatsApp) hängt die Bewertung von der spezifischen Kommunikationssituation ab (BeckOGK/Möslein Rn 23). Ein mittels E-Mail oder SMS übermittelter Antrag ist hingegen als Antrag an einen Abwesenden zu behandeln (BGH ZIP 2022, 2301 Rn 16 (betr E-Mail); MüKo/Busche Rn 31; Ernst NJW-CoR 1997, 165, 166; Taupitz/Kritter JuS 1999, 839, 841). Auch ein Antrag per Telefax fällt unter Abs II und muss daher nicht sofort angenommen werden (Staudinger/Bork Rn 4). Ein schriftlich dem Antragsempfänger überreichter und belassener Antrag braucht idR nicht nach Abs I sofort und mündlich angenommen zu werden; er ist als Antrag unter Abwesenden zu behandeln (RGZ 83, 104, 106; BGH WM 1963, 214; NJW 1985, 196, 197; aA grds Flume II § 35 I 2 [S 638]; s auch Strobel JuS 2021, 626, 627: Antrag unter Anwesenden, bei dem häufig konkludent eine Annahmefrist nach § 148 eingeräumt wird). Dies schließt nicht aus, dass im Einzelfall ein dem Empfänger überreichter schriftlicher Antrag nur sofort und auch durch mündliche Erklärung angenommen werden kann (BGH BB 1963, 160; Staudinger/Bork Rn 14); bei einem persönlich übergebenen schriftlichen Antrag ist somit nicht stets die Frist des Abs II anzuwenden. Um einen Antrag unter Anwesenden handelt es sich bei einer mündlichen oder fernmündlichen Abgabe des Angebots durch oder an einen Stellvertreter (mit oder ohne Vertretungsmacht: BGH NJW 1996, 1062, 1064; MüKo/Busche Rn 30; Strobel JuS 2021, 626, 628f; teils aA Staudinger/Bork Rn 3: bei fehlender Vertretungsmacht sei dies eine Erklärung unter Abwesenden), nicht jedoch bei Übermittlung durch einen Boten. Bei mehrseitigen Verträgen (Vor § 145 Rn 2) kommt es für die Bestimmung des Zeitpunkts regelmäßig darauf an, wann unter regelmäßigen Umständen mit der letzten erforderlichen Antwort gerechnet werden darf (BeckOGK/Möslein Rn 13). Die Annahme kann nur sofort erfolgen. „Sofort“ ist zwar schneller als „unverzüglich“ (dazu § 121 Rn 3), verlangt aber einen Zeitraum, der dem Antragsempfänger ermöglicht, Inhalt und Folgen des Geschäfts zu erfassen. Das Erfordernis sofortiger Annahme hat zur Folge, dass auch unverschuldetes Zögern einer wirksamen Annahme entgegensteht. Die Unterbrechung eines Ferngesprächs hindert daher die Annahme (RGZ 104, 235, 236). Hat der Antragende jedoch das Ferngespräch willkürlich unterbrochen, so ist die Annahme rechtzeitig, wenn der Antragsgegner in einem sofort von ihm bewirkten neuen Ferngespräch die Annahme erklärt (Rn 21; Flume II § 35 I 2 [S 638]; MüKo/Busche Rn 31). Widerspricht der Antragende einer vom Empfänger erbetenen Überlegungsfrist nicht, so ist darin eine Fristverlängerung iSv § 148 zu sehen (MüKo/Busche Rn 33). Zudem kann sich eine Fristverlängerung aus den Umständen ergeben (Rn 22). Armbrüster
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2. Abwesende (Abs II). a) Überblick. Der einem Abwesenden gemachte Antrag bleibt gem Abs II nur bis zu dem Zeitpunkt annahmefähig, zu dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Dieser Zeitpunkt ist nach obj Maßstäben zu ermitteln (BGH NJW 1999, 2179, 2180; BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 20); es kommt nicht darauf an, ob der Antragende den Eingang einer Antwort tatsächlich noch erwartet hat (BGH LM § 147 Nr 1). Die Frist beginnt bereits mit der Abgabe bzw Beurkundung des Antrags und nicht erst mit dessen Zugang beim Empfänger (s nur BGH NJW 2010, 2783 Rn 11; NJW-RR 2010, 1127 Rn 20; Düsseldorf GRUR-RR 2016, 259 Rn 36; MüKo/Busche Rn 35; Müller/Klühs RNotZ 2013, 81, 82 Fn 17; Kanzleiter DNotZ 2012, 837 Fn 1; unzutr daher BGH NJW 2012, 2793 Rn 6 [Fristbeginn bei Zugang]). Im kaufmännischen Verkehr sind die Verkehrsanschauungen der beteiligten Wirtschaftskreise zu berücksichtigen (vgl allg Soergel/Riesenhuber Rn 20). Anhaltspunkte für die Fristlänge bietet insb die Rspr zu nach § 308 Nr 1 unwirksamen klauselmäßigen Fristen, da dann Abs II über § 306 II gilt (s auch § 148 Rn 1). Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Annahme trägt derjenige, der aus dem Vertragsschluss Rechtsfolgen ableitet; die Parteistellung im Prozess ist unerheblich (BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 24f). 18a b) Hinsichtlich der Beförderungsfrist stehen die Beförderungsmittel für Antrag und Annahme zueinander in Wechselbeziehung. Ein schneller Beförderungsweg für den Antrag gebietet daher einen vergleichbar schnellen Weg für die Annahme (Hamburg 23.9.2014 – 3 U 50/14 Rn 43; insoweit unklar BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 15). So muss zB ein per Telefax übermittelter Antrag idR innerhalb von zwei Tagen angenommen werden (LG Wiesbaden NJW-RR 1998, 1435; aA LG Hamburg MMR 2014, 120f [Frist im Online-Handel: fünf Kalendertage]). Da es sich um eine einheitliche Gesamtfrist handelt, können freilich Verzögerungen bei der Antragsübermittlung durch beschleunigte Übermittlung der Antwort (zB Telefax statt Brief) ausgeglichen werden. 18b c) Bei der Bemessung der Frist ist außer der Beförderungszeit des Antrags und der Annahmeerklärung auch ein angemessener Zeitraum zur Bearbeitung und Überlegung, bei Gesellschaften, Vereinen usw zur Beschlussfassung, anzusetzen (BGH NJW 1996, 919, 921; 2001, 303 – Möbelkauf; BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 20; Soergel/Riesenhuber Rn 20). Die Länge dieser Bearbeitungs- und Überlegungsfrist richtet sich nach den Umständen. Dazu gehört vor allem die Art des Angebots, aber auch verzögernde Umstände, die der Antragende kannte oder kennen musste (BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 20; KG MittBayNot 2016, 174, 176). So kann die Art der Willensbildung in einer Gemeinde, insb die Beteiligung von ehrenamtlich tätigen Gremien, eine längere Bindungsfrist rechtfertigen (vgl BGHZ 116, 149, 154 = BGH NJW 1992, 827: 24 Tage). Bei einer großen Gesellschaft kann regelmäßig nicht damit gerechnet werden, dass bedeutende Vertragsangebote innerhalb weniger Tage angenommen werden (BGH NJW 2000, 2984, 2985 zu § 151 S 2; Armbrüster EWiR § 151 BGB 1/01, 9f). 18c d) Bedeutung und Komplexität des Antrags beeinflussen die Fristlänge (MüKo/Busche Rn 38). Für einen Werkvertrag über ein Auftragsvolumen von unter 10 000 t ist jedenfalls eine Frist von mehr als einem Monat zu lang, und auch die Annahme innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss umfangreicher Verhandlungen kann verspätet sein (LG Bielefeld 23.9.2008 – 3 O 232/08). Bei einem Gebrauchtwagenkauf ist eine Bindungsfrist von zehn Tagen angemessen (LG Saarbrücken 14.11.2014 – 10 S 128/13). Das BAG räumt dem ArbN bei der Bestimmung der Frist zur vorbehaltslosen Annahme eines Änderungsangebots im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung zutr je nach den konkreten Umständen eine lange, uU bis nach Ablauf der Kündigungsfrist reichende Überlegungsfrist ein (BAG BB 2003, 1731, 1733 = NZA 2003, 659, 661 m Anm Dahlbender EWiR § 2 KSchG 1/03, 781f; APS/Künzl § 2 KSchG Rn 36). 18d Für die Berechnung des Zeitpunkts, bis zu dem der Eingang der Antwort erwartet werden darf, sind auch außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen, wenn sie den Eingang der Antwort generell (zB Krankheit, Streik) oder im Einzelfall verzögern können und der Antragende sie kennt oder mit ihnen rechnen muss (RGZ 142, 402, 404; BGH NJW 2008, 1148 Rn 21; KG MittBayNot 2016, 174, 176 [betr Weihnachtsfeiertage; s aber auch BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 28]; München NJOZ 2017, 130 Rn 16). Es muss sich jedoch stets um Umstände handeln, die einer Bearbeitung geschäftlicher Korrespondenz nach der Verkehrsanschauung entgegenstehen (MüKo/Busche Rn 38). Urlaub und Krankheit beeinflussen daher die Länge der Annahmefrist nicht, wenn nach der Verkehrsanschauung mit der Bearbeitung des Antrags zu rechnen ist (Finkenauer JuS 2000, 118, 120; MüKo/Busche Rn 38; s auch BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 21, 28; aA wohl Soergel/Riesenhuber Rn 20). Dies ist jedenfalls bei einem Unternehmer regelmäßig der Fall. Liegen außergewöhnliche Umstände vor, ist zu beurteilen, wie lange der Antragende „regelmäßig“, dh bei vernünftiger Beurteilung, mit dem Eingang der Antwort rechnen durfte. Einen Sonderfall bildet das Angebot eines Maklers zum Abschluss eines Maklervertrags. Wenn den Makler nicht ausnahmsw eine Pflicht zum Tätigwerden trifft (§ 652 Rn 28), kann eine Antwort uU auch noch nach einigen Monaten rechtzeitig sein (München OLG 1978, 444, 446 = NJW 1978, 2100). 19 e) Einzelfälle. Für die Annahme von Mietvertragsangeboten durch Vermieter spricht das Interesse des Mietinteressenten an einer schnellen Entscheidung für eine kurze Annahmefrist (Staudinger/Bork Rn 15). Dabei sind die Umstände zu berücksichtigen (BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 31 [auch bei Gewerberäumen mit hohen Mieten und Unternehmen mit komplexer Struktur als Annehmenden idR max 2-3 Wochen]; KG WuM 1999, 323 [allenfalls 5 Werktage; betr Ladengeschäft]; Grü/Ellenberger Rn 6 [2-3 Wochen]; Lindner-Figura/ Hartl NZM 2003, 750, 751 [3–4 Wochen bei Gewerbemiete]). Die von einer Bank erst nach mehreren Monaten erklärte Annahme eines Antrags auf ein Verbraucherdarlehen ist trotz der branchenüblichen langen Kreditlaufzeiten verspätet (BGH NJW-RR 2008, 1436 Rn 38 [betr acht Monate]; Frankfurt NJW-RR 2005, 60 m abl Anm Kehl EWiR § 150 1/04, 367, 368). Bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren Abschluss 18
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Vertrag
§ 148
eine Bonitätsprüfung vorausgeht, kann der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb von vier Wochen erwartet werden (BGH NJW 2010, 2873 Rn 12 [betr Eigentumswohnung] m zust Anm Armbrüster LMK 2010, 306668; BGH NJOZ 2015, 375Rn 14; KG MittBayNot 2016, 174, 176; s auch Herrler/Suttmann DNotZ 2010, 883ff). Eine längere Frist ist nur unter bes Umständen anzunehmen (BGH NJW 2010, 2873 Rn 12; s auch Müller/Klühs RNotZ 2013, 81, 82; KG MittBayNot 2016, 174, 176 [Weihnachten und Jahreswechsel]; offen lassend BGH NJW 2014, 854 Rn 13). Für ein Vergleichsangebot hat der BGH (NJW 2022, 3791 Rn 22) eine Annahmefrist von zwei Wochen revisionsrechtl nicht beanstandet. Bei Versicherungsverträgen kann je nach den Umständen eine Annahme binnen sechs Wochen rechtzeitig sein (Brandenburg 5.12.2007 – 7 U 106/07 m zust Anm Neuhaus jurisPR-VersR 2/2008 Anm 2; AG Pfaffenhofen VersR 2007, 1113, 1114; zu großzügig München VersR 1976, 745, 746 [3 Monate]). Bei einem Angebot auf Abschluss eines wettbewerbsrechtl Unterlassungsvertrags durch eine Unterwerfungserklärung ist hingegen davon auszugehen, dass dieses unbefristet angenommen werden kann (BGH NJW-RR 2010, 1127 Rn 21.) Die Beurteilung der im Einzelfall angemessenen Frist obliegt tatrichterlichem Ermessen und ist revisionsrechtl lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar (BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 22; MüKo/Busche Rn 41). Bei Einräumung eines Ankaufsrechts („Vorhand“, s § 456 Rn 4, § 463 Rn 5) ist auf das Verkaufsangebot gem 20 dem Kaufangebot eines Dritten nicht die in § 469 II vorgesehene Frist von zwei Monaten für Grundstücke oder einer Woche für andere Gegenstände entspr anzuwenden. Diese Fristen sind nur bei einem Vorkaufsrecht gerechtfertigt, da hier der Verkäufer durch den mit einem Dritten geschlossenen Vertrag gesichert ist. Bei einem Ankaufsrecht ist der Verkäufer hingegen nicht gesichert, so dass sich die Annahmefrist nach § 147 II bestimmt (RG Warn 1919 Nr 157). VII. Zugangsverhinderung. Wird der rechtzeitige Zugang der Annahmeerklärung von dem Antragenden 21 schuldhaft verhindert (zur Zugangsverhinderung allg § 130 Rn 27ff), so ist er dem anderen aus § 280 I, § 311 II, § 241 II (cic) oder auch aus § 826 zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schaden besteht darin, dass die Annahmeerklärung nicht rechtzeitig zugegangen ist. Hierauf kann sich der Antragende nach § 249 I nicht mehr berufen. Dieses Umwegs über eine Schadensersatzpflicht bedarf es allerdings nicht. Bereits aus § 242 folgt, dass bei einer Verhinderung des rechtzeitigen Zugangs der Antragende die Annahme als rechtzeitig gegen sich gelten lassen muss (BGH NJW 1952, 1169; BGHZ 137, 205, 208ff = BGH NJW 1998, 976). VIII. Abdingbarkeit. § 147 ist nicht zwingend. Die Parteien können vereinbaren, dass ein Vertragsangebot in 22 der Schwebe bleibt (BGH BB 1968, 1215). Auch kann sich aus den Umständen ergeben, dass bei einem mündlichen Antrag unter Anwesenden dem Empfänger eine Überlegungsfrist zusteht oder dass das Angebot bis zur Entschließung des abwesenden Vertretenen aufrechterhalten wird (AG Nördlingen ZWE 2017, 146, 147 zur WEGemeinschaft). In solchen Fällen ist zumindest stillschweigend eine Annahmefrist iSv § 148 bestimmt (Becker ZWE 2017, 147, 148). Ebenso kann aus den Umständen folgen, dass ein Angebot unbefristet abgegeben wird, mit der Folge, dass es jederzeit angenommen werden kann (BGH NJW-RR 2010, 1127 Rn 21: Regelfall bei einer auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags gerichteten Unterwerfungserklärung). Hat der Antragende gem § 148 eine Annahmefrist bestimmt, so kann diese unangemessen iSd § 308 Nr 1 sein (§ 148 Rn 1).
§ 148
Bestimmung einer Annahmefrist
Hat der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen. I. Grundregeln. Die gesetzl Annahmefrist des § 147 gilt nicht, wenn der Antragende zugunsten des Empfängers eine Frist für die Annahme gesetzt hat. Auf die Wahrung der gesetzl Annahmefrist kommt es dagegen an, wenn die vereinbarte Frist unwirksam ist, insb weil eine solche Vertragsklausel unangemessen iSd § 308 Nr 1 ist (eingehend § 308 Rn 1ff). Bei Bauträgerverträgen ist eine Verlängerung bis auf vier Wochen grds noch angemessen (BGH NJW 2014, 854 Rn 12; 2014, 857 Rn 8; 2016, 2173 Rn 7f m zust Anm Armbrüster EWiR 2016, 369, 370; zu ausnahmsw längeren Fristen s § 147 Rn 18d; Herrler MittBayNot 2014, 109, 113). Eine AGB-Klausel, wonach der Antragende acht Wochen an seine Erklärung gebunden sein soll, ist auch ggü einem Unternehmer gem § 307 unwirksam (Saarbrücken IBR 2011, 2150). Unbefristete Fortgeltungsklauseln, wonach das Angebot des anderen Teils über den Ablauf der Bindungsfrist hinaus als widerrufliches, stets annehmbares Angebot fortbesteht, sind nach § 308 Nr 1 unwirksam (BGH NJW 2013, 3434 Rn 13; NJW-RR 2020, 626 Rn 11; Walter NotBZ 2012, 81, 83ff; Müller/Klühs RNotZ 2013, 81, 88ff; aA BeckOGK/Weiler § 308 Nr 1 Rn 43: Beurteilung nach § 307). Der BGH (NJW 2017, 3161 Rn 11) hat offengelassen, ob dies auch für befristete Fortgeltungsklauseln gilt. Das hängt richtigerweise von der addierten Länge beider Fristen ab (BeckOGK/Weiler § 308 Nr 1 Rn 118). Die Fristsetzung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft (Staudinger/Bork Rn 8). Ein Minderjähriger kann die gesetzl Annahmefrist (§ 147) somit nicht ohne Zustimmung seiner gesetzl Vertreter verlängern (Staudinger/Bork Rn 8). Die gesetzte Frist kann bei Anträgen unter Abwesenden (§ 147 II) länger oder kürzer als die gesetzl Frist sein, bei Anträgen unter Anwesenden (§ 147 I) allerdings nur länger. Der Antragende kann die Annahmefrist jederzeit verlängern, und zwar auch konkludent (Hamm NJW 1976, 1212). Der Antragende kann eine von ihm gesetzte Frist hingegen nur durch Vereinbarung mit dem Adressaten abkürzen; eine einseitige Abkürzungsbefugnis steht ihm nicht zu (BAG AP § 307 Nr 49; Grü/Ellenberger Rn 2). Armbrüster
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II. Formulierung der Fristsetzung. Die Fristsetzung geschieht idR durch Angabe eines Zeitraums, innerhalb dessen der Antrag angenommen werden muss (zB binnen eines Monats), oder eines Endtermins, zB bis zum 12. März mittags 12 Uhr. Ist keine Tagesstunde angegeben, so kann der Antrag im Zweifel bis zum Ablauf des letzten Tages angenommen werden (Gedanke des § 188 I, II; RGZ 105, 417, 419f). Ferner kann in dem Verlangen bestimmter Übermittlung eine Fristsetzung liegen, zB „per Telefax“. Ist eine längere Annahmefrist gesetzt, so kann eine geringfügige Fristüberschreitung unschädlich und ein gewisser Spielraum zuzubilligen sein (RG HRR 29, 1559; s auch Flume II § 35 II 2 [S 653]: erweiternde Auslegung des § 149; restriktiver BeckOGK/Möslein Rn 27). Dies gilt auch für Versicherungsverträge, jedenfalls zugunsten des Versicherungsnehmers (BGH NJW 1951, 313). Zulässig ist es auch, keinen konkreten Zeitraum für die Annahme zu bestimmen, sondern diese unbeschränkt bis zur Erklärung eines Widerrufs zuzulassen (Frankfurt IBR 2010, 3608 betr Annahme nach über 30 Jahren). Eine unbeschränkte Bindungsdauer ohne Widerrufsmöglichkeit ist hingegen nicht möglich (Frankfurt IBR 2010, 3608; Klühs DNotZ 2011, 886, 893ff). III. Konkludente Fristsetzung. Die Fristsetzung braucht nicht ausdrückl zu erfolgen, sondern kann sich aus den Umständen ergeben, unter denen der Antrag gemacht worden ist. Das Angebot zum Erwerb eines Lotterieloses kann nur bis zum Tag der Ziehung angenommen werden, sofern sich nicht ein abw Wille des Anbietenden erkennen lässt (RGZ 59, 296, 298). Die für den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags maßgebende Annahmefrist gilt nicht ohne weiteres für den Antrag auf Änderung oder Aufhebung eines bestehenden Versicherungsvertrags (BGH LM § 147 Nr 1). Bei einer Frist zur Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags handelt es sich nicht um eine Antragsfrist iSd § 148, da das Gericht nicht der Antragende ist, sondern nur den Vergleich vermittelt (LAG Bln-Bbg 10.5.2013 – 6 Sa 19/13; Siemon NJW 2011, 426, 428; aA Musielak/Voit/Foerste, § 278 ZPO Rn 17a). IV. Form. Die Fristsetzung muss in der Form des Antrags erfolgen. Dies gilt auch für die Verlängerung der Annahmefrist (RG JW 1928, 649). V. Zugangszeitpunkt. Ist die gesetzte Frist kürzer als die gesetzl, so muss die Fristsetzung spätestens mit dem Antrag dem Antragsgegner zugehen. Anderenfalls ist sie wirkungslos (Staudinger/Bork Rn 9). Ist die gesetzte Frist länger als die gesetzl, so kann sie dem Antragsgegner auch noch nach Zugang des Antrags erklärt werden, und zwar bis zum Ablauf der gesetzl Frist. Geht die Fristverlängerung erst nach Ablauf der gesetzl Frist zu, so liegt ein neuer Antrag mit gewillkürter Annahmefrist vor (Soergel/Riesenhuber Rn 5; Staudinger/Bork Rn 9). Entspr gilt für die Verlängerung von gewillkürten Fristen. VI. Rechtzeitigkeit der Annahme. 1. Fristberechnung. Für den Fristbeginn ist im Zweifel das Datum des Antrags maßgeblich, nicht dasjenige des Poststempels oder der Zeitpunkt des Zugangs (so aber BGH NJW 2012, 2793 Rn 6). Im Zweifel muss die Annahmeerklärung innerhalb der Annahmefrist dem Antragenden zugehen (RGZ 53, 59, 61; WarnRspr 1916, 8; s auch Hamm VersR 1978, 1039). Allein die Absendung während der Frist genügt nur, wenn ein solcher Wille des Antragenden erkennbar ist (Staudinger/Bork Rn 10; vgl RGZ 48, 175, 179). Hat der Antragende das rechtzeitige Zugehen der Annahmeerklärung schuldhaft verhindert, so kann er sich auf die Verspätung nicht berufen (§ 147 Rn 21). 2. Vertretung ohne Vertretungsmacht. Hat ein Vertreter ohne Vertretungsmacht innerhalb der vom Antragenden bestimmten Frist die Annahme des Antrags erklärt, wird diese Erklärung jedoch erst nach Ablauf der Annahmefrist vom Vertretenen genehmigt, so wirkt die Genehmigung idR nicht nach § 184 I auf den Zeitpunkt der Annahmeerklärung zurück (BGHZ 108, 380, 384 = NJW 1990, 508; abw RGZ 76, 364, 366). Einer Rückwirkung steht hier der Zweck der zeitl Begrenzung des Annahmerechts entgegen (BGH NJW 1973, 1789, 1790; aA Jauernig/Mansel § 184 Rn 2 unter Hinw auf § 180 S 2, § 177 II, § 108 II). Ist die Annahme nicht innerhalb der Frist wirksam erklärt worden, so ist der Antragende deshalb nicht mehr gebunden. Diese Rechtswirkung kann nicht einseitig durch eine nach Ablauf der Frist erfolgte Genehmigung wieder aufgehoben werden (MüKo/Busche Rn 8; Soergel/Riesenhuber Rn 14; Staudinger/Bork Rn 10). Auch bei gesetzl Fristen tritt durch Genehmigung keine Rückwirkung nach § 184 I ein (BGHZ 32, 375, 383 für die Frist des § 510 aF; RGZ 65, 245, 248 für Verjährungsfristen).
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Verspätet zugegangene Annahmeerklärung
Ist eine dem Antragenden verspätet zugegangene Annahmeerklärung dergestalt abgesendet worden, dass sie bei regelmäßiger Beförderung ihm rechtzeitig zugegangen sein würde, und musste der Antragende dies erkennen, so hat er die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich nach dem Empfang der Erklärung anzuzeigen, sofern es nicht schon vorher geschehen ist. Verzögert er die Absendung der Anzeige, so gilt die Annahme als nicht verspätet. I. Grundregeln. Geht die Annahmeerklärung dem Antragenden nach den §§ 147, 148 nicht rechtzeitig zu, so ist der Antrag grds erloschen. Die verspätete Annahme gilt nach § 150 I als neuer Antrag. Von diesem Grundsatz enthält § 149 eine Ausnahme, wenn die Verspätung der Annahme auf unregelmäßiger Beförderung beruht. Dabei muss die Verspätungsursache im Anwendungsbereich von § 149 vom Beförderungsmittel selbst herrühren (BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 6). Beruht die Verzögerung kummulativ auf der Beförderung und einem Verhalten des Empfängers, kommt nur eine kombinierte Anwendung von § 149 und den Grundsätzen zur Zugangsvereitlung in Betracht (Klocke/Hoppel JR 2021, 607, 612). Im Falle einer Verzögerung muss der Antragende 506
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Vertrag
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unter bestimmten Voraussetzungen die Verspätung unverzüglich dem Annehmenden anzeigen; eine Verzögerung der Verspätungsanzeige hat die Fiktion rechtzeitiger Annahme zur Folge. Seine innere Rechtfertigung findet § 149 in § 242 (Mot I S 171; RGZ 105, 255, 257). Da der Annehmende, der seine Erklärung rechtzeitig abgesendet hat, den rechtzeitigen Zugang erwartet, entspricht es Treu und Glauben, dass der Antragende den Absender unverzüglich aufklärt, wenn dessen Annahmeerklärung verspätet zugegangen ist (krit Canaris Vertrauenshaftung im dt Privatrecht, 1971, 326ff). II. Verspätungsanzeige. 1. Voraussetzungen. Die Anzeigeobliegenheit besteht für den Antragenden unter zwei Voraussetzungen: Rechtzeitige Absendung. Die verspätet zugegangene Annahmeerklärung muss rechtzeitig abgesendet worden sein (vgl auch § 150 Rn 2). Hierzu gehört, dass sie einem verkehrsüblichen Beförderungsmittel überlassen wurde, so dass normalerweise mit einem rechtzeitigen Zugehen der Annahme gerechnet werden konnte. Daran fehlt es zB, wenn der Annehmende seine Erklärung einem Bekannten übergibt, der sie – womit gerechnet werden musste – erst nach mehreren Tagen zur Post gibt (vgl Staudinger/Bork Rn 4). Ist schon die Absendung der Annahmeerklärung verspätet, so ist § 149 auch nicht analog anwendbar (Soergel/Riesenhuber Rn 7; vgl Canaris Vertrauenshaftung im dt Privatrecht, 1971, 326ff). Erkennbarkeit des Verspätungsgrunds. Für den Antragenden muss es klar erkennbar gewesen sein, etwa aus dem Poststempel (BGH NJW 1988, 2106, 2107) oder der Zeitangabe über die Aufgabe des Telegramms, dass die Verspätung nur auf eine nicht regelmäßige Beförderung zurückzuführen ist. 2. Rechtsfolgen. Der verspätete Eingang der erkennbar rechtzeitig abgesandten Annahmeerklärung begründet einen Schwebezustand, der sich nach zwei Richtungen hin lösen kann: a) Rechtzeitige Anzeige. Zeigt der Antragende die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121), an, so erlischt der Antrag; die verspätete Annahme gilt nach § 150 I als neuer Antrag. Es genügt die unverzügliche Absendung der Verspätungsanzeige; ihr Verlust schadet nicht (vgl Mot I S 171). Die Anzeige ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Mitteilung (Soergel/Riesenhuber Rn 16; aA Staudinger/Bork Rn 8: die Verspätungsanzeige sei eine adressatengerichtete Handlung, die wie eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu behandeln sei; BeckOGK/Möslein Rn 23f: empfangsbedürftige Wissenserklärung; Klocke/Hoppel JR 2021, 607, 611: empfangsbedürftige rechtsgeschäftsähnliche Handlung). Zu ihrer Absendung ist der Antragende nicht rechtl verpflichtet. Es handelt sich allein um ein Gebot eigenen Interesses, dem er zur Vermeidung von Rechtsnachteilen nachkommen muss. b) Unterbliebene Anzeige. Unterlässt oder verzögert der Antragende die Absendung der Verspätungsanzeige, so gilt die Annahme nach S 2 als nicht verspätet. Der Vertrag gilt als in dem Zeitpunkt zustande gekommen, in dem die Annahmeerklärung dem Antragenden zugegangen ist (Soergel/Riesenhuber Rn 21). Eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt, in dem die Annahmeerklärung bei ordnungsgemäßer Beförderung zugegangen wäre, findet nicht statt. Ebenso wenig vollendet sich gem S 2 der Vertrag erst in dem Zeitpunkt, zu dem die Benachrichtigung des Antragenden spätestens hätte abgesendet werden müssen (Mot I S 171). – Der Annahme eines echten Vertragsschlusses steht es nicht entgegen, dass sein Zustandekommen auf der Fiktion des rechtzeitigen Zugangs der Annahmeerklärung und des Fortbestehens des Antrags beruht. Demggü versteht Hilger (AcP 185, 559, 574) die Fiktion des rechtzeitigen Annahmezugangs als Mittel zur verkürzten Rechtsfolgeanordnung und sieht in § 149 S 2 einen Sondertatbestand der cic (jetzt: § 280 I, § 311 II, § 241 II), bei der immer dann auf das positive Interesse gehaftet wird, wenn die versprochene Leistung noch in Natur erbracht werden kann (zu Recht abl Neuner § 37 Rn 28 Fn 74; Volp/Schimmel JuS 2007, 899, 900). III. Beweislast. Im Streitfall muss der Annehmende, der aus dem Vertrag Rechte herleiten will, beweisen, dass er die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesandt hat und der Antragende dies erkennen musste (MüKo/Busche Rn 8). Der Antragende muss beweisen, dass er die Verspätungsanzeige rechtzeitig abgesandt hat (MüKo/Busche Rn 8; Soergel/Riesenhuber Rn 24; Staudinger/Bork Rn 13; s auch RGZ 53, 59, 62; aA noch Staudinger/Coing11 Rn 6, wonach der Annehmende beweisen soll, dass die Anzeige nicht rechtzeitig abgesandt worden ist).
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Verspätete und abändernde Annahme
(1) Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag. (2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. I. Verspätete Annahme (Abs I). Eine verspätete Annahme ist nicht ohne Rechtswirkung. Eine Annahmeerklärung, die dem Antragenden nach Ablauf der gesetzl (§ 147) oder gewillkürten (§ 148) Frist zugeht, ist zwar – von der Ausnahme des § 149 abgesehen – als Annahme wirkungslos. Sie gilt aber nach Abs I als neuer Antrag desjenigen, der annehmen wollte. Dieser ist daran gem §§ 145ff gebunden. Der Vertrag kommt zustande, wenn der Erstantragende und jetzige Antragsgegner den neuen Antrag ausdrückl oder konkludent annimmt. Die Annahmeerklärung bedarf nach § 151 S 1 idR keines Zugangs. Reagiert der Erstantragende auf eine verspätete Annahme nicht, so ist sein Schweigen gem § 242 als Annahme zu werten (BGH NJW 1951, 313; 1986, 1807, 1809; Hamburg NJOZ 2021, 135 Rn 23; Staudinger/Bork Rn 6; § 147 Rn 3), sofern nicht die Umstände eine Sinnesänderung des Erstantragenden nahelegen (BGH NJW-RR 1994, 1163, 1165) oder es sich um ein besonders bedeutendes, zB beurkundungsbedürftiges, Geschäft handelt (BGH NJW 2010, 2873 Rn 16ff; 2014, 857 Rn 12; NJW-RR 2017, 214 Rn 13; Nürnberg MittBayNot 2012, 461, 462f m abl Anm Kanzleiter; aA Kanzleiter DNotZ Armbrüster
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2013, 323, 325, der nur auf die Sinnesänderung als Ausnahme abstellen will). Das ist gerechtfertigt, weil die Initiative zum Vertragsschluss vom Erstantragenden ausgegangen war. Der Vertrag gilt als in dem Zeitpunkt geschlossen, in dem der Antragende die abl Antwort erwarten konnte. Zum gleichen Ergebnis gelangt Flume (II § 35 II 2, 653), jedoch nicht mit der Begr, dass das Schweigen des Erstantragenden als Einverständnis zum Vertragsschluss zu werten sei, sondern durch extensive Anwendung von § 149 (aA wie hier Neuner § 37 Rn 30; Canaris Vertrauenshaftung im dt Privatrecht, 1971, 328f; s auch § 148 Rn 2). Diese Grundsätze gelten auch für Versicherungsverträge (BGH NJW 1951, 313). 2 Im Zusammenspiel mit § 149 gilt daher Folgendes: Liegt ein wirksamer Antrag vor und wird die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesandt, trifft sie aber verspätet ein, so besteht nach § 149 S 1 für den Antragenden eine Anzeigepflicht; bei Verzögerung gilt abw von § 147 II die Annahme als nicht verspätet (§ 149 Rn 1ff). Eine nach § 147 II verspätete und deshalb nach Abs I als neuer Antrag geltende Annahmeerklärung ist als Annahme des gesamten Inhalts des ursprüngl Angebots und damit als ein mit diesem gleich lautender Antrag zu werten, sofern nicht ein abw Wille zum Ausdruck gelangt (München OLG 1978, 444 = NJW 1978, 2100 L). Der Erstantragende muss auch hier grds dem in der verspäteten Annahme liegenden neuen Antrag widersprechen, wenn er das Zustandekommen des Vertrags verhindern will (Rn 1). Erklärt er die Anfechtung des vermeintlich schon geschlossenen Vertrags, so liegt hierin auch dann ein Widerspruch, wenn er die Gegenleistung aufgrund eines nicht widerrufenen Dauerauftrags bereits teilw erbringt (Hamm VersR 1978, 1039 betr Versicherungsvertrag). 2a Umstr ist, welche Konsequenzen aus § 150 I folgen, wenn der zu schließende Vertrag der Schriftform unterliegt. Dies wird bedeutsam, wenn ein formgerechtes Angebot vorliegt, der Annehmende jedoch den Vertrag erst nach Fristablauf unterschreibt. Der Vertragspartner muss hier wegen § 150 I erneut die Annahme erklären. Fraglich ist aber, ob dafür konkludentes Handeln genügt (dafür BGH NJW 2010, 1518 Rn 19ff m Anm Fritz jurisPRMietR 12/2010 Anm 4; Jena NZM 2008, 572, 573) oder ob der Partner erneut unterschreiben muss (so KG NZM 2007, 517). Gegen einen konkludenten Vertragsschluss spricht, dass der gesetzl Form dann nicht genügt wird. Überzeugender ist es jedoch, mit dem BGH eine doppelte Unterschrift des Vermieters auf demselben Formular als unnötige Förmelei anzusehen, die auch im Hinblick auf den Schutzzweck des § 550 nicht erforderlich ist (Wichert ZMR 2005, 593, 595). Bereits in einem ähnlichen Fall hatte der BGH einen Vertragsschluss jedenfalls dann angenommen, wenn trotz verspäteter Unterzeichnung im Nachhinein noch eine schriftliche Änderungsvereinbarung geschlossen wird (BGH NJW 2009, 2195 Rn 19). 3 II. Annahme unter Änderungen (Abs II). 1. Grundregeln. Die Annahme führt idR nur dann zum Vertragsschluss, wenn sie mit dem Angebot inhaltlich übereinstimmt (zur Ausnahme in § 2 KSchG s Staudinger/Bork Rn 13; s ferner § 5 VVG für Versicherungsverträge). So kann zB das an mehrere Personen gerichtete Angebot, in dem die Adressaten gemeinschaftl die Vertragspartei bilden sollen, nur gemeinsam angenommen werden. Lehnt auch nur ein Adressat ab, so entfällt grds die Bindung des Annehmenden (BGH MDR 1965, 572; s § 146 Rn 2). Angebot und Annahme müssen nicht streng zeitl aufeinander folgen. So kommt ein Vertrag auch durch zwei übereinstimmende sog Kreuzofferten zustande (Staudinger/Bork, § 146 Rn 7; einschränkend BeckOGK/Möslein § 146 Rn 62f [Schweigen als Zustimmung]; vgl auch LG Frankfurt/M WM 2008, 405, 407). Jede Erweiterung, Einschränkung oder sonstige Änderung gilt nach Abs II als Ablehnung des gesamten Antrags (BGH NJW-RR 1993, 1035, 1036; NJW 2005, 1653, 1655; Ausnahme für Mieterhöhungsverlangen: § 558b I; dazu BGH NJW-RR 2022, 952 Rn 30) und bei genügender Bestimmtheit des Inhalts als neuer Antrag des Abl. Unerheblich ist dabei, ob es sich um wesentliche oder unwesentliche Änderungen handelt (BGH NJW 2001, 221, 222; Brandenburg 22.1.2009 – 5 U (Lw) 149/08; anders Art 19 CISG; s auch Rn 4). Die Inhaltsänderung muss vom Erklärungsempfänger nicht subj erkannt werden (aA BeckOGK/Möslein Rn 26). Die erforderliche Abgrenzung zu § 155 – der bei strenger Anwendung des Abs II keinen eigenen Anwendungsbereich hätte – erfolgt vielmehr, indem §§ 154, 155 der Vorrang eingeräumt wird (MüKo/Busche Rn 5: Primat der Privatautonomie). Handelt es sich nur um einzelne Änderungen im Vergleich zum ursprüngl Angebot, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass alle anderen Bedingungen des Erstangebots in das Gegenangebot aufgenommen wurden (BGH NJW 2015, 2584 Rn 53 unter Aufgabe von BGH 19.10.2010 – VIII ZR 34/09 Rn 8 – Gerichtsstandvereinbarung). Ein neuer Antrag liegt auch dann vor, wenn der Annehmende in seiner Erklärung auf die eigenen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt (BGHZ 18, 212, 215 = BGH NJW 1955, 1794). Die Ablehnung ist endgültig; eine nachträgl Annahme innerhalb der Annahmefrist ist unwirksam (RG Recht 1923 Nr 1336; AG Esslingen VersR 1967, 1105; Staudinger/ Bork Rn 13). Schweigen auf einen modifizierten Antrag bedeutet grds keine Annahme (Rn 7; zur abw Lage bei verspäteter Annahme s Rn 1). Wohl aber kann es durch konkludentes Verhalten zur Annahme des neuen Antrags kommen, und zwar unabhängig davon, ob die Abweichungen vom ursprüngl Antrag wesentlich oder unwesentlich waren. In einem öffentlichen Vergabeverfahren nach VOB/A ist ein Zuschlag regelmäßig so auszulegen, dass er sich auch auf wegen Zeitablaufs obsolet gewordene Fristen und Termine bezieht; insoweit wird Abs II durch § 242 modifiziert. Die Bauzeit ist dann im Wege erg Auslegung anzupassen (BGH NJW 2009, 2443 Rn 48; NZBau 2010, 622 Rn 18). Ergibt sich jedoch aus dem Zuschlag klar und eindeutig, dass die neue Bauzeit Bestandteil des Vertrags werden soll, handelt es sich um ein neues Angebot iSd § 150 II (BGH NZBau 2020, 570 Rn 26). Auch ein unter Verstoß gegen das Nachverhandlungsgebot abgegebener Zuschlag unter geänderten Bedingungen stellt ein neues Angebot iSd § 150 II dar (BGH NJW 2012, 3505 Rn 21; Brandenburg NJW-RR 2017, 309 Rn 22). 4 Nicht jede Annahme mit Zusatz ist als eingeschränkte Annahme aufzufassen. Es kann sehr wohl unbeschränkt angenommen sein, jedoch mit dem zusätzl Antrag, den zustande gekommenen Vertrag zu erweitern oder ein508
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Vertrag
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zuschränken (BGH NJW-RR 1997, 684, 685; NJW 2001, 221, 222; 2015, 2584 Rn 4; Frankfurt30.6.2014 – 1 U 253/11 Rn 90f). Gibt zB der Gläubiger nach Empfang einer Bürgschaftserklärung zu erkennen, dass er sie annimmt, jedoch um Erweiterung der Bürgenverpflichtung nachsuche, so ist Abs II nicht anwendbar. Die Annahme eines Antrags kann mit dem Versuch verbunden sein, günstigere Bedingungen zu erreichen (BGH WM 1982, 1329, 1330; Düsseldorf 16.12.2014 – I-20 W 78/14). Auch das Gesuch, die für die Annahme bestimmte Frist iSv § 148 zu verlängern, fällt nicht unter § 152 II (Celle NJW-RR 2009, 1150). Der Vorschlag von Vertragsergänzungen fällt nur dann nicht unter § 150 II, wenn dabei klar zum Ausdruck kommt, dass das ursprüngl Angebot auf jeden Fall angenommen werden wird (Brandenburg 22.1.2009 – 5 U (Lw) 149/08). Beschreibt ein Käufer anlässlich seiner Annahmeerklärung den Kaufgegenstand näher, ohne vom tatsächlichen Zustand der Sache abzuweichen, so liegt lediglich eine Präzisierung, nicht aber ein neues Angebot vor. Anders liegt der Fall aber dann, wenn Eigenschaften beschrieben werden, die der Kaufgegenstand nicht aufweist und die folglich zu Gewährleistungsansprüchen führen würden (Celle OLGRp 2009, 458 LS m zust Anm Revilla jurisPR-VerkR 15/2009 Anm. 4). Ob unbeschränkte oder beschränkte Annahme vorliegt, hängt von der Auslegung im Einzelfall ab (BGH NJW 2001, 221, 222). Der Zusatz „Brief folgt“ oder „Näheres brieflich“ bringt zum Ausdruck, dass der Annehmende sich noch Änderungen vorbehält; hier liegt idR nur die Ankündigung einer Annahme vor. Vom Inhalt des Briefes hängt es dann ab, ob das Angebot angenommen ist (RGZ 105, 8, 13ff). Anders liegt es, wenn mitgeteilt wird „Auftrag fest – Brief folgt“; der Brief kann hier nur Änderungswünsche bzgl des abgeschlossenen Vertrags enthalten. Die Bitte um Verlängerung der Annahmefrist ist noch keine Antragsänderung (Staudinger/Bork Rn 10). Eine analoge Anwendung von Abs II kommt auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsempfänger einseitig eine längere Annahmefrist setzt (aA Diederichsen, FS Medicus, 1999, 89, 105; NK/Rademacher/Schulze § 146 Rn 3). Das bloße Angebot einer Fristverlängerung kann der Gegner vielmehr separat annehmen; es bezieht sich nämlich nicht auf den Inhalt des Vertrags. Wird ein offensichtlicher Fehler des Angebots, zB ein Tippfehler, berichtigt, so liegt darin keine veränderte Annahme, sondern es besteht Übereinstimmung (BAG NZA 2016, 39 Rn 33f; Soergel/Riesenhuber Rn 27). Wird eine größere Menge als die angebotene angenommen, ist hierin meist eine Ablehnung zu sehen (RG JW 1925, 236). Feste Annahme der angebotenen Menge und Antrag auf Lieferung einer weiteren Menge liegen nur vor, wenn die Auslegung ergibt, dass der Käufer die angebotene Menge in jedem Fall nehmen will. Die auf eine geringere Menge beschränkte Annahmeerklärung gilt als Ablehnung, wenn die Warenmenge als Einheit angeboten ist (Soergel/Riesenhuber Rn 31). Bei tatsächlicher teilw Inanspruchnahme einer einheitlich angebotenen Leistung ist Abs II nicht anwendbar, da in diesem Fall bereits der nach den allg Auslegungsregeln zu ermittelnde obj Erklärungswert die unbeschränkte Annahme des Angebots ergibt. Wird zB eine Kiste Wein zu 12 Flaschen angeboten, so kann grds nicht das Angebot geteilt und die Annahme auf eine beliebige Stückzahl beschränkt werden; die Entnahme eines einzelnen Stücks bringt die Annahme des einheitlichen Angebots zum Ausdruck. Nimmt der Auftraggeber bei einer öffentlichen Auftragsvergabe einzelne Leistungen heraus, ist § 150 II hingegen anwendbar, so dass darin eine Ablehnung der Annahme, verbunden mit einem neuen Antrag zu sehen ist, wenn keine Möglichkeit einer Teilannahme besteht (BGH NJW 2012, 3505 Rn 16). Allerdings kann die Auslegung des Angebots ergeben, dass eine Teilannahme möglich ist (BGH NJW 1986, 1983, 1984). 2. Erkennbarkeit der Änderung. Die Erweiterung oder Einschränkung der Annahme muss eindeutig erkennbar sein. Abs II ist auch bei Annahme mit Zusätzen nicht anwendbar, wenn der Empfänger nach Treu und Glauben die Annahmeerklärung als unbeschränkt auffassen durfte (BGHZ 181, 47 Rn 35 = NJW 2009, 2443; BGHZ 186, 295 = NZBau 2010, 622 Rn 19; NZBau 2011, 97 Rn 14; NJW-RR 2015, 472 Rn 26; BAG NJW 2021, 2675 Rn 30; krit zur Anwendung von § 242 Korch NJW 2014, 3553, 3554f). Das gleiche gilt für Einfügungen geringfügiger Änderungen im gleichen Schriftbild des Angebotstextes („Unterschieben“ abweichender Klauseln) durch den Anzunehmenden (BGH NJW 2014, 2100 Rn 18f; aA Korch NJW 2014, 3553, 3554f; NK/Rademacher/ Schulze § 147 Rn 2). Die Beifügung eines vom Vertragswillen des Antragenden abw Formulars genügt nicht (BGH WM 1983, 313, 314). Als neuer Antrag muss die Erklärung des Antragsempfängers so bestimmt sein, dass sie vom Erstantragenden durch einfache Zustimmung angenommen werden kann. Die Erklärung: „Ihr Preis ist mir zu hoch“ reicht dafür nicht aus (Staudinger/Bork Rn 13). – Zu kollidierenden AGB s Rn 9. 3. Annahme durch Schweigen und schlüssiges Verhalten. a) Schweigen. Anders als bei verspäteter Annahme (Rn 1) gilt das Schweigen des Antragenden auf eine sachlich geänderte Annahme grds nicht als Zustimmung und damit als Annahme des neuen Antrags (BGHZ 61, 282, 285 = BGH NJW 1973, 2106; 1995, 1671, 1672; Hamm WM 1997, 611, 612; Köln 6.4.2011 – 11 U 226/10; Koblenz NZBau 2013, 637, 638). Allenfalls bei einer nur unwesentlichen Abweichung der Annahme vom Angebot kann das Schweigen des Antragenden im Einzelfall nach Treu und Glauben als Annahme zu werten sein (vgl BGH DB 1956, 474). Auch die Bezeichnung der Annahme als „Auftragsbestätigung“ ändert diese Grundregel nicht. Die für das Schweigen auf kaufmännische Bestätigungsschreiben geltenden Grundsätze sind hier nicht anwendbar (BGHZ 18, 212, 216 = BGH NJW 1955, 1794; BGHZ 61, 282, 285 = BGH NJW 1973, 2106; s auch § 147 Rn 10f, 15). Während ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben die endgültige Klarheit über den Inhalt eines schon geschlossenen Vertrags herbeiführen soll, zielt die Auftragsbestätigung erst auf das Zustandekommen eines Vertrags ab. Der Bestätigende, der vom ursprüngl Antrag abweicht, kann deshalb ohne weitere Erklärung des Gegners nicht mit dessen Einverständnis mit den Änderungen rechnen. b) Schlüssiges Verhalten. Allerdings kommt eine Annahme des nach Abs II neuen Antrags durch schlüssiges Verhalten in Betracht. In der widerspruchslosen Lieferung, Abnahme oder Bezahlung der Ware kann konkluArmbrüster
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Rechtsgeschäfte
dent die Annahme des neuen Antrags liegen (BGHZ 18, 212, 216 = BGH NJW 1955, 1794; LM § 150 Nr 3, 4; DB 1971, 2106; NJW 2011, 3438 Rn 17). Dies setzt freilich voraus, dass dem Antragenden die Abweichung der Annahmeerklärung von seinem ursprüngl Angebot bewusst ist. Auch bei einer modifizierten Auftragsbestätigung kann uU in der widerspruchslosen Entgegennahme der Ware durch den Käufer eine stillschw Annahme des geänderten Antrags und damit ein Einverständnis mit den in Bezug genommenen AGB des Verkäufers gesehen werden. Dies gilt insb dann, wenn dieser vorher deutlich gemacht hat, dass er nur unter seinen Bedingungen liefern wird (BGH NJW 1963, 1248; BGHZ 61, 282, 287f = BGH NJW 1973, 2106; 1995, 1671, 1672). Die lediglich widerspruchslose Hinnahme einer modifizierten Auftragsbestätigung enthält jedoch noch keine stillschw Annahmeerklärung (BGHZ 61, 282, 285 = BGH NJW 1973, 2106; JZ 1977, 602, 603 m krit Anm Lindacher; NJW 1995, 1671, 1672). 4. Kollidierende AGB. Ein Konflikt ergibt sich, wenn beide Parteien auf ihre AGB verwiesen haben und diese kollidieren: Bsp: Der Käufer bestellt zu seinen Einkaufsbedingungen, der Verkäufer liefert zu seinen Verkaufsbedingungen (s dazu Flume II § 37, 3, 672ff; Rödl AcP 215, 683; Schlechtriem, FS Wahl, 1973, 67ff; s auch § 305 Rn 54). In solchen Fällen ist der Vertrag als solcher, auf dessen Durchführung die Parteien Wert legen, zustande gekommen, und die Bedingungen werden nur insoweit mangels Einigung nicht Vertragsbestandteil, als sie einander widersprechen (BGH NJW 1985, 1838, 1839; 1991, 1604, 1606; Düsseldorf BauR 2016, 1320 Rn 29; Bunte ZIP 1982, 449, 450; aA noch BGH LM § 150 Nr 2, 3, 6 [„Theorie des letzten Wortes“]). Dies ist mit der Auslegungsregel des § 154 vereinbar; es gilt nach § 155 auch dann, wenn sich die Parteien der Kollision ihrer Bedingungen nicht bewusst waren (nur auf § 155 abstellend Rödl AcP 215, 683, 711f). Anstelle der einander widersprechenden Bedingungen gelten nach § 306 II erg die gesetzl Vorschriften. Auch wenn in den AGB der einen Partei eine Regelung enthalten ist, die in den AGB der anderen Partei keine Entsprechung findet – insb: Eigentumsvorbehalt –, können im Einzelfall Umstände vorliegen, die auf ein konkludentes Einverständnis des anderen Teils schließen lassen (BGH NJW 1985, 1838, 1839). Hierfür kann ein Indiz die Branchenüblichkeit eines einfachen, grds nicht jedoch eines verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalts sein (§ 305 Rn 56; UBH/ Habersack § 305 Rn 195f). Eine in den Einkaufsbedingungen des Käufers enthaltene Abwehrklausel, nach der seinen Bedingungen widersprechende Verkaufsbedingungen des Verkäufers, auch wenn ihnen nicht widersprochen wird, nicht gelten, schließt die Wirksamkeit eines in den Verkaufsbedingungen enthaltenen verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalts aus (BGH NJW 1985, 1838, 1839f; NJW-RR 1991, 357, 358; vgl NJW 1995, 1671, 1672; s auch BGH NJW 1982, 1749 und 1751 zur wirksamen Vereinbarung eines nachträgl, einfachen Eigentumsvorbehalts trotz Abwehrklausel; dazu de Lousanoff NJW 1982, 1727ff und 1985, 2921ff). Ein verlängerter Eigentumsvorbehalt kann jedoch dann Vertragsbestandteil werden, wenn er trotz Abwehrklausel in den AGB des Käufers erkennbar vorausgesetzt wird (Düsseldorf NJW-RR 1997, 1151; Köster JuS 2000, 22, 26). – Generell schließen Abwehrklauseln nicht nur widersprechende, sondern auch erg Klauseln des Gegners aus (BGH NJWRR 2001, 484).
§ 151
Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. Schrifttum: Brehmer, Die Annahme nach § 151 BGB, JuS 1994, 386; P. Bydlinski, Probleme des Vertragsabschlusses ohne Annahmeerklärung, JuS 1988, 36; Eckert, Die „Vergleichsfalle“ als Problem der Auslegung adressatloser Annahmeerklärung nach § 151 S 1 BGB, BB 1996, 1945; Kleinschmidt, Annahme eines Erlassangebots durch Einlösung eines mit dem Angebot übersandten Verrechnungsschecks?, NJW 2002, 346; Kramer, Schweigen als Annahme eines Antrags, Jura 1984, 235; Müller-Laube, Die Empfangszuständigkeit im Zivilrecht I, 1978; v Randow, Die Erlassfalle, ZIP 1995, 445; Repgen, Abschied von der Willensbetätigung – Die Rechtsnatur der Vertragsannahme nach § 151 BGB, AcP 200 (2000), 533; Scheffer, Schweigen auf Angebot als stillschweigende Annahme, NJW 1995, 3166; Schönfelder, Die Erlassfalle – ein unmoralisches Angebot?, NJW 2001, 492; W. Schultz, Annahme im Sinne des § 151 BGB und Annahme durch Schweigen, MDR 1995, 1187; Schwarze, Die Annahmehandlung in § 151 BGB als Problem der prozessualen Feststellbarkeit des Annahmewillens, AcP 202 (2002), 607; Wiese, Darf ein Versandhändler Selbstbelieferungsprobleme über Vertragsabschlussklauseln an seine Kunden weiterreichen?, VuR 2008, 161.
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I. Grundregeln. Ein Vertrag kommt durch die Annahme eines Antrags zustande. Die Annahme ist, gleich ob sie ausdrückl oder konkludent erklärt wird, grds eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Allerdings braucht die Annahme in den Fällen der §§ 151, 152 nicht ggü dem Antragenden erklärt zu werden. Damit wird zur Erleichterung des Rechtsverkehrs auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet, nicht jedoch auf die Annahmeerklärung als solche (BGH NJW 2004, 287, 288; aA Schwarze AcP 202, 607, 613ff). Das Gesetz macht in diesen Fällen die Annahme zu einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung (Bork AT Rn 749). Von der Annahme nach § 151, die keine Erklärung ggü dem Antragenden erfordert, ist die Annahme durch bloßes Schweigen zu unterscheiden (dazu § 147 Rn 3ff). § 151 ist nur auf Annahmeerklärungen anwendbar. Die Parteien können zB nicht vereinbaren, dass die Genehmigung des BetrG entgegen § 1856 I 2 schon mit der Mitteilung an den Betreuer wirksam wird (§ 1856 Rn 8). Der Antragsempfänger ist nicht auf die Annahme nach § 151 angewiesen; vielmehr kann er auch ggü dem An510
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Vertrag
§ 151
tragenden annehmen (vgl BGH NJW 1957, 1105, 1106: Die Abschlussmöglichkeiten nach § 151 und nach § 148 stehen nebeneinander). Eine erfolgte ausdrückl Annahme lässt idR nicht den Schluss zu, dass eine vorherige Annahme nach § 151 nicht erfolgt sei. – § 151 gilt grds auch, wenn die Annahme die Schriftform erfordert, da weder § 126 noch § 127 den Zugang der formwirksamen Erklärung ausnahmslos voraussetzen (vgl BGH WM 1986, 1330, 1331 zu § 126; NJW-RR 2004, 1683f [betr § 4 VerbrKrG] m Anm Armbrüster EWiR § 151 BGB 1/04, 1071, 1072; Naumburg 27.9.2011 – 4 U 75/11; Bülow LMK 2004, 161; aA Staudinger/Bork Rn 4). Die Beweisfunktion tritt hier ggü dem Vereinfachungszweck des § 151 zurück. Ein bestehendes Schriftformerfordernis setzt § 151 jedoch Grenzen. So kann bei gewillkürter Schriftform ein Vertragsschluss durch Briefwechsel nicht nach § 151 erfolgen (vgl Düsseldorf NJW-RR 1988, 948, 949). § 151 gilt auch nicht für die Bürgschaftserklärung, da diese schriftliche Erteilung voraussetzt (§ 766 Rn 8). II. Verkehrssitte. Eine Verkehrssitte iSv S 1 Fall 1 besteht, wenn bei Geschäften der betreffenden Art unter 3 vergleichbaren Umständen der Zugang der Annahmeerklärung üblicherweise nicht erwartet wird (ähnl Staudinger/Bork Rn 6). Dies trifft zu bei Bestellung eines Hotelzimmers, im standardisierten Versandhandel (LG Gießen NJW-RR 2003, 1206; eine entspr Verkehrssitte bei Hotelzimmerreservierungen verneinend MüKo/Busche Rn 6; s auch Rn 6) und bei sog Click & Collect-Systemen (Fritz NJW 2021, 1697, 1699). Dasselbe gilt idR bei ausschließlich vorteilhaften Angeboten (BGH NJW 1999, 1328; NJW 2000, 276, 277; NJW 2004, 287, 288; ZIP 2019, 1288 Rn 20; vgl auch Brandenburg NJW-RR 2018, 530 Rn 28: je vorteilhafter das Geschäft, desto geringere Anforderungen hinsichtl Verkehrssitte), insb: bei unentgeltlichen Zuwendungen (§ 516 II), bei Angebot eines Schulderlasses (BGH NJW 2003, 758, 759; Koblenz NJW-RR 2011, 1017, 1018) oder einer Schuldübernahme (RG SeuffA 79, 89), eines deklaratorischen (München NJW 1975, 174, 175) oder abstrakten Schuldanerkenntnisses (BGH NJW 2000, 2984, 2985), bei Angebot eines Schuldbeitritts (BGH NJW-RR 1994, 280, 281; NJW-RR 2004, 1683), eines selbstständigen Garantieversprechens (BGHZ 78, 369, 372f = BGH NJW 1981, 275; BGHZ 104, 82, 85 = BGH NJW 1988, 1726), einer Sicherungsabtretung (BGH NJW 2000, 276, 277), einer Bürgschaft (BGH NJW 1997, 2233), besserer Vertragsbedingungen (Frankfurt NJW-RR 1995, 36, 39; AG Nördlingen ZWE 2017, 146, 147), im Rahmen einer betrieblichen Übung (BAG NJW 2016, 1342 Rn 16; NZA 2022, 207 Rn 69; krit Henssler, FS 50 Jahre BAG, 2004, 683, 689; Schneider NZA 2016, 590, 591f) oder einer Gesamtzusage (BAG NZA 2004, 1099, 1101; 2014, 1333 Rn 15; 2021, 347 Rn 50). Auch nach der erstmaligen Erklärung einer Gesamtzusage durch den ArbGeb in den Betrieb eintretende ArbN können das Angebot noch nach § 151 annehmen (BAG ArbR 2010, 15). Das Schweigen des ArbN auf ein verschlechterndes Angebot kann demjenigen auf ein günstiges Angebot nicht gleichgesetzt werden (BAG NJW 2009, 2475 Rn 14; LAG Rh-Pf NZA-RR 2012, 5, 8; LAG Hamm 12.12.2011 – 15 Sa 1036/11 – betriebliche Übung, s dazu auch Maties AP Nr 83 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Eine Verkehrssitte iSd S 1 Fall 1 besteht ferner bei Aufträgen, die nach Inhalt und Zweck sofortige Erledigung verlangen (Börse, Arzt), im Fall des § 663 sowie weitgehend im Handelsverkehr, im Versandhandel (Soergel/Riesenhuber Rn 12; Wiese VuR 2008, 161, 164) und bei Verträgen über Leistungen der Daseinsvorsorge (Dresden RdE 2004, 197, 198). – Für Versicherungen besteht idR keine derartige Verkehrssitte (BGH NJW 1951, 313; VersR 1987, 923, 924; Frankfurt ZfS 2008, 209; Soergel/Riesenhuber Rn 12; Staudinger/ Bork Rn 7); vielmehr erklärt der Versicherer die Annahme idR ausdr, zumindest durch Übersendung des Versicherungsscheins (BGH NJW 1976, 289, 290; VersR 1987, 923, 924; Frankfurt r+s 2013, 27; anders BGH VersR 1969, 415 für die stillschw Annahme eines Fortsetzungsantrags nach wirksamer Kündigung durch den Versicherungsnehmer, welche in der widerspruchslosen Entgegennahme der Prämienzahlung gesehen wurde). § 151 S 1 ist auf die Annahmeerklärung des Versicherers somit nicht anwendbar (Hamburg VersR 1988, 1169); sie muss ausdrückl ggü dem Versicherungsnehmer erklärt werden und diesem zugehen (Armbrüster in Prölss/Martin VVG31, 2021, § 1 Rn 50). Entspr gilt für die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung; hier muss dem Schuldner die Annahmeerklärung des Gläubigers zugehen (Karlsruhe AfP 2009, 270, 271; LG Düsseldorf 15.12.2009 – 4a O 229/08). Bietet ein Stromanbieter einem Kunden unter Hinw darauf, dass Schweigen als Zustimmung genüge, den Wechsel zu einem teureren Tarif an, so kann der Weiterbezug des Stroms nicht unter § 151 zur Annahme dieses Angebots führen (LG Leipzig 26.6.2009 – 1 HK O 2049/09; vgl auch BGH NJW-RR 2012, 690 Rn 24 für eine einseitige Preisanpassungsklausel). Kommt ein Vergleichsvertrag auf Vermittlung des Gerichts zustande, so ist der wechselseitige Zugang der Annahme der Vergleichsparteien entbehrlich (LAG BlnBbg 10.5.2013 – 6 Sa 19/13; krit aufgrund abw dogmatischer Herangehensweise Siemon NJW 2011, 426, 427ff [Empfangszuständigkeit des Gerichts]). III. Verzicht (S 1 Fall 2). Der Verzicht (S 1 Fall 2) erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklä- 4 rung (Staudinger/Bork Rn 10; Soergel/Riesenhuber Rn 14), die keiner Form bedarf. Er ist auch bei einer formbedürftigen Annahmeerklärung möglich (BGH NJW-RR 1986, 1300, 1301). Der Verzicht kann konkludent erklärt werden (BGH aaO). Dies trifft zB zu, wenn sofortige Erfüllung des Vertrags verlangt wird (RGZ 84, 320, 323; 103, 312, 313), wenn eine im Preis stark schwankende Ware „express“ bestellt wird (RG 102, 370, 372) oder wenn der Verkäufer mit dem Angebot zugleich die Ware übersendet (RGZ 64, 145f; Staudinger/Bork Rn 11); nicht jedoch, wenn derjenige, der bei einem Agenten den Abschluss einer Versicherung beantragt, dabei sogleich die erste Prämie bezahlt (BGH NJW 1951, 313). Ergibt sich aus dem Angebot, dass der Antragende auch eine an einen anderen gerichtete Annahmeerklärung als ihm ggü abgegeben gelten lassen will, so verzichtet er auf Annahmeerklärung ggü sich selbst (RGZ 129, 109, 113). – In einer nach § 150 I als neuer Antrag geltenden Annahme liegt regelmäßig ein Verzicht auf Zugang der Annahmeerklärung (§ 150 Rn 1). Je bedeutsamer das Geschäft für die Beteiligten ist, desto zurückhaltender ist ein Verzicht anzunehmen. So ist bei einem hohen HypothekenArmbrüster
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Rechtsgeschäfte
darlehen nach der Verkehrssitte erforderlich, dass die Bank sich ggü dem Darlehensnehmer erklärt. Ein Verzicht auf eine ausdrückl Annahmeerklärung ist hier daher nicht anzunehmen (Köln NJW 1990, 1051). Aus dem Fehlen des „Vorbehalts“ der Notwendigkeit einer Annahmeerklärung der Gegenseite in einem schriftlichen Vertragsangebot lässt sich ein Verzicht des Antragenden auf den Zugang der Annahmeerklärung nicht herleiten (BGH NJW 1999, 1328). Ein konkludenter Verzicht kann idR auch dann nicht angenommen werden, wenn bei Abschluss eines Unterlassungsvertrags die Unterwerfungserklärung hinter dem vorangegangenen Verlangen des Antragenden zurückbleibt (Köln WRP 2010, 954 LS). – Die früher mit dem Lastschriftverfahren in Gestalt des Abbuchungsverfahrens verbundenen Fragen zum Zugangsverzicht (s BGHZ 79, 381, 386 = BGH NJW 1981, 1669; s auch Voraufl) haben sich mit der Einführung des SEPA-Lastschriftverfahrens als modifiziertem Einzugsermächtigungsverfahren (BeckOGK/Looschelders § 362 Rn 178) erledigt. 5 IV. Betätigung des Annahmewillens. 1. Gesamtbetrachtung. Der Vertrag kommt auch in den Ausnahmefällen des § 151 nur zustande, wenn eine Annahme vorliegt. Bloßes Schweigen genügt nicht (Rn 9); auch nicht ein Annahmewille, der ein rein innerer Vorgang geblieben ist. Der auf Annahme gerichtete Wille muss vielmehr nach außen hervorgetreten sein (st Rspr; BGHZ 74, 352, 356 = BGH NJW 1979, 2143; BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 38; ZIP 2019, 1288 Rn 20). Ob eine Betätigung des Annahmewillens vorliegt, hängt von der Wertung der Umstände des Einzelfalles ab. Da die Annahme nicht empfangsbedürftig ist, kommt es darauf an, ob ein unbeteiligter Dritter in dem nach außen erkennbaren Gesamtverhalten des Angebotsempfängers den Ausdruck seines wirklichen Annahmewillens erblickt (BGHZ 111, 97, 101f = BGH NJW 1990, 1655; diese Rspr billigt BVerfG NJW 2001, 1200; LG Hamburg ZMR 2013, 466; s auch Rn 9). Bei Verträgen, die lediglich rechtl vorteilhaft sind, sind an die Betätigung des Annahmewillens geringe Anforderungen zu stellen (Brandenburg NJW-RR 2018, 530 Rn 28). Es genügt, dass die Willenserklärung zugeht und deren Annahme nicht durch eine nach außen erkennbare Willensäußerung des Begünstigten abgelehnt wird (BGH NJW 2000, 276 LS; Brandenburg 14.5.2008 – 3 W 69/07; Jena NJW-RR 2008, 1678, 1679). Von einer Annahme ist daher idR auszugehen, wenn der Antragsgegner die dem Antrag entspr Leistung ganz oder auch nur teilw erbringt, zB die bestellte Ware versendet (§ 447; RGZ 102, 370, 372), den Kaufpreis zahlt (RGZ 129, 109, 113), die in einem Darlehensvertrag vorgesehenen Leistungsraten erbringt (BGH NJW-RR 2008, 1436 Rn 38) oder den Auftrag auszuführen beginnt (BGH NJW-RR 2010, 257 Rn 3 – Maklervertrag). Dasselbe gilt, wenn er über die zur Ansicht oder Probe übersandte Ware wie ein Eigentümer verfügt, indem er sie zB verschenkt oder verbraucht (zur Annahme unbestellter Waren s § 147 Rn 4). Ein Abtretungsangebot ist lediglich rechtl vorteilhaft (BGH NJW 2000, 276 LS; Brandenburg 14.5.2008 – 3 W 69/07; Jena NJW-RR 2008, 1678, 1679). Es ist spätestens dann angenommen, wenn der Zessionar die Forderung einklagt (BGH NJW 1999, 2179, 2180). Schickt der Bürge dem Gläubiger eine schriftliche Bürgschaftserklärung zu, so reicht es als Bestätigung des Annahmewillens regelmäßig aus, wenn der Gläubiger, der zuvor eine Bürgschaft verlangt hatte, die Urkunde behalten hat, was nach der Lebensauffassung darauf schließen lässt, dass er mit der Bürgschaftserklärung einverstanden ist (BGH NJW 1997, 2233; 2000, 1563; Düsseldorf 11.6.2015 – I-16 U 81/14 Rn 32). Hat der Antragende zum Zwecke der Vertragserfüllung einen Scheck mit der Bestimmung übergeben, dass er nur bei Annahme des Vertragsangebots eingelöst werden darf, und hat er gleichzeitig auf eine Annahmeerklärung verzichtet, so ist in der widerspruchslos erfolgenden Einlösung des Schecks regelmäßig die Annahme des Vertragsantrags zu sehen (BGH NJW-RR 1986, 415, 416; NJW 1990, 1656, 1657f zum wirksamen Abschluss eines Abfindungsvertrags; Köln MDR 2000, 407, 408). Doch gilt das nicht, wenn sonstige Umstände das Fehlen eines wirklichen Annahmewillens ergeben (BGHZ 111, 97, 101f = BGH NJW 1990, 1655; LG Duisburg RRa 2009, 160 LS; s auch BVerfG NJW 2001, 1200). Ein wichtiges Indiz dafür, dass ein Annahmewille fehlt, ist auch ein Missverhältnis zw der Höhe der angebotenen Abfindung und derjenigen der abzugeltenden Forderung (BGH NJW 2001, 2324). Je krasser dieses Missverhältnis ist, desto ferner liegt es, das Einreichen des Schecks als Annahme des Abfindungsangebots anzusehen (BGH NJW 2001, 2324; 2013, 778 Rn 39f; LG Hof NJW-RR 2011, 1551, 1552). Dies gilt umso mehr, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, sondern es sich um die Konstellation einer sog Erlassfalle handelt (BGH NJW 2001, 2324; Koblenz NJW 2003, 758, 759; München VersR 2005, 962, 963; Schönfelder NJW 2001, 492ff). § 151 gilt auch für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags. So bedarf es für die Annahme eines Antrags auf Aufhebung einer Kfz-Versicherung keines Zugangs, wenn nach einem entspr Antrag des Versicherers unter Bezugnahme auf eine geplante Verschrottung des Kfz der Versicherungsnehmer die Prämienzahlung einstellt (LG Bremen VersR 2008, 1388, 1389). Bei einer betrieblichen Übung nimmt der ArbN durch widerspruchslose Leistungsentgegennahme das Vertragsangebot an (BAG NZA-RR 2014, 375 Rn 59; NJW 2016, 1342 Rn 16). 6 2. Vorbereitungshandlungen. Auch bloße Vorbereitungshandlungen können bereits eine genügende Betätigung des Annahmewillens zum Ausdruck bringen. Doch wird man idR bei einer Warenbestellung erst die Absendung, nicht schon die Auswahl als Annahme zu werten haben (Schleswig NJW 2004, 231f). Anders ist dies dann, wenn die Auswahl erkennbar im Hinblick auf eine bestimmte Bestellung vorgenommen wird, ohne dass es zur Versendung einer weiteren Entscheidung des Verkäufers bedarf (Staudinger/Bork Rn 17; zu streng LG Gießen NJW-RR 2003, 1206f – Internet-Bestellung: frühestens Absendung). Einer Annahme steht es nicht entgegen, dass der Antragsempfänger noch in der Lage ist, die Auslieferung an den Antragenden zu verhindern (RGZ 102, 370, 372; aA Staudinger/Bork Rn 17). Eine Annahme kann ferner in einer Erklärung ggü Dritten liegen, sofern diese nicht nur die Absicht, sondern den Annahmewillen selbst offenbart (Staudinger/Bork Rn 21). 6a Im SEPA-Lastschriftverfahren ermächtigt der Schuldner den Gläubiger schriftlich zum Einzug; zugleich erteilt er der Schuldnerbank (Zahlstelle) die Einwilligung iSv § 675j I 1, 2 zur Abbuchung (§ 651j Rn 1). Die Rspr zum 512
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früheren Lastschriftverfahren, die mangels Abbuchungsauftrags von einem Angebot der Gläubigerbank an die Schuldnerbank zur Lastschrifteinlösung ausging, das sodann durch die Schuldnerbank nach § 151 angenommen werde (BGHZ 79, 381, 386 = BGH NJW 1981, 1669), ist damit überholt. V. Vertragsschluss. 1. Annahmeerklärung. Der Vertrag kommt mit der nach außen hervorgetretenen An- 7 nahmehandlung (Rn 5f) zustande. Der Antragende braucht nicht in der Lage zu sein, von der Annahme Kenntnis zu erlangen (vgl RGZ 84, 320, 323). Ist der Vertrag nach § 151 zustande gekommen, so kann der Verkäufer ihn nicht mehr einseitig, zB durch Rückruf versendeter Ware, rückgängig machen. Die Annahme ist unwiderruflich; § 130 I 2 ist nicht – auch nicht analog – anwendbar (RGZ 102, 370, 372; Flume II § 35 II 3 [S 656f]; Staudinger/Bork Rn 22; MüKo/Busche Rn 9; aA Brehmer JuS 1994, 386, 390f: Widerruf der Annahmeerklärung analog § 130 I 2 so lange möglich, wie beim Gegner kein Vertrauen auf die Perfektion des Vertrags erzeugt wurde). 2. Anforderungen an die Erklärung. Die Annahme nach § 151 ist eine nicht empfangsbedürftige Willens- 8 erklärung (MüKo/Busche Rn 3; Staudinger/Bork Rn 14; aA Flume II § 35 II 3 [S 655]: „Willensgeschäft“; s auch Schwarze AcP 202, 607, 612f). Der Streit über die Rechtsnatur hat praktisch keine Bedeutung, da die Anwendung der Vorschriften über Willenserklärungen – außer § 130 I (Rn 7) – sachgerecht ist und allg M entspricht (BGH NJW-RR 1994, 280, 281; Flume II § 35 II 3 [S 655]; Neuner § 37 Rn 40). Darüber hinaus sind auch die §§ 164ff auf die Annahme nach § 151 anwendbar (BGH NJW-RR 1986, 415, 416). Allerdings ist ein wirklicher Annahmewille erforderlich; auf die obj Erklärungsbedeutung kommt es grds nicht an, da der Vertrauensschutz keine Rolle spielt (BGHZ 111, 97, 101 = BGH NJW 1990, 1655; 2000, 276, 277; s auch Rn 5). Keine Annahme liegt daher vor, wenn der Handelnde von einem bereits geschlossenen Vertrag ausgeht (BGHZ 209, 105 = BGH NJW 2016, 1441 Rn 38) oder wenn ihm das Bewusstsein fehlt, ein anderer könne sein Verhalten als Äußerung eines bestimmten Geschäftswillens deuten. Verbraucht zB ein Kaufmann zugesandte Waren, die er nicht bestellt hat, weil er irrtümlich glaubt, es seien seine eigenen, so fehlt es ihm am Betätigungsbewusstsein. In diesem Fall kann auch ohne förmliche Anfechtung der Anschein einer Annahme durch Richtigstellung beseitigt werden (Flume II § 35 II 3 [S 656]; MüKo/Busche Rn 10; s Rn 7; aA BeckOGK/Möslein Rn 24: Anfechtung entsprechend den allg Regeln). Doch muss der Empfänger, wenn obj eine Annahmehandlung vorliegt, das Fehlen des Betätigungsbewusstseins nachweisen (BGH NJW-RR 1986, 415; Soergel/Riesenhuber Rn 27). Wusste der Empfänger jedoch, dass sein Verhalten nach außen den Annahmewillen zum Ausdruck bringt, so kann er sich entspr § 116 nicht auf das Fehlen des Annahmewillens berufen, wenn er in Wahrheit nicht annehmen wollte (Neuner § 37 Rn 41; Grü/Ellenberger Rn 2b). Hat sich der Empfänger bei der Betätigung seines Annahmewillens geirrt, wurde er arglistig getäuscht oder widerrechtl bedroht, so ist die Annahme nach §§ 119, 123 anfechtbar (Neuner § 37 Rn 41; Staudinger/Bork Rn 23; MüKo/Busche Rn 10; offenlassend BGH NJW-RR 1986, 415, 416). War dem Antragenden die Annahme zur Kenntnis gelangt, so kann ihm analog § 122 ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zustehen (Staudinger/Bork Rn 23). 3. Rechtzeitigkeit (S 2). Die Dauer der Annahmefähigkeit bestimmt sich nach dem Willen des Antragenden 9 (S 2). Dieser kann auch im Falle des § 151 eine Annahmefrist (§ 148) setzen (RGZ 124, 336, 338). Fehlt es an einer solchen Fristsetzung, muss der mutmaßliche Wille des Antragenden den Umständen des Einzelfalls entnommen werden; § 147 II ist insoweit nicht anwendbar (BGH NJW 1999, 2179, 2180). Bsp: Das Angebot eines abstrakten Schuldanerkenntnisses, das während der Urlaubszeit bei einem großen Unternehmen eingeht, kann auch noch nach drei Wochen angenommen werden (BGH NJW 2000, 2984, 2985 m Anm Armbrüster EWiR § 151 BGB 1/01, 9f). Ist ein Wille des Antragenden, seine Bindung zeitl zu begrenzen, nicht ersichtlich, bleibt er an den Antrag bis zur Ablehnung durch den Empfänger gebunden (BGH NJW 1999, 2179, 2180; aA BeckOGK/Möslein Rn 31). Oft wird sich freilich aus den Umständen, insb aus der Interessenlage des Antragenden, eine kurze Annahmefrist ergeben (MüKo/Busche Rn 8). Bei einer Gesamtzusage, die auf eine dauerhafte Handhabung durch den ArbGeb angelegt ist, erlischt der Antrag erst durch eine gegenteilige Erklärung des ArbGeb (BAG ArbR 2010, 15).
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Annahme bei notarieller Beurkundung
Wird ein Vertrag notariell beurkundet, ohne dass beide Teile gleichzeitig anwesend sind, so kommt der Vertrag mit der nach § 128 erfolgten Beurkundung der Annahme zustande, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Die Vorschrift des § 151 Satz 2 findet Anwendung. I. Grundregeln. § 152 sieht eine Ausnahme vom Zugangserfordernis der Annahmeerklärung vor, wenn ein 1 Vertrag notariell beurkundet wird und beide Parteien bei Beurkundung der Annahme nicht gleichzeitig anwesend sind (zum Umfang der Belehrungspflichten des Notars in solchen Fällen s BGH NJW 2012, 619 Rn 13ff; Armbrüster in Armbrüster/Preuss/Renner BeurkG § 17 Rn 185ff). Gleichgültig ist es, ob die Beurkundung durch Gesetz oder Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist (MüKo/Busche Rn 2; Staudinger/Bork Rn 2). Der Grund für den Verzicht auf das Zugangserfordernis liegt darin, dass das beurkundete Angebot alle Regelungen enthält und die Annahme sich auf die Einverständniserklärung reduziert; § 152 dient damit zugleich der Beschleunigung und Vereinfachung (Karlsruhe NJW 1988, 2050). Ist für ein Rechtsgeschäft gleichzeitige Anwesenheit beider Partner vorgeschrieben (zB §§ 925, 1410), so ist die in § 152 vorausgesetzte getrennte Beurkundung von Antrag und Annahme ausgeschlossen.
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Die Bindung des Antragenden an sein notariell beurkundetes Angebot dauert nicht endlos. Sie richtet sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden (S 2 iVm § 151 S 2; s § 151 Rn 8). Eine verspätete Annahme gilt nach § 150 I als neuer Antrag. II. Abdingbarkeit. § 152 ist nicht zwingend (Karlsruhe NJW 1988, 2050). Der Antragende kann bestimmen, dass die Annahmeerklärung ihm auch zugehen muss, so dass der Vertrag erst mit dem Zugang zustande kommt. Die Bestimmung kann konkludent erfolgen (RGZ 76, 364, 366). Hat der Antragende eine Frist für die Annahme gesetzt, so kann dies bei Hinzutreten weiterer Umstände besagen, dass die Annahme dem Antragenden innerhalb der Frist zugehen oder er von ihr zuverlässig Kenntnis haben muss (RGZ 96, 273, 275). Eine Mitteilung durch Dritte kann genügen. Die Fristsetzung allein rechtfertigt das Zugangserfordernis noch nicht (MüKo/ Busche Rn 4; Soergel/Riesenhuber Rn 5; Staudinger/Bork Rn 7; aA RGZ 76, 364, 366; 96, 273, 275; Grü/Ellenberger Rn 2); dafür bedarf es eines deutlichen Hinw (Flume II § 35 II 1 [S 650]). Nicht zu folgen ist dem RG (RGZ 76, 273, 275) daher darin, dass derjenige beweispflichtig sein soll, der behauptet, dass trotz Fristsetzung Kenntnis von der Annahme nicht nötig sei. Oft wird eine abw Vorgabe des Antragenden nur bedeuten, dass die Benachrichtigung eine zusätzl Verpflichtung des Annehmenden darstellt, der Vertrag jedoch schon mit der Beurkundung wirksam geworden ist (BGH NJW-RR 1989, 198, 199). Bleibt die Benachrichtigung aus, so ist der Antragende gem § 242 zur Rückfrage verpflichtet (RGZ 96, 273, 277). III. Entsprechende Anwendung. § 152 gilt analog auch bei gem § 61 BeurkG landesrechtl zulässigen Beurkundungen durch andere Behörden (RGZ 68, 393; MüKo/Busche Rn 2). Ein mit Wissen des Verkäufers von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossener notarieller Vertrag wird, wenn nichts anderes vereinbart ist, mit der notariellen Beurkundung der Genehmigung des Vertretenen wirksam, ohne dass diese Erklärung des Zugangs bedarf (Karlsruhe NJW 1988, 2050; MüKo/Busche Rn 2; aA Tiedtke BB 1989, 924, 926ff). Nicht – auch nicht analog – anwendbar ist die Norm hingegen, wenn privatschriftliche Form erforderlich ist (RGZ 93, 175, 176; Celle 7.1.2010 – 6 U 92/09; Naumburg 27.9.2011 – 4 U 75/11; Staudinger/Bork Rn 2).
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Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Antragenden
Das Zustandekommen des Vertrags wird nicht dadurch gehindert, dass der Antragende vor der Annahme stirbt oder geschäftsunfähig wird, es sei denn, dass ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist. I. Grundregeln. Stirbt der Antragende oder wird er geschäftsunfähig, nachdem er den Antrag abgegeben hat, jedoch bevor dieser dem anderen zugegangen ist, so kann der Antrag, wie aus § 130 II folgt, trotzdem durch Zugang noch wirksam werden (§ 130 Rn 24). § 153 knüpft daran an und bestimmt, dass trotz des Todes oder der Geschäftsunfähigkeit im Zweifel der Antrag noch angenommen werden und somit der Vertrag zustande kommen kann. Die Vorschrift regelt folglich die Annahmefähigkeit des Angebots. Dabei ist es gleichgültig, ob Tod oder Geschäftsunfähigkeit vor oder nach Zugang des Antrags eingetreten ist (Staudinger/Bork Rn 2). Beim Tod des Antragenden muss eine empfangsbedürftige Annahmeerklärung, mag sie auch noch an den Erblasser gerichtet sein, dem Erben zugehen (Soergel/Riesenhuber Rn 16). Die Annahmefrist verlängert sich dann um die Zeit, die zur Ermittlung des Erben nötig ist. Eine vom Erblasser gesetzte Annahmefrist verlängert sich dagegen nicht, da in den Fällen des § 148 anders als bei § 147 II kein Wertungsspielraum besteht (aA offenbar Hk/Dörner Rn 5). Bei einer geringfügigen Fristüberschreitung kann der Erbe jedoch nach § 242 daran gehindert sein, sich auf die Verspätung zu berufen, wenn sie erkennbar durch Schwierigkeiten bei der Erbenermittlung hervorgerufen wurde. Bleibt ein Antrag nach dem Tod des Antragenden wirksam, so folgt daraus, dass auch die Annahme wirksam bleibt, wenn der Antragende vor Zugang der Annahme stirbt (Hamm NJW-RR 1987, 342, 343; zum Tod des Gegners s Rn 6). Diese Grundsätze gelten auch für die Annahme des in der Einräumung einer Bezugsberechtigung liegende Schenkungsangebot des Versicherungsnehmers (BGH NJW 2008, 2702 Rn 21f). § 153 enthält eine Auslegungsregel (Staudinger/Bork Rn 5; aA Flume II § 35 I 4 [S 646]; MüKo/Busche Rn 4: obj Rechtssatz). Der Vertrag kommt ausnahmsw nicht zustande, wenn ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist. Dieser Wille muss irgendwie zum Ausdruck gekommen sein. Lässt sich der wirkliche Wille des Antragenden nicht feststellen, so kommt es darauf an, welchen Willen er mutmaßlich nach den Umständen, der Art und dem Inhalt des Geschäfts gehabt hätte, wenn ihm das eintretende Ereignis bekannt gewesen wäre (Neuner § 37 Rn 23f). Ist nach dem Inhalt des Antrags oder den Umständen anzunehmen, dass der Antragende für den Fall des Todes oder der Geschäftsunfähigkeit einen anderen Willen gehabt hat, so erlischt der Antrag. Das wird zB zutreffen, wenn sich aus dem Inhalt der Annahme ergibt, dass der Antragsgegner nur mit dem Antragenden persönlich abschließen wollte, zB bei einer Kreditgewährung (MüKo/Busche Rn 3) oder wenn der Antragende Gegenstände nur für seinen persönlichen Gebrauch kaufen wollte. Dasselbe gilt, wenn der zu schließende Vertrag selbst durch Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Antragenden hinfällig geworden wäre (§§ 613, 672, 673, 675, 727). Auf den Willen des Antragsempfängers kommt es nicht an; dieser braucht auch nicht den „anderen Willen“ des Antragenden gekannt zu haben (RG SeuffA 81, 20). Demggü sieht Flume (II § 35 I 4, 646) in § 153 keine Auslegungsregel, sondern einen die Bindungswirkung der Offerte ergänzenden und durch sie bestimmten Rechtssatz. Der Antrag gelte nur dann nicht fort, wenn aus seinem Sinn für den Empfänger erkennbar werde, dass der Vertrag nur mit dem Antragenden persönlich zustande kommen solle (dem folgend Medicus/Petersen AT Rn 377; MüKo/Busche Rn 4; ähnl Soergel/Riesenhuber Rn 12). II. Einzelfälle. Wird einem Dritten durch Anlegung eines Sparbuchs auf seinen Namen eine Zuwendung auf den Todesfall gemacht (§ 331), so kann der Begünstigte das ihm von der Sparkasse übermittelte Schenkungs514
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angebot des Sparers noch nach dessen Tode auch ohne ausdrückl Willenserklärung annehmen (§ 130 II, §§ 153, 151), wodurch im Valutaverhältnis ein wirksamer Schenkungsvertrag zustande kommt (BGHZ 46, 198, 203f = BGH NJW 1967, 101; 1975, 382, 383; WM 1976, 1130, 1131; LG Aachen ErbR 2015, 334, 336; MüKo/Busche Rn 5; aA Medicus/Petersen BürgR Rn 392ff). Ein Schenkungsangebot kann auch durch Testament gem § 130 I 2 widerrufen werden (BGH NJW-RR 2018, 518 Rn 18ff). Bei einer Lebensversicherung hindert der Tod des Versicherungsnehmers vor Zugang der Annahmeerklärung nicht das Zustandekommen des Versicherungsvertrags; auch die Tatsache, dass der Todesfall vor Vertragsschluss eingetreten ist, steht einem vertragl Anspruch auf die Versicherungssumme nicht stets entgegen (BGH VersR 1990, 729, 730; Köln VersR 1997, 51, 52; Armbrüster in Prölss/Martin VVG31, 2021, § 2 Rn 14). Bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag kommt nach dem Tode des Erblassers eine Anwendung von § 153 nicht mehr in Betracht, da nunmehr der konkrete Pflichtteilsanspruch erlassen werden müsste (BGHZ 134, 60, 63ff = BGH NJW 1997, 521). Bei einem auf Übertragung einer Gesellschaftsbeteiligung gerichteten Antrag sind die Erben des Veräußerers idR dann gebunden, wenn ihnen die Erfüllung gesellschaftsrechtl möglich ist (näher Mülsch/Penzel ZIP 2004, 1987, 1993). Ein arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag kommt auch zustande, wenn der ArbGeb das Angebot vor dem Tod des ArbN erhält, es aber erst danach annimmt. Allerdings ist in diesem Fall die Leistungspflicht des ArbN (Aufgabe des Arbeitsplatzes) nach § 275 I bereits bei Vertragsschluss ausgeschlossen. Daher entsteht nach § 326 I 1 auch keine Pflicht des ArbGeb zur Zahlung einer Abfindung (LAG Baden-Württemberg NZA-RR 2022, 124). III. Ersatz des Vertrauensschadens. Hat der Antragsempfänger in Unkenntnis, dass es sich nur um zum 4 persönlichen Gebrauch bestimmte Leistungen handelte, bereits mit der Ausführung des Auftrags begonnen, bevor er von dem vor der Annahme eingetretenen Tod des Auftraggebers erfährt, so steht ihm grds ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens analog § 122 zu (Clasen NJW 1952, 14; Enneccerus/Nipperdey § 161 III 2 [S 992f]). Konnte der Antragsempfänger nämlich den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen nicht erkennen, verdient er denselben Schutz wie der Gegner eines wegen Irrtums Anfechtenden. Flume, der nur auf den obj erkennbaren, nicht aber auf den im Einzelfall dem Angebotsempfänger uU gerade nicht erkennbaren (Staudinger/ Bork Rn 5) mutmaßlichen „anderen Willen des Antragenden“ abstellt (II § 35 I 4 [S 647]), lehnt folgerichtig diese Analogie ab. Der Tod des Antragenden sei ein Risiko, das der Antragsgegner tragen müsse, wenn sich aus dem Inhalt des Antrags ergab, dass der Vertrag nur mit dem Antragenden persönlich zustande kommen sollte (ebenso MüKo/Busche Rn 4; BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 10; ähnl Soergel/Riesenhuber Rn 19). Allg bejaht wird eine Haftung indessen, wenn die Erben selbst ein Verschulden trifft, sie zB den Annehmenden nicht rechtzeitig benachrichtigt haben (Staudinger/Bork Rn 8). Handelte der Antragende schuldhaft, zB weil er mit seinem Tod rechnen musste, so haften die Erben gem § 311 II, § 241 II, § 280 I (cic). IV. Entsprechende Anwendung. § 153 gilt entspr bei Eintritt beschränkter Geschäftsfähigkeit (Soergel/Rie- 5 senhuber Rn 9; MüKo/Busche Rn 2; aA Jauernig/Mansel Rn 2; Staudinger/Bork Rn 14). Die Annahme muss jedoch, soweit nicht ein Fall des § 151 vorliegt, dem gesetzl Vertreter erklärt werden. Entspr anwendbar ist § 153 auch auf den Eintritt einer Verfügungsbeschränkung durch Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung sowie durch die §§ 1365, 1369 (Soergel/Riesenhuber Rn 9; Staudinger/Bork Rn 17) oder § 1424 (RGZ 111, 185, 190) und im Falle der Verschmelzung (Mutter/Stehle GmbHR 2003, 290 [unmittelbare Anwendung]). Wird über das Vermögen des Antragenden vor der Annahme das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist ebenfalls noch Annahme möglich, freilich ohne dass § 153 entspr herangezogen werden muss (BGH NJW 2002, 213, 214, Staudinger/Bork Rn 15); der Vertrag kommt mit dem Gemeinschuldner zustande. Dies gilt auch für dingliche Verträge; sie sind jedoch nach §§ 81, 91 InsO ggü den Gläubigern unwirksam, wenn über einen Massegegenstand verfügt worden ist. V. Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Gegners. Die Wirkungen des Todes und der Geschäftsunfähigkeit des 6 Antragsgegners regelt das Gesetz nicht. Stirbt der Antragsgegner vor Zugang des Antrags, so kann dieser grds nicht mehr wirksam werden. Zwar kann die Auslegung dazu führen, dass der Antrag bei Tod des Antragsgegners an die Erben gerichtet sein soll; doch ist dies idR nicht anzunehmen (vgl MüKo/Busche Rn 7). – Stirbt der Antragsgegner nach Zugang, jedoch vor Annahme des Antrags, so können die Erben wirksam annehmen, wenn die Rechtsmacht des Erblassers, durch Annahme den Vertrag zur Entstehung zu bringen (§ 145 Rn 19), auf sie übergegangen ist. Eine Vermutung hierfür besteht nicht (MüKo/Busche Rn 7; Staudinger/Bork Rn 11). Durch Auslegung des Antrags ist zu ermitteln, ob der Antragende den Vertrag nur mit dem Erblasser oder auch mit den Erben schließen wollte. Hatte der Erblasser die Annahmeerklärung bereits abgegeben, so kommt der Vertrag nach § 130 II in jedem Fall zustande. – Bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit muss der Antrag, um wirksam zu werden, dem gesetzl Vertreter (§ 131) zugehen; nur dieser kann den Antrag annehmen. Gleiches gilt bei Eintritt beschränkter Geschäftsfähigkeit, wenn das Geschäft dem Antragenden nicht lediglich rechtl vorteilhaft ist.
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Offener Einigungsmangel; fehlende Beurkundung
(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat. (2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist. Armbrüster
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Rechtsgeschäfte
Schrifttum: Diederichsen, Der Auslegungsdissens, FS H. Hübner, 1984, 421; Diederichsen, Der logische Dissens, FS Jur Gesellschaft zu Berlin, 1984, 81; Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung, 1972; Leenen, Abschluss, Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrages – zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Dissens, AcP 188 (1988), 381; Leenen, Faktischer und normativer Konsens, Liber amicorum J. Prölss, 2009, 153; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen – Eine Kritik des herrschenden Methodendualismus, 2016; van Venrooy, Vereinbarte „Beurkundung“ im Sinne von § 154 Abs 2 BGB, DStR 2012, 565.
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I. Überblick. Die §§ 154, 155 sind Auslegungsregeln (vgl BGH NJW 2006, 2843 Rn 10; NJW-RR 2014, 1423 Rn 31; NVwZ-RR 2020, 866 Rn 8; Diederichsen, FS H. Hübner, 421, 428), die eingreifen, wenn sich die Parteien nicht über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben. Abw hiervon meint Leenen (AcP 188, 381, 401ff), dass § 154 I lediglich den Grundsatz der negativen Vertragsfreiheit bei der gemeinsamen Zustimmung zu einem vorliegenden Vertragstext sichere; diesen durchbreche § 155 zum Schutze des Verkehrs. Die §§ 154, 155 sollen nach Leenen (AcP 188, 381, 405) hingegen nicht auf den Vertragsschluss im Wege der Antrag-Annahme-Technik nach §§ 145–153 anwendbar sein. Damit würde indessen der Anwendungsbereich der §§ 154, 155 unnötig eingeengt. – § 154 bezieht sich auf den offenen Dissens, bei dem die Parteien sich bewusst nicht über alle Punkte geeinigt haben, über die nach der Erklärung zumindest einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden sollte. Demggü betrifft § 155 den versteckten Dissens, bei dem die Parteien irrtümlich meinen, sich über alle Punkte geeinigt zu haben. Für den offenen Dissens bestimmt § 154, dass der Vertrag im Zweifel nicht geschlossen ist (nicht: dass ein Vertrag zwar zustande gekommen, aber nichtig ist). Diese Rechtsfolge greift demnach nur ein, wenn sich aus den Erklärungen der Vertragschließenden nicht ein anderes ergibt. Maßgeblich ist mithin der Parteiwille (Bork AT Rn 769). II. Offener Dissens (Abs I). 1. Erfasste Vertragspunkte. Haben sich die Parteien über einen Punkt des Vertrags nicht geeinigt, der zu den essentialia negotii, also zu den obj Wesenselementen des Vertrags (Vor § 145 Rn 4) gehört, so ist von vornherein kein Vertrag zustande gekommen (BGH NJW 1997, 2671; 2006, 2843 Rn 13). Das folgt bereits aus dem Vertragsbegriff (Leenen AcP 188, 381, 411); es liegt ein „logischer Dissens“ vor (Diederichsen, FS Jur Gesellschaft zu Berlin, 81ff). § 154 I 1 ist in diesem Fall nicht anwendbar, da der von dieser Vorschrift vorausgesetzte Auslegungsspielraum von vornherein fehlt (Staudinger/Bork Rn 3; i Erg wohl auch BGH NJW 1997, 2671; MüKo/Busche Rn 3). Ein Vertrag ist freilich zustande gekommen, wenn die essentialia bestimmbar sind. Die Parteien können sich daher insb vertragl binden, ohne eine abschließende Einigung über die genaue Höhe des Preises erzielt zu haben (BGH NJW 1981, 2756, 2757; BGHZ 119, 283, 288 = BGH NJW 1993, 64; Stuttgart NJW-RR 2011, 202, 203ff). In solchen Fällen kann die Festlegung des Preises gem §§ 315ff einer Partei überlassen worden sein (vgl BGH NZKart 2021, 240 Rn 11; Stuttgart NJW-RR 2011, 202, 204; Staudinger/Bork Rn 8). Ist dies nicht der Fall und lässt sich die Höhe des Preises weder durch Auslegung noch durch Heranziehung der allg gesetzl Regeln (insb § 612 II, § 632 II, § 653 II) ermitteln, so fehlt es an der erforderlichen Bestimmbarkeit. Ein Vertrag ist dann von vornherein nicht zustande gekommen, ohne dass auf § 154 I zurückzugreifen ist. § 154 I betrifft mithin nur die accidentalia negotii. § 154 ist anzuwenden, wenn sich die Parteien darüber bewusst sind, dass sie sich noch nicht über alle accidentalia negotii geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung hätte getroffen werden sollen (BGH NJW 2017, 175 Rn 14). Haben die Parteien sich nur scheinbar über die bestimmte Höhe eines Werklohns geeinigt, so liegt ein „logischer Dissens“ vor. Eines Rückgriffs auf §§ 154, 155 bedarf es dann nicht. Ein solcher Dissens kann nicht durch § 632 II behoben werden, da dieser voraussetzt, dass eine Vergütungsabrede fehlt (i Erg zutr Bremen NJW-RR 2009, 668, 669; Staudinger/Peters/Jacoby § 632 Rn 46; aA MüKo/Busche § 632 Rn 19). Der Vertrag ist zB im Zweifel dann nicht geschlossen, wenn die Parteien sich nur darüber geeinigt haben, dass der Kaufpreis durch Verrechnung erbracht werden soll, aber nicht darüber, welche der in Betracht kommenden bestr Gegenforderungen zur Tilgung verwandt werden (BGH NJW-RR 1999, 927). Dabei unterscheidet das Gesetz nicht nach der obj Wesentlichkeit des offen gebliebenen Punktes. Vielmehr genügt es, dass über diesen Punkt nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden sollte (BGH NJW 1998, 3196 – Anzahlung; 2013, 598 Rn 31 – noch nicht benannter Fluggast). Die Auslegungsregel des § 154 I greift auch ein, wenn – sei es auch nur nach dem erkennbaren Willen einer Partei – ein aus mehreren Vertragsteilen bestehender einheitlicher Gesamtvertrag geschlossen werden sollte (vgl BGH WM 1966, 16; BAG NZA-RR 2015, 9 Rn 53f): Hier genügt es zum Vertragsschluss nicht, dass sich die Parteien lediglich über einen Vertragsteil geeinigt haben. Es steht ihnen allerdings frei, zunächst über einzelne Punkte eine bindende Einigung zu erzielen (BGH NJW 1951, 397; NJW 1960, 430 – Gesellschaftsvertrag; NJW 2002, 817, 818 – Maklervertrag; Karlsruhe NJOZ 2012, 809f– Schiedsgerichtsvereinbarung). Verhandeln die Parteien über Änderungen eines bestehenden Vertrags, so kann aus der fehlenden Einigung in einem Punkt nicht ohne weiteres auf die Unverbindlichkeit der Einigung in einem anderen Punkt geschlossen werden, es sei denn, dass auch nur ein Vertragspartner erkennbar die Zusammengehörigkeit mehrerer Vertragspunkte gewollt hat (BGH WM 1966, 16 – Gesellschaftsvertrag; MüKo/Busche Rn 8). 2. Einigungswille. Allein der innere Wille einer Partei, sich noch über einen Punkt zu einigen, genügt für einen Dissens nicht (vgl § 116 S 1). Dieser Wille muss vielmehr ausdrückl oder durch schlüssiges Verhalten ggü der anderen Partei erklärt sein (BGH NJW-RR 1990, 1009, 1011; Brandenburg BeckRS 2021, 717 Rn 18). Nur dann liegt ein offener Einigungsmangel vor. War den Parteien der Einigungsmangel bewusst, steht die Tatsache, dass sie einen offenen Dissens nicht als solchen erkannt haben, der Anwendung des § 154 I nicht entgegen (BGH NJW-RR 1999, 927; aA BeckOGK/Möslein Rn 21). Praktisch ist dies insb dann bedeutsam, wenn die Parteien ei516
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nen Punkt bewusst ungeregelt gelassen haben, weil sie diesen aufgrund eines Rechtsirrtums für nicht regelungsbedürftig hielten. 3. Beweislast. Wer behauptet, ein Vertrag sei zustande gekommen, muss die Einigung nicht nur über die essentialia negotii, sondern auch über die subj wesentlichen Nebenpunkte (accidentalia negotii) nachweisen (Gsell AcP 203, 119, 134f; MüKo/Busche Rn 10). Es besteht keine Vermutung, dass mit der Einigung über die essentialia negotii der Vertrag wirksam geworden ist (Oldenburg DB 1996, 2534; MüKo/Busche Rn 10). Steht die Einigung über die essentialia allerdings fest, so hat die Gegenseite darzulegen und zu beweisen, dass über weitere Punkte eine Einigung iSd § 154 I 1 erzielt werden sollte (BGH NJW-RR 1990, 1009, 1011; Staudinger/Bork Rn 16). Erst dann obliegt es dem anderen Vertragsteil, den Gegenbeweis zu erbringen, dass eine Einigung über diese Punkte tatsächlich erreicht wurde (Staudinger/Bork Rn 16; vgl BGH NJW-RR 1990, 1009, 1011). 4. Punktation (Abs I S 2). Auch eine Aufzeichnung einzelner Punkte vor einer Einigung über den ganzen Vertrag (Punktation) enthält nach § 154 I 2 im Zweifel noch keine Einigung (Brandenburg ZMR 2010, 23; Schleswig SchlHA 2016, 61 Rn 45). Das gilt auch dann, wenn für die offengelassenen Punkte eine gesetzl Regelung besteht. Soll ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr befristet werden – was rechtl nur unter Wahrung der Schriftform möglich ist (§ 550) – spricht eine tatsächliche Vermutung gegen eine Bindung vor Unterzeichnung einer Vertragsurkunde (Brandenburg ZMR 2010, 23). Als Anhaltspunkte für die Einordnung als Punktation können dienen: die Überschrift „Gesprächsnotiz“, die Bezeichnung als „kurzfristige Fixierung“, der Hinw, dass eine „Paketlösung“ angestrebt sei, die spätere Korrespondenz der Parteien durch Bezugnahme auf „Entwürfe“, „beigefügte Punkte“ (Stuttgart 17.9.2008 – 14 U 10/08). Für eine Punktation spricht auch die englischsprachige Bezeichnung einer Abrede als „Draft“ (LG Mannheim 7.4.2009 – 2 O 1/07). Vgl auch zum Begriff „Deal-Memo“ Schleswig SchlHA 2016, 61 Rn 45. 5. Abweichende Auslegung. Die Auslegungsregel des § 154 I gilt nur „im Zweifel“. Sie ist nicht anzuwenden, wenn sich die Parteien erkennbar vertragl binden wollten, obwohl noch wesentliche Punkte offen waren. Ein solcher Bindungswille kann sich konkludent aus den Umständen ergeben (BGH NJW 1983, 1727, 1728; vgl Frankfurt NJOZ 2015, 916 Rn 163). Deutliche Anzeichen hierfür sind die notarielle Beurkundung (BGH NJW 2006, 2843 Rn 10; Ritzinger NJW 1990, 1201, 1202) sowie die begonnene Vertragsdurchführung (BGHZ 119, 283, 288 = BGH NJW 1993, 64, 65; 2002, 817, 818; NZM 2005, 704, 705; Düsseldorf NJOZ 2012, 532; München NJW-RR 2023, 322 Rn 37), daneben deren Fortsetzung trotz erfolgter Änderungskündigung (BGH NJW 2000, 356). Nach der Lebenserfahrung wollen die Parteien grds nicht in einem vertragslosen Zustand handeln, in dem ihre Leistungen nach den für Dauerbeziehungen nicht passenden §§ 812ff zu beurteilen wären (BGHZ 41, 271, 275 = BGH NJW 1964, 1617, 1618; 1983, 1727, 1728). Durch den bewussten Vollzug des lückenhaften Vertrags bekunden die Vertragspartner deshalb die „grds Geltung“ des Vertrags (vgl auch Lindacher JZ 1977, 604, 605: Selbstinterpretation durch späteres Verhalten). So ist zB, wenn sich die Parteien bei Abschluss eines Gesellschaftsvertrags bewusst noch nicht über die Bewertung der einzubringenden Gegenstände geeinigt, sie die Gesellschaft aber gleichwohl einvernehmlich in Vollzug gesetzt haben, die Gesellschaft nicht fehlerhaft, sondern rechtl voll wirksam (BGH NJW 1960, 430; s auch Vor § 145 Rn 41). Entspr gilt für Arbeitsverhältnisse (BAG AP Nr 1). Auch kann aus einem bestehenden Handelsbrauch auf eine Vertragsbindung geschlossen werden (vgl Frankfurt NJW 1977, 1015, 1016; MüKo/Busche Rn 6). Ferner spricht die Existenz eines Kontrahierungszwangs (Vor § 145 Rn 27ff) für einen solchen Bindungswillen (BGHZ 41, 271, 275 = BGH NJW 1964, 1617, 1618; Soergel/Riesenhuber Rn 15; Staudinger/Bork Rn 7). Als weiteres Indiz kommt die Vereinbarung einer salvatorischen Klausel in Betracht (BGH NZM 2005, 704, 705). Bei Abschluss eines Vorvertrags kann bereits dieser hinsichtl einzelner Punkte eine Einigung der Parteien enthalten (BGH NJW 2006, 2843 Rn 10). Die Annahme eines Vorvertrags ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, dass sich die Parteien ausnahmsw bereits vor der abschließenden Einigung über alle regelungsbedürftigen Punkte vertragl binden wollten (Karlsruhe ZMR 2010, 680). 6. Lückenfüllung. Ist eine Bindung grds gewollt, so sind die Lücken im Wege erg Vertragsauslegung (§§ 133, 157; vgl BGH NJW 1975, 1116, 1117 – Vertragsdauer; 1997, 2171, 2172 – Miethöhe; NJW-RR 2000, 1560, 1561f – Speditionsentgelt; NJW 2009, 2443 Rn 44 – Fristenregelung) oder nach den allg gesetzl Bestimmungen auszufüllen (BGH NJW-RR 1992, 517f; Staudinger/Bork Rn 9), zB nach § 612 II, § 632 II, § 653 II (BGH NJW 1997, 2671, 2672; 2002, 817, 818) oder analog § 315 (vgl BGHZ 41, 271, 275 = BGH NJW 1964, 1617, 1618) oder § 316 (Düsseldorf MittBayNot 2002, 44 – Festlegung der Grundstücksfläche). Dabei kann die Art und Weise der tatsächlichen Vertragsdurchführung ein Indiz für den Parteiwillen bei Vertragsschluss bieten (BGHZ 119, 283, 288 = BGH NJW 1993, 64). Die Parteien können eine Einigung über die offen gebliebenen Vertragsinhalte auch späterer einvernehmlicher Regelung vorbehalten (vgl RGZ 124, 81, 84: Grenze dort, wo der nähere Vertragsinhalt der freien Entschließung der Parteien überlassen bleiben soll; Stuttgart NJW-RR 2011, 202, 203; Staudinger/Bork Rn 9). Nur in Ausnahmefällen wird eine Lückenfüllung unmöglich sein, zB bei der Vereinbarung eines betragsmäßig nicht festgelegten „Freundschaftspreises“ (BGH NJW-RR 2000, 1658). Dann fehlt es von vornherein an einer Ausfüllbarkeit der Lücke (BeckOGK/Möslein Rn 31). 7. Treuwidrigkeit. Ist die Partei, die ihre Verpflichtung erfüllt hat, gewillt, die offengebliebene Vertragslücke iSd bisherigen Vorschläge ihres Vertragsgegners zu schließen, so kann die Berufung auf einen offenen Einigungsmangel als venire contra factum proprium nach Treu und Glauben (§ 242) ausgeschlossen sein (BGH LM § 154 Nr 2; Flume II § 34, 6e [S 629]; Staudinger/Bork Rn 10). Dasselbe gilt für die Berufung auf § 154 II (dazu sogleich) (BGH NJW-RR 1987, 1073, 1074; van Venrooy DStR 2012, 565, 568). Armbrüster
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III. Beurkundungsabrede (Abs II). 1. Voraussetzungen. Haben die Parteien vor oder bei Vertragsschluss dessen Beurkundung verabredet, so ist nach der Auslegungsregel des § 154 II im Zweifel anzunehmen, dass trotz der Willenseinigung der Vertrag erst zustande kommt, wenn die Beurkundung erfolgt. § 154 II ist damit vorrangig ggü § 125 S 2, der nicht das Zustandekommen des Vertrags, sondern allein dessen Formwirksamkeit betrifft (aA BeckOGK/Möslein Rn 33: Berücksichtigung der Normkonkurrenz auf Tatbestandsebene). Erst wenn eine Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, greift die Vermutung des § 154 II ein (AG Siegburg BtPrax 2008, 229, 230). Der Ausdruck „Beurkundung“ ist nach dem Zweck von § 154 II weit auszulegen (vgl Flume II § 34, 6g [S 633]; aA BeckOGK/Möslein Rn 35); darunter fallen neben Schriftform (BGH RIW 2010, 65, 66; Celle NJW-RR 2000, 485, 486; Düsseldorf NJOZ 2013, 2096, 2098) und notarieller Beurkundung insb auch elektronische Form iSd § 126a und Textform iSd § 126b. Die Verabredung einer Beurkundung kann auch stillschw (Celle MDR 1960, 398; Brandenburg 11.11.2014 – 6 U 108/13 Rn 35f; Koblenz VersR 1995, 662) erfolgen. Bloßes Schweigen genügt dafür nach den allg Regeln nicht (Vor § 116 Rn 8ff). Eine stillschw Abrede ist bei längerfristigen, bedeutsamen und komplexen Geschäften idR zu vermuten (BGH NJW 1990, 576; NJW-RR 1993, 235, 236; Brandenburg 21.11.2007 – 4 U 169/06; Flume II § 34, 6g [S 633]; MüKo/Busche Rn 12). Das Beurkundungserfordernis kann sich auch aus einer Verkehrssitte ergeben (vgl RGZ 103, 73, 75; zur vereinbarten konstitutiven Wirkung eines Bestätigungsschreibens s § 147 Rn 5; vgl auch Kuchinke JZ 1965, 167ff). Zur Erfüllung des Erfordernisses kann eine Sukzessivbeurkundung ausreichend sein (Staudinger/Bork Rn 12). Soll die Beurkundung aber nach dem Willen der Parteien keinen rechtserzeugenden Charakter haben, sondern nur der Beweiserleichterung dienen, gilt § 154 II nicht (BGH NJW 1964, 1269, 1270; 2009, 433 Rn 27; Jena NZBau 2004, 55, 57; Düsseldorf NJOZ 2013, 2096, 2098; Brandenburg 11.6.2014 – 4 U 59/13; Stuttgart NZBau 2017, 412 Rn 55). Hierfür sind freilich, auch im kaufmännischen Verkehr, konkrete Anhaltspunkte erforderlich (BGH NJW-RR 1991, 1053, 1054; Hamm NJW-RR 1995, 274, 275). § 154 II gilt nicht, wenn eine Partei ausdrückl eine Frist für die eigene Bindung an die Erklärung aufstellt (Bremen NJW-RR 2018, 1009, 1011f). Für wichtige und langfristige Verträge, wie zB Abreden über die Bestellung einer Sicherungsgrundschuld, ist keine bloße Beweiserleichterung, sondern eine echte Beurkundungsvereinbarung zu vermuten (BGHZ 109, 197, 200 = BGH NJW 1990, 576; NJWRR 1993, 235, 236). Eine Vermutung besteht zB auch für den Fall, dass eine Gemeinde einen wirtschaftl bedeutsamen Vertrag mit einer Kapitalgesellschaft schließt (Düsseldorf OLGRp 2009, 67, 68). Andererseits zwingt selbst ein Handelsbrauch, der die Bestätigungen als für den Vertrag konstitutiv ansieht, nicht zur Annahme einer Beurkundungsvereinbarung (BGH NJW 1964, 1269, 1270). Nach Vertragsschluss getroffene Beurkundungsvereinbarungen dienen idR nur der Beweiserleichterung (BGH NJW 1994, 2025, 2026). § 154 II ist hier nicht anzuwenden (MüKo/Busche Rn 12). Es kann allerdings sein, dass durch die nachträgl Vereinbarung der ursprüngl Vertrag aufgehoben und durch einen neuen, beurkundungsbedürftigen Vertrag ersetzt werden soll (MüKo/ Busche Rn 12; Staudinger/Bork Rn 14). Die Parteien können ein vereinbartes Formerfordernis im Nachhinein ausdrückl oder konkludent aufheben (BGH NJW 1983, 1727, 1728; 2009, 433 Rn 30; KG NZM 2005, 537 – konkludente Aufhebung durch einvernehmlichen Vertragsvollzug; Düsseldorf BauR 2009, 1465, 1468; Staudinger/ Bork Rn 14; § 127 Rn 6). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann dem nachträgl Verhalten der Vertragsparteien entnommen werden, dass sie unter der als konstitutiv vereinbarten Schriftform nur diejenige Form verstanden, die sie anschließend verwirklicht haben (BGH NJW 2000, 354, 356; NZM 2000, 548). – § 154 II besagt nichts darüber, ob die für einen Hauptvertrag vereinbarte Form auch für den entspr Vorvertrag gelten soll. Hier ist der Parteiwille unabhängig von der Regel des Abs II daraufhin auszulegen, ob die Beurkundung für beide Verträge oder nur für den Hauptvertrag erforderlich sein sollte (BGH LM Nr 4 = NJW 1958, 1281; MüKo/Busche Vor § 145 Rn 65). 2. Irrtum über Beurkundungserfordernis. Gehen die Parteien irrtümlich davon aus, dass für den von ihnen beabsichtigten Vertrag notarielle Beurkundung gesetzl vorgeschrieben sei, so kommt durch mündliche übereinstimmende Erklärungen kein Vertrag zustande, weil die Parteien nicht den Willen haben, sich bereits durch mündliche Erklärungen rechtl zu binden (Düsseldorf DB 1970, 1778; MüKo/Busche Rn 13; s auch Vor § 145 Rn 6). 3. Beweislast. Wer behauptet, dass für einen Vertrag, der nach obj Recht nicht der Form bedarf, Beurkundung vereinbart worden sei, ist dafür beweispflichtig (MüKo/Busche Rn 17; Staudinger/Bork Rn 17; aA RG WarnRsp 1922 Nr 48; Reinicke JZ 1977, 159, 164). Da die Beurkundung nach § 154 II im Zweifel konstitutive Kraft hat, muss das Nichteingreifen der Auslegungsregel derjenige beweisen, der behauptet, dass die Beurkundung nur Beweiszwecken dient (BAG NJW 1997, 1597; LAG Hamm16.9.2011 – 19 Sa 711/11; LAG Rh-Pf BeckRS 2016, 113579 Rn 17; MüKo/Busche Rn 17; zum Vorgehen in der Praxis van Venrooy DStR 2012, 565, 568f). 4. Analoge Anwendung. § 154 II gilt analog, wenn die Beurkundung nicht verabredet wurde, sondern lediglich nach der Erklärung einer Partei erfolgen sollte (Flume II § 34, 6g [S 633]; aA BeckOGK/Möslein Rn 38; offenlassend für von einer Partei verlangte Schriftform Celle BeckRS 2022, 37689 Rn 48). Zudem ist die Vorschrift analog auf nicht protokollierte Gesellschafterbeschlüsse anzuwenden, wenn der Gesellschaftsvertrag ein Protokoll vorschreibt (Stuttgart DB 1983, 1480, 1480f; aA BeckOGK/Möslein Rn 36). Dasselbe gilt für einseitige Erklärungen, die in einen Vertrag aufgenommen werden (Staudinger/Bork Rn 15).
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Vertrag
§ 155
§ 155
Versteckter Einigungsmangel
Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen sein würde. I. Überblick. § 155 betrifft den versteckten Dissens. Er liegt vor, wenn beide Parteien irrtümlich glauben, dass sie sich über alle Punkte, über die eine Vereinbarung getroffen werden sollte, geeinigt haben, während in Wahrheit eine Einigung nicht vorliegt. Vom offenen Dissens (§ 154) unterscheidet er sich dadurch, dass den Parteien der Einigungsmangel nicht bewusst ist (MüKo/Busche Rn 1). Erfasst werden wie beim offenen Dissens nur Einigungsmängel hinsichtl der accidentalia negotii; bei fehlender Einigung über ein essential kommt es hingegen von vornherein nicht zu einem Vertragsschluss („logischer Dissens“ s § 154 Rn 2; unzutr daher München NJWRR 2010, 64, 65 und NZBau 2011, 487, 488). II. Abgrenzungen. Bei einem versteckten Dissens deckt sich der durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermittelnde Inhalt der Parteierklärungen nicht (BGH NJW 1995, 2637, 2638; BauR 1999, 668, 669; NJW 2003, 743). Der versteckte Dissens ist deshalb von der Irrtumsanfechtung und von der falsa demonstratio zu unterscheiden. 1. Irrtumsanfechtung. Bei der Irrtumsanfechtung liegen obj übereinstimmende Erklärungen vor, aber die Erklärung einer Partei weicht von deren Willen ab; eine Diskrepanz, die durch Anfechtung zur Nichtigkeit der Erklärung führt (§ 142 I); der Anfechtende hat gem § 122 den Vertrauensschaden zu ersetzen (BGH NJW 1961, 1668, 1669; Celle NJW-RR 2020, 1097 Rn 30). Beim versteckten Dissens stimmen Wille und Erklärung jeder Partei für sich genommen überein. Jedoch divergieren die Erklärungen der Parteien ihrem Inhalt nach. Während sich die Parteien im Falle des § 119 also im Irrtum über die eigene Erklärung befinden, irren sie sich beim versteckten Dissens darüber, dass die eigene Erklärung mit der des Gegners übereinstimmt, etwa weil ein Missverständnis vorliegt (RGZ 58, 233, 234; Soergel/Riesenhuber Rn 15). 2. Falsa demonstratio. Bei der falsa demonstratio stimmt der Wille der Parteien überein, beide benutzen jedoch eine falsche Bezeichnung (RGZ 99, 147, 148 – Haakjöringsköd). Da die Parteien dasselbe wollen, irren sie sich letztlich nicht über die erzielte Übereinkunft. In diesem Fall gilt das von ihnen Gewollte (st Rspr; s nur BGHZ 71, 243, 247 = BGH NJW 1978, 1483; 1998, 746, 747; ebenso grds bei formbedürftigen Verträgen BGHZ 87, 150, 154f; Schleswig NJW-RR 2011, 1233, 1234). § 155 ist nicht anwendbar. III. Fallgruppen. 1. Versehentliche Unvollständigkeit. Meinen die Parteien, über einen bestimmten Vertragspunkt Einigkeit erzielt zu haben, vergessen oder übersehen sie aber schließlich, diesen Punkt zu regeln, so liegt ein Fall des § 155 vor (MüKo/Busche Rn 10). Dabei muss § 155 restriktiv angewendet werden (BGH 23.5.2012 – VII ZR 113/11 Rn 1 m Anm Bock, jurisPR-PrivBauR 10/2012 Anm 1 gegen München NZBau 2011, 487, 488 [Vorinstanz]). Keinen versteckten Dissens stellt freilich eine nach allg Regeln zu schließende Vertragslücke dar, die dadurch entsteht, dass die Parteien den fraglichen Punkt überhaupt nicht bedacht haben und deshalb eine Vereinbarung darüber gar nicht haben treffen wollen (Staudinger/Bork Rn 7). 2. Erklärungsdissens. Meinen die Parteien irrig, dass ihre schon obj nicht übereinstimmenden Willenserklärungen sich decken, indem sie einem Missverständnis unterliegen, sich zB verhören oder verlesen, dann liegt ein verdeckter Dissens vor (Hamm NJW-RR 1998, 1747f; MüKo/Busche Rn 11). Hingegen ist eine Einigung anzunehmen, wenn eine inhaltlich umfassende Annahmeerklärung wie „ja“ oder „einverstanden“ abgegeben wurde (BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 8; Staudinger/Bork Rn 8). 3. Scheinkonsens. Am bedeutsamsten ist der Fall, dass sich die Erklärungen der Parteien äußerlich decken, die Auslegung aber ergibt, dass einer der verwandten Begriffe obj mehrdeutig ist und beide Parteien ihn unterschiedlich verstanden haben (RGZ 68, 6, 9: Telegraphenschlüssel „Semilodei“; RGZ 116, 274, 275: „Typenflug“; BGH NJW-RR 1993, 373: mehrdeutige Erstattungsklausel für Investitionszulagen [Abgrenzung zur falsa demonstratio; s Rn 2f]; Köln NJW-RR 2000, 1720: „Best-of-Album“; Jena NZBau 2004, 438, 439: „lichtes Maß“; KG NJW-RR 2008, 300, 301: „Naturstein“; Schleswig NJW 2016, 2045 Rn 18: „Fünftürer trotz anderslauternder Verkäuferchiffre“; s auch Staudinger/Bork Rn 9; gegen Anwendung von § 155 auf diesen Fall Leenen, Liber amicorum J. Prölss, 2009, 153, 157f). Bei der Prüfung, ob Ein- oder Mehrdeutigkeit vorliegt, kommt es allerdings nicht nur auf den äußeren Wortlaut, sondern auch auf den durch Auslegung (§§ 133, 157) der Erklärung zu ermittelnden Sinn des Ganzen an (RGZ 100, 134, 135; 146, 120, 128; BGH BauR 1999, 668, 669; NJW 1992, 1446, 1447). Schulfall: A schickt B ein Buch zu; die Zusendung ist als Leihe gemeint und wird als Geschenk aufgefasst. Hier stimmen Wille und Erklärung bei jeder Partei überein, die Erklärungen sind jedoch ihrem Inhalt nach mehrdeutig. Haben die Parteien trotz mehrdeutiger Bezeichnung dasselbe gewollt, so liegt kein versteckter Dissens vor, sondern eine falsa demonstratio (Rn 2). 4. Missverständliche oder widersprüchliche AGB. Auf missverständliche oder widersprüchliche AGB ist § 155 nicht anwendbar, da insoweit § 305c II und § 306 vorrangig sind (BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 10). IV. Einschränkungen des Anwendungsbereichs. Eine Anwendung des § 155 und seiner Rechtsfolgen scheidet aus, wenn nicht nach allg Regeln insb der §§ 133, 157 vom Zustandekommen eines inhaltlich eindeutigen Vertrags ausgegangen werden kann (Schleswig NJW 2016, 2045 Rn 18 m krit Anm Schneider). § 155 ist ebenfalls dann nicht anzuwenden, wenn schon eine der Einzelerklärungen nicht die nötige Bestimmtheit und Eindeutigkeit aufweist, sie insb für sich allein widerspruchsvoll ist (sog perplexe Willenserklärung; aA BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 3; s auch Hamburg ZMR 1997, 350). Eine Einigung scheitert hier schon daran, dass es an wirksamen Einzelerklärungen fehlt. § 155 ist ferner nicht anwendbar, wenn die Erklärungen zwar obj mehrdeutig sind, der Gegner aber den Irrtum einer Partei erkannt hat oder doch erkennen musste; hier liegt eine für den Gegner des Armbrüster
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ersichtlich Irrenden eindeutige Erklärung vor. Es gilt das von der irrenden Partei Gewollte. Der innere Vorbehalt des Gegners, dies nicht zu wollen, ist nach § 116 unbeachtlich (RGZ 93, 297, 299; BGH BB 1983, 927). Auch der Grundsatz von Treu und Glauben führt in diesem Fall dazu, eine Verbindlichkeit der getroffenen Regelung anzunehmen (vgl RGZ 100, 134, 135). Erkennt der Gegner dagegen lediglich die Mehrdeutigkeit der Erklärung, ohne den wirklichen Willen des Erklärenden zu durchschauen, ist § 155 anwendbar (MüKo/Busche Rn 8; aA BeckOGK/Möslein Rn 18). Im Bereich der AGB enthält die sog Unklarheitenregel des § 305c II für mehrdeutige Klauseln eine ggü § 155 vorrangige Regelung (vgl Staudinger/Bork Rn 12; MüKo/Busche Rn 3): Die Klausel ist zulasten des Verwenders auszulegen (näher § 305c Rn 3, 19ff; s auch § 157 Rn 14). V. Rechtsfolgen. Liegt ein versteckter Dissens vor, so ist der Vertrag mangels Einigung an sich nicht zustande gekommen. Diesen Grundsatz setzt § 155 voraus und macht, um das fehlerfrei Vereinbarte möglichst aufrechtzuerhalten, davon eine Ausnahme (Leenen/Häublein AT § 8 Rn 173). Ist anzunehmen, dass die Parteien den Vertrag auch ohne den Punkt, über den eine Vereinbarung nicht getroffen ist, geschlossen haben würden, so gilt das tatsächlich Vereinbarte. Ob die Auslegungsregel eingreift, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (Diederichsen, FS H. Hübner, 421, 441). Sie setzt voraus, dass der nicht geregelte Punkt nicht zu den essentialia negotii gehört, sondern ein accidentale betrifft (Rn 1), das nicht als so wesentlich anzusehen ist, dass die Wirksamkeit des Vertrags nach dem Willen der Parteien von einer Einigung darüber abhängen sollte (RGZ 93, 297, 299; BGH DB 1978, 978; MüKo/Busche Rn 14). Ist der Vertrag nach § 155 gültig, so folgt daraus nicht, dass der Nebenpunkt ungeregelt bleibt. Die Lücke ist nach den dispositiven gesetzl Vorschriften des betreffenden Vertragstyps und, soweit solche nicht bestehen oder nicht dem Parteiwillen entsprechen, im Wege erg Vertragsauslegung (§§ 133, 157) auszufüllen (BGH DB 1978, 978, 979; Staudinger/Bork Rn 16). Hat eine Partei das Nichtzustandekommen des Vertrags durch Herbeiführung eines Missverständnisses verschuldet, so ist sie der anderen Partei gem § 311 II, § 241 II, § 280 I (cic) zum Ersatz des dadurch entstandenen Vertrauensschadens verpflichtet (vgl RGZ 143, 219, 221; Jena NZBau 2004, 438, 439; Soergel/Riesenhuber Rn 24; Staudinger/Bork Rn 17; aA Flume II § 34, 5 [S 626]; MüKo/Busche Rn 15 – arg: die Vertragsnichtigkeit und daraus resultierende Schäden hätten sich beide Kontrahenten selbst zuzuschreiben). Bei mitwirkendem Verschulden ist § 254 anzuwenden (Jena NZBau 2004, 438, 439; Soergel/Riesenhuber Rn 24); § 122 II gilt nicht (RG JW 1932, 735, 739). VI. Beweislast. Wer sich auf einen versteckten Dissens beruft, trägt hierfür die Beweislast (Staudinger/Bork Rn 18). Dagegen hat derjenige, der sich auf die Restgültigkeit des Vertrags beruft, die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Vertrag auch ohne den Dissenspunkt zustande gekommen wäre (Düsseldorf OLGRp 2009, 67, 69; MüKo/Busche Rn 16; s auch Gsell AcP 203, 119, 135). VII. Entsprechende Anwendung. Eine entspr Anwendung des § 155 wird befürwortet, wenn die Erklärungen äußerlich eindeutig sind, aber beide Parteien etwas anderes als das Erklärte und – insoweit im Unterschied zur falsa demonstratio (Rn 2) – etwas anderes als der Gegner gewollt haben (so noch MüKo/Kramer5 Rn 13). Dieser Sichtweise ist zuzugeben, dass bei einem solchen beiderseitig gemeinsamen Irrtum der Parteien die Schadensersatzregelung des § 122 zu zufälligen Ergebnissen führen kann, je nachdem, welche von ihnen zuerst die Anfechtung nach § 119 erklärt (Enneccerus/Nipperdey § 177 VI [S 1086]). Allerdings dürfen die Wertungen der §§ 119ff nicht durch § 155 verdrängt werden (Soergel/Riesenhuber Rn 15). Deshalb muss grds die Anfechtung möglich bleiben. Unbilligkeiten können nach § 242 ausgeglichen werden (vgl Enneccerus/Nipperdey § 177 VI [S 1086]; Leenen, Liber amicorum J. Prölss, 2009, 153, 174; MüKo/Busche Rn 6); bei beiderseitigem Motivirrtum liegt auch eine Lösung über die Grundsätze der subj Geschäftsgrundlage (vgl § 313) nahe (Staudinger/Bork Rn 6).
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Vertragsschluss bei Versteigerung
Bei einer Versteigerung kommt der Vertrag erst durch den Zuschlag zustande. Ein Gebot erlischt, wenn ein Übergebot abgegeben oder die Versteigerung ohne Erteilung des Zuschlags geschlossen wird. I. Anwendungsbereich. § 156 ist anwendbar auf alle privatrechtl Versteigerungen (Staudinger/Bork Rn 10). Das sind die Versteigerungen nach §§ 383ff, § 753 iVm §§ 1233ff, § 966 II, § 975 S 2, §§ 979, 1219f, 1233ff sowie nach §§ 373, 376 HGB. Die Norm hat keine dingliche Wirkung; der Zuschlag bewirkt nur den Verkauf, während der Eigentumsübergang sich nach den §§ 929ff richtet (RGZ 153, 257, 260; BGHZ 138, 339, 347 = BGH NJW 1998, 2350). Eine Internet-Auktion stellt mangels Zuschlags keine Versteigerung iSd § 156 dar (BGH NJW 2005, 53, 54; BGHZ 211, 331 = NJW 2017, 468 Rn 19; Hamm NJOZ 2020, 1426 Rn 33; Brandenburg BeckRS 2020, 18840 Rn 9; Hoeren/Müller NJW 2005, 948, 949; NK/Kremer Anh § 156 Rn 11f; s auch § 145 Rn 7; § 312g Rn 19; aA AG Bad Hersfeld MMR 2004, 500; Bernhard ZGS 2005, 226ff); der Vertrag kommt durch das Höchstgebot des Bieters zum Ablaufzeitpunkt zustande (KG NJW 2005, 1053f). Freilich ist es aufgrund der Vertragsfreiheit möglich, § 156 über die Versteigerungsbedingungen zur Anwendung zu bringen (BeckOK/Eckert Ed 64 Rn 4). Das in der Zwangsversteigerung abgegebene Gebot stellt abw von § 156 keinen bürgerlich-rechtl Vertragsantrag dar, sondern eine Prozesshandlung (Staudinger/Bork Rn 11). Auf Versteigerungen wegen Geldforderungen im Zwangsvollstreckungsverfahren ist § 156 gem § 817 ZPO nur eingeschränkt anwendbar. Für Zwangsversteigerungen nach dem ZVG gilt § 156 nicht; insoweit sind vielmehr die §§ 71ff, § 81 ZVG maßgeblich. Das Höchstgebot begründet eine Amtspflicht des Gerichtsvollziehers zum Zuschlag; ein Verstoß kann Amtshaftungsansprüche gem§ 839 iVm Art 34 GG auslösen (Musielak/Voit/Flockenhaus § 817 ZPO Rn 3; Zöller/Herget § 817 520
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Vertrag
§ 157
ZPO Rn 6). Durch den Hoheitsakt des Zuschlags geht hier das Eigentum unmittelbar auf den Ersteher über. Auch auf Submissionsausschreibungen ist § 156 nicht anwendbar (Soergel/Wolf13 Rn 16). II. Zustandekommen des Vertrags (S 1). Da bei einer Versteigerung der Vertrag erst durch den Zuschlag zustande kommt (S 1), ist im Gebot des Bieters der Vertragsantrag, im Zuschlag die Annahme zu sehen (BGH NJW 1983, 1186; BGHZ 138, 339, 342). Das Ausgebot des Versteigerers ist vorbehaltlich abw Festsetzung (Rn 6) noch kein Antrag, sondern nur Aufforderung, Gebote abzugeben (invitatio ad offerendum; s § 145 Rn 4). Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446) kann – auch durch AGB – auf den Zeitpunkt des Zuschlags vorverlegt werden (Celle NJW-RR 2011, 132). Gebot und Zuschlag sind Willenserklärungen und unterliegen den für diese geltenden Grundsätzen; sie sind daher insb wegen Irrtums nach § 119 anfechtbar (Staudinger/Bork Rn 3). Der Zuschlag ist jedoch im Unterschied zum Gebot (MüKo/Busche Rn 4) keine empfangsbedürftige Willenserklärung (BGHZ 138, 339, 342 = BGH MDR 1998, 958). Er kann auch erteilt werden, wenn der Bieter nicht mehr anwesend ist (vgl § 15 S 2 BeurkG; zum Gebot s Rn 5). Aus der Einordnung als Willenserklärung folgt auch, dass der Versteigerer grds nicht verpflichtet ist, das Höchstgebot anzunehmen. Gebot und Zuschlag können auch durch elektronische Übermittlung im Internet abgegeben und wirksam werden (BGHZ 149, 129 = BGH NJW 2002, 363, 364); für InternetAuktionen ohne Zuschlag gilt § 156 freilich nicht; s Rn 1). Bei der Versteigerung von Grundstücken sind Gebot und Zuschlag gem § 311b I 1 notariell zu beurkunden (BGH NJW 1998, 2350; Frankfurt RNotZ 2013, 297, 303). Der Zuschlag wirkt im Unterschied zu demjenigen nach § 19 ZVG grds nicht dinglich (Bürger NotBZ 2011, 8, 12; Eichelberger Jura 2013, 82, 85). III. Erlöschen des Gebots (S 2). An sein Gebot ist der Bieter nach § 145 gebunden. Nach den allg Regeln von § 146 Fall 2, § 147 I 1 würde es freilich erlöschen, wenn es nicht sofort durch Zuschlag angenommen wird. Abw davon bestimmt S 2, dass das Gebot erst erlischt, wenn ein Übergebot abgegeben oder die Versteigerung ohne Zuschlag geschlossen wird. Auf die Wirksamkeit des Übergebots kommt es nicht an, weil der tatsächliche Hergang entscheidet und ein Interesse an alsbaldiger Klärung besteht (MüKo/Busche Rn 5; Soergel/Riesenhuber Rn 19; Staudinger/Bork Rn 4). Etwas anderes gilt nur, wenn die Ungültigkeit des Übergebots offenkundig ist (Soergel/Riesenhuber Rn 19). Maßgebend ist der Nennbetrag des Gebots; Umsatzsteuer ist nicht abzusetzen (RGZ 101, 365, 366f; Staudinger/Bork Rn 4). Aus § 146 Fall 1 folgt, dass ein Gebot außer in den beiden Fällen von S 2 auch durch Zurückweisung seitens des Versteigerers erlischt (Staudinger/Bork Rn 3). – Da der Vertrag erst durch den Zuschlag zustande kommt, kann der Versteigerer den Zuschlag verweigern; er ist vorbehaltlich abw Festsetzung (Rn 6) nicht verpflichtet, dem Meistbietenden den Zuschlag zu erteilen (v Hoyningen-Huene NJW 1973, 1474, 1477; s auch S 2: Möglichkeit, die Versteigerung trotz vorliegender Gebote zu schließen). Auf InternetAuktionen ist S 2 nicht analog anzuwenden. Für das Erlöschen eines Gebots aufgrund der Abgabe eines Übergebots kommt es deshalb gerade auf die Wirksamkeit dieses Übergebots an (BGHZ 211, 331 = BGH NJW 2017, 468 Rn 34f). IV. Ersteigerungsauftrag. Die Regelung des Ablaufs der Versteigerung durch § 34b GewO macht eine Abgabe der Gebote während der Auktion erforderlich, damit andere Interessenten noch rechtzeitig ein Übergebot abgeben können (VersteigererVO v 24.4.2003, BGBl I 2003, 547). Der einem Versteigerer schriftlich erteilte Ersteigerungsauftrag enthält daher nicht schon das Gebot als Kaufantrag, sondern nur den Auftrag an den Versteigerer, als Vertreter des Käufers in der Versteigerung Gebote abzugeben; der Versteigerer wird damit zugleich vom Verbot des Selbstkontrahierens gem § 181 befreit (BGH NJW 1983, 1186, 1187). Wird die Versteigerung ohne wirksamen Zuschlag geschlossen, so erlischt der Ersteigerungsauftrag nicht zwangsläufig. § 156 S 2 lässt zwar Gebote bei Abgabe eines Übergebots oder bei Beendigung der Versteigerung ohne Zuschlag erlöschen, ist aber auf einen Ersteigerungsauftrag auch nicht analog anwendbar. Die Auslegung des Auftrags kann vielmehr ergeben, dass dieser nicht auf den Erwerb in der Versteigerung beschränkt ist, sondern über die Versteigerung hinaus gilt, wenn diese ohne wirksamen Zuschlag geschlossen wird (BGH NJW 1983, 1186, 1187). V. Abweichende Vereinbarungen. § 156 ist nicht zwingend (BGHZ 138, 339, 343 = BGH NJW 1998, 2350; BGHZ 203, 273 = NJW-RR 2015, 951 Rn 22; Staudinger/Bork Rn 9; Rachlitz MittBayNot 2015, 457, 458). Der Versteigerer kann zB in seinen Versteigerungsbedingungen festsetzen, dass das Ausgebot bereits als bindender Antrag gilt, so dass jedes Gebot – vorausgesetzt, dass kein Übergebot abgegeben wird – zum Vertragsschluss führt und daher der Zuschlag erteilt werden muss. Ferner ist die Festsetzung möglich, dass ein Gebot nicht sofort durch Übergebot erlischt, sondern der Versteigerer eine Auswahl unter den Bietenden vornimmt. Die Bieter sind dann bis zur Entscheidung über den Zuschlag, der in angemessener Frist erfolgen muss, an ihr Gebot gebunden (vgl RGZ 96, 102, 103). Auch kann festgesetzt werden, dass der Zuschlag erst zu einem späteren Termin oder nur unter Vorbehalt erteilt wird (KG MDR 2004, 1402f). Der in derartigen Festsetzungen liegende Antrag auf Abweichung von den Regeln des § 156 wird vom Bieter dadurch angenommen, dass er widerspruchslos mitbietet (vgl Eichelberger Jura 2013, 82).
§ 157
Auslegung von Verträgen
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Schrifttum: Bickel, Die Methoden der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, 1976; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960; Canaris, Die Feststellung von Lü-
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Rechtsgeschäfte
cken im Gesetz, 2. Aufl 1983; Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlung, 2015; Ehricke, Zur Bedeutung der Privatautonomie bei der ergänzenden Vertragsauslegung, RabelsZ 60 (1996), 661; Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 2. Aufl 1964; Finkenauer, Ergänzende Auslegung bei Individualabreden, AcP 213 (2013), 619; J. Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, 1983; Hellwede, Handelsbrauch und Verkehrssitte, AcP 214 (2014), 853; Henckel, Die ergänzende Vertragsauslegung, AcP 159 (1960/61), 106; Kötz, Vertragsauslegung, FS Zeuner, 1994, 219; Kramer, Grundlagen der vertraglichen Einigung, 1972, 124; Larenz, Ergänzende Vertragsauslegung und dispositives Recht, NJW 1963, 737; Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930 (Nachdruck 1966); Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971; Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966; Mangold, Eigentliche und ergänzende Vertragsauslegung, NJW 1961, 2284; Mayer-Maly, Die Bedeutung des tatsächlichen Parteiwillens für den hypothetischen, FS Flume, 1978, 621; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016; Neuner, Vertragsauslegung – Vertragsergänzung – Vertragskorrektur, FS Canaris 2007, Bd 1, 901; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; Petersen, Die Auslegung von Rechtsgeschäften, Jura 2004, 536; Säcker, Rechtsgeschäftsauslegung und Vertrauensprinzip, JurA 1971, 508; Sandrock, Zur ergänzenden Vertragsauslegung im materiellen und internationalen Schuldvertragsrecht, 1966; Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, 1970; Stathopoulos, Zur Methode der Auslegung von Willenserklärungen, FS Larenz 1973, 357; Vollmer, Auslegung und Auslegungsregeln, 1988; Wieacker, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, JZ 1967, 385; Wiedemann, Die Auslegung von Satzungen und Gesellschaftsverträgen, DNotZ Sonderheft 1977, 99; Wiedemann, Ergänzende Vertragsauslegung – richterliche Vertragsergänzung, FS Canaris 2007, Bd 1, 1281; Wieser, Empirische und normative Auslegung, JZ 1985, 407; Zeller, Auslegung von Gesetz und Vertrag, 1989.
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I. Überblick. 1. Ratio. § 157 hat eine zweifache Bedeutung. Die Vorschrift ergänzt zum einen die gem § 133 für die Auslegung von Willenserklärungen geltende Regel (Rn 2). Zum anderen bildet § 157 die Grundlage der erg Auslegung, durch die planwidrige Unvollständigkeiten eines Vertrags behoben werden (dazu s Rn 15ff). Diese erg Vertragsauslegung tritt neben die sich auf die Parteierklärungen beziehende einfache Auslegung (zu ihr s Rn 5ff; eingehend § 133 Rn 14ff, 20ff). Unionsrechtl Erwägungen stehen der Vornahme einer erg Auslegung grds nicht entgegen (BGH ZIP 2023, 409 Rn 18; str). 2. Abgrenzung. Von den §§ 133, 242 unterscheidet sich § 157 wie folgt: a) § 133. Nach dem Gesetzeswortlaut bezieht sich § 133 auf die Auslegung einzelner Willenserklärungen, § 157 auf die Auslegung von Verträgen. Demnach müsste ein Vertrag schon geschlossen sein, ehe § 157 als Auslegungsvorschrift den § 133 ablösen kann. Rspr und Schrifttum haben jedoch den Geltungsbereich des § 157 über seinen engen Wortlaut hinaus erweitert, da der Grundsatz von Treu und Glauben für das gesamte Bürgerliche Recht maßgebend ist und damit auch die Auslegung im Bereich des § 133 umfasst (BGHZ 21, 319, 328 = BGH NJW 1956, 1475; NJW-RR 2000, 130; Enneccerus/Nipperdey § 206 III [S 1260]; Soergel/Riesenhuber Rn 1). § 133 und § 157 gemeinsam bilden die Grundlage für die Auslegung des rechtsgeschäftlich Gewollten; die Rspr führt sie dementspr regelmäßig zusammen an (s nur RGZ 128, 241, 245; BGH NJW 2001, 1859, 1860f; ZIP 2023, 409 LS 1). Die Willenserklärung gilt daher so, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung verstehen musste. Auch für die Frage, ob durch die Willenserklärungen der Parteien ein Vertrag zustande gekommen ist, sind beide Vorschriften maßgeblich (vgl etwa BGHZ 47, 75, 78 = BGH NJW 1967, 673). § 157 ist auch schon vor Vertragsschluss für die Auslegung des durch den Eintritt in Vertragsverhandlungen begründeten Vertrauensverhältnisses heranzuziehen. Der wesentliche Unterschied des § 133 ggü § 157 besteht allein darin, dass nach § 133 nur die Auslegung des tatsächlich Erklärten, des Erklärungstatbestandes (§ 133 Rn 11) möglich ist, wobei vorausgesetzt wird, dass das Gewollte in der Erklärung auch zum Ausdruck kommt. Diese Begrenzung kennt § 157 nicht. b) § 242. § 242 bestimmt, wie der Schuldner zu leisten hat, die Auslegung nach §§ 133, 157 dagegen, ob jemand Schuldner ist (vgl BGH NJW-RR 2003, 926) und welche Leistung er zu erbringen hat. Bevor die gebotene Art und Weise der Leistung (das „rechtl Sollen“) festgelegt werden kann, muss der Inhalt der Leistungspflicht (das „rechtl Wollen“) ermittelt werden (BGHZ 16, 4, 8 = BGH NJW 1955, 460). § 242 kann daher erst nach der Auslegung (§§ 133, 157) zum Zuge kommen; die (auch erg) Auslegung hat Vorrang (BGHZ 9, 273, 277ff = BGH NJW 1953, 937; BGHZ 164, 286, 292 = BGH NJW 2006, 54 Rn 24; Soergel/Riesenhuber Rn 13 zur ergänzenden Auslegung; vgl auch BGH NJW 2018, 2469 Rn 36 zum Wegfall der Geschäftsgrundlage). Die Grenzen lassen sich jedoch nicht immer scharf ziehen. Für das gesamte Vertragsrecht bestimmt der in § 157 und in § 242 aufgestellte Wertmaßstab von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte den Inhalt des Vertrags. 3. Anwendungsbereich. § 157 gilt für Verträge jeder Art, schuldrechtl, dingliche, familien- und erbrechtl (BGHZ 106, 359, 361 = BGH NJW 1989, 2885). Auch gesetzl besonders geregelte Vertragstypen werden erfasst (Bsp: Versicherungsvertrag; BGH NJW 2012, 3647 Rn 30). Die Norm gilt grds auch für Gesellschaftsverträge (s etwa RGZ 159, 272, 278; BGH NJW 2001, 3777, 3778; NJW-RR 2022, 261 Rn 22; eingehend § 705 Rn 86ff; Grunewald ZGR 2009, 647ff). Bei ihnen ist zw körperschaftlichen und individualvertragl Bestimmungen zu unterscheiden. Für erstere ist eine stark objektivierte Auslegung geboten (BGH NJW 1994, 51 LS; Koblenz NZG 2008, 423). § 157 gilt auch für Umwandlungsverträge (zB Ausgliederungsverträge nach § 123 UmwG; BGH NJW-RR 2004, 123, 124). § 157 ist weiter auf Vorverträge, vertragsähnl Verhältnisse und Naturalverpflichtungen anzuwenden. Die Norm gilt auch für die Frage, ob und welchem gesetzl geregelten Vertragstyp eine Parteivereinbarung zugeordnet werden kann (Rostock OLGRp 2009, 192 LS). Im Prozessrecht gilt § 157 für Prozessverträge, wie zB Zuständigkeitsvereinbarungen (RGZ 159, 254, 256; Hamburg VersR 1982, 341; vgl BGH NJW-RR 1996, 932; BGH NJW 2015, 2584 Rn 27 [betr auch Art. 8 CISG]), Schiedsverträge (BGH SchiedsVZ 2019, 355 Rn 19) und Prozessvergleiche (LAG Rh-Pf 25.11.2013 – 5 Sa 330/13; OVG Magdeburg 18.12.2014 – 2 L 78/12; Frankfurt GRUR-RS 2015, 17491 Rn 28). Im Arbeitsrecht gilt § 157 für Tarifverträge (BAG AP § 1 TVG Auslegung Nr 105) und Betriebsvereinbarungen, deren normativer Teil jedoch jew wie ein Gesetz auszule522
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Vertrag
§ 157
gen ist (Rn 5); bindende Festsetzungen von Entgelten und Fertigungszeiten sind wie Tarifverträge auszulegen (BAG BB 1976, 1663). – § 157 gilt grds auch für die Auslegung formbedürftiger Erklärungen (BGHZ 63, 359, 362 = BGH NJW 1975, 536; 1998, 3196). Es ist jedoch stets zu prüfen, ob die ausgelegte Erklärung der erforderlichen Form noch entspricht (BGH NJW 2000, 1569, 1570 zu einer Bürgschaftserklärung). Hierzu zieht die Rspr die sog Andeutungstheorie heran (Einzelheiten s § 125 Rn 28). Einer Auslegung nach § 157 sind auch Grundbucherklärungen zugänglich (München OLGRp 2008, 898, 899; zum Maßstab s Rn 5). Für strafbewehrte Unterlassungserklärungen gilt gleichfalls § 157; es gelten nicht etwa die Grundsätze zur Auslegung von Unterlassungstiteln (BGH NJW 2001, 2622, 2623; Stuttgart OLGRp 2009, 329). – Da der Grundsatz von Treu und Glauben das gesamte Bürgerliche Recht beherrscht (Rn 2), ist § 157 grds auch bei Auslegung einseitiger Rechtsgeschäfte (vgl nur BGH NJW 1990, 3206, 3207 – Auszahlungsanweisung; BGHZ 160, 354, 363 = BGH NJW 2004, 3413, 3416 – Teilungserklärung nach § 8 WEG; Frankfurt DNotZ 2004, 937, 939 – Betreuungsverfügung) und geschäftsähnl Handlungen (BGH NJW 1995, 45, 46) heranzuziehen. Dies gilt freilich nicht für die Auslegung von nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen, insb von Testamenten; insoweit verbleibt es bei § 133 (BGHZ 80, 246, 249 = BGH NJW 1981, 1736; 1993, 256; Petersen Jura 2005, 597; aA Enneccerus/Nipperdey § 206 III [S 1260 mit Fn 23]; Staudinger/Roth Rn 1); anders jedoch bei gemeinschaftlichem Testament und Erbvertrag (Hamm NJW-RR 2005, 450f; München NJW-RR 2006, 1597, 1598; § 2084 Rn 2). § 157 gilt weiter für die erg Auslegung von AGB (BGHZ 49, 167, 388 = BGH NJW 1968, 588; BGHZ 103, 228, 234 = BGH NJW 1988, 1590; NJW 2013, 991 Rn 31; MüKo/Busche Rn 30; s auch Rn 26), während sich ihre einfache Auslegung nach eigenen Regeln richtet (typischer Adressatenkreis; BGH NJW-RR 2014, 215 Rn 25; Düsseldorf TranspR 2016, 247; s auch Rn 5, 26). Der Rechtsgedanke des § 157 ist auch im öffentlichen Recht zu beachten, zB bei Auslegung von Verwaltungsakten (BVerwGE 12, 87; BFH BB 2007, 2171, 2173; s auch Stelkens in Stelkens/Bonk/ Sachs VwVfG9, 2018, § 35 Rn 71 zu § 133), Widerspruchsschreiben (BVerwG NJW 2002, 1137, 1139) oder öffentlich-rechtl Verträgen (zu ihnen s Vor § 145 Rn 15, 20ff). Zur Auslegung von Verträgen aufgrund öffentlicher Ausschreibung vgl BGH NJW 1997, 1577f; 2002, 1954, 1955; Celle ZfBR 2020, 562, 565). Die Auslegungsregeln gelten teils auch für fremdsprachliche Erklärungen (Armbrüster NJW 2011, 812, 815ff; vgl BGH NZG 2002, 779f; FamRZ 2006, 408 LS; Stuttgart IBR 2007, 72). II. Einfache Auslegung. 1. Auslegungsschritte. Die einfache (eigentliche, erläuternde) Auslegung knüpft an 5 eine konkrete Vereinbarung an. Maßgeblich ist, was die Vertragsteile erklärt haben und wie das Erklärte aus Sicht des anderen Teils (Empfängerhorizont) zu verstehen war (BGHZ 106, 359, 361 = BGH NJW 1989, 2885). Die Auslegung hat in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarung und den diesem zu entnehmenden obj erklärten Willen der Parteien zu berücksichtigen (BGHZ 121, 13, 16 = BGH NJW 1993, 721; 2003, 2382, 2383; GRUR 2022, 893 Rn 82; s auch § 133 Rn 24). Je nach Sachverhalt kann eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten sein (BGH NJW-RR 2003, 916, 917 – strafbewehrte Unterlassungserklärung; vgl aber bzgl jur Laien BGH NJOZ 2014, 1858 Rn 14). Der Wortlaut einer Leistungsbeschreibung ist auch ggü weniger detaillierten Plänen vorrangig (BGH NJW 2003, 743). In einem zweiten Schritt sind sodann die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Umstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH NJW-RR 2000, 1002, 1003; BAG NZA 2014, 1330 Rn 13; GRUR 2022, 893 Rn 82). Solche Umstände können zB in den Bestimmungen der AGB eines Internetauktionshauses zu sehen sein, welche im Verhältnis zw zwei Benutzern zur Auslegung heranziehbar sind (BGH NJW 2011, 2643 Rn 23ff; 2015, 1009 Rn 19; MMR 2016, 26 Rn 15; krit dazu und abl ggü der Heranziehung von „Hilfeseiten“ zur Auslegung Wagner/Zenger MMR 2013, 343. 346ff; krit zu den Erläuterungen der AGB des Internetportals Kulke NJW 2014, 1294; Alexander JR 2015, 289, 294). Es dürfen allerdings nur solche Umstände herangezogen werden, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren (BGHR 2006, 1509 LS; Rostock OLGRp 2009, 947, 949). Dies gilt auch bei einem klaren und eindeutigen Wortlaut (BGH NJW 2002, 1260; BAG NJW 2007, 1613 Rn 22). Maßgeblich sind auch der von den Parteien mit der Abrede verfolgte Zweck sowie deren Interessenlage (BGH NJW 1990, 441; 2003, 2235, 2236; NZG 2011, 1420 Rn 15). Einer normativen, an Treu und Glauben (Rn 6ff) und der Verkehrssitte (Rn 8ff) orientierten Auslegung bedarf es dabei idR deshalb, weil der konkrete, zw den Parteien geschlossene Vertrag oft auch dann, wenn er einem gesetzl normierten Geschäftstyp gleicht, ein eigenes Gepräge aufweist. Solange sich freilich der wirkliche, übereinstimmende Wille der Parteien ermitteln lässt, ist kein Raum für eine normative Auslegung nach § 157 (BGHZ 71, 243, 247 = NJW 1978, 1483; BGH NJW 1998, 746, 747; NJW 2002, 1260, 1261). Der übereinstimmende Wille der Parteien geht dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Auslegung vor (BGH NJW 1994, 1528, 1529; NJW-RR 2005, 687, 689; BB 2007, 1354 Rn 12; Rostock OLGRp 2009, 947, 949). Dies gilt auch für AGB (s § 305c Rn 20; BGHZ 113, 251, 259; UBH/Schäfer § 305c Rn 84). Bei ihnen wird sich freilich ein individuell gebildeter Wille häufig nicht ermitteln lassen, so dass in der Praxis eine obj Auslegung (vgl Rn 6) die Regel ist (München ZIP 2015, 1433; Grü/Grüneberg § 305c Rn 15f). Demnach sind Maßstab der Auslegung von AGB die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden aus dem betroffenen Verkehrskreis (BGH NJW 2010, 293 Rn 11; 2011, 2643 Rn 23; NJW-RR 2014, 215, 216; für Allg Versicherungsbedingungen ist auf die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abzustellen (st Rspr; BGH NJW 2021, 231 Rn 11; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG31, 2021, Einl Rn 260ff). – Tarifverträge sind in ihren normativen Teilen gesetzesähnlich auszulegen (st Rspr, BAG NJOZ 2019, 639; ErfK/Franzen § 1 TVG Rn 92; Staudinger/Singer § 133 Rn 75f). Dasselbe gilt für Betriebsvereinbarungen (BAG NZA 2022, 921 Rn 24; ErfK/Kania § 77 BetrVG Rn 30f). – Auch für Grundbucherklärungen gelten die og Grundsätze nur mit Modifikationen: Für sie sind in erster Linie der Wortlaut und die nächstliegende Bedeutung der Erklärung maßgeblich; sonstige Umstände sind nur heranziehArmbrüster
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Rechtsgeschäfte
bar, wenn sie offen zu Tage liegen (st Rspr; BGH NJW 2002, 1797, 1798). Dies gilt auch für im Grundbuch eingetragene Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen nach dem WEG (BGHZ 160, 354, 362f = BGH NJW 2004, 3413, 3415f; Suilmann in Bärmann, WEG15, 2023, § 10 Rn 77). 2. Treu und Glauben. a) Die Generalklausel Treu und Glauben stellt im Gegensatz zur Verkehrssitte (Rn 8ff) als einer obj feststehenden Tatsache einen Wertmaßstab dar, dem die Geltung von Verkehrssitten unterstellt wird. Ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt und wie Verträge nach Treu und Glauben auszulegen sind, hängt grds von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt darauf an, wie der billig und gerecht Denkende, der von der Verkehrssitte als obj Maßstab ausgeht, den Vertrag auslegen würde. Zu werten sind Inhalt und wirtschaftl Bedeutung des Vertrags sowie das gesamte Verhalten der Parteien unter genauer Abwägung der beiderseitigen Belange. Die Auslegung hat sich an der Interessenlage der Parteien zu orientieren (Gebot der interessengerechten Auslegung; BGHZ 131, 136, 138 = BGH NJW 1996, 248; 2011, 3287 Rn 13). Maßgeblich ist hierbei nicht, was einem Richter im Entscheidungszeitpunkt als interessengemäß erscheint, sondern der Einfluss, den das Interesse der Parteien auf den obj Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (BGHZ 204, 231 = BGH NJW 2015, 1672 Rn 21; BGH 3.11.2016 – I ZB 2/16 Rn 23). Auch ein öffentliches Interesse kann im Rahmen der Auslegung eines privatrechtl Vertrags berücksichtigt werden, zB das Interesse einer Stadt als Siedlungsträger am Geländeerwerb für Wohnungsneubauten (BGHZ 48, 296, 301 = BGH NJW 1967, 2351). Eine widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit durch den ArbN nach einem Änderungsangebot des ArbGeb kann nur dann als Annahme ausgelegt werden, wenn die Folgen der Vertragsänderung sich unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirken und für den ArbN erkennbar werden (BAG NJW 2009, 2475 Rn 15). b) Der Maßstab von Treu und Glauben gebietet es, nach Möglichkeit eine Auslegung zu vermeiden, die den Vertrag als widersprüchlich erscheinen lässt oder seinen Sinn in Frage stellt (BGH NJW 1993, 1976, 1978; 2005, 2618, 2619; MüKo/Busche Rn 6). Kommen mehrere Auslegungen in Betracht, von denen eine zur Nichtigkeit des Vertrags führt, so ist idR die andere geboten, da der Wille der Parteien im Zweifel auf eine den Vertragszweck nicht gefährdende Gestaltung gerichtet ist (BGHZ 152, 153 = BGH NJW 2003, 819, 820 [Anwaltshotline]; WRP 2011, 1302 Rn 26 [Lizenzvereinbarung]; MüKo/Busche Rn 13f zur Gesetzwidrigkeit; vgl auch BGH NJW 2002, 747, 748: Auslegung einer mit „Bürgschaft“ überschriebenen Vereinbarung als Freistellungsverpflichtung). Im Zweifel ist zudem davon auszugehen, dass die Parteien sich gesetzestreu verhalten wollten (BGH NJW 2004, 1240; Düsseldorf NZKart 2015, 109 Rn 43). Freilich kann die nach Treu und Glauben allein mögliche Auslegung auch zur Nichtigkeit oder Undurchsetzbarkeit einer Vertragsbestimmung führen (vgl BGHZ 60, 353, 356ff = BGH NJW 1973, 1190). Zunehmend werden Verträge, die dem dt Recht unterstehen sollen, in englischer Sprache abgefasst. Werden dabei Ausdrücke verwendet, die durch eine englischsprachige Rechtsordnung geprägt sind, so kann nach dem Maßstab des § 157 ungeachtet der Geltung deutschen Rechts dieses Begriffsverständnis maßgeblich sein (BGH VersR 1992, 595, 597 – Indemnity-Klausel; Hamburg VersR 1996, 229, 230). Bei Standardformulierungen wird eher eine dem ausländischen Verständnis entspr Auslegung geboten sein als bei individuell ausgehandelten Vereinbarungen (Maier-Reimer AnwBl 2010, 13ff). 3. Verkehrssitte. a) Überblick. Als Verkehrssitte ist die im Verkehr bestimmter Kreise herrschende tatsächliche Übung anzusehen (RGZ 49, 157, 162; BGH LM (B) Nr 1). Die Verkehrssitte unter Kaufleuten ist der Handelsbrauch iSd § 346 HGB (BGH NJW 1966, 502; s auch NJW-RR 2004, 554, 555). Er kann außerhalb des Handelsverkehrs zu einer allg Verkehrssitte erstarken (Koblenz NJW-RR 1988, 1306 betr Geltung der „Tegernseer Gebräuche“ beim Holzkauf durch einen Nichtkaufmann). Verkehrssitte und Handelsbrauch sind vom Gewohnheitsrecht zu unterscheiden. Dieses ist eine ranggleich neben dem Gesetz stehende obj Rechtsquelle, die unmittelbare Geltung besitzt. Bei jenen handelt es sich dagegen um tatsächliche Gewohnheiten und Gebräuche, die erst aufgrund Gesetzes, nämlich des § 157 und des § 346 HGB rechtl Bedeutung erlangen (so auch BGH NJW-RR 2006, 1157 Rn 13; NJW-RR 2012, 1480 Rn 20 – „Auslegungshilfe“; Oertmann Rechtsordnung und Verkehrssitte, 1914, 352; für Gleichstellung mit Gewohnheitsrecht Raiser Das Recht der AGB, 1935, 82ff). Eine Verkehrssitte kann freilich zum Gewohnheitsrecht werden, wenn zu der tatsächlichen Übung die Überzeugung aller Beteiligten hinzukommt, dass diese Übung auch rechtens ist (s etwa zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben § 147 Rn 5). b) Abgrenzung. Die Verkehrssitte bezieht sich meist auf die Leistungspflicht, zB auf die Frage, ob die Umsatzsteuer im Preis enthalten ist (BGHZ 60, 199, 203 = BGH NJW 1973, 755; 2001, 2464, 2465) oder ob eine Verpackung zurückgegeben werden muss (sog echte Verkehrssitte; MüKo/Busche Rn 20). Erfasst wird aber auch die sog Erklärungssitte, die einem mehrdeutigen Ausdruck einen eindeutigen Sinn gibt (BGH NJW 2004, 2230, 2232 – Wohnfläche; Dresden ZMR 2015, 120 Rn 19 – verlorener Baukostenzuschuss; MüKo/Busche Rn 19; Kiparski/Thoenes MMR 2015, 282, 283). Eine nicht die Voraussetzungen von Rn 8 erfüllende Übung zw den Vertragsparteien (sog Vertragssitte) kann zwar für die Auslegung bedeutsam sein, aber nicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssitte iSd § 157. c) Voraussetzungen. aa) Eine Verkehrssitte besteht nur dann, wenn sich bei allen an einem Geschäftszweig (zB Börsenhandel, Frachtgeschäft) beteiligten Kreisen einheitliche Anschauungen gebildet haben (BGH NJW 2001, 2464, 2465: gleichmäßige und einheitliche Übung). Die Annahme einer Verkehrssitte kommt auch dann in Betracht, wenn sich ein nur regional gültiger Handelsbrauch gebildet hat (MüKo/Busche Rn 22). Die Übung muss freilich in jedem Fall eine gewisse Festigkeit erlangt haben (BGHZ 111, 110, 112 = BGH NJW 1990, 1723). Erforderlich ist hierfür idR eine größere Zahl gleichwertiger Fälle im Verlauf eines längeren Zeitraums. Haben sich gewisse Gebräuche nur in einem begrenzten Interessentenkreis gebildet, so liegt eine Verkehrssitte noch nicht 524
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Vertrag
§ 157
vor. Stets müssen beide Parteien den für die Bildung der Verkehrssitte maßgebenden Kreisen angehören (RGZ 114, 9, 12; 135, 339, 345; BGH LM [B] Nr 1; s auch Flume II § 16, 3d [S 313]: keine Heranziehung zum Nachteil von außenstehenden Vertragspartnern). Zu dieser Gruppe gehören alle Personen, die auf demselben Sachgebiet gleichartige Interessenkonstellationen verwirklichen (Sonnenberger Verkehrssitten im Schuldvertrag, 93; krit Lüderitz Auslegung von Rechtsgeschäften 416f). Bei regionalen Unterschieden kommt es auf die am Abschlussort bestehende Verkehrssitte an (BGHZ 6, 127, 134 = BGH NJW 1952, 1134; s auch NJW 2004, 2230, 2232). Bestehen bei einem Vertragsschluss unter Abwesenden unterschiedliche Verkehrssitten an den jeweiligen Erklärungsorten, kommt es darauf an, wo der engste örtliche Bezug zu der auszulegenden Vereinbarung besteht (BeckOK/Wendtland Ed 64 Rn 22). Die Verkehrssitte muss ausnahmslos gelten. Gelten gewisse Gebräuche hingegen nur idR, so liegt noch keine Verkehrssitte vor. Sie dürfen der Auslegung nur zugrunde gelegt werden, wenn dies dem Willen beider Parteien entspricht (RGZ 75, 338, 341; so wohl auch Staudinger/Roth Rn 30). bb) Gesetzesverstoß. Eine gegen zwingendes Recht verstoßende Verkehrssitte ist unbeachtlich (BGHZ 99, 320, 326 = BGH NJW 1987, 1641). Ggü dispositivem Recht genießt sie, wenn sie zum Vertragsbestandteil geworden ist, hingegen grds den Vorrang (BGH NJW 1966, 502; im Grundsatz ebenso zum Handelsbrauch MüKo-HGB/Maultzsch § 346 Rn 32). Steht sie aber im Widerspruch zu Vorschriften, die einen ganz bestimmten gerechten Ausgleich der Rechte und Pflichten bezwecken, so ist sie idR missbräuchlich und daher ebenfalls unbeachtlich (vgl RGZ 135, 339, 345; Soergel/Wolf13 Rn 76; s auch RGZ 114, 9, 13: eine im Verkehr geübte Unsitte ist kein Auslegungsmittel). Die Berücksichtigung der Verkehrssitte darf keinen Rechtsmissbrauch oder Verstoß gegen Treu und Glauben ermöglichen (BGHZ 16, 4, 12 = BGH NJW 1955, 460; Koblenz NJW-RR 1988, 1306, 1307) – „Tegernseer Gebräuche“, zu ihnen s auch Rn 8). cc) Unkenntnis. Eine Verkehrssitte ist auch dann der Auslegung zugrunde zu legen, wenn die Parteien sie nicht gekannt haben (Koblenz NJW-RR 1988, 1306, 1307 – „Tegernseer Gebräuche“; MüKo/Busche Rn 18). Weicht der innere Wille vom Erklärten ab, so kann nach § 119 ein Grund zur Anfechtung gegeben sein, es sei denn, dass nach der Verkehrssitte die Berücksichtigung eines abw inneren Willens gerade ausgeschlossen sein soll (vgl dazu MüKo-HGB/Maultzsch § 346 Rn 35 zum Handelsbrauch). Hat sich eine Verkehrssitte erst nach Abschluss des auszulegenden Vertrags gebildet, so ist sie im Allg unbeachtlich. Wohl aber kann sie für die Bestimmung der Art und Weise der Leistung nach § 242, insb auch für eine Änderung des Leistungsinhalts unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben bedeutsam werden. Auch für die Auslegung einer Tarifnorm ist die nachträgl Übung nicht maßgebend (BAG AP § 1 TVG Nr 117); allerdings kann die betriebliche Übung für den Einzelvertrag relevant sein (Anm Hueck zu BAG AP § 1 TVG Nr 117). d) Vorrang des Parteiwillens. Eine Verkehrssitte darf dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie dem übereinstimmenden Parteiwillen (Rn 5) widerspricht. Den Parteien ist es nämlich möglich, ihre Beziehungen abw von der Verkehrssitte zu regeln (BGH LM [B] Nr 1; NJW-RR 1993, 1250, 1252). 4. Gesetzliche Auslegungsregeln. Für bestimmte Fälle stellt das Gesetz Auslegungsregeln auf, die „im Zweifel“ gelten sollen (zB § 154 I). Ihre Anwendung setzt voraus, dass die einfache Auslegung nach § 157 zu einem solchen Zweifel führt. Die Auslegung nach § 157 wird daher durch eine gesetzl Auslegungsregel oder eine Vermutung nicht ausgeschlossen. – Die Unklarheitenregel des § 305c II, wonach Zweifel bei der Auslegung von AGB zulasten des Verwenders gehen, ist erst anzuwenden, wenn die Auslegung nach § 157 kein eindeutiges Ergebnis bringt (BGH NJW-RR 2003, 926; NJW 2010, 293 Rn 13 – „Mietraumfläche“; § 305c Rn 27). Entspr gilt zulasten des Verwenders moderner Kommunikationstechniken (Grü/Ellenberger § 133 Rn 23; BAG ZIP 2003, 1858, 1860: Intranet). Dabei geht der übereinstimmende Wille der Parteien wiederum einer obj Auslegung vor (BGHZ 113, 251, 259 = BGH NJW 1991, 1604; 2002, 2102, 2103; s auch allg Rn 5). – Nach § 307 I 2 kann eine AGB, die nicht klar und verständlich ist, wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sein (s § 307 Rn 18ff). III. Ergänzende Vertragsauslegung. 1. Überblick. Die Anwendung des § 157 beschränkt sich nicht auf die Auslegung, welchen Inhalt die Vertragserklärungen haben. Er gibt auch die Rechtsgrundlage für eine Ergänzung des Vertragsinhalts, soweit dieser in einem regelungsbedürftigen Punkt Lücken aufweist (st Rspr; BGHZ 9, 273, 278 = BGH NJW 1953, 937; BGH NJW-RR 1991, 176, 177; NJW-RR 2008, 1371 Rn 13; Köln NJW 2017, 677 Rn 11; Lüderitz Auslegung von Rechtsgeschäften, 386f). Dies ist freilich str. Nach Sandrock (Erg Vertragsauslegung, 62ff) sollen nur atypische Geschäfte nach § 157 erg auszulegen, typische hingegen nach § 242 fortzubilden sein (krit Sonnenberger Verkehrssitten im Schuldvertrag, 124f; Lüderitz AcP 171, 160, 164f). Beide Vorschriften verweisen aber auf die Verkehrssitte, zudem enthält ein Geschäft meist typische und atypische Elemente. Zielt die Auslegung auf eine Bestimmung der Rechtsfolgen (so Sonnenberger Verkehrssitten im Schuldvertrag, 120ff, 131, 167), gilt § 242 außerdem nicht für erg Korrekturen. Andere erblicken die Grundlage der erg Vertragsauslegung stets in § 242 (MüKo/Busche Rn 28; Ehricke RabelsZ 60, 661, 669; wiederum anders Henckel AcP 159, 106, 121f, der wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten sowohl § 157 als auch § 242 als Grundlage ansieht). Diese Sichtweise widerspricht freilich dem bei Rn 3 dargestellten Verhältnis von § 157 zu § 242. – Eine Ergänzung des Vertrags setzt voraus, dass als Ausdruck der von den Parteien getroffenen Regelung ihrer Beziehungen ein gültiger Vertrag vorliegt; darin unterscheidet die ergänzende Auslegung sich von der Umdeutung gem § 140, die ein unwirksames Rechtsgeschäft voraussetzt (Berneith ZEV 2019, 241f). Es darf also insb kein offener Dissens iSd § 154 I (s § 154 Rn 2) bestehen oder der Vertrag aus anderen Gründen, wie zB gem § 139, nichtig sein. Jedoch kann eine Regelung des grds nichtigen Vertrags im Vorhinein ergänzend so ausgelegt werden, dass erst aufgrund der Auslegung ein im Ganzen gültiger Vertrag entsteht, wenn dies dem Interesse der Parteien entArmbrüster
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spricht (BGH NJW 2012, 3162 Rn 33). Die erg Vertragsauslegung hat den Sinn, die erforderliche und sachgerechte Regelung für die in einem Vertrag offen gebliebenen Punkte zu finden. Sie ist ein Akt richterlicher Vertragsgestaltung, nicht richterlicher Rechtsfortbildung (aA MüKo/Busche Rn 28; Ehricke RabelsZ 60, 661, 669; Henckel AcP 159, 106, 121: Fortbildung obj Rechts). Die erg Vertragsauslegung, die es ermöglicht, den Regelungsplan der Vertragsparteien durchzuführen, ist vorrangig ggü den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 (st Rspr; BGHZ 164, 286, 292 = BGH NJW 2006, 54 Rn 24; 2018, 2469 Rn 36; P. Ulmer BB 1982, 1130; K.-G. Baier NZG 2004, 356, 357f; aA BFHE 257, 177 = BFH DStR 2017, 777 Rn 51ff). Bei einer wesentlichen Veränderung der bei Abschluss des Vertrags bestehenden wirtschaftl Verhältnisse findet gem § 313 eine Anpassung der Leistungen an diese Veränderungen statt, wenn sie erforderlich ist, um den von den Parteien mit dem Vertrag verfolgten Zweck zu erreichen (vgl BGHZ 105, 243, 245 = BGH NJW 1989, 289: Anpassung eines Rentenvergleichs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem §§ 157, 242). Zu arbeitsrechtl Besonderheiten im Zusammenhang mit der erg Vertragsauslegung s Salamon NZA 2009, 1076ff. 2. Feststellung einer Regelungslücke. a) Planwidrige Unvollständigkeit. Nur eine wirkliche Lücke des Vertrags – eine planwidrige Unvollständigkeit – darf ergänzt werden (st Rspr; BGHZ 90, 69, 73ff = BGH NJW 1984, 1177; BGHZ 127, 138, 142 = BGH NJW 1994, 3287; 2015, 1167 Rn 24). Wurde bewusst auf eine ins Einzelne gehende Regelung verzichtet, ist eine erg Vertragsauslegung nicht möglich (Stadler § 18 Rn 26f). Nicht jede fehlende Regelung stellt somit eine ausfüllungsbedürftige Vertragslücke dar. Erforderlich ist, dass beide Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn bei Vertragsschluss irrig für nicht regelungsbedürftig hielten (BGH NJW 2001, 2464, 2465; 2002, 2310; NJW-RR 2008, 562 Rn 14). Zurückhaltung mit der Annahme einer Regelungslücke ist bei einem Formularvertrag geboten (BGH NJW-RR 2008, 1372 Rn 16). Bei Fehlvorstellung nur einer Partei gelten die §§ 119ff. Eine Regelungslücke scheidet ferner aus, wenn die Vereinbarung bewusst abschließend sein sollte (BGHZ 111, 110, 115 = BGH NJW 1990, 1723; 2002, 2310; Köln NJW 2017, 677 Rn 11; Ehricke RabelsZ 60, 661, 669). Insb können Billigkeitserwägungen nicht eine Regelungslücke ersetzen (BGH NJW 2004, 1873). Für die Beurteilung, ob eine Lücke vorliegt, sind ua Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Vertrags heranziehbar (instruktiv BGH NJW 2002, 2310, 2311). Dabei kommt auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit von Urkunden zum Tragen (§ 125 Rn 29; BGH NJW 1999, 1702, auch zu den Anforderungen an eine Entkräftung; s auch BGH NJW 2002, 1500, 1502: Umstände, die zur Aufklärung des Inhalts der Urkunde dienen, liegen nicht außerhalb der Urkunde). Bei notariellen Urkunden erlangt diese Vermutung besonderes Gewicht (BGH NJW 2002, 2310, 2311). Haben die Parteien bei Vertragsschluss keine vom Gesetz abw Regelung getroffen, so gehen sie idR davon aus, dass die gesetzl Regelung gelten soll (BGHZ 40, 91, 103 = BGH NJW 1963, 2071). Keine Lücke liegt ferner vor, wenn eine Vertragspartei die mit erg Auslegung bezweckte Rechtsfolge selbst herbeiführen kann, zB durch Inverzugsetzen des Gegners (BGH LM § 286 Nr 7). b) Anfängliche und nachträgl Lücken. Gleichgültig ist, ob die auszufüllende Lücke schon bei Vertragsschluss bestand oder sich erst nachträgl ergeben hat, weil Umstände eingetreten sind, die die Parteien nicht vorausgesehen und deshalb nicht geregelt haben (BGHZ 84, 1, 7 = BGH NJW 1982, 2184: Rückübereignung eines zur Abwendung einer Enteignung veräußerten Grundstücks, wenn der Enteignungszweck wegfällt; NJW-RR 1994, 1163, 1165: Anpassung des Erbbauzinses bei Erhöhung der Bodenkosten; NJW-RR 2000, 894, 895: Erschließungskosten; NJW-RR 2007, 509 Rn 10: Gesetzesänderung; NJW-RR 2008, 562 Rn 14: nachträgl Beschränkung der Gültigkeit von Telefonkarten; BAG NJOZ 2011, 1587: Anpassung der Vergütung durch Einführung des TVöD; s auch BGH NJW 2006, 54 Rn 23 zur Entwertung durch Hoheitsakt). Haben die Vertragsparteien beim Kauf von Bauerwartungsland irrtümlich angenommen, das Risiko künftiger Bebaubarkeit lückenlos zulasten des Verkäufers geregelt zu haben, so kann eine Vertragslücke zu dessen Lasten im Wege erg Vertragsauslegung geschlossen werden (BGHZ 74, 370, 376 = BGH NJW 1979, 1818; BGHZ 84, 1, 7 = BGH NJW 1982, 2184). Gleiches gilt, wenn die Parteien bewusst Punkte offengelassen haben, um sie später zu regeln, es zu einer solchen Regelung dann aber nicht mehr gekommen ist (BGH LM [D] Nr 1, 30 zur Vertragslaufzeit; NJW 1982, 2816, 2817; Düsseldorf NJW-RR 1995, 1455, 1456). Unerheblich ist, aus welchem Grund die Parteien einen regelungsbedürftigen Punkt offengelassen haben (BGH WM 1976, 251). c) Auch wenn eine Vertragslücke nicht auf einer unvollständigen Erklärung der Parteien, sondern auf der Unwirksamkeit einer getroffenen Vereinbarung beruht, kann sie durch Auslegung ausgefüllt werden (st Rspr; BGHZ 90, 69, 74 = BGH NJW 1984, 1177; BGHZ 143, 104, 118 = BGH NJW 2000, 1110; BGHZ 151, 229, 236 = BGH NJW 2002, 3098, 3099 m Anm v Westphalen WuB 2003, 22, 23). Dies ist insb für Anpassungs- oder Wertsicherungsklauseln bedeutsam, sofern diese nichtig sind oder ihren Zweck nicht mehr erfüllen und sich das Vertragsgefüge damit einseitig zugunsten einer Vertragspartei verschiebt (BGH NJW 2012, 526 Rn 13; 1865 Rn 23f; 2015, 1167 Rn 27). Führt in einem solchen Fall die Auslegung zu keinem Ergebnis, kann der Vertrag nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313) angepasst werden (BGH NJW 2012, 526 Rn 19). Eine erg Vertragsauslegung kommt aber dann nicht in Betracht, wenn sich die benachteiligte Partei ohne für sie nachteilige Auswirkungen vom Vertrag lösen kann (BGH NJW-RR 2010, 1202 Rn 20ff). Zur Ausfüllung einer durch die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel entstandenen Lücke gem § 306 II s Rn 26, § 306 Rn 6, 13; Wiedemann, FS Canaris 2007, Bd 1,1281ff. d) Besteht für eine Vertragslücke eine ihrer Ausfüllung dienende gesetzl Vorschrift (zB das dispositive Leistungsstörungsrecht), so soll keine im Wege erg Vertragsauslegung ausfüllungsbedürftige Lücke vorliegen (st Rspr; BGHZ 16, 71, 76 = BGH NJW 1955, 337; BGHZ 137, 153, 157 = BGH NJW 1998, 450; Köln NJW 2017, 526
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Vertrag
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677 Rn 11). Dem ist grds zuzustimmen, wenn der Vertrag einem vom Gesetz geregelten Typ entspricht oder nur unwesentlich von ihm abweicht (Lüderitz Auslegung von Rechtsgeschäften, 454; MüKo/Busche Rn 39). Was der Richter im Wege erg Auslegung festzustellen hat, ist dann bereits gesetzl typisiert. Indessen kann auch in diesem Fall die am Parteiwillen orientierte erg Auslegung dazu führen, dass das dispositive Gesetzesrecht abbedungen sein sollte (s BGH NJW 1975, 1116, 1117; NJW-RR 1990, 817, 818). Stets vorrangig ggü dispositiven Normen ist die erg Vertragsauslegung, wenn das konkrete Geschäft nicht dem gesetzl geregelten Typ entspricht (BGHZ 74, 370, 373f = BGH NJW 1979, 1818; aA – von seinem Standpunkt [s Rn 15] konsequent – Henckel AcP 159, 106, 122: dispositives Recht sei stets vorrangig ggü erg Vertragsauslegung). Das gilt insb für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen unter Gesellschaftern; hier kommt der Vertragsfreiheit besonderes Gewicht zu (BGHZ 107, 351, 353 = BGH NJW 1989, 2681; BGHZ 123, 281, 285 = BGH NJW 1993, 3193). Durch veraltetes dispositives Gesetzesrecht kann eine Lücke nicht behoben werden (BGH NJW 1979, 1705, 1706; zu § 131 Nr 4 aF HGB; Staudinger/Roth Rn 26). 3. Lückenausfüllung. a) Wertungen des konkreten Vertrags. Liegt eine ausfüllungsbedürftige Lücke vor, so ist zu ermitteln, was die Parteien nach dem von ihnen gewollten Vertragszweck bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den offengebliebenen Punkt bedacht hätten (st Rspr; BGHZ 9, 273, 278 = BGH NJW 1953, 937; BGHZ 127, 138, 142 = BGH NJW 1994, 3287; 2006, 54 Rn 26; NJW-RR 2008, 562 Rn 15; NJW 2012, 1348 Rn 21; i Erg auch Ehricke RabelsZ 60, 661, 686f, der dem Richter indessen insoweit eine Ermessensentscheidung zubilligt). Daher ist es auch nicht möglich, eine Lücke durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSd §§ 315f zu schließen (BGH NJW 2010, 1742 Rn 18). Ausgangspunkt für die Ermittlung dieses hypothetischen Parteiwillens und damit der Vertragsergänzung sind die im Vertrag selbst enthaltenen Regelungen und Wertungen sowie sein Sinn und Zweck (st Rspr; BGHZ 19, 110, 112 = BGH NJW 1956, 377; NJW-RR 2012, 1223 Rn 10; NZM 2020, 704 Rn 18; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 117ff, 132ff). Der hypothetische Parteiwille ist mithin nicht generalisierend nach dem entspr oder ähnl Vertragstyp, sondern nach den für den konkreten Vertrag charakteristischen Umständen zu ermitteln (AA Canaris Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 54; s auch BGHZ 164, 286 = BGH NJW 2006, 54 Rn 25). Entgegen Flume (II § 16, 4b [S 324]) gilt es nicht, für „einen solchen“, sondern gerade für „diesen“ Vertrag die erg Regelung zu finden; nur das wird dem Grundsatz der Privatautonomie gerecht. Dementspr darf der tatsächliche Wille der Parteien, soweit er feststellbar ist, bei der Ermittlung ihres hypothetischen Willens nicht außer Betracht bleiben (BGHZ 90, 69, 77 = BGH NJW 1984, 1177; Mayer-Maly, FS Flume, 621, 625; Armbrüster NVersZ 2001, 193, 195). Es lässt sich daher nicht generell sagen, dass der hypothetische Parteiwille – im Unterschied zum Parteiwillen bei der einfachen Auslegung (Rn 5) – nach einem obj-generalisierenden Maßstab zu ermitteln sei (so aber E. Lorenz VersR 2001, 96, 97). Erst wenn sich aus Inhalt und Umständen des konkreten Vertrags keine hinreichend eindeutigen Hinw auf den hypothetischen Parteiwillen ergeben, können obj Kriterien zum Zuge kommen (Rn 21). Für die Ergänzung eines AGB-Klauselwerks im Wege erg Auslegung sind nur solche Regelungen geeignet, die nicht entscheidend am Einzelfall orientiert sind und dadurch zu Rechtsunsicherheit führen können, sondern für eine Vielzahl ähnl gelagerter Fälle zu gleichen Rechtsfolgen führen (BGH NJW-RR 2008, 1372 Rn 16), s auch Rn 26. Ist ein bestimmtes lückenhaftes Vertragsmuster weit verbreitet, so gebietet das Interesse an Verkehrsfähigkeit und Rechtssicherheit eine allg verbindliche Ergänzung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalles (BGH NJW-RR 2008, 562 Rn 11 betr Telefonkarten). – Wegen dieses Vorrangs der privatautonomen Gestaltung ist zudem auch eine Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt einer durch erg Auslegung ermittelten Abrede nicht ausgeschlossen (Staudinger/Roth Rn 35; aA Flume II § 16, 4c [S 326]; Neuner § 35 Rn 73; Soergel/Riesenhuber Rn 33). b) Der hypothetische Parteiwille ist nicht nur aus den individuellen Umständen des konkreten Vertrags (Rn 20), sondern erforderlichenfalls auch nach obj Maßstäben zu erschließen (BGH NJW 2015, 1167 Rn 27). Dazu gehören eine der Erfahrung des täglichen Lebens entspr Würdigung des Sachverhalts (BGH NJW 2005, 2620, 2621) und insb die Beachtung des Gebots von Treu und Glauben (BGHZ 90, 69, 78 = BGH NJW 1984, 1177; MüKo/Busche Rn 51). Die Ergänzung des Vertrags muss daher den Interessen beider Vertragsteile gerecht werden (RGZ 79, 434, 438; BGH NJW 1978, 695, 696; Staudinger/Roth Rn 33). Zudem gilt die Vermutung, dass in einem Austauschvertrag Leistung und Gegenleistung in einem ausgewogenen Verhältnis stehen sollten (BGH NJW-RR 2000, 894; NJW 2002, 2310, 2311). Ferner ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien das Vernünftige gewollt haben (BGH NJW 1993, 1976, 1978; 1994, 1537, 1538; s auch Rn 24). c) Das Ergebnis der erg Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem Zusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenem Widerspruch zu dem nach dem Inhalt des Vertrags tatsächlich Vereinbarten stehen würde (st Rspr; BGHZ 40, 91, 104 = BGH NJW 1963, 2071; BGHZ 134, 60, 65 = BGH NJW 1997, 521; 1998, 1480 zur Auslegung der einen Gesellschafter-Geschäftsführer betreffenden Kündigungsklausel im Dienstvertrag eines Fremdgeschäftsführers). Bsp: Die vertragl vom Mieter übernommene Verpflichtung, bei Beendigung des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen vorzunehmen, wird sinnlos, wenn die Mieträume umgebaut werden sollen. Hätten die Vertragschließenden an einen Umbau der Räume gedacht, so würden sie dem Vermieter einen Ausgleichsanspruch in Geld zugebilligt haben, jedoch nur iHd Betrages, den der Mieter ohne den Umbau hätte aufwenden müssen (BGHZ 77, 301, 305 = BGH NJW 1980, 2347; BGHZ 92, 363, 370ff = BGH NJW 1985, 480; Emmerich JuS 1986, 16ff). 4. Schranken. a) Parteiwille. aa) Eine erg Auslegung darf nicht dem in dem – wenn auch lückenhaften – Vertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen widersprechen (BGH LM § 157 BGB Nr 1; 23, 283, 285f; NJW Armbrüster
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2002, 2310, 2311; 2012, 844 Rn 23). Dies folgt aus dem Grundsatz der Privatautonomie (insoweit zutr Ehricke RabelsZ 60, 661, 688) und ergibt sich nach der hier (Rn 20) vertretenen Ansicht bereits aus der Maßgeblichkeit des hypothetischen Parteiwillens für die erg Vertragsauslegung. Eine Korrektur des erklärten Parteiwillens ist daher unzulässig (BGH LM § 157 BGB Nr. 1; BGHZ 90, 69, 77 = BGH NJW 1984, 1177; Mayer-Maly, FS Flume, 621, 627). Haben die Parteien einen bestimmten Vertragsinhalt vereinbart, so darf nicht willkürlich an dessen Stelle ein anderer gesetzt werden, weil dieser den Belangen der Parteien besser gerecht wird (Staudinger/Roth Rn 38) oder der Verkehrssitte (Rn 8ff) entspricht. Dann läge keine Ergänzung vor (RGZ 82, 308, 316; 85, 322, 327). Eine erg Auslegung ist bei eindeutiger vertragl Abrede nur möglich, wenn sich aus den konkreten Tatsachen ergibt, dass trotz des Wortlauts eine Regelungslücke vorliegt (BGH NJW-RR 2008, 1371 Rn 13ff). Unzulässig ist es auch, im Wege erg Vertragsauslegung den Vertragsgegenstand im Widerspruch zum Vertrag zu erweitern, einzuschränken oder sonst zu ändern (st Rspr; BGHZ 9, 273, 278 = BGH NJW 1953, 937; BGHZ 90, 69, 77 = BGH NJW 1984, 1177; NJW 2017, 388 Rn 47; BAG NJW 1973, 822). Dadurch würde der Rahmen des auszulegenden Vertrags gesprengt. Es gibt auch keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass in einem Vertrag alle mit der darin getroffenen Vereinbarung in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehenden Punkte geregelt werden (BGH NJW 2002, 2310). Bsp: Eine Lücke liegt nicht ohne weiteres vor, wenn die Parteien keine Vereinbarung über den Gerichtsstand getroffen haben (RGZ 159, 254, 256). Dasselbe gilt, wenn ein Unternehmenskaufvertrag keine Regelung zur Übernahme einer bestimmten Schuld enthält und diesbzgl der Fortbestand der bisherigen Lage einen Sinn hat (BGH NJW 2002, 2310f). bb) Dem hypothetischen Parteiwillen widerspricht es idR, einen wirksamen Vertrag um eine Bestimmung zu ergänzen, die zu dessen (Gesamt-)Nichtigkeit führen würde (BGH NJW 1970, 468, 469; zur einfachen Auslegung s Rn 7). Dasselbe gilt, wenn sich die Nichtigkeit nur auf die im Wege erg Auslegung ermittelte Bestimmung beziehen würde. Die Ausdehnung eines nachvertragl Wettbewerbsverbots darf daher nicht zu einem Verbot führen, das nach § 138 I nichtig oder mit § 1 GWB unvereinbar wäre (BGH WM 1974, 74, 76). b) Nichtfeststellbarkeit des hypothetischen Parteiwillens. Kommen verschiedene vernünftige Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung einer Vertragslücke in Betracht, so scheidet eine erg Auslegung aus, wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die Parteien bei Kenntnis der Vertragslücke getroffen hätten (st Rspr; BGHZ 54, 106, 115 = BGH NJW 1970, 1596; BGHZ 143, 103, 121 = BGH NJW 2000, 1110; 2015, 49 Rn 24). Eine erg Auslegung ist ferner ausgeschlossen, wenn eine Veränderung der allg Verhältnisse und der Rechtsanschauungen eine Beurteilung der neuen Lage nach dem Vertragswillen beider Parteien unmöglich macht (BGHZ 23, 282, 286 = BGH NJW 1957, 708; BGHZ 84, 361, 368 = BGH NJW 1982, 2236; diff MüKo/Busche Rn 50; s Rn 30f). Ist der hypothetische Parteiwille nicht feststellbar, so kommt eine Vertragsanpassung durch Richterspruch gem § 242 auch nicht ausnahmsw in Betracht (aA Jauernig/Mansel Rn 4 aE, allerdings allein unter Berufung auf BGH NJW 1993, 2935, 2936 und NJW-RR 1990, 601, 602, die beide die Geschäftsgrundlagenlehre [jetzt § 313] betreffen). 5. Lückenfüllung beim Wegfall von AGB. Sind AGB-Klauseln ganz oder teilw nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, bleibt der Vertrag iÜ gem § 306 I wirksam. An die Stelle der betreffenden Klauseln treten dann die gesetzl Vorschriften (§ 306 II). Sind jedoch konkrete Regelungen des dispositiven Rechts zur Ausfüllung der entstandenen Lücken nicht vorhanden und führt die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragenden Lösung, so kann die Regelungslücke durch erg Vertragsauslegung geschlossen werden (st Rspr; BGHZ 90, 69, 75 = BGH NJW 1984, 1177; BGHZ 143, 104, 120 = BGH NJW 2000, 1110; BGHZ 186, 180 Rn 50 = BGH NJW 2011, 50 Rn 50; BGHZ 202, 309 Rn 24 = BGH NJW 2015, 49 Rn 24; 2015, 1952 Rn 46). Die AGB-KlauselRL steht dem unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgegen (EuGH NJW 2021, 611 Rn 32ff; Herresthal NJW 2021, 589). Gleiches gilt für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Die §§ 157, 133, auf denen die erg Vertragsauslegung beruht, sind „gesetzl Vorschriften“ iSd § 306 II. Es gilt dann, was die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. Maßgeblich ist insoweit ein obj-generalisierender Maßstab, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichtet ist (st Rspr; BGHZ 107, 273, 277 = BGH NJW 1989, 3010; BGH NJW-RR 2005, 1040, 1041; 2011, 625 Rn 16). Bsp: Die durch die Unwirksamkeit der Tagespreisklausel in Kfz-Verkaufsbedingungen entstandene Lücke ist, weil dispositive gesetzl Bestimmungen fehlen, durch eine Regelung zu schließen, die den Käufer zwar zur Zahlung des bei der Auslieferung des Kfz geltenden Listenpreises verpflichtet, ihm jedoch bei überproportionaler Preissteigerung ein Rücktrittsrecht einräumt (BGHZ 90, 69, 78ff = BGH NJW 1984, 1177; P. Ulmer NJW 1981, 2025, 2030; Lindacher BB 1983, 158; Bunte NJW 1984, 1145ff; aA Trinkner/Löwe NJW 1984, 490, 492; s auch § 306 Rn 14). Bei Weiterverkauf eines Grundstücks unter Gewährleistungsausschluss kann eine erg Vertragsauslegung ergeben, dass Gewährleistungsansprüche des Erstkäufers gegen den Erstverkäufer abgetreten sind (BGH NJW 1997, 652; 2004, 1873f). Ist eine Preisanpassungsklausel in einem Gas- oder Stromlieferungsvertrag unwirksam, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich das Vertragsgefüge infolge der Unwirksamkeit völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt. Für die Zukunft ist dies regelmäßig nicht der Fall, da der Anbieter den Vertrag kündigen kann, nachdem er von der Unwirksamkeit der Klausel erfährt (vgl nur BGH NJW 2011, 50 Rn 50). Anders ist dies, wenn der Kunde die Unwirksamkeit rückwirkend geltend macht und geleistete Zahlungen zurückverlangt. In diesem Fall wäre der Anbieter übervorteilt, wenn es sich um ein mehrjähriges Versorgungsverhältnis handelt und der Kunde den Preisänderungen bisher nicht widersprochen hat. Das Versorgungsunternehmen könnte sich nämlich mit der – 528
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Vertrag
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ex nunc wirkenden – Kündigung nicht vor einer Verschiebung des Vertragsgefüges schützen. Die Rückforderung ist deshalb nur möglich, wenn der Kunde innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jew Jahresabrechnung dem angepassten Preis widerspricht (st Rspr; BGHZ 192, 372 Rn 23ff = BGH NJW 2012, 1865 Rn 23ff; BGHZ 207, 209 = BGH NJW 2016, 1718 Rn 86ff). Mit welcher Begründung der Widerspruch eingelegt wird, ist dabei unerheblich (BGH NJW-RR 2021, 626 Rn 18). Im UKlaG-Verfahren gelten die Regeln der erg Vertragsauslegung nicht (BGH NJW 2007, 1054 Rn 39). 6. Wichtige Anwendungsfälle. a) Haftungsbeschränkung. Die erg Auslegung führt häufig zur Annahme einer Haftungsbeschränkung. Nach der Rspr, die allerdings häufig nicht zw der erg Vertragsauslegung und stillschw Übereinkünften unterscheidet, greift regelmäßig ein Haftungsverzicht zulasten desjenigen ein, der sich billigerweise gegen das betreffende Risiko hätte versichern können (Armbrüster NJW 2009, 187, 189f). So wurde ein Haftungsverzicht zulasten des Kfz-Händlers bejaht hinsichtl seinen Kunden unbekannter Haftungsrisiken bei Personen- (BGH NJW 1980, 1681, 1682) und Sachschäden (BGH NJW 1972, 1363, 1363f) sowie bei Schäden während einer Probefahrt mit einem Vorführwagen (BGH NJW 1972, 1363, 1363f; 1979, 643, 644). Die Haftungsfreistellung soll allerdings nicht zu einer Entlastung des Versicherers führen dürfen (BGH NJW 1993, 3067, 3068; 2008, 1591). Die Annahme eines Haftungsverzichts darf auch nicht zu einer auf eine reine Willensfiktion gestützten Rechtskonstruktion ausarten, selbst wenn das Ergebnis angemessen erscheint (BGHZ 41, 79, 81 = BGH NJW 1964, 860; BGHZ 43, 72, 76 = BGH NJW 1965, 907; 1993, 3067, 3068). So führt eine erg Vertragsauslegung idR nicht dazu, dass die haftungsbegrenzenden Regeln über den innerbetrieblichen Schadensausgleich (s § 611a Rn 300ff) sich bei Insolvenz des ArbGeb auch auf die Außenhaftung des ArbN ggü Dritten auswirken können, es sei denn, der Dritte hatte es übernommen, für einen Versicherungsschutz zu sorgen (BGHZ 108, 305, 316ff = BGH NJW 1989, 3273; 1994, 852, 854). b) Interzessionsgeschäfte, insb Schuldübernahme. Eine erg Auslegung dahingehend, dass eine Schuldübernahme vereinbart ist, kann angesichts der damit verbundenen Risiken nur bei eindeutigen Anhaltspunkten für einen entspr Verpflichtungswillen angenommen werden (MüKo/Heinemeyer § 415 Rn 3; Kothe JZ 1990, 997, 1002f; § 414 Rn 5; s auch BGH NJW 2002, 2310, 2311f). Im Zweifel ist von der Bürgschaft als dem gesetzl geregelten Normalfall einer Sicherheit auszugehen (BGH BB 1976, 1431). Dies gilt allerdings nur, wenn die Auslegung, die nicht bei dem Wortlaut einer „Bürgschaftserklärung“ Halt machen darf, sondern interessengerecht zu erfolgen hat (Rn 6, 20f; BGH NJW 2002, 747, 748), zu keinem eindeutigen Ergebnis führt (BGH NJW 1986, 580; Hamm NJW 1993, 2625). – Bei Darlehensverträgen kann die Verpflichtungserklärung naher Angehöriger dahin auszulegen sein, dass der Angehörige nicht Mitdarlehensnehmer wird, sondern dass hinsichtl des Rückzahlungsanspruchs eine Schuldmitübernahme gewollt ist (BGHZ 146, 37, 41f = BGH NJW 2001, 815; 2002, 744); es kommen dann die Regeln über die Sittenwidrigkeit der Mithaftung naher Angehöriger zum Zuge (BGHZ 146, 37, 42ff = BGH NJW 2001, 815; 2002, 744f). c) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Nach Ansicht der Rspr sind auch die Regeln über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (s § 328 Rn 12) im Wege erg Vertragsauslegung zu gewinnen (BGHZ 56, 269, 273 = BGH NJW 1971, 1931; 2012, 3165 Rn 14; NZM 2014, 917 Rn 24; ZIP 2018, 483 Rn 28). Die besseren Arg sprechen freilich dafür, von richterlicher Rechtsfortbildung auszugehen (eingehend Ziegltrum Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, 1992, 146ff), die sich zu Gewohnheitsrecht verdichtet hat (Gernhuber, FS Nikisch, 1958, 249, 265). IV. Maßgeblicher Zeitpunkt. 1. Änderung der auslegungsrelevanten Umstände. Str ist, welcher Zeitpunkt für die Vertragsauslegung zugrunde zu legen ist. Teils wird auf den Zeitpunkt der Auslegung, also auf die Gegenwart (prozessual: auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) abgestellt (Flume II § 16, 4c [S 326]; Jauernig/Mansel Rn 4). Dagegen spricht jedoch, dass nach dem Grundsatz pacta sunt servanda nach Vertragsschluss eingetretene Änderungen der für die Auslegung bedeutsamen Umstände vorbehaltlich des § 313 nur zu einer einvernehmlichen Vertragsanpassung durch die Parteien führen können. Maßgeblich ist daher der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGHZ 123, 281, 285 = BGH NJW 1993, 3193; NJW-RR 2008, 562 Rn 18; Staudinger/Roth Rn 34; einschränkend zu erg Auslegung Soergel/Riesenhuber Rn 27: Modifikation, wenn Vertragslücke nachträgl entstanden). Dementspr kann auch eine zwischenzeitl überholte Rspr für die Auslegung der Erklärungen bestimmend sein (BGH NJW 1998, 3268, 3270). Nachträgl Verhalten kann nur berücksichtigt werden, soweit es Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen bei Vertragsschluss zulässt (BGH NJW 1971, 1844; BGHZ 202, 39 = BGH NJW 2014, 2864 Rn 38; BGH NJOZ 2017, 1 Rn 37). Dieselben Regeln gelten für die Heranziehung einer Verkehrssitte (MüKo/Busche Rn 23). 2. Änderung des Wertmaßstabs. Der Wertmaßstab „Treu und Glauben“ ist wandelbar (§ 242 Rn 1ff, 17; RGZ 148, 81, 93 – allerdings bzgl einer „seit Anfang des Jahres 1933 durchgedrungene[n] Erkenntnis“, was zugleich die Anfälligkeit der Generalklausel für eine Vereinnahmung durch Ideologien verdeutlicht; RGZ 156, 16, 20; MüKo/Busche Rn 10; vgl auch Mayer-Maly JZ 1981, 801, 805). In der Rspr ist zT auf die im Zeitpunkt der Auslegung herrschenden Anschauungen abgestellt worden (so BGHZ 12, 337, 345 = BGH NJW 1954, 799; BGHZ 23, 282, 285f = BGH NJW 1957, 708 zum besonders gelagerten Fall nationalsozialistisch geprägter Vertragsinhalte) oder auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (dafür RGZ 150, 153, 154). Die zuletzt genannte Ansicht ist – ebenso wie bei einer Änderung der auslegungsrelevanten Umstände (Rn 30) – grds vorzugswürdig. V. Prozessuales. 1. Grundregeln; Beweislast. Bei der Auslegung nach Treu und Glauben handelt es sich nicht um Tatsachenermittlung, sondern um Rechtsanwendung, wenn auch die Feststellung des ErklärungstatArmbrüster
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bestandes und die Beurteilung seines Erklärungswertes als einheitlicher Denkvorgang erscheinen (vgl BGH NJW 1998, 1219, 1220). Die Grundsätze über die Behauptungs- und Beweislast sind daher nur für die Feststellung der zugrunde liegenden Umstände maßgebend, nicht aber für die Auslegung selbst (BGHZ 20, 109, 111 = BGH NJW 1956, 665; WM 1962, 812). Wenn die Parteien eines Rechtsstreits aber übereinstimmend vortragen, welchen Inhalt ein zw ihnen abgeschlossener Vertrag haben sollte, ist dieser nicht mehr in einem anderen Sinne zu deuten (BGHZ 71, 243, 247 = BGH NJW 1978, 1483). Sind Wortlaut und obj Sinn einer Vereinbarung eindeutig und hat diese zudem die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (Rn 16) für sich, so muss derjenige, der ein abw Verständnis geltend macht, den abw Willen darlegen und beweisen (BGH LM 1961, 290, 292; NJW 1995, 3258; 2002, 3164f; aA MüKo/Busche § 133 Rn 75). – Ist das Bestehen einer Verkehrssitte str, so trägt die Beweislast dafür derjenige, der sich auf sie beruft (vgl für Handelsbrauch BGH LM § 346 [F] HGB Nr 1). Zur Feststellung eines Handelsbrauchs wird es idR erforderlich sein, ein Gutachten der zuständigen Handelskammer einzuholen (BGH WM 1976, 292; MüKo-HGB/Maultzsch § 346 Rn 44, 46; s auch Wagner NJW 1969, 1282). 2. Revision. a) Die Vertragsauslegung ist – anders als die Ermittlung der Verkehrssitte – nicht allein dem Tatrichter vorbehalten, sondern kann auch durch das Revisionsgericht ohne Bindung an die geltend gemachten Revisionsgründe vorgenommen werden, wenn weitere tatsächliche Feststellungen zur Auslegungsgrundlage nicht zu erwarten sind und Erfahrungswissen oder Verkehrssitten nicht ermittelt werden müssen (so zur erg Vertragsauslegung BGH NJW 1998, 1219; NJW-RR 2000, 894, 895; BAG NZA 2007, 408 LS; NZA 2012, 791 Rn 15; zu den Grenzen s BGHZ 111, 110, 115 = NJW 1990, 1723; zum Prozessvergleich BAG NJW 2005, 524, 525; DB 2006, 1433, 1434). § 543 II ZPO enthält insoweit keine Einschränkung (Schäfer NJW 2007, 3463, 3464f). Andere Regeln gelten für die Auslegung von AGB. Soweit sich ihre Auswirkungen über den Bereich eines Berufungsgerichts hinaus erstrecken, können sie analog § 545 ZPO in der Revision selbstständig nachgeprüft werden (st Rspr; BGHZ 5, 111, 114 = BGH NJW 1952, 657; 2005, 2919, 2921). Dass die AGB nur in einem OLG-Bezirk verwendet werden, steht der Auslegung in der Revision nicht entgegen (BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf Ed 47, § 545 Rn 13). Diese Regeln gelten auch für sonstige Formularverträge (BGH NJW 2001, 1270, 1271) und andere häufig, nicht nur im Bezirk eines OLG verwendete Vereinbarungen (BGHZ 122, 256, 260 = BGH NJW 1993, 1854 – „fahrbereit“). Dagegen sind Gesellschaftsverträge von Personenhandelsgesellschaften, die keine Publikumsgesellschaften sind (vgl BGH NJW 2001, 1270, 1271), als reine Individualverträge in der Revisionsinstanz nur daraufhin nachprüfbar, ob das Berufungsgericht die einschlägigen Auslegungsgrundsätze beachtet hat (BGH BB 1959, 1151; MüKo-ZPO/Krüger § 546 Rn 8f). b) Als Rechtsfrage kann die (einfache oder erg) Auslegung auch im Wege der Revision nachgeprüft werden. Da sich aber die Feststellung des Erklärungstatbestandes und die Beurteilung seines Erklärungswertes zu einem einheitlichen Denkvorgang verbinden, ist eine Nachprüfung nur daraufhin zulässig, ob gesetzl oder allg anerkannte Auslegungs- und Ergänzungsregeln oder Denk- oder Erfahrungssätze verletzt sind oder für die Auslegung wesentliche Umstände nicht berücksichtigt wurden (st Rspr; BGHZ 111, 110, 115 = BGH NJW 1990, 1723; 2003, 2235, 2236; s auch BGH NJW 2006, 3777 Rn 13; ZWE 2012, 27, 28; NZBau 2013, 428 Rn 15; NJW 2014, 3314 Rn 5; krit B. Schäfer NJW 2007, 3463ff; Stumpf, FS Nipperdey I, 1965, 957ff; Messer, FS Odersky, 1996, 605, 612f; aA Ehricke RabelsZ 60, 661, 672, der volle Revisibilität der erg Vertragsauslegung annimmt). Zu diesen anerkannten Auslegungsregeln gehören insb die Maßgeblichkeit des Wortlauts als Ausgangspunkt der Auslegung sowie die Interessenlage der Parteien (BGH NJW 2001, 3775, 3776; NJW-RR 2006, 976 Rn 12). Nur die Auslegung typischer Verträge oder Klauseln ist unbeschränkt nachprüfbar (BGH NJW-RR 2008, 562 Rn 11; NZM 2013, 148 Rn 16; Staudinger/Roth Rn 52ff zur Revisibilität der Ergebnisse der erg Auslegung von AGB „und dgl“; zu Gesamtzusage und betriebliche Übung s BAG NZA 2006, 1174 Rn 39). Ferner kann das Revisionsgericht immer dann selbstständig auslegen, wenn das Berufungsgericht eine Auslegung überhaupt unterlassen hat oder die Gründe des Berufungsgerichts insoweit lückenhaft sind (st Rspr; BGHZ 16, 4, 11 = BGH NJW 1955, 460; BGHZ 121, 284, 289 = BGH NJW 1993, 1532; 2000, 2508, 2509). Die Feststellung der Verkehrssitte ist als reine Tatsachenfeststellung nicht revisibel (BGH LM [B] Nr 1; aA MüKo/Busche Rn 25), es sei denn, dass sie unter Verletzung verfahrensrechtl Vorschriften zustande gekommen ist (BGH LM [B] Nr 1).
Titel 4 Bedingung und Zeitbestimmung (§§ 158–163) Vorbemerkung vor § 158 Schrifttum: Aligbe, Die Einstellungsuntersuchung als auflösende Bedingung im Arbeitsvertrag, ArbR 2015, 542; J.-H. Bauer, Befristete Arbeitsverträge unter neuen Vorzeichen, BB 2001, 2473/2526; Michael Becker, Gestaltungsrecht und Gestaltungsgrund, AcP 188 (1988), 24; Berger, Zur Anwendung des § 161 BGB bei bedingter Forderungsabtretung, KTS 1997, 393; Egert, Die Rechtsbedingung im System des bürgerlichen Rechts, 1974; Georgiades, Optionsvertrag und Optionsrecht, FS Larenz, 1973, 409; Henke, Bedingte Übertragungen im Rechtsverkehr und Rechtsstreit, 1959; Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965; Hromadka, Alter 65: Bedingung oder Befristung?, NJW 1994, 911; Kempf, Auflösende Bedingung und Rechtsnachfolge, AcP 158 (1959/60), 308; Kühl/Stenzel, Zur Wirkung unwirksamer Befristungsvereinbarungen, NJOZ 2014, 1721; Larenz, Die rechtliche Bedeutung von Optionsvereinbarungen, DB 1955, 209; W. Lorenz, Vorzugsrechte beim Vertragsabschluss,
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Bedingung und Zeitbestimmung
Vor § 158
FS Dölle I, 1963, 103; Mock, Vorvertrag, Angebot, Angebotsvertrag, Optionsvertrag, insbesondere Ankaufsrecht, in Hagen/ Brambring (Hrsg), RWS-Forum Immobilienrecht 1998, S 91; Oertmann, Die Rechtsbedingung (conditio iuris), 1924 (Neudruck 1968); Petersen, Bedingung und Befristung, Jura 2011, 275; Raape, Die Wollensbedingung, 1912; Radke, Bedingungsrecht und Typenzwang, 2001; Rodi, Die bedingte Zustimmung, 2016; Schumann, Die Option, 1968; Wunner, Die Rechtsnatur der Rückgewährpflichten bei Rücktritt und auflösender Bedingung mit Rückwirkungsklausel, AcP 168 (1968), 425; Zimmermann, Heard melodies are sweet, but those unheard are sweeter – Condicio tacita, implied condition und die Fortbildung des europäischen Vertragsrechts, AcP 193 (1993), 121.
I. Überblick. IdR entfalten Rechtsgeschäfte in dem Sinne sofortige Wirkung, dass die in ihnen vorgesehene Entstehung oder Übertragung von Rechten bereits mit dem Zustandekommen des Geschäfts erfolgt. Bisweilen sieht das Gesetz zusätzl Erfordernisse vor, wie zB die Übergabe oder Grundbucheintragung bei der Übereignung oder eine behördliche Genehmigung. Unabhängig davon lässt sich durch eine privatautonome Gestaltung verhindern, dass schon mit dem Abschluss des Rechtsgeschäfts Rechte entstehen, übertragen werden oder erlöschen. Die §§ 158ff betreffen derartige Abreden, namentlich die in der Praxis ganz im Vordergrund stehenden Bedingungen, daneben Befristungen. Eine Bedingung im Rechtssinne liegt vor, wenn bei einem Rechtsgeschäft die Parteien den Eintritt oder den Fortbestand der Rechtswirkung von einem künftigen, obj ungewissen Ereignis abhängig machen (BAG NJW 2008, 872 Rn 37). Um eine Befristung handelt es sich hingegen dann, wenn der künftige Eintritt des Ereignisses feststeht und nur der Zeitpunkt ungewiss ist (Einzelheiten s § 163 Rn 1). § 158 umschreibt mit dem Ausdruck „Bedingung“ nicht nur die Abrede der Parteien, sondern auch das künftige Ereignis, das eine Handlung, Unterlassung oder ein sonstiger Tatbestand sein kann. Die Vorschrift unterscheidet in den Abs I und II zw aufschiebenden (Suspensiv-) und auflösenden (Resolutiv-)Bedingungen. Erstere bringen mit ihrem Eintritt die Rechtswirkung des Geschäfts zur Entstehung, letztere beenden sie. Während die aufschiebende Bedingung mit dem Rechtsgeschäft, dem sie nach dem Parteiwillen hinzugefügt wird, eine unlösbare Einheit bildet, ist die auflösende Bedingung ein selbstständiger Teil des Rechtsgeschäfts (vgl Staudinger/Bork Rn 12; aA BeckOGK/Reymann § 158 Rn 19). Diese Unterscheidung wirkt sich namentlich dann aus, wenn die Bedingung verbots- oder sittenwidrig ist (Rn 9). Die Bedingung ist von der Geschäftsgrundlage zu unterscheiden. Vom Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung hängt die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ab (Rn 1). Bei der Geschäftsgrundlage weicht dagegen die Wirklichkeit, die die Parteien nicht beherrschen, von deren Vorstellungen und Erwartungen oder vom Inhalt des Vertrags ab, ohne dass dies unmittelbar Einfluss auf den Vertrag hätte. Vielmehr gewährt § 313 einen Anspruch auf Vertragsanpassung oder -aufhebung. II. Uneigentliche Bedingungen. Vielfach wird im natürlichen Sprachgebrauch als „Bedingung“ bezeichnet, was keine Bedingung im Rechtssinne ist. Ob eine echte Bedingung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Das gilt auch für als solche bezeichnete Bedingungen in einer notariellen Urkunde; doch spricht eine Vermutung für eine echte Bedingung, wenn ein Notar die Erklärungen formuliert hat (BayObLG Rpfleger 1967, 11, 12). Uneigentliche Bedingungen (Scheinbedingungen) sind die in Rn 4–11 genannten Bedingungen. 1. Geschäftsbedingung. Die Geschäftsbedingung (Vertragsklausel) bestimmt den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, ohne dass seine Rechtswirkung von ihr abhängig ist. Bsp: „Ware wird erst nach Zahlungseingang geliefert“ (Vorleistungsklausel). Dabei geht es um die Konditionen eines Geschäfts. Im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig sein, ob es sich um eine Bedingung oder um eine Vertragsklausel handelt (BGH WM 1963, 192; Düsseldorf NJW-RR 1991, 435). Auch ist es eine Auslegungsfrage, ob eine Vertragsbestimmung Bedingung oder reine Fälligkeitsregelung ist (BGH NJW 1993, 1381, 1382; NJW-RR 1998, 801, 802). 2. Rechtsbedingung. Die Rechtsbedingung (conditio iuris) ist keine rechtsgeschäftliche, sondern eine gesetzl Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, die eigenen Regeln folgt (RGZ 144, 71, 73; BGH NJW 1996, 3338, 3340; 2004, 1595). Bsp: Ein unbefugter Vertreter schließt einen Vertrag im Namen eines anderen; es gelten dann die §§ 177ff. Gleiches gilt, wenn ein befugter Vertreter beim Handeln für einen anderen so aufgetreten ist, als habe er keine Vertretungsmacht (BGH NJW 1996, 3338, 3340). Eine Rechtsbedingung liegt auch vor, wenn die Parteien auf ein vermeintlich bestehendes gesetzl Genehmigungserfordernis hinweisen; der Nichtbestand dieses Erfordernisses berührt nicht die Wirksamkeit des Geschäfts (BGH WM 1961, 407, 410; vgl BGHZ 65, 345, 346f = BGH NJW 1976, 519). Auf Gesetz und nicht auf Rechtsgeschäft beruht die zeitl Beschränkung der Wirksamkeit eines Vertrags auf die Dauer der Vorerbschaft (BGHZ 52, 269, 272 = BGH NJW 1969, 2043, 2045). Auch der Erbanfall an den Ersatzerben beruht auf einer gesetzl Voraussetzung, so dass die §§ 158ff nicht anwendbar sind (vgl Becher NJW 1969, 1463, 1464; aA Kempf NJW 1961, 1797). Die Ausschlagung einer Erbschaft unter der „Bedingung“ des nachfolgenden Eintritts der gesetzl Erbfolge ist gleichfalls keine rechtsgeschäftliche Bedingung (Düsseldorf NJW-RR 1998, 150, 151). 3. Eingetretene Bedingung. Bei der bereits eingetretenen Bedingung (conditio in praesens vel in praeteritum collata) ist das Ereignis nur subj, nicht aber obj ungewiss. Ein obj Schwebezustand liegt nicht vor; entweder ist die Rechtswirkung eingetreten oder nicht. Aber die §§ 158ff sind auf einen lediglich subj Schwebezustand entspr anwendbar (KG DStR 2012, 2346; Staudinger/Bork Rn 29; Frohn Rpfleger 1982, 56, 57; vgl BGH LM § 159 Nr 1; aA BeckOGK/Reymann § 158 Rn 46f). Die Wirkung des Rechtsgeschäfts tritt dann erst mit der Kenntnis der Parteien ein (Brox/Walker AT § 21 Rn 3; Staudinger/Bork Rn 29). Auch Steuerklauseln sind keine echten Bedingungen, da die zu erwartende Steuer dem Grunde und der Höhe nach obj gewiss ist (Tipke NJW 1968, 865, 867). – Mitunter kann eine Wette (§ 762) vorliegen (MüKo/Westermann § 158 Rn 53). Kein tauglicher Bedin-
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Rechtsgeschäfte
gungsgegenstand sind den Parteien bekannte gegenwärtige Zustände oder Ereignisse wie zB der Depotbestand im Zeitpunkt des Abschlusses des Kommissionsauftrags. 4. Notwendige Bedingung. Die notwendige Bedingung (conditio necessaria) macht den Eintritt der Rechtswirkung von einem Ereignis abhängig, das eintreten muss. Hier liegt ein unbedingtes Geschäft vor. Ist das notwendige Ereignis jedoch ein bestimmter Anfangs- oder Endtermin, so wird nach dem Willen der Parteien ein befristetes Geschäft iSd § 163 anzunehmen sein (Staudinger/Bork Rn 27; noch weiter Brox/Walker AT § 21 Rn 3, die meinen, die notwendige Bedingung sei immer eine Befristung). 5. Unmögliche Bedingung. Bei der unmöglichen Bedingung steht von vornherein oder nachträgl fest, dass sie nicht eintreten kann. Eine aufschiebende Bedingung dieser Art macht das Rechtsgeschäft nichtig, da die aufschiebende Bedingung als untrennbarer Bestandteil des Rechtsgeschäfts von diesem nicht gelöst werden kann (BGH NJW-RR 2018, 817 Rn 43; Flume II § 38, 4c [S 691f]; MüKo/Westermann § 158 Rn 48; vgl auch Mot I, S 265). Eine unmögliche, auflösende Bedingung ist unbeachtlich, da sie idR ein selbstständiger, also ablösbarer Bestandteil des Rechtsgeschäfts ist. Das Rechtsgeschäft ist dann voll gültig (Flume II § 38, 4c [S 692]; MüKo/ Westermann § 158 Rn 48). – Ist die Bedingung bei Vornahme des Rechtsgeschäfts unmöglich, kann die Unmöglichkeit jedoch behoben werden und soll das Geschäft für diesen Fall, zB eine künftige Gesetzesänderung, geschlossen sein, liegt eine echte Bedingung in der Form einer sog unentschiedenen Bedingung (Mot I, S 265) vor. Das Rechtsgeschäft ist gültig, vorausgesetzt, dass es nicht wegen Aufnahme einer solchen Bedingung gesetzl verboten (§ 134) oder sittenwidrig und damit gem § 138 nichtig ist (Rn 9). Zur letztwilligen Verfügung vgl §§ 2074, 2075. 6. Verbotene oder sittenwidrige Bedingung. Die verbotene oder sittenwidrige Bedingung kann das Rechtsgeschäft im Ganzen nach §§ 134, 138 nichtig machen. § 139 ist bei einer aufschiebenden Bedingung nicht anwendbar, da die Bedingung kein „Teil des Geschäfts“ ist, sondern mit ihm eine untrennbare Einheit bildet (vgl BGH NJW 1999, 351 zu einem Verstoß gegen § 313 aF [§ 311b I]). Eine Umdeutung nach § 140 ist möglich, wenn dies bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde (aA Flume II § 38, 4c [S 692]; Soergel/Klinck Rn 31); an dieser subj Voraussetzung wird es freilich meist fehlen. Bei auflösender Bedingung kann dies anders sein. Allerdings wird dann regelmäßig das Rechtsgeschäft zum Schutz der betroffenen Vertragspartei als unbedingt geschlossen anzusehen sein (Soergel/Klinck Rn 31), zB ein mit unwirksamer Zölibatsklausel (Art 6 I GG) geschlossener Arbeitsvertrag (BAGE 4, 274, 285f; s auch LAG Düsseldorf DB 1969, 931 zur Schwangerschaft als auflösender Bedingung eines Arbeitsvertrags; BAG NJW 1982, 788, 790 zur unwirksamen Umgehung des § 626 durch auflösende Bedingung). Aus §§ 21, 14 I TzBfG ergibt sich die grds Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung im Arbeitsvertrag (Boewer, FS Schwerdtner, 2003, 37ff; Joch/Klichowski NZA 2004, 302, 303). Zulässig ist es auch, im Schenkungsvertrag den Tod des Beschenkten als auflösende Bedingung zu vereinbaren (Bütter/Tonner NZG 2003, 193, 198f). Soweit eine Bedingung iSv § 158 in AGB enthalten ist, unterliegt sie der Kontrolle nach den §§ 307ff (LG München I CR 2004, 774, 775). Führt diese zur Unwirksamkeit der Bedingung, kommt in Ermangelung von dispositivem Gesetzesrecht, das gem § 306 II an die Stelle der Bedingung treten könnte, eine erg Vertragsauslegung in Betracht (BeckOGK/Reymann § 158 Rn 114f; s allg § 157 Rn 26). 7. Unnütze Bedingung. Eine unnütze Bedingung bringt keiner Partei einen Vorteil (Mot I, S 264). Sie ist erlaubt, kann aber das Geschäft nach § 118 wegen Fehlens des ernstlichen Charakters nichtig machen. 8. Unverständliche Bedingung. Die unverständliche Bedingung Sie macht, wenn sich durch Auslegung (§§ 133, 2084) ihre Bedeutung nicht klarstellen lässt, das ganze Geschäft wegen Unbestimmtheit seiner Rechtswirkung nichtig (Mot I, S 267). III. Potestativ- und Wollensbedingungen. Das BGB unterscheidet nicht zw potestativen (willkürlichen), zufälligen oder gemischten Bedingungen. a) Bei einer Potestativbedingung ist der Eintritt einer Rechtswirkung an ein Verhalten (Tun oder Unterlassen) geknüpft, das vom Belieben einer Vertragspartei abhängt (Flume II § 38, 2d [S 684]). Bzgl dieses Verhaltens ist die Partei frei; die an das Verhalten geknüpfte Rechtswirkung tritt jedoch unabhängig von ihrem Willen ein (Staudinger/Bork Rn 16). Das Tun oder Unterlassen hat mit dem Rechtsgeschäft selbst nichts zu tun. Die Potestativbedingung ist daher eine echte Bedingung, nicht anders als die Zufallsbedingung (Mot I, S 266). b) Bei der Wollensbedingung wird im Unterschied zur Potestativbedingung die Geltung des Rechtsgeschäfts in den Willen einer Vertragspartei gestellt. Die Wollensbedingung wird verbreitet als die eigentliche Potestativbedingung bezeichnet (s nur BGH DB 1962, 1567; Grü/Ellenberger Rn 10; Staudinger/Bork Rn 17). Str ist, ob ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden reinen Wollensbedingung geschlossen werden kann (volo si volam; Raape Die Wollensbedingung; Giesen, FS Schapp, 2010, 159, 160ff). Bsp: V verkauft Möbel an K mit der Maßgabe, dass der Vertrag wirksam wird, wenn V ihn binnen 14 Tagen schriftlich bestätigt. Der Vertrag kann in diesem Fall nicht gegen den Willen des V wirksam werden; gerade sein Wille ist „Bedingung“ des Wirksamwerdens. Die Rspr nimmt vor allem bei gegenseitigen Verträgen an, dass die Vertragserfüllung von der reinen Willkür einer Vertragspartei abhängig gemacht werden kann (BGHZ 47, 387, 391 = BGH NJW 1967, 1605; 1996, 3338, 3340; NJW-RR 1996, 1167; zu einseitigen Rechtsgeschäften s Rn 18). Zur Begr werden die §§ 454, 455 (§§ 495, 496 aF) angeführt, die den Kauf auf Probe ausdrückl als „bedingten Kauf“ bezeichnen und den Eintritt der Bedingung (Billigung) in das Belieben des Käufers stellen (RGZ 72, 385; 77, 415, 417; Enneccerus/Nipperdey § 194 IV 3, 1190f; Wunner AcP 168, 425ff; krit etwa Soergel/Klinck Rn 29). Es ist jedoch zu differenzieren: Sofern keine vertragl Bindung besteht, kann keine echte Bedingung angenommen werden, da diese Modalität eines 532
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geschlossenen Vertrags sein muss (s auch Giesen, FS Schapp, 2010, 159, 169). An einer Bedingung im Rechtssinne fehlt es daher, wenn das bloße Wollen, das nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht wird, zur aufschiebenden „Bedingung“ erhoben wird; hier bleibt die Verbindlichkeit des Rechtsgeschäfts offen (Mot I, S 266; RGZ 72, 385; 104, 98, 100). Anders ist zu entscheiden, wenn der zur Billigung des Rechtsgeschäfts berufene Vertragsteil sich erklären muss. Zwar werden hier die Regelungen des Rechtsverhältnisses erst durch die Erklärung in Geltung gesetzt; eine vertragl Bindung, die uU formbedürftig ist, besteht jedoch bereits seit der Vereinbarung des Rechtsverhältnisses (BGH NJW-RR 1996, 1167; Flume II § 38, 2d [S 686]; aA Staudinger/Bork Rn 18; ähnl auch die in BGH DB 1962, 1567 freilich als „Sonderfälle“ bezeichneten Entscheidungen RGZ 131, 24, 26f; 136, 132, 135). Dies erklärt, warum die Billigung iSd §§ 454, 455 auch ohne entspr gesetzl Regelung stets formlos erfolgen kann (Jauernig/Berger §§ 454, 455 Rn 6; diff Staudinger/Bork Vorbem §§ 145ff Rn 72 [Vorschriften, die den Erklärenden schützen, sind stets anzuwenden]). Sie ähnelt darin der Formfreiheit der Erklärungen in den verwandten Fällen des Wiederkaufs in § 456 I 2 und des Vorkaufs in § 464 I 2 (zum Optionsvertrag s Rn 14). Unzulässig ist die aufschiebende Wollensbedingung bei dinglichen Verfügungsgeschäften, da dies dem Publizitätsprinzip und dem Bestimmtheitsgrundsatz zuwiderliefe (Staudinger/Heinze § 872 Rn 123; BeckOGK/Reymann § 158 Rn 34; Böttcher NJW 2017, 2726, 2727; Böhringer BWNotZ 2021, 175 [letzterer unter unzutr Berufung auf Frankfurt MittBayNot 2016, 231]). Auch eine auflösende Wollensbedingung ist bei obligatorischen Rechtsgeschäften zulässig (Mot I, S 266; LAG 13a Berlin NZA-RR 2006, 68, 69; Staudinger/Bork Rn 18; Wunner AcP 168, 425, 426; abw MüKo/Westermann § 158 Rn 22). Alternativ könnten die Parteien in diesem Fall ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht vereinbaren (Flume II § 38, 2d [S 687]). Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob eine ex nunc wirkende Vernichtung des Rechtsgeschäfts mit einer Abwicklung grds (vgl auch § 159 Rn 1) nach Bereicherungsrecht (dann auflösende Wollensbedingung) oder eine vertragl Rückabwicklung (dann Rücktritt oder Kündigung; vgl §§ 346ff) gewollt ist (abw BeckOK/Rövekamp Ed 64, § 158 Rn 11.1: im Zweifel Rücktrittsvorbehalt). Hingegen ist eine auflösende Wollensbedingung bei dinglichen Verfügungsgeschäften unzulässig, da sie auf einen Rücktritt vom dinglichen Vertrag hinauslaufen würde, was dem Typenzwang des Sachenrechts widerspricht (Staudinger/Bork Rn 18; BeckOGK/Reymann § 158 Rn 34f; aA 15. Aufl). IV. Optionsrecht. Die Einräumung eines Optionsrechts (insb: Ankaufsrechts) kann rechtl Verschiedenes be- 14 deuten: Einmal kann es sich um ein einseitiges Verkaufsangebot (Vermietungsangebot etc) mit befristeter Bindung handeln. Die Bestätigung durch den Käufer ist die Annahme des Angebots; sie ist daher ebenso wie dieses formbedürftig, wenn es sich um einen Grundstückskaufvertrag handelt (§ 311b I). Zum anderen kann ein Optionsrecht auch vertragl begründet werden, und zwar entweder durch einen Vorvertrag (s Vor § 145 Rn 46ff) oder einen Optionsvertrag (s Vor § 145 Rn 52; vgl BGH WM 1961, 800, 801; NJW-RR 1996, 1167). Während bei einem Vorvertrag ein Vertragspartner sich zum Abschluss eines Vertrags mit bestimmtem Inhalt verpflichtet, so dass dem anderen ein Anspruch auf Abgabe einer entspr Willenserklärung erwächst, wird bei einem Optionsvertrag einer Partei das Recht eingeräumt, innerhalb einer bestimmten Frist einen Kaufvertrag mit bereits festgelegtem Inhalt durch eine einseitige Willenserklärung zustande zu bringen. In einem solchen Fall kann es sich um einen bedingten Kaufvertrag handeln, sofern seine Erfüllung von einer nachträgl, innerhalb bestimmter Frist abzugebenden Erklärung einer Partei abhängen soll (vgl BayObLG DNotZ 1999, 1011, 1012; Mock, RWS-Forum Immobilienrecht, 1998, 91, 92; Schöner/Stöber Grundbuchrecht16 2020, Rn 1448f). Bei gegenseitigen Verträgen, bei denen notwendig jeder Teil zugleich Gläubiger und Schuldner ist, kann die Vertragserfüllung von der Billigung einer Partei abhängig gemacht werden; es handelt sich um eine zulässige Potestativbedingung (Rn 13; aA Staudinger/Bork Vorbem §§ 145ff Rn 71 [es handele sich um eine zulässige Wollensbedingung, da nur der erklärte Wille zur Bedingung gemacht werde]; zur Vereinbarung eines Ankaufsrechts, bei dem die Bedingungen in den freien Willen beider Vertragsparteien gestellt werden, s BGH NJW 1967, 153; s auch Mülsch/Penzel ZIP 2004, 1987f). Die Annahme, dass die Parteien eines Optionsvertrags einen bedingten Kaufvertrag abschließen, wird indessen 15 bezweifelt (Henrich Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 238f; s auch Flume II § 38, 2d [S 686]). Der Optionsvertrag begründe vielmehr für den Optionsberechtigten ein Gestaltungsrecht, dessen Ausübung erst einen Kaufvertrag gem dem im Optionsvertrag von den Parteien festgelegten Inhalt entstehen lasse. Damit sei die Annahme eines bedingten Kaufvertrags nicht vereinbar (Larenz SchuldR II 1 § 44 IV 3 [S 158]). Praktische Bedeutung kommt diesem Streit kaum zu (so zu Recht für das Vorkaufsrecht Medicus/Lorenz SchuldR II Rn 322). Der BGH lässt die Rechtsnatur des Ankaufsrechts regelmäßig offen (s nur NJW 1968, 551, 552, wo sowohl Festofferte als auch aufschiebend bedingter Hauptvertrag als Gestaltungsrecht bezeichnet werden). Besteht ein Bedürfnis nach Anwendung der §§ 104ff (M. Becker AcP 188, 25, 35 Fn 35; vgl auch Larenz SchuldR II 1 § 44 I [S 144] für den Kauf auf Probe), so kann eine rechtsgeschäftliche Erklärung zur Bedingung erhoben werden. Da ein aufschiebend bedingter Vertrag bereits im Schwebezustand Schadensersatzansprüche auslösen kann (s nur BGHZ 90, 302, 308 = BGH NJW 1984, 2034; BGH LM Nr 11), zwingt die Annahme eines bedingten Hauptvertrags in Haftungsfragen auch nicht zu einer Analogie zu den §§ 160ff (dies übergeht M. Weber JuS 1990, 249, 255 Fn 90). Die Konstruktion des Optionsvertrags als bedingter Hauptvertrag hat hingegen den Vorzug, dass die Ausübung der Option keinem Formerfordernis unterworfen ist (aA Staudinger/Bork Vorbem §§ 145ff Rn 74). Wer von einem Gestaltungsrecht ausgeht, muss konsequenterweise Formbedürftigkeit fordern, da erst mit Ausübung der Option eine rechtsgeschäftliche Bindung eintreten kann (Georgiades, FS Larenz, 1973, 409ff, 425, M. Weber JuS 1990, 249, 254; Larenz SchuldR II 1, § 44 IV 3 [S 158]; Wufka DNotZ 1990, 339, 354). Zu Recht ist der BGH dieser Ansicht nicht gefolgt; Optionen sind stets formfrei ausübbar (BGH NJW-RR 1996, 1167; voArmbrüster
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Rechtsgeschäfte
rausgesetzt auch von BGH NJW 1991, 2698; s auch BGH NJW 2000, 1332, 1333 für den Wiederkauf; RGZ 169, 65, 70; Grü/Grüneberg § 311b Rn 11). Optionsklauseln zur Verlängerung eines Mietvertrags über ein Grundstück, der für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, bedürfen der Form der § 578 I, § 550 S 1 (Düsseldorf JR 1968, 145, 147 zu § 566 aF). Eine Option, die dem Mieter die Befugnis gibt, durch einseitige Erklärung das Mietverhältnis um eine bestimmte Zeit zu verlängern, bewirkt, dass die Laufzeit des Vertrags mit Zugang der Optionserklärung ohne weiteres um die Optionszeit verlängert wird. Die Gestaltungswirkung wird nicht durch ein rechtskräftiges Urt auf künftige Räumung gehindert und kann mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden (BGHZ 94, 29, 32 = BGH NJW 1985, 2481). – Die Haftung des Optionsgebers für das Zustandekommen und die Erfüllung des Hauptvertrags folgt auch aus dem Optionsvertrag, der ein gegenseitiger Vertrag ist, wenn für die Ausübung des Optionsrechts ein Bindungsentgelt festgelegt ist (vgl Georgiades, FS Larenz, 1973, 409, 424ff). V. Parteibedingung. Die echte Bedingung ist Parteibedingung. Sie kann nicht nur ausdr, sondern auch konkludent gesetzt werden, dh durch schlüssiges Verhalten der Parteien, insb kann sie den Umständen zu entnehmen sein. Handelt es sich bei einer stillschw Bedingung nur um eine Rechtsbedingung, so liegt eine Scheinbedingung vor (Rn 5). VI. Bedingungsfeindliche Geschäfte. Bestimmte Rechtsgeschäfte können nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung geschlossen werden (actus legitimi). Es sind dies: Aufrechnung (§ 388 S 2), Auflassung (§ 925 II; vgl München NJOZ 2015, 11), Eheschließung (§ 1311 S 2), Anerkennung der Vaterschaft (§ 1594 III), Antrag des Annehmenden auf Ausspruch der Adoption (§ 1752 II 1) sowie dazu erforderliche Einwilligungen (§ 1750 II 1), Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft (§ 1947) oder eines Vermächtnisses (§ 2180 II 2 Hs 2), Annahme und Ablehnung des Testamentsvollstreckungsamtes (§ 2202 II 2 Hs 2); ferner die Bestellung oder Übertragung eines Erbbaurechts unter auflösender Bedingung (§ 1 IV 1, 11 I 2 ErbbauRG; BGHZ 52, 269, 271f = BGH NJW 1969, 2043, 2045), die Einräumung und Aufhebung von Sondereigentum (§ 4 II 2 WEG) sowie die Prokuraerteilung im Verhältnis zu Dritten (vgl § 50 II HGB). Bedingungsfeindlich ist auch das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters iSv § 558a (BGH NJW 2015, 934 Rn 34; Börstinghaus in Schmidt-Futterer, § 558a Rn 16). Bei einseitigen Willenserklärungen, die gestaltend in den Rechtskreis anderer eingreifen, folgt die Bedingungsfeindlichkeit auch ohne gesetzl Anordnung schon daraus, dass keine Unsicherheit über die Rechtslage aufkommen darf. Deshalb ist ebenso wie eine bedingte Aufrechnung (§ 388 S 2) auch eine bedingte Rücktrittserklärung grds ausgeschlossen (BGHZ 97, 264, 266f = BGH NJW 1986, 1813; zur Abgrenzung s BGH NJW-RR 2004, 952, 953; § 145 Rn 16 aE). Anders ist die Lage, wenn im konkreten Fall keine unzumutbare Ungewissheit entsteht. Dies ist etwa bei Rechtsbedingungen der Fall, oder wenn der Empfänger mit der Bedingung einverstanden ist (BGH NJW 1986, 2245, 2246), ebenso bei einer Potestativbedingung (BeckOGK/Reymann § 158 Rn 143). Grds unzulässig ist auch eine bedingte Widerrufs- oder Anfechtungserklärung (RGZ 66, 153; BGH NJW 1969, 2099; MüKo/Westermann § 158 Rn 28f, auch zur – zulässigen – Eventualaufrechnung). Allerdings kann eine Anfechtung unter eine Potestativbedingung gestellt werden, deren Eintritt allein vom Willen des Anfechtungsgegners abhängt (§ 143 Rn 5 [Arnold]; aA MüKo/Busche § 143 Rn 5; Staudinger/Roth § 143 Rn 8). Dieselben Regeln gelten für eine bedingte Wahlerklärung bei der Wahlschuld und für die bedingte Ausübung eines Vorkaufsrechts (MüKo/Westermann § 158 Rn 28). Auch eine aufschiebend bedingte Kündigung kann unzulässig sein (zur Befristung s § 163 Rn 1). Dies gilt aber nicht, wenn der Empfänger mit einer bedingten Erklärung einverstanden ist oder wenn der Eintritt des künftigen Ereignisses nur von seinem Willen abhängt (Wollensbedingung, s auch Rn 13), so dass für ihn die Rechtslage nicht ungewiss ist (RGZ 91, 307, 308f; BGH WM 1973, 694, 695; BGHZ 97, 264, 267 = BGH NJW 1986, 1813; BAG NJW 1995, 1981, 1982; MüKo/Westermann § 158 Rn 29f; Enneccerus/ Nipperdey § 195 II 2b [S 1195]). Zulässig ist daher eine Änderungskündigung, die für den Fall gelten soll, dass der Empfänger nicht mit einer bestimmten Änderung des bestehenden Vertragsverhältnisses einverstanden ist (BGH LM § 609 Nr 4; BAG NJW 1968, 2078; NJW 1999, 379ff). Eine Kündigung kann auch dadurch auflösend bedingt werden, dass das Ende der Beschäftigung nicht schon aus anderen Gründen erfolgt (BAG NJW 2014, 3533 Rn 12; BeckOGK/Reymann § 158 Rn 140). Zur Zulässigkeit einer bedingten Mahnung s § 286 Rn 35. Auch die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers kann auflösend bedingt erfolgen (BGH NJW-RR 2006, 182 Rn 14ff; Manger GmbHR 2004, 421, 422; aA Scholz/Schneider/Schneider GmbHG13, 2022, § 6 Rn 74). Dasselbe gilt für dessen Amtsniederlegung, wenn sie durch die Eintragung des Ausscheidens in das Handelsregister bedingt sein soll (München 20.12.2012 – 27 W 159/12; Frankfurt NJW-RR 1994, 105f). Ebenso kann die Begr eines Sondernutzungsrechts für WE bedingt erfolgen (Zweibrücken NJW-RR 2008, 1395, 1396). Keine Rechtsunsicherheit besteht, wenn ein Widerruf eines Vertragsangebotes nicht zum Erlöschen, sondern zur Befristung des Angebotes führt (BGH NJW-RR 2004, 952, 953). Ein Wohnungsrecht nach § 1093 kann grds auflösend bedingt werden. Jedoch muss die Bedingung aufgrund des Publizitätserfordernisses des Grundbuchs eindeutig und obj bestimmbar sein (Frankfurt MittBayNot 2016, 231). Bedingungsfeindlich sind grds auch Prozesshandlungen; freilich sind Eventual- und Hilfsanträge zulässig. Eine Vollmacht kann bedingt sein (zur Auslegung s München ZEV 2022, 462 Rn 23). Zulässig ist bei bedingungsfeindlichen Geschäften die Hinzufügung uneigentlicher Bedingungen (Rn 3ff), zB von Rechtsbedingungen (vgl BGHZ 99, 236, 239 = BGH NJW 1987, 899) oder bereits entschiedenen Bedingungen (vgl RGZ 146, 234, 238f zur Anfechtung). Zulässig ist eine Eventualaufrechnung für den Fall, dass die Klageforderung begründet ist (Mot II, S 108; RGZ 57, 97, 101; MüKo/Westermann § 158 Rn 29; krit K. H. Schwab, FS
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Bedingung und Zeitbestimmung
§ 158
Nipperdey I, 1965, 939ff). Zulässig ist auch eine Eventualanfechtung (BGH NJW 1968, 2099; 1991, 1673, 1674; MüKo/Westermann § 158 Rn 29).
§ 158
Aufschiebende und auflösende Bedingung
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein. (2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein. I. Überblick. Bei aufschiebender Bedingung entsteht, bei auflösender Bedingung endet die Rechtswirkung ei- 1 nes Rechtsgeschäfts mit dem Eintritt der Bedingung. Ob eine aufschiebende oder auflösende Bedingung vorliegt, hängt – ebenso wie die Frage, ob überhaupt eine Bedingung besteht (s dazu KG NZM 2005, 21; Frankfurt NJWRR 2022, 1060 Rn 40) und ob stattdessen eine Befristung vorliegt (s dazu § 163 Rn 1) – von der Auslegung des einzelnen Rechtsgeschäfts ab. Maßgeblich ist, ob nach dem Parteiwillen die endgültige Wirksamkeit des Geschäfts geregelt werden soll. Allg Auslegungsregeln stellt das Gesetz nicht auf (Mot I, S 251). Im Kaufrecht finden sich spezielle Regeln: Beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt ist nach § 449 I im Zweifel eine aufschiebend bedingte Übereignung, beim Kauf auf Probe nach § 454 I 2 im Zweifel ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag anzunehmen. Im Erbrecht enthält § 2075 eine Auslegungsregel, wonach bestimmte bedingte letztwillige Verfügungen im Zweifel eine auflösende Bedingung enthalten. Jenseits solcher Sonderregeln besteht kein Grundsatz, wonach der Parteiwille im Zweifel wegen der geringeren Bindungswirkung auf einen aufschiebend bedingten Vertragsschluss gerichtet ist; vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (Staudinger/Bork Rn 4; Soergel/Klinck Rn 3; BeckOGK/Reymann Rn 76; KG NJW-RR 2019, 1280 Rn 2 [letztlich aber unentschieden]; offen lassend BGH 1975, 776, 777; aA 16. Aufl). Steht es bei einem Konditionsgeschäft ähnl wie bei einem Kauf auf Probe völlig im Belieben des Käufers, ob er die Ware zurückgibt, ist eine aufschiebende Bedingung anzunehmen (BGH NJW 1975, 776, 777). Die Bedingung kann auch ggü dem Rahmen- und dem Vorvertrag abzugrenzen sein (s dazu BGH NJW-RR 2009, 598 Rn 19ff). Die Bedingung kann sich auf jedes nicht bedingungsfeindliche (Vor § 158 Rn 18) Rechtsgeschäft beziehen; er- 2 fasst werden damit neben Verträgen insb auch Beschl (Köln MDR 2005, 500 – WEG-Beschl). Bei Verträgen kann sie das schuldrechtl Grundgeschäft und zugleich das dingliche Erfüllungsgeschäft betreffen oder sich auf eines dieser Geschäfte beschränken (vgl zur Einräumung eines Nutzungsrechts Maaßen GRUR-Prax 2013, 127, 128). Beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt ist der Kauf idR unbedingt, die Eigentumsübertragung jedoch aufschiebend bedingt, und zwar bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises, § 449 I. Ob bei einem bedingten Kaufvertrag davon auszugehen ist, dass auch die Übereignung bedingt vorgenommen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine Vermutung dahingehend, dass Kausal- und Erfüllungsgeschäft regelmäßig unter derselben Bedingung vorgenommen werden, besteht nicht (Staudinger/Bork Rn 12; aA 10. Aufl [Hefermehl]). Vielmehr ist das schuldrechtl vom dinglichen Geschäft zu trennen. Beschränkt sich zB die (aufschiebende) Bedingtheit auf das schuldrechtl Geschäft, so bleibt das dingliche auch bei Ausfall der Bedingung gültig; die Rückforderung richtet sich dann nach Bereicherungsgrundsätzen, § 812 I, § 814 (zur Rückforderung des Geleisteten nach Eintritt einer auflösenden Bedingung s § 159 Rn 1). Leistet der aufschiebend bedingt Verpflichtete vor Bedingungseintritt, aber in Erwartung desselben, so kann er bis zum Bedingungseintritt gem § 812 I 2 Fall 2 (condictio ob rem) seine Leistung kondizieren; § 814 ist hier nicht anwendbar (RGZ 71, 316, 317; Soergel/Klinck Rn 17). Zur auflösenden Bedingung bei der Sicherungsübereignung s Anh § 931 Rn 5. Zur bedingten Sicherungsgrundschuld s § 1191 Rn 13; ferner § 1191 Rn 66ff (aufschiebend bedingter Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers bei der Sicherungsgrundschuld). II. Aufschiebende Bedingung (Abs I). Das aufschiebend bedingt geschlossene Rechtsgeschäft ist ein wirk- 3 sames Geschäft; nur seine Rechtswirkung ist noch nicht eingetreten (BGH NJW 1994, 3227, 3228f; BFH NZM 2015, 752 Rn 22; Leenen, FS Canaris 2007, Bd 1, 699, 703). Klassisches Bsp ist der Kauf unter Eigentumsvorbehalt. Die Parteien sind an das Geschäft gebunden und können es nicht mehr einseitig lösen. Ein bedingt abgeschlossenes Rechtsgeschäft liefert deshalb regelmäßig den „sicheren Boden“ eines vormerkungsfähigen Anspruchs (BGHZ 134, 182, 185f = BGH NJW 1997, 861). Während des Schwebezustandes sind die Vertragsparteien zu vertragstreuem Verhalten verpflichtet (BGHZ 90, 302, 308 = BGH NJW 1984, 2034; LM Nr 11; s auch BGH NJW 1990, 507, 508 zu Handlungs- und Unterlassungspflichten nach Beendigung des Schwebezustands durch Ausfall der Bedingung). Wie sich aus den §§ 160, 162 ergibt, hat der bedingt Berechtigte bereits eine gesicherte Rechtsposition. Diese Anwartschaft auf den endgültigen Rechtserwerb stellt ein Vermögensrecht des Anwärters dar, das selbstständig übertragen und vererbt werden kann und pfändbar ist (§§ 857, 844 ZPO), sofern dies auch für das bedingte Recht zutrifft. Als ein die Veräußerung hinderndes Recht kann auch ein Anwartschaftsrecht zur Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) berechtigen, zB dasjenige des Vorbehaltskäufers, wenn Gläubiger des Vorbehaltsverkäufers die Zwangsvollstreckung in die Vorbehaltssache betreiben (BGHZ 55, 20, 27 = BGH NJW 1971, 799; Serick I § 12 I 2). In der Insolvenz gehört das Anwartschaftsrecht zur Masse (§ 35 InsO). Trotz Anerkennung eines selbstständigen Anwartschaftsrechts des bedingt Berechtigten darf nicht übersehen werden, dass das Eigentums- oder Gläubigerrecht während der Schwebezeit noch dem Verfügenden zusteht, und zwar als ein auflösend bedingtes Recht. Der Rechtsinhaber ist jedoch gem § 161 in seiner Verfügungsmacht beschränkt. Armbrüster
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Rechtsgeschäfte
Der Schwebezustand wird durch den Eintritt oder Ausfall der Bedingung oder durch deren Aufhebung oder den Verzicht (Rn 11) beendet. Mit Erfüllung der Bedingung tritt die volle Wirksamkeit eines aufschiebend bedingten Rechtsgeschäfts ipso iure ein, ohne dass die Willenseinigung der Parteien noch Bestand haben müsste (BGHZ 127, 129, 133f = BGH MDR 1995, 678 m Anm Schnorbus; BFHE 275, 22 = DStR 2022, 89 Rn 16). Tritt die Bedingung ein, so wird das Anwartschaftsrecht nach Abs I zum Vollrecht. Die dingliche Rechtsänderung ist vollzogen; der bedingt Berechtigte ist unbedingt Berechtigter geworden. Zum Übergang des vollen Gläubigeroder Eigentumsrechts bedarf es keiner besonderen Übertragungshandlung mehr; er vollzieht sich automatisch, und zwar, wenn das Anwartschaftsrecht zwischenzeitl übertragen worden ist, unmittelbar in der Person des Erwerbers (BGHZ 20, 88, 94 = BGH NJW 1956, 665). Die dingliche Rechtsänderung tritt „mit dem Eintritt der Bedingung“, also ex nunc ein und wirkt nicht zurück (BGHZ 10, 69, 72 = BGH NJW 1953, 1099f). Zwar können die Parteien eine Rückbeziehung vereinbaren; eine solche Vereinbarung hat nach § 159 aber nur schuldrechtl Wirkung. Fällt die Bedingung aus, so wird das Anwartschaftsrecht hinfällig. Das Geschäft ist damit als nicht zustande gekommen anzusehen. III. Auflösende Bedingung (Abs II). 1. Wirkung. Das auflösend bedingte Rechtsgeschäft ist rechtl das Spiegelbild des aufschiebend bedingten. Die Rechtsänderung tritt auch hier ex nunc ein (BGHZ 133, 331, 334 = BGH NJW 1997, 1706; 2011, 143 Rn 45; NJW 2022, 2106 Rn 92). Der frühere Rechtszustand tritt gem Abs II Hs 2 automatisch wieder ein, aber ohne dingliche Rückwirkung (vgl hierzu Kempf AcP 158, 308). Freilich ist dies praktisch nicht immer möglich, etwa bei auflösend bedingten Gesellschaftsverhältnissen. Um eine Rückabwicklung des Leistungsaustauschs zw den Gesellschaftern zu vermeiden, können hier die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft herangezogen werden (MüKo/Westermann Rn 42). Während des Schwebezustands besteht ebenfalls ein Anwartschaftsrecht, das zB bei einer Übereignung dem Veräußerer zusteht. Es entspricht in seinen Wirkungen dem Anwartschaftsrecht des Erwerbers bei aufschiebend bedingter Übereignung (s dazu Rn 3f). 2. Abgrenzungen. a) Rücktritt. Zu unterscheiden ist die auflösende Bedingung vom Rücktritt. Die Bedingung wirkt, sofern sie dem dinglichen Geschäft anhaftet, auch dinglich und ipso iure, während der Rücktritt aufgrund einer besonderen Rücktrittserklärung nur eine schuldrechtl Rückgewährpflicht gem §§ 346ff auslöst. Die Auslegung kann ergeben, dass eine auflösende Bedingung als einseitiger Rücktrittsvorbehalt aufzufassen ist (RG SeuffA 79, 15). Bei einem Urlaubssparvertrag ist im Zweifel ein Rücktrittsrecht und keine auflösende Bedingung vereinbart (LG Hamburg NJW-RR 1991, 823). Die Klausel „richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten“ kann eine auflösende Bedingung sein (BGHZ 24, 39, 40f = BGH NJW 1957, 873). Zu Bedingung und Rücktrittsvorbehalt beim „Kauf auf Feldprobe“ s München NJW 1968, 109. – Rücktritt und auflösende Bedingung können auch miteinander gekoppelt sein, zB dergestalt, dass der Rücktritt vom Vertrag die auflösende Bedingung für den Eigentumsübergang darstellt. In diesem Fall gewinnt der Rücktritt durch Parteiabrede mittelbar dingliche Wirkung. b) Widerrufsvorbehalt. Bei einem Widerrufsvorbehalt zugunsten beider Parteien in einem Prozessvergleich handelt es sich idR nicht um einen Rücktrittsvorbehalt oder um eine auflösende Bedingung, sondern um eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vergleichs (BGHZ 46, 277, 281 = BGH NJW 1967, 440, 441; BGHZ 88, 364, 367 = BGH NJW 1984, 312; NJW-RR 1989, 1214, 1215). Um einen Sonderfall der auflösenden Bedingung handelt es sich bei erbrechtl Verwirkungsklauseln, die unter § 2075 fallen (s dazu BGH NJW-RR 2009, 1455 Rn 17). Wird der Erstkäufer im Kaufvertrag auf ein bestehendes Vorkaufsrecht hingewiesen, ist die Vereinbarung dahin zu verstehen, dass die Ansprüche des Erstkäufers unter der auflösenden Bedingung der Ausübung des Vorkaufsrechts stehen sollen (BGH NJW-RR 2009, 1172 Rn 17). IV. Kombination. Eine Bedingung kann aufschiebend und zugleich auflösend gesetzt sein. Die Entscheidung dessen, der zB bei der Bestellung eines Wohnungsrechts ein Wahlrecht eingeräumt bekommen hat, anstelle einer bereits bezogenen Wohnung eine andere zu beziehen, kann als auflösende Bedingung für das Wohnungsrecht an der bezogenen Wohnung und zugleich als aufschiebende Bedingung für das Wohnungsrecht an der zukünftigen Wohnung angesehen werden (BayObLG NJW-RR 1988, 982). Ebenso kann eine grundstücksrechtl Rückübertragungsverpflichtung dann entfallen sollen, „falls und solange“ noch ein Abkömmling lebt (München NotBZ 2014, 152, 153). – Erlässt ein Darlehensgläubiger seinem Schuldner die Rückzahlung schenkungshalber für den Fall, dass dieser ihn überlebt, so wird verbreitet das Schenkungsversprechen als aufschiebend und das Darlehen als auflösend bedingt angesehen (Staudinger/Bork Rn 6; MüKo/Westermann Rn 15). Letzterem ist nicht zu folgen. Der Erlass bewirkt gem § 397 I lediglich das Erlöschen des Darlehensrückzahlungsanspruchs, greift aber nicht ohne weiteres als auflösende Bedingung in den bestehenden Darlehensvertrag ein. Als abstraktem Rechtsgeschäft kann einem aufschiebend bedingten Erlass eine Schenkung als Rechtsgrund gegeben werden (vgl dazu RGZ 53, 294). Es ist jedoch nicht möglich ein einheitliches Rechtsgeschäft teilw bedingt und teilw unbedingt abzuschließen (BeckOGK/Reymann Rn 24f – teilw bedingte Grundschuld). V. Einzelfälle. 1. Barzahlung. Im Anschluss an eine strafrechtl Entscheidung des OLG Saarbrücken (NJW 1976, 65, 66) wird verbreitet angenommen, dass ein zur Tilgung einer Geldschuld verwendeter Geldschein, der diese Schuld erheblich übersteigt, gewöhnlich unter der aufschiebenden Bedingung der Rückzahlung des Differenzbetrags übereignet werde (Staudinger/Bork Rn 5; Grü/Ellenberger Rn 4). Sinn einer solchen aufschiebenden Bedingung ist es, einen dinglichen Zug-um-Zug-Mechanismus entstehen zu lassen, wie er auch bei Wechselgeschäften mit Bargeld gefordert wird (Staudinger/Omlor Vor §§ 244ff Rn A182). Ob dies der Interessenlage und der Verkehrssitte immer gerecht wird, ist allerdings zweifelhaft (vgl H. L. Günther JZ 1976, 665). In solchen Fällen, in denen nach den Umständen (zB Kasse eines großen Warenhauses) gewöhnlich damit zu rechnen ist, dass – auch bei hoher Wertdifferenz – ausreichend Wechselgeld vorhanden ist, wirkt die Annahme einer nur be536
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Bedingung und Zeitbestimmung
§ 158
dingten Geldübereignung konstruiert. Der Umstand, dass diese Konstruktion eine strafrechtl Erfassung bestimmter Sachverhalte als Eigentumsdelikte ermöglicht, ist für die am erkennbaren Parteiwillen und -interesse zu orientierende Auslegung unbeachtlich. Jedenfalls in den genannten Fällen wird die Auslegung idR keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Bedingung ergeben. – Auch bei der abredegemäßen Tilgung einer Forderung mittels eines Zahlungsdienstes (zB „Paypal“) wird keine auflösende Bedingung iSd § 158 II vereinbart. Wird ein erfolgreicher Antrag auf „Paypal-Käuferschutz“ gestellt und die Zahlung rückabgewickelt, so wird die ursprüngl getilgte Kaufpreisforderung aufgrund einer unterstellten Nebenabrede zum Kaufvertrag (§ 311 I) wiederbegründet (BGH NJW 2018, 537 Rn 22, 28). 2. Weitere Fälle. Ein verbundenes Geschäft iSd § 358 ist gewöhnlich unter der auflösenden Bedingung der 9 Finanzierung durch das Kreditinstitut geschlossen (MüKo/Westermann Rn 13; BGH NJW 2014, 1519 Rn 21; Celle BB 1969, 558, 559). Die Klausel „Rest durch Finanzierung, diese ist alleinige Sache des Käufers“ bedeutet, dass der Vertrag unter der auflösenden Bedingung geschlossen ist, dass dem Käufer die Finanzierung gelingt (KG NJW 1971, 1139; krit MüKo/Westermann Rn 13 – aufschiebende Bedingung oder Rückabwicklung nach Leistungsstörungsrecht; s auch Braunschweig NJW-RR 1998, 567, 568 – auflösende Bedingung bei aktueller Zahlungsunfähigkeit). Ein Vertrag mit einer noch zu gründenden GmbH steht regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung, dass die GmbH entsteht (BGH NJW 2021, 2036 Rn 24). Der Eintritt in eine Publikums-KG unter dem Vorbehalt „voller Finanzierung“ kann als hierdurch aufschiebend bedingter Beitritt ausgelegt werden (BGH NJW 1985, 1080, 1081). Häufig wird der Beitritt zu einer KG ausdrückl unter die aufschiebende Bedingung der Registereintragung gestellt, um die Haftung nach § 176 II HGB zu vermeiden (s dazu K. Schmidt ZHR 144, 192, 201; K. Schmidt GmbHR 2002, 341, 347). Auf den Träger der gesetzl Krankenversicherung auflösend bedingt übergegangene Schadensersatzansprüche fallen bei Beendigung der Mitgliedschaft des Unfallgeschädigten an diesen zurück (BGH NJW 1999, 1782). Bei der gemischten Todes- und Erlebensfallversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht ist eine Kombination von aufschiebend und auflösend bedingter Bezugsberechtigung anzunehmen (BGHZ 118, 242, 246 = BGH NJW 1992, 2154; Frankfurt [7. ZS] VersR 2002, 963, 964; aA Frankfurt [3. ZS] VersR 2002, 219 = NJW-RR 2001, 676: zwei auflösende Bedingungen; näher Hasse VersR 2005, 1176, 1177ff; zum eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht Hiecke/Vorwerk DZWIR 2005, 448). Bei einem Bauträgervertrag, der Grundstückskauf und Hauserrichtung miteinander verknüpft, ist aus der Einheitlichkeit des Vertrags noch kein Bedingungsverhältnis zu folgern; ein hierauf gerichteter Wille der Vertragsparteien kann wegen der gegensätzlichen Interessen der Parteien nur nach Lage des Einzelfalls unter Anlegung eines strengen Maßstabes angenommen werden (BGHZ 79, 103, 106 = BGH NJW 1981, 991). Hingegen ist ein Grundstücksverkauf einer Gemeinde mit der „Verpflichtung“, einen Bebauungsplan mit einem bestimmten Inhalt zustande kommen zu lassen, ein Kaufvertrag mit aufschiebender Bedingung (BGH MittBayNot 2016, 270, 272 m Anm Simon). Erbringt ein Architekt zur Präsentation in einem Vergabeverfahren bereits Leistungen nach der HOAI, die zur Erlangung des Zuschlags erforderlich sind, so steht die vertragl Bindung unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Zuschlag erteilt und das Bauvorhaben auch realisiert wird (Frankfurt 27.8.2008 – 3 U 125/07; ähnl Dresden BauR 2008, 1654, 1655; ähnl für eine Bauvoranfrage: AG Krefeld 10.3.2010 – 2 C 29/08). Der Architekt trägt die Beweislast dafür, dass der Vertrag nicht unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wurde (München BauR 2009, 1461 LS; AG Krefeld 10.3.2010 – 2 C 29/08). In der Einbehaltung des Fahrzeugbriefs durch den Kfz-Verkäufer ist die aufschiebende Bedingung vollständiger Zahlung zu sehen (BGH NJW 2006, 3488 Rn 9). Bleibt ein Leasinggeber nach einer von ihm verwendeten Klausel in einem formularmäßigen „Kaufvertrag“ von allen Verpflichtungen frei, solange die Übernahmebestätigung für die vom Lieferanten zu erbringende Leistung nicht vorliegt, so ist die Klausel nicht als Bedingung für die Wirksamkeit des Kaufvertrags auszulegen, sondern nur als Vereinbarung einer Vorleistungspflicht des Lieferanten und als Fälligkeitsregelung für die Kaufpreiszahlung (BGH NJW 1993, 1381, 1382). Eine auflösende Bedingung in einem Arbeitsvertrag bedarf eines sachlichen Grundes; sie darf dem ArbN nicht seinen Kündigungsschutz nehmen (BAG NZA 2004, 311, 312). Die Abtretung von Patenten kann unter der auflösenden Bedingung erfolgen, dass nicht nach der Abtretungserklärung ein Dritter seine Bereitschaft anzeigt, einen höheren Preis für die Rechte zu bezahlen (Düsseldorf 31.1.2008 – I-20 U 18/07). Die Anmeldung zu einer Fortbildungsveranstaltung unter gleichzeitiger Beantragung eines diese betreffenden Stipendiums ist als aufschiebend bedingter Antrag auszulegen (LG Kiel 3.7.2009 – 8 S 7/09). Eine Klausel, nach der bei nicht fristgerechter Zahlung der Vertrag „hinfällig“ sein soll, ist als auflösende Bedingung anzusehen (Jena 28.6.2011 – 4 U 1038/10). Eine Bestimmung bei einer Internetauktion, wonach die Ware binnen sieben Tagen abgeholt und gezahlt werden soll, stellt hingegen keine Bedingung, sondern lediglich eine Bestimmung des Leistungszeitpunkts dar (Stuttgart NJW-RR 2012, 251f). Verlangt ein Mieter die Rückzahlung von bereits geleisteten Vorauszahlungen, steht dieser Anspruch unter der auflösenden Bedingung, dass die Abrechnung des Vermieters formell und materiell ordnungsgemäß war (BGH NJW 2011, 143 Rn 45). VI. Eintritt und Ausfall der Bedingung. Wann die Bedingung eingetreten ist, ergibt deren inhaltliche Aus- 10 gestaltung. Eine bejahende Bedingung ist eingetreten, wenn der Tatbestand, an den das Entstehen der Rechtswirkung geknüpft wurde, verwirklicht ist. Der Bedingungseintritt ist rein tatsächlich zu ermitteln; er erfolgt unabhängig von einer Nachweisführung oder Behauptung, dass dieser stattgefunden habe (München NotBZ 2013, 117, 118). Eine verneinende Bedingung ist eingetreten, wenn feststeht, dass der Tatbestand, an dessen Nichteintritt die Rechtswirkung geknüpft ist, nicht eintreten kann. Handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung, so markiert der Bedingungseintritt gleichsam den Verjährungsbeginn. Liegt indes eine auflösende Bedingung vor, beginnt die Verjährung bereits mit Abschluss des Rechtsgeschäfts, da der Anspruch zu diesem Zeitpunkt voll Armbrüster
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entsteht (MüKo/Westermann Rn 41). Ausgefallen ist die Bedingung nicht nur, wenn sie obj nicht mehr eintreten kann, sondern auch dann, wenn der Zeitraum, innerhalb dessen ihr Eintritt zu erwarten war, verstrichen ist (BGH VersR 1974, 1167, 1168; NJW 1985, 1556, 1557; BayObLG DNotZ 1999, 1011, 1012) oder wenn zwar die Bedingung noch eintreten kann, nicht aber mehr die von ihr abhängig gemachte Rechtsfolge (BeckOK/Rövekamp Ed 64 Rn 30). Hängt der Eintritt einer auflösenden Bedingung von der vorherigen Handlung eines Vertragspartners ab, so gilt die Bedingung analog §§ 146, 148 als endgültig ausgefallen, wenn ihm der Gegner fruchtlos eine angemessene Frist zur Vornahme der Handlung gesetzt und seine Erfüllungsverweigerung für den Fall der Fristversäumung angekündigt hat (BGH NJW 1985, 1556, 1557). Hat eine Vertragspartei Kenntnis vom Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung, kann sie eine vertragl Nebenpflicht treffen, die andere Vertragspartei hierüber unverzüglich zu informieren (BeckOGK/Reymann Rn 91). VII. Aufhebung, Verzicht. Die Bedingung kann ausdrückl oder konkludent durch Invollzugsetzung des Rechtsgeschäfts aufgehoben werden (Brandenburg 28.11.2006 – 3 U 89/06). Bei schuldrechtl Geschäften ist ein einseitiger Verzicht des aus einer aufschiebenden Bedingung Berechtigten abzulehnen, da § 397 das Einverständnis des anderen Teils voraussetzt (RGZ 72, 168, 171; BGH NJW 1958, 1231, 1232; NJW-RR 1989, 291; MüKo/Westermann Rn 44; Pohlmann NJW 1999, 190, 191). Bei bedingten Verfügungsgeschäften kann der Berechtigte hingegen einseitig und formfrei auf die Bedingung verzichten (BGHZ 127, 129, 133 = BGH NJW 1994, 3227 = MDR 1995, 678 m Anm Schnorbus; BGH NJW-RR 1989, 291; vgl BGH NJW 1958, 1231; aA P. Pohlmann, Der sog. „Verzicht“ auf eine Bedingung im Sinne von § 158 BGB, 1999, 43). Die Verzichtserklärung ist nicht empfangsbedürftig (aA BGHZ 138, 195, 203 = BGH MDR 1998, 1039 m krit Anm W. Moll; krit zu dieser Rspr, soweit es um die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen geht, auch MüKo/Westermann Rn 44). Rückwirkende Kraft hat der Verzicht freilich nicht (BGHZ 138, 195, 202f = BGH NJW 1998, 2360). Die gleichen Regeln gelten für den Verzicht auf eine auflösende Bedingung, sofern diese ausschließlich im Interesse eines Vertragspartners vereinbart wurde (vgl Soergel/Klinck Rn 33). VIII. Beweislast. Auszugehen ist von dem Satz, dass der Kläger nur die zur Entstehung seines Anspruchs erforderlichen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat. Die Behauptung, ein Geschäft sei bedingt oder befristet geschlossen worden, kann sich prozessual als Leugnen des Klagegrundes oder als Geltendmachung einer rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Tatsache (Einrede im prozessualen Sinne) darstellen. a) Macht der Beklagte ggü dem Erfüllungsanspruch substantiiert geltend, das Geschäft sei unter einer aufschiebenden Bedingung oder einem Anfangstermin geschlossen (s hierzu Jena NZBau 2000, 146), so bestreitet er den vom Kläger behaupteten unbedingten Vertragsschluss und damit die Wirksamkeit des Geschäfts überhaupt. Der Kläger ist deshalb beweispflichtig dafür, dass das Geschäft ohne Bedingung oder Befristung geschlossen ist (sog Leugnungstheorie; RGZ 107, 405, 406; BGH NJW 1985, 497; 2002, 2862, 2863; MüKo/Westermann Rn 49; vgl auch RGZ 68, 305, 307 zur Stundungsabrede; aA die Einwendungstheorie: H.K. Müller JZ 1953, 727; zur aA [Einwendungstheorie] s BeckOGK/Reymann Rn 186ff). Behauptet jedoch der Beklagte, dass nach Vertragsschluss eine aufschiebende Bedingung oder ein Anfangstermin vereinbart worden sei, so gibt er einerseits den Klagegrund zu und macht andererseits eine Einrede geltend, für die ihn selbst die Beweislast trifft (RGZ 107, 405, 406; MüKo/Westermann Rn 49). Den Eintritt einer unstr oder bewiesenen aufschiebenden Bedingung hat nach allg Grundsätzen der Kläger zu beweisen (BGH NJW 1981, 2403, 2404; NJW-RR 2016, 842 Rn 38). b) Macht der Beklagte ggü dem Erfüllungsanspruch geltend, das Geschäft sei unter einer auflösenden Bedingung oder einem Endtermin geschlossen worden, so ist diese Behauptung nur erheblich, wenn er zugleich auch den Eintritt dieser Bedingung behauptet. Der Bedingungseintritt ist eine rechtsvernichtende Tatsache, für die der Beklagte beweispflichtig ist. Ihn trifft jedoch auch die Beweislast für den auflösend bedingten Vertragsschluss, da dieser die Voraussetzung dafür bildet, dass die auflösende Bedingung auch eingetreten ist (BGH NJW 1966, 1403; MüKo/ Westermann Rn 49; aA G. Reinecke JZ 1977, 159, 164, der vornehmlich wegen vermeintlicher Abgrenzungsschwierigkeiten für die Gleichbehandlung von aufschiebenden und auflösenden Bedingungen plädiert). IX. Auflage. Von der Bedingung im BGB ist die Auflage zu unterscheiden. Darunter versteht man solche Verpflichtungen, durch die ein Vertragspartner dem anderen eine bestimmte Leistung an einem Dritten auferlegt. Sie unterscheidet sich von der Bedingung dadurch, dass sie bestimmte Leistungspflichten begründet, deren Erfüllung nicht von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängt. Bedingung und Auflage können aber miteinander verbunden sein (vgl BGH DNotZ 2010, 201 Rn 21).
§ 159
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Rückbeziehung
Sollen nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts die an den Eintritt der Bedingung geknüpften Folgen auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen werden, so sind im Falle des Eintritts der Bedingung die Beteiligten verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn die Folgen in dem früheren Zeitpunkt eingetreten wären. I. Überblick. Der Eintritt der Bedingung wirkt gem § 158 nur ex nunc (§ 158 Rn 4f). § 159 stellt klar, dass auch durch Vereinbarung eine Rückbeziehung nicht mit dinglicher, sondern nur mit obligatorischer Wirkung erreicht werden kann (BFHE 275, 261 = BFH DStR 2022, 759 Rn 14). Eine Vermutung für oder gegen eine solche Abrede gibt es nicht (Prot I, S 180; MüKo/Westermann Rn 4; vgl demggü Art 1179 franz CC, der Rückbeziehung anordnet; s auch Staudinger/Bork Rn 2, der für einseitige Rechtsgeschäfte eine Vereinbarung als entbehrlich ansieht). Ob Rückwirkung von den Parteien gewollt und welcher Zeitpunkt maßgebend ist, ist mittels 538
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Bedingung und Zeitbestimmung
§ 160
Auslegung des konkreten Rechtsgeschäfts zu beurteilen. Eine Rückwirkungsvermutung besteht nicht (Rn 1), auch nicht hinsichtl einer auflösenden Bedingung (insoweit missverständlich Staudinger/Bork Rn 9; s auch BeckOGK/Reymann Rn 9: Vermutung mit eingeschränktem Anwendungsbereich). Zum Schutz des dinglich Berechtigten ggü „Zwischenverfügungen“ s § 161. II. Rückbeziehungsabrede. 1. Grundregeln. Besteht eine Rückbeziehungsabrede, so richten sich die gegen- 1a seitigen Ansprüche in erster Linie nach der ggf erg auszulegenden Vereinbarung (BGH LM Nr 1). Soweit die Auslegung zu keinem Ergebnis führt, sind nach verbreiteter Ansicht die Parteien verpflichtet, einander nach Bereicherungsrecht zu gewähren, was sie haben würden, wenn bei aufschiebender Bedingung der Beginn, bei auflösender Bedingung das Ende der Rechtswirkung zu einem vor dem Bedingungseintritt liegenden Zeitpunkt eingetreten wäre (BGH LM Nr 1; MüKo/Westermann Rn 3; Grü/Ellenberger Rn 1). Nach der Gegenansicht bietet nicht das Bereicherungsrecht die richtige Anspruchsgrundlage; vielmehr seien direkt aus dem bedingten Rechtsgeschäft vertragl Ansprüche zu gewinnen, die bei beiderseitigen Verträgen dem Synallagma der §§ 320ff unterfielen (Flume II § 40, 2d [S 729]; Staudinger/Bork Rn 9; ähnl Wunner AcP 168, 424, 446). Bei gegenseitigen Verträgen ergibt sich im praktischen Ergebnis idR kein Unterschied, da nach der bereicherungsrechtl Saldotheorie jegliche Rückabwicklung ohnehin Zug um Zug zu erfolgen hat (Neuner § 52 Rn 36 Fn 57). IÜ wird sich der Inhalt einer vertragl Rückbeziehungsabrede, soweit nicht durch Auslegung zu ermitteln, nach dem Maßstab des Bereicherungsrechts und nicht nach dem der §§ 346ff zu richten haben (idS zu Recht BGH LM Nr 1; s zum Ganzen auch Kohler in Baldus/Dajczak, Der AT des Privatrechts, 2018, 123, 128ff). Auch eine Rückdatierung hat freilich nur eine schuldrechtl Rückwirkung zur Folge (MüKo/Westermann Rn 5). 2. Fruchtziehung. Wer Anspruch auf die in der Schwebezeit gezogenen Sach- und Rechtsfrüchte einer be- 2 dingt übereigneten Sache hat, ergibt sich ebenfalls aus den Parteiabreden. Regelmäßig folgt aus einer Rückbeziehungsvereinbarung, dass diese Früchte bei aufschiebenden Veräußerungen dem Erwerber und bei auflösenden Bedingungen dem Veräußerer zustehen sollen (vgl § 818 I). Die Abrede führt allerdings nicht zu einer gleichartig bedingten Gestattung zur Fruchtziehung (§§ 956, 158) oder zu einer bedingten Übereignung der Früchte gem §§ 930, 158 (aA Flume II § 40, 2a [S 724]; wohl auch Staudinger/Bork Rn 8). Die schuldrechtl Übereignungspflicht genügt idR den Parteiinteressen (i Erg ebenso Enneccerus/Nipperdey § 198 I 4, 1204). Bedingte Gestattungen erlangen erst dort Bedeutung, wo das dingliche Geschäft eine der Parteien, wie beim Eigentumsvorbehalt den Veräußerer, gerade durch die Bedingung absichern soll (vgl auch MüKo/Oechsler § 956 Rn 4). Hier gilt bei vereinbarter Rückwirkung für die Nutzungen das Gleiche wie für die Muttersache (insoweit zutr Flume II § 40, 2a [S 724]; aA Erman/Hefermehl10).
§ 160
Haftung während der Schwebezeit
(1) Wer unter einer aufschiebenden Bedingung berechtigt ist, kann im Falle des Eintritts der Bedingung Schadensersatz von dem anderen Teil verlangen, wenn dieser während der Schwebezeit das von der Bedingung abhängige Recht durch sein Verschulden vereitelt oder beeinträchtigt. (2) Den gleichen Anspruch hat unter denselben Voraussetzungen bei einem unter einer auflösenden Bedingung vorgenommenen Rechtsgeschäft derjenige, zu dessen Gunsten der frühere Rechtszustand wieder eintritt. I. Überblick. Das bedingte Rechtsgeschäft bindet bereits die Parteien, obwohl seine Wirksamkeit noch in der 1 Schwebe ist. Sie können das Geschäft, dessen Rechtswirkung nur vom Bedingungseintritt abhängt, nicht einseitig lösen. Bei einem aufschiebend bedingten Geschäft darf der bedingt Verpflichtete (zB Vorbehaltsverkäufer) während des Schwebezustands das von der Bedingung abhängige Recht weder vereiteln noch beeinträchtigen (näher Mülsch/Penzel ZIP 2004, 1987, 1992f zur Option auf Gesellschaftsbeteiligung). Verletzt er schuldhaft diese Pflicht durch Einwirkung tatsächlicher (Zerstörung, Beschädigung) oder rechtl Art (Verfügung), so ist er, obwohl er noch nicht Schuldner ist, nach Abs I zum Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249ff verpflichtet. Soweit kein anderer Verschuldensmaßstab in dem bedingten Vertrag bestimmt ist, haftet der bedingt Verpflichtete nach § 276 für Vorsatz und leichte Fahrlässigkeit, bei bedingtem Schenkungsversprechen nach § 521 für grobe Fahrlässigkeit (Staudinger/Bork Rn 9). Die Gefahr des zufälligen Untergangs trifft den bedingt Berechtigten. Der Schadensersatzanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährung nach § 195. – Bei auflösend bedingten Geschäften trifft nach § 160 II die gleiche Schadensersatzpflicht den bis zum Eintritt der Bedingung Berechtigten. – § 160 ist dispositiv und entfällt somit, wenn die Parteien weitergehende Ansprüche vereinbaren oder die Haftung ausschließen (MüKo/Westermann Rn 8). II. Schutz in der Schwebezeit. Die Schadensersatzpflicht nach § 160 setzt den Bedingungseintritt voraus. Sie 2 gewährt deshalb nur nachträgl Schutz. Während der Schwebezeit ist der bedingt Berechtigte auf die prozessualen Sicherungsmittel des Arrests und der einstw Verfügung angewiesen, um durchzusetzen, dass der bedingt Verpflichtete seiner Obhutspflicht während des Schwebens der Bedingung nachkommt. Ein bedingt abgeschlossenes Rechtsgeschäft liefert idR den „sicheren Boden“ eines vormerkungsfähigen Anspruchs (BGHZ 134, 182, 185f = BGH NJW 1997, 861; s § 158 Rn 3) und ist gem § 883 I 2, § 885 zu sichern. Auch kann eine Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO zulässig sein (RGZ 51, 243, 244; BGHZ 5, 342, 344 = BGH NJW 1952, 817, 818; vgl auch BGH NJW 1999, 954, 955). Dagegen besteht mangels Vereinbarung keine allg Pflicht zur Sicherheitsleistung, wenn die Erfüllung eines bedingten Anspruchs gefährdet ist (Ausnahmen: § 1986 II, § 2128 I, § 2217). Armbrüster
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§ 160 3
Rechtsgeschäfte
III. Schutz gegenüber Dritten. § 160 gibt keine Rechte gegen Dritte. Das dingliche Anwartschaftsrecht, das dem bedingt Berechtigten bereits eine gesicherte Rechtsposition gibt, stellt jedoch ein „sonstiges Recht“ iSd § 823 I dar (RGZ 170, 1, 6; BGHZ 55, 20, 25f = BGH NJW 1971, 799; § 823 Rn 42). Eine Übertragung des in § 160 zum Ausdruck kommenden Prinzips der Haftungswirkung in Schwebelagen auf die Schadensersatzhaftung beim Rücktritt befürwortet Kohler ZGS 2005, 386, 389f. Zur analogen Anwendung von § 160 s auch § 145 Rn 14; Staudinger/Bork § 145 Rn 25; Schilder, Schadensersatz bei Durchbrechung der Bindung an obligatorische Vertragsofferten, 2003, 233; Toussaint ZfIR 2006, 124, 126. Als Sicherungsmittel für Ansprüche, die Grundstücke betreffen, steht die Vormerkung (§§ 883, 885) zur Verfügung.
§ 161
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Unwirksamkeit von Verfügungen während der Schwebezeit
(1) Hat jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand verfügt, so ist jede weitere Verfügung, die er während der Schwebezeit über den Gegenstand trifft, im Falle des Eintritts der Bedingung insoweit unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beeinträchtigen würde. Einer solchen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die während der Schwebezeit im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt. (2) Dasselbe gilt bei einer auflösenden Bedingung von den Verfügungen desjenigen, dessen Recht mit dem Eintritt der Bedingung endigt. (3) Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung. I. Überblick. § 161 schützt den Anwartschaftsberechtigten während der Schwebezeit gegen Verfügungen des bedingt Verpflichteten. Ein solcher Schutz ist nötig, da der Eintritt der Bedingung, mit dem das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht wird, nur ex nunc wirkt (s § 158 Rn 4f, § 159 Rn 1) und § 160 dem Berechtigten lediglich einen Schadensersatzanspruch gibt. § 161 schützt den Anwärter gegen Zwischenverfügungen, und zwar bei aufschiebend bedingten Verfügungen gegen Verfügungen des bedingt Verfügenden (Abs I), bei auflösend bedingten Verfügungen gegen Verfügungen desjenigen, dessen Recht mit dem Eintritt der Bedingung endet (Abs II). Die Zwischenverfügung ist absolut unwirksam (Rn 5); § 161 ist damit Ausdruck des Prioritätsprinzips (R. Giesen AcP 203, 210, 236f). – Verpflichtungsgeschäfte bleiben dagegen von § 161 unberührt (BGH DB 1962, 331). Hat zB der Verkäufer dem Käufer einen Gegenstand bedingt verkauft, diesen aber noch nicht – auch nicht bedingt – übereignet, so kann der Verkäufer auch während des Schwebezustandes des Kaufvertrags über den Gegenstand wirksam verfügen; die Verfügung wird durch den Eintritt der Bedingung nicht in Frage gestellt. Der Verkäufer ist in diesem Fall nur nach § 160 sowie wegen verschuldeter nachträgl Unmöglichkeit (§ 280 I, III, § 283) schadensersatzpflichtig. Auch werden reine Verpflichtungsgeschäfte, die ein lediglich auflösend bedingt Berechtigter über den Gegenstand abschließt, nicht gem § 161 unwirksam (BGH DB 1962, 331). Hat jemand bereits mit Abschluss eines Versicherungsvertrags im Wege einer aufschiebend bedingten Vertragsübernahme eine Rechtsposition im Hinblick auf seine künftige Stellung als Versicherungsnehmer erlangt, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht genommen werden konnte, sind diese Rechtsposition beeinträchtigende Verfügungen des bisherigen Versicherungsnehmers gem § 161 I unwirksam (KG r+s 2022, 704 Rn 4ff). § 161 gilt nicht für Wollensbedingungen, da diese bei dinglichen Verfügungsgeschäften unwirksam sind (Staudinger/Heinze § 873 Rn 123; s Vor § 158 Rn 13, 13a). II. Verfügung. 1. Grundregeln. Unter Verfügung ist jedes Rechtsgeschäft zu verstehen, durch welches das bedingt übertragene Recht übertragen, belastet, inhaltlich verändert oder aufgehoben wird (Einl § 104 Rn 21). Dazu zählt nach dem Zweck des § 161, den Anwartschaftsberechtigten zu schützen, auch die Einziehung einer Forderung (Staudinger/Bork Rn 5; vgl auch BGHZ 20, 127, 133 = BGH NJW 1956, 790f zum Erlass). Nach Bedingungseintritt ist die Einziehung daher absolut unwirksam. Der Leistende wird freilich bei Gutgläubigkeit durch § 407 geschützt (Flume II § 39, 3a [S 704]). – Abs I S 2 bestimmt, dass den Zwischenverfügungen des bedingt Verpflichteten auch solche Verfügungen über den Gegenstand gleichstehen, die gegen ihn im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgen (enger § 135 I 2). Dem unterfällt allerdings nicht der Eigentumserwerb des Erstehers in der Zwangsvollstreckung, da hier ausschließlich kraft Hoheitsakts erworben wird (RGZ 156, 395, 398f; BGHZ 55, 20, 25 = BGH NJW 1971, 799). 2. Gesetzliche Pfandrechte. Gesetzl Pfandrechte, zB das des Vermieters nach § 562, an Sachen, die bedingt übereignet sind, fallen unter § 161 I, II (MüKo/Westermann Rn 13; Staudinger/Bork Rn 10). Bringt der (noch) Berechtigte vor Bedingungseintritt die Sachen beim Vermieter ein, so entsteht zunächst ein Pfandrecht, das mit Eintritt der Bedingung jedoch hinfällig wird (Staudinger/Bork Rn 10). Ein gutgläubiger Erwerb gesetzl Pfandrechte nach Abs III kommt jedoch nicht in Betracht (Staudinger/Bork Rn 10; aA MüKo/Westermann Rn 13). Gesetzl Pfandrechte können nach den allg Vorschriften, auf die Abs III verweist, nicht gutgläubig erworben werden; der Wortlaut des § 1257 und die Gesetzesmaterialien sprechen dagegen (s § 647 Rn 5, § 1257 Rn 5ff; BGHZ 34, 153, 154ff = BGH NJW 1961, 502). Werden aufschiebend bedingt übereignete Sachen von dem (noch) nicht berechtigten Erwerber eingebracht, entsteht das Pfandrecht am Anwartschaftsrecht und setzt sich nach Bedingungseintritt am Vollrecht fort (BGH NJW 1965, 1475). 3. Prozessführung. Die Prozessführung ist keine Verfügung (Mot I, S 279; Staudinger/Bork Rn 7). Der Rechtsinhaber ist zur Prozessführung berechtigt und legitimiert, auch wenn er über ein Recht aufschiebend be540
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Bedingung und Zeitbestimmung
§ 161
dingt verfügt hat oder wenn es bei Eintritt einer auflösenden Bedingung hinfällig wird (Staudinger/Bork Vor §§ 158ff Rn 48f). In der prozessrechtl Lit ist umstr, ob das für oder gegen ihn ergangene rechtskräftige Urt bei Eintritt der Bedingung gem § 325 ZPO (subj Rechtskraftwirkung) auch für und gegen den neuen Rechtsinhaber wirkt. Für die aufschiebend bedingte Übertragung wird vertreten, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtsnachfolge iSd §§ 265, 325 ZPO der Zeitpunkt der bedingten Verfügung sei (MüKo/Westermann Rn 16), so dass der nach Rechtshängigkeit erfolgende Bedingungseintritt keine Rechtskrafterstreckung nach §§ 265, 325 ZPO bewirken soll. Nach der Gegenansicht ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts abzustellen (Stein/Jonas/ Leipold § 325 ZPO Rn 24; Zöller/Vollkommer § 325 ZPO Rn 19; Gehle in Anders/Gehle § 325 ZPO Rn 30). Aus der Wertung des materiellen Rechts erscheint es sachgerecht, wie bei der Prozessführungsbefugnis auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts abzustellen; denn erst dann erlangt die abgeleitete Rechtposition ihre volle Wirksamkeit (Flume II § 39, 3f [S 714]). – Eine Rechtsnachfolge iSd §§ 265, 325 ZPO wird für den aus einer auflösenden Bedingung Berechtigten teils verneint (Mot I, S 378f; Gehle in Anders/Gehle § 325 ZPO Rn 32), teils bejaht (Stein/Jonas/Leipold § 325 ZPO Rn 26; Zöller/Vollkommer § 325 ZPO Rn 18; Pohle, FS H. Lehmann, 1956, Bd II, S 736, 758). Das materielle Recht gibt hierüber wenig Aufschluss. Der Wortlaut des § 158 II mag dafür sprechen, dass sich die Eigentumsposition des auflösend Berechtigten lediglich konsolidiert und daher nicht vom Zwischeninhaber ableiten lässt (Enneccerus/Nipperdey § 139 I 2c [S 871]). Ebenso gut ließe sich indes eine auflösende Bedingung als Vollrechtsübertragung mit aufschiebend bedingter Rückübertragung konstruieren, so dass der auflösend Berechtigte als Rechtsnachfolger des Zwischeninhabers erscheint (Kempf AcP 158, S 308, 312). Letztlich überzeugende Arg finden sich weder für die eine noch für die andere Ansicht (s auch Mot I, S 250f, wonach diese Fragen der Konstruktion dahin gestellt bleiben sollten). Für das Verständnis des prozessualen Begriffs der Rechtsnachfolge in § 325 ZPO trifft der Theorienstreit jedoch ohnehin keine Vorentscheidung. Für die Anwendung von § 325 ZPO spricht letztlich wieder die Erwägung, dass hierdurch ein Gleichlauf mit der Prozessführungsbefugnis erreicht werden kann (vgl Staudinger/Bork Vor §§ 158ff Rn 49). – Der Schutzzweck des § 161 gebietet eine Beschränkung der Rechtskrafterstreckung: Entspr Abs III ist ein gutgläubig rechtskraftfreier Erwerb anzuerkennen (MüKo/Westermann Rn 17; Staudinger/Bork Rn 7; aA Pohle, FS H. Lehmann, 1956, Bd II, 736, 761). 4. Vereitelung; Beeinträchtigung. Unwirksam sind nur solche Verfügungen, die die Rechtsstellung des Be- 5 rechtigten, zB den Erwerb oder den Rückerwerb des Anwärters, vereiteln oder beeinträchtigen (vgl BGHZ 20, 127, 133 = BGH NJW 1956, 790). Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn der Eigentümer einer beweglichen Sache nach Bestellung eines bedingten Pfandrechts die Pfandsache nach §§ 929, 931 einem Dritten übereignet. Das Pfandrecht bleibt hier nach § 936 III bestehen (MüKo/Westermann Rn 12; Staudinger/Bork Rn 11). – Die Unwirksamkeit ist eine absolute. Auf sie kann sich bei Eintritt der Bedingung nicht nur wie bei einem gesetzl Veräußerungsverbot iSd § 135 der Begünstigte, sondern jedermann berufen (Mot I, S 260; Staudinger/Bork Rn 12; eingehend MüKo/Westermann Rn 8; s auch MüKo/Armbrüster § 135 Rn 12). Allerdings ist die Zwischenverfügung erst bei Bedingungseintritt ex nunc absolut unwirksam (Staudinger/Bork Rn 12; Soergel/Klinck Rn 1; für rückwirkende Unwirksamkeit hingegen Brox JuS 1984, 657, 658). Trotz der absoluten Wirkung liegt keine Nichtigkeit iSv § 134 vor. Das gesetzl Verfügungsverbot des § 161 will nur den Anwartschaftsberechtigten schützen, also zB den Inhaber eines Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung (BGHZ 20, 88, 101 = BGH NJW 1956, 665; BGHZ 27, 360, 367 = BGH NJW 1958, 1286). Die Rechtsstellung eines nach § 956 Aneignungsberechtigten ist damit, solange die Gestattung widerruflich ist, nicht vergleichbar (BGHZ 27, 360, 367 = BGH NJW 1958, 1286; Medicus JuS 1967, 385, 391). Zwischenverfügungen sind daher entspr § 185 gültig, wenn der Berechtigte einwilligt oder sie genehmigt (BGHZ 92, 280, 288 = BGH NJW 1985, 376; NZG 2004, 517, 518; Mot I S 260; MüKo/Westermann Rn 7). 5. Gutglaubensschutz (Abs III). Wirksam sind nach Abs III rechtsgeschäftliche Zwischenverfügungen, die 6 zugunsten gutgläubiger Dritter vorgenommen werden. Der Schutz des redlichen Verkehrs hat ggü dem des Anwartschaftsberechtigten – ebenso wie in § 135 III – Vorrang. Dahinter steht die Erwägung, dass sogar von einem Nichtberechtigten ein Gutglaubenserwerb möglich ist, so dass erst recht von einem Noch-Berechtigten gutgläubig erworben werden können muss, dessen Berechtigung erst mit Bedingungseintritt wegfällt (Bork AT Rn 1273). Der gute Glaube muss sich darauf beziehen, dass über den Gegenstand nicht bedingt verfügt worden ist. Bei beweglichen Sachen darf die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen (§§ 932ff, 1032, 1207f, 1244; §§ 366, 367 HGB); bei Grundstücken schadet nur positive Kenntnis (§§ 892, 893, 1138, 1155). Um den guten Glauben Dritter auszuschließen, kann der Anwartschaftsberechtigte die Bedingung als gesetzl Verfügungsbeschränkung ins Grundbuch eintragen lassen (BayObLG NJW-RR 1986, 697, 698; München RNotZ 2011, 420, 421; Hamm 1.7.2016 – 15 W 112/16; vgl RGZ 76, 89, 91; Reymann MittBayNot 2018, 146, 148). Sofern eine aufschiebend bedingte Abtretung eines durch eine Vormerkung gesicherten Anspruchs eingetragen wird, bedarf es für die Löschung im Grundbuch anschließend der Bewilligung durch die Zessionare (München RNotZ 2011, 420, 421) Bei der bedingungsfeindlichen Auflassung (§ 925 II) lässt sich eine dingliche Sicherung durch Eintragung einer Vormerkung (§ 883) erreichen. Vormerkungsfähig ist auch ein bedingter Anspruch. Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Bedingung s München NJW-RR 2009, 950, 951. Seit 1.11.2008 ermöglicht § 16 III GmbHG einen gutgläubigen Zwischenerwerb von GmbH-Anteilen, so dass § 161 III bei aufschiebend bedingten Anteilsübertragungen nun auch in jenem Kontext eine Rolle spielt. Streit besteht darüber, ob die Einführung des § 16 III GmbHG dazu geführt hat, dass nunmehr ein gutgläubiger Erwerb möglich ist. Nach einer Ansicht findet § 161 III auch auf eine aufschiebend bedingte Geschäftsanteilsübertragung Anwendung, so dass Armbrüster
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§ 161
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Rechtsgeschäfte
die Geschäftsanteile gutgläubig erworben werden können (LG Köln ZIP 2009, 1915; Omlor DNotZ 2012, 179, 185; König/Bormann ZIP 2009, 1913; Maier-Reimer NZG 2020, 561). Nach Ansicht des BGH ist ein solcher gutgläubiger Erwerb hingegen weiterhin ausgeschlossen (BGHZ 191, 84 Rn 16ff = BGH DNotZ 2011, 943 Rn 16ff m krit Anm Jeep; München DNotZ 2011, 453, 455ff; nur i Erg auch Walek JZ 2012, 608, 614; zweifelnd Soergel/ Klinck Rn 16). Letztere Ansicht überzeugt, da die Gesellschafterliste kein geeigneter Rechtsscheinträger für die Übertragung von Geschäftsanteilen ist. Sie ermöglicht nur einen guten Glauben an die Gesellschafterstellung, nicht aber daran, dass der Inhaber des Geschäftsanteils nicht bereits aufschiebend bedingt über diese verfügt hat.
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Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts
(1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten. (2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt. I. Überblick. § 162 beruht auf dem allg Grundsatz von Treu und Glauben (Prot I, S 184). Da auch beim bedingten Geschäft eine gegenwärtige vertragl Bindung zw den Parteien besteht, würde eine Partei, die den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben verhindert oder herbeiführt, sich schon nach § 242 nicht auf den Ausfall oder Eintritt der Bedingung berufen können. § 162 geht darüber hinaus und stellt eine Fiktion auf. Sie ist zwingendes Recht. Bei treuwidriger Verhinderung des Eintritts der Bedingung gilt sie als eingetreten (Abs I), bei treuwidriger Herbeiführung als nicht eingetreten (Abs II). II. Anwendungsbereich. § 162 ist nur auf echte Bedingungen anwendbar, nicht auf Rechts- und andere Scheinbedingungen (s Vor § 158 Rn 3ff; RGZ 129, 357, 376; 144, 71, 73; BGH NJW 1996, 3338, 3340; LAG Düsseldorf 5.12.2014 – 10 Sa 605/14 [keine analoge Anwendung]; diff MüKo/Westermann Rn 4; aA Soergel/Klinck Rn 3). Ist zB die Wirksamkeit einer Grundstücksveräußerung von der Erteilung einer behördlichen Genehmigung abhängig, so kann die Vereitelung ihrer Erteilung durch eine Partei nicht dazu führen, dass die Bedingung als eingetreten gilt und die Veräußerung auch ohne Genehmigung wirksam wird (RGZ 129, 357, 376; BGHZ 54, 71, 73 = BGH NJW 1970, 1414ff; Frankfurt DNotZ 1972, 180). Der Rechtsgedanke des § 162 kann aber ausnahmsw nach Treu und Glauben berücksichtigt werden (BGH NJW 1996, 3338, 3340; vgl auch NJW 1968, 2051, 2052). Die Parteien sind nämlich idR nach dem Vertrag verpflichtet, alles Erforderliche zu tun, um die Genehmigung herbeizuführen (§ 242; RGZ 129, 357, 376). Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht führt dann zu Schadensersatzansprüchen gem § 311 II, § 241 II, § 280 I (cic, bzgl Grundgeschäft), § 280 I (Schlechterfüllung, bzgl Erfüllungsgeschäft; s § 280 Rn 10, 15, 41ff, § 241 Rn 10, 13) oder aus § 826. Auch auf reine Wollensbedingungen (s Vor § 158 Rn 12f) ist § 162 grds nicht anwendbar; der bedingt Verpflichtete macht lediglich von dem ihm eingeräumten Recht Gebrauch (Mot I, S 263; RGZ 115, 296, 302; BGH NJW 1996, 3338, 3340; MüKo/Westermann Rn 6; Geuder RNotZ 2021, 305, 309). Nur unter besonderen Umständen kann auch bei Wollensbedingungen eine treuwidrige Herbeiführung oder Verhinderung des Bedingungseintritts vorliegen. Dies gilt etwa dann, wenn der andere Teil redlicherweise darauf vertrauen durfte, dass der bedingt Verpflichtete sich in einer den Umständen angemessenen Weise entscheiden wird (RGZ 79, 96, 98f; München NJW-RR 1988, 58 m Anm Ring JuS 1991, 634, 637f). Bedeutsam ist § 162 auch im Vollstreckungsrecht. Bei Pfändung einer unter Eigentumsvorbehalt gekauften Sache kann der Pfändungsgläubiger die Intervention des Eigentümers dadurch abwenden, dass er an ihn den ausstehenden Kaufpreis zahlt. Lehnt der Eigentümer die Leistung ab, so gilt nach Abs I der Eigentumsübergang auf den Schuldner als eingetreten, wenn dieser nicht widerspricht oder wenn der Widerspruch infolge Hilfspfändung des Anwartschaftsrechts (§§ 857, 829 III ZPO) unbeachtlich ist. III. Treuwidrigkeit. § 162 verlangt nicht eine absichtliche Herbeiführung oder Vereitelung des Bedingungseintritts (Prot I, S 184; RGZ 122, 247, 251; BGH LM Nr 3; BB 1965, 1052; NJW-RR 1989, 802; BAG NZA 2015, 1264 Rn 32). Vielmehr genügt schon Fahrlässigkeit (RGZ 122, 247, 251; BGH BB 1965, 1052; NJW-RR 1989, 802). Umgekehrt kann sich im Einzelfall auch absichtliches Handeln als nicht treuwidrig darstellen (BGH NJW 2005, 3417, 3419: pflichtgemäße Mitteilung an einen Dritten, von dessen Entscheidung der Bedingungseintritt abhängt, in der Absicht letzteren zu verhindern). Generell geht es hier nicht um ein Verschulden in den Kategorien des § 276, wenngleich idR mit einer obj Treuwidrigkeit zumindest Fahrlässigkeit einhergehen wird (MüKo/ Westermann Rn 10). Vielmehr ergibt sich der Maßstab dessen, was geboten erscheint, abschließend aus Treu und Glauben; klagbare vertragl Verpflichtungen, gegen die schuldhaft verstoßen wird, sind nicht erforderlich (RGZ 79, 96, 98; BGH LM Nr 3; Neuner § 52 Rn 41). Daher ist obj darauf abzustellen, ob in einer Treu und Glauben widersprechenden Weise der Eintritt oder der Ausfall der Bedingung herbeigeführt worden ist (Staudinger/Bork Rn 10). Dies lässt sich im Einzelfall nur nach dem Sinn des Rechtsgeschäfts beurteilen, das die Bedingung enthält (BGH NJW 2005, 3417; BAG NZA 2015, 1264 Rn 32; ZIP 2016, 1691 Rn 97; Düsseldorf BauR 2012, 1413; Stuttgart MMR 2015, 577 Rn 91). Ausgehend vom Vertragsinhalt ist zu ermitteln, wie sich die Parteien nach Treu und Glauben im Hinblick auf den Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung hätten verhalten müssen. Bsp: Soll sich ein Anstellungsvertrag verlängern, wenn im letzten Geschäftsjahr eine aktive Bilanz vorliegt, so gilt nach § 162 I auch bei passiver Bilanz der Vertrag als verlängert, wenn die Verlustgeschäfte nur der Abwehr fremder Konkurrenz gedient haben (RG JW 1920, 638). Hat ein Gläubiger dem Schuldner einen Anspruch unter der Bedingung gestundet, dass dieser in einem Rechtsstreit gegen einen Streitverkündeten obsiegt, hat der Schuldner 542
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Bedingung und Zeitbestimmung
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den Rechtsstreit aber nicht geführt, so tritt die Fälligkeit gleichwohl nach Treu und Glauben ein (Brandenburg 9.10.2007 – 6 U 83/06 Rn 15). Soll einem ArbN nur deswegen gekündigt werden, weil sonst eine Sondervergütung wie zB Weihnachtsgeld zu zahlen ist, so bleibt der Anspruch weiterhin erhalten (BAG NZA 2012, 670 Rn 27f). Kein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt hingegen vor, wenn ein Verpflichteter den Eintritt einer Bedingung dadurch vereitelt, dass er von zwei wirtschaftl vernünftigen Lösungen diejenige auswählt, die den Bedingungseintritt verhindert (BGH WM 1964, 921, 922, zu einem durch die Erbauung eines Hauses aufschiebend bedingten Vorvertrag zu einem Mietvertrag, bei dem der Beklagte den Bedingungseintritt dadurch verhinderte, dass er nicht selbst das kriegszerstörte Haus fremdfinanziert wieder aufbaute, sondern unter Erzielung eines angemessenen Preises das Grundstück verkaufte; Düsseldorf BauR 2012, 1413 – Kündigung eines auflösend bedingten Werkvertrags vor Bedingungseintritt wegen Ausbleibens von Fördergeldern). Nicht treuwidrig ist es grds auch, wenn der Eintritt der Bedingung dadurch verhindert wird, dass die Vertragspartnerin unverhofft schwanger wird und ihre Lebensplanung ändert (Brandenburg 16.2.2011 – 3 U 84/10). Es kommt zudem nicht auf eine sittliche Missbilligung des Verhaltens des Verpflichteten an; § 162 ist nicht als eine Sanktion für treuwidriges Verhalten einer Partei zu verstehen (Düsseldorf NJW 1981, 463, 464; Flume II § 40, 1b [S 716f]; Staudinger/Bork Rn 10; aA noch RGZ 105, 164, 167; JW 1936, 987). IV. Reichweite der Fiktion. Die Fiktion des § 162 erstreckt sich nur auf den Eintritt oder Nichteintritt der 5 Bedingung. Es muss zunächst feststehen, dass durch die Einwirkung der durch den Eintritt der Bedingung begünstigten oder benachteiligten Partei der Bedingungseintritt treuwidrig verhindert oder herbeigeführt wurde. Hierfür ist die Partei beweispflichtig, die sich auf die Fiktion des § 162 beruft (BGH LM Nr 2; BAG BeckRS 2016, 69501 Rn 99; Köln 13.9.2011 – 15 U 60/09). Eine Vermutung für die Verursachung besteht nicht (RGZ 66, 222, 224; i Erg auch Naumburg OLGRp 2008, 889). Unerheblich und daher nicht beweispflichtig ist hingegen, ob zusätzl auch keine andere Ursache zur Vereitelung des Bedingungseintritts geführt hätte oder hat (RG JW 1911, 213, 214; Stuttgart MMR 2015, 577 Rn 94). Maßgeblich für den durch § 162 fingierten Eintritt oder Ausfall der Bedingung ist grds der Zeitpunkt, in dem 6 der Eintritt der Bedingung treuwidrig verhindert bzw herbeigeführt wurde (MüKo/Westermann Rn 17; Grü/ Ellenberger Rn 5; aA Soergel/Klinck Rn 15: vorrangig Zeitpunkt, in dem die Bedingung bei redlichem Verhalten und normalem Verlauf der Dinge mutmaßlich eingetreten sein würde; vgl auch BeckOGK/Reymann Rn 27: keine Fiktion des Ausfalls, sondern nur des Nichteintritts der Bedingung). Dies gilt nicht nur, wenn die Erfüllung der ursprüngl geschuldeten Leistung nicht mehr möglich und das Schuldverhältnis nach Unmöglichkeitsrecht abzuwickeln ist (BGH NJW 1975, 205, 206), sondern allg. Eine Ausnahme ist aber geboten, wenn die Vereinbarung der Bedingung zugleich die Bestimmung eines Zeitpunkts enthält, vor dessen Eintritt nicht mit der geschuldeten Leistung gerechnet werden durfte (so der Fall in RGZ 2, 143, 144, auf den Mot I, S 263 Bezug nimmt). Dann ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Bedingung bei redlichem Verhalten des bedingt Verpflichteten und normalem Ablauf der Dinge eingetreten sein würde (Mot I, S 263; vgl RGZ 79, 96, 101). Bei einer echten Bedingung ohne mitlaufende Zeitbestimmung ist das künftige Ereignis hingegen ungewiss, so dass ein solcher irrealer Zeitpunkt ohnehin kaum bestimmbar wäre (MüKo/Westermann Rn 17). Zu Recht stellt Flume (II § 40, 1b [S 718]) daher auf die Beendigung der Handlung in den Fällen des „dies incertus an et quando“ ab, wenn zB das Überleben einer Person ggü einem anderen die Bedingung darstellte, nicht dagegen in den Fällen des „dies incertus an, certus quando“, wenn zB das Erleben eines bestimmten Tages zur Bedingung gemacht wurde (ebenso Staudinger/Bork Rn 12). V. Entsprechende Anwendung. In § 162 (vgl auch § 815) kommt der allg Rechtsgedanke zum Ausdruck, 7 dass niemand aus einer von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile soll ziehen können (BGHZ 88, 240, 248 = BGH NJW 1984, 230; 2003, 1459, 1460; MüKo/Westermann Rn 18f; BAG NJW 2008, 872 Rn 40; zu § 163 s § 163 Rn 3). Anders gewendet, kann sich eine Partei immer dann nicht auf den Eintritt oder Nichteintritt eines Ereignisses berufen, wenn sie dieses in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise herbeigeführt oder verhindert hat (BGH NJW 1964, 36f; BGHZ 139, 177, 186 = BGH NJW 1998, 3192 zur Beachtlichkeit eines Kalkulationsirrtums). Das treuwidrige Verhalten muss zudem für die Vorteilsziehung kausal gewesen sein (BGH NJW-RR 2010, 1585 Rn 30). Bsp: Führt der Nacherbe den Nacherbfall vorzeitig durch vorsätzliche Tötung des Vorerben herbei, so wird er analog Abs II nicht Erbe (BGH NJW 1968, 2051, 2052). Ein Gläubiger, der treuwidrig zum Nachteil der Bürgen den Hauptschuldner veranlasst, nicht zu zahlen und damit selbst den Bürgschaftsfall auslöst, verliert seinen Bürgschaftsanspruch (BGH DB 1966, 537; 1968, 1443). Der Käufer, der bei einem finanzierten Abzahlungskauf grundlos die Abnahme der Kaufsache verweigert hat, muss der Bank das Darlehen, das sie an den Verkäufer ausgezahlt hat, zurückzahlen; er ist ggü der Bank so zu behandeln, als sei er Besitzer geworden (BGH NJW 1964, 36, 37). Bei einem Werkvertrag muss sich der Auftraggeber, der die Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten nachhaltig verhindert hat, so behandeln lassen, als habe der Unternehmer die geschuldete Vorleistung bereits erbracht (BGHZ 88, 240, 248 = BGH NJW 1984, 230; 1990, 3008f). Wer die Verpflichtung, bei Abschluss eines Pachtvertrags einen bestimmten Mitpächter aufzunehmen, treuwidrig durch Vertragsschluss der Ehefrau umgehen will, muss sich so behandeln lassen, als hätte er selbst gepachtet (BGH NJW 1982, 2552, 2553; ähnl Koblenz OLGRp 2001, 418, 420 zu einem Bauvertrag). Die Vertragspartei, die bei der anderen durch falsche Erklärungen den Eindruck erweckt, die Finanzierung des Geschäfts sei gesichert, kann hieraus für sich keinen Vorteil ziehen, wenn die andere Partei deshalb nicht fristgerecht den Rücktritt erklärt hat (BGH NJW-RR 1991, 177). Gleiches gilt zulasten desjenigen, der grundlos seine Belastungszustimmung verweigert (§ 7 ErbbauRG) und deshalb den Heimfallgrund herbeiführt (BGH NJW-RR 1993, 465). Erfasst wird Armbrüster
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Rechtsgeschäfte
auch die treuwidrige Weigerung eines GmbH-Gesellschafters, alsbald nach dem Tod eines Mitgesellschafters eine satzungsgemäße Entscheidung über den Verbleib des vererbten Geschäftsanteils zu treffen (Brandenburg NJWRR 2000, 766, 767f). Bestreitet ein Gläubiger wahrheitswidrig, vom Schuldner kurz vor Ablauf einer vereinbarten Frist erfüllungshalber einen Scheck erhalten zu haben und lässt der Schuldner den Scheck daraufhin sperren, so kann sich der Gläubiger nach § 162 nicht auf den Fristablauf berufen (BGH NJW 2002, 1788f). Vereitelt ein Vermieter durch absprachewidrige Vertragsbedingungen einen Vertragsschluss mit dem Nachmieter, wird der Mieter von seinen Vertragspflichten aus dem Mietvertrag frei (Koblenz ZMR 2002, 344, 345). Kündigt ein Mitglied einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis selbst unberechtigt den Praxisvertrag, so kann es daraus keine im Vertrag für den Fall einer Kündigung vorgesehenen Entschädigung verlangen (München 5.12.2011 – 19 U 2255/11). Einem Arbeitgeber ist durch § 162 die Berufung auf die soziale Rechtfertigung einer Kündigung abgeschnitten, wenn zwar keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den ArbN bestand, jener diesen Zustand aber selbst treuwidrig herbeigeführt hat (BAG NZA 2015, 1083 Rn 27; NZA 2021, 1252 Rn 40). Treuwidrig ist auch die Berufung auf eine fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, wenn der ArbGeb die vom ArbN besetzte Stelle während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens bereits einem anderen Mitarbeiter zugewiesen hat (LAG Rh-Pf 5.6.2014 – 2 Sa 394/13; vgl auch LAG Rh-Pf 7.7.2014 – 3 Sa 541/13 betr Arbeitsortwechsel). Dasselbe gilt für einen Verweis auf eine fehlende Einstellungsmöglichkeit bei Herbeiführung der Stellenbesetzung vor Ablauf des Bewerbungsverfahrens im öffentlichen Dienst (vgl LAG Bln-Bbg 4.2.2016 – 5 Sa 1679/15 Rn 24f). Umgekehrt kann sich ein Arbeitnehmer, der die Unzumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung iSv § 9 I KSchG selbst herbeigeführt hat, nach dem Rechtsgedanken des § 162 auf die Unzumutbarkeit nicht berufen (Lingemann/ Steinhauser NJW 2013, 3354, 3355). Nicht heranziehbar ist der Rechtsgedanke des § 162 hingegen, wenn die Parteien eines genehmigungspflichtigen Kaufvertrags diesen vor Erteilung der Genehmigung wieder aufheben oder den Genehmigungsantrag wieder zurückziehen, um den Eintritt eines Vorkaufsberechtigten zu verhindern (RGZ 98, 44, 51f; vgl auch BGHZ 14, 1, 3 = BGH NJW 1954, 1442f; BGHZ 139, 29, 32 = BGH NJW 1998, 2352). Dasselbe gilt, wenn ein Käufer den Kaufpreis nicht zahlt, um den für Verzug vorgesehenen Rückkauf auszulösen (BGH NJW 1984, 2568, 2569). Auch auf den Fall, dass der ArbGeb mit einem ArbN eine Rahmenvereinbarung über Bonuszahlungen bei Erreichung der Ziele noch zu treffender Zielvereinbarungen abgeschlossen hat und jener sich später weigert, eine bestimmte Zielvereinbarung zu treffen, ist § 162 nicht analog anwendbar (BAG NJW 2008, 872 Rn 39ff). Dasselbe gilt, wenn der ArbGeb kurz vor Entstehen eines besonderen Kündigungsschutzes kündigt, sofern ein sachlicher Grund besteht (LAG Bln-Bbg 27.8.2010 – 13 Sa 988/10 – Schwerbehinderung). Bei einem Unternehmenskauf wird der Kaufpreis häufig in einem aufwändigen Bewertungsverfahren bestimmt. Der Kaufpreis ist dann idR nicht analog § 162 zu verzinsen, wenn der Käufer die Bestimmung des Kaufpreises hinauszögert, indem er ein Schiedsgutachterverfahren (oder anschließend ein Schiedsgerichtsverfahren) in Gang setzt (Risse/Keilmann NZG 2021, 1292). Der § 162 zu entnehmende Rechtsgrundsatz gilt auch im öffentlichen Recht (BVerwGE 9, 89, 92; 85, 213, 216 = BVerwG NVwZ 1991, 73; BVerwGE 118, 84, 89 = BVerwG NVwZ-RR 2003, 871, 872; VG München 29.11.2013 – M 9 K 13.1740; Staudinger/Bork Rn 19).
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Zeitbestimmung
Ist für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts bei dessen Vornahme ein Anfangs- oder ein Endtermin bestimmt worden, so finden im ersteren Falle die für die aufschiebende, im letzteren Falle die für die auflösende Bedingung geltenden Vorschriften der §§ 158, 160, 161 entsprechende Anwendung. I. Grundregeln. Wird die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von dem Eintritt eines bestimmten Termins, zB einem Kalendertag oder dem Todestag, abhängig gemacht, so liegt, da der Eintritt des künftigen Ereignisses gewiss ist, kein bedingtes, sondern ein befristetes Geschäft vor (BGH MDR 1980, 41; München NJW-RR 1993, 1164, 1165; KG MDR 1998, 459). Nach § 163 gelten jedoch die §§ 158, 160, 161 entspr, wobei der Anfangstermin der aufschiebenden, dem Endtermin der auflösenden Bedingung gleichsteht (zu § 162 s Rn 3). Die Bedingung iSd § 158 zeichnet sich im Gegensatz hierzu durch die Ungewissheit des künftigen Ereignisses aus (Vor § 158 Rn 1; vgl Mot I, S 270). Im Einzelfall kann zweifelhaft sein, ob die Parteien Bedingung oder Befristung wollen (Staudinger/Bork Rn 4). So kann zB mit dem Tag der Volljährigkeit einer Partei der Kalendertag gemeint sein (dann Befristung iSd „dies certus an et quando“) oder das Erleben der Volljährigkeit (dann Bedingung iSd „dies incertus an, certus quando“; s auch § 162 Rn 6). Es entscheidet dann der durch Auslegung nach §§ 133, 157 zu ermittelnde Wille der Parteien (BGH NJW-RR 2009, 927 Rn 12; Nürnberg NJOZ 2021, 1580 Rn 20; Düsseldorf NZM 2020, 288 Rn 19; Mot I, S 270; Staudinger/Bork Rn 4; Petersen Jura 2011, 275, 278; zu Besonderheiten bei der Auslegung von Eintragungen im Grundbuch s Hamm NZM 2012, 318, 319). Befristete Rechte oder Verbindlichkeiten fallen nicht unter § 2313 I 2, 3 (BGH FamRZ 1979, 787, 788; MüKo/Lange § 2313 Rn 7). – Ist ein Rechtsgeschäft bedingungsfeindlich (s Vor § 158 Rn 18), so ist es idR auch befristungsfeindlich (BGHZ 156, 328, 332f = BGH NJW 2004, 284f m Anm Heinrichs EWiR § 542 1/04, 171f zur unbestimmt befristeten Kündigung; MüKo/Westermann Rn 5; Staudinger/Bork Rn 9; zu Ausnahmen s BeckOGK/Reymann Rn 34f). Wenn die Eintragung eines befristeten Rechtsgeschäfts in das Grundbuch bewilligt wird, ist auch die Befristung selbst einzutragen (München ZEV 2012, 428, 429). II. Abweichende Vereinbarungen. Die Parteien können eine schuldrechtl Rückwirkung vereinbaren. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (MüKo/Westermann Rn 4), so dass § 163 nicht auf den ohne544
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Vertretung und Vollmacht
Vor § 164
hin nur klarstellenden § 159 zu verweisen braucht (s auch § 159 Rn 1). Die Vereinbarung einer dinglichen Rückwirkung ist freilich ausgeschlossen (Staudinger/Bork Rn 8). Zudem können die Parteien vorsehen, dass das Erreichen des Endtermins abw von den §§ 163, 158 II nicht zur Beendigung des Rechtsgeschäfts führt, sondern andere Wirkungen hat (RGZ 68, 141, 145). III. Treuwidrigkeit (entsprechende Anwendung von § 162). § 163 erklärt § 162 nicht für anwendbar, da der 3 Eintritt des Termins gewiss ist. Allerdings ist es möglich, dass eine Partei den Eintritt des Termins beschleunigt, zB, wenn dieser der Todestag einer Person ist, durch Mord (vgl BGH NJW 1968, 2051; Nürnberg NJOZ 2021, 1580 Rn 34) oder hinauszögert (vgl Nürnberg NJOZ 2021, 1580 Rn 33f). In diesem Fall ist der Eintritt der Befristung in entspr Anwendung von § 162 (§ 162 Rn 7) als nicht erfolgt bzw als erfolgt anzusehen (Staudinger/ Bork Rn 7; Soergel/Klinck Rn 9; BeckOGK/Reymann § 163 Rn 22; BGH NJW 1968, 2051, 2052; Nürnberg NJOZ 2021, 1580 Rn 33f). IV. Betagte Verbindlichkeiten. Von dem befristeten Rechtsgeschäft, das § 163 behandelt, ist die sog betagte 4 Verbindlichkeit zu unterscheiden (§ 813 II; vgl § 813 Rn 5). Sie ist entstanden, aber noch nicht fällig. Bsp: wirksamer Kaufvertrag mit gestundetem Kaufpreis. Bei einer befristeten Verbindlichkeit ist ihre Entstehung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. So können Mietansprüche als auf den Anfangstermin des jew Nutzungsüberlassungszeitraums befristet angesehen werden, nicht jedoch als betagt (BGH DtZ 1997, 156, 157; NJW 2004, 3118, 3120). Auch die Ansprüche auf Zahlung der Miete sind demnach befristete Ansprüche, die erst mit dem Beginn des jew Zahlungszeitraums entstehen (Brandenburg ZMR 2008, 287). Bei einem auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Leasingvertrag entsteht hingegen der Anspruch auf Zahlung sämtlicher Leasingraten als betagte, nicht als befristete Forderung bereits mit Vertragsschluss (BGHZ 109, 368, 372 = BGH NJW 1990, 1113; BGHZ 118, 282, 290 = BGH NJW 1992, 2150). Praktisch bedeutsam wird diese Unterscheidung bei der Rückforderung von bereits Geleistetem, da bei betagten Forderungen § 813 II einer Rückforderung entgegensteht, bei der befristeten Forderung hingegen nicht (Petersen Jura 2011, 275, 278).
Titel 5 Vertretung und Vollmacht (§§ 164–181) Vorbemerkung vor § 164 1. Bedeutung. Der moderne Rechtsverkehr erfordert in erheblichem Maße – nicht zuletzt wegen der arbeitsteiligen Struktur der Wirtschaft – rechtsgeschäftliches Handeln für einen anderen. Das Gesetz trägt diesem Erfordernis in den §§ 164ff Rechnung. Stellvertretung ist das rechtsgeschäftliche Handeln (Abgabe oder Empfang von Willenserklärungen = aktive oder passive Stellvertretung) im Namen eines anderen; es zielt auf unmittelbare und ausschließliche rechtl Wirkungen für und gegen diesen anderen ab. Zur Geschichte HKK/Schmoeckel §§ 164–181 Rn 1ff. 2. Interessen. a) Geschäftsgegner. Das Gesetz lässt die Stellvertretung nahezu uneingeschränkt zu (zu Ausnahmen s Rn 32). Den sich aus der Zulassung ergebenden Folgeproblemen begegnet das Gesetz mit einigen Grundprinzipien (Rn 5ff): Das Offenkundigkeitsprinzip (§ 164 II; § 164 Rn 4) schützt das Vertrauen des Geschäftsgegners in die Identität seines Vertragspartners. Sein Vertrauen in die Wirksamkeit für den Vertretenen wird durch die Abstraktheit der Vollmacht (Rn 6) und Rechtsscheinsgrundsätze (§§ 170ff; § 167 Rn 9ff) sowie durch die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 179) geschützt. b) Vertretener. Der Vertretene (Geschäftsherr) wird grds nur durch Geschäfte von Personen gebunden, die er selbst dazu bestimmt hat oder die aufgrund gesetzl Regelungen dazu befugt sind (§ 164 Rn 16). Oft genügt aber ein von dem Vertretenen zurechenbar geschaffener Rechtsschein für eine Vertretungsmacht (§§ 170ff; zur Rechtsscheinsvollmacht § 167 Rn 9ff). Zu seinem Schutz gegen Missbrauch der Vertretungsmacht s § 167 Rn 70ff. c) Vertreter. Die Interessen des Vertreters bedürfen im Rahmen der §§ 164ff keines besonderen Schutzes. Von den Wirkungen der Vertretung wird nicht der Vertreter, sondern ausschließlich der Vertretene betroffen, wenn sich der Vertreter an die Grenzen der Vertretungsmacht hält. Seine Rechte und Pflichten ggü dem Vertretenen bestimmen sich nicht nach Vertretungsrecht, sondern nach dem der Vertretungsmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (§ 167 Rn 1); s aber §§ 168 iVm 674, 729 sowie § 169. 3. Prinzipien des Stellvertretungsrechts. a) Offenkundigkeit. Im Interesse des Geschäftsgegners, der über die Person seines Vertragspartners nicht im Unklaren bleiben soll, verlangt das Gesetz ein Handeln „im Namen“ des Vertretenen. Daran fehlt es bei der sog mittelbaren Stellvertretung (Rn 15). Zum „Geschäft für den, den es angeht“ § 164 Rn 14. b) Abstraktheit. Die gesetzl Regelung trennt zw der dem Vertreter eingeräumten Rechtsmacht (Vertretungsmacht) und dem zugrunde liegenden (kausalen) Rechtsverhältnis (§ 164 Rn 17). Die rechtsgeschäftlich begründete Vertretungsmacht ist ggü dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (zB Auftrag) abstrakt (s auch § 164 Rn 17, § 167 Rn 1; ausf Pawlowski JZ 1996, 125, 126f, 129f; krit Doerner, Die Abstraktheit der Vollmacht, 2019). Handelt der Vertreter innerhalb der Vertretungsmacht, überschreitet er jedoch die ihm im Innenverhältnis gesetzten Grenzen, so wirkt das Geschäft gleichwohl für und gegen den Vertretenen. IdR wird dann jedoch der Armbrüster und Finkenauer
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Vor § 164
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Rechtsgeschäfte
Vertreter dem Vertretenen ggü schadensersatzpflichtig. Eine Vollmacht ist auch ohne kausales Grundverhältnis als sog isolierte Vollmacht möglich, in der Praxis aber selten; zum Erlöschen der Vollmacht mit dem Kausalverhältnis s § 168. Eine Begrenzung findet die Abstraktheit der Vollmacht auch in den Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht (§ 167 Rn 70ff). Bedeutung kann das Innenverhältnis auch für die Auslegung der Vollmacht – etwa zur Klärung ihres Umfanges – haben. 7 c) Repräsentation. Der Stellvertreter repräsentiert den Vertretenen; er allein bildet den rechtsgeschäftlichen Willen. Deswegen kommt es für Willensmängel, Kenntnis und Kennenmüssen grds auf die Person des Vertreters an (§ 166 I); es handelt der Vertreter, den Vertretenen treffen nur die Rechtsfolgen des Handelns. Nur ausnahmsw stellt das Gesetz zusätzl auf die Person des Vertretenen ab (§ 166 II); zu Willensmängeln bei der Bevollmächtigung s § 167 Rn 44ff. Die dem Vertreter erteilte Vertretungsmacht tritt neben die Fähigkeit des Geschäftsherrn, weiterhin selbst autonom für sich rechtsgeschäftlich zu handeln. Eine verdrängende Vollmacht ist dem BGB fremd (s § 137 Rn 6; § 167 Rn 1). 8 d) Vertrauensschutz. Der Geschäftsgegner, der mit einem Vertreter kontrahiert, wird in seinem Vertrauen auf den (Fort-)Bestand der Vertretungsmacht durch §§ 170ff und die in Anlehnung daran von der hM entwickelten Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) sowie durch die rechtl Trennung von Innen- und Außenverhältnis (Rn 6) geschützt. Davon abgesehen trägt jedoch der Geschäftsgegner im Verhältnis zu dem Vertretenen das Risiko des Fehlens der Vertretungsmacht, während der Vertretene grds das Risiko ihres Missbrauchs trägt (s aber § 167 Rn 70ff). 9 4. Anwendungsbereich. Die §§ 164ff betreffen das rechtsgeschäftliche Handeln mit Fremdwirkung (§ 164 Rn 1). Die Regelung ist entspr anwendbar auf geschäftsähnl Handlungen mit Fremdwirkung, zB Mahnung (BGH NJW 2006, 687), Mitteilung, Anerkenntnis iSd § 212 I Nr 1 (zu § 208 aF BGH NJW 1970, 1119), Anspruchsanmeldung (zu § 651g I aF BGH NJW 2012, 2107) sowie auf die Begründung eines vorvertragl Vertrauensverhältnisses durch den Vertreter (§ 311 II; § 164 Rn 21). Zur Stellvertretung bei der Einwilligung in eine ärztliche Heilbehandlung, ärztliche Zwangsmaßnahme oder in freiheitsentziehende oder -beschränkende Maßnahmen aufgrund einer sog Vorsorgevollmacht (§ 167 Rn 56) s § 1827 VI, § 1829 V, § 1831 V, § 1832 V iVm § 1820 II. Zur Stellvertretung bei der Einwilligung nach § 22 KUG BGH NJW 2002, 305f. 10 Stellvertretung bei Willenserklärungen wird abgegrenzt von rein tatsächlichem Handeln, zB Verarbeitung oder Besitzergreifung (s aber § 164 Rn 2, § 929 Rn 9ff). Von der rechtsgeschäftlichen Fremdwirkung durch Stellvertretung zu unterscheiden sind insb die Zurechnung fremden Verschuldens (§ 278) oder fremden Wissens (dazu § 166 Rn 10ff, 17ff) sowie die Verantwortlichkeit für das Verhalten Dritter (§§ 31, 831). Zur Haftung des Geschäftsherrn für rechtswidriges Handeln des Vertreters s § 164 Rn 21, zur Eigenhaftung des Vertreters § 164 Rn 23. 11 5. Grundlagen der Vertretungsmacht. Nach der rechtl Grundlage der Stellvertretung lassen sich rechtsgeschäftliche, gesetzl und organschaftl Vertretungsmacht unterscheiden. 12 a) Rechtsgeschäft. Die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht nennt das Gesetz Vollmacht (§ 166 II 1). Sie ist ein Mittel der Arbeitsteilung. Die Erteilung der Vollmacht (Bevollmächtigung) erfolgt durch einseitiges Rechtsgeschäft ggü dem Vertreter (s aber § 167 Rn 2) oder dem künftigen Geschäftsgegner (§ 167 I). Zur Untervertretung s § 167 Rn 61ff. 13 b) Gesetz. Die gesetzl Vertretung leitet sich nicht vom Willen des Vertretenen ab; vielmehr wird dem Vertreter durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes Vertretungsmacht insb dann eingeräumt, wenn der Vertretene selbst zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten nicht, nicht selbständig oder nicht in vollem Umfang in der Lage ist (zB Ehegatten: § 1358; Eltern: § 1629 I; Vormund: § 1789 II 1; Betreuer: § 1823; Pfleger: § 1809 I 2, § 1813 I, § 1883 I). Zur Schlüsselgewalt s § 1357 Rn 5. 14 c) Organschaft. Die organschaftl Vertretung bezeichnet das Handeln der Organe einer jur Person für diese; die Vertretungsmacht der Organe kann durch die Verfassung (Satzung) der jur Person näher ausgestaltet werden, § 26 BGB; §§ 78, 112 AktG, § 35 GmbHG, § 125 HGB, § 26 GenG, § 7 III PartGG, § 41 SEAG. Nach § 26 I 2 haben die Organe „die Stellung eines gesetzl Vertreters“; ihr Handeln ist das Handeln der sonst gar nicht handlungsfähigen jur Person. Entsprechendes gilt für die vertretungsberechtigten Gesellschafter von Personengesellschaften, § 714, § 125 HGB, und den WEG-Verwalter, § 9b WEG. Gegen die Bewertung des Handelns der Organe von Körperschaften als Stellvertretung Beuthien NJW 1999, 1142 mwN; NJW 2005, 855, 857: Da die Körperschaft durch das Organ selbst handle, sei dies begrifflich keine Stellvertretung, weshalb die §§ 164ff über § 26 II 1 – auch für Personengesellschaften – nur erg anzuwenden seien; dagegen wiederum Flume I 2 § 11 II. 15 6. Abgrenzungen. Nicht unter §§ 164ff fallen: 15a a) Mittelbare Stellvertretung. Der mittelbare (indirekte, unechte, verdeckte, stille) Stellvertreter (Einsele JZ 1990, 1005; Petersen Jura 2003, 744) handelt zwar in fremdem Interesse, jedoch im eigenen Namen (zB Kommissionär, Spediteur; §§ 383, 407 HGB). Berechtigt und verpflichtet wird nur der Handelnde. Zur Abgrenzung der mittelbaren von der unmittelbaren Stellvertretung s § 164 Rn 9, zum „Geschäft für den, den es angeht“ § 164 Rn 14. Eine besondere Behandlung erfährt die mittelbare Stellvertretung durch die Regeln der „Drittschadensliquidation“ (Vor § 249 Rn 124ff). Zum Eigentumserwerb bei mittelbarer Stellvertretung s § 929 Rn 10. 16 b) Treuhand. Zur Treuhand Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006; Gernhuber JuS 1988, 355; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997; Henssler AcP 196, 37; Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsge546
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Vertretung und Vollmacht
Vor § 164
schäfts, 1973. Der rechtsgeschäftlich bestellte Treuhänder handelt wie der mittelbare Vertreter in fremdem Interesse, aber im eigenen Namen. Während der mittelbare Vertreter aber lediglich Durchgangsperson ist, hat der Treuhänder für die Dauer seiner Tätigkeit Verwaltungs- und Verfügungsmacht über den Treuhandgegenstand (Treugut), die er zweckgebunden auszuüben hat. Nach wohl hM setzt die rechtl Zuordnung des Treuguts zum Vermögen des Treugebers (auch „Treuhand ieS“; s Rn 20) voraus, dass der Treuhänder das Treugut unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers erhalten hat (Unmittelbarkeitsprinzip). Nicht ausreichend ist danach, dass der Treuhänder das Treugut aufgrund des Treuhandverhältnisses für den Treugeber erworben hat (RGZ 84, 214, 216f; 133, 84, 87; BGH WM 1960, 325; 1965, 173; offengelassen in BGHZ 155, 227, 231); auch ein Surrogationserwerb genügt danach nicht (RGZ 153, 366, 370). Jedoch sind für Sonderfälle auch Ausnahmen anerkannt, zB Forderung gegen Bank aufgrund Einzahlungen von dritter Seite auf Anderkonto des Treuhänders wegen Forderung des Treugebers (BGH NJW-RR 1993, 301); krit zum Unmittelbarkeitsprinzip Soergel/Leptien13 Rn 55f; MüKo-InsO/Ganter § 47 Rn 357; ausf Bitter 51ff. aa) Arten der Treuhand. (1) Nach dem Inhalt der dem Treuhänder eingeräumten Rechtsstellung lassen sich unterscheiden: Bei der echten Treuhand wird dem Treuhänder das Treugut zu eigenem Recht übertragen (Vollrechtstreuhand). Demggü bleibt bei der sog Ermächtigungstreuhand (unechte, uneigentliche Treuhand) der Treugeber Eigentümer der Sachen und Inhaber der Rechte, die zum Treugut gehören. Der Treuhänder ist jedoch ermächtigt, im eigenen Namen über das Treugut zu verfügen (§ 185 I). ZT anerkannt wird schließlich auch die sog Vollmachtstreuhand, bei welcher der Treugeber Vollrechtsinhaber bleibt, dem Treuhänder aber die im Innenverhältnis treuhänderisch gebundene Vollmacht zur Verfügung über das Treugut eingeräumt wird (BGH WM 1964, 318). Auf die Vollmacht finden die §§ 164ff uneingeschränkt Anwendung; die treuhänderische Bindung betrifft nur das Innenverhältnis, weshalb die Einordnung als Treuhandverhältnis zweifelhaft erscheint (Soergel/ Leptien13 Rn 73). (2) Nach dem wirtschaftlichen Zweck der Treuhand sind Verwaltungstreuhand und Sicherungstreuhand zu unterscheiden. Die Verwaltungstreuhand (zB Anderkonto eines RA oder eines Notars, s etwa Hamm DNotZ 1996, 384ff m Anm Preuß) dient idR den Zwecken des Treugebers, ist also für den Treuhänder fremdnützig; auf die Vergütung der Verwaltungstätigkeit kommt es nicht an. Demggü wird die Sicherungstreuhand regelmäßig im Interesse des Treuhänders begründet, stellt also eine eigennützige Form der Treuhand dar. Die Unterscheidung ist insb für die rechtl Behandlung in der Zwangsvollstreckung und in der Insolvenz von Bedeutung (Rn 20). bb) Rechtsstellung von Treugeber und Treuhänder. (1) Der Treuhänder ist durch die schuldrechtl Bindungen im Innenverhältnis gehalten, mit dem Treugut nur nach Maßgabe des Treuhandverhältnisses zu verfahren (RGZ 59, 190, 191f; BGH NJW 1974, 1082). Ein im Innenverhältnis vereinbartes Verfügungsverbot hat aber keine dingliche Wirkung (§ 137; § 137 Rn 4, 6). Auch die Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht scheidet aus (zur Gegenmeinung s § 137 Rn 6). Ihre Grenze findet die Wirksamkeit von Verfügungen des Treuhänders nur in den §§ 138, 823 II iVm § 266 StGB. Zur Einräumung unmittelbarer Gesellschafterrechte an den Treugeber, für den die Beteiligung gehalten wird, BGHZ 10, 44, 49f und BGH NJW-RR 2003, 1392; ZIP 2013, 619; eine Gesellschafterhaftung des Treugebers ergibt sich daraus nicht (BGHZ 178, 271; s aber BGHZ 189, 45 Rn 25ff; dazu Klöhn in VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2012, 143ff). Zu den Rechten und Pflichten eines Treuhänders bei Anlagegeschäften BGH NJW 2002, 888. (2) Der Treugeber verliert bei der Vollrechtstreuhand (s Rn 17) durch die treuhänderische Übertragung jede dingliche Beziehung zum Treugut (RGZ 153, 366, 369). Er kann aber, auch stillschw, zur Wahrnehmung der Rechte aus dem Treugut ermächtigt sein (BGH NJW 1999, 2110; 2002, 1568). cc) Rechtl Behandlung bei der Zwangsvollstreckung und in der Insolvenz (dazu Brinkmann KTS 2004, 357). (1) Bei der Verwaltungstreuhand gehört das Treugut wirtschaftl zum Vermögen des Treugebers, wenn dieser es dem Treuhänder unmittelbar übertragen hat (dazu Rn 16); deshalb steht dem Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders das Aussonderungsrecht nach §§ 47f InsO, bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Treuhänder die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu (RGZ 79, 121; BGH ZIP 1993, 213f). Bei Insolvenz des Treugebers erlischt das Treuhandverhältnis (§§ 115ff InsO); dem Treuhänder steht kein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht zu (RGZ 145, 253, 256). Bei Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen Treugut im Besitz des Treugebers stehen dem Verwaltungstreuhänder die Rechtsbehelfe der §§ 771, 805 ZPO nicht zu; ist das Treugut im Besitz des Verwaltungstreuhänders, so hat dieser die Rechte aus §§ 766, 809 ZPO (BGHZ 11, 37, 42). (2) Bei der Sicherungstreuhand ist dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass das Treugut zwar rechtl dem Treuhänder zusteht, wirtschaftl aber lediglich eine Sicherung des Treuhänders bezweckt ist. Aus diesem Grund gibt die hM dem Treuhänder in der Insolvenz des Treugebers in Anlehnung an die Behandlung des Pfandrechts nur ein Absonderungsrecht (vgl statt aller RGZ 145, 188, 193; Anh § 931 Rn 19). Bei Einzelvollstreckung gegen den Treugeber gibt die vorherrschende Rspr dem Sicherungsnehmer die Klage aus § 771 ZPO (RGZ 124, 73; BGHZ 20, 88; 80, 296, 299; für Anwendung des § 805 ZPO Wieling SachenR I2 2006, § 18 II 4a cc–gg; Westermann in Westermann/Gursky/Eickmann, SachenR8 2011, § 44 Rn 23. Zur Vollstreckung gegen den Sicherungsnehmer s Anh § 931 Rn 18, 20. c) Strohmann. Eine besondere Erscheinungsform des Treuhänders ist der Strohmann. Ein Hintermann schiebt ihn vor, weil er das Geschäft nicht selbst abschließen kann oder will. Der Grund kann in einem gesetzl oder vertragl Verbot für den Hintermann oder darin liegen, dass das Geschäft bei dem Hintermann andere Rechtsfolgen hätte als beim Strohmann. Die Rechtsfolgen des Geschäfts sollen sich nach der Person des StrohFinkenauer
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Rechtsgeschäfte
manns richten und bei diesem eintreten, wirtschaftlich aber den Hintermann treffen. Die Stellung des Strohmanns kann sich auf den Abschluss eines einzelnen Vertrags, zB eines Darlehensvertrags (BGH NJW 1982, 569), oder auf die Führung eines Geschäftsbetriebs (BGH NJW 2002, 2030) beziehen. Das Geschäft mit dem Strohmann ist idR kein Scheingeschäft, weil die rechtl Folgen nach dem Willen der Parteien in der Person des Strohmanns eintreten sollen (BGHZ 21, 378, 381; BGH NJW 1982, 569f). Sollen aber nach dem übereinstimmenden Parteiwillen auch die rechtl Folgen bei dem Strohmann nicht eintreten, so liegt ein Scheingeschäft vor (BGH NJW 1982, 569f; NJW-RR 2007, 1209). Das Strohmann-Geschäft ist ein typischer Fall des Umgehungsgeschäfts (§ 117 Rn 2). Die Auslegung der umgangenen Norm ergibt, ob die Rechtsfolgen auch den Hintermann treffen (so für die gesellschaftsrechtl Pflichten der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung § 46 V AktG sowie BGHZ 31, 258, 263f; 118, 107, 110ff) und ob das Geschäft wegen Verstoßes gegen die umgangene Norm nichtig ist (dazu BGH NJW 1959, 332, 334). IdR muss sich der Strohmann an der übernommenen Rolle festhalten lassen. Wer als Strohmann ein Gewerbe führt, genießt keinen Verbraucherschutz (BGH NJW 2002, 2030f). Wer als Strohmann aus Gefälligkeit eine GmbH-Beteiligung übernimmt und für die Schulden der GmbH bürgt, kann sich nicht auf die Rspr zu Bürgschaften krass überforderter Angehöriger berufen, sofern der Gläubiger die Hintergründe nicht kennt (BGHZ 137, 329, 336f). Ist der Geschäftspartner über die Strohmann-Funktion getäuscht, kommt auch eine Anfechtung nach § 123 in Betracht. In der Insolvenz des Strohmanns oder der Zwangsvollstreckung gegen ihn scheitern Aussonderung (§ 47 InsO) oder Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) des Hintermanns oft schon daran, dass dem Unmittelbarkeitsprinzip (Rn 16) nicht genügt ist. Zur Vollstreckung von Gläubigern des Hintermanns in das für diesen gehaltene Vermögen beim Strohmann s Gerhardt, FS Lüke, 1997, 121ff. 23 d) Ermächtigung. Die Ermächtigung schafft die Befugnis, ein fremdes Recht im eigenen Namen auszuüben (zB Verfügungsermächtigung; Einziehungsermächtigung). Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 185 I. Dagegen sind auf die Ermächtigung zur Ausfüllung eines Blanketts die §§ 164ff analog anwendbar (§ 172 Rn 16; Grü/Ellenberger Rn 13; Bork AT Rn 1647; Binder AcP 207, 155, 167). 23a e) Erklärungsvertreter. Der Erklärungsvertreter soll nur in der Erklärung vertreten, nicht im Willen, wie zB das vom Aufsichtsrat zur Erklärung des Aufsichtsratsbeschlusses bevollmächtigte Mitglied, s Koch § 112 AktG Rn 15ff; zu Recht skeptisch Staudinger/Schilken Rn 82ff; die Figur abl Samari, Entscheidung und Bindung im Stellvertretungsrecht, 2022, 75f. 24 f) Bote. Im Gegensatz zum Vertreter, der eine eigene Willenserklärung abgibt, übermittelt der Bote eine fremde Willenserklärung; er hat keinen Anteil am Erklärungstatbestand. Für die – in der Praxis nicht selten schwierige – Abgrenzung von Stellvertreter und Boten ist zunächst der Entscheidungsspielraum der Mittelsperson ein Kriterium, der sich etwa auf die Ausführung und den Inhalt des angestrebten Rechtsakts bezieht (ausf Samari [Rn 23a] 47ff). Die Weisungsgebundenheit der Mittelsperson im Innenverhältnis ist nach hM nicht entscheidend, weshalb es auch den „Vertreter mit gebundener Marschroute“ gibt (BeckOGK/Huber § 164 Rn 43). Maßgebend ist das – auszulegende – Auftreten der Person ggü dem Geschäftsgegner (BGHZ 12, 327, 334f; Soergel/ Bayer Rn 96 mwN; aA G. Hueck AcP 152, 432, 440: Innenverhältnis entscheidet). Der Bote kann vorbehaltlich etwaiger Formerfordernisse auch höchstpersönliche Erklärungen übermitteln (BGH NJW 2008, 917). Zu Entscheidungen von (Haushalts-)Robotern bzw KI-Systemen § 165 Rn 8. 25 aa) Tritt die Mittelsperson entgegen ihrem Auftrag als Bote statt als Stellvertreter auf oder umgekehrt, so ist dies unschädlich, soweit die Vollmacht oder Botenmacht nicht überschritten wird (MüKo/Schubert § 164 Rn 86f). Überschreitet der Bote bewusst oder der als Stellvertreter Auftretende auch unbewusst die eingeräumte Rechtsmacht, gelten nach hM die §§ 177–179 entspr (Einzelheiten str, s § 120 Rn 5 sowie § 177 Rn 8; Staudinger/Schilken Rn 81; MüKo/Schubert § 164 Rn 88f). Zur Falschübermittlung durch den Boten Rn 26. 26 bb) Die Bedeutung der Unterscheidung zw Stellvertretung und Botenschaft zeigt sich in folgenden Fällen: Bedarf das Rechtsgeschäft einer Form, so muss bei der Stellvertretung die Willenserklärung des Vertreters, bei der Botenschaft die Erklärung des Geschäftsherrn der Form genügen (Soergel/Bayer Rn 99; s auch RGZ 76, 99; 79, 212). Da die Übermittlung Realakt ist, braucht der Bote nicht geschäftsfähig zu sein; der Vertreter muss mindestens beschränkt geschäftsfähig sein (§ 165). Für Willensmängel, Kenntnis und Kennenmüssen kommt es bei der Botenschaft auf die Person des Geschäftsherrn, hingegen bei der Stellvertretung grds auf die des Vertreters an (§ 166 I). Das Risiko jedenfalls unbewusster Falschübermittlung durch den Boten trägt nach § 120 der Geschäftsherr (dazu § 177 Rn 8); bei Überschreitung der Vertretungsmacht gelten §§ 177–179. Zu den Unterschieden beim Empfangsvertreter § 164 Rn 28. 27 g) Geschäftsgehilfen, Vermittler. Geschäftsgehilfen und Vermittler schließen das Rechtsgeschäft nicht selbst ab, sondern sind nur an dessen Vorbereitung (Vermittlung) beteiligt. In Betracht kommt aber eine Anwendung der Stellvertretungsregeln im Rahmen des § 166 sowie bei der Anbahnung der vorvertragl Vertrauensbeziehung, aus der sich eine Haftung des Geschäftsherrn ergeben kann (§ 164 Rn 21); zur Eigenhaftung der Vermittlungsperson s § 164 Rn 23. Bloße Vermittler sind insb die Handelsmakler (RGZ 104, 366, 368; 105, 205, 206) sowie regelmäßig die im kaufmännischen Leben als „Vertreter“ oder „Agenten“ bezeichneten Personen. h) Wissensvertreter. Zum sog Wissensvertreter s § 166 Rn 24f. 28 29 i) Gesetzlicher Vermögensverwalter. Keine Stellvertretung liegt in dem Handeln von behördlich oder durch Verfügung von Todes wegen bestellten objektbezogenen Vermögensverwaltern; auch wenn die Wirkung von deren Handeln weitgehend der einer Stellvertretung entspricht, handeln sie nach hM nicht als gesetzl Vertreter, sondern im eigenen Namen kraft Amtes („Amtstheorie“, s Soergel/Bayer Rn 111f mwN; MüKo/Schubert § 164 548
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Vertretung und Vollmacht
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Rn 69f). Dahin gehören zB der Insolvenzverwalter (BGHZ 49, 11, 16), der Nachlassverwalter (BGHZ 38, 281, 284), der Testamentsvollstrecker (BGHZ 13, 203, 205) und der Gerichtsvollzieher (RGZ 90, 193, 194; anders – bei Abschluss von Verwahrungsverträgen als bevollmächtigter Vertreter – BGH NJW 1999, 2597; s § 164 Rn 8). Demggü sieht die sog Vertretertheorie (Flume § 45 I 2; Medicus/Petersen AT Rn 925; Stamm KTS 2016, 279) diese Personen mit Recht als gesetzl Vertreter an. Unabhängig von dem Theorienstreit können einzelne Vorschriften des Stellvertretungsrechts, wie zB § 181, auf das Handeln solcher Personen entspr anzuwenden sein (s § 181 Rn 8; Staudinger/Schilken Rn 61). – Zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters gem §§ 56ff InsO Kluth NZI 2000, 351; zur Erteilung einer Generalvollmacht durch einen Testamentsvollstrecker KG NJW-RR 2019, 644. j) Prozessvertretung. Prozessvertretung ist keine Stellvertretung iSd §§ 164ff, sondern Prozesshandlung (BGH MDR 1958, 320; 1964, 410; Stein/Jonas/Jacoby Vor § 80 ZPO Rn 6). 7. Ausschluss der Stellvertretung. Die Stellvertretung ist grds bei allen Rechtsgeschäften zulässig (für den Tarifvertrag BAG NZA 1997, 1064; Etzel NJW 1998, 1190). Ausnahmen können sich – mit der Rechtsfolge der Unwirksamkeit (MüKo/Schubert § 164 Rn 110; BGH NJW 1971, 428) – aus Gesetz, Rechtsgeschäft oder der Natur des vorzunehmenden Rechtsgeschäfts ergeben (dazu Staudinger/Schilken Rn 41). a) Gesetz. Das Gesetz verlangt bei bestimmten Rechtsgeschäften die persönliche Vornahme, zB Eheschließung (§ 1311), Adoption (§ 1750 III 1), Vaterschaftsanfechtung (§ 1600a I), Testamentserrichtung (§ 2064), Erbvertrag (§ 2274), Erbverzicht (§ 2347 II ua), Erteilung einer Prokura (§ 48 I HGB). Hiervon zu unterscheiden sind Fälle, in denen nicht die Stellvertretung als solche, sondern wegen Interessenkonflikts der einzelne Vertreter ausgeschlossen ist, §§ 181, 1629, 1795; weitere Bsp bei MüKo/Schubert § 164 Rn 108f. Wo das Gesetz nur die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien vorschreibt, ist Vertretung nicht ausgeschlossen (zB § 925). b) Rechtsgeschäft. Die Zulässigkeit der Vertretung kann auch durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder auf bestimmte Personen beschränkt werden (BGHZ 99, 90, 94 zum Ausschluss; BGH NJW 1993, 1329 zur Beschränkung). AGB-Regelungen dieses Inhalts können bedenklich sein (BGH BB 1982, 1822). 8. Kollisionsrecht. Art 8 EGBGB enthält eine Rechtswahlmöglichkeit und unterscheidet mangels Rechtswahl gem der Grundeigenschaft des Bevollmächtigten (bei Unternehmern dessen Aufenthaltsort, bei ArbN der des Vollmachtgebers); ausf BeckOGK/Huber § 164 Rn 107ff.
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Wirkung der Erklärung des Vertreters
(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll. (2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht. (3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt. I. Aktive Stellvertretung (§ 164 I). 1. Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung. Aktive Stellvertretung (§ 164 I) findet statt, wenn jemand (der Vertreter) eine Willenserklärung im Namen und mit Vertretungsmacht eines anderen (des Vertretenen) abgibt. a) Willenserklärung des Vertreters. aa) Stellvertretung ist nur möglich bei Rechtsgeschäften sowie bei geschäftsähnl Handlungen (Einl § 104 Rn 7); auch auf Gefälligkeitshandlungen kann § 164 im Einzelfall Anwendung finden (BGHZ 21, 102; str, s § 311 Rn 22). Bei rein tatsächlichem Handeln ist Stellvertretung nicht möglich, so etwa beim Handeln für andere bei der Verarbeitung (§ 950 Rn 2). Entgegen der hM (BGHZ 8, 130, 132; 16, 259, 263; Erman/Maier-Reimer15 Rn 2) ist eine Vertretung im Besitzerwerb anzuerkennen (Wieling SachenR I2 2006, § 4 IV 2; BeckOGK/Klinck § 929 Rn 1, 89ff; s auch Klingbeil ZfPW 2020, 150, 166ff); § 164 muss daher entspr angewendet werden für die Fassung des Besitzwillens durch einen Besitzmittler oder Besitzdiener, wenn der Erwerber zB geschäftsunfähig oder eine jur Person ist. bb) Der Vertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab; hierdurch unterscheidet er sich vom Boten (Vor § 164 Rn 24). b) Offenkundigkeit. aa) Die Willenserklärung muss im Namen des Vertretenen abgegeben werden (Offenkundigkeitsprinzip; dazu Einsele, JZ 1990, 1005ff; K. Schmidt JuS 1987, 425ff). Dafür genügt jedenfalls die Formulierung „namens“ des Vertretenen (aA Brandenburg WM 2010, 651f für die Formulierung „namens des Landes B, vertreten durch den Minister“). Es soll offengelegt werden und der Erklärungsempfänger soll erkennen können, dass die Folgen der Erklärung nicht den Erklärenden, sondern einen anderen (den Vertretenen) treffen sollen (Fremdwirkung). Der Vertretene braucht allerdings nicht identifiziert zu werden (BGH JZ 1957, 441; NJW 1998, 62f; MüKo/Schubert Rn 123ff). Daher kann durch das Handeln des Vertreters ein Vertrag zw Vertragspartnern zustande kommen, die sich (zunächst) unbekannt bleiben (BGH JZ 1957, 441). Es genügt, wenn die Person des Vertretenen nachträgl bestimmt wird oder bestimmbar ist (BGH NJW 1998, 62f; s auch § 95 HGB). Der Vertretene kann sich auch aus einer Sammel- oder Kurzbezeichnung ergeben (BGHZ 76, 86, 90). Kommt als Vertretener eine von mehreren Personen in Betracht (Doppelvertretung), ist durch Auslegung der Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
Willenserklärung des Vertreters zu ermitteln, für wen er gehandelt hat (BGH NJW-RR 1988, 475; Gehrlein VersR 1995, 268). Gehört das Geschäft eindeutig in den Tätigkeitsbereich einer der beiden Gesellschaften, wird diese vertreten (Hamm MDR 1989, 910). Verkauft jemand als „Beauftragter des Eigentümers“ ohne Namensnennung eine bewegliche Sache, ist aber sein Auftraggeber nicht Eigentümer, so handelt er nicht vollmachtlos namens des ihm unbekannten Eigentümers, sondern im Namen seines Auftrag- und Vollmachtgebers (BGH JZ 1957, 441). Die Angabe eines unrichtigen Namens für den Vertretenen schadet nicht, wenn zw Vertreter und Geschäftsgegner Einigkeit über die Person des Vertretenen besteht („falsa demonstratio“). Ggf kann es dem Vertreter überlassen sein, die Person des Vertretenen nachträgl zu bestimmen (BGH NJW 1989, 164, 166; Köln NJW-RR 1991, 918; MüKo/Schubert Rn 126; s auch unten Rn 9). Dies ist kein Fall des Geschäfts für „den, den es angeht“, da der Offenkundigkeitsgrundsatz gewahrt ist (Staudinger/Schilken Vor § 164 Rn 51). Sofern nichts anderes vereinbart ist, kann dann der Handelnde später den Vertretenen einseitig bestimmen. Dem Geschäftspartner kann aber uU ein Zurückweisungsrecht zustehen, zB bei Zahlungsunfähigkeit des Benannten. Eine Ausnahme gilt für die Auflassung; die hier erforderliche Anwesenheit beider Beteiligten setzt deren Existenz und Identifizierung voraus (BayObLG 1983, 275, 278; AG Hamburg NJW 1971, 102). Bestimmt der Vertreter den Vertretenen nicht, ist § 179 entspr anwendbar (BGHZ 129, 136, 149ff), wenn nicht der Vertreter diese Haftung erkennbar ausschließen wollte. Bis zur Bestimmung des Vertretenen ist das Geschäft unvollständig. Die Bestimmung wirkt deshalb nicht zurück (BGH NJW 1998, 62f; MüKo/Schubert Rn 123, 138; aA BeckOGK/ Ulrici § 177 Rn 180); jedoch kann das schuldrechtl Geschäft ergeben, dass die Parteien wie im Fall der Rückwirkung zu stellen sind (Flume § 44 II 2a). bb) Die Erklärung in fremdem Namen kann ausdr erfolgen oder sich aus den Umständen ergeben (§ 164 I 2). Maßgeblich ist der durch Auslegung gem §§ 133, 157 zu ermittelnde erklärte Wille. Ein ihm entgegenstehender bloß innerer Wille, in fremdem oder im eigenen Namen zu handeln, ist unerheblich (BGHZ 36, 30, 33; BGH NJW-RR 1988, 475f mwN; Gehrlein VersR 1995, 268; s aber Rn 19, 26). Dies gilt sowohl für die Frage, ob in fremdem Namen gehandelt wird, als auch für die Bestimmung des Vertretenen (BGHZ 5, 279; München NJW 1998, 1406). Mehrdeutigkeit in der Frage, ob in fremdem Namen gehandelt wird, führt zum Eigengeschäft, § 164 II. Bei beurkundungsbedürftigen Geschäften müssen die Vertretungsverhältnisse und der rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde – wenn auch möglicherweise unvollkommen – zum Ausdruck kommen. Besondere praktische Bedeutung hat dies bei Verträgen mit einer Mehrzahl von Personen, etwa Eheleuten, Erbengemeinschaften und Personengesellschaften (BGHZ 125, 175 – Vertretung von Eheleuten; BGH NJW 2002, 3389 sowie Fritz NJW 2004, 3390, 3392 – Vertretung von Miterben; BGH NJW 2003, 3053, 3054 – Vertretung bei einer GbR; NJW 2005, 2225, 2226 – Vertretung einer GmbH; sehr großzügig BGH NJOZ 2001, 278, 281f für die Vertretung eines nur im Vertragstext als Bürgen genannten Dritten). Schriftform erfordert nicht die Angabe der Grundlage der Vertretungsmacht (BGH NJW 2015, 2034 zu § 550; LAG Düsseldorf ZIP 2015, 2477, 2480 zu § 623). Ob dem Schriftformerfordernis des § 623 (oder des § 14 IV TzBfG) genügt ist, wenn der Handelnde unter dem Namen des ArbGeb mit dem Zusatz i.A. statt i.V. unterschreibt, oder ob die Erklärung dann als Botenerklärung zu werten ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (BAG NJW 2008, 1243f; NZA 2017, 1125 Rn 18; Dresden NJW-RR 2023, 22 Rn 42; Wirksamkeit verneint von LAG Rh-Pf NZA-RR 2008, 403). (1) Bei unternehmensbezogenen Geschäften (ausf Paulus JuS 2017, 399) und bei Geschäften, die sich auf sonstige Organisationseinheiten (etwa Gesellschaft, Gemeinschaft, Körperschaft, Verein usw) beziehen, geht der erklärte Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Rechtsträger des Unternehmens/der Organisation und nicht der für das Unternehmen/die Organisation Handelnde Vertragspartei werden soll. Das gilt selbst bei unrichtigen Vorstellungen eines Beteiligten über die Person des Rechtsträgers (BGH NJW 1990, 2678; Hamm VersR 2001, 978; aA LAG Rh-Pf 11.2.2010 – 11 Sa 395/09 Rn 63ff) und auch, wenn als Träger des Unternehmens eine Scheinfirma oder eine noch nicht errichtete GmbH angegeben wird (BGH NJW 1996, 1053; NJW 1998, 2897). Allerdings kommt dann eine Anfechtung nach § 119 II in Betracht (LG Hanau NJW-RR 2000, 1420). Jedenfalls muss das Unternehmen/die Organisation im Zeitpunkt der Wirksamkeit des Geschäfts bestehen (BGH NJW 1998, 62), und der Unternehmens-/Organisationsbezug muss hinreichend deutlich werden, und zwar in der für das Geschäft erforderlichen Form (BAG NJW 2010, 888, 889 zu § 1 TVG). Ohne Vertretungszusatz kann ein Eigengeschäft des Handelnden vorliegen, wenn der Geschäftspartner ein besonderes Interesse an dessen persönlicher Haftung hat (Karlsruhe NJW-RR 2018, 1308 Rn 24). Zweifel gehen nach dem Grundsatz des § 164 II zulasten des Handelnden (BGHZ 62, 216, 221; BGH NJW 1995, 43f). Zur Bestimmung des betroffenen Unternehmers bei Franchise-Verhältnissen BGH NJW 2008, 1214. Der Unternehmens-/Organisationsbezug kann sich aus dem Vertragszweck, aber auch aus anderen Umständen ergeben. Bsp: Verwendung des Unternehmensnamens bei der Leistungsbeschreibung (Köln NJW-RR 1997, 670 – Auftrag für Werbeanzeige); unternehmensbezogener Inhalt der vereinbarten Leistung, etwa Materiallieferung (BGHZ 62, 216; Stuttgart NJW 1973, 629); Abschluss des Vertrags in den Geschäftsräumen, etwa beim Kauf in einem Ladengeschäft (BGH NJW 1984, 1347; Köln MDR 1993, 852; wenn trotz Vertragsabschluss in Geschäftsräumen der Inhaber des Geschäfts nicht Vertragspartner werden soll, kann ein besonderer Hinweis geboten sein, LG Aachen NJW-RR 2007, 633); betrügerisches Geschäft von Mitarbeitern einer Anlagegesellschaft in deren Geschäftsräumen im Anschluss an einen ordnungsgemäß vermittelten Lebensversicherungsvertrag (BGH NJW-RR 1998, 1342); Vereinbarung der Leistung am Sitz oder an die Anschrift des Unternehmens; Hinweis auf das Unternehmen in schriftlichen Vertragsunterlagen oder durch Unterschriftszusätze (BGHZ 64, 11, 14f; BGH NJW 1981, 2569; 1991, 2627). Handeln in fremdem Namen ist regelmäßig anzunehmen bei Personen, die nach ihrer sozialen Stellung (zB Kellner, Taxifahrer, Bankangestell550
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Vertretung und Vollmacht
§ 164
ter, vgl BGH NJW 1984, 1347) erkennbar im Rahmen des Betriebs ihres Dienstherrn tätig werden. Schließt eine „Agentur“ einen Vertrag und findet sich in ihren AGB ein Hinweis auf den Vertretenen, wird dieser Vertragspartei (LG Düsseldorf MDR 1985, 1027). Weitere Bsp aus der Rspr zum unternehmensbezogenen Handeln in BGH NJW 1983, 1844; 1986, 1675; 1992, 1380, 1381; WM 1990, 600; Köln GmbHR 2000, 383. Neben dem Rechtsträger haftet mangels hinreichenden Hinweises auf das Fehlen einer voll haftenden nat Person auch der Handelnde persönlich kraft Rechtsscheins (näher Rn 24); ebenso haftet, wer den Eindruck erweckt, (haftender) Mitinhaber des Unternehmens zu sein (BGHZ 17, 13; BGH NJW 2012, 3368). Nach § 179 haftet der Handelnde nur dann selbst, wenn ein Rechtsträger für das Unternehmen/die Organisation gar nicht existiert oder wenn er keine Vollmacht hatte, für den Rechtsträger zu handeln (BGHZ 91, 148, 152). (2) Einzelfälle. Ein Architekt, der bei der Vergabe von Bauarbeiten ersichtlich als Vertreter des Bauherrn ange- 8 sehen wird und dazu schweigt, handelt als dessen Vertreter (Köln NJW-RR 1996, 212; s auch Köln NJW-RR 1999, 1615 bei Handeln für eine Baugesellschaft); zum Umfang der Vollmacht eines Architekten s § 167 Rn 31. Der Abschluss eines Arzt- oder Krankenhausvertrags erfolgt im Zweifel im Namen des Patienten; jedoch kommt nach den Umständen bei einem Auftrag zu einem Krankentransport auch ein Abschluss namens des Trägers der zuständigen gesetzl Krankenversicherung in Betracht (Koblenz NJW-RR 1997, 1183). Zur Vertretung des Arztes durch den Krankenhausträger s BGHZ 95, 63, 67ff; 121, 107. Die Verträge mit den Handwerkern schließen Bauträger im eigenen Namen, Baubetreuer idR im Namen ihrer Auftraggeber (BGHZ 67, 334; 76, 86; BGH NJW 1981, 757; Düsseldorf DB 1978, 583); das gilt bei eindeutigem Wortlaut auch, wenn die Auftraggeber den Handwerkern nicht benannt werden (BGHZ 76, 86). Ob ein Ehegatte Erklärungen zugleich im Namen des anderen abgibt, ist eine Frage der Auslegung (BGHZ 125, 175; Düsseldorf NJW-RR 2001, 1084; s auch § 1357) und selbst bei Erklärungen in Bezug auf den gemeinsamen Haushalt nicht zu vermuten (BAG NZA 2022, 200 Rn 22). Zum Handeln im elektronischen Rechtsverkehr s Rn 13. Zur (passiven) Vertretung einer Erbengemeinschaft durch einen dazu bevollmächtigten Miterben VG Koblenz NJOZ 2006, 3659. Der Gerichtsvollzieher schließt Verwahrungsverträge iSv § 885 III, § 808 II ZPO regelmäßig nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Justizfiskus (BGH NJW 1999, 2597). Zur Geschäftsraummiete als unternehmensbezogenes Geschäft Brandenburg NJW-RR 1999, 1606; Düsseldorf ZIP 2000, 580. Zum unternehmensbezogenen Geschäft bei einer GmbH BGH NJW 2000, 2984; Nürnberg NZG 2001, 231. Ein Hausverwalter wird im Zweifel namens des Hauseigentümers tätig, auch wenn dessen Name ungenannt bleibt (BGH NJW-RR 2004, 1017; NJW 2014, 1803 Rn 13f). Ein Konzerntarifvertrag ist für die Konzerntöchter nur abgeschlossen, wenn das hinreichend verlautbart ist (BAGE 124, 240; BAG NJW 2010, 888). Auch bei einer Auftragserteilung durch die Konzernmutter muss ihr Wille, für eine der Töchter zu handeln, erkennbar sein (Düsseldorf 24.5.2017 – 24 O 5/15; zur Auftragserteilung an einen Konzern BGH NJW-RR 2006, 978). Auch beim Nachlasspfleger müssen die Umstände ergeben, dass er im Namen des Erben handelt (München ZEV 2021, 380 Rn 20). Bei der Post kommt es auf die Umstände an, ob der Einlieferer im eigenen Namen oder namens des Absenders handelt (LG München I MDR 1995, 1207). Der RA einer Sozietät, auch einer interprofessionellen, der unter der Bezeichnung der Sozietät Willenserklärungen abgibt, handelt im Zweifel für die Sozietät (Markworth NJW 2015, 2152, 2154f; im Grundsatz offengelassen, aber in casu angenommen in BGH NJW 2011, 2301 Rn 15; 2012, 2435 Rn 16; BeckRS 2022, 42730; LAG Düsseldorf ZIP 2015, 2477), dagegen handelt er auch im eigenen Namen, wenn er, nicht aber die Sozietät postulationsfähig ist (BGH NJW 2009, 3162). Entspr wird für andere freie Berufe (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Architekten, beratende Ingenieure usw) zu gelten haben. Zur Vertretung beim Reisevertrag BeckOK/ Geib § 651b Rn 2f. Sammelbestellungen – etwa bei einem Versandhaus – können auch dann als Handeln im Namen aller Mitbesteller gewertet werden, wenn deren Namen zunächst nicht genannt werden (Köln NJW-RR 1991, 918; 1996, 43). Ähnl gilt für die Sammelanmeldung zu einer Fahrt (Frankfurt NJW 1986, 1941). Zur Anwendung des § 164 I 2 im Scheckverkehr BGHZ 65, 218; BGH NJW 1994, 2082; Düsseldorf NJW-RR 1996, 1141. Zur Frage, ob ein Schiffsmakler, der einen Frachtvertrag abschließt, sich selbst oder seinen Auftraggeber verpflichtet, K. Schmidt/Blaschczok VersR 1981, 398. – Zur Unternehmensbezogenheit der Schuldanerkenntniserklärung eines GmbH-Geschäftsführers BGH NJW 2000, 2984. Bei der Anlage eines Sparbuches und Einzahlungen auf ein solches wird nicht der Einzahlende schlechthin Gläubiger (BGHZ 21, 148; BGH WM 1972, 383; Canaris NJW 1973, 825); vielmehr kommt es auf die Kontobezeichnung, den Besitz am Sparbuch sowie erkennbare Vorbehalte hinsichtl der Verfügungsbefugnis an (s auch § 328 Rn 28). Wird nach einem Verkehrsunfall ein Schuldanerkenntnis abgegeben, so handelt der Fahrzeugführer idR (nur) im eigenen Namen und nicht (auch) im Namen des Fahrzeughalters (LG Freiburg NJW 1982, 1162). Bei Abschluss eines Versicherungsvertrags können die Grundsätze zum unternehmensbezogenen Handeln auch für die Bestimmung eines Unternehmens als Versicherungsnehmer herangezogen werden; § 43 II VVG ist eine demggü nachrangige Auslegungsregel (BGH NJW-RR 1997, 527 zu § 74 II aF VVG). Für das Wechselrecht BGHZ 64, 11, 15 m Anm Schmidt-Salzer NJW 1975, 1511. Der WEG-Verwalter wird, wenn er etwa Handwerker bestellt, regelmäßig für die Eigentümergemeinschaft tätig (Düsseldorf NZM 2000, 193; s auch Lammel IMR 2007, 78; Flessner IBR 2007, 2611 sowie oben zu „Hausverwalter“). Im Einzelfall kann sich aus den Umständen aber auch ein Handeln im eigenen Namen ergeben (VerfGH Berlin NJW-RR 2007, 159; Düsseldorf NZM 2007, 504; Saarbrücken NJW-RR 2007, 521). (3) Demggü reicht Handeln in (wirtschaftlichem oder sonstigem) fremdem Interesse allein idR nicht aus, um 9 Handeln in fremdem Namen anzunehmen. Kommissionär und Spediteur werden stets für andere tätig; doch handeln sie idR nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen (§§ 383, 407 HGB). Die Erklärung eines Käufers, die Kaufsache sei für einen anderen bestimmt, macht ihn nicht ohne weiteres zum Vertreter, selbst dann nicht, Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
wenn bei den Verhandlungen von „Vermittlung“ gesprochen wird (München OLG 39, 166f; anders Hamburg OLG 20, 62f). cc) Möglich ist auch, dass der Vertreter zugleich in fremdem und im eigenen Namen handelt (BGHZ 104, 95, 100; BGH NJW 2013, 1873 Rn 11; 2015, 1510; 2015, 2872 Rn 16ff). Anhaltspunkte können Sinn und Zweck des Vertrags, eigenes Interesse des Vertreters, aber auch begründetes Interesse des Geschäftspartners daran sein, sich nicht ausschließlich mit Ansprüchen gegen den Vertretenen begnügen zu wollen (BGH MDR 1966, 213). Auch Vertretungsgeschäfte eines Gesellschafters einer GbR können hierzu gehören. Der Abschluss eines zustimmungsbedürftigen Vertrages durch den Geschäftsführer des Zustimmungsberechtigten kann konkludente Zustimmung in dessen Namen sein (BGH NJW 2015, 2872 Rn 16ff). c) Handeln unter fremdem Namen. Es tritt der Handelnde nicht im Namen des Vertretenen auf, sondern verwendet einen anderen als seinen eigenen Namen und gibt dabei vor, selbst der Bezeichnete zu sein (s Köhler, FS Schippel, 1996, 209, 212f; Lieb JuS 1967, 106; Ohr AcP 152, 216; Redeker NJW 1984, 2390, 2393; Oechsler AcP 208, 565; Heyers JR 2014, 227). Ob in solchen Fällen ein Fremdgeschäft oder ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen ist, hängt grds davon ab, ob die falsche Namensangabe beim Geschäftspartner eine unrichtige Identitätsvorstellung erweckt oder nicht (MüKo/Schubert Rn 151, 155). Ohne unrichtige Identitätsvorstellung des Geschäftspartners liegt ein Eigengeschäft des Handelnden unter falschem (aber mangels Identifizierung eines anderen nicht fremdem) Namen vor. Zur Frage der Formwirksamkeit in solchen Fällen s MüKo/Schubert Rn 158f; zur Prozessführung unter falschem Namen BGH NJW 2011, 778 m abl Anm Wolfsteiner. Erweckt hingegen der Gebrauch des falschen Namens beim Geschäftspartner eine unrichtige Identitätsvorstellung, so ist das Handeln als solches namens des Namensträgers zu werten; auf den Willen des Handelnden, ein Eigengeschäft vorzunehmen, kommt es nicht an (s Rn 19, 26); die Wirkungen hängen davon ab, ob der Handelnde Vertretungsmacht hatte (dann § 164 I entspr) oder nicht (dann §§ 177, 179 entspr; s BGHZ 45, 193, 195; BGH WM 1990, 1450, 1451f). Verfügt ein Nichtberechtigter unter dem Namen des Berechtigten, so richtet sich die Wirksamkeit bei Eigengeschäft nach §§ 185, 932ff, bei Fremdgeschäft nach § 177. Wer sich unter Vorlage der Kfz-Papiere als Eigentümer ausgibt und das unterschlagene Kfz übereignet, handelt im eigenen Namen (BGH NJW 2013, 1946; aA Koblenz NJW-RR 2011, 555). Unberührt bleibt ggf das Anfechtungsrecht des Geschäftspartners (§ 119 II, § 123), wenn für ihn, namentlich bei Geschäften unter Anwesenden, sowohl die Identität des Handelnden als auch die des – mit diesem vermeintlich identischen – Namensträgers bedeutsam sind. Zur Frage einer – nach Wahl des Geschäftsgegners – alternativen Verpflichtung des Geschäftsherrn oder des Handelnden s Lüderitz JuS 1976, 766; der Handelnde kann auch kraft Rechtsscheins neben dem Namensträger verpflichtet sein, Oldenburg OLG 1979, 60; s auch Rn 8. Ebenfalls zum Handeln unter fremdem Namen gehört der Fall der Unterzeichnung einer Urkunde mit dem Namen des Vertretenen (hM, s RGZ 74, 69, 72; BGHZ 45, 193, 195; Medicus/Petersen AT Rn 908; abw für das Steuerrecht BFH BB 1998, 198 mwN). Bei beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften führt die Verwendung eines falschen oder fremden Namens zur Nichtigkeit (MüKo/Schubert Rn 159), während die gesetzl Schriftform auch ein Handeln unter fremdem Namen zulässt (RGZ 74, 69). – Wer im Digitalen Rechtsverkehr unter der geschützten Kontonummer eines anderen handelt, handelt unter dessen Namen, selbst wenn er eine eigene E-MailAdresse und Telefonnummer angibt, da letztere nur als Kontaktdaten verstanden werden; der Kontoinhaber wird nur unter den Voraussetzungen der §§ 167, 177 gebunden (BGHZ 189, 346 Rn 10, 12); wer aber unter fremdem Konto als „Bargeschäft gegen Abholung“ kauft, ist nach Abholung selbst Käufer (LG Bonn NJW-RR 2012, 1008; abl MüKo/Schubert Rn 157, weil danach bis zur Abholung kein Vertrag bestehe); zur Beweislast bzgl des Handelnden Hamm NJW 2007, 611. Zur Rechtsscheinsvollmacht in solchen Fällen s § 167 Rn 19, 31a. d) „Geschäft für den, den es angeht“. Dabei sollen die Wirkungen auch ohne Offenlegung eines Handelns „in fremdem Namen“ unmittelbar einen anderen als den Handelnden treffen (MüKo/Schubert Rn 137ff; ausf Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006, 221ff). Voraussetzung dafür ist nach allgM, dass es dem Geschäftspartner wie vor allem bei Bargeschäften des täglichen Lebens gleichgültig ist, mit wem er kontrahiert, weil dann der durch den Offenkundigkeitsgrundsatz bezweckte Schutz des Geschäftspartners entbehrlich ist (Soergel/Bayer § 164 Rn 100; Staudinger/Schilken Vor § 164 Rn 53). Hinzukommen müssen nach wohl hM obj Anhaltspunkte für einen Fremdwirkungswillen (Soergel/Bayer Rn 101; Staudinger/Schilken Vor § 164 Rn 53; aA Soergel/Leptien13 Vor § 164 Rn 29) sowie obj Bestimmbarkeit des „Vertretenen“ (Schilken, FS K. Schmidt II, 2019, 369, 378). Ein Bedürfnis für die Anerkennung der unmittelbaren Fremdwirkung des „Geschäfts für den, den es angeht“, besteht nur, wenn bei Verfügungsgeschäften, namentlich im Mobiliarsachenrecht, ein Durchgangserwerb durch den Handelnden vermieden werden soll oder eine Weiterübertragung von dem Handelnden an den Hintermann nicht (mehr) erfolgt oder nicht nachweisbar ist (s Wieling SachenR I2 2006, § 9 VII 5; BeckOGK/Huber Rn 58ff). Problematisch ist die aus der Anerkennung entstehende Unklarheit der Eigentumsverhältnisse (Flume § 44 II 2c; dagegen Einsele JZ 1990, 1005, 1009). Nur für Mobiliarübereignungen im Rahmen von Bargeschäften hat die Rspr eine solche unmittelbare Fremdwirkung anerkannt (RGZ 100, 190, 192; BGHZ 114, 74, 79f; Düsseldorf NJW 1992, 1706 – jew zum Erwerb von Hausratsgegenständen durch einen Ehegatten oder Lebenspartner; ferner RGZ 99, 208 – Barkauf von Pferden zum sofortigen Weiterverkauf). In zahlreichen anderen Fällen hat der BGH das Prinzip zwar anerkannt, seine Voraussetzungen konkret jedoch verneint (BGH NJW 1955, 587, 590; 1991, 2958f; NJW-RR 2003, 921; NJW 2016, 1887 – Altpapier). Beim Kausalgeschäft werden die Voraussetzungen – Gleichgültigkeit der Identität des Geschäftspartners – idR nicht vorliegen. Ist der Partner des Verfügungsgeschäfts deshalb nicht identisch mit demjenigen des Kausal552
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Vertretung und Vollmacht
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geschäfts, so ist dies unschädlich, weil nach den Umständen das Kausalgeschäft durch die Übereignung an den Hintermann erfüllt wird (§ 362 II). Ein gesetzl geregelter Fall ist § 1646 (Flume § 44 II 1d). Nicht hierher gehört das sog „offene Geschäft für den, den es angeht“ (MüKo/Schubert Rn 138f), da dies in Wirklichkeit offene unmittelbare Stellvertretung ist (s Rn 5; wie hier Staudinger/Schilken Vor § 164 Rn 51; wohl auch Neuner § 49 Rn 48), ggf verbunden mit einer Bevollmächtigung des Handelnden (mit Befreiung von § 181), die Erklärung zur Identifizierung seines Geschäftsherrn entgegenzunehmen. So verstanden werden sollten etwa Geschäfte zur Besicherung der Importfinanzierung (BankR-Hdb/Haas § 79 Rn 82; aA BuB/Bunjes/Pfister 5/191) und zur Übereignung bei der Effektenkommission (MüKo-HGB/Einsele Depotgeschäft Rn 105; aA BuB/Decker 8/342f). Liegen die Voraussetzungen des Geschäfts für „den, den es angeht“ deshalb nicht vor, weil der Handelnde erklärtermaßen im eigenen Namen abschließen will, so kommt eine nachträgl Umdeutung des Vertrags aufgrund eines einseitigen Willensentschlusses in einen Vertrag, der im Namen eines anderen geschlossen ist, nicht in Betracht; das gilt selbst dann, wenn anzunehmen ist, dass dem Vertragsgegner die Person des Leistungspflichtigen gleichgültig ist (BGH NJW 1955, 587f; MüKo/Schubert Rn 142). e) Vertretungsmacht. Der Vertreter muss die Willenserklärung innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht abgeben. aa) Die Vertretungsmacht wird durch Rechtsgeschäft (Vollmacht, § 166 II 1), durch Bestellung zum Organ mit Vertretungsmacht (im Recht der Gesellschaften und Körperschaften; s Vor § 164 Rn 14) oder durch Gesetz (Vor § 164 Rn 13) begründet. Sie muss im Zeitpunkt der Abgabe oder Entgegennahme der Willenserklärung durch den Vertreter vorliegen (§ 177 Rn 5). bb) Aufgrund der Vertretungsmacht kann der Vertreter rechtsgeschäftliche Wirkungen für und gegen den Vertretenen herbeiführen (Außenverhältnis). Entstehung, Fortbestand und Reichweite der Vertretungsmacht sind streng von den Beziehungen zw Vertreter und Vertretenem (Innenverhältnis; § 167 Rn 1) zu unterscheiden, das bestimmt, ob und wie er handeln darf (Abstraktionsprinzip; Vor § 164 Rn 6). Die Vertretungsmacht ist eine Rechtsmacht, jedoch kein subj Recht; sie ist nicht selbständig abtretbar oder pfändbar (s aber § 168 Rn 18), kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen durch Gesamtrechtsnachfolge – etwa bei Umwandlung oder Verschmelzung von Unternehmen – auf einen anderen übergehen (§ 168 Rn 10ff, 18). Die Rechtsmacht des Vertreters tritt zusätzl neben die des Vertretenen; dieser bleibt also trotz Erteilung der Vollmacht selbst zum Abschluss entspr Geschäfte zuständig (§ 167 Rn 1). cc) Der Umfang der Vertretungsmacht richtet sich bei gesetzl und organschaftl Vertretung nach der jew gesetzl und/oder satzungsmäßigen Regelung, bei gewillkürter Vertretung nach dem Inhalt der Vollmacht. Näheres über Erteilung und Umfang der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht § 167 Rn 2ff, 8, 48ff. Bei Fehlen oder Überschreitung der Vertretungsmacht gelten §§ 177, 179, 180. Zum Missbrauch der Vertretungsmacht § 167 Rn 70ff. Zur Beschränkung der Vertretungsmacht durch Vereinssatzung BGH NJW 1980, 2799; durch Stiftungssatzung BGH NJW 2021, 2036 Rn 32; durch Gesellschaftsvertrag der GbR BGH NJW-RR 1996, 673; zur Behördenvertretung auch BVerwG NJW 1996, 608ff; BGH NJW 2001, 2626 (Gemeinde, nur mit Unterschrift des Bürgermeisters); NJW 1999, 2597 (Gerichtsvollzieher); BGHZ 213, 30 (allumfassende und unbeschränkte Vertretungsmacht des Bürgermeisters, auch in Bayern). f) Vertretungswille? Die obj in fremdem Namen mit Vertretungsmacht abgegebene Erklärung wirkt für und gegen den Vertretenen, auch wenn dem Vertreter der Vertretungswille fehlt (BGHZ 36, 30, 33), wohl unstr (MüKo/ Schubert Rn 186; Staudinger/Schilken Vor § 164 Rn 36); ein abw innerer Wille kann – wie bei jeder Willenserklärung – aber durch Anfechtung geltend gemacht werden (str; Rn 26). Vom Vertretungswillen zu unterscheiden ist der Wille, die Vollmacht zu gebrauchen: Handelt der Vertreter ausdrückl „vollmachtlos“, bestimmt sich die Wirksamkeit des Vertretungsakts nach § 177 (BGH NJW 2009, 3792, 3793; Samari [Vor § 164 Rn 23a] 61ff). 2. Folgen wirksamer Stellvertretung. a) Verhältnis zw Vertretenem und Geschäftspartner. Es wirken die vom Vertreter (im Namen und mit Vertretungsmacht des Vertretenen) abgegebenen Willenserklärungen unmittelbar und ausschließlich für und gegen den Vertretenen. Rechte und Pflichten entstehen originär in der Person des Vertretenen; sie werden nicht vom Vertreter als „Durchgangsperson“ abgeleitet. Auch Gestaltungsrechte aus dem Vertretergeschäft stehen allein dem Vertretenen zu, zB Anfechtungs-, Rücktrittsrechte; ob der Vertreter den Vertretenen in der Ausübung solcher Gestaltungsrechte wirksam vertreten kann, hängt vom Umfang seiner Vertretungsmacht ab. § 164 I betrifft nur die rechtsgeschäftlichen Wirkungen des Vertreterhandelns einschl der Begr eines vorvertragl Vertrauensverhältnisses (dazu auch § 311 II); daraus kann sich eine Haftung des Vertretenen für den Vertreter aus cic/§ 311 II iVm § 278 ergeben (BGHZ 92, 164, 175; BGH NJW 1974, 1505; NJW-RR 1998, 1342). b) Verhältnis zw Vertretenem und Vertreter. Es richtet sich nach dem der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (Vor § 164 Rn 4). c) Verhältnis zw Vertreter und Geschäftsgegner. Es ergeben sich aus der Stellvertretung keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen; diese beschränken sich ausschließlich auf das Rechtsverhältnis zw Vertretenem und Geschäftsgegner (Rn 20f). Das schließt jedoch eine Eigenhaftung des Vertreters nicht aus, sofern in dessen Person die entspr Voraussetzungen erfüllt sind. Das versteht sich für die Deliktshaftung des Vertreters (§§ 823ff; vgl BAG NZA 2006, 729; NZA 2007, 693; Voraussetzungen in casu jew verneint) von selbst. Es kann aber auch zw Vertreter und Geschäftsgegner unter besonderen Umständen ein eigener Auskunfts- und Beratungsvertrag – idR freilich mit dem Geschäftsherrn – geschlossen sein (dazu BGHZ 140, 111; BGH NJW-RR 2006, 109; NJW 2015, 1510 Rn 9ff; zu den eigenen Beratungspflichten des Anlagevermittlers BGHZ 158, 110, 116). Ferner kann in beFinkenauer
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Rechtsgeschäfte
sonderen Ausnahmefällen auch eine Vertreterhaftung aus cic/§ 311 III oder pFV (§§ 280, 311, 241) in Betracht kommen, sofern ein eigenes Schutzverhältnis zw Vertreter und Geschäftspartner vorliegt oder wenn der Vertreter dem Geschäftspartner ggü besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat; näher § 311 Rn 89ff. d) Rechtsscheinsgrundsätze. Unter entspr Anwendung des § 179 haftet nach hM, wer als Organvertreter oder rechtsgeschäftlicher Vertreter für eine GmbH oder GmbH & Co im Geschäftsverkehr entgegen § 4 GmbHG oder § 19 II HGB keinen die Haftungsbeschränkung kennzeichnenden Zusatz in der Firma verwendet und dadurch den Eindruck hervorruft, es hafte aus dem Geschäft mindestens eine nat Person (BGHZ 64, 11, 17; 71, 354; BGH NJW 1981, 2569 – Geschäftsführer als Vertreter; NJW 1991, 2627 m Anm Canaris – anderer Vertreter; 1996, 2645 – Vor-GmbH; zu Recht krit Haas NJW 1997, 2855; Altmeppen NJW 2012, 2833; Klein NJW 2015, 3607), oder wer den Zusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ entgegen § 5a GmbHG unzulässig verkürzt oder weglässt (BGH NJW 2012, 2871; WM 2022, 463 Rn 26). Das gilt nicht für den mündlichen Geschäftsabschluss (BGH NJW 1981, 2569f; Hamm NJW-RR 1998, 1253; s aber Naumburg NJW-RR 1997, 1324). Zu entspr Grundsätzen bei der Vertretung einer ausl Kapitalgesellschaft BGH NJW 2007, 1529; dazu Kindler NJW 2007, 1785; Altmeppen ZIP 2007, 889; anders für die Haftung des Handelnden aus § 11 II GmbHG für eine nicht im Handelsregister eingetragene britische Limited: Hamm NJW-RR 2006, 1631. 3. Nicht erkennbarer Vertretungswille (§ 164 II). a) Bedeutung der Vorschrift. Ob jemand als Vertreter für einen anderen handeln will, ist durch Auslegung zu ermitteln (Rn 6). Will der Vertreter in fremdem Namen handeln, ist dieser Wille aber nicht erkennbar, so gilt seine Willenserklärung mangels Offenlegung der Vertretung als Handeln im eigenen Namen (zum „Geschäft für den, den es angeht“ s aber Rn 14). Das ergibt sich bereits aus allg Grundsätzen. Die Bedeutung von § 164 II liegt in dem Ausschluss der Anfechtung (§ 119 I) wegen eines Mangels des Willens, im eigenen Namen zu handeln (BGH NJW-RR 1992, 1010f; MüKo/Schubert Rn 186). b) Abgrenzung. Nicht von § 164 II erfasst ist der umgekehrte Fall, dass jemand im eigenen Namen handeln will, seine Erklärung aber als das Handeln für einen anderen aufzufassen ist. Für diesen Fall ist die Anfechtung nicht durch § 164 II ausgeschlossen (MüKo/Schubert Rn 190; Staudinger/Schilken Rn 21; Jauß JA 2020, 199, 204; aA Grü/Ellenberger Rn 16 aufgrund Überinterpretation von BGHZ 36, 30, 33f sowie Fikentscher AcP 154, 1, 16ff). – Wem das Recht zur Anfechtung zusteht, hängt von der Wirksamkeit der Stellvertretung ab: Wirkt das Geschäft mangels Vertretungsmacht nicht für und gegen den Vertretenen, kann nur der Vertreter anfechten. Lag aber das Geschäft innerhalb der Vertretungsmacht, hat nur der Vertretene das Anfechtungsrecht, das aber auch vom Vertreter ausgeübt werden kann, wenn es von seiner Vertretungsmacht umfasst ist (str; wie hier Staudinger/ Schilken Rn 21; Soergel/Bayer Rn 113; anders Flume § 44 III: immer Anfechtungsrecht des Vertreters; so wohl auch MüKo/Schubert Rn 191). Das ist nicht Folge des § 166, der die Voraussetzungen der Anfechtung betrifft, sondern folgt daraus, dass die Anfechtung eine Rechtsposition des Vertretenen vernichtet. Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Vertreter für einen anderen handeln wollte als den, für den er obj handelte (Staudinger/ Schilken Rn 21; aA MüKo/Schubert Rn 192, die in diesem Fall das Anfechtungsrecht dem gewollten, aber irrtümlich nicht Vertretenen gewähren will). II. Passive Stellvertretung (§ 164 III). 1. Inhalt der Vorschrift. Passive Vertretung liegt vor, wenn eine Willenserklärung an einen Vertreter desjenigen abgegeben wird, dem ggü sie wirken soll. Auf sie finden die Regeln des § 164 I entspr Anwendung (zum Entscheidungsspielraum des Passivvertreters Samari [Vor § 164 Rn 23a] 102ff). Der Erklärende handelt dem Passivvertreter ggü aufgrund von dessen – bestehender oder angenommener – Empfangszuständigkeit. Da dieser nicht handelt, kommt es auch auf seinen – inneren oder erkennbar gemachten – Vertretungswillen nicht an. Erforderlich ist aber, dass der Handelnde erkennbar eine Erklärung an den Vertretenen abgeben will (MüKo/Schubert Rn 257). Soweit Empfangsvertretungsmacht besteht, wirkt die Erklärung ohne weiteres wie bei Abgabe an den Vertretenen. Bei Gesamtvertretung genügt grds die Erklärung ggü einem Gesamtvertreter (BGHZ 62, 166, 173; 149, 28, 31; BeckOGK/Huber Rn 100; s zB § 26 II, § 1629 I 2 BGB, § 78 II 2 AktG, § 35 II 2 GmbHG). Grds ist unter den allg Voraussetzungen auch passive Stellvertretung ohne Vertretungsmacht möglich (BGH NJW 1996, 1062, 1064; s § 177 Rn 2; § 180 S 3). Zur Erklärung eines Rücktritts von einem Erbvertrag ggü dem Vorsorgebevollmächtigten eines Geschäftsunfähigen gem § 2296 II 1 BGHZ 228, 327 Rn 21ff. 2. Abgrenzung. Vom passiven Stellvertreter ist der Empfangsbote (§ 120 Rn 2) zu unterscheiden. Der passive Stellvertreter ist anders als der Bote selbst Adressat und Empfänger der Erklärung. Beim Boten ist die Erklärung zu dem Zeitpunkt zugegangen, zu dem nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge damit zu rechnen ist, dass der Empfangsbote die Erklärung an den Empfänger weitergibt (BAG NJW 2011, 2604, für den Fall, dass die Erklärung dem Ehegatten an seinem Arbeitsplatz übergeben wird), während es beim passiven Vertreter ausschließlich auf den Zugang bei diesem selbst ankommt (Soergel/Bayer Rn 249). Für den „Empfängerhorizont“ kommt es beim Empfangsboten auf das Verständnis des Geschäftsherrn, beim passiven Stellvertreter hingegen auf dessen Sicht an (Neuner § 49 Rn 20); dasselbe gilt für Wissen und Wissenmüssen. III. Beweislast. Für die Wirkung für und gegen den Vertretenen hat die Beweislast, wer für sich selbst oder den Gegner wirksame Stellvertretung geltend macht (BGH NJW 1986, 1675; NJW-RR 1992, 1010; BAG NZA 2022, 200 Rn 20); Zweifel gehen zu seinen Lasten. Das gilt für das Handeln in fremdem Namen, für die Person des Vertretenen und für die Vertretungsmacht (BGH NJW 1975, 775; 1986, 1675; 1991, 2958; NJW-RR 1992, 1010). Gleiches gilt, wenn str ist, ob der Handelnde eine Zahlung in fremdem Namen angenommen hat (Frankfurt NJW-RR 1988, 108). Die Voraussetzungen eines unternehmensbezogenen Geschäfts (Rn 7) muss beweisen, 554
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Vertretung und Vollmacht
§ 165
wer daraus für sich Rechtsfolgen ableitet (BGH NJW 1986, 1675; 2000, 2984f). Wenn unstr oder erwiesen ist, dass sich das Geschäft auf ein Unternehmen/eine Organisation bezieht, wird – widerlegbar – vermutet, dass namens des Unternehmens/der Organisation gehandelt wurde (BGH NJW 1984, 1347f; 1986, 1675). Zur Wirkung der Streitverkündung, wenn im Vorprozess die Klage mangels Beweises einer Vertretung abgewiesen wurde, BGHZ 85, 252. Zur Beweislast bei einer Klage gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht § 179 Rn 28f.
§ 165
Beschränkt geschäftsfähiger Vertreter
Die Wirksamkeit einer von oder gegenüber einem Vertreter abgegebenen Willenserklärung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. 1. Bedeutung. Nach § 165 kann auch eine beschränkt geschäftsfähige Person Vertreter iSv §§ 164ff sein. Hat der Vertreter Vertretungsmacht, so treten die Wirkungen seines Handelns nur in der Person des Vertretenen (§ 164 I 1) und nicht in der Person des Vertreters ein (§ 164 Rn 20ff; s aber § 311 Rn 89ff). Hat ein beschränkt geschäftsfähiger Vertreter keine Vertretungsmacht, so ist seine Haftung aus § 179 grds ausgeschlossen (§ 179 III 2). Deshalb können dem beschränkt geschäftsfähigen Vertreter aus der Vertretung keine rechtl Nachteile erwachsen. Seinem Schutzbedürfnis ist damit genügt. Zu Geschäftsunfähigen Rn 5; allg zu § 165 Chiusi Jura 2005, 532. 2. Anwendungsbereich. a) Gewillkürte Vertretung. Hauptanwendungsfall ist die gewillkürte Stellvertretung. Die Bevollmächtigung (§ 167) ist ein einseitiges Rechtsgeschäft (§ 167 Rn 2); sie bedarf daher nicht der Mitwirkung des Bevollmächtigten und, wenn dieser beschränkt geschäftsfähig ist, auch nicht seines gesetzl Vertreters. Das gilt wegen der Abstraktheit der Vollmacht (Vor § 164 Rn 6) auch, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis (zB Auftrag, Dienstvertrag) nach §§ 107ff wegen der beschränkten Geschäftsfähigkeit schwebend unwirksam oder wegen Verweigerung der Genehmigung endgültig unwirksam ist. – Wenn der Vollmachtgeber die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Bevollmächtigten nicht kannte, kommt eine Anfechtung der Bevollmächtigung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Bevollmächtigten (§ 119 II) in Betracht (zur Vollmachtsanfechtung s § 167 Rn 44ff; vgl Hoffmann JZ 2012, 1156, 1158). b) Gesetzl und organschaftl Vertretung. Ist ein gesetzl oder organschaftl Vertreter beschränkt geschäftsfähig, so gilt § 165 auch für die aktive und passive Vertretung durch ihn (s aber Rn 4). Allerdings steht die Beschränkung seiner Geschäftsfähigkeit idR bereits seiner Vertretungsmacht entgegen (§ 1673 II, § 2201). Für andere Vermögensverwalter kraft Amtes muss das entspr gelten (MüKo/Schubert Rn 6 mwN). c) Bestellung zum Organmitglied. Die Bestellung eines beschränkt Geschäftsfähigen zum Organmitglied einer jur Person (zB zum Vorstandsmitglied eines Vereins) ist im Prinzip möglich, sofern der gesetzl Vertreter der Annahme des Amtes zustimmt (§ 27 Rn 3), für die AG und die GmbH ist dies aber ausgeschlossen (§ 76 III 1, § 100 I AktG; § 6 II 1 GmbHG). Beschränkt Geschäftsfähige können zwar persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft sein; für ihr Handeln als Vertreter (§ 125 HGB) gilt § 165 aber nicht (Hopt/Roth § 125 HGB Rn 10). 3. Abgrenzungen. a) Geschäftsunfähige. Nicht unter § 165 fällt das Handeln eines geschäftsunfähigen Vertreters. Dessen Willenserklärung ist nach § 105 nichtig. Deshalb kann er nach hM einen anderen auch nicht rechtswirksam vertreten (aA aus verfassungsrechtl Gründen Canaris JZ 1987, 993, 998; dagegen Wieser JZ 1988, 493f, Replik Canaris JZ 1988, 494, 498; aA außerdem mit guten Gründen Samari [Vor § 164 Rn 23a] 116ff). Das gilt auch für (geschäftsunfähige) Organe jur Personen (BGHZ 53, 210, 214; 115, 78, 80f) und von ihnen vorgenommene Vertreterbestellungen (BGHZ 158, 1, 7). Die – erst nachträgl eintretende – Geschäftsunfähigkeit der Organe führt zum Erlöschen der Organstellung (BGHZ 115, 78, 80). Den guten Glauben an den Fortbestand der Organstellung mit Vertretungsmacht schützt § 15 HGB (BGHZ 115, 78, 81), nicht aber den guten Glauben an die – im Handelsregister nicht verlautbarte – Geschäftsfähigkeit des Vertreters (BGHZ 53, 210, 215; 115, 78, aA Vorinstanz München JZ 1990, 1029 m Anm Roth). Dennoch kann der Geschäftsherr nach den Rechtsscheinsgrundsätzen der hM an das Handeln gebunden sein, wenn er (im Falle einer GmbH: die Gesellschafter) trotz Erkennbarkeit der Geschäftsunfähigkeit nicht einschreitet (BGHZ 115, 78, 81ff; aA: nur Haftung aus cic, §§ 280 I, 311 II, MüKo/Schubert Rn 12; diff Staudinger/Schilken Rn 3). b) Prozessvertreter. Der Prozessvertreter muss (arg §§ 79, 51, 52 ZPO) geschäftsfähig sein (hM: Stein/Jonas/ Jacoby § 79 ZPO Rn 9; für die freiwillige Gerichtsbarkeit § 10 II 2 Nr 2 FamFG). c) Bote. Bote kann auch ein geschäftsunfähiges Kind sein (Medicus/Petersen AT Rn 886). 4. Einsatz autonomer Systeme. Wird ein künstlich intelligentes Agentensystem bei der Abgabe einer Willenserklärung eingesetzt, scheitert Stellvertretung nicht schon am Fehlen eines Entscheidungsermessens (Vor § 164 Rn 24), weil mangelnde Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit des Verhaltens eines Agentensystems auf einen Entscheidungsspielraum schließen lassen, was genügt, vgl Samari (Vor § 164 Rn 23a) 133ff. Der direkten oder analogen Anwendbarkeit des Stellvertretungsrechts steht jedoch die fehlende Rechtspersönlichkeit des Computers entgegen (s aber BeckOGK/Behme § 1 Rn 38; Schirmer JZ 2016, 660, 664); auch eine Haftung analog § 179 kommt mangels Haftungsmasse nicht in Betracht; abl auch Foerster ZfPW 2019, 418, 435; Ruster JR 2020, 533, 539; für eine analoge Anwendung der §§ 164ff Teubner AcP 218, 155, 181ff; Kaulbach JZ 2023, 1148, 1154f; zur lex ferenda Kainer/Förster ZfPW 2020, 275. Finkenauer
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Willensmängel; Wissenszurechnung
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. (2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht. I. Allgemeines. 1. Bedeutung. Unmittelbar regelt die Vorschrift, nach wessen Person es sich im Falle eines Vertretergeschäfts richtet, ob relevante Willensmängel bestehen oder der Erklärende einen Umstand kennt oder kennen muss. Relevante Willensmängel führen idR zu einem Rechtsvorteil, weil ihretwegen der Betroffene von den sonst eintretenden Folgen seiner Erklärung befreit ist oder sich befreien kann. Wo das Gesetz dagegen auf Kenntnis oder Kennenmüssen abstellt, knüpft es daran idR einen Rechtsnachteil. Das Vertretergeschäft beruht auf dem Willen und der Erklärung des Vertreters (§ 164 I). Deshalb kommt es auf Willensmängel und die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Vertreters an (§ 166 I). Sofern aber der Vertretene das Verhalten des Vertreters durch Weisungen steuert, zählt auch sein Wissen oder Kennenmüssen (§ 166 II). Über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus gilt die Vorschrift als Grundlage für die Zurechnung des Wissens von Personen, die am Abschluss des konkreten Geschäfts nicht beteiligt sind (Rn 10ff, 17ff). Zu dem daraus resultierenden Spannungsverhältnis zw Willensmängeln und zugerechnetem Wissen s Rn 7, 8, 14. § 166 I stellt undifferenziert für Willensmängel wie für Kenntnis und Kennenmüssen auf die Person des Vertreters ab. Nach den neuen Entwicklungen zum Thema Wissenszurechnung (Rn 18ff) ist indessen zu differenzieren. 2. Vertreter. a) Abschlussvertreter. Vertreter iSd Vorschrift ist in erster Linie der Abschlussvertreter. Es muss also ein Fall der Stellvertretung vorliegen. Hierher gehören die gewillkürte sowie die organschaftl wie auch die gesetzl Vertretung (BGHZ 38, 65f; MüKo/Schubert Rn 4f; Staudinger/Schilken Rn 3, zur Kenntnis des Nachlasspflegers von der Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses BGH NJW 2005, 756, 758). Beim Abschluss durch einen Untervertreter ist dessen Willensmangel oder Kenntnis maßgeblich (BGH NJW 1984, 1953f). Unter § 166 I fällt auch die Vertretung ohne Vertretungsmacht, sofern der Vertretene nachträgl genehmigt (BGH NJW 1992, 899f; JR 2001, 284 m Anm Thiessen; s aber Rn 38). Für den mittelbaren Stellvertreter ist § 166 I irrelevant, weil Erklärung und Wirkung in einer Person, nämlich der des mittelbaren Stellvertreters, zusammenfallen. Für den mittelbar vertretenen Geschäftsherrn gilt auch § 166 II nicht. Für andere Personen, die an dem Zustandekommen des Geschäfts vorbereitend, bspw als Verhandlungsgehilfen, beteiligt waren, s Rn 8 und 16. § 166 I gilt nicht für den Boten (MüKo/Schubert Rn 19) und nicht für den bloßen Erklärungsvertreter (Vor § 164 Rn 23a). b) Wissenserklärungsvertreter. Kein echter Abschlussvertreter ist der – meist im Versicherungsrecht begegnende – Wissenserklärungsvertreter, der namentlich zur Erfüllung von Informationsobliegenheiten eingesetzt wird (Bruck/Möller/Heiss § 28 VVG Rn 108ff). Auf seine – geschäftsähnl – Erklärungen ist § 166 I analog anwendbar (BGHZ 122, 388; Düsseldorf NJW-RR 1999, 756f), jedoch nicht, wenn er die vom Versicherten selbst unterzeichnete Erklärung nur vorbereitet (BGH NJW 1968, 447). Die Ehefrau des bewusstlosen Versicherungsnehmers ist nicht ohne weiteres seine Wissenserklärungsvertreterin (BGHZ 122, 388). 3. Persönliche Eigenschaften, Verbraucherrecht. a) Nicht von § 166 I erfasst wird der Fall, dass die Gültigkeit eines Vertrags oder seine Wirkungen von persönlichen Eigenschaften (zB Kaufmann, Verwandtschaft) abhängen. Hier entscheiden ausschließlich die Verhältnisse des Vertretenen, da es sich nicht um die Vornahme, sondern um die Wirkung des Geschäfts handelt (Soergel/Bayer Rn 20). Die hM stellt auch für die Verbraucherwiderrufsrechte auf die Verbrauchereigenschaft des Vertretenen ab (BGH NJW-RR 1991, 1074f; Soergel/Bayer Rn 29; MüKo/Schubert § 164 Rn 246); anders mit guten Gründen Hoffmann JZ 2012, 1156ff: Es geht um den Schutz der freien Willensbildung des Vertreters, an den der Vertretene eben diese delegiert hat; nur auf die Person des Vertreters ist für die Verbrauchereigenschaft abzustellen. Ein Unternehmer, der einen Verbraucher bevollmächtigt, kann aber (analog § 165) nicht widerrufen, wenn er das Risiko einer mangelbehafteten Erklärung bewusst übernommen hat. Andere setzen die Verbrauchereigenschaft bei Vertreter und Vertretenem voraus, vgl Schreindorfer, Verbraucherschutz und Stellvertretung, 2012, 426, 472. b) Für die Anwendung der Verbraucherschutzbestimmungen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und im Fernabsatz kommt es darauf an, ob sich der Vertreter bei Vertragsschluss in einer solchen Situation befunden hat (BGHZ 144, 223; BGH NJW 2000, 2270; 2003, 2319; aA Möller ZIP 2002, 333, 341; dazu auch Eckardt, Verbraucherschutz und Repräsentationsprinzip, 2006). Der Vertretene hat (parallel zur Rechtslage bei der Anfechtung) das Widerrufsrecht. II. Willensmängel, Auslegung. 1. Willensmängel. a) Willensmängel iSd § 166 I sind die Fälle der §§ 116–120, 123. Beim Scheingeschäft (§ 117 I) kommt es auf das Einverständnis zw Vertreter und Geschäftsgegner an, bei § 116 S 2 darauf, ob der Vertreter den Vorbehalt kennt. Kennt nur der Vertretene den Vorbehalt des anderen, so kann das genügen (MüKo/Schubert Rn 32). Für § 119 kommt es auf den Irrtum des Vertreters, nicht des Vertretenen an (RGZ 106, 200, 204). Maßgeblich für die Erheblichkeit des Irrtums (§ 119 Rn 45f) ist, wie der Vertreter bei verständiger Würdigung der Verhältnisse und der Interessen des Vertretenen gehandelt hätte (Staudinger/ Schilken Rn 13). Anfechtungsberechtigt ist stets der Vertretene, da ihn die Folgen der Willenserklärung treffen; 556
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Vertretung und Vollmacht
§ 166
umfasst die Vollmacht auch die Ausübung des Anfechtungsrechts, kann auch der Vertreter die Anfechtung erklären. Zum Irrtum des Vertreters über die Fremdwirkung seines Handelns § 164 Rn 26. Zur Anfechtung wegen eines Irrtums des Vertretenen unter den Voraussetzungen des § 166 II s Rn 40; zur Anfechtbarkeit der Vollmacht § 167 Rn 44ff. Ist der Vertreter arglistig getäuscht oder widerrechtl bedroht worden (§ 123), kann der Vertretene anfechten. Zur arglistigen Täuschung durch den Vertreter oder durch den Vertretenen § 123 Rn 30ff. Zur Anfechtung durch den Vertreter ohne Vertretungsmacht § 179 Rn 6; s auch § 164 Rn 26. b) Im Falle der Gesamtvertretung genügt es, wenn der Willensmangel bei einem der handelnden Vertreter vorliegt (MüKo/Schubert Rn 16; s auch RGZ 78, 347, 354 – subj Voraussetzungen für §§ 134, 138 nur bei einem der Gesamtvertreter; BGHZ 53, 210, 214 – Geschäftsunfähigkeit eines der Gesamtvertreter). Irrtumsausschließende Kenntnis eines handelnden Gesamtvertreters heilt trotz Wissenszurechnung (Rn 31) den Willensmangel des anderen nicht (Rn 14). Für die Nichtigkeit gem § 117 I genügt es, wenn einer der Gesamtvertreter mit dem Simulationswillen der anderen Seite einverstanden ist (BGH NJW 1999, 2882; aA Hein ZIP 2005, 191, 194); dann fehlt bei einem der Gesamtvertreter der ernstliche Geschäftswille. Dient die Simulationsabrede aber der Täuschung des Vertretenen, so kann sich der Gegner auf sie nicht berufen; sie wirkt dann wie ein geheimer Vorbehalt, bei dem die Kenntnis des kollusiv handelnden Gesamtvertreters nicht zuzurechnen ist (BGH NJW 1999, 2882). c) Willensmängel von Verhandlungsbevollmächtigten und Vermittlern werden von § 166 I nicht erfasst, da diese das Rechtsgeschäft nicht selbst tätigen. Jedoch kann sich der Geschäftsherr auf den Irrtum des Verhandlungsbevollmächtigten oder des Vermittlers berufen, wenn er auf dessen Verhandlungen vertraut (MüKo/Schubert Rn 20); möglicherweise kommt auch eine unmittelbare Anwendung des § 119 in Betracht, wenn dessen Voraussetzungen in der Person des Geschäftsherrn vorliegen. Die mit einem solchen Gehilfen getroffene Abrede des Scheingeschäfts hat auf die Wirksamkeit jedenfalls eines notariell beurkundeten Geschäfts keinen Einfluss, wenn der beim Geschäftsabschluss Handelnde sie nicht kennt; dessen echter Geschäftswille kann nicht durch eine Wissenszurechnung außer Kraft gesetzt werden (BGHZ 144, 331; BGH NJW 2001, 1062; Thiessen NJW 2001, 3025 und § 117 Rn 7). 2. Auslegung. Auch für die Auslegung kommt es auf den Willen und ggf das Verständnis des Vertreters an; sein Horizont ist der Empfängerhorizont (BGHZ 82, 219, 222 für Verhandlungsgehilfen; BGH WM 1984, 240, 242; BAG NJW 1961, 2085). Das gilt auch für den Abschluss durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht nach Genehmigung des Geschäftsherrn (BGH NJW 2000, 2272). Auch die Kenntnis des Verhandlungsbevollmächtigten ist bei der Auslegung zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 1989, 931f). Das von einem Verhandlungsgehilfen mit der anderen Seite abgestimmte Verständnis dann beurkundeter Verträge ist jedoch unmaßgeblich, wenn es der an der Beurkundung Beteiligte nicht kennt (BGH NJW-RR 1986, 1019; NJW 2000, 2272f; anders BGH NJW 2004, 2156f). III. Kennen und Kennenmüssen. Für viele Vorschriften kommt es darauf an, ob eine Partei einen bestimmten Umstand kannte oder kennen musste (§ 122 II). Kenntnis oder Kennenmüssen kann bedeutsam sein für die Wirksamkeit, Anfechtbarkeit oder Auslegung eines Rechtsgeschäfts, für den Verlust des Gutglaubensschutzes oder den Beginn von Fristen. Nach § 166 I ist bei Vertretergeschäften Kenntnis oder Kennenmüssen des Vertreters maßgeblich. Das Thema der Zurechnung fremden Wissens geht aber weit über die Fälle von Vertretergeschäften hinaus; dazu Baum, Die Wissenszurechnung, 1999; Beuthien NJW 1999, 3585; Buck, Wissen und Juristische Person, 2001; Buck-Heeb AG 2015, 801 und WM 2016, 1469; Dauner-Lieb, FS Kraft, 1998, 43; Faßbender/Neuhaus WM 2002, 1253; Koller JZ 1998, 75; Schwab JuS 2017, 481; Harke, Wissen und Wissensnormen, 2017. 1. Maßgeblicher Zeitpunkt. Unmittelbar gilt § 166, wenn nach der einschlägigen Vorschrift (Wissensnorm) die rechtl Folgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen bestimmter Umstände beeinflusst werden. Dann müssen Kenntnis oder die Voraussetzungen des Kennenmüssens bei Abschluss des Geschäfts vorliegen. In diesem Bereich wird zunächst der Begriff des Vertreters insb durch Einbeziehung sog Verhandlungsgehilfen erweitert (Rn 16). Darüber hinaus kann aber auch Kenntnis von Personen schaden, die an dem konkreten Geschäft nicht beteiligt waren (Rn 17ff). Nach anderen Vorschriften knüpfen sich Rechtsfolgen wie zB der Beginn einer Frist an Kenntnis oder Kennenmüssen zu anderen Zeitpunkten als bei Abschluss eines konkreten Geschäfts. Auf solche Vorschriften passt § 166 I nicht; die Wissenszurechnung folgt in diesen Fällen zT anderen Grundsätzen (Rn 24f, 33). Wessen Kenntnis zugerechnet wird, also schadet, lässt sich nicht für alle Fälle gleich beantworten. Dies hängt einmal vom Gegenstand der Kenntnis und von den weiteren Umständen ab (Rn 19f), aber auch von der Auslegung der Wissensnorm (Waltermann AcP 192, 181, 191ff). 2. Kennen und Kennenmüssen bei Geschäftsabschluss. a) Sachlicher Anwendungsbereich. aa) Rechtl Folgen einer Willenserklärung. Kenntnis oder Kennenmüssen des Vertreters ist maßgeblich zB für Nichtigkeitsund Anfechtungsgründe (§ 116 S 2, § 117 I, § 119 I, § 122 II, § 123 II 1, § 142 II, § 173), für §§ 134, 138, soweit ein Verbot oder die Sittenwidrigkeit von der Kenntnis bestimmter Umstände abhängt (BGH NJW 1992, 899; BayObLG NJW 1993, 1143), bei Forderungsabtretung (§§ 405–408), bei Sachmängelhaftung (§§ 434ff; RGZ 131, 343, 355), auch bei arglistigem Verschweigen von Mängeln iSv § 438 III (BGH NJW 1992, 1500); ebenso beim gutgläubigen Erwerb (§§ 892, 932ff, 936, 1138, 1155, 1157, 1207f, 2366f; § 366 HGB). Bei diesem kommt es, sofern sich der Erwerber eines Vertreters bedient, auf dessen guten Glauben an, es sei denn, es liegt ein Fall des § 166 II vor; irrelevant ist nach hM der böse Glaube des Besitzvertreters (Besitzdieners, Besitzmittlers), s Wieling SachenR I2 2006, § 9 VII 2a; aA für den Besitzvertreter Staudinger/Schilken Rn 9; für die Gläubigeranfechtung innerhalb und außerhalb der Insolvenz (§ 3 AnfG; §§ 129ff InsO) BGHZ 22, 128, 134; 38, 65, 67; BGH NJW Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
1984, 1953f; allerdings wird einem beschränkt Geschäftsfähigen die Kenntnis seiner Eltern vom Benachteiligungsvorsatz nicht zugerechnet, wenn diese aus Eigennutz sein Konto als Zahlstelle missbrauchen (BGH NJW 2017, 3516 Rn 26, 28); für prozessuale Willenserklärungen RGZ 146, 348. Die Wissenszurechnung gem § 166 begründet aber nicht das für ein Ordnungsmittel (§ 890 ZPO) erforderliche Verschulden (Hamburg OLGR 2008, 170). bb) Entspr maßgeblich ist die Kenntnis des Vertreters bei geschäftsähnl Handlungen, so im Rahmen von § 254 II, §§ 812ff (BGHZ 83, 293, 296 betr § 819; krit dazu Wilhelm AcP 183, 1; BGH NJW 1999, 1024 betr § 814; NJW-RR 2001, 127f betr § 819); eines Verwaltungsratsmitglieds im Hinblick auf die Haftung eines WEG-Verwalters (Köln NZM 2001, 862); bei Bestätigungsschreiben (BGHZ 40, 42, 46: Zurechnung der Kenntnis des Verhandelnden, dass der Inhalt des Bestätigungsschreibens von dem Vereinbarten abweicht). Zur Zurechnung der Bösgläubigkeit des Besitzdieners beim Besitzerwerb für §§ 989f ist gleichfalls § 166 analog anzuwenden (s auch § 164 Rn 2), nicht § 278 oder § 831 (so aber § 990 Rn 24), vgl zum Streitstand Wieling SachenR I2 2006, § 12 II 3c; zur Zurechnung von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von Bauunternehmern und Architekten beim Überbau s BGHZ 42, 63 sowie § 912 Rn 9. cc) Verhältnis zu Willensmängeln. Wird dem Prinzipal die Kenntnis bestimmter Umstände zugerechnet (Rn 17ff), die aber der handelnde Vertreter nicht kannte, so steht dies nach Abs I einem Willensmangel und der Anfechtbarkeit nicht entgegen (s Rn 7; aA Grunewald, FS Beusch, 1993, 301, 308 für den Fall, dass die irrtumsausschließende Kenntnis bei einem von zwei handelnden Gesamtvertretern vorliegt). b) Persönlicher Anwendungsbereich. aa) Im unmittelbaren Anwendungsbereich des Abs I kommt es nur darauf an, ob der Abschlussvertreter (Rn 2) die relevante Kenntnis hatte oder haben musste; auf die Person des Vertretenen kommt es nicht an. Das gilt nach Genehmigung auch für den Vertreter ohne Vertretungsmacht (BGH NJW 1992, 899; s aber Rn 38). Die Kenntnis seines Abschlussvertreters schadet dem Käufer auch dann gem Abs I, wenn der Abschlussvertreter zuvor als Verhandlungsführer des Verkäufers aufgetreten ist, sofern nicht dieser den Vertreter dem Käufer aufgedrängt hat (BGH NJW 2000, 1405). Der Geschäftspartner kann sich aber auf die Kenntnis des Vertreters nicht berufen, wenn er weiß oder wissen muss, dass dem Vertretenen die Information verschwiegen wird (BGH WM 1968, 440; ZIP 2011, 2001 Rn 24; 2013, 1063 Rn 24ff). Das gilt auch für die Kenntnis eines „Wissensvertreters“ (Rn 25). Die Kenntnis des ggü beiden Vertretenen ungetreuen Doppelvertreters von seiner eigenen Untreue ist deshalb keinem der beiden Vertretenen zuzurechnen; anders BGH NJW 2014, 1294, der mit „grob ungerechtem Ergebnis“ (Schwab JuS 2014, 1032f) diese Kenntnis dem einen Vertretenen zurechnet, dem anderen nicht. Auch die Kenntnis des zur Einreichung einer (von ihm beglaubigten) Erklärung bevollmächtigten Notars von der Versäumung der Einreichungsfrist ist Kenntnis eines handelnden Vertreters (Celle ZEV 2010, 365 – Erbschaftsausschlagung). bb) Verhandlungsgehilfen und andere. Es schadet dem Geschäftsherrn auch, wenn andere an der Vorbereitung des Geschäfts beteiligte Personen die für das Geschäft oder seine Rechtsfolgen relevante Kenntnis haben oder haben mussten. Wer sich eines anderen wie eines Vertreters bedient, muss sich dessen Kenntnis wie die eines Vertreters zurechnen lassen (BGHZ 55, 307, 311; BGH NJW-RR 2005, 634; Staudinger/Schilken Rn 4). Eine nur interne Beratung reicht dafür nicht aus (BGHZ 117, 104, 107; BGH NJW-RR 2003, 989, 990). Voraussetzung ist, dass der Handelnde mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn tätig wurde (Soergel/Bayer Rn 84; s auch BGHZ 106, 163, 167f). Auch das Wissen einer nur intern befassten Person kann aber nach den Grundsätzen der Informationsverantwortung zurechenbar sein (dazu Rn 26ff). Führt einer von zwei Verkäufern (Ehegatten) die Verhandlungen mit dem Käufer, so folgt daraus nicht zwingend, dass er auch Verhandlungsgehilfe des anderen und sein Wissen diesem zuzurechnen ist (BGH NJW 1992, 1500). c) Wissenszurechnung und Wissenszusammenrechnung jenseits von § 166. aa) Organwissen. In arbeitsteiligen Organisationen jedweder Rechtsform sind für ein bestimmtes Geschäft relevante Kenntnisse oft in Abteilungen vorhanden, die mit der Vorbereitung und dem Abschluss des Geschäfts nicht befasst sind. Wann solche Kenntnisse der Organisation zuzurechnen sind, wurde zunächst vornehmlich bei jur Personen problematisiert. Die frühere Rspr rechnete der jur Person Kenntnisse eines Organvertreters eo ipso zu, auch wenn sie privat erlangt waren (BGH WM 1955, 830, 832; krit hierzu Grunewald, FS Beusch, 1993, 301, 306), selbst dann, wenn der Organvertreter an dem konkreten Geschäft nicht beteiligt war, und sogar, wenn er aus dem Unternehmen ausgeschieden war (BGHZ 109, 327, 331; 41, 282, 287; BGH WM 1959, 81, 84; krit Baumann ZGR 1973, 284; offengelassen für Personengesellschaft in BGH NJW 1995, 2159, 2160). In vielen der entschiedenen Fälle hatte das Organmitglied sein Wissen im Zusammenhang mit dem jew Geschäft erworben, oder es ging (wie im Fall BGHZ 20, 149) um die Passivvertretung durch einen von mehreren Gesamtvertretern (gem § 26 II; § 125 II 3 HGB, § 78 II 2 AktG, § 35 II 3 GmbHG) beim Zugang einer Erklärung (Nachw bei Flume I 2 § 11 IV). bb) Informationsverantwortung. Ein Umschwung der Rspr begann mit BGHZ 109, 327, wo der BGH zwar – zumindest für den entschiedenen Fall – weiterhin auf die Zurechnung des Organwissens abstellte, um dann aber auszuführen, die „Frage der Wissenszurechnung (lasse) sich nicht mit logisch-begrifflicher Stringenz“, sondern nur wertend entscheiden. Daran anknüpfend entwickelten sich die Konzeption der Informationsverantwortung (Bohrer DNotZ 1991, 124, 125; Waltermann AcP 192, 181, 206ff; Taupitz Karlsruher Forum 1994, 16, 24ff; Medicus Karlsruher Forum 1994, 4, 8ff; Grunewald, FS Beusch, 1993, 301, 304ff) sowie die Überlegung, dass eine arbeitsteilige Organisation durch Aufspaltung ihres Wissens nicht besser stehen darf als eine Einzelperson, in der sich die Kenntnisse konzentrieren, sog Gleichstellungsargument (BGHZ 117, 104, 108; krit Kaller JZ 1988, 75; Grigoleit 558
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ZHR 181, 160, 190). Auf die Organstellung des Wissensträgers und die Rechtsform der Organisation kommt es danach nicht mehr an (BGH NJW 2001, 359f), sondern nur darauf, ob die Information bei ordnungsgemäßer Informations- und Kommunikationsverwaltung zur Verfügung gestanden hätte, vgl BGHZ 117, 104, 108; 132, 30, 35; Übersicht über die Rspr bei Nobbe Bankrechtstag 2002, 121. Zulasten von Privatpersonen gelten diese Grundsätze nicht (Düsseldorf NJW-RR 1997, 718); zur Wissenszurechnung innerhalb von einzelkaufmännischen Unternehmen Seidel ZIP 2020, 1506 und im Konzern Armbrüster/Kosich ZIP 2020, 1494, 1503ff. Zugerechnet werden danach solche Kenntnisse von an dem konkreten Geschäft nicht beteiligten Personen, die „typischerweise aktenmäßig festgehalten“ werden (BGHZ 132, 30, 35). Die Verantwortlichkeit für solches Wissen dient dem Schutz des rechtsgeschäftlichen Verkehrs (BGHZ 132, 30, 37; BGH NJW 2012, 1789 Rn 14). Wissen wird danach zugerechnet, wenn der jew Umstand nach den Verhältnissen zu der Zeit, zu der er in der Organisation bekannt wird (BGHZ 132, 30, 38), als bedeutsam und speicherungsbedürftig anzusehen und deshalb aufzuzeichnen war (Dokumentations- und Weiterleitungspflicht; zum Zeitpunkt von deren Entstehung Taupitz EWiR 1996, 585) und bei dem konkreten Geschäft ein besonderer Anlass bestand, sich über das gespeicherte Wissen zu vergewissern – Abfragepflicht – (BGHZ 132, 30, 38f; 135, 202, 205ff; BGH NJW 2009, 2298 Rn 14). Die Bedeutung der Tatsache bestimmt auch die Zeit, für die sie gespeichert und abfragbar bleiben muss (BGHZ 132, 30, 38f). Zugerechnet wird also das Wissen, das dokumentiert und verfügbar sein muss und zu dessen Abfrage hinreichender Anlass bestand. Ausdr entschieden hat dies der BGH für den Bankenbereich (BGH NJW-RR 2006, 771 Rn 13), den Versicherungsbereich (BGHZ 182, 85 Rn 16f) und Behörden, allerdings idR nur innerhalb der Zuständigkeitsgrenzen der einzelnen Behörde (BGH NJW 2011, 2791 Rn 18ff). Als bekannt zugerechnet werden auch auffällige elektronische Informationen, die vollautomatisiert erlangt und verarbeitet werden, weil solche Systeme so zu organisieren sind, dass auffällige Daten „gemeldet“ werden (Hamm ZIP 2011, 1926; dazu Kruth EWiR 2011, 815); zur Übertragung der Grundsätze der Informationsverantwortung auf KI Kuntz ZfPW 2022, 177. Fragen, ob das Wissen einzelner Mitglieder einer Personengesellschaft dieser zuzurechnen ist (dazu BGH NJW 1995, 2159f), sind damit ebenso überholt wie Differenzierungen nach der Organstellung des nicht handelnden Wissensträgers (BGHZ 132, 30, 35). Der „Gleichstellungsgedanke“ bestimmt auch die Kriterien für die Grenzen der Wissenszurechnung. Wissen einer nicht handelnden Person, das wegen unterschiedlicher Aufgaben bspw eines hoheitlichen Rechtsträgers in einer nat Person gar nicht zusammenkommen könnte (Medicus Karlsruher Forum 1994, 13f) oder wegen Verschwiegenheitspflichten/vorgeschriebener Informationsbarrieren nicht weitergegeben werden darf, ist danach nicht zuzurechnen (BGH NJW 2016, 2569 Rn 32; MüKo/Schubert Rn 67; Habersack DB 2016, 1551; aA Celle NJOZ 2013, 881; dazu Maier-Reimer NJW 2013, 2405, 2407); für einen anderen Zusammenhang (Rn 32) wie hier Koch ZIP 2015, 1757, 1763; aA Schwintowski ZIP 2015, 617. Auch wenn die Rspr eindeutig zu der Zurechnung nach diesem Kriterium der Informationsverantwortung neigt und damit einen gewissen Abschluss gefunden zu haben scheint, gibt sie noch kein einheitliches Bild (im Überblick Soergel/Bayer Rn 78ff). Die in dem Konzept angelegte Flexibilität ermöglicht sachgerechte Ergebnisse, jedoch um den Preis erheblicher Rechtsunsicherheit. cc) Stellungnahme. Kenntnis des handelnden Organs oder sonstigen Vertreters schadet jedenfalls, gleich ob nach § 166 I oder § 31. Das gilt auch für privat erlangte Kenntnisse (Grü/Ellenberger Rn 4) und auch, wenn der Handelnde hinsichtl seines Wissens einer Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Denn die Relevanz seines Wissens folgt unmittelbar aus § 166 I und nicht aus einer Pflicht zur Weitergabe dieses Wissens. Fraglich ist nur, ob und wann die Kenntnis nicht handelnder Organvertreter oder anderer Personen schadet. Alle Begründungen der Wissenszurechnung können nur zur Zurechnung des Wissens beim Geschäftsherrn führen (anders BGH NJW 1984, 1953f; Düsseldorf BauR 2007, 1753, 1758, wo die Kenntnis jew über den Haupt- oder Organvertreter zugerechnet wird). Handelt der Vertretene nicht selbst, so ist sein tatsächliches ebenso wie ein ihm zugerechnetes Wissen, etwa das eines nicht handelnden Organvertreters, nach § 166 I im Grundsatz unschädlich, wenn es nach der Wissensnorm auf Kenntnis oder Kennenmüssen bei Geschäftsabschluss ankommt. Wenn das Vertretungsorgan selbst handelt, folgt die Relevanz seines Wissens unmittelbar aus § 166 I. Die in der gesellschaftsrechtl Lit verbreitete Auffassung, § 166 I gelte nicht für die organschaftl Vertretung, die Wissenszurechnung folge dann aus § 31 oder den Regeln über die Passivvertretung (zB KK-AktG/Cahn § 76 Rn 92ff), beschreitet überflüssige Umwege, soweit es um Kenntnis oder Kennenmüssen im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses geht. Handelt nicht das wissende Organmitglied, so wäre auch die „absolute Zurechnung“ seines Wissens nach dem Grundsatz des § 166 I unschädlich (Taupitz JZ 1996, 734; Grigoleit ZHR 181, 160, 188). Die Berücksichtigung des Wissens nicht handelnder Personen nach den Kriterien der Informations- und Kommunikationsverantwortung lässt sich deshalb nicht mit einer Analogie zu § 166 begründen (ausf dazu Waltermann AcP 192, 181, 194ff, 213ff), denn sie führt zu dem Gegenteil der in § 166 angeordneten Rechtsfolge. Aus § 166 kann – entspr einer vom BGH häufig verwendeten Formulierung (zB BGHZ 106, 163, 167) – nur das Prinzip der Zurechnung, dh der Verantwortung auf der Grundlage von Wissen bei Anderen, entnommen werden. Insg sind die Grundsätze der Zurechnung des Wissens von Personen, die an Vorbereitung und Abschluss des Geschäfts nicht beteiligt sind, das Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung praeter legem (ebenso Dauner-Lieb, FS Kraft, 1998, 43, 51), die man mit § 242 und Erfordernissen des Verkehrsschutzes begründen mag (so MüKo/Schubert Rn 56). Nach den Grundsätzen der Informationsverantwortung ist das tatsächliche oder zugerechnete Wissen des Geschäftsherrn über § 166 II hinaus schädlich. Am ehesten lassen sich diese Grundsätze durch einen Rückgriff auf § 166 II an das Gesetz annähern: Von dem unternehmerischen Geschäftsherrn wird Finkenauer
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erwartet, dass er seine oder die ihm zugerechnete Kenntnis steuernd einsetzt (Taupitz JZ 1996, 734; Altmeppen NJW 2020, 2833). Die Kritik an der Rspr beruht vor allem auf dem Bemühen, die Wissenszurechnung in dem Maße zu beschränken, dass sie noch auf den Gedanken des § 166 zurückgeführt werden kann (s nur Faßbender/ Neuhaus WM 2002, 1252, 1254ff). dd) Wissenszurechnung und Kennenmüssen. Wissenszurechnung nach den Grundsätzen der Informationsverantwortung bedeutet keine, ggf durch §§ 31, 278, 831 begründete, Einstandspflicht für Dritte (Richardi AcP 169, 385, 387). Als ein Element der Risikoverteilung (BGHZ 109, 327, 333) projiziert sie das Handeln einer Person und das Wissen einer anderen (oder der Akten) auf den Rechtsträger und behandelt diesen, als habe er (und nicht der von ihm verschiedene Vertreter) mit dem Wissen gehandelt (s auch MüKo/Schubert Rn 66). Damit verschiebt sie entgegen der einschlägigen Wissensnorm die Grenzen zw erforderlichem Wissen und Wissenmüssen (Grigoleit ZHR 181, 160, 178), hat aber auch dort Bedeutung, wo das Gesetz die Folgen bereits an das Kennenmüssen knüpft (aA Waltermann AcP 192, 181, 208ff), denn die Informationsverantwortung trifft nicht den Vertreter, sondern den Geschäftsherrn, dessen Kennenmüssen nach § 166 I unerheblich ist. Zu den Rechtsfolgen s Rn 34. 3. Wissensvertreter. Die Zurechnung des Wissens eines sog Wissensvertreters folgt anderen Grundsätzen. Entwickelt wurde die Figur des Wissensvertreters im Versicherungsvertragsrecht (Richardi AcP 169, 385; Bruck/ Möller/Heiss § 28 VVG Rn 126ff). Von einem Wissensvertreter spricht man, wenn der Leiter des Unternehmens seinen Betrieb so organisiert, dass „Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit ist, nicht von ihm selbst, sondern von einem bestimmten Angestellten zur Kenntnis genommen werden“ (RGZ 101, 402f). Dessen Kenntnis ist dann maßgeblich und ggf für den Versicherungsnehmer schädlich. S auch Rn 30. Auch außerhalb des Versicherungsrechts und über die Grundsätze der Informationsverantwortung hinaus muss sich „derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten (zB die Verfolgung eines Anspruchs, die Aufklärung eines Sachverhalts) in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen“ (sog Wissensvertreter), s BGHZ 41, 17; 83, 293, 296; BGH ZIP 2013, 219 Rn 19; krit Medicus Karlsruher Forum 1994, 4, 10; Staudinger/Schilken Vor § 164 Rn 87; sowie zum Kriterium der Eigenverantwortlichkeit Waltermann AcP 192, 181, 199. Der Begriff Wissensvertretung sollte auf solche Sachverhalte (mit der Folge der Wissenszurechnung) beschränkt bleiben und nicht für alle Fälle der Wissenszurechnung verwendet werden. Wissensvertretung ist insb bedeutsam, wenn Kenntnis oder Kennenmüssen nicht bei Geschäftsabschluss, sondern zu einem anderen Zeitpunkt in Frage stehen und zB eine Frist (zB § 199), Pflicht oder Obliegenheit oder Haftungsverschärfung (§ 819 I) auslösen (Rn 32f). Wer einen anderen (RA) mit der Aufklärung oder Verfolgung von Ansprüchen beauftragt, muss sich dessen Kenntnis zurechnen lassen (BGHZ 171, 1 Rn 35; BGH NJW 1968, 988; ZIP 2013, 174 Rn 26; NJW 2017, 949 Rn 14; NJW-RR 2019, 116 Rn 13; bei koordiniertem Vorgehen auch das Wissen eines RA aus Parallelmandaten, Hamm NJW-RR 2011, 1261; einschränkend Köln NJW-RR 2013, 867). Nicht zuzurechnen ist die Kenntnis eines „Wissensvertreters“, wenn der Geschäftspartner damit rechnen muss, dass das Wissen nicht weitergegeben wird (§ 242; s Rn 15), wenn die Vollmacht wegen Verstoßes gegen § 3 RDG nichtig ist (BGHZ 171, 1 Rn 39; BGH ZIP 2011, 2001 Rn 34ff) oder wenn sich der betreffende Anspruch gerade gegen die Person richtet, deren Wissen zugerechnet werden soll (BGH NJW-RR 2019, 116 Rn 13; Düsseldorf NJW-RR 2021, 850 Rn 37). Eine Grenze der Zurechnung bildet die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht (BGH NJW-RR 2019, 116 Rn 14). 4. Einzelfälle. Die Kasuistik beruht großenteils noch auf der älteren Rspr, die die Wissenszurechnung entweder mit einem weiten Verständnis des vertreterähnl Einsatzes des Wissensträgers oder mit dessen Organstellung begründete (Rn 17). Nach dem neuen Konzept der Wissens-/Kommunikationsverantwortung sind die Entscheidungen zT neu zu interpretieren. a) Kenntnis befasster Personen. Wegen der Befassung mit der Sache wurde zugerechnet: die Kenntnis des Verhandlungsführers davon, dass das Bestätigungsschreiben von dem Verhandelten abwich (BGHZ 40, 42), oder davon, dass das gekaufte Grundstück vermietet war (Schleswig EWiR 2010, 47 [LS] m Anm Backhaus); die Kenntnis einer von dem Gläubiger in das Schuldnerunternehmen entsandten Vertrauensperson von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht (BGHZ 41, 17); dem Heimträger die Kenntnis des Heimleiters von Zuwendungen mit der Folge, dass er sie sich unter Verstoß gegen § 14 HeimG bewusst gewähren lässt (BayObLG NJW 1993, 1143); nach Celle NJOZ 2013, 881 auch die Kenntnis des mit einer Auflage zugunsten des Heimträgers von einem Heimbewohner Beschenkten (aA Maier-Reimer NJW 2013, 2405); die Kenntnis des Risikomanagers von Sicherheitsmängeln dem Versicherungsnehmer (Big Maple Leaf, KG NJW-RR 2021, 904 Rn 69, 72); die Kenntnis des Verhandlungsbevollmächtigten, der dann vollmachtlos abschloss, nach Genehmigung (BGH NJW 1992, 899); für die Auslegung eines beurkundeten Kaufvertrags die Kenntnis des (Unter-)Maklers von den Erwartungen des Käufers (BGH NJW 2004, 2156); grds ist auf die Kenntnis der zuständigen Behörde abzustellen, nicht einer anderen; ausnahmsw kann aus Gründen des Verkehrsschutzes oder wenn die eine Behörde die andere mit der Ausführung betraut hat, deren Kenntnis zuzurechnen sein (BVerwG ZOV 2016, 28 Rn 16f); ebenso bzgl der Kenntnis einer Behörde von der Benachteiligungsabsicht (§ 133 InsO) bei einer anderen, mit der sie eine „aufgabenbezogene Handlungs- und Informationseinheit“ gebildet hat (BGH NJW 2011, 2791 Rn 19ff). Nicht zugerechnet wurde: die Kenntnis des den Käufer beratenden Architekten von Baumängeln, weil er nicht nach außen in Erscheinung getreten war (BGH NJW-RR 2003, 989f); die Kenntnis des in die Organisation des Verkäufers nicht eingegliederten Hausverwalters von Baumängeln (BGH NJW-RR 1997, 270) oder des vom Vermieter damit nicht beauftragten Hauswarts von der Schlüsselübergabe (BGH NJW 2014, 684 Rn 17f); die Kenntnis des Lieferanten bzgl der Auslieferung des Leasingguts (BGH NJW 2005, 365 Rn 21); die Kenntnis eines vom Schuld560
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ner zugunsten bestimmter Gläubiger ohne deren Kenntnis bestellten Treuhänders von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (BGHZ 55, 307). Zur Zurechnung des Wissens eines missbräuchlich handelnden Vertreters Rn 15; BGH NJW-RR 2008, 977; ZIP 2011, 2001 Rn 24. b) Kenntnis nicht befasster Personen. Zugerechnet wurde einer Gemeinde als Grundstücksverkäuferin die Kenntnis relevanter Baumängel, die von dem zuständigen Landratsamt unter Sperrandrohung gerügt worden waren (BGHZ 109, 327), dies mit der Begr, dass die Kenntnis auch ausgeschiedener gesetzl Vertreter (Bürgermeister) „zumindest für einen Fall der vorliegenden Art“ zuzurechnen sei, und mit dem Gleichstellungsgedanken; einer GbR die Kenntnis eines Gesellschafters von einem Verfügungsverbot (§ 21 II 1 Nr 2 InsO) hinsichtl eines Geschäfts, das ein anderer Gesellschafter namens der GbR mit dem Schuldner tätigte (BGHZ 140, 54, 61f). Nicht zugerechnet wurden einer Gemeinde, die ein Grundstück durch ihr Liegenschaftsamt verkaufte, die Kenntnisse des Baurechtsamts von der Bodenbeschaffenheit (Knollenmergel; BGHZ 117, 104, 109), weil das Baurechtsamt nicht nach außen in Erscheinung getreten sei und eine Nachforschungspflicht nicht bestanden habe; dem verkaufenden Land die Kenntnis des zuständigen Landkreises von der Baurechtswidrigkeit eines Gebäudes (Brandenburg BeckRS 2008, 16457). Kenntnis der verkaufenden Gemeinde von Altlasten wurde verneint, wenn diese nur aus den Akten für Nachbargrundstücke hätten festgestellt werden können (BGH NJW 1999, 3777); in einem anderen Fall mit Altlasten war noch zu prüfen, ob zur maßgeblichen Zeit eine Dokumentationspflicht bestand (BGHZ 132, 30). Das Wissen des Herstellers über die verwendete Software wird dem selbständigen Vertragshändler nicht zugerechnet (Abgasskandal; MüKo/Schubert Rn 96 mwN). Infolge eines Vergessens unvollständig aufgezeichnete Informationen (Kilometerstand des Gebrauchtwagens) wurden dem Verkäufer nach dem Gleichstellungsgedanken nicht zugerechnet, weil auch eine nat Person etwas vergessen könne (BGH NJW 1996, 1205). Eine Aufzeichnungspflicht und deshalb eine Wissenszurechnung wurden verneint für ein Busunternehmen hinsichtl der Vergangenheit eines einzelnen dann verkauften Fahrzeugs, BGH NJW 1995, 2159. Die Kenntnis des am Verkauf unbeteiligten Erben vom Mangel kann dem verkaufenden Testamentsvollstrecker nicht zugerechnet werden, BGH NJW-RR 2021, 1068 Rn 21. Zur Zurechnung von Kenntnissen aus vernichteten Personalakten BAG NJW 2014, 1839. c) Banken. Einer Bank wird die bei der Hereinnahme von Bargeld erlangte Kenntnis eines Kassierers von der Zahlungseinstellung des Bankkunden auch für spätere Geschäftsvorfälle ohne Beteiligung dieses Kassierers zugerechnet (BGH NJW 1984, 1953f); kennt der mit Auszahlungen von dem Konto befasste Bankangestellte Gründe, die für den Verdacht einer Veruntreuung sprechen, hat sich die Bank diese Kenntnis zurechnen zu lassen (BGH NJW 2008, 2245 Rn 18). Finanziert eine Bank Vermögensanlagen durch eine bestimmte Filiale, so wird ihr die in einer anderen Filiale erlangte Kenntnis von der Anfechtbarkeit (§ 142 II) der Vollmacht (BGH NJW 1989, 2879 und 2881) oder der Irrealität des finanzierten Projekts als Grundlage einer Aufklärungspflicht (BGH NJW-RR 2005, 634) jedenfalls dann zugerechnet, wenn es um die Finanzierung desselben Projekts geht; ob auch unabhängig von der Identität des Projekts, ließ der BGH ausdr offen. Bei Einlösung eines Schecks werden der Bank die Kenntnisse der kontoführenden Filiale über berufliche Stellung oder unseriöses Verhalten des Kontoinhabers zugerechnet (BGH NJW 1993, 1066); ebenso die Kenntnisse eines ausgeschiedenen Kontoführers über die berufliche Stellung des Kontoinhabers (BGHZ 135, 202, 207). Nicht zugerechnet wird der Bank das private Wissen eines nicht handelnden Bankangestellten, da es dafür keine Dokumentationspflicht gibt (BGHZ 173, 23 Rn 14). Zum Einwendungsdurchgriff ggü einem Verbraucherkreditvertrag s § 359 und zur Anfechtung dieses Vertrags nach § 123 II wegen Täuschung durch den Anlagevermittler BGHZ 167, 239 Rn 29. Zur Informationsorganisationspflicht im Wertpapierhandel und daran anknüpfenden Beweislast bzgl des subj Tatbestands BGH NJW 2009, 2298 Rn 13ff, dazu Rn 36; zur Anfechtung nach § 123 II ggü der Bank aufgrund einer durch Wissenszusammenrechnung begründeten synthetischen Arglist des Vermittlers bei verbundenen Geschäften BGH NJW 2010, 596 Rn 23ff. 5. Versicherungsvertragsrecht. Abweichungen von dem Prinzip des § 166 gelten im Versicherungsvertragsrecht (§ 2 III, §§ 20, 70 VVG; s auch Bruck/Möller/Schwintowski § 70 VVG Rn 9ff). Die Kenntnis eines vom Versicherungsnehmer beauftragten Versicherungsmaklers wird dem Versicherer nicht zugerechnet (BGH NJW-RR 2008, 1649f; s auch BGH NJW-RR 2017, 151 Rn 14). 6. Gesamt- und Insichvertreter. Wo die Wissenszurechnung auf einem Vertretungsverhältnis beruht, genügt die Kenntnis eines von mehreren handelnden Gesamtvertretern (BGHZ 20, 149, 153; 62, 166, 173; Soergel/Bayer Rn 14); für Willensmängel s Rn 7. Die Kenntnis des Insichvertreters ist beiden Seiten zuzurechnen (BGHZ 94, 232, 237), ebenso das Wissen eines Abschlussvertreters, der zugleich Verhandlungsführer des anderen Vertragspartners war (Bsp: BGH NJW 2000, 1405, 1406; s aber BGH ZIP 2011, 2001 Rn 24). Zur Anwendung von § 166 im Bankverkehr bei einer Mehrheit von Kontoinhabern Dresden NJOZ 2004, 2266, 2270; Karlsruhe WM 1996, 198; s auch Wilhelm AcP 183, 1ff. 7. Kennen/Kennenmüssen zu anderen Zeitpunkten. a) Wenn es auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen nicht für die Folgen eines Geschäfts, sondern zB für den Beginn einer Frist (zB § 199) oder eine Haftungsverschärfung (zB § 819 I) ankommt, sind § 166 I und die Grundsätze der Informationsverantwortung nicht unmittelbar anwendbar. Es kommt dann nicht auf Kenntnis oder Kennenmüssen bei Geschäftsabschluss, sondern zu anderen Zeitpunkten an. Wessen Wissen dann zuzurechnen oder maßgeblich ist, hängt wesentlich von der jew Wissensnorm ab. In diesem Zusammenhang passen die Voraussetzungen des § 166 schon deshalb nicht, weil es oft kein Vertretergeschäft als Anknüpfungspunkt gibt, s aber Rn 24f. Auch die Grundsätze der Informationsverantwortung passen in diesem Zusammenhang nicht, weil es oft an einem Anlass zur Abfrage (s Rn 19) fehlt. An Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
die Stelle der Abfragepflicht müsste die Pflicht treten, die zuständige Abteilung vorsorglich zu unterrichten (abgelehnt in BGH NJW 2012, 2644 Rn 10ff, s aber § 199 Rn 14ff). Zuzurechnen ist in solchen Fällen aber das Kennen oder Kennenmüssen des gesetzl Vertreters (MüKo/Schubert Rn 102; aA zur Frist des § 1600b Rostock DAVorm 1995, 388; dagegen Böckermann FamRZ 1996, 238) oder eines Wissensvertreters (Rn 24f; BGHZ 83, 293; BGH NJW 1968, 988 zu § 852 aF; für § 199 BGH NJW 2022, 2534 Rn 15f), für den Verjährungsbeginn aber nicht die Kenntnis des gesetzl Vertreters, der Schuldner des Anspruchs ist (BGH NJW-RR 2011, 832 Rn 10). Zur Wissenszurechnung beim Verjährungsbeginn s BGH NJW 2016, 3445 Rn 59ff und § 199 Rn 14ff; bei der Haftungsverschärfung gem § 819 s BGH NJW 2014, 1294 Rn 11 und § 819 Rn 3. Über die Fälle der Wissensvertretung hinaus wird die Kenntnis von dem Geschäft selbst, welche der gewillkürte Vertreter bei seinem Abschluss erlangt, zuzurechnen sein, allerdings nicht, wenn die Vollmacht wegen Verstoßes gegen § 3 RDG nichtig ist (BGHZ 171, 1 Rn 39; s auch Rn 25). Andere Grundsätze gelten für Wissen oder Wissenmüssen als Auslöser öffentlich-rechtl Pflichten, wie etwa zur ad-hoc-Mitteilung nach § 28 WpHG (dazu Koch ZIP 2015, 1757; Sajnovits WM 2016, 765; Ihrig ZHR 181, 381), oder Verbotsnormen wie Insiderhandel (dazu Weller ZGR 2016, 384). Dabei geht es nicht um privatrechtl Zurechnungsgrundsätze, sondern um öffentlich-rechtl Organisationsanforderungen, auch wenn diese von jenen inhaltlich nicht oder wenig differieren mögen. b) Die Zweiwochenfrist gem § 626 II beginnt für die Kündigung des Vertrags mit dem Organvertreter mit der Kenntnis des für die Kündigung zuständigen Organs. Für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers/Vorstands ist dies die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat; anders als bei Kenntnis eines von mehreren Gesamtvertretern genügt hierfür nach st Rspr nicht die Kenntnis eines einzelnen Mitglieds des zuständigen Organs. Wenn ein Mitglied Kenntnis erlangt hat, muss jedoch das Organ unverzüglich einberufen werden; sonst muss sich der Rechtsträger so behandeln lassen, als habe das Organ Kenntnis gehabt (BGHZ 139, 89; München ZIP 2009, 1377). 8. Rechtsfolgen. a) Das Wissen wird dem Rechtsträger zugerechnet, nicht dessen Wissen seinen Organmitgliedern oder anderen Vertretern, jedenfalls solange diese nicht zur selbständigen Wahrnehmung bestimmter Aufgaben eingeschaltet sind (BGH NJW 2001, 359; s auch Karlsruhe ZIP 2008, 1373, 1375); s auch Rn 12. Ob der Rechtsträger einen Umstand kennen muss, beurteilt sich auf der Grundlage des ihm zugerechneten Wissens (BGH NJW 1989, 2879f; 1989, 2881f; s auch Rn 23). b) Die ggf aufgrund eines Mangels der Informationsorganisation im Unternehmen zugerechnete Kenntnis ist positive Kenntnis, nicht Kennenmüssen. Es hängt dann jedoch von der Auslegung der einzelnen Wissensnorm ab, ob das zugerechnete Wissen dem aktuellen Wissen gleichsteht. Das ist bedenkenlos für die Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung anzunehmen, soweit diese auf Kenntnis abstellen (§§ 130ff InsO), ebenso beim Mangel des Rechtsgrundsatz (§ 819 I); dagegen ist dies zweifelhaft, wo die Wissensnorm Vorsatz oder Arglist voraussetzt (dazu Rn 36). Das zugerechnete Wissen kann auch Warnpflichten begründen (BGH NJW 2008, 2245 Rn 17f). Vertragl kann die über die unmittelbare Anwendung von § 166 hinausgehende Wissenszurechnung (insb nach den Grundsätzen der Informationsverantwortung) trotz § 276 III und § 444 Var 1 abbedungen werden; es geht hier um die vertragsautonome Gestaltung der ungeregelten Wissenszurechnung; s auch § 278 S 2 (str, s Weißhaupt ZIP 2016, 2447, 2457; unklar Düsseldorf ZIP 2016, 2363, 2368). c) Die Zurechnung führt auch zur Zusammenrechnung des bei mehreren Personen vorhandenen Wissens, so dass bei dem Rechtsträger ein Gesamtwissen unterstellt wird, das bei keiner nat Person vorhanden ist (MüKo/ Schubert Rn 83f: „soweit die Wissensträger Verantwortung für das Rechtsgeschäft haben“; ähnl Staudinger/Schilken Rn 6). Nach der Rspr genügt solches zusammengerechnetes Wissen für die Annahme arglistigen Verhaltens (BGHZ 109, 327, 332f – Kaufvertrag; anders BGH NJW 2017, 250 Rn 23, 26; NJW 2021, 1669 Rn 23 für die subj Elemente der Sittenwidrigkeit und des Vorsatzes nach § 826; BAG NZA 2011, 219 zu § 814). Auch die Fiktion einer Kenntnis, die bei gehöriger Organisation bestanden hätte, soll für die Arglist genügen (BGHZ 117, 318, 321 zur Verjährung beim Werkvertrag, § 634a III). Der BGH begründet dies damit, dass die Annahme der Arglist keinen moralischen Vorwurf enthalte, sondern es nur um Risikoverteilung gehe (BGHZ 109, 327, 333; zu Recht abl wegen Fehlens des Unrechtselements „Handeln trotz Wissens“ Grigoleit ZHR 181, 160, 176ff; Flume AcP 197, 441; Dauner-Lieb, FS Kraft, 1998, 43, 54ff). Diese von der Rspr angenommene Arglist kraft Zurechnung ist grundlegend verschieden von zugerechneter Arglist, etwa eines Wissenserklärungsvertreters (Düsseldorf NJWRR 1999, 756), Verhandlungsgehilfen (aus tatsächlichen Gründen verneint in BGHZ 117, 260), Erfüllungsgehilfen oder Subunternehmers (BGHZ 62, 63, 68; 66, 43; Flume AcP 197, 441, 452) oder mitverpflichteten Gesamtschuldners (BGH ZIP 2016, 1386 Rn 15ff zu § 444; dazu H.P. Westermann EWiR 2016, 665 und sehr krit Thelen/ Ungerer ZIP 2016, 1953); s auch Karlsruhe NJW-RR 2011, 1070. Eine Aufklärungspflicht soll vorsätzlich verletzt sein, wenn der Kundenberater aufgrund eines vorsätzlich begründeten Organisationsmangels seine Aufklärungspflicht nicht kennt (BGH NJW 2009, 2298). IV. Kenntnis/Kennenmüssen des Geschäftsherrn (§ 166 II). 1. Grundsatz. Nach § 166 II schadet es dem Geschäftsherrn unter bestimmten Voraussetzungen auch, wenn er selbst den relevanten Umstand kannte oder, wenn dies nach der Wissensnorm genügt, kennen musste. Die Gutgläubigkeit seines Vertreters kann er sich dann nicht zunutze machen. Der Wortlaut der Bestimmung, der an eine Weisung des Geschäftsherrn anknüpft, bleibt allerdings hinter dem Schutzzweck zurück (anschaulich dazu Beuthien NJW 1999, 3585ff). § 166 II gilt nur für die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (Vollmacht; auch Untervollmacht) sowie für die genehmigte vollmachtlose Vertretung, nicht aber für die gesetzl Vertretung (s aber Rn 39). § 166 II betrifft nur Kenntnis und Kennenmüssen, nicht aber Willensmängel des Vertretenen (s aber Rn 40). 562
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Vertretung und Vollmacht
§ 167
a) Handeln nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers bedeutet, dass der Vertretene die eigentliche 38 Entscheidung trifft (BGHZ 51, 141, 147). Handelt ein Untervertreter nach Weisung des Hauptvertreters oder des Vertretenen, so kommt es auf die Kenntnis des Weisenden an. Der Begriff der Weisung ist weit auszulegen (RGZ 131, 343, 356; 161, 153, 161; BGHZ 38, 65, 68; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, 396ff). Eine Weisung zu einem bestimmten Geschäft ist nicht erforderlich (RG Recht 1921 Nr 2551; BGH BB 1965, 435); es genügt, dass der Bevollmächtigte ein Rechtsgeschäft schließt, zu dessen Vornahme ihn der Vollmachtgeber veranlasst hat (RGZ 68, 374, 377; 161, 153, 161; BGHZ 38, 65, 68; 83, 293). Greift der Vertretene, der von einem bevorstehenden Geschäft des Vertreters konkrete Kenntnis hat, nicht ein, obwohl er dazu in der Lage wäre (etwa, weil er bei Vertragsschluss selbst anwesend ist), steht dies einer Weisung gleich (BGHZ 50, 364, 368; 51, 141; BayObLG NJW-RR 1989, 907, 910). Es reicht aus, dass der Vertretene die Kenntnis erst nach Erteilung der Weisung, aber zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch eingreifen kann, erlangt (BGHZ 50, 364, 368). Es genügt aber nicht, dass der Geschäftsherr den Abschluss des Geschäfts nur für möglich hält (MüKo/Schubert Rn 126). Der Weisung steht die Genehmigung der vollmachtlosen Vertretung gleich (RGZ 161, 153, 162; BGH BB 1965, 435). b) § 166 II ist analog auf die Fälle gesetzl oder organschaftl Vertretung anwendbar, wenn der Vertreter ähnl 39 wie ein Bevollmächtigter nach Weisung handelt (BGH NZG 2004, 580 für den Fall des Geschäftsführers einer GmbH, der nach Weisung des Alleingesellschafters handelt; zur Zurechnung der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters Düsseldorf NZI 2019, 122 Rn 27). Wird auf Veranlassung des von der Vertretung ausgeschlossenen Vaters ein Ergänzungspfleger für das Kind zur Annahme einer Verfügung bestellt, so wird die (Kenntnis der) Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vaters dem Kind zugerechnet (BGHZ 38, 65; krit Paulus, FS Michaelis, 1972, 215, 223; RGRK/Steffen Rn 23); mangels eines Vertreterhandelns gilt aber anderes, wenn das minderjährige Kind die Schenkung selbst annimmt (BGHZ 94, 232, 238ff; zust MüKo/Schubert Rn 124, aA Staudinger/Schilken Rn 31; Tintelnot JZ 1987, 795). Wegen des Minderjährigenschutzes ist § 166 II nicht anzuwenden auf den Minderjährigen, der seinen gesetzl Vertreter bösgläubig zu einem Rechtsgeschäft veranlasst (anders, wenn § 107 anwendbar wäre, MüKo/Schubert Rn 124); zur entspr Anwendung des § 166 II im Rahmen des § 1357 s RGRK/Steffen Rn 23, im Versicherungsrecht BGH VersR 1995, 281; Hamm NJW-RR 1996, 96. Rechnet man das Wissen eines Organvertreters nicht zwingend der jur Person zu (dazu Rn 17, 21f), so ist § 166 II entspr auch anwendbar, wenn ein bösgläubiges Organmitglied ein anderes zur Vornahme des Geschäfts veranlasst (Flume I 2 § 11 IV). 2. Entspr Anwendung. Ob § 166 II auf Willensmängel bei Weisung oder Spezialvollmacht analog anzuwen- 40 den ist, ist umstr. Beruht die Weisung oder das der Weisung gleichstehende Verhalten (Rn 38) auf einer arglistigen Täuschung oder Drohung durch den Geschäftsgegner, ist die Erklärung des Vertreters anfechtbar (BGHZ 51, 141, 147; Medicus/Petersen AT Rn 899, 902; Soergel/Bayer Rn 56; i Erg über § 242 auch MüKo/Schubert Rn 127; aA Staudinger/Schilken Rn 17, der die Anfechtung in diesen Fällen ohne Rückgriff auf § 166 II für möglich hält). Darüber hinaus sollten Willensmängel des Geschäftsherrn unmaßgeblich bleiben, sofern sie nicht (unter Berücksichtigung der §§ 170ff, 142) zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit der Vollmacht (ebenso Flume § 52, 5f; Staudinger/Schilken Rn 17, 28; Medicus/Petersen AT Rn 899, 902; diff Erman/Palm12 Rn 18; offengelassen in BGHZ 144, 223, 228) oder der Genehmigung führen; zur Anfechtung der Vollmacht § 167 Rn 44ff, der Genehmigung Vor § 182 Rn 13. Nach aA soll die Anfechtung ausgeschlossen sein, wenn nur der Vertreter, nicht aber der Vertretene irrte (MüKo/Schubert Rn 34; einschränkend Staudinger/Schilken Rn 20).
§ 167
Erteilung der Vollmacht
(1) Die Erteilung der Vollmacht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll. (2) Die Erklärung bedarf nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht. I. Begriff der Vollmacht. Vollmacht ist die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht. Mit ihr erlangt der 1 Bevollmächtigte die Rechtsmacht, durch Rechtsgeschäft Wirkungen für und gegen den Vertretenen herbeizuführen. Die Vollmacht ist nach Entstehung, Fortbestand und Reichweite von dem der Bevollmächtigung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis – Auftrag, Geschäftsbesorgung, Dienst-, Arbeits-, Werkvertrag, Schenkung, Kauf, innerfamiliärer Treuhandvertrag (BGH DNotZ 2018, 828) – zu unterscheiden. Sie berührt regelmäßig die Möglichkeit des Geschäftsherrn nicht, selbst rechtsgeschäftlich für sich zu handeln. Eine diese Möglichkeit „verdrängende Vollmacht“ lehnt die hM zutr ab (s § 137 Rn 6 mwN; BGHZ 3, 354, 358; 20, 363f; BGH WM 1971, 956; einschränkend aber Gernhuber JZ 1995, 381). Die Vollmacht ist abstrakt, dh von einem Kausalverhältnis und dessen Wirksamkeit nicht abhängig (Vor § 164 Rn 6), sie kann mit ihm aber zu einer Einheit iSv § 139 verbunden sein (BGH WM 1964, 182f; NJW 1988, 697f), und der Grund für die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts kann sich auch unmittelbar auf die Vollmacht erstrecken (BGH NJW 2002, 66f; 2003, 2088f – Nichtigkeit nach RBerG, heute § 3 RDG). Auch der Umfang der Vollmacht ist von Beschränkungen des Kausalverhältnisses grds unabhängig (Vor § 164 Rn 6), sie erlischt aber idR mit diesem (§ 168). Letzteres ist indes kein Grund, die Innenvollmacht als vom Kausalverhältnis abhängig zu denken (Himmen Jura 2016, 1345, 1350 gegen Beuthien, FG 50 Jahre BGH, 2000, 81, 108).
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Rechtsgeschäfte
II. Erteilung der Vollmacht. 1. Rechtsgeschäft. Die Bevollmächtigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, sie kann aber auch durch Vertrag erfolgen (MüKo/Schubert Rn 6; ausf Samari [Vor § 164 Rn 23a] 177ff; aA offenbar BGH NJW-RR 2007, 1202 Rn 18). Die Vollmacht wird durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung erteilt. Sie kann bedingt oder befristet sein. Als empfangsbedürftige Willenserklärung wird sie mit dem Zugang (§ 130) wirksam; einer Annahme durch den Bevollmächtigten bedarf es nicht. Der Bevollmächtigte kann sie jedoch zurückweisen (MüKo/Schubert Rn 6; Neuner § 50 Rn 11). Zur Bevollmächtigung als Rechtsgeschäft, zT abw von der hM, Pawlowski JZ 1996, 125, 126ff. Die Bevollmächtigung kann entweder ggü dem zu Bevollmächtigenden (Innenvollmacht) oder ggü dem Geschäftspartner oder öffentlich ggü einer unbestimmten Personenmehrheit erklärt werden (Außenvollmacht). Eine Mischform ist die nach außen mitgeteilte Innenvollmacht; sie ist in §§ 171, 172 geregelt. Bezieht sich die Vollmacht auf eine Handlung, bei der nur die Vertretung durch eine GmbH zugelassen ist, so ist die Vollmacht an deren Geschäftsführer als Vollmacht an die GmbH zu werten (BGH NJW 2012, 2512 Rn 13). 2. Form. a) Gem § 167 II ist die Vollmacht grds formfrei, auch wenn sie sich auf ein formbedürftiges Rechtsgeschäft bezieht, zB die uneingeschränkt widerrufliche Vollmacht zu einem formbedürftigen Grundstücksgeschäft (§ 311b I; BGH LM § 183 Nr 5 m Anm Wieling zur widerruflichen Einwilligung) oder zum Abschluss eines Ehevertrags (§ 1410; BGH NJW 1998, 1857; zust Kanzleiter NJW 1999, 1612; krit Einsele NJW 1998, 1206; Vollkommer JZ 1999, 522). Die Vollmacht kann daher auch durch konkludentes Verhalten erteilt werden (Rn 8). b) Normierte Ausnahmen von der Formfreiheit bestimmen § 492 IV 1 für den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags (dazu Bülow NJW 2002, 1145, 1147; Herresthal JuS 2002, 844, 846ff) sowie einige spezialgesetzl Regelungen (zB § 1820 II, § 1945 III, § 1955 S 2; § 12 I 2 HGB; § 23 I 2, § 134 III, § 135 I AktG; § 2 II, § 47 III GmbHG, § 25 III WEG). Teilw ist zwar die Vollmacht formfrei wirksam, ihr Nachw bei Behörden und Gerichten aber an eine Form gebunden (zB § 12 II HGB; § 80 ZPO; §§ 29f GBO; § 71 II, § 81 III ZVG); das gilt dann ggf auch für den Nachw des Eintritts der Bedingung einer Vollmacht (München NJW-RR 2010, 747); zum Nachw ggü dem Grundbuchamt von Existenz und Vertretung einer GbR als Grundstückserwerber ausf BGH NJW 2011, 1958; dagegen Bestelmeyer ZIP 2011, 1389. c) Weitere Ausnahmen von der Formfreiheit bestehen nach i Erg allgM dort, wo der Zweck der Formvorschrift für das Vertretergeschäft dies verlangt. Die Einzelheiten sind jedoch umstr (ausf Einsele DNotZ 1996, 835ff; Rösler NJW 1999, 1150). Dient das Formerfordernis (wie § 311b I) einem Warnzweck, so bedarf die Vollmacht jedenfalls dann der Form, wenn sie faktisch eine Bindung zur Folge hat (RGZ 79, 212, 215), also nur „das äußere Gewand“ eines in Wirklichkeit formbedürftigen einheitlichen Geschäfts ist (BGH WM 1966, 761f), zB nicht frei widerruflich ist (BGH NJW 1952, 1210f; weitergehend Flume § 52, 2b; Staudinger/Schilken Rn 20ff). Bloße Befreiung von § 181 genügt für die Annahme einer faktischen Bindung nicht, anders aber, wenn sich der Vollmachtgeber gebunden glaubt (BGH NJW 1979, 2306f) oder faktisch nicht zum Widerruf fähig ist (Schleswig NJW-RR 2001, 733), wenn die Vollmacht für ein genau festgelegtes Geschäft dem Geschäftspartner oder seinen weisungsgebundenen Angestellten erteilt wird (RGZ 97, 332, 334f). Auch die Auflassungsvollmacht bedarf unter diesen Voraussetzungen der Form des § 311b, sofern nicht bereits das Kausalgeschäft beurkundet ist (Grü/ Grüneberg § 311b Rn 22); die hM (Staudinger/Schilken Rn 25) will dagegen ein Formerfordernis aus § 925 entnehmen, der aber nur gleichzeitige Anwesenheit vor einem Notar anordnet (richtig MüKo/Schubert Rn 38). Ist die Vollmacht aus diesem Grund formbedürftig, kann für sie wie für das Hauptgeschäft das Erfordernis der Gesamtbeurkundung (§ 311b Rn 51ff) gelten (BGH MDR 1970, 998f); ist die Vollmacht Teil eines insg beurkundungsbedürftigen Geschäfts, so ist sie nach § 139 nichtig, wenn nicht das gesamte Geschäft beurkundet ist (BGH WM 1964, 182; NJW 1997, 312f). Die reiche Kasuistik betrifft ganz überwiegend Grundstücksgeschäfte (§ 311b I); dieselben Grundsätze müssen aber auch zB für die Formerfordernisse des § 311b III und V 2 (Gesamtvermögen, künftige Erb- oder Pflichtteile), § 518 (Schenkungsversprechen) sowie der §§ 2348, 2351, 2371 (Erbverzicht, Erbschaftskauf und ähnl Verträge) gelten. Ebenfalls formbedürftig ist die unwiderrufliche Bevollmächtigung zur Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (Rösler WM 1998, 1377, 1380; Dux WM 1994, 1145, 1147ff). Wegen unterschiedlicher Zwecke bedarf die Vollmacht zur Veräußerung von GmbHAnteilen nicht der Form des § 15 III, IV GmbHG, sofern nicht die Vollmacht den Kaufvertrag ersetzen und damit einen freien Handel mit dem Anteil ermöglichen soll (BGHZ 13, 49, 52; MüKo/Schubert Rn 39f). Zur Form der postmortalen Vollmacht aufgrund analoger Anwendung der erbrechtl Formvorschriften Seif AcP 200, 192; zur widerruflichen transmortalen Vollmacht Celle FamRZ 2020, 131 Rn 12. Zum Blankett Binder AcP 207, 155 und § 172 Rn 16. d) Auch ohne Bindung bedarf die Vollmacht eines Nicht-Kaufmanns zur Bürgschaftsübernahme der Schriftform des § 766 mit Angabe der Essentialia (BGHZ 132, 119, 124ff zu einer Blankettbürgschaft; dazu Keim NJW 1996, 2774; Bülow ZIP 1996, 1694; Pawlowski JZ 1997, 309; s auch § 172 Rn 16). Sie sind auch bei einer notariell beurkundeten Vollmacht anzugeben (Düsseldorf ZIP 2003, 1696; krit hierzu Keim DNotZ 2004, 315). Teilw wird differenziert: Schriftform ohne Angabe der Essentialia soll genügen, wenn der Bevollmächtigte die gesamte Bürgschaftsurkunde ausstellen kann (MüKo/Schubert Rn 29f). Nach der Begr des BGH aaO ist für solche Differenzierungen kein Raum; auch eine notariell beurkundete Vollmacht muss dann die erforderlichen Angaben enthalten. e) Folge des Formverstoßes ist Nichtigkeit der Vollmacht (§ 125 S 1; s auch § 492 Rn 13); §§ 170–173 und die herrschenden Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht (Rn 9ff) bleiben unberührt. Der Formverstoß wird nicht 564
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Vertretung und Vollmacht
§ 167
entspr § 311b I 2 geheilt, wenn der formnichtig Bevollmächtigte die Auflassung erklärt und die Eintragung im Grundbuch erfolgt; denn die Auflassung ist dann ohne Vertretungsmacht erklärt. 3. Vollmachtserklärung. Die nicht formgebundene Bevollmächtigung kann ausdr oder – wie jede formfreie Willenserklärung – auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. In beiden Fällen ist zunächst ein entspr äußerer Erklärungstatbestand erforderlich (Vor § 116 Rn 6ff), der nach den Umständen als Erteilung einer Vollmacht zu werten ist. Maßgebend ist dabei die (objektivierte) Sicht des Erklärungsempfängers, also bei der Innenvollmacht die des Vertreters, bei der Außenvollmacht ebenso wie bei der kundgegebenen Vollmacht die des Dritten. Bei der Auslegung – etwa zum Umfang – finden ggü dem Adressaten die Regeln der „falsa demonstratio“ Anwendung (BGH NJW 1999, 486f); anders jedoch, wenn es um eine formgebundene Bevollmächtigung geht, die sich an das Handelsregister richtet (KG NZG 2022, 618 Rn 16). IdR genügt die Übertragung einer Aufgabe – etwa im Rahmen eines Geschäftsbetriebs –, wenn mit ihr üblicherweise die dazu erforderlichen Vertretungsbefugnisse verbunden sind (s auch § 56 HGB). Überlässt bei einem Steuersparmodell der Verkäufer einem Vermittler die Beratung eines Kunden, so kann darin die schlüssige Bevollmächtigung zum Abschluss eines gesonderten Beratungsvertrags namens des Verkäufers liegen (BGHZ 140, 111, 117; BGH NJW 2015, 1510 Rn 9). Die Einwilligung des Privatpatienten zur Blutentnahme enthält eine konkludente Vollmacht an den Arzt, ein Labor mit den Tests zu beauftragen, jedoch nur im Rahmen des medizinisch Erforderlichen (BGH NJW 2010, 1203f). Eine Vollmacht kann grds auch formularmäßig erteilt werden; zu den AGB-rechtl Grenzen §§ 305ff, s zB BGHZ 136, 314 = LM § 9 (Bb) AGBG Nr 43 (Bl 4) m Anm Wolf. III. Rechtsscheinsvollmacht. 1. Begriff und Bedeutung. Die Wirkung des Vertretergeschäfts für den Vertretenen hängt von der Vertretungsmacht ab. Daraus ergibt sich ein besonderes Bedürfnis, den Geschäftspartner, der auf den Rechtsschein einer Vertretungsmacht vertraut, zu schützen. Dieser Schutz ist in den §§ 170–173 geregelt, die aber nach hM nicht allen Fällen gerecht werden. Sie setzen grds zunächst die Erteilung einer Vollmacht oder die ausdr Mitteilung einer solchen Vollmacht voraus. Hieran fehlt es nach hM oft. Zur Begr der hM NK/ Ackermann Rn 74; zur Geschichte HKK/Schmoeckel §§ 164–181 Rn 20ff. a) Ausprägungen. Die st Rspr erweitert deshalb den Schutz des Geschäftspartners um zwei weitere Fälle, die sog Duldungsvollmacht und die sog Anscheinsvollmacht (BGH ZIP 2012, 2007 Rn 14). Beiden ist gemeinsam, dass der Vertreter sich – idR über längere Zeit – in einer Weise verhalten hat, aus der der Geschäftspartner auf die Vertretungsmacht schließen darf. Im Falle der Anscheinsvollmacht muss sich der Geschäftsherr an den dadurch entstandenen Schein der Vertretungsmacht festhalten lassen, wenn er das Verhalten des Vertreters kennen musste und dagegen nicht eingeschritten ist, obwohl er es gekonnt hätte (BGHZ 5, 111, 116; BGH LM Nr 4, 8, 17 [Bl 2], 26 [Bl 3]; NJW 1981, 1727, 1728). Diese Grundsätze sind nicht auf den kaufmännischen Verkehr beschränkt (BGH NJW 1956, 1673, 1674). Im Falle der Duldungsvollmacht ist dem Geschäftsherrn das Auftreten des Vertreters bekannt, und er lässt es wissentlich zu (BGH LM Nr 4, 13 [Bl 2], 15 [Bl 2], 31 [Bl 3]). Zur Rechtsscheinshaftung Bornemann AcP 207, 102; v Craushaar AcP 174, 2; Crezelius ZIP 1984, 791; Pawlowski JZ 1996, 125, 127ff; F. Peters AcP 179, 214; krit aber Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, vor allem 256ff. Da die Rechtsfolgen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht gleich sind und auch die Voraussetzungen außer hinsichtl der Kenntnis des Geschäftsherrn übereinstimmen, werden beide Institute überwiegend unter der Bezeichnung „Rechtsscheinsvollmacht“ behandelt (Soergel/Bayer Rn 158; MüKo/Schubert Rn 94ff). Zur Frage einer Rechtsscheinsvollmacht für das Kausalgeschäft aus § 899a s § 899a Rn 5 und ausf Bauer/Schaub/Bayer/ Lieder GBO, 2018, AT J Rn 65ff. b) Kritik. Die Institute von Duldungs- und Anscheinsvollmacht werden im Schrifttum (zu Recht) heftig bekämpft, von Gewohnheitsrecht kann man nicht sprechen. Eine im Vordringen befindliche Auffassung hält die Duldungsvollmacht mit vollem Recht für eine schlüssig erteilte Vollmacht (Flume § 49, 3; Staudinger/Schilken Rn 29ff; Grü/Ellenberger § 172 Rn 8; Wieling JA 1991, 222, 225 [Übungsbl]; Merkt AcP 204, 638, 653; Lüdeking, Die zugerechnete Willenserklärung, 2017, 106f). Gegen die Anscheinsvollmacht wird vor allem eingewandt, ihre Anerkennung überschreite die Grenzen der Privatautonomie; eine Haftung für zurechenbaren, aber nicht gewollten Rechtsschein müsse nach den Grundsätzen der cic auf das negative Interesse begrenzt sein (Flume § 49, 3, 4; Medicus/Petersen AT Rn 971; Neuner § 50 Rn 98; Staudinger/Schilken Rn 31). Andere sehen mit Recht auch in der Anscheinsvollmacht eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung (Wieling JA 1991, 222, 227 [Übungsbl]; Pawlowski AT Rn 728; Leenen/Häublein AT § 9 Rn 96; Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, 160f; NK/ Ackermann Rn 76). c) Stellungnahme. Neben §§ 170ff bedarf es keiner Rechtsscheinsvollmacht. Zur Duldungsvollmacht: Entsteht der obj und zurechenbare Schein einer Bevollmächtigung durch bewusstes Dulden des Auftretens des Vertreters, so erklärt der Vertretene damit in obj Auslegung eine Bevollmächtigung; er ist vorläufig daran gebunden und kann die Bindung mit der Anfechtung nach § 119 I (Var 2) beseitigen. Anfechtbarkeit ist namentlich in dem Fall anzunehmen, dass der Vertretene über die Konkludenz seines Verhaltens irrte (Rn 27). Unerheblich ist es, ob ein Bevollmächtigungswille bestand; denn zu Recht verzichtet die hM auf das Vorliegen des Erklärungsbewusstseins (BGHZ 91, 324, 329). Keinen Unterschied kann es zudem machen, ob der Vertretene schlüssig bevollmächtigt oder nur eine bereits bestehende Vollmacht schlüssig kundtut (Leenen/Häublein § 9 Rn 92; NK/Ackermann Rn 77; Staudinger/Schilken Rn 29a; aA aber Medicus/Petersen AT Rn 930; s § 171 Rn 1); in beiden Fällen erklärt er sich mit einer Wirkung des Vertreterhandelns für und gegen sich einverstanden. Solange man die Duldungsvollmacht entgegen hM für anfechtbar hält (Rn 27), ist der Unterschied zur hier vertretenen Auffassung tatsächlich gering (Erman/Maier-Reimer15 Rn 11). Zur Anscheinsvollmacht: Hier gilt dasselbe, weil auch hier aufgrund Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
obj Auslegung eine Bevollmächtigung besteht. Allerdings fehlt sogar der Handlungswille, was aber unschädlich ist, weil auch dieser für das Vorliegen einer Willenserklärung nach überzeugender Auffassung nicht konstitutiv ist (Werba [Rn 11] 106f, 162). Lässt man konsequent die Anfechtung zu, haftet der Vertretene i Erg auf das negative Interesse, er behält aber die Wahl, das Geschäft ggf auch gelten zu lassen (Wieling JA 1991, 222, 227 [Übungsbl]). – Im Folgenden sind allerdings die Grundsätze der Rspr wiederzugeben. 2. Voraussetzungen. a) Grundlage einer Rechtsscheinsvollmacht ist ein obj Rechtsscheinstatbestand. aa) Die dem Geschäftsgegner erkennbar werdenden Umstände müssen obj den Schluss rechtfertigen, der „Vertreter“ handele im Einverständnis des Vertretenen. Der Rechtsschein muss auf einem Verhalten (Tun oder Unterlassen) des Vertretenen beruhen (BGH NJW 1952, 657f), das sich auf das Auftreten eines unbefugten Vertreters bezieht und idR von einer gewissen Nachhaltigkeit (Dauer, Häufigkeit, Stetigkeit) sein muss (BGH NJW 1956, 1673, 1674; NJW 1997, 312f; NJW 2007, 987, 989 Rn 25); ein einzelner Umstand wird im Normalfall nur ausreichen, wenn er mit großer Deutlichkeit für eine Bevollmächtigung spricht; großzügiger (einmaliges Dulden genügt) Frankfurt WM 2006, 2207. bb) Das Erfordernis der längeren Dauer oder der Stetigkeit des Vertreterhandelns gilt auch im Internetverkehr (BGH NJW 2011, 2421 Rn 16, 18); Dauer und Stetigkeit verlieren an Bedeutung, wenn das fragliche Verhalten gerade die Geschäftsbeziehung zu dem Geschäftspartner (BGH LM Nr 15; NJW-RR 1987, 308f) oder das konkret anstehende Geschäft betrifft (BGH NJW 1997, 312f; 2011, 1965 Rn 18). So lag ein großer Teil der Fälle, in denen eine Rechtsscheinsvollmacht angenommen wurde (zB BGH NJW 1956, 1673; 1981, 1727; NJW-RR 1987, 308f; anders in den Fällen BGHZ 5, 111, 116; BGH NJW 1998, 1854; s auch RGZ 65, 292). cc) Der äußere Rechtsscheinstatbestand kann sich aus dem Geschäftsgegner bekanntem tatsächlichem Dulden oder aus Umständen ergeben, die für den Geschäftsgegner den berechtigten Schluss zulassen, der Geschäftsherr habe allg (BGHZ 5, 111, 116 – Besitz von Wettscheinen, Wertmarken und Entwertungsstempeln) oder bzgl des konkreten Geschäfts (Frankfurt WM 2006, 2207) Kenntnis von dem Vertreterhandeln und dulde es. dd) Ein Schluss aus den Umständen auf die Kenntnis und damit auf eine Bevollmächtigung kann insb bei einer nach außen sichtbaren Übertragung von solchen Aufgaben – etwa im Rahmen eines Arbeits-, Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrags – gerechtfertigt sein, die im Rechtsverkehr üblicherweise mit einer Vertretung verbunden sind (Bsp: BGH ZIP 2011, 1060 Rn 18; LAG Hessen MDR 2001, 43). Normiertes Bsp ist § 56 HGB. Der Schluss kommt ferner in Betracht, wenn der unbefugte Vertreter wiederholt und über einen längeren Zeitraum Geschäfte namens des Vertretenen ohne dessen erkennbaren Widerspruch geschlossen hat (BGH NJW 1956, 1673f; WM 1963, 165; NJW 1997, 312f; für „Scheinsozietät“ bei RA Frankfurt NJW-RR 2001, 1004f). Auch die mehrfache Bezahlung von Rechnungen aus Vertretergeschäften kann den obj Rechtsscheinstatbestand eines Einverständnisses für gleichartige Geschäfte ergeben (Köln MDR 1970, 840; Hamburg BauR 1996, 256). Wer duldet, dass ein Nachfolger im Geschäftsleben unter der alten Geschäftsbezeichnung auftritt, ohne den Wechsel der Inhaberschaft bekannt gemacht zu haben, haftet kraft Rechtsscheinsvollmacht (BGH NJW 1966, 1915f; VersR 1971, 227). ee) Nicht ausreichend als Grundlage für den äußeren Rechtsscheinstatbestand ist zB der bloße Besitz von Briefpapier mit Firmenaufdruck (Düsseldorf BB 1950, 489f) oder von Wechselformularen und Namensstempeln (Hamburg BB 1964, 576; aA Jena MDR 1999, 859 für Faksimilestempel); diese Unterlagen können ebenso gut anderweitig beschafft worden sein, so dass der Schluss auf ein Einverständnis des Geschäftsherrn nicht ohne weiteres gerechtfertigt ist (Soergel/Leptien13 Rn 20f; s auch BGHZ 5, 111, 116; BGH WM 1976, 507). Gegen den Rechtsschein einer Vollmacht können auch Vorgänge sprechen, die nach Handelsbrauch oder den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs ungewöhnlich sind (mündliche Zusage eines Bankangestellten, die Bank werde für die Einlösung fremder Wechsel mit eigenen Mitteln einstehen; BGH MDR 1955, 213f). ff) Der obj Rechtsscheinstatbestand muss seinem Umfang nach gerade auch das abgeschlossene Geschäft einschließen (BGH MDR 1953, 345; NJW 1956, 460). Wer als Vertreter mit beschränktem Wirkungskreis erscheint, hat Rechtsscheinsvollmacht nur für Geschäfte innerhalb dieses Rahmens; spricht der äußere Anschein für eine Generalvollmacht, werden entspr weit abgegrenzte Geschäfte erfasst. b) Der obj Rechtsscheinstatbestand muss vom Vertretenen zurechenbar veranlasst sein. aa) Der Vertretene muss die Möglichkeit gehabt haben, das Auftreten des unbefugten Vertreters zu verhindern (BGHZ 5, 111, 116). Erforderlich ist danach ein Verschulden des Vertretenen (BGH NJW 1956, 1673, 1674; 1988, 1199, 1200; BAG NJW 1964, 1690f). Dieses liegt bei der Duldungsvollmacht darin, dass der Geschäftsherr das Verhalten des Vertreters kennt und nicht verhindert (BGH NJW 2003, 2091f; 2004, 2745f m Bespr Wagner LMK 2004, 154), bei der Anscheinsvollmacht darin, dass er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt das Handeln des Vertreters hätte erkennen und verhindern können (BGH NJW 1998, 1854f; ZIP 2005, 1357, 1361). Eine bloße (unverschuldete) Veranlassung genügt nicht (Staudinger/Schilken Rn 40f). Dabei muss sich der Geschäftsherr Sorgfaltspflichtverletzungen einer von ihm eingeschalteten Überwachungsperson zurechnen lassen (Staudinger/Schilken Rn 41); zur (berechtigten) Kritik an dem Verschuldenserfordernis MüKo/Schubert Rn 116ff: Gedanke der Risikosteigerung. Die genannten Grundsätze gelten auch beim Handeln unter fremdem Namen im elektronischen Rechtsverkehr; die geringeren Anforderungen an die deliktsrechtl Zurechnung von Rechtsverletzungen (BGHZ 180, 134 Rn 16ff; s aber BGHZ 185, 330 Rn 14) sind nicht übertragbar (BGH NJW 2011, 2421 Rn 19); s auch Grü/Ellenberger § 172 Rn 18; s Rn 31a sowie § 675l.
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Vertretung und Vollmacht
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bb) Durch das Erfordernis der Zurechenbarkeit ist die Rechtsscheinsvollmacht zulasten Minderjähriger ausgeschlossen; deren Schutz geht im Rahmen der §§ 104ff dem Verkehrsschutz vor (Grü/Ellenberger § 172 Rn 9; MüKo/Schubert Rn 121; allgM); zur Rechtsscheinshaftung für das Handeln eines geschäftsunfähigen Geschäftsführers § 165 Rn 5. cc) Wird der Geschäftsherr (zB jur Person) gesetzl durch Gesamtvertreter vertreten, so ist Voraussetzung, dass eine vertretungsberechtigte Zahl von Vertretern Kenntnis hat oder haben muss. Zwar wird das Wissen des einzelnen Gesamtvertreters zugerechnet (§ 166 Rn 31), jedoch hätte ein Einzelner, dessen Kenntnis zugerechnet wird, die Vollmacht, um deren Schein es geht, nicht erteilen können. Das gibt den Ausschlag (s BGH NJW 1988, 1199f). dd) Gesetzl Verbot. Würde die ausdr Vollmacht gegen ein gesetzl Gebot verstoßen, kann sie (außerhalb des § 172) auch nicht durch einen Rechtsschein ersetzt werden. Das hat insb Bedeutung für die Vertretung von Organen der öffentlichen Hand (dazu Rn 38), aber auch für die allg Alleinvertretungsermächtigung eines Gesamtvertreters durch den anderen (BGH NJW 1988, 1199f). c) Der Geschäftsgegner muss nach hM auf den geschaffenen Rechtsscheinstatbestand vertraut haben. aa) Hierfür ist erforderlich, dass er von den rechtsscheinsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat (BGH LM Nr 13 [Bl 2]; 17, 19; MDR 1977, 298; NJW 2004, 2745ff; 2007, 987, 989). Es genügt, dass er insg die allg Überzeugung von der Bevollmächtigung erhält (BGH NJW 1962, 1003). Die Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen muss für den Geschäftsabschluss ursächlich gewesen sein, der Geschäftsgegner muss also aufgrund des Vertrauens auf den Rechtsschein gehandelt haben (BGH WM 1981, 171f; MüKo/Schubert Rn 124). Dieses Erfordernis übersieht Jena MDR 1999, 859. bb) Nur das schutzwürdige Vertrauen des Geschäftsgegners kann nach hM die Anwendung der Grundsätze über die Rechtsscheinsvollmacht begründen. Kannte der Geschäftsgegner den wahren Sachverhalt, so fehlt es für ihn bereits an einem äußeren Rechtsscheinstatbestand. Hätte der Geschäftsgegner den Mangel einer Vollmacht erkennen können, verdient er keinen Schutz; der Rechtsgedanke des § 173 gilt entspr (BGH NJW 1958, 2061f; NJW 1991, 1225f). Für den auf den Rechtsschein vertrauenden Vertragsgegner besteht aber keine allg Überprüfungs- und Nachforschungspflicht (BGH NJW 2005, 668f; 2006, 1952, 1954). Nach den Umständen kann aber im Einzelfall doch eine Erkundigungspflicht des Geschäftsgegners in Betracht kommen (BGH NJW-RR 1996, 673). Bei wichtigen, gründliche Vorbereitung erfordernden und dabei nicht eilbedürftigen Geschäften ist Zurückhaltung in der Annahme einer Anscheinsvollmacht geboten (BGH NJW 1958, 2061f; einschränkend NJW 1981, 1727). d) Bei der Prüfung, ob der Vertretene sich den Rechtsschein der Vollmacht des für ihn Handelnden entgegenhalten lassen muss, ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (BGH NJW 2004, 2745ff); Vorgänge aus späterer Zeit können daher nur unter dem Gesichtspunkt der Genehmigung des durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Vertrags von Bedeutung sein (BGH MDR 1958, 83f m Anm Pohle). 3. Wirkungen; Anfechtung. a) Die Wirkungen der Rechtsscheinsvollmacht entsprechen denen der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung (BGHZ 86, 273, 275; str, s Rn 27); jene darf den Vertretenen nicht stärker binden als diese; denn aus dem Vertrauen auf eine Rechtsscheinsvollmacht kann niemand weitergehende Ansprüche herleiten, als er haben würde, wenn der Rechtsschein der wirklichen Sachlage entspräche (BGHZ 12, 105; 17, 13, 17; NJW 1998, 2897). Der Rechtsschein kann auch wie die Erweiterung einer bestehenden Vollmacht wirken, wenn deren Grenzen überschritten werden (BGH NJW-RR 1987, 308f). b) Die Berücksichtigung von Willensmängeln bei Veranlassung des Rechtsscheins ist umstr (dazu Lobinger aaO [Rn 10], 270f). Die Frage stellt sich nur für die Anfechtung der Rechtsscheinsvollmacht nach Abschluss des Geschäfts (allg zur Anfechtung der Bevollmächtigung Rn 44ff). Die Anfechtung wegen des Fehlens eines Bevollmächtigungswillens bzw wegen eines Irrtums über die Konkludenz (nicht die Folgen) seines Verhaltens ist dem Vertretenen erlaubt, weil er nur so die nicht gewollte Erklärung beseitigen kann (Neuner § 50 Rn 89ff; Werba [Rn 11] 158f; aA Erman/Maier-Reimer15 Rn 27); die §§ 119ff gelten ohne weiteres (Rn 12; Staudinger/Schilken Rn 45; Merkt AcP 204, 638, 653). Andere sprechen davon, dass die Anfechtung wie bei der rechtsgeschäftlichen Vollmacht zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zuzulassen sei (Erman/Maier-Reimer15 Rn 27; ähnl MüKo/Schubert Rn 152; Soergel/Bayer Rn 229, 231); die wohl nicht mehr hM lehnt indes die Anfechtung einer Rechtsscheinsvollmacht überhaupt ab (BeckOK/Schäfer Rn 20). c) Der Geschäftsgegner hat kein Wahlrecht, den Vertreter aus § 179 oder den Vertretenen in Anspruch zu nehmen (BGHZ 86, 273, 275; BeckOGK/Ulrici § 177 Rn 16ff; aA Neuner § 50 Rn 112; Soergel/Bayer Rn 225). Besteht eine Rechtsscheinsvollmacht, so besteht Vertretungsmacht, und § 179 scheidet aus (BGHZ 61, 59, 69; Chiusi AcP 202, 494, 509ff). Die Gegenansicht meint unter Hinweis auf § 15 III HGB, der Vertragsgegner müsse auf den Schutz seines Vertrauens in den Rechtsschein verzichten und sich dann nach § 179 I an den Vertreter halten können (MüKo/Schubert Rn 137; Canaris NJW 1991, 2627f; Pawlowski JZ 1996, 125, 131 mwN). Das zu § 15 III HGB anerkannte Wahlrecht (Hopt/Merkt § 5 HGB Rn 15, § 15 HGB Rn 6, 22) ergibt sich aber aus dessen Wortlaut und ist nicht übertragbar; s § 179 Rn 4. Bei Unklarheit über die Voraussetzungen des Rechtsscheins muss der Gegner beide verklagen (s den Fall BGH NJW 1988, 1199) oder den einen verklagen und dem anderen den Streit verkünden.
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Rechtsgeschäfte
4. Einzelfälle (alphabetisch) Arbeits- und Dienstverhältnisse. Rechtsscheinsvollmacht eines Angestellten bejahen: BGH NJW 1956, 1673 – nicht fest angestellte Schreibkraft, die Geschäftsbriefbögen benutzte; BGH LM Nr 1 – leitender Angestellter einer GmbH, der wie deren Geschäftsführer auftrat; BGH WM 1971, 39 – in mehreren Fällen abgegebene Zusicherung eines seine Vollmacht überschreitenden Oberrentmeisters; verneinen: BGH NJW 1956, 460 – bei bisheriger selbständiger Vornahme lediglich unbedeutender Geschäfte für einen landwirtschaftl Betrieb; BGH LM § 157 (Ga) Nr 3 – Angestellter, der seine Vertretungsmacht behauptete; BGH LM § 164 Nr 24; Düsseldorf MDR 1996, 894. Nach Üblichkeit differenziert BGH LM § 164 Nr 6. Zur Rechtsscheinsvollmacht hinsichtl der praktischen Handhabung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses BAG DB 1994, 2502, 2503f. 30 Daneben gilt als bevollmächtigt, wer mit Aufgaben betraut ist, deren Erledigung üblicherweise eine Vollmacht voraussetzt (s Rn 16). Bsp: Rechtsscheinsvollmacht: Telefonist zur Entgegennahme fernmündlicher Erklärungen (RGZ 102, 295f); Schalterbedienstete von Geldinstituten zur Vornahme aller Geschäfte, die der Schalterverkehr mit sich bringt (RGZ 86, 86, 89; 118, 234, 239), auch für die Erteilung von Auskünften (BGH WM 1973, 635); Angestellte in Niederlassung ausl Fluggesellschaft zur Bestellung von Plätzen bei einer anderen Fluggesellschaft (Düsseldorf MDR 1978, 930); Verhandlungsbeauftragter für mündliche Erklärungen, selbst wenn er zuvor erklärt hat, er müsse noch Rücksprache mit seinem Geschäftsherrn nehmen (RGZ 100, 48f). S auch RGZ 106, 200, 203 – kommissarischer Geschäftsleiter. Keine Rechtsscheinsvollmacht: Betriebsratsvorsitzende für den Betriebsrat (BAG NZA 2022, 984 Rn 27) oder für den ArbGeb bzgl nicht zu erwartenden Verhaltens (BAGE 15, 300, 305). Zur Rechtsscheinsvollmacht bei einem Arbeitsverhältnis in einer kirchlichen Einrichtung BAG AP § 1 KSchG 1969 Gemeinschaftsbetrieb Nr 1. 31 P Architekten (s auch Rn 53). Die Vollmacht eines Architekten zur Einholung von Angeboten begründet idR nicht den Anschein, der Architekt sei zur Auftragsvergabe bevollmächtigt (Köln BauR 1993, 243f); ob zur Vergabe einzelner im Rahmen des Bauprojekts liegender Bauleistungen, insb zur Vergabe von Zusatz- und Ergänzungsaufträgen, ist Frage des Einzelfalles (bejahend Köln NJW 1973, 1798f; verneinend München BauR 1996, 547f; Celle BauR 1997, 174 LS; Düsseldorf BauR 2000, 891 und 1198 und NJW-RR 2001, 14). Zu den Indizien für eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht eines Architekten für ein Unternehmen, mit dem er zusammenarbeitet, BGH NJW-RR 1997, 1276. Die Bezahlung von Einzelrechnungen sowie die Beteiligung bei der Abnahme der erbrachten Leistungen kann Rechtsscheinsvollmacht für weitere Aufträge begründen (Brandenburg NJW-RR 2002, 1099f; Hamburg BauR 1996, 256; zu einem Schuldbeitritt ggü einem Subunternehmer Düsseldorf NJWRR 1995, 592). Bei begründetem Zweifel muss sich der Bauunternehmer erkundigen (BGH NJW 2000, 1407f). Zum Umfang einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht eines Architekten s auch BGH NJW-RR 1997, 1276; Naumburg NZBau 2000, 143. Zu den Voraussetzungen für eine Rechtsscheinsvollmacht eines Architekten zum Abschluss eines Maklervertrags BGH NJW-RR 1997, 1276; Jagenburg NJW 1997, 2277, 2280. Zur Anscheinsvollmacht für die Abnahme des Bauwerks oder die Genehmigung einer Schlussrechnung s BGHZ 97, 224, 230; Nürnberg NJW-RR 1999, 1036; Saarbrücken NJW-RR 2000, 826. 31a P E-Commerce. Im elektronischen Rechtsverkehr gelten die Regeln zum Handeln unter fremdem Namen (§ 164 Rn 13) entspr (Grü/Ellenberger § 172 Rn 18 mwN), jedoch werden deren Voraussetzungen kaum je vorliegen, weshalb eine Rechtsscheinsvollmacht bei bewusster (Sonnentag WM 2012, 1614, 1617; Oechsler AcP 208, 565, 580) oder sorgfaltswidriger (Stöber JR 2012, 225) Weitergabe des Passworts aus §§ 171, 172 analog abgeleitet wird (s auch Hajut, Handeln unter fremder Identität, 2016, 155ff); zu den weiteren Voraussetzungen s Spindler in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien4 2019, § 164 BGB Rn 9ff. Im Online-Banking gelten §§ 675l, 675u, 675v; zu damit zusammenhängenden Fragen BGH NJW 2016, 2024 Rn 23ff, 34f, 38ff, 47ff (Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises, Anforderungen an ihn und seine Erschütterung), Rn 55ff (Frage einer Anscheinsvollmacht). Zum früheren Recht BGH NJW 2012, 2422; dazu Borges NJW 2012, 2385; zu Zahlungsaufträgen über Premiumdienstenummern BGH ZIP 2017, 1026. 32 P Familienangehörige. Die Ehefrau hat keine Rechtsscheinsvollmacht für ihren zum Wehrdienst eingezogenen Ehegatten (BGH NJW 1951, 309); es besteht auch keine Vermutung der Vertretungsbefugnis unter Ehegatten (BSG NVwZ 1983, 767, 768). Unterhalten Eheleute gemeinsam ein Oder-Konto, kann sich aus der Verwaltung dieses Kontos der Anschein gegenseitiger Bevollmächtigung ergeben (Düsseldorf WM 1996, 949, 952). Aufgrund des Rechtsscheins einer Ermächtigung durch einen Elternteil kann der andere berechtigt sein, das gemeinsame Kind allein zu vertreten (BGHZ 105, 45, 48; s aber Rn 20; krit Pawlowski MDR 1989, 775). Zur Rechtsscheinsvollmacht für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Weinreich FPR 2001, 29. Zur Rechtsscheinsvollmacht von Miterben BGH NJW 1958, 2061f; 1962, 2196. 33 P Handels- und Gesellschaftsrecht. Rechtsscheinsvollmacht im Bankverkehr besteht nicht schon aufgrund behaupteter Vertretungsmacht entgegen der Zeichnungsliste (BGH WM 1955, 230, 232). Der Leiter einer kleinen Bankfiliale hat keine Anscheinsvollmacht zum mündlichen Abschluss eines Darlehensvertrags über einen höheren Betrag (Koblenz MDR 1994, 1110). Der Gesamtvertreter einer AG kann uU kraft Anscheinsvollmacht (Anscheinsermächtigung gem § 78 IV 1 AktG) die Gesellschaft allein vertreten (vgl BGH WM 1976, 503); der Kassierer einer Genossenschaft hat Anscheinsvollmacht für die Annahme von Geld, nicht aber für den zugrunde liegenden Darlehensvertrag (RGZ 65, 292, 295f). Zur (Empfangs-)Rechtsscheinsvollmacht bei einem als GbR betriebenen Immobilienfonds Hamm NZG 2000, 500 m Anm Jäger. Zur Haftung bei einer unter erkennbarem Vollmachtsmissbrauch gegründeten Schein-GbR BGH NJW 2011, 66. Bei Übernahme eines Gewerbebetriebs 29
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Vertretung und Vollmacht
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haftet der frühere Inhaber nach Rechtsscheinsgrundsätzen, wenn auf den Inhaberwechsel nicht deutlich genug hingewiesen wurde (Rn 16; BGH WM 1971, 15). Eine Rechtsscheinsvollmacht des Provisionsvertreters ist nicht schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsherr es zweimal hinnimmt, dass sein Geschäftspartner ihm Schecks durch den Vertreter überbringen lässt (BGH VersR 1971, 768). Verhandlungs- und Bankvollmacht können aber den Rechtsschein einer Abschlussvollmacht begründen (Oldenburg BB 1995, 2342). Zu der (verneinten) Erweiterung einer Bankvollmacht nach Rechtsscheinsgrundsätzen Köln ZIP 2001, 1709. Zur Haftung eines Wirtschaftsberatungs- und Finanzbetreuungsunternehmens für einen als Handelsvertreter tätigen Außendienstmitarbeiter BGH NJW 1998, 1854ff = LM Nr 39 m Anm Reuter. Zur Duldungsvollmacht für einen Treuhänder, der Gesellschafter einer GbR umfassend vertritt, Düsseldorf NZG 1999, 989. Zur Rechtsscheinsvollmacht bei unternehmensbezogenen Geschäften Hamm NJW-RR 1996, 802. Zum Risiko einer Rechtsscheinsvollmacht wegen geduldeter Verwendung ausl Positionsbezeichnungen (etwa „General Manager“ oder „Vice President“) Borsch GmbHR 2004, 1376. P Beim sog Strukturvertrieb von Kapitalanlagen (etwa im sog Bauherrenmodell) oder Fondsbeteiligungen soll neben einer nicht vollständig beurkundeten (§ 311b) oder nach § 3 RDG (§ 134 Rn 56ff) nichtigen Vollmacht, wenn nicht ohnehin § 172 eingreift (dazu § 172 Rn 10), eine wirksame Rechtsscheinsvollmacht vorliegen können, die sich aber auf Umstände außerhalb der nichtigen Vollmachtsurkunde stützen muss (BGH NJW 1997, 312f; anders noch BGHZ 102, 60, 64ff). Die Voraussetzungen dafür hat der BGH aber zunehmend verschärft (BGH NJW 2003, 2091, 2093; 2004, 2745f; NJW-RR 2004, 1275f; NJW 2005, 2985, 2987; aA München NJW 2006, 1811, 1813 ausdr gegen BGH NJW 2005, 2985; der BGH hat die Revision gem § 552a ZPO zurückgewiesen – BGH 4.7.2007 – XI ZR 169/06). In der Zusammenschau ist nach dieser Rspr des XI. ZS des BGH in solchen Fällen eine Rechtsscheinsvollmacht außerhalb des § 172 praktisch nicht möglich. Die Instanzgerichte entscheiden zT anders (s Frankfurt NJW-RR 2005, 1514; WM 2006, 2207; München NJW 2006, 1811). P Die Vorlage des Kfz-Briefes begründet nicht ohne weiteres eine Anscheinsvollmacht zur Veräußerung, wenn Veräußerer und eingetragener Halter nicht identisch sind (Köln VersR 1974, 1185). Zur Rechtsscheinsvollmacht eines Kfz-Händlers KG NJW-RR 1996, 1079. P Makler, Verhandlungsbevollmächtigter. Keine Rechtsscheinsvollmacht hat ein Makler für Zusicherungen namens seines Auftraggebers, wenn dieser einem Dritten Abschlussvollmacht erteilt hat (BGH WM 1973, 612). Wer vom Makler als dessen Vertreter für den Abschluss und die Verhandlungen in der Hauptsache entsandt oder geduldet wird, darf vom Maklerkunden als zur Verhandlung über das Maklerhonorar, nicht aber zu dessen Entgegennahme als Barscheck bevollmächtigt angesehen werden (BGH NJW-RR 1987, 308; Brandenburg NJW-RR 1997, 886). Ein unbeschränkt verhandlungsbevollmächtigter Ehegatte kann Rechtsscheinsvollmacht für die Benennung des Bankkontos haben, auf das der andere Teil seine Gegenleistung überweisen soll (BGH WM 1971, 1500f). P Öffentliche Hand. Die rechtsgeschäftliche Verpflichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Grundsätzen der Rechtsscheinsvollmacht ist anerkannt, wenn das zuständige Vertretungsorgan selbst einen Zustand veranlasst oder duldet, durch den bei Dritten der Anschein einer Vollmacht erweckt wird (BGHZ 40, 197, 204; NJW 1955, 985). Sofern dagegen die Vertretungsregelung in einer Rechtsvorschrift oder in einer Satzung zugleich eine Schranke für die rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis bildet (näher dazu bei § 125 Rn 11 und § 164 Rn 18), ist für die Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht nur wenig Raum (s auch Rn 21 zur Gesamtvertretung). Die Vertretungsvorschriften in den Kreis- und Gemeindeordnungen sind gesetzl Schutzvorschriften zur Kontrolle des Handelns der Kommune nach außen und können daher allenfalls unter sehr strengen Voraussetzungen durchbrochen werden (Bsp: Celle NJW 2001, 607; Frankfurt NVwZ 2001, 958). Dagegen kommt eine Rechtsscheinsvollmacht für ein Handeln eines Bürgers ggü der Verwaltung ohne Einschränkung nach den allg Grundsätzen in Betracht (BSG NVwZ 1983, 767f; BVerwG NJW-RR 1995, 73, 75; OVG Münster NVwZ-RR 2004, 72). Zur Rechtsscheinsvollmacht des Geschäftsführers einer GmbH, die für einen Landkreis ein Unternehmen betreiben soll, BGH NJW-RR 1996, 371 m Anm Eckardt WiB 1996, 267. Für die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirchen gelten diese Grundsätze entspr (Frankfurt NVwZ 2001, 958). P Zur Rechtsscheinshaftung von Rechtsanwälten einer Bürogemeinschaft BGHZ 70, 247, 249, eines aus einer Sozietät ausgeschiedenen RA BGH WM 1991, 743, einer Scheinsozietät BGH NJW 1999, 3040. Die Grundsätze zur Haftung in der Scheinsozietät gelten auch nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der (Anwalts-)GbR (BGHZ 172, 169), jedoch nur für anwaltstypische Tätigkeiten (BGH NJW 2008, 2330). P Telekommunikation. Der Inhaber eines Telefonanschlusses wird nicht kraft Rechtsscheinsvollmacht gebunden, wenn ein Dritter ohne seine Kenntnis ein ankommendes kostenpflichtiges R-Gespräch annimmt; er haftet jedoch, auch bei Annahme eines R-Gesprächs durch minderjährige Familienangehörige, wenn er diese Nutzung seines Telefonanschlusses zu vertreten hat (BGHZ 166, 369 Rn 14ff zu § 16 III 3 TKV, jetzt § 45i IV TKG; s dazu Spindler in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien4 2019, § 164 BGB Rn 10). Der Inhaber ist aber nicht verpflichtet, die Annahme durch Familienangehörige mittels technischer Vorkehrungen zu verhindern (BGHZ 166, 369 Rn 23ff); s auch § 675l und BGHZ 188, 351 Rn 19ff; zu Zahlungsaufträgen über 0900er Nummern BGH ZIP 2017, 1026. P Versicherungen. Eine Rechtsscheinsvollmacht begründet die Aushändigung von Blanketten für vorläufige Deckungszusagen (BGH VersR 1964, 890; 1986, 131; Hamburg VersR 1996, 1137), uU auch über den BlankettFinkenauer
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Rechtsgeschäfte
umfang hinaus (MüKo/Schubert Rn 160; s auch § 172 Rn 16); ebenso die Abschlussvollmacht des Versicherungsmaklers für spätere Vertragsänderungen (Hamburg VersR 1996, 1137); keine Rechtsscheinsvollmacht aber zum Abschluss von Folgegeschäften aufgrund der Vollmacht zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags (BGH VersR 1992, 989) oder für den Schadensregulierer zur Vergabe von Reparaturaufträgen (BGH VersR 1965, 133f). Weder eine Inkassovollmacht noch eine Vollmacht zur Erteilung einer vorläufigen Deckungszusage begründet aber den Rechtsschein, ein Vermittlungsagent sei zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt (BGH NJW 1983, 631f). Zur Duldungsvollmacht eines Regulierungsbeauftragten iSv § 3 S 3 PflVersG aF Rostock OLG-NL 2003, 3. P Auch im Wechselrecht und im Scheckrecht finden die Grundsätze über die Rechtsscheinsvollmacht Anwendung (BGH WM 1986, 901; Celle WM 1996, 1951; München BB 1997, 649f). IV. Mängel der Vollmachtserteilung. 1. Nichtigkeit. Als Rechtsgeschäft unterliegt die Bevollmächtigung grds den allg Vorschriften über die Nichtigkeit (§§ 116ff, 134, 138). Auch bei betagten Vollmachtgebern besteht die Vermutung der Geschäftsfähigkeit bei Erteilung einer Vorsorgevollmacht (§ 167 Rn 56), vgl BGH NJW 2016, 1514 Rn 11. Zur Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 3 RDG über § 139 oder direkt nach § 134 s § 167 Rn 1 sowie § 134 Rn 56ff; zu den Grenzen BGH ZIP 2009, 559. Dem Vollmachtgeber kann es nach § 242 verwehrt sein, sich auf die Nichtigkeit der Vollmacht zu berufen, wenn er zu dem Vertretergeschäft (Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung) verpflichtet ist, BGH NJW 2004, 59 und 62. Zur Erstreckung der Nichtigkeit einer umfassenden Vollmacht nach § 3 RDG auf eine Spezialvollmacht wegen Einheitlichkeitswillens BGH VuR 2010, 183. Gem § 116 S 2, § 117 II ist die Vollmacht nichtig, wenn der Adressat (Rn 2) den Vorbehalt kennt oder mit der Simulation einverstanden ist. Zum Widerruf einer Vollmacht aufgrund Verbraucherschutzes Hoffmann JZ 2012, 1156, 1161. 2. Anfechtbarkeit der Vollmacht. Sie ist von der des Vertretergeschäfts (dazu § 166) zu unterscheiden. Als Anfechtungsgründe kommen außer arglistiger Täuschung und Drohung Irrtümer des Vollmachtgebers über den Inhalt der Vollmacht, Eigenschaften des Bevollmächtigten und, bei Spezialvollmachten, auch über den Geschäftspartner oder den Gegenstand des vorgesehenen Vertretergeschäfts in Betracht. Zum „Konkludenzirrtum“ § 167 Rn 27. a) Unproblematisch ist die Anfechtung der Bevollmächtigung, wenn der Vertreter von der Vollmacht noch keinen Gebrauch gemacht hat. Anfechtungsgegner (§ 143 III 1) ist bei der Innenvollmacht der Vertreter, bei der Außenvollmacht der Geschäftsgegner. Praktische Bedeutung hat die Anfechtung jedoch nur, wenn die Vollmacht nicht frei widerruflich ist (s § 168 Rn 14); andernfalls genügt der Widerruf der Vollmacht (§ 168 S 2). b) Ob die Vollmacht auch anfechtbar ist, wenn von ihr bereits Gebrauch gemacht wurde, ist str. Die praktische Relevanz der Frage scheint gering, da einschlägige Rspr außer in Täuschungsfällen nicht bekannt ist (ebenso Soergel/Leptien13 Rn 7). Die Probleme ergeben sich aus der Rückwirkung der Anfechtung (§ 142 I), der aus § 143 III möglicherweise folgenden Differenzierung des Anfechtungsadressaten bei Innen- und Außenvollmacht, daraus folgender unterschiedlicher Zuordnung des Anspruchs aus § 122 und dem sich daraus ergebenden Nebeneinander von Ansprüchen aus § 122 gegen den Geschäftsherrn und aus § 179 II gegen den Vertreter (ausf Flume § 52, 5). Im Fall der Minderjährigkeit (§ 179 III 2) oder Insolvenz des Vertreters ist der Dritte nach Anfechtung der Vollmacht durch Ansprüche gegen den Vertreter nicht geschützt. Deshalb wollen einige die Anfechtung der ausgeübten Vollmacht weithin ausschließen (Eujen/Frank JZ 1973, 232; Brox JA 1980, 449, 450ff; Erman/Palm12 Rn 27), und nur ausnahmsw soll der Vertretene entspr § 166 II das Vertretergeschäft anfechten können (Erman/ Palm12 § 166 Rn 18; dagegen nachdr Staudinger/Schilken Rn 82a). Für den Ausschluss der Vollmachtsanfechtung gibt es indes keine Grundlage (ausf Schwarze JZ 2004, 588); § 166 II passt weder nach seinem Tatbestand noch nach seiner Rechtsfolge. Die hL belässt es deshalb mit Recht grds bei den Folgen der §§ 122, 142, 143 und 179 (Bork AT Rn 1476ff; MüKo/Schubert Rn 49; auch Neuner § 50 Rn 25, 28, jedoch ohne Anfechtung nach § 119 II wegen Eigenschaften des Vertreters). Da die Anfechtung immer auf Beseitigung des Vertretergeschäfts gerichtet ist, ist sie aber immer auch ggü dem Geschäftspartner zu erklären (str; wie hier Flume § 52, 5c; Medicus/Petersen AT Rn 945; Petersen AcP 201, 375, 388; aA Staudinger/Schilken Rn 79; Soergel/Bayer Rn 39: Anfechtung der Außenvollmacht ggü dem Partner, der Innenvollmacht ggü dem Vertreter). Der Geschäftspartner hat danach immer den Anspruch aus § 122 gegen den Vertretenen und bei Anfechtung der Innenvollmacht aus § 179 gegen den Vertreter (ebenso MüKo/Schubert Rn 54; Schwarze JZ 2004, 588, 594; den Anspruch aus § 179 verneinen Neuner § 50 Rn 26; Soergel/Bayer Rn 40). ZT wird darüber hinaus angenommen, nach Anfechtung der Außenvollmacht bestehe kein Anspruch aus § 179 (Flume § 52, 5e). Richtigerweise hat aber der Vertreter wegen seiner Haftung analog § 179 II den Anspruch aus § 122 (Staudinger/Schilken Rn 82; Soergel/Leptien13 § 166 Rn 23). Beruht die Anfechtung auf einer dem Geschäftspartner zuzurechnenden Täuschung, so hat dieser Ansprüche weder aus § 122 (§ 122 II) noch aus § 179 (§ 179 III 1 iVm § 142 II; s BGH NJW 1989, 2879; 1989, 2881, beide zu § 173). 3. Inhaltskontrolle von Vollmachtsklauseln. S BGH NJW 1997, 3437; Schwab JuS 2001, 951 mwN; UBH/ Schmidt Vollmachtsklauseln (58). V. Umfang und Arten der Vollmacht. 1. Spezial-, Gattungs- und Generalvollmacht. Nach dem Umfang der Vollmacht unterscheidet man zw Spezialvollmacht (für ein bestimmtes Geschäft), Gattungsvollmacht (für eine Gattung von Geschäften; Bsp: Prokura und Handlungsvollmacht, dazu Müller JuS 1998, 1000ff) und Generalvollmacht (für alle Geschäfte, bei denen eine Vertretung zulässig ist; hierzu, insb zu den Grenzen für General570
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Vertretung und Vollmacht
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vollmachten von Organpersonen, BGHZ 34, 27, 30; BGH NJW 1977, 199; NJW-RR 2002, 1325f). Die Generalvollmacht berechtigt idR nicht zum Widerruf einer gleichrangigen anderen Generalvollmacht (Karlsruhe Justiz 2010, 198f). Mit einer „Handlungsvollmacht“ wird regelmäßig die Befugnis zur allg – umfassenden – Vertretung zum Ausdruck gebracht, BGH NJW 2017, 3373 Rn 11. a) Maßgebend für den Umfang der Vollmacht ist grds der erkennbare Wille des Vertretenen, der durch Auslegung aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu ermitteln ist (BGH NJW 1999, 486f). Bei den für den Rechtsverkehr besonders wichtigen Vollmachten des Handelsrechts ist der Umfang der Vertretungsmacht durch teilw zwingendes Recht bestimmt (für die Prokura §§ 48, 50, 54, 55 HGB). Der Umfang der Vollmacht kann sich auch aus AGB ergeben (BGH NJW 1999, 1633f – Versicherungsvertreter). Für den durch Auslegung zu ermittelnden Umfang der Vertretungsmacht ist zu unterscheiden: aa) Bei der Innenvollmacht kommt es auf das Verständnis des Vertreters als Erklärungsempfänger an (BGH NJW 1991, 3141). Beschränkungen nach dem Kausalverhältnis sind bei der Auslegung der Vollmacht zu berücksichtigen, jedoch unbeschadet der Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht (Rn 9ff, 26). Das gemeinsame Verständnis von Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem ist auch ggü dem weiteren Wortlaut der Vollmachtsurkunde maßgeblich, wenn der Vertreter mit sich selbst abschließt (BGH NJW 1999, 486 – Vollmacht zur Scheinübertragung eines DDR-Grundstücks). bb) Bei der Außenvollmacht kommt es auf das Verständnis des Geschäftsgegners an; diesem sind die internen Bindungen des Vertreters regelmäßig unbekannt. Maßgebend ist daher, welchen Umfang ein obj Betrachter in der Situation des Geschäftsgegners der Bevollmächtigung beimessen würde; das richtet sich insb nach dem erkennbaren Zweck der Vollmacht sowie nach der (örtlichen) Verkehrssitte (BGH DB 1970, 1126; NJW 1983, 1905f; 1991, 3141). Bei Zweifeln über den Umfang der Vollmacht ist der geringere Umfang anzunehmen (RGZ 143, 196, 199; BGH NJW 1978, 994f; Frankfurt NJW-RR 1987, 482; Köln NJW-RR 2001, 652, 653f). Auch die Generalvollmacht deckt ganz außergewöhnliche Geschäfte, die erkennbar mit dem Interesse des Geschäftsherrn in Widerspruch stehen (RGZ 52, 96, 100), nicht. Zum Missbrauch der Vollmacht Rn 70ff. b) Einzelfälle P Bankverkehr: Die Vollmacht zur Verfügung über ein Bankkonto berechtigt idR zur Verfügung durch Scheck (BGH DB 1986, 1870), dagegen nicht zur Kontoüberziehung (BGH MDR 1953, 345f; Hamm NJW 1992, 378), zur Kreditaufnahme in unbegrenzter Höhe (Köln ZIP 2001, 1709 m Anm Fischer EWiR 2002, 187) oder zur Umwandlung, Auflösung oder Umschreibung des Kontos (BGHZ 180, 191 Rn 15). Zur formularmäßigen Einzelverfügungsmacht bei Gesamtvertretung einer GbR Köln ZIP 2001, 1709. P Im privaten Baurecht (s auch Rn 31) umfasst die Vollmacht eines bauleitenden Architekten (allg dazu Pauly BauR 1998, 1143) idR die Vergabe einzelner Bauleistungen (BGH BB 1963, 111), die Erteilung von Weisungen, die Anerkennung von Stundenlohnzetteln, die Rüge von Mängeln, Mahnungen und Fristsetzungen (Frankfurt NJW-RR 2011, 1655, 1657), die Abnahme geleisteter Arbeiten, die Entgegennahme von Erl zu Rechnungen (BGH NJW 1978, 994), nicht aber ohne weiteres die Erteilung umfassender Bauaufträge (BGH NJW 1978, 994f), das Anerkenntnis umfangreicher Schlussrechnungen (BGH NJW 1960, 859; Hamm BauR 1997, 656; vgl aber auch Nürnberg NJW-RR 1999, 1036), die Erteilung erheblicher Nachtragsaufträge (BGH MDR 1975, 834; s auch Düsseldorf BauR 1998, 1023f; BauR 2000, 891f; BauR 2000, 1198, 1200; Naumburg NZBau 2000, 143), die Erteilung von Zusatzaufträgen bei Vereinbarung eines Pauschalpreises (Saarbrücken NJW-RR 1999, 668) oder die Entgegennahme einer Abtretungsanzeige (BGH NJW 1960, 1805). Die Rspr tendiert zu Recht zu einer eher engen Auslegung der Architektenvollmacht (BGH NJW 1978, 994f; Hamm IBR 2011, 687). Hat der Bauherr dem Baubetreuer Vollmacht zum Abschluss der Verträge mit den Handwerkern erteilt, wird er auch dann verpflichtet, wenn er mit dem Baubetreuer für das gesamte Bauvorhaben einen Festpreis vereinbart und (möglicherweise) schon bezahlt hat (BGHZ 67, 334, 336; 76, 89). Ist der Baubetreuer mit der Finanzierung eines Vorhabens für einen zahlungssäumigen Erwerber in Vorlage getreten, kann die ihm erteilte Vollmacht auch die Bestellung einer Grundschuld an dem Objekt zu eigenen Gunsten umfassen (BGH WM 1977, 78). Zur Vollmacht einer zu einer Baubesprechung entsandten Person Köln NJW-RR 1994, 1501; zum Umfang der Vollmacht eines Hausverwalters Düsseldorf NJW-RR 1993, 885 und LG Bremen WuM 1993, 605. P Handels- und Gesellschaftsrecht: Zu den Grenzen der Erteilung einer Generalvollmacht durch den Geschäftsführer einer GmbH BGH NJW-RR 2002, 1325 m Bespr Haas LM § 35 GmbHG Nr 39; zur Generalvollmacht der durch ihre sämtlichen Gesellschafter vertretenen GbR München ZIP 2011, 2108. Zum begrenzten Umfang einer nach dem Wortlaut uneingeschränkten Abwicklungsvollmacht für einen BGB-Gesellschafter BGH NJW 2000, 3272. Zur kaufmännischen Generalvollmacht Schroeder/Oppermann JZ 2007, 176. P Grundstücksgeschäfte: Die Auflassungsvollmacht berechtigt nicht ohne weiteres zum Abschluss des Grundgeschäfts (RG Recht 1925 Nr 1965; vgl auch BGH NJW 2002, 2863, 2864f) oder zur Auflassung an einen Dritten (Hamm NJW-RR 2001, 376), die Veräußerungsvollmacht nicht ohne weiteres zur Ermächtigung an den Käufer, das Grundstück zu belasten (Jena OLG-NL 1994, 245f, s aber KG Rpfleger 2019, 139 Rn 10f), wohl aber kann sie die Beauftragung eines Maklers umfassen (BGH NJW 1988, 3012). Die Erwerbsvollmacht enthält nicht ohne weiteres die Vollmacht zur Erteilung der Löschungsbewilligung im Rahmen einer Rückabwicklung (Hamm NotBZ 2018, 72). Zur sog Belastungsvollmacht Düsseldorf FGPrax 2000, 55; BGH NJW-RR 2016, 1295; ausf Kesseler DNotZ 2016, 651; zu der einem Notariatsangestellten erteilten Vollzugsvollmacht Frankfurt 12.10.2009 – 20 W 116/07; Brandenburg Rpfleger 2013, 386 Rn 22; zur Bewilligungsvollmacht Weber/Wesiack DNotZ 2019, Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
164. Führt die Auslegung einer Grundbuchvollmacht zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist von dem eindeutig in urkundlicher Form (§ 29 GBO) nachgewiesenen Umfang auszugehen (München 27.1.2017 – 34 Wx 15/17 Rn 18); als Vollmacht zur Veräußerung eines Erbbaurechts bezieht sie sich nicht ohne weiteres auf damit zusammenhängende Anteile an anderen Erbbaurechten (Schleswig Rpfleger 1996, 402f). Der Notar, der eine Auflassung beurkundet, ist idR auch ermächtigt, eine etwa erforderliche Genehmigungserklärung eines Vertragsteils entgegenzunehmen (BGH Rpfleger 1959, 219f); die seinen Angestellten erteilte Ergänzungsvollmacht ist auch bei weiter Formulierung im Zweifel auf das Objekt der Beurkundung beschränkt (München FGPrax 2013, 20). Zum Umfang der Vollmacht eines Notars, der Erklärungen eines Vertreters ohne Vertretungsmacht beurkundet, s Köln NJW-RR 1995, 590. P Wer zum Kaufabschluss bevollmächtigt ist, hat nicht ohne weiteres die Befugnis, den Kaufpreis einzuziehen oder zu kreditieren (NK/Ackermann Rn 52; s auch BGH NJW-RR 1987, 308). Zur gegenseitigen Bevollmächtigung von Mietern zur Entgegennahme von Erklärungen, die ihr Mietverhältnis berühren, BGHZ 136, 314. Zur stillschw Bevollmächtigung des Vermittlers zum konkludenten Abschluss eines Beratungsvertrags mit dem Käufer, der einem sog Mietpool beitritt, BGH NJW 2007, 1874. Die Prozessvollmacht zur Abwehr einer Räumungsklage umfasst idR den Empfang der Kündigungserklärung (BGH NJW-RR 2000, 745f). Zu den Grenzen einer in allg Versicherungsbedingungen enthaltenen Vollmacht im Einzelfall Frankfurt NJW-RR 2005, 1694. Die Zuständigkeit von Vertragswerkstätten des Herstellers für Mängelbeseitigung enthält nicht die Vollmacht zum Empfang einer an den Verkäufer zu richtenden Rücktrittserklärung (Bremen NJW-RR 2011, 1202). Die Vorsorgevollmacht steht unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts des Fürsorgefalls oder der Geschäftsunfähigkeit (Tschersich, Die Definition des vermögensrechtl Missbrauchs von General- und Vorsorgevollmacht, 2015, 141f) und kann sich auf die Vermögens- und Personensorge erstrecken (zu den Anforderungen im Hinblick auf den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen BGHZ 211, 67). Die Anordnung einer Betreuung ist einer entspr Vollmacht ggü subsidiär (§ 1814 III 2), es sei denn, es liegt ein Fall des § 1820 III Nr 2 vor, der Bevollmächtigte ist untauglich (BGH NJW 2014, 1733) oder ungeeignet (BGH NJW 2013, 3373) oder es bestehen Zweifel an ihrer wirksamen Erteilung (s auch Rn 43), die ihre Akzeptanz im Rechtsverkehr einschränken (BGH NJW 2016, 159; NJW-RR 2017, 66). Zu den Grenzen einer als Generalvollmacht erteilten Vorsorgevollmacht BayObLG NJOZ 2002, 1267, 1269 und FamRZ 2004, 1814; Düsseldorf NJW-RR 1997, 903; s dazu § 1820 II, § 1829 V, § 1831 V, § 1832 V. Zu Bankgeschäften aufgrund einer Vorsorgevollmacht eingehend Tersteegen NJW 2007, 1717; MüKo/Schubert Rn 79; zur Passivvertretung eines Vorsorgebevollmächtigten § 164 Rn 27; zur Kontrolle der Vorsorgevollmacht § 1820 III-V; zu ihrem Widerruf § 168 Rn 14, zu ihrer Aufnahme ins zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer § 78a BNotO. 2. Gesamtvollmacht/Gesamtvertretung. a) Soll von mehreren bevollmächtigten Personen nicht jede für sich allein, sondern sollen nur alle oder mehrere gemeinschaftl vertreten können, spricht man von Gesamtvertretung (Bsp §§ 1629, 1797; fakultative Gesamtvertretung gem § 48 II, § 125 II HGB; dispositive Gesamtvertretung gem § 714 iVm § 709 BGB, § 78 II AktG, § 35 II 1 GmbHG). Zur sog unechten Gesamtvertretung § 78 III 1 AktG; zur Gesamtvertretung bei einer öffentlich-rechtl Körperschaft BGHZ 164, 166, 171. b) Zur Vornahme der Vertretungshandlung brauchen zwar die übereinstimmenden Willenserklärungen der Gesamtvertreter nicht gleichzeitig vorzuliegen und kann die erforderliche Mitwirkung der anderen Gesamtvertreter auch durch (vorherige oder nachträgl) Zustimmung erfolgen (insoweit allgM MüKo/Schubert § 164 Rn 213f). Die Einzelheiten sind str. Nach der Rspr muss der zuerst Handelnde bis zur Mitwirkung des Anderen an dem Geschäft „festhalten“ (BGH WM 1976, 1053; zust Soergel/Leptien13 § 164 Rn 29), darf also nicht widerrufen haben, und es muss noch ein hinreichender zeitl Zusammenhang mit der ersten Erklärung bestehen (BGH WM 1959, 672f). Die wohl hL widerspricht: Der zuerst Handelnde könne als Vertreter ohne Vertretungsmacht kein Widerrufsrecht haben (Staudinger/Schilken Rn 54; MüKo/Schubert § 164 Rn 216). Für die Genehmigung gelten nach allgM § 182 I und II analog (MüKo/Schubert § 164 Rn 215f), nach wohl hL auch die Rückwirkung gem § 184 (MüKo/Schubert § 164 Rn 215f; aA Staudinger/Schilken Rn 54). Richtigerweise kommt es darauf an, ob der zuerst Handelnde Alleinvertretungsmacht in Anspruch nimmt (dann gelten §§ 177, 179, 182 und 184 unmittelbar; der Handelnde kann nicht widerrufen) oder ob er das Erfordernis der Mitwirkung eines anderen Gesamtvertreters deutlich macht (dann ist das Vertretergeschäft bis zur Mitwirkung des Anderen unvollständig. Der Handelnde kann bis zu dieser Mitwirkung widerrufen. Erfolgt die Mitwirkung durch Genehmigung, hat diese keine Rückwirkung). Die Gesamtvertreter können entspr § 125 II 2 HGB, § 78 IV AktG einen von ihnen formlos (s aber § 182 Rn 6), auch stillschw, zum Abschluss eines bestimmten Geschäfts (RGZ 81, 325, 328) oder eines bestimmten Kreises von Geschäften (BGH WM 1986, 315) ermächtigen; durch diese Ausübungsermächtigung (ausf Schwarz NZG 2001, 529 und ZGR 2001, 744) erhält der ermächtigte Gesamtvertreter nach hM entspr Einzelvertretungsmacht (BGHZ 64, 72; dazu § 181 Rn 12; Maier-Reimer, FS Hellwig, 2010, 205, 209ff; K. Schmidt/Lutter/Seibt § 78 AktG Rn 28 jew mwN); zur Zeichnung durch einen solchen Gesamtvertreter BGH NJW 2010, 1453; Karlsruhe OLGRp 2006, 40. Nach überzeugender Gegenauffassung bleibt es wegen der Ausübungsermächtigung bei einer Gesamtvertretung, weil der Ermächtigte von der eigenen und der übertragenen Gesamtvertretungsmacht Gebrauch macht (Schwarz NZG 2001, 529, 537; MüKo-HGB/K. Schmidt § 125 Rn 45). Die Ermächtigung muss durch Gesamtvertreter in vertretungsberechtigter Zahl erklärt werden, wobei str ist, ob der zu Ermächtigende dabei (stillschw) mitwirken kann (dafür Koch § 78 AktG Rn 19 mwN; aA MüKo-HGB/ K. Schmidt § 125 Rn 44). Die Ermächtigung kann unstr durch jeden Ermächtigenden einzeln widerrufen werden, Koch § 78 AktG Rn 22 mwN. Auch die Bevollmächtigung des anderen Elternteils bei fortbestehender ge572
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Vertretung und Vollmacht
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meinsamer elterlicher Sorge mit der Folge eines Alleinvertretungsrechts ist zulässig, BGHZ 225, 184 Rn 21; krit Löhnig NJW 2020, 2150, 2151. Die generelle Begr einer Einzelvertretungsmacht widerspricht dem Zweck der Gesamtvertretung und ist unzulässig (vgl BGHZ 34, 27; anders in der GbR bei Mitwirkung sämtlicher [gesamtvertretungsberechtigten] Gesellschafter, München ZIP 2011, 2108; zur Vertretung einer Kommune BGHZ 178, 192 Rn 30ff). Ist einer der Gesamtvertreter durch § 181 an dem Abschluss gehindert, so kann ihre gemeinsame Vertragserklärung nicht in eine solche Ermächtigung des Anderen und Abschluss allein durch ihn umgedeutet werden (BGH NJW 1992, 618). c) Zur passiven Stellvertretung ist jeder Gesamtvertreter für sich allein befugt (BGHZ 62, 166, 173; BGH NJW 1988, 1199f; vgl § 26 II 2 sowie § 125 II 3 HGB, § 35 II 3 GmbHG); das gilt auch, wo die GmbH durch die Gesellschafter vertreten wird (BGHZ 149, 28, 31 = BGH NZG 2002, 43 m Bespr Schneider/Schneider; für das Wechselrecht RGZ 53, 227, 230). Die Kenntnis eines beteiligten Gesamtvertreters begründet Kenntnis des Geschäftsherrn (§ 166 Rn 31), s aber § 166 Rn 33. d) Für Willensmängel und Kenntnis oder Kennenmüssen des Vertreters iSd § 166 I genügt es analog zur Passivvertretung, wenn diese Voraussetzungen bei nur einem beteiligten Vertreter vorliegen (§ 166 Rn 31). Zur Simulationsabrede mit einem der Gesamtvertreter s § 166 Rn 7. 3. Untervollmacht. Eine Übertragung der Vollmacht auf einen anderen ist wegen des der Vollmacht innewohnenden Vertrauensmoments im Interesse des Vertretenen grds nicht möglich; der Vertretene kann aber mit der Übertragung einverstanden sein (ausf Frey, Rechtsnachfolge in Vollmachtnehmer- und Vollmachtgeberstellung, 1997, 6ff). Anerkannt ist insb jedoch die Möglichkeit einer Untervollmacht. Verzichtet der Hauptbevollmächtigte neben dem Unterbevollmächtigten auf seine inhaltsgleiche Hauptvollmacht (§ 168 Rn 3), tritt der Unterbevollmächtigte als Ersatzbevollmächtigter an die Stelle des Hauptbevollmächtigten (MüKo/Schubert Rn 80). a) Untervertretung und folglich Untervollmacht existieren in zwei Formen: Der Untervertreter kann erstens unmittelbar als Vertreter des Geschäftsherrn auftreten (allgM); die Untervollmacht wird dann vom Hauptvertreter im Namen des Vertretenen erteilt; der Untervertreter muss sein Handeln für den Vertretenen offenlegen. Zweitens kann er nach der Rspr auch als Vertreter des Hauptvertreters handeln (sog „Nachvollmacht“; „Vertreter des Vertreters“, vgl BGHZ 32, 250, 253; 68, 391, 394; BGH BB 1963, 1193; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, 28; Bous RNotZ 2004, 483). Hier bevollmächtigt der Hauptvertreter den Untervertreter im eigenen Namen, dieser handelt im Namen des Hauptvertreters; die Rechtswirkungen sollen aber den Vertretenen treffen, weil sie durch den Hauptvertreter an ihn „weitergeleitet“ würden. Die hL lehnt diese Form der Untervollmacht ab (Flume § 49, 5; Neuner § 50 Rn 33ff, 37f; MüKo/Schubert Rn 83; Staudinger/Schilken Rn 62; Gerlach, Die Untervollmacht, 1967). Der letzteren Auffassung ist zu folgen. Aufgrund der gewillkürten Stellvertretung treten die Wirkungen des Vertreterhandelns beim Geschäftsherrn ein; bei der Untervertretung handelt nur der Untervertreter. Für die Weiterleitung von Rechtswirkungen iS einer „Durchgangswirkung“ zum Prinzipal gibt § 164 keine Grundlage. Mit der hL ist daher die Konstruktion einer Durchgangsvertretung bei der gewillkürten Stellvertretung abzulehnen. Anderes gilt für Organvertreter des Hauptvertreters. Durch sie handelt der Hauptvertreter selbst (Grü/Ellenberger § 26 Rn 2). Wird der Hauptvertreter durch Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte vertreten, so sollte für die Vertretung des Prinzipals auch dies als Handeln des Hauptvertreters gelten (Maier-Reimer, FS Hellwig, 2010, 205, 208). Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich nicht in dieser Eigenschaft von einem Dritten vertreten lassen. Denn er kann seine Geschäftsführerfunktion nicht, auch nicht partiell, einem Dritten zur Ausübung überlassen (BGHZ 13, 61, 65; anders BGH WM 1978, 1047f, NJW-RR 2002, 1325; DB 2011, 2842; dagegen K. Schmidt JuS 2003, 95; Maier-Reimer aaO, 211ff). Dagegen kann ein Gesellschafter einer GbR bei deren Vertretung durch alle Gesellschafter sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, sofern der Gesellschaftsvertrag der GbR eine solche Vertretung zulässt (BGH BeckRS 2011, 16926 Rn 18; München ZIP 2011, 2108f; 2015, 1828f). Der Unterschied beruht auf der durch die Selbstorganschaft reflektierten Unvollkommenheit der Trennung der GbR von ihren Gesellschaftern. b) Ob der Vertreter die Befugnis hat, einen Unterbevollmächtigten zu bestellen, muss die Auslegung seiner Vollmacht ergeben (BayObLG NJW-RR 1990, 784f; MüKo/Schubert Rn 82; Staudinger/Schilken Rn 63). Die Unterbevollmächtigung ist idR nur zulässig, wenn der Vertretene erkennbar kein Interesse an der persönlichen Wahrnehmung der Stellvertretung hat (BGH WM 1959, 377; Hamm NotBZ 2013, 144; MüKo/Schubert Rn 82). Unzulässig ist eine Untervollmacht zB gem § 52 II, § 58 HGB, § 135 VAktG. IdR ist die Untervollmacht eine Vollmacht des Prinzipals (Rn 62). Ihr Fortbestand ist im Zweifel, aber nicht notwendig, vom Fortbestand der Hauptvollmacht abhängig (dazu Maier-Reimer, FS Hellwig, 2010, 205, 217f; s auch Staudinger/Schilken Rn 68; KG MDR 2017, 510; Köln Rpfleger 2018, 444 Rn 23f); zum Fortbestand der von einem gesetzl oder Organvertreter erteilten Vollmacht s § 168 Rn 8f. Eine zeitl Begrenzung der Hauptvollmacht schließt die Erteilung einer zeitl unbeschränkten Untervollmacht grds nicht aus (KG MDR 2017, 510 Rn 12). Der Umfang der Untervollmacht kann nicht weiter reichen als der Umfang der Hauptvollmacht (BGH NJW-RR 1990, 701, 703; BayObLG NJOZ 2003, 424f); sie berechtigt nicht zum Widerruf der Hauptvollmacht (BGH NJW 2017, 3373 Rn 16); zur („Unter-“)Bevollmächtigung eines postulationsfähigen durch einen postulationsunfähigen RA s aber BGH NJW-RR 2003, 51. Zum Selbstkontrahieren bei der Untervollmacht s § 181 Rn 11. Zur Untervollmacht in Wohnungseigentü-
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Rechtsgeschäfte
merversammlungen BeckOGK/Hermann § 25 WEG Rn 41; BayObLG NZM 1998, 668; Karlsruhe ZMR 2003, 289. 65 c) Vollmachtsmängel. Besteht die Untervollmacht nicht, haftet allein der Untervertreter gem § 179. Fehlt dagegen die Hauptvollmacht bei bestehender Untervollmacht, so haftet nach der Rspr der Untervertreter nicht, wenn er als Vertreter des Hauptvertreters aufgetreten ist (BGHZ 32, 250, 253), während er haften soll, wenn er unmittelbar für den Geschäftsherrn aufgetreten ist (BGHZ 68, 391, 394f). Nach zutr hM haftet ein Untervertreter, der das Untervertretungsverhältnis offen legt, nicht für den Bestand der Hauptvollmacht, sondern nur für denjenigen der Untervollmacht (Flume § 49, 5; Bork AT Rn 1452; Medicus/Petersen AT Rn 996; aA MüKo/Schubert Rn 92). Die Haftung aus § 179 trifft dann (analog) den Hauptvertreter, und zwar unabhängig davon, wie der Untervertreter aufgetreten ist, solange dieser nur das Untervertretungsverhältnis offen gelegt hat. Wenn der Untervertreter aber weiß oder wissen muss, dass die Hauptvollmacht nicht (mehr) besteht, sollte auch er gem § 179 haften (so auch Soergel/Bayer Rn 82). 65a d) Soweit es nach § 166 I auf Willensmängel, Kennen und Kennenmüssen des Vertreters ankommt, ist dies der handelnde Untervertreter. Die Voraussetzungen des § 166 II können in der Person des Vertretenen oder des Hauptvertreters erfüllt werden (Staudinger/Schilken Rn 72). 66 4. Postmortale oder transmortale Vollmacht. a) Gilt die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus (transmortale Vollmacht) oder ist sie für den Todesfall erteilt (RGZ 114, 351, 354, sog postmortale Vollmacht; dazu und zur Abgrenzung von letztwilligen Verfügungen ausf Seif AcP 200, 192), hat der Bevollmächtigte Vertretungsmacht für die Erben (BGHZ 87, 19, 25; s auch § 1922 Rn 49f; zur postmortalen Vollmacht ausf Vor § 2197 Rn 7ff). Die transmortale Vollmacht hat auch Bestand, wenn ein Miterbe Bevollmächtigter wird. Die post- oder transmortale Vollmacht erlischt wie jede Vollmacht (§ 168), jedoch nicht aufgrund Konfusion, wenn der Vertreter Alleinerbe des Vollmachtgebers wird und ein Interesse am Fortbestehen der Vollmacht zu bejahen ist (str, wie hier KG DNotZ 2021, 703 Rn 4; Grü/Ellenberger § 168 Rn 4; MüKo/Schubert § 168 Rn 57; Lieder ZfPW 2022, 345; aA Hamm ZEV 2013, 341f; München NJW 2016, 3381); jedenfalls muss sie ihre Legitimationswirkung behalten, München FamRZ 2013, 402f; Stuttgart Rpfleger 2019, 189 Rn 8; zur Zulässigkeit einer transmortalen Vollmacht zugunsten des Vorerben Strobel NJW 2020, 502. Der Widerruf erfolgt nach dem Tod des Vollmachtgebers durch die Erben. Bei einer Mehrheit von Erben hat die Vollmacht nur ggü dem widerrufenden Erben keine Wirkung mehr; die übrigen Erben kann der Bevollmächtigte noch vertreten, den Nachlass aber nur noch zusammen mit dem widerrufenden Erben (MüKo/Schubert § 168 Rn 55; aA Papenmeier, Transmortale und postmortale Vollmacht als Gestaltungsmittel, 2013, 129ff). Über die Abgrenzung zu den Befugnissen eines ebenfalls berufenen Testamentsvollstreckers entscheidet die Auslegung, BGH NJW 2022, 3436 Rn 24f. Ein Testamentsvollstrecker ist, wenn ihm diese Befugnis nicht gem § 2208 I entzogen ist, nach hM zum Widerruf berechtigt (Zimmer NJW 2022, 3392 Rn 13), ebenso auch ein Nachlasspfleger (Bayer ZfPW 2020, 385, 395). Die transmortale Vorsorgevollmacht verhindert eine Nachlasspflegschaft nicht (München NJW 2010, 2364; dagegen mit beachtlichen Gründen Everts NJW 2010, 2318). 67 b) Für Geschäfte des Bevollmächtigten als Vertreter des Erben gelten die Anforderungen der Voreintragung des Erben gem § 39 GBO, vorbehaltlich § 40 GBO (RGZ 88, 345, 349; LG Stuttgart ZEV 2008, 198; s aber – auch zur Bevollmächtigung des Alleinerben – Hamm FGPrax 2013, 148). Ist die Vollmacht dem gesetzl Vertreter des Erben erteilt, so handelt er aufgrund der Vollmacht und nicht aufgrund seiner gesetzl Vertretungsmacht; die Genehmigungserfordernisse der §§ 1821f gelten daher nicht (RGZ 88, 345, 350; 106, 185f). Aus dem der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis und dessen Auslegung ergibt sich die Pflichtenstellung des Bevollmächtigten: Soll er nach den Interessen oder Weisungen des Erblassers handeln, sind diese maßgebend (BGH NJW 1969, 1245, 1247 m abl Anm Finger 1624; BGHZ 127, 239, 242); die Erben sind durch ihr Widerrufsrecht hinreichend geschützt. Anderenfalls sind die Interessen der Erben entscheidend oder auch seine eigenen Interessen, wenn die Vollmacht in seinem Interesse erteilt wurde (MüKo/Schubert § 168 Rn 58ff; aA Flume § 51, 5b unter Betonung der Stellung des Erben als Geschäftsherrn). 5. Unwiderrufliche Vollmacht. Zu den Voraussetzungen und Besonderheiten einer unwiderruflichen Voll68 macht s § 168 Rn 15ff. 69 6. Prozessvollmacht (§§ 80ff ZPO). Die Erteilung der Prozessvollmacht ist kein bürgerlich-rechtl Rechtsgeschäft, sondern Prozesshandlung (BGHZ 41, 104, 107; BGH ZZP 71, 471, 473); die Vorschriften der §§ 119ff finden auf sie keine Anwendung; die §§ 164ff sind nur anwendbar, soweit dies mit den Besonderheiten des Prozessrechts vereinbar ist (Musielak/Voit/Weth § 80 ZPO Rn 5ff mwN). 70 VI. Missbrauch der Vertretungsmacht. Wegen der rechtl Unabhängigkeit der Vollmacht von dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft trägt der Vertretene grds das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht und ist auch an solche Geschäfte gebunden, die der Vertreter nach dem Innenverhältnis nicht vornehmen durfte (BGH NJW 1966, 1911; 1994, 2082f). Der Vertragspartner braucht nicht zu prüfen, ob und inwieweit der nach außen unbeschränkt vertretungsberechtigte Vertreter im Innenverhältnis dem Vertretenen ggü gebunden ist. Dieser dem Verkehrsschutz dienende Grundsatz wird jedoch nach den Grundsätzen zur Einschränkung der Vertretungswirkungen im Falle des Missbrauchs der Vertretungsmacht durchbrochen, soweit der Geschäftsgegner aus bestimmten Gründen nicht schutzwürdig ist. Vor Anwendung dieser Grundsätze ist – vor allem bei der Innenvollmacht – stets zu prüfen, ob eine einschränkende Auslegung der Vertretungsmacht möglich ist und den Vertretenen ausreichend schützt. 574
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Vertretung und Vollmacht
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1. Kollusion. Wird die Vertretungsmacht in bewusstem Zusammenwirken von Vertreter und Geschäftsgegner zum Nachteil des Vertretenen missbraucht, ist das Geschäft nach hM gem § 138 nichtig (RGZ 136, 359f; BGH NJW 1989, 26; MüKo/Schubert § 164 Rn 227; anders nur beim Auftreten eines vollmachlosen Vertreters, vgl Hamburg ZMR 2003, 525f). Ausnahmsw soll dem Vertretenen eine Berufung auf § 242 möglich sein, wenn er am Rechtsgeschäft festhalten will. Vorzugswürdig erscheint indes wie in den Fällen der Rn 73 eine analoge Anwendung des § 177, wenn sich das Rechtsgeschäft nachträgl als vorteilhaft erweist (München WM 2022, 2224 Rn 43; BeckOGK/Huber § 164 Rn 88; BeckOGK/Ulrici § 177 Rn 69; Soergel/Bayer § 164 Rn 222). Ist der Vertreter bestochen, führt das zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Geschäfts (nur), wenn das Geschäft oder der konkrete Vertragsinhalt nachteilig für den Vertretenen ist, wovon iS eines Anscheinsbeweises (BGH NJW 1999, 2266f) oder aufgrund einer Umkehr der Beweislast (RGZ 136, 359f; BGH NJW 1989, 26f) auszugehen ist. Zur Kollusion beim Insichgeschäft § 181 Rn 26. 2. Andere Fälle des Missbrauchs. Der Schutz des Vertretenen ist nicht auf Fälle der Kollusion beschränkt. Ist der Missbrauch evident, so verdient der Geschäftspartner keinen Schutz, auch wenn er nicht kollusiv mit dem Vertreter zusammengewirkt hat. Das ist im Grundsatz unstr. Str ist jedoch, auf welcher Grundlage der Vertretene geschützt ist und welche Voraussetzungen dafür auf Seiten des Vertreters und auf Seiten des Geschäftspartners vorliegen müssen. a) Grundlage des Schutzes. Als Grundlage des Schutzes kommt eine Beschränkung der Vertretungsmacht oder ein Arglisteinwand des Vertretenen in Betracht; weiter wird auch eine Haftung des Geschäftspartners aus cic (§ 311) vertreten, die einen Anspruch auf Vertragsaufhebung gebe (Heckelmann JZ 1970, 62, 65). Die letztere Ansicht würde bereits bei leichter Fahrlässigkeit eingreifen. Sie ist mit dem das Recht der Stellvertretung beherrschenden Grundsatz des Verkehrsschutzes unvereinbar. Die Rspr schwankt zw den beiden zuerst genannten Auffassungen (BGH NJW 1990, 384f; NZG 2004, 139: Arglisteinwand gegen das Geschäft; andererseits BGHZ 113, 315; BGH NJW 1984, 1461; 1999, 2883: kein Schutz des Vertrauens in die Vertretungsmacht; BGH WM 1981, 66f: Vertrag nicht durchsetzbar; BAG NJW 1997, 1940: Gegner kann sich auf den [Aufhebungs-]Vertrag nicht berufen). Mit der überwiegenden Lit ist von einer Beschränkung der Vertretungsmacht auszugehen. Die Trennung der Vollmacht von dem Innenverhältnis dient dem Verkehrsschutz und endet, wo der Geschäftspartner nicht schutzwürdig ist (Flume § 45 II 3; Bork AT Rn 1578; Staudinger/Schilken Rn 95; ähnl MüKo/Schubert § 164 Rn 239f: § 177 analog; Soergel/Bayer § 164 Rn 221; aA – Arglisteinwand, aber mit Genehmigungsmöglichkeit analog § 177 – BeckOGK/Huber § 164 Rn 91; für Anfechtung analog § 123 Vedder, Missbrauch der Vertretungsmacht, 2007, 164). Als Folge fehlt die Vertretungsmacht. Daher sind §§ 177ff anwendbar. Zur Zurechnung des Wissens eines missbräuchlich handelnden Agenten BGH NJW-RR 2008, 977. b) Voraussetzungen des Missbrauchs beim Vertreter. Ein Missbrauch auf Seiten des Vertreters liegt vor, wenn er obj außerhalb des ihm im Innenverhältnis Erlaubten handelt (MüKo/Schubert § 164 Rn 235; Flume § 45 II 3; Staudinger/Schilken Rn 95; Soergel/Bayer § 164 Rn 219f; enger Vedder [Rn 73] 120ff, 159ff, der vorsätzliche Überschreitung der Vertretungsbefugnis fordert; zur Vorsorge- und Generalvollmacht Tschersich [Rn 57] 143f). Für die Überschreitung des Erlaubten muss das Geschäft nicht notwendig nachteilig für den Geschäftsherrn sein; es genügt, wenn ihm Wesentliches vorenthalten wird (BGH NJW 1984, 1461; s auch BGHZ 113, 315; zur teilw abweichenden Rspr s Staudinger/Schilken Rn 94). Nach der Rspr ist im Fall unbeschränkbarer (also gesetzl oder organschaftl) Vertretungsmacht eine bewusste Überschreitung des Erlaubten erforderlich (BGHZ 50, 112, 114; BGH WM 1981, 66f), während es im Fall inhaltlich gewillkürter Stellvertretung auch nach der Rspr auf den Missbrauchsvorsatz nicht ankommt (BGH NJW 1988, 3012f; BeckOGK/Huber § 164 Rn 89; aA MüKo-HGB/ Krebs Vor § 48 Rn 75). Zur Beschränkung der Anwendung des § 181 beim Allein- und MehrheitsgesellschafterGeschäftsführer Scholz ZHR 2018, 656, 683. c) Voraussetzungen beim Geschäftsgegner. Der Geschäftsgegner muss sich den Missbrauch jedenfalls entgegenhalten lassen, wenn er ihn kennt (BGHZ 113, 315, 320). Kennt er ihn nicht, soll es nach einer Auffassung auf die Evidenz des Missbrauchs ankommen (Flume § 45 II 3; Medicus/Petersen AT Rn 967), während andere auf grobe Fahrlässigkeit abstellen (Soergel/Leptien13 § 177 Rn 18; unentschieden MüKo/Schubert § 164 Rn 236f). Praktisch wird beides oft zusammenfallen (Bork AT Rn 1579). Nach der Rspr ist die durch massive Verdachtsmomente begründete obj Evidenz des Missbrauchs erforderlich (BGHZ 127, 239, 241; BGH NJW-RR 2016, 1138 Rn 24; NJW 2017, 3373 Rn 20); dem Geschäftspartner muss sich der Missbrauch geradezu aufgedrängt (BGH NJW 1984, 1461f) oder er muss die Augen davor grob fahrlässig verschlossen haben (BGH NJW 1990, 384f; NZG 2004, 139); dies kann auch aufgrund einer Wissenszurechnung angenommen werden (Hamm GmbHR 2011, 1099, 1100f, freilich sehr weitgehend). Die ältere Rspr, wonach es genügte, wenn der Dritte den Missbrauch fahrlässig nicht erkannte (BGHZ 50, 112, 114; BGH NJW 1966, 1911 mwN), scheint damit aufgegeben. Zum Missbrauch der Kontoeinzelvollmacht bei organschaftl Gesamtvertretung Köln ZIP 2001, 1709. d) Mitverschulden. Da es um die Beschränkung der Vertretungsmacht geht, ist für die Anwendung der Grundsätze des § 254 kein Raum (im Grundsatz ebenso, aber relativierend MüKo/Schubert § 164 Rn 240 mwN; aA BGHZ 50, 112, 114f; offengelassen in BGH NJW 1999, 2883: die Erteilung der Vollmacht sei jedenfalls kein Mitverschulden). 3. Entsprechende Anwendung. Die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht sind analog auf die Testamentsvollstreckung anwendbar, s BGH NJW-RR 1989, 642; auf die Treuhand (Vor § 164 Rn 18) s BGH NJW 1968, 1471 m Anm Kötz; Huber JZ 1968, 791. Zum Missbrauch der Vertretungsmacht durch Organe von Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
Kapitalgesellschaften Fleischer NZG 2005, 529, 535, durch den Geschäftsführer einer GmbH Steinbeck WM 1999, 885, 889ff. Zum Missbrauch der Scheckkarte BGHZ 64, 79; 83, 28, 33; BGH NJW 1982, 1513. Zum Missbrauch einer transmortalen Vollmacht BGHZ 127, 239; MüKo/Schubert § 168 Rn 61ff. VII. Prozessuales. Wer sich auf die Vollmacht beruft, hat diese zu beweisen. Wer ihren Wegfall oder ihren Missbrauch geltend macht, hat dies zu beweisen (BGH NZG 2021, 239 Rn 11). Ggü dem Grundbuchamt erfolgt der Nachw gesetzl Vertretungsmacht nach § 29 I 2 GBO, der Nachw einer Vollmacht mittels Urschrift, Ausfertigung oder notarieller Bescheinigung (§ 172 Rn 16). Wird eine Eintragungsbewilligung nach Antragsrücknahme erneut zum Vollzug vorgelegt, ist Vertretungsmacht des Bevollmächtigten gem § 29 GBO im Zeitpunkt seiner Erklärung nachzuweisen (KG Rpfleger 2019, 251). Legt ein RA im Bußgeldverfahren Einspruch ein, geht VerfGH Koblenz NJW 2021, 2505 Rn 27 von einer Vermutung des Bestehens anwaltlicher Vollmacht aus.
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Erlöschen der Vollmacht
Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt. Auf die Erklärung des Widerrufs findet die Vorschrift des § 167 Abs. 1 entsprechende Anwendung. 1. Überblick. Für das Erlöschen der Vollmacht kommen grds vier Gründe in Betracht: Der Eintritt eines in der Vollmacht selbst bestimmten Beendigungsgrundes (Rn 2), der Verzicht seitens des Bevollmächtigten (Rn 3), das Erlöschen der Vollmacht nach Maßgabe des Grundverhältnisses (Rn 4–13) sowie der Widerruf der Vollmacht (Rn 14–18). § 168 nennt nur die beiden letztgenannten Erlöschensgründe. 2. In der Vollmacht selbst bestimmte Erlöschensgründe. Die Vollmacht kann ausdr oder nach den Umständen zeitl begrenzt sein (Bedingung oder Befristung). Die für ein bestimmtes Geschäft erteilte Vollmacht erlischt, wenn das Geschäft ausgeführt oder die Ausführung unmöglich geworden ist (MüKo/Schubert Rn 37). Ob reiner Zeitablauf zum Erlöschen einer Vollmacht führt, ist Frage des Einzelfalls (Bsp: Naumburg FGPrax 2002, 241 für eine Auflassungsvollmacht, von der 50 Jahre nach Erteilung Gebrauch gemacht werden soll). 3. Verzicht. Zwar verpflichtet die Vollmacht als solche nicht zu ihrer Ausübung, doch können sich an ihr bloßes Bestehen belastende Rechtsfolgen für den Bevollmächtigten knüpfen (für die Prokura § 105 I AktG; s auch § 34 I 1 Nr 6 WpHG). Wie der Bevollmächtigte die Vollmacht zurückweisen kann (§ 167 Rn 2), kann er auch auf sie verzichten (hL; vgl Staudinger/Schilken Rn 18; Soergel/Bayer Rn 18; Flume § 51, 3; aA Erman/Palm12 Rn 1). Der Verzicht ist ggü dem Vollmachtgeber zu erklären, wirkt für eine Außenvollmacht aber nur gem §§ 170–173. S zur unverzichtbaren Vollmacht allerdings Samari (Vor § 164 Rn 23a) 234ff. 4. Erlöschensgründe aus dem Grundverhältnis. Ergibt die Auslegung der Bevollmächtigung selbst keine zeitl Grenzen der Vollmacht, so führt die Beendigung des Grundverhältnisses (§ 167 Rn 1) im Zweifel – in Abweichung vom Abstraktionsgrundsatz – zugleich auch zum Erlöschen der Vollmacht (§ 168 S 1). Eine abw Regelung im Grundverhältnis geht aber vor. Als Gründe für die Beendigung des Grundverhältnisses kommen außer den allg Gründen einer Vertragsbeendigung (Aufhebung, vollständige Erfüllung, Befristung, Kündigung, Rücktritt, Widerruf) Gründe wegen der Besonderheit gerade eines solchen Rechtsverhältnisses in Betracht: a) Erlöschensgründe in der Person des Vollmachtgebers. aa) Der Tod des Vollmachtgebers führt im Zweifel nicht zur Beendigung des der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (§§ 672, 675 sowie § 52 III HGB, § 86 ZPO; BGH NJW 1969, 1245, 1246; Flume § 51, 5a). Das gilt auch für die Auflassungsvollmacht im Grundbuchrecht (LG Kassel DNotZ 1958, 429). Anders ggf bei einer Vorsorgevollmacht (Hamm NJW-RR 2003, 800; München NJW 2014, 3166). Zur post- oder transmortalen Vollmacht § 167 Rn 66f. Zum Erlöschen einer von einem Testamentsvollstrecker erteilten Vollmacht durch dessen Tod Düsseldorf Rpfleger 2001, 425. bb) Der Verlust der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers lässt die Vollmacht unberührt (für den Auftrag §§ 672, 675; für die Prozessvollmacht § 86 ZPO). Für den Bevollmächtigten gelten auch dann nicht die für den gesetzl Vertreter geltenden Beschränkungen (str, wie hier MüKo/Schubert Rn 13; aA Grü/Ellenberger Rn 4); anders aber, wenn der Bevollmächtigte zum Betreuer bestellt ist (Köln NJW-RR 2001, 653). cc) Die Insolvenz des Vollmachtgebers führt gem §§ 115, 117 I InsO zum Erlöschen eines Auftrags und einer Vollmacht bzgl des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens, s aber § 115 II, III, § 117 II InsO. Auch die vom insolventen Gesellschafter erteilte Vollmacht zur Vertretung der GbR erlischt (München ZIP 2018, 1646 Rn 22). dd) Die von dem gesetzl Vertreter eines beschränkt Geschäftsfähigen oder Geschäftsunfähigen für diesen einem Dritten erteilte Vollmacht erlischt nicht mit der Beendigung der gesetzl Vertretungsmacht (RGZ 107, 161, 166; BayObLG NJW 1959, 2119; DB 1974, 1521). Die von einem Bevollmächtigten wirksam erteilte Vollmacht erlischt idR nicht mit einem späteren Ausscheiden des Vollmachtgebers aus seiner Aufgabe (BayObLG NZM 2000, 291 für die Bevollmächtigung eines RA durch einen später abberufenen Wohnungseigentumsverwalter). Ebenso erlischt die von dem Organvertreter einer jur Person für diese erteilte Vollmacht idR nicht mit der Organstellung (Grü/Ellenberger Rn 4). ee) Die von einer jur Person erteilte Vollmacht erlischt idR mit dem Verlust der Rechtspersönlichkeit des Vollmachtgebers (zB Auflösung des Vereins); während der Dauer der Liquidation wird die Vollmacht durch den Liquidationszweck beschränkt (Soergel/Bayer Rn 12). 576
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Vertretung und Vollmacht
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b) Erlöschensgründe in der Person des Bevollmächtigten. aa) Der Tod des Bevollmächtigten führt im Zweifel zum Erlöschen des Grundverhältnisses und damit auch der Vollmacht (§§ 673, 675 I); zur Ausnahme bei Gefahr im Verzug § 673 S 2, § 168 S 1. Sofern die Vollmacht nur im Interesse des Bevollmächtigten erteilt ist, bleibt sie bei seinem Tod zugunsten der Erben bestehen; so die in einem Grundstückskaufvertrag dem Käufer erteilte Auflassungsvollmacht (KG HRR 1939 Nr 300; Köln OLG 1969, 304, 306f). Endet die Vollmacht nicht mit dem Tod des Bevollmächtigten, so ist oder verstärkt sie idR eine vermögensrechtl Position des Bevollmächtigten und ist deshalb vererblich; andernfalls ist eine für den Todesfall den jew Erben erteilte Vollmacht anzunehmen (zur Konstruktion Nachw bei Staudinger/Schilken Rn 19). Bevollmächtigt sind in beiden Fällen die Erben. bb) Der Verlust der Geschäftsfähigkeit des Bevollmächtigten nimmt diesem die Fähigkeit, die Vollmacht auszuüben, führt aber nicht ohne weiteres zur Beendigung von Grundverhältnis und Vollmacht, so dass diese bei Wiedererlangung der Geschäftsfähigkeit wieder ausgeübt werden kann (RGRK/Steffen Rn 8; Staudinger/Schilken Rn 21; MüKo/Schubert Rn 7; aA Flume § 51, 8; Soergel/Bayer Rn 14: stets Erlöschen der Vollmacht. cc) Die Insolvenz des Bevollmächtigten lässt Grundverhältnis und Vollmacht unberührt (MüKo/Schubert Rn 8). dd) Ist der Bevollmächtigte eine jur Person, so endet deren Vertretungsmacht mit dem Ende ihrer Rechtspersönlichkeit, nicht dagegen bereits mit dem Eintritt in das Liquidationsstadium (MüKo/Schubert Rn 10; Staudinger/Schilken Rn 20; s auch oben Rn 9). Die einer jur Person erteilte Organstellung als WEG-Verwalter geht bei ihrer Verschmelzung auf die aufnehmende Gesellschaft über (BGHZ 200, 221). 5. Widerruf der Vollmacht. Grds ist die Vollmacht frei widerruflich, im Zweifel auch, wenn das Kausalverhältnis (Arbeitsverhältnis) fortbesteht (§ 168 S 2; s auch § 52 I HGB zur Prokura). Das entspricht dem Grundtypus der Vollmacht als von dem Vollmachtgeber aufgrund seines Vertrauens erteilter Macht. Der Widerruf erfolgt durch (ausdr oder schlüssige) empfangsbedürftige Willenserklärung des Vollmachtgebers ggü dem Bevollmächtigten oder ggü dem Geschäftsgegner (§ 168 S 3; § 167 I), unabhängig davon, ggü wem die Bevollmächtigung erklärt war (MüKo/Schubert Rn 19). Ggü dem Dritten wirkt der Widerruf aber nur gem §§ 170ff und vorbehaltlich der Regeln der Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff). In der Bestellung eines neuen Vertreters für denselben Aufgabenkreis liegt idR ein Widerruf (Bsp: Düsseldorf NJW-RR 2003, 1312; Hamburg NJOZ 2005, 1444); das gilt aber nicht ohne weiteres, wenn nach der Bevollmächtigung eines Behördenmitarbeiters einem RA Prozessvollmacht erteilt wird (BVerwG NJW 2005, 1962). Zum konkludenten Widerruf zB durch Rückforderung der Vollmachtsurkunde MüKo/Schubert Rn 18. Zum Widerruf einer post- oder transmortalen Vollmacht § 167 Rn 66, zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Betreuer vgl § 1820 V. Eine zur Einzelvertretung ermächtigende Vorsorgevollmacht ermächtigt nicht zum Widerruf der Vorsorgevollmacht eines weiteren Einzelvertretungsberechtigten, Karlsruhe NJW-RR 2022, 436 Rn 9. 6. Unwiderrufliche Vollmacht. Die Widerruflichkeit der Vollmacht ist nicht zwingend. Das ergibt sich bereits aus § 168 S 2, § 176 III. Die Unwiderruflichkeit einer Vollmacht verändert jedoch grundlegend die Wirkung der Vollmacht, weil sie den Vollmachtgeber endgültig dem Willen des Bevollmächtigten unterwirft. Eine Vollmacht kann deshalb nach hM dann nicht unwiderruflich erteilt werden, wenn das zugrunde liegende Kausalverhältnis allein den Interessen des Geschäftsherrn dient. Zur unwiderruflichen Vollmacht zur Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung s Dux WM 1994, 1145. a) Voraussetzungen. Nach hM muss die Unwiderruflichkeit einer Vollmacht im Kausalverhältnis begründet sein, dem zufolge die Vollmacht den (den Interessen des Geschäftsherrn mindestens gleichgewichtigen) Interessen des Bevollmächtigten oder eines Dritten (dem der Bevollmächtigte zB dienst- oder als Treuhänder verpflichtet ist) dient (BGH WM 1971, 956; NJW-RR 1991, 439, 441; Staudinger/Schilken Rn 8; Soergel/Bayer Rn 32; aA Bork AT Rn 1509: ausdr Bestimmung der Unwiderruflichkeit im Grundverhältnis genügt ohne Interessenabwägung; widersprüchlich MüKo/Schubert Rn 22, 26). Typische Fälle sind etwa die vom Verkäufer dem Käufer erfüllungshalber erteilte Vollmacht zum Vollzug des Kaufs zB durch Auflassung des verkauften Grundstücks (Staudinger/Schilken Rn 12). Die Unwiderruflichkeit ist aber nicht auf solche Fälle beschränkt (hM, Staudinger/ Schilken Rn 8; aA Flume § 53, 3). Ein bloßes Provisionsinteresse des Bevollmächtigten genügt nicht (Soergel/ Bayer Rn 37), während eine Beteiligung am Gewinn aus dem Geschäft genügen kann (BGH NJW-RR 1991, 439, 441). Eine isolierte Vollmacht kann nicht unwiderruflich sein (BGHZ 110, 363, 367; BGH NJW 1988, 2603; MüKo/Schubert Rn 26; Bork AT Rn 1508), denn die Bindung an das Interesse des Bevollmächtigten oder eines Dritten kann nur durch das Grundverhältnis erreicht werden (BayObLG NJW-RR 1996, 848f). Auch eine Generalvollmacht kann nicht unwiderruflich sein, weil es ein korrespondierendes, die Unwiderruflichkeit legitimierendes Kausalverhältnis nicht geben kann (allgM Grü/Ellenberger Rn 6; MüKo/Schubert Rn 26). Die (nach Satzung oder Gesetz) auf Fälle eines wichtigen Grundes beschränkte Widerruflichkeit der Organstellung und der mit ihr verbundenen Vertretungsmacht (§ 27 II 2 BGB; § 38 II 1 GmbHG, § 84 III AktG) gehört nicht hierher. Sie ist Element der Gesellschaftsverfassung und schützt idR nicht Interessen des Organmitglieds. Auch ein frei abberufbares Organmitglied kann eine unwiderrufliche Vollmacht erteilen (MüKo/Schubert Rn 25), wie es auch die für die Unwiderruflichkeit erforderliche Bindung eingehen kann. b) Begründung der Unwiderruflichkeit. Besteht ein die Unwiderruflichkeit legitimierendes Grundverhältnis, ist die Vollmacht nicht schon deshalb unwiderruflich. Die Unwiderruflichkeit bedarf der besonderen Begr. Gem § 168 S 2 kann der Widerruf durch das Grundverhältnis, daher idR durch Vereinbarung, ausgeschlossen sein (Staudinger/Schilken Rn 12). Rechtfertigt das Grundverhältnis den Ausschluss des Widerrufs, ohne ihn selbst zu bestimmen, so kann nach zutr wohl hL die Unwiderruflichkeit einseitig (konkludent) vom Vollmachtgeber erFinkenauer
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Rechtsgeschäfte
klärt werden (Staudinger/Schilken Rn 11; Soergel/Bayer Rn 32; v Tuhr II 2 S 408f; Bayer DNotZ 2020, 373, 376; auch ohne Begr durch das Grundverhältnis: MüKo/Schubert Rn 27). Das entspricht der Bevollmächtigung als einseitigem Rechtsgeschäft. Die Gegenauffassung, die eine Vereinbarung voraussetzt (RGZ 109, 331, 333; Grü/ Ellenberger Rn 6), vermengt Voraussetzungen des Grundverhältnisses mit solchen der Vollmacht. Die Rspr neigt dazu, bei hinreichendem Interesse des Bevollmächtigten eine stillschw Vereinbarung der Unwiderruflichkeit anzunehmen (BGH WM 1985, 646f; NJW-RR 1991, 439, 442); anders, wenn aufgrund der Vollmacht ein bindendes Grundverhältnis erst errichtet werden soll (BGH WM 1965, 107). ZT nimmt die Rspr Unwiderruflichkeit ohne weitere Voraussetzungen an, wenn die Vollmacht nach dem Grundverhältnis in erster Linie dem Interesse des Bevollmächtigten oder desjenigen dient, dem dieser verpflichtet ist (BayObLG NJW-RR 2002, 443f). Wird die Vollmacht ohne ein hinreichendes Grundverhältnis als „unwiderruflich“ erteilt, ist nur der Widerrufsverzicht, idR aber nicht über § 139 die gesamte Vollmacht, nichtig (Soergel/Bayer Rn 35; MüKo/Schubert Rn 29), sofern der Widerrufsverzicht nicht zu einer Formbedürftigkeit und daher zur Formnichtigkeit (Rn 18) führt. c) Folgen der Unwiderruflichkeit. Die unwiderrufliche Vollmacht für ein formbedürftiges Geschäft bedarf der für dieses vorgeschriebenen Form. Das gilt wegen faktischer oder vermeintlicher Bindung auch dann, wenn die Vollmacht mangels eines Grundgeschäfts oder wegen dessen Formnichtigkeit tatsächlich nicht unwiderruflich ist (§ 167 Rn 5). Die Vollmacht ist mangels der erforderlichen Form insg formnichtig. Eine zum Vollzug eines Schenkungsversprechens erteilte Vollmacht unter Befreiung von § 181 ist nicht Schenkungsvollzug iSv § 518 II, § 2301 II (BGHZ 87, 19, 25). Auch die grds unwiderrufliche Vollmacht kann nach hM aus wichtigem Grund widerrufen werden (BGH NJW 1988, 2603f; München NJW-RR 2015, 1230 Rn 43; MüKo/Schubert Rn 30; Staudinger/Schilken Rn 14; aA Flume § 53, 4). Nach dem Grundverhältnis ist zu beurteilen, ob ein wichtiger Grund vorliegt (BGH NJW 1988, 2603; WM 1969, 1009). Dessen Beendigung oder Kündbarkeit gibt den wichtigen Grund für den Widerruf der Vollmacht. Ohne seine Beendigung wird ein wichtiger Grund nur ausnahmsw in Betracht kommen (BGH WM 1972, 588; NJW 1988, 2603f). Aufgrund der für die Unwiderruflichkeit vorausgesetzten Interessenlage berechtigt die unwiderrufliche Vollmacht idR zur Erteilung von Untervollmachten (s § 167 Rn 64). Die erfüllungshalber unwiderruflich erteilte Vollmacht soll sogar als Attribut der zugrunde liegenden Forderung mit dieser übertragbar sein (Flume § 53, 6, s auch Rn 10); richtigerweise bedeutet die Übertragung eine Untervollmacht mit Vollmachtsverzicht des Erstbevollmächtigten (Staudinger/Schilken § 167 Rn 60). 7. Prozessuales. Die Beweislast trägt für das Erlöschen der Vollmacht derjenige, der das Erlöschen behauptet (BGH NJW-RR 2017, 58 Rn 10). Wer sich dagegen darauf beruft, das Geschäft sei bereits vor Erlöschen der Vollmacht abgeschlossen worden, muss dies beweisen (BGH WM 1984, 603, 604). Der Widerruf bedarf nicht der Form des § 29 GBO (München DNotZ 2013, 372 Rn 15).
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Vollmacht des Beauftragten und des geschäftsführenden Gesellschafters
Soweit nach den §§ 674, 729 die erloschene Vollmacht eines Beauftragten oder eines geschäftsführenden Gesellschafters als fortbestehend gilt, wirkt sie nicht zugunsten eines Dritten, der bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts das Erlöschen kennt oder kennen muss. 1. Inhalt. Durch §§ 674 (auch iVm 675), 729 wird die Fortgeltung eines Auftrags, Geschäftsbesorgungsverhältnisses oder der Geschäftsführungsbefugnis zugunsten des Beauftragten/geschäftsführenden Gesellschafters fingiert, wenn dieser das Erlöschen seiner Befugnis weder kannte noch kennen musste. Nach § 168 gilt dann auch die Vollmacht weiter. Hiervon macht § 169 eine Ausnahme. Die Vollmacht, deren Fortbestand auf dieser Fiktion beruht, gilt nicht zugunsten eines Dritten, der bei Vornahme des Geschäfts das Erlöschen der Vollmacht kannte oder kennen musste, dh, wenn er wusste oder wissen musste, dass im Falle des § 674 der Auftrag erloschen, im Falle des § 729 die Gesellschaft aufgelöst ist (Staudinger/Schilken Rn 3). Der Vertreter handelt dann ohne Vertretungsmacht. Wegen § 179 III 1 haftet er dem Dritten nicht. 2. Anwendungsbereich. Der Fortbestand einer Außenvollmacht gem §§ 170–172 gilt nicht, wenn der Dritte das Erlöschen der Vollmacht kannte oder kennen musste, § 173. Für § 169 ist daneben kein Raum; er kommt daher nur bei reinen Innenvollmachten zur Anwendung. Bei anderen oder unwirksamen Grundverhältnissen oder einer isolierten Vollmacht ist § 169 unanwendbar (NK/Ackermann Rn 2). Bei Insolvenz des Vollmachtgebers gilt § 117 InsO.
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Wirkungsdauer der Vollmacht
Wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird. 1. Bedeutung. Die Vorschrift dient dem Schutz des gutgläubigen (s § 173) Dritten, der auf den (Fort-)Bestand einer ihm ggü erklärten Vollmacht (Außenvollmacht; § 167 Rn 2) vertraut. 2. Voraussetzungen. Nach hL muss eine wirksam erteilte Außenvollmacht vorgelegen haben. Ist die Erteilung der Außenvollmacht nicht wirksam, so soll § 170 nicht – auch nicht analog – anwendbar sein (MüKo/Schubert Rn 6f mwN; aA Staudinger/Dilcher12 Rn 2f). Das widerspricht der hM zu §§ 171, 172 (s § 172 Rn 9). Nach hL ist der Dritte (durch § 171) geschützt, wenn der Geschäftsherr ihm anzeigt, er habe den Vertreter bevollmächtigt, aber nicht geschützt, wenn er ihm schreibt, er bevollmächtige den Vertreter, und dies, auch wenn die 578
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Vertretung und Vollmacht
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Vollmacht in beiden Fällen zB wegen eines Formmangels nichtig ist. Gegen eine solche Differenzierung mit Recht Staudinger/Coing11 Rn 3; Flume § 49, 2 (S 828: „völlig abwegig“). Wie bei §§ 171, 172 sollte darauf abgestellt werden, ob ein zurechenbarer Rechtsschein gesetzt wurde (§ 172 Rn 1). I Erg ist deshalb danach zu differenzieren, ob die Nichtigkeit auf den §§ 104ff, 116ff beruht (dann gilt § 170 nicht) oder auf anderen Gründen (dann gilt § 170); s § 171 Rn 3 und § 172 Rn 5, 9. Der Dritte muss von der Vollmacht Kenntnis erlangt haben (teleologische Reduktion, s auch MüKo/Schubert Rn 6 mwN). Ist die Vollmacht wirksam und noch in Kraft, besteht die Vertretungsmacht bereits nach § 167. 3. Wirkungen. Die Außenvollmacht bleibt dem gutgläubigen (§ 173) Empfänger ggü in Kraft, bis ihr Erlöschen dem Dritten angezeigt worden ist; die „diskrete Andeutung“ einer Veränderung der Vertreterstellung reicht als Anzeige in diesem Sinne nicht aus (Frankfurt NJOZ 2006, 4743, 4745ff). Die Anzeige ist eine geschäftsähnl Handlung (Einl § 104 Rn 7); sie wird wirksam mit ihrem Zugang beim Geschäftsgegner. Die Wirkung entfällt oder endet, wenn der Empfänger aus anderen Gründen das Erlöschen der Vollmacht kennt oder kennen muss (§ 173). Nach der hier vertretenen Auffassung (Rn 2) gilt ggf auch die – zB wegen Formmangels – nichtige Vollmacht zugunsten des gutgläubigen Dritten. 4. Entspr Anwendung. § 170 gilt entspr bei späteren inhaltlichen Beschränkungen der Vollmacht (RG JW 1915, 998ff). 5. Insolvenz des Vollmachtgebers. Es hat § 117 InsO Vorrang vor § 170 (MüKo/Schubert Rn 8). 6. Beweislast. Sie trifft für die Erteilung der Außenvollmacht denjenigen, der Rechte gegen den Vertretenen geltend macht. Der Vertretene muss die Voraussetzungen einer wirksamen Erlöschensanzeige oder der Bösgläubigkeit beweisen.
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Wirkungsdauer bei Kundgebung
(1) Hat jemand durch besondere Mitteilung an einen Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung kundgegeben, dass er einen anderen bevollmächtigt habe, so ist dieser aufgrund der Kundgebung im ersteren Falle dem Dritten gegenüber, im letzteren Falle jedem Dritten gegenüber zur Vertretung befugt. (2) Die Vertretungsmacht bleibt bestehen, bis die Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird. 1. Bedeutung. Die Vorschrift behandelt die Kundgabe der Bevollmächtigung eines anderen nicht als Außenvollmacht (§ 167 I Var 2, § 170), aber stellt sie in den Wirkungen einer Außenvollmacht gleich. Nach hM normiert § 171 eine Rechtsscheinsvollmacht, die Vorbild für das allg Institut der Rechtsscheinsvollmacht (dazu § 167 Rn 9ff) sein soll (MüKo/Schubert § 167 Rn 94, § 170 Rn 2f). Relevant wird § 171 danach nur, wenn die (kundgegebene) Innenvollmacht tatsächlich nicht (mehr) besteht. Nach der überzeugenden Gegenauffassung ist die Kundgabe als solche (Außen-)Vollmacht (Flume § 49, 2a, c; § 51, 9; Leenen/Häublein § 9 Rn 83; diff Staudinger/Schilken Rn 3; Neuner § 50 Rn 69; s auch § 167 Rn 12). Auch nach hM ist die Kundgabe geschäftsähnl Handlung (Rn 3). Der Streit hat daher wenig praktische Relevanz. Zur Anwendung der §§ 171ff im Falle einer wegen Verstoßes gegen § 3 RDG nichtigen Vollmacht, insb beim Vertrieb von Kapitalanlagen, § 172 Rn 10. 2. Voraussetzungen. Der Geschäftsherr muss ggü einem Dritten oder ggü der Öffentlichkeit die Erteilung einer Vollmacht kundgegeben haben. Darauf, ob überhaupt eine Innenvollmacht erteilt wurde, ob diese (noch) wirksam ist und ob sie den Umfang der kundgegebenen Vollmacht hat oder hatte, kommt es nicht an (Staudinger/Schilken Rn 7; MüKo/Schubert Rn 16; RGZ 108, 127). a) Mitteilung an Dritte. Sie erfolgt an einen anderen als den Bevollmächtigten selbst, schriftlich oder mündlich, ausdr oder konkludent. Sie muss ggü dem Dritten den Willen zur Kundgabe zum Ausdruck bringen und für den Empfänger die Person des Bevollmächtigten und den Inhalt der Vollmacht hinreichend deutlich erkennen lassen. Sie kann auch durch einen gem § 172 legitimierten Vertreter erfolgen (aA Soergel/Bayer Rn 12), aber nicht mündlich durch den Bevollmächtigten selbst (MüKo/Schubert Rn 8). Die Erklärung ggü dem Dritten ist nach hM keine Willenserklärung (s Rn 1), sondern geschäftsähnl Handlung. Die §§ 104ff, 116ff finden grds Anwendung (BGHZ 65, 13, 14; BGH NJW 1977, 622, 623; MüKo/Schubert Rn 7, 9). Der Kundgebende muss also voll geschäftsfähig sein oder als beschränkt Geschäftsfähiger mit Einwilligung seines gesetzl Vertreters handeln. Fehlt das Bewusstsein einer Vollmachtskundgabe, so liegt gleichwohl eine wirksame Erklärung vor (Vor § 116 Rn 4, 15ff). b) Öffentliche Bekanntmachung. Sie ist die Kundgabe in einer einem nicht begrenzten Personenkreis zugänglichen Weise, zB durch Zeitungsanzeige, öffentlichen Aushang oder Eintragung im Handelsregister (RGZ 133, 229, 233). Die Aufnahme der Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats in den Registerordner genügt diesem Erfordernis ebenfalls (BGHZ 225, 198 Rn 64ff), nicht dagegen die Anmeldung zur Eintragung in das Gewerberegister, Hamm NJW 1985, 1846f. Weiterreichend ist der Schutz nach § 15 I, III HGB; s auch § 174 Rn 9. c) Kenntnis von Kundgabe. Notwendig ist nach hM wie in § 170 (§ 170 Rn 2) immer Kenntnis von der Kundgabe; der bloße Zugang genügt nicht, begründet jedoch die Vermutung der Kenntnis (MüKo/Schubert Rn 14 mwN). 3. Folge des Abs I. Der als Vertreter Benannte ist trotz Fehlens, Wegfalls oder Beschränkung der Innenvollmacht ggü dem Kundgabeempfänger, bei öffentlicher Kundgabe ggü jedem, der von der Kundgabe Kenntnis hat, Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
zur Vertretung befugt, jedoch dem Umfang nach nur nach Maßgabe der Kundgabe und nur unter der Voraussetzung des guten Glaubens (§ 173). Erfolgt die Kundgabe nach Abschluss des Vertretergeschäfts, so wirkt sie nicht zurück (RGZ 104, 358, 360), kann aber uU als Genehmigung ausgelegt werden. 4. Willensmängel. Die Kundgabe kann als geschäftsähnl Handlung wie eine externe Vollmacht angefochten werden (MüKo/Schubert Rn 9; Soergel/Bayer Rn 25; aA Erman/Palm12 Rn 3; zur Anfechtung der externen Vollmacht nach deren Gebrauch § 167 Rn 44ff). Unbeachtlich ist aber ein Irrtum darüber, ob eine Innenvollmacht erteilt war, wie auch ein Irrtum über die Wirkung der Kundgabe (Soergel/Bayer Rn 25; Staudinger/Schilken Rn 9). 5. Widerruf. Die Wirkung der Kundgabe endet mit deren Widerruf (Abs II). Dieser muss „in derselben Weise“ wie die Kundgabe erfolgen. „In derselben Weise“ bezieht sich nicht auf die Form, sondern auf die Konstellation: Kundgabe ggü einem bestimmten Dritten oder durch öffentliche Bek (MüKo/Schubert Rn 17f). Im letzteren Fall muss der Widerruf gleichfalls öffentlich erklärt werden, so dass er ungefähr demselben Personenkreis bekannt wird; nicht erforderlich ist, dass dieselbe Form der Bek gewählt wird. Die Kundgabewirkung endet in diesem Fall, sobald für den Adressatenkreis die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Der gleichwohl noch Gutgläubige wird nicht mehr geschützt. Die durch Mitteilung an mehrere Dritte oder durch öffentliche Bek kundgegebene Vollmacht kann einem Einzelnen ggü auch durch besondere Mitteilung an ihn entkräftet werden; mit Zugang des Widerrufs entfällt dann die Kundgabewirkung mit Wirkung ggü dem Widerrufsempfänger (Staudinger/Schilken Rn 10; aA Flume § 51, 9, der diesen Fall nach § 173 löst). 6. Beweislast. Für die Kundgabe ist derjenige beweispflichtig, der Rechte gegen den Vertretenen geltend macht; den Widerruf der Kundgabe muss der Vertretene beweisen. Zu dem nach § 29 GBO erforderlichen Nachw ggü dem Grundbuchamt, dass kein Widerruf erfolgt ist, Köln DNotZ 1984, 569, 571.
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Vollmachtsurkunde
(1) Der besonderen Mitteilung einer Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber steht es gleich, wenn dieser dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt hat und der Vertreter sie dem Dritten vorlegt. (2) Die Vertretungsmacht bleibt bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird. 1. Bedeutung. Die Vorschrift behandelt es als einen Sonderfall der Vollmachtskundgabe (§ 171), wenn dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt und von diesem dem Geschäftspartner vorgelegt wird. Aushändigung und Vorlage führen nicht zum Bestehen einer Außenvollmacht, aber durch die Verweisung auf § 171 wird die Vollmachtsurkunde in ihren Wirkungen einer Außenvollmacht gleichgestellt (s § 171 Rn 1). Die dem Bevollmächtigten ausgehändigte Vollmachtsurkunde ist als solche Innenvollmacht. Wirkung entfaltet die Vorschrift nur, wenn die Vollmacht nicht oder nicht mehr wirksam ist (dazu Rn 8ff). Die Vorschrift schützt dann den gutgläubigen (§ 173) Dritten. Grundlage des Schutzes ist der zurechenbare Rechtsschein (hM; BGH NJW 2003, 2091f; MüKo/Schubert Rn 1; aA Flume § 49, 2, der wie bei der Vollmachtskundgabe Außenvollmacht annimmt). 2. Anwendungsbereich. Die Vorschrift gilt nicht für die Prozessvollmacht und nicht für Vollmachten für prozessuale Handlungen wie die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gem § 794 I Nr 5 ZPO (BGHZ 154, 283; krit Paulus/Henkel NJW 2003, 1692). Wenn allerdings aufgrund einer nichtigen Vollmacht gem § 172 wirksam ein Darlehensvertrag für den Vollmachtgeber abgeschlossen wurde, der den Vollmachtgeber zur Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung verpflichtet, kann dieser sich nicht darauf berufen, dass die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung mangels wirksamer Vollmacht nichtig ist (BGH NJW 2004, 59; 2006, 2118f). Die Vorschrift gilt auch nicht für die Vorlage der Bestallungsurkunde eines gesetzl Vertreters oder Vermögensverwalters (RGZ 74, 263, 267). Zur Abgrenzung von § 171 für die in einem Vertrag erteilte Vollmacht Köln DNotZ 1984, 569, 570f. Entspr wird § 172 auf die Eintragungsbewilligung (§§ 19f GBO) angewendet (Staudinger/Schilken Rn 7). 3. Voraussetzungen. Abs I setzt die Aushändigung einer Vollmachtsurkunde an den Vertreter und deren Vorlage an den Dritten voraus. a) Vollmachtsurkunde. Die Urkunde muss schriftlich abgefasst, dh vom Vollmachtgeber unterzeichnet (§ 126 I) oder notariell beurkundet (§ 126 IV) sein. Die Schriftform ist zwar nicht ausdr vorgeschrieben, ergibt sich aber aus dem Begriff der Urkunde. Elektronische Form (§ 126a) scheidet aus praktischen Gründen aus – sie käme nur als Mitteilung an den Dritten (§ 171) in Frage. Die Urkunde muss die Bevollmächtigung ausdr und eindeutig enthalten (BGHZ 159, 294, 302f; MüKo/Schubert Rn 15). Keine Vollmachtsurkunde ist ein (notarieller) Gesellschaftsvertrag einer GbR, s KG ZIP 2017, 1853 Rn 11; München ZIP 2011, 2107 Rn 12; Heil NJW 2002, 2158; Staudinger/Schilken Rn 1; s aber auch BGH NJW 2002, 1194f. Im Zweifel ist die Vollmacht eng auszulegen (Köln NJW-RR 2001, 652f). Für die Bestellungsurkunde eines Betreuers gilt § 172 nicht (BGH FamRZ 2010, 968f). Die in notarieller Urkunde einem Notariatsangestellten erteilte Vollzugs- und Grundbuchvollmacht ist idR nicht Vollmachtsurkunde, sondern urkundlich bewiesene mündliche Bevollmächtigung, Köln MittRhNotK 1983, 209; Brandenburg NotBZ 2012, 133. b) Aushändigung. Die Vollmachtsurkunde ist ausgehändigt, wenn sie von dem Vollmachtgeber bewusst in Verkehr gebracht wird. Das kann durch Übergabe, Versand oder Anweisung an den beurkundenden Notar zur 580
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Vertretung und Vollmacht
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Auslieferung einer Ausfertigung geschehen. Die Ausstellung sowie die Anweisung an den Notar zur Aushändigung von Ausfertigungen ist Willenserklärung, die Aushändigung durch Übergabe geschäftsähnl Handlung. §§ 104ff und 116ff sind anwendbar (BGH NJW 1977, 622f; einschränkend MüKo/Schubert Rn 17ff). Die sich aus der Vorschrift ergebende Bevollmächtigung ist auch nach ihrem Gebrauch wie eine externe Vollmacht anfechtbar (dazu § 167 Rn 44ff). Im Falle eines danach beachtlichen Irrtums ist der durch die Vollmachtsurkunde geschaffene Rechtsschein nicht zurechenbar. Die Vollmachtsurkunde ist nicht ausgehändigt, wenn der in ihr Bezeichnete sie sich eigenmächtig verschafft hat, auch wenn der Aussteller die Entwendung durch fahrlässige Verwahrung ermöglicht hat (BGHZ 65, 13). c) Vorlage. aa) Die Urkunde muss (im Original oder, im Falle notariell beurkundeter Vollmachten, in Ausfertigung) vorgelegt werden (BGHZ 102, 60, 63; BGH NJW-RR 2007, 1199, 1201). Vorlage auch beglaubigter Ablichtungen genügt nicht, denn die Ablichtung beweist nicht, dass das Original noch existiert und nicht zurückgegeben wurde. Die Vorlage der dem Vollmachtgeber erteilten Ausfertigung genügt (Frankfurt FGPrax 2013, 103), nicht aber die Vorlage der einem anderen Bevollmächtigten erteilten Ausfertigung (München DNotZ 2008, 844; FGPrax 2013, 60; str; aA Grü/Ellenberger Rn 3 mN); letztere beweist nicht die Aushändigung an den Vertreter. Die Vorlage einer als Original gemeinten Durchschrift genügt (BGH NJW 2006, 1957 Rn 24). Ausreichend ist die Vorlage eines Vertragsangebots, auch ohne die darin in Bezug genommene „Stammurkunde“, wenn die Vollmacht in dem Angebot klar genug und nicht von der Annahme abhängig ist (BGH NJW 2005, 668f); ist sie durch die Annahme bedingt, so genügt zu deren Nachw die Vorlage einer beglaubigten Abschrift (Stuttgart WM 2007, 1121). Vorlage bedeutet die Ermöglichung „unmittelbarer sinnlicher Wahrnehmung“ (BGHZ 76, 76, 78; 102, 60, 63). Dass der Dritte Einsicht in die Urkunde nimmt, ist nach zutr hM nicht erforderlich (BGHZ 76, 76, 78; 102, 63; Staudinger/Schilken Rn 3); aA Erman/Palm12 Rn 9 unter Hinweis auf die gegenteilige hM zu § 171 (§ 171 Rn 5); dort geht es jedoch um Kenntnis von der Existenz der Kundgabe, hier um den Inhalt. Es genügt, wenn bei gleichzeitiger Anwesenheit die Vollmacht dem beurkundenden Notar vorgelegt wird (RGZ 97, 273, 275) oder wenn bei einseitigen Urkunden dem Notar die Vollmacht vorgelegt wird und dieser dies in seiner Urkunde festhält und der Urkunde eine beglaubigte Abschrift der Vollmacht beifügt (BGH NJW 2006, 2118, 2119f; NJW-RR 2007, 1199, 1201; s § 12 BeurkG), anders noch BGHZ 102, 60, 63, der hier Rechtsscheinsvollmacht annimmt – durch die neuere Rspr überholt (§ 167 Rn 34). Nach hM (BGHZ 76, 76, 78; Köln WM 2000, 2139, 2141; Soergel/Bayer Rn 15; Staudinger/Schilken Rn 3) genügt es, wenn in dem beurkundeten Vertretergeschäft auf die Vollmacht Bezug genommen wird und der Notar auch die Vollmacht beurkundet hat, in die der bei der Beurkundung anwesende Dritte dann ohne weiteres Einsicht nehmen kann; zweifelhaft, denn der Notar hat nur die Urschrift, darf Ausfertigungen nur an Urkundsbeteiligte oder nach deren Weisung erteilen (Winkler § 51 BeurkG Rn 8) und weiß nicht, ob der Vollmachtgeber sich die bisherigen Ausfertigungen vom Bevollmächtigten hat zurückgeben lassen (§ 172 II). bb) Die Vorlage muss an den Dritten erfolgen: Der Bevollmächtigte selbst – auch als Geschäftspartner – ist nicht Dritter (RGZ 104, 358, 360; BGH NJW 2012, 3424 Rn 13). Es genügt aber, wenn die Vollmacht bei Vertragsabschluss vorliegt und der Bevollmächtigte mit beiderseitiger Befreiung von § 181 auch den Dritten vertritt (BGH NJW 2005, 2983, 2985). Die Urkunde muss spätestens bei Geschäftsabschluss vorgelegt werden (RGZ 104, 358, 360), auch eine Vollmacht zur Aufnahme eines Darlehens vor Vertragsabschluss (BGH NJW 2008, 3355 Rn 18f), aber auch vor – ggf vorgezogener – Auszahlung des Darlehens (München WM 2009, 217, 219). Dafür soll Vorlage nach Absendung, aber vor Zugang der Annahmeerklärung genügen, BGH NJW-RR 2012, 622 Rn 22ff iVm Rn 3; krit Maier EWiR 2012, 169. Ist die Urkunde vor Geschäftsabschluss vorgelegt worden, so genügt Bezugnahme auf sie; nochmalige Vorlage bei Geschäftsabschluss ist nicht erforderlich, jedoch trägt der Dritte dann das Risiko einer zwischenzeitl Beendigung der Wirkung gem § 172 II. 4. Rechtsfolge. Die ausgehändigte und vorgelegte Vollmachtsurkunde wirkt als Vollmachtkundgabe an den Dritten. Dessen guter Glaube (§ 173) an die Entstehung, den Fortbestand und den Umfang der Vollmacht gem der Urkunde wird damit geschützt. Der Schutz gilt auch ggü einem (erfolgten oder noch möglichen) Widerruf der außerhalb von Geschäftsräumen erteilten Vollmacht (§ 312b; BGHZ 144, 223, 230f zu § 1 HausTWG). Der Schutz des § 172 I gilt auch für von Anfang an unwirksame Vollmachten (RGZ 108, 125, 127; BGH NJW 1985, 730). Auf den Grund der Unwirksamkeit kommt es nicht an (BGH NJW 2005, 820, 823), sofern er nicht – zB wegen Geschäftsunfähigkeit oder eines Willensmangels – die Zurechenbarkeit des Rechtsscheins ausschließt (s Rn 5). Der Schutz gilt auch, wenn der Bevollmächtigte von dem Geschäftspartner ausgewählt ist (BGH NJW 2005, 2983f; 2008, 1585, 1587f). Der Schutz gilt auch für eine Vollmacht, die wegen Verstoßes gegen das RBerG/§ 3 RDG nichtig ist, vgl BGHZ 167, 223; BGH NJW 2008, 1585 (jew XI. ZS) sowie NJW 2005, 2983 (V. ZS). Dann entfällt nicht etwa bereits der Tatbestand des § 172 (aA Celle NJOZ 2005, 1140, 1142; Karlsruhe NJW 2003, 2690 [aufgehoben durch BGH NJW 2005, 1190]). Der Schutz gilt auch zugunsten des Initiators des Projekts (BGH NJW 2008, 1585; aA der nicht mehr zuständige II. ZS zB BGHZ 159, 294, 301). Zur Frage einer Rechtsscheinsvollmacht in diesen Fällen § 167 Rn 34f, zur Genehmigung § 177 Rn 14f. Zur Relevanz von Willensmängeln s Rn 5 sowie § 171 Rn 7 und § 167 Rn 44ff. 5. Beendigung der Wirkungen der Vollmachtsurkunde. Sie erfolgt gem Abs II durch Rückgabe der Vollmachtsurkunde an den Vollmachtgeber oder einen von ihm Beauftragten oder durch Kraftloserklärung (s auch Rn 15). Finkenauer
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a) Rückgabe. Rückgabe iSd Abs II ist Besitzerlangung durch den Vollmachtgeber oder dessen Besitzdiener oder -mittler mit Willen des Bevollmächtigten (MüKo/Schubert Rn 27; Staudinger/Schilken Rn 9). Hat sich der Vollmachtgeber die Urkunde ohne Willen des Bevollmächtigten verschafft, ist zwar keine Vorlage mehr möglich, die Wirkung einer bereits erfolgten Vorlage (Rn 7) bleibt aber bis zu einer Erlöschensanzeige (Rn 15) oder Kraftloserklärung (§ 176) bestehen. Der befugten Rückgabe/Rücknahme ist die nachträgl Genehmigung der unbefugten Aneignung gleichzusetzen. Bei Aushändigung mehrerer Vollmachtsurkunden ist die Rückgabe sämtlicher Urkunden erforderlich. b) Kraftloserklärung. Sie erfolgt nach Maßgabe des § 176. c) Erlöschensanzeige, Widerruf. Über die in Abs II genannten Tatbestände hinaus kann der durch Aushändigung der Vollmachtsurkunde geschaffene Rechtsscheinstatbestand auch durch Erlöschensanzeige oder Widerruf beseitigt werden, jedoch nur mit Wirkung ggü dem einzelnen Erklärungsempfänger (hM; Soergel/Bayer Rn 23; Staudinger/Schilken Rn 10). Das ergibt sich bereits aus der Gleichstellung mit der Vollmachtskundgabe (§ 172 I) und § 171 II. Die Gegenmeinung (MüKo/Schubert Rn 28; Bork AT Rn 1529) verweist auf § 173, der nicht nur Zugang, sondern auch Kenntnis oder Kennenmüssen des Widerrufs voraussetzt. § 172 II greift nicht bzgl einer vom Vertreter erklärten Bewilligung (§ 19 GBO), wenn die Vollmacht nach Beurkundung, aber vor Eingang der Bewilligung widerrufen und dies dem Grundbuchamt bekannt wird (München Rpfleger 2019, 385 Rn 43ff). 6. Blanketturkunden; Vollmachtsbescheinigungen. Für Blanketturkunden, bei denen der Unterzeichner die Ausfüllung des Urkundentextes einem Dritten überlässt, sind im Grundsatz die Vertretungsregeln analog heranzuziehen. Voraussetzung ist eine Unterschrift; eine blanko geleistete „Oberschrift“ reicht nicht aus (BGHZ 113, 48). Nach hM soll auch ausnahmsw Formbedürftigkeit entgegen § 167 II für die Ermächtigung zur Vervollständigung der Urkunde bestehen (s zu § 766 BGHZ 132, 119; zu § 4 VerbrKrG [heute § 492] BGH NJW-RR 2005, 1141; BGHZ 167, 239 Rn 24; Erman/Maier-Reimer15 Rn 16). Richtigerweise ist indes auf das ausgefüllte Blankett insg abzustellen und daher zu prüfen, ob die Formzwecke erfüllt worden sind (§ 125). Ein Blankett genügt einer Formvorschrift mit Warnfunktion nur, wenn eine Einheit von Textinhalt und Unterschrift besteht, der Aussteller den Inhalt wahrgenommen hat; § 167 II passt dagegen nicht. Besteht allerdings kein Warnzweck, ist das ausgefüllte Blankett formwirksam (Binder AcP 207, 155, 177, 184, 187, 197). Den Rechtsgedanken der §§ 171, 172 wendet die hM entspr an; der Unterzeichner trägt dann das Risiko des Missbrauchs (BGHZ 40, 65; 40, 297, 305; 113, 48, 54; sowie für den Fall einer Blankobürgschaft BGHZ 132, 119, 127 = BGH JZ 1997, 305 m krit Anm Pawlowski; Canaris, Die Vertrauenshaftung im dt Privatrecht, 1973, 54ff; Medicus/Petersen AT Rn 913; Erman/ Maier-Reimer15 Rn 16; MüKo/Schubert Rn 2ff; zu Recht krit G. Müller AcP 181, 515; Binder AcP 207, 155; s auch § 119 Rn 20). Weil nur der gutgläubige Empfänger einer vollständigen Urkunde geschützt werden soll, greift der Schutz nicht ein, wenn der Empfänger der Urkunde selbst ein Blankett ohne wirksame Vollmacht oder Ermächtigung ergänzt, mag er auch auf die Wirksamkeit seiner Befugnis vertrauen (BGHZ 132, 119, 125; dazu s auch § 167 Rn 6). Die anzunehmende Ermächtigung deckt nur die erste Ausfüllung des Blanketts (Saarbrücken NJW-RR 2001, 993, 994). Die gleichen Grundsätze gelten, wenn eine Vollmacht ihrerseits als Blankett ausgestellt ist. Mit der Gegenauffassung ist jedoch eine Haftung des Ausstellers eines formnichtigen Blanketts ggü dem gutgläubigen Adressaten entspr §§ 171, 172 abzulehnen, weil der Schutzzweck der gesetzl Formvorschrift mit Warnfunktion (zB § 766) vorrangig ist (Binder AcP 207, 155, 196f). – Zur analogen Anwendung der §§ 172f auf Vollmachtsbescheinigungen, also bloßen behördlichen oder notariellen Wissensmitteilungen über das Bestehen einer Vertretungsberechtigung, bei Stiftungen und GbR vgl MüKo/Schubert Rn 7ff. 7. Beweislast. Wer sich auf die Rechtswirkungen des § 172 beruft, hat die Echtheit der Vollmachtsurkunde und deren Vorlegung durch den Vertreter zu beweisen. Der Vertretene hat die Beweislast dafür, dass er die Urkunde nicht ausgehändigt hat und dass die Vollmachtsurkunde an den Vertretenen zurückgegeben, für kraftlos erklärt oder widerrufen worden ist. Zur Beweislast für die Bösgläubigkeit des Geschäftsgegners s § 173 Rn 10.
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Wirkungsdauer bei Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis
Die Vorschriften des § 170, des § 171 Abs. 2 und des § 172 Abs. 2 finden keine Anwendung, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss. 1. Grundgedanke. Die §§ 170–172 schützen das Vertrauen in eine (so) nicht oder nicht mehr bestehende Vertretungsmacht. Diesen Schutz verdient nicht, wer weiß oder wissen muss, dass die Vertretungsmacht nicht oder nicht mehr besteht. 2. Anwendungsbereich der Vorschrift. Er entspricht demjenigen der §§ 170–172. Diese gelten über ihren Wortlaut hinaus auch, wenn die Vollmacht von vornherein unwirksam ist (§ 170 Rn 2, 3; § 171 Rn 2, 6; § 172 Rn 8ff). Entspr wird nach allgM über den Wortlaut hinaus dem Dritten der Schutz versagt, wenn er weiß oder wissen muss, dass die Vollmacht von vornherein nicht bestand oder erloschen ist oder das Geschäft nicht (mehr) deckt (RGZ 108, 125, 127f; BGHZ 102, 60, 66; BGH NJW 1985, 730; MüKo/Schubert Rn 1). Zum Verhältnis zu § 15 II HGB BeckOGK/Deckenbrock Rn 34ff. 3. Voraussetzungen. a) Erlöschen der Vertretungsmacht. Die §§ 170–172 gelten nicht, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht kennt oder kennen muss. Das Gesetz setzt im unmittelbaren Anwendungsbereich also voraus, dass die Vertretungsmacht erloschen ist, während nach §§ 170, 171 II, § 172 II die Vertretungsmacht bestehen bleibt. Aus § 173 folgt: Das Gesetz geht auch in den Fällen der §§ 170–172 von dem Erlö582
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Vertretung und Vollmacht
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schen der Vertretungsmacht (durch internen Widerruf) aus, fingiert aber den Fortbestand zugunsten des gutgläubigen Dritten (s Bork AT Rn 1522 iVm Rn 1517). Die subj Voraussetzungen des § 173 bei dem Dritten beziehen sich also auf die wahre Lage entgegen dem Rechtsschein und der darauf basierenden Fiktion. b) Kennen oder Kennenmüssen. Vorausgesetzt ist, dass der Dritte weiß oder wissen muss, dass die Vertretungsmacht erloschen ist oder von vornherein nicht bestand oder das Geschäft nicht umfasst. Es genügt nicht, dass er die dafür maßgeblichen Umstände kennt oder kennen muss (BGHZ 161, 15, 30; BGH NJW 2008, 1585, 1588). Kenntnis verlangt nicht, dass das Erlöschen aus der Vollmachtsurkunde ersichtlich ist (BGH NJW-RR 1988, 1320f). Kennenmüssen ist jede fahrlässige Unkenntnis (§ 122 II, § 276; s aber Rn 6). Im Interesse des Verkehrsschutzes besteht zwar keine allg Nachprüfungspflicht (BGHZ 144, 223, 230; 167, 223 Rn 29); anderes gilt jedoch, wenn sich aus der Urkunde selbst und/oder den Gesamtumständen für den Dritten berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit oder am Fortbestand der Vollmacht ergeben (RGZ 108, 125, 128; BGH NJW 2008, 845 Rn 17: Formnichtigkeit aufgrund verlautbarter Unwiderruflichkeit; BeckOGK/Deckenbrock Rn 22: starke Zerknitterung der Urkunde). Rechtl Bedenken, die gegen die Wirksamkeit der Vollmacht sprechen, darf sich der Vertragspartner nicht verschließen. Fahrlässig ist die Unkenntnis nur, wenn der Dritte den Schluss ziehen musste, die Vollmacht sei nicht (mehr) wirksam (BGH NJW 2005, 668f). Dabei sind an eine Bank, die über rechtl versierte Fachkräfte verfügt, strengere Sorgfaltsanforderungen zu stellen als an einen juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittsbürger (BGH NJW 2005, 668f; 2005, 1190f). Der Darlehensgeber, der auf eine im Strukturvertrieb von Kapitalanlagen erteilte Vollmacht vertraut, muss nicht prüfen, ob der vertretene Darlehensnehmer hinreichend belehrt wurde (BGH NJW 2000, 2270f). Die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis seiner Hilfspersonen muss sich der Geschäftsgegner zurechnen lassen (§ 166 Rn 16, 27ff). Zur Prüfungspflicht einer Bank bei Abhebung von einem Girokonto durch einen Vertreter BGH MDR 1953, 345; WM 1958, 871f. Nach aA entfällt der Schutz der §§ 170–172 in der Variante des Kennenmüssens wie beim Missbrauch tatsächlicher Vertretungsmacht (§ 167 Rn 75) nur bei Evidenz des Mangels der Vertretungsmacht (Flume § 50, 3) oder evidenten Zweifeln am Mangel (Staudinger/Schilken Rn 2) oder nur bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels (MüKo/Schubert Rn 4). Der Wortlaut iVm § 122 II ist aber eindeutig: jede Fahrlässigkeit genügt (wie hier Soergel/Bayer Rn 6; BeckOGK/Deckenbrock Rn 20f, die aber die praktische Relevanz der Frage bezweifeln). § 173 gilt auch, wenn der Dritte weiß oder wissen muss, dass die Vollmacht angefochten werden kann (§ 142 II; BGH NJW 1989, 2879f). Mit der Nichtigkeit der Vollmacht wegen neuer, noch ungeklärter Rechtsfragen braucht auch eine Bank jedenfalls dann nicht zu rechnen, wenn die Vollmacht notariell beurkundet ist (BGH NJW 1985, 730f). Zur Nichtigkeit der Vollmacht aufgrund geänderter Rspr (RBerG/§ 3 RDG) s BGH NJW 2005, 1190; BGHZ 161, 15, 30f. c) Zeitpunkt. Nach dem Gesetzeswortlaut ist maßgeblich der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Ob es dabei auf die Vornahme des Rechtsgeschäfts als Erklärender oder Empfänger durch den Vertreter oder durch den Dritten oder auf die Vollendung des Gesamtgeschäfts ankommt, ist strittig. Richtigerweise ist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Vertretungsmacht bestehen muss, also der Zugang (§ 130 I 2) der Erklärung des Vertreters oder (bzgl der Empfangsvollmacht) der Erklärung des Dritten bei ihm (Staudinger/Schilken Rn 8; MüKo/Schubert Rn 8; Soergel/Bayer Rn 12f). Die Gegenmeinung stellt auf den Abschluss des Gesamtgeschäfts ab (Soergel/Leptien13 Rn 3; BeckOK/Schäfer Rn 6, 7), bei mehraktigen Verfügungsgeschäften (Übereignung) sogar auf den spätesten Akt (Wacke GreifRecht 2012, 1, 4). Es geht jedoch nicht um den guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft, sondern an die Vertretungsmacht. Das Verständnis der §§ 170–172 als Rechtsscheinstatbestände spricht für die Maßgeblichkeit der Vollendung des rechtsgeschäftlichen Gesamttatbestands, bei zweiseitigen Rechtsgeschäften also des Vertragsabschlusses. Die Gleichstellung der nur kraft Rechtsscheins bestehenden und der tatsächlich bestehenden Vollmacht hat jedoch Vorrang, zumal auch das Vertrauen auf den Bestand eines bindenden Angebots des rechtsscheinslegitimierten Vertreters schutzwürdig ist. 4. Folge. Die (Fortdauer der) Vertretungsmacht, die sich aus §§ 170–172 ergibt, wirkt nicht ggü dem bösgläubigen Geschäftsgegner. Der Vertreter haftet dem Geschäftsgegner nicht wegen vollmachtloser Vertretung (§ 179 III 1). Der Genehmigung des Vertretergeschäfts gem § 177 steht die Vorschrift nicht entgegen. 5. Entsprechende Anwendung. Zur anfänglichen Nichtigkeit der Vollmacht s Rn 2. Hinsichtl der allg Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) bedarf es der Vorschrift nicht, weil es schon an dem Rechtsscheinstatbestand fehlt, wenn der Dritte weiß oder wissen muss, dass die Vollmacht nicht (mehr) besteht. 6. Beweislast. Wer die Kenntnis oder das Kennenmüssen auf Seiten des Geschäftsgegners behauptet, muss entspr Tatsachen beweisen.
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Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten
Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. 1. Zweck und Bedeutung. Wer mit einem Vertreter einen Vertrag abschließt, kann selbst entscheiden, ob er den Vertragsschluss vom Nachw der Vertretungsmacht abhängig macht. An einem einseitigen Rechtsgeschäft, das der Vertreter namens des Geschäftsherrn vornimmt, ist der andere dagegen nur passiv als Adressat beteiligt. Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
Deshalb gibt ihm § 174 das Recht, das Rechtsgeschäft zurückzuweisen, wenn die Vertretungsmacht nicht nachgewiesen ist, um ihm dadurch Gewissheit zu verschaffen. Besondere Bedeutung erlangt dies für fristgebundene Geschäfte wie zB die Kündigung. Die Mehrzahl der entschiedenen Fälle betrifft deshalb Kündigungen von Arbeitsverhältnissen. Entspr oder vergleichbare Regelungen enthalten § 111 S 2, 3, § 182 III, § 1831 S 2. Nach diesem Zweck muss das Zurückweisungsrecht immer dann bestehen, wenn der Dritte keinen Schutz durch die §§ 170–172 hat. Entspr sind die einzelnen Voraussetzungen auszulegen. 2. Anwendungsbereich. a) Sachlicher Anwendungsbereich. Unmittelbar anwendbar ist die Vorschrift auf empfangsbedürftige Willenserklärungen eines Stellvertreters, nicht dagegen auf streng einseitige Rechtsgeschäfte (Einl § 104 Rn 15). Entspr anwendbar ist die Vorschrift auf mündlich durch einen Boten übermittelte Erklärungen (BGH NJW-RR 2007, 1705 Rn 19; MüKo/Schubert Rn 3); ebenso auf geschäftsähnl Handlungen, die von einem Vertreter vorgenommen werden, wie Mahnung (BGH NJW 1983, 1542), wettbewerbsrechtl Abmahnung (Düsseldorf GRUR-Prax 2009, 23; MüKo/Schubert Rn 6; str; anders, wenn die Abmahnung mit dem Angebot einer Unterwerfungsvereinbarung verbunden ist, BGH GRUR 2010, 1120 Rn 12ff), Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558ff (Hamm NJW 1982, 2076 zu § 2 MHG aF), Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung gesetzl Ausschlussfristen (BGH NJW 2001, 289, 290f; zweifelnd MüKo/Schubert Rn 7), Ausübung eines aktienrechtl Bezugsrechts (KG AG 2006, 201), Werbewiderspruch (AG Nürnberg ZD 2018, 189), Zurückweisung nach § 174 selbst. Nach hM gilt § 174 entspr auch für die Annahme eines Vertragsangebots unter Abwesenden (BGH NJW-RR 2007, 1705 Rn 19; Soergel/Leptien13 Rn 7; unklar MüKo/Schubert Rn 3; aA Bork AT Rn 1532), richtigerweise jedoch nur, wenn das Angebot nicht ggü demselben Vertreter gemacht war (Staudinger/Schilken Rn 2; unklar MüKo/Schubert Rn 4); wer ein Vertragsangebot an einen Vertreter abgibt, ist bzgl dieses Vertreters nicht in der in § 174 vorausgesetzten Lage. Nicht anwendbar ist § 174 auf die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen (BAG NJW 2003, 236; Staudinger/Schilken Rn 2; Soergel/Bayer Rn 39), auf die Einleitung der Anhörung des Betriebsrats gem § 102 BetrVG (BAG NZA 2013, 669 Rn 70ff gegen LAG Baden-Württemberg LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr 16 Rn 82ff), auf die von einem RA im gesetzl Umfang einer Prozessvollmacht abgegebene Erklärung (BGH NJW 2003, 963, 964; zu weit Köln FamRZ 2003, 940) oder auf die Erhebung einer Rüge gem § 556g II (BGH NJW-RR 2022, 1093 Rn 58ff). Zu Recht gegen eine analoge Anwendung auf das Auskunftsverlangen gem § 15 DSGVO Arens NJW 2021, 3417; aA Stuttgart BeckRS 2021, 6282 Rn 32f. b) Persönlicher Anwendungsbereich. Nicht anwendbar ist die Vorschrift auf einseitige Rechtsgeschäfte von gesetzl Vertretern (RGZ 74, 263; Düsseldorf NJW-RR 1993, 470; BAG NZA 2007, 377 Rn 39f; 2008, 471 Rn 26; Staudinger/Schilken Rn 6; s aber § 1831 S 2) oder des Insolvenzverwalters (LAG Schl-Holst 5.2.2013 – 1 Sa 299/12); sie sind nicht Bevollmächtigte. Ebenso keine Anwendung auf Geschäfte organschaftl Vertreter, deren Vertretungsmacht sich aus öffentlichen Registern ergibt (BGH NJW 2002, 1194; MüKo/Schubert Rn 14), und des WEG-Verwalters, § 9b WEG (anders zur früheren Rechtslage BGH NJW 2014, 1587). Mangels Registerpublizität ist § 174 analog anwendbar auf die Vertretung einer GbR, wenn sie nicht durch alle Gesellschafter vertreten wird (BGH NJW 2002, 1194; BAG NJW 2000, 1456 Rn 39ff). Haben organschaftl Gesamtvertreter einen von ihnen zur Einzelvertretung ermächtigt (§ 167 Rn 58), so ist die Vorschrift hinsichtl dieser Ermächtigung anwendbar (BAG NJW 1981, 2374; 1999, 445). Zu Erklärungen von Prokuristen s Rn 9. Die Bevollmächtigung des Gesellschafters einer GbR durch diese soll durch Vorlage des Gesellschaftsvertrags nachgewiesen werden können (BGH NJW 2002, 1194, 1195; Wertenbruch DB 2003, 1099; s auch Heil NJW 2002, 2158); zum Nachw der Vertretung einer Anwaltssozietät s Henssler/Michel NJW 2015, 11, 13ff. Wird eine Willenserklärung durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt, so muss nicht der Zustellungsauftrag, wohl aber die Vollmacht zur Abgabe der zugestellten Erklärung im Original mit zugestellt werden (BGH NJW 1981, 1210). 3. Zurückweisungsrecht. Der Adressat kann das Rechtsgeschäft zurückweisen, wenn ihm keine Vollmachtsurkunde vorgelegt wird (S 1) und der Vollmachtgeber ihn nicht von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat (S 2). Hat ihm der Vertreter die Vollmachtsurkunde vorgelegt oder hat ihm der Vertretene die Bevollmächtigung mitgeteilt, so kann der Vertretene einen etwaigen Vertretungsmangel gem §§ 170–172 ggü dem gutgläubigen Dritten (§ 173) nicht geltend machen. Die Voraussetzungen des Zurückweisungsrechts sind so zu verstehen, dass das Zurückweisungsrecht grds immer dann und nur dann besteht, wenn die Voraussetzungen der §§ 170–172 nicht erfüllt sind. a) Keine Vorlage der Vollmachtsurkunde. Die Vollmachtsurkunde ist im Original (oder in Ausfertigung) vorzulegen. Abschriften oder beglaubigte Abschriften genügen nicht (BGH NJW 2001, 289). Der Hinweis auf die Überprüfung durch einen Notar, bei der der Geschäftsgegner nicht anwesend war, genügt nicht; dieser muss selbst die Vollmacht überprüfen können (München NJW-Spezial 2020, 65 Rn 44, 46). Anders als nach § 172 genügt es auch nicht, wenn die Vollmachtsurkunde früher einmal vorgelegt war – denn dadurch ist der Adressat nicht gegen zwischenzeitl Rückgabe geschützt (§ 172 Rn 7); dagegen genügt es, wenn die Vollmachtsurkunde früher dem Dritten übergeben wurde und noch in seinem Besitz ist (nur i Erg ebenso BAG NJW 2016, 345 Rn 25ff, das diesen Fall über S 2 löst). Auch die Vorlage eines Telefax, mit dem die Vollmacht an den Bevollmächtigten übermittelt wurde, genügt nicht (BGH NJW-RR 2018, 116 Rn 26); dagegen genügt die Benachrichtigung des Dritten durch den Vollmachtgeber per Telefax den Anforderungen des § 174 S 2 (§§ 170, 171). Genügen soll auch der Hinweis auf einen Link im Internet, wo die hinterlegten Vollmachten der Gesellschafter einer GbR eingesehen werden können (LG Paderborn SpuRt 2008, 124, 126). Die vorgelegte Urkunde muss die Bevollmächtigung für dieses Geschäft eindeutig ergeben (BAG AP § 174 BGB Nr 3; Grü/Ellenberger Rn 5); dazu 584
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kann auch eine Prozessvollmacht genügen (Zöller/Althammer § 81 ZPO Rn 10f; s auch BGH NJW 2003, 963, 964), es soll dann auch deren Einreichung zu den Gerichtsakten als Vorlage genügen (LG Tübingen NJW-RR 1991, 972). Ist die Identität des Handelnden mit dem Bevollmächtigten wegen Unleserlichkeit der Unterschrift in dem einseitigen Rechtsgeschäft nicht eindeutig feststellbar, soll dies unschädlich sein (BAG NZA 2007, 377 Rn 51f). Handelt der Bevollmächtigte aufgrund einer Untervollmacht, ist sowohl die Hauptvollmacht als auch die Untervollmacht vorzulegen (BGH NJW 2013, 297 Rn 10), und zwar beide im Original oder in Ausfertigung (München DNotZ 2020, 105 Rn 46; diff Strobel NJW 2020, 2433). Hat der Aufsichtsrat die Kündigung eines Vorstandsvertrags beschlossen und seinen Vorsitzenden zur Erklärung der Kündigung ermächtigt, ist mit der Kündigung die Ausfertigung des Protokolls vorzulegen (Düsseldorf AG 2004, 321; dazu Bednarz NZG 2005, 418); ausreichen muss die Ausfertigung eines Protokollauszugs (Pusch RdA 2005, 170, 175; aA Bauer/Krieger ZIP 2004, 1247, 1248f). b) Nichtige oder anfechtbare Vollmacht. Über den unmittelbar geregelten Fall der Nichtvorlage der Urkunde hinaus muss ein Zurückweisungsrecht auch bestehen, wenn sich aus der Urkunde ergibt, dass die Vollmacht nichtig (§ 173) oder anfechtbar ist, weil der Dritte in diesem Fall in seinem Vertrauen auf die Vollmacht nicht geschützt wäre (§ 173 Rn 5; wie hier RGRK/Steffen Rn 1; aA Soergel/Bayer Rn 20; Staudinger/Schilken Rn 10; unklar MüKo/Schubert Rn 23). Genügte die Vorlage einer erkennbar anfechtbaren Vollmacht, so wäre der Adressat schutzlos. Dass er (gem § 122 II) auch schutzlos wäre, wenn der Geschäftsherr selbst das Rechtsgeschäft in erkennbar anfechtbarer Weise vornähme (so Staudinger/Schilken Rn 8), ist kein Grund, solche Fälle auszuweiten, zumal über die Zwischenschaltung eines Bevollmächtigten ein weiteres Unsicherheitselement eingeführt würde. 4. Ausschluss des Zurückweisungsrechts. a) Mitteilung der Bevollmächtigung. Das Zurückweisungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Geschäftsherr den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte (S 2). Das entspricht den §§ 170, 171 (Staudinger/Schilken Rn 13; s auch MüKo/Schubert Rn 28: gleichwertiger Ersatz für Vorlage der Vollmachtsurkunde). In Kenntnis gesetzt wird der andere durch empfangsbedürftige Willenserklärung an ihn. Die Mitteilung muss den Anforderungen an die §§ 170, 171 entsprechen, denn sonst wäre der andere in seinem Vertrauen auf die Mitteilung nicht geschützt. Eine konkludente Mitteilung genügt (Soergel/Bayer Rn 23); es genügt aber nicht, dass der Adressat Kenntnis zufällig (allgM; MüKo/Schubert Rn 28) oder auf anderem Wege – insb durch den Vertreter selbst (BAG NZA 2006, 980) – erlangt. Die Mitteilung kann auch durch einen hierzu Bevollmächtigten erfolgen, freilich nur unter Vorlage seiner Vollmacht. Nach dem Wortlaut ist „Kenntnis“ erforderlich, bloßer Zugang der Mitteilung genügt deshalb nicht (§ 171 Rn 5; Soergel/Bayer Rn 23). Kenntnisnahme ist aber nicht erforderlich (LAG Köln NZA 1994, 419). b) Form der Mitteilung. Eine besondere Form ist für die Mitteilung nicht vorgeschrieben (Staudinger/Schilken Rn 13). Sofern die Mitteilung nicht öffentlich oder in anderer Weise dokumentiert oder erfolgt ist, sollten für sie aber dieselben Formanforderungen gelten wie für das einseitige Rechtsgeschäft. Ist bspw für die Kündigung vertragl die Schriftform vorgesehen, so sollte auch nur die schriftliche Mitteilung einer Kündigungsvollmacht das Zurückweisungsrecht ausschließen; andernfalls ergäbe sich aus der Beweisnot des Adressaten die Unsicherheit, die durch § 174 vermieden werden soll. c) Entbehrlichkeit der Mitteilung. Einer Bekanntgabe der Vollmacht steht es gleich, wenn dem Vertreter eine Position übertragen ist, mit der üblicherweise eine Vollmacht zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts dieser Art verbunden ist, so zB bei der Kündigung eines Arbeitsvertrags durch den Leiter der Personalabteilung eines Unternehmens, und diese Position mitgeteilt oder bekannt gemacht ist (BGH NJW 2009, 293f; BAG NJW 2001, 1229f; NJW 2014, 3595 Rn 24; s aber KG ZMR 2010, 181), auch wenn der Personalleiter nur Gesamtprokura hat und mit dem Zusatz „ppa“ unterschreibt (BAG NJW 2014, 3595); bei Kündigung eines ihm sonst gleichrangigen Abteilungsleiters durch den Personalleiter (LAG Nds NZA-RR 2004, 195); bei Weiterbeschäftigung des bisherigen Personalleiters durch den Insolvenzverwalter (BAG NZA 1998, 699); bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Scheinsozietät durch den die Sozietät ggü dem Angestellten führenden RA (BAG NJW 1997, 1867), allerdings immer nur, wenn der ArbN aufgrund entspr Information durch den ArbGeb den Kündigenden der jew Position unschwer zuordnen kann (BAG NZA 2011, 683 Rn 29ff). Maßgebend ist stets, welche konkrete Zuständigkeitsregelung getroffen und den Mitarbeitern bekannt gegeben worden ist (Bsp: BAG NZA 2003, 520). Weitere Einzelfälle: Referatsleiter in der Personalabteilung (nein: BAG NZA 1997, 1343), kaufmännischer Leiter oder Serviceleiter der Niederlassung eines Automobilunternehmens (nein: LAG Hessen NZA-RR 1998, 396); ltd Regierungsdirektor (nein, wenn sich im Organigramm kein Hinweis auf die Vertretungsmacht findet, München ZfBR 2021, 656); Gewerkschaftssekretär bei Lohnanspruch eines ArbN (ja: LAG Brandenburg MDR 2001, 160); RA als Sozius des Insolvenzverwalters (nein: LAG Köln ZIP 2001, 433). Auch die Eintragung der Prokura im Handelsregister und deren Bekanntmachung wirkt (in den Grenzen des § 49 HGB) gem § 15 III HGB wie eine öffentliche Vollmachtkundgabe (§ 171) und schließt (in diesen Grenzen) das Zurückweisungsrecht wie bei organschaftl Vertretern oder nach S 2 aus; i Erg ebenso BAG NZA 2011, 683 Rn 27. Die Begr des BAG mit § 15 II HGB ist freilich zweifelhaft, weil dessen Funktion in der Zerstörung von Vertrauen liegt (Ries in Röhricht/Graf v Westphalen/Haas, § 15 HGB Rn 25); im Ansatz ähnl wie das BAG BGH NJW 2013, 297 Rn 13 zur nicht eingetragenen Prokura. 5. Zurückweisung. a) Unverzüglichkeit. Die Zurückweisung muss unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121; Bsp dazu: Hamm NJW 1991, 1185; München NJW-RR 1997, 904 – Verzögerung durch Urlaubsabwesenheit; Düsseldorf GRUR-RR 2010, 87 – Zurückweisung einer Abmahnung nach Bitte um FristverlängeFinkenauer
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rung), ggü dem Vertreter oder dem Vertretenen erklärt werden. Die Zurückweisung der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach mehr als einer Woche ist idR verspätet (BAG NZA 2012, 495 Rn 33). Die Zurückweisung muss „aus diesem Grund“ erfolgen, also – ggf im Wege der Auslegung – ergeben, dass sie auf die Nichtvorlage einer (ausreichenden) Vollmachtsurkunde gestützt wird; eine Zurückweisung aus anderen Gründen genügt nicht (BAG NJW 1981, 2374; LAG Hessen AE 2008, 291, die freilich die Anforderungen überspannen; LAG Thüringen BeckRS 2022, 10306 Rn 48). Die Beanstandung nach § 180 kann eine Zurückweisung nach § 174 einschließen (BGH NJW 2013, 297 Rn 9ff). Für die Zurückweisung selbst gilt § 174 ebenfalls (BAG NZA 2012, 495 Rn 27). b) Treu und Glauben. Die Zurückweisung kann gegen Treu und Glauben verstoßen und unzulässig sein, wenn der Zurückweisende während einer längeren Geschäftsbeziehung die Vertreterhandlungen des anderen stets ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde als verbindlich anerkannt hat und kein Anhalt für die Annahme besteht, dass die Vollmacht nicht (mehr) besteht (MüKo/Schubert Rn 37; Soergel/Bayer Rn 27; s auch LAG SchlHolst 27.1.2010 – 3 Sa 285/09); die Abgrenzung zur konkludenten Vollmachtsanzeige ist unscharf (s KG BB 1998, 607). Zum Rechtsmissbrauch, weil der Zurückweisende nur den Erhalt der Erklärung erschweren oder verhindern will, Hamm 4.6.2018 – 5 U 141/17. Angesichts des Zwecks (Rn 1) kann ein Treueverstoß nur ausnahmsw angenommen werden (zurückhaltend auch Deggau JZ 1982, 796f). 6. Folge der Zurückweisung. Das einseitige Rechtsgeschäft ist trotz obj vorhandener Vollmacht des Stellvertreters endgültig unwirksam. Eine Genehmigung durch den Vertretenen scheidet aus, da die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht auf einem Fehlen der Vertretungsmacht (dazu § 180), sondern auf der Zurückweisung durch den Erklärungsempfänger mangels Nachw der Vertretungsmacht beruht. Auch der Adressat kann das Geschäft nach der Zurückweisung nicht zB durch Verzicht auf den Nachw der Vertretungsmacht heilen (BGH NJW 2013, 297 Rn 16). 7. Beweislast. Der Vertretene hat die Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung (Handeln des Vertreters im Namen und mit Vertretungsmacht des Vertretenen) zu beweisen, der Adressat die rechtzeitige Zurückweisung, der Vertretene trägt wiederum die Beweislast dafür, dass rechtzeitig die Vollmachtsurkunde vorgelegt oder der Erklärungsempfänger von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt war.
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Rückgabe der Vollmachtsurkunde
Nach dem Erlöschen der Vollmacht hat der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückzugeben; ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu. 1. Zweck und Anwendungsbereich. Mit dem Anspruch auf Rückgabe der Vollmachtsurkunde (auch der Blankovollmacht, BeckOGK/Deckenbrock Rn 8) schützt die Vorschrift neben § 176 den Vollmachtgeber vor einem Missbrauch der nur kraft Fiktion (§ 173 Rn 3) fortbestehenden Vertretungsmacht (§ 172 II). Der Anspruch setzt voraus, dass die (zumindest schriftliche) Vollmacht erloschen ist; nach dem Regelungszweck ist die Vorschrift entspr anzuwenden, wenn die Vollmacht nicht wirksam entstanden oder gefälscht ist. Die Vorschrift ist analog auf eine Ermächtigungserklärung anzuwenden (Köln MDR 1993, 512; Soergel/Bayer Rn 6; s auch § 183 Rn 3). Als Minus besteht ein bloßer Berichtigungsanspruch, um einen Korrekturvermerk auf der Urkunde einzutragen (BGH NJW 1990, 507f). 2. Gläubiger. Gläubiger des Anspruchs ist der Vollmachtgeber; Schuldner ist der Bevollmächtigte. Nach hM (BeckOGK/Deckenbrock Rn 17, 17.2; Erman/Maier-Reimer15 Rn 2) ist Schuldner entspr § 175 auch ein besitzender Dritter, jedenfalls, wenn er die Urkunde vom Bevollmächtigten erhalten hat (Soergel/Bayer Rn 8). Der Vollmachtgeber ist hier jedoch auf den Weg über § 176 oder die Geltendmachung von Ansprüchen aus Eigentum oder früherem Besitz zu verweisen. Es besteht nicht die in § 175 vorausgesetzte Gefährdung, weil eine Urkunde, die auf einen anderen ausgestellt ist, keine Legitimationswirkung hat. Bei Weitergabe an den Bevollmächtigten besteht indes der Anspruch aus § 175 (Staudinger/Schilken Rn 5). Auf das Eigentum an der Urkunde kommt es für den Anspruch nicht an. Hat der Schuldner ein berechtigtes Interesse am weiteren Besitz der Urkunde (zB Beweiswert, andere Erklärungen in der Urkunde), ist dem nach § 242 dadurch Rechnung zu tragen, dass die Urkunde nach Streichung oder Entwertung der Vollmachtsklausel dem Schuldner verbleibt (MüKo/Schubert Rn 2). Entspr gilt, wenn nur einer von mehreren Vollmachtgebern die Vollmacht widerruft und die Urkunde auch die Vollmacht der übrigen Vollmachtgeber enthält (BGH NJW 1990, 507). Wurde Vollmacht an mehrere erteilt, ist aber nur ggü einem die Vollmacht erloschen, besteht nur ein Anspruch auf Eintragung eines Korrekturvermerks auf der Urkunde (BeckOGK/Deckenbrock Rn 7). Zurückzugeben sind Urschrift und Ausfertigungen der Vollmachtsurkunde, Ablichtungen (auch beglaubigte) dagegen nicht (aA Soergel/Leptien13 Rn 3), denn für sie gilt § 172 II nicht (§ 172 Rn 6). Für Rückgabe durch Hinterlegung gelten §§ 372ff (KG NJW 1957, 754, 755), allerdings nur, wenn das Rücknahmerecht (§ 376) ausgeschlossen wurde, vgl MüKo/Schubert Rn 7. 3. Zurückbehaltungsrecht. Es ist auch ausgeschlossen, wenn der Rückgabeanspruch nicht auf § 175, sondern (zB wegen Verjährung, dazu BeckOGK/Deckenbrock Rn 32) auf eine andere Anspruchsgrundlage (zB § 985) gestützt wird (Staudinger/Schilken Rn 9). Das Zurückbehaltungsrecht des RA an seinen Handakten (§ 50 III BRAO) umfasst nicht die Vollmacht (MüKo/Schubert Rn 8; Staudinger/Schilken Rn 8).
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Vertretung und Vollmacht
§ 176
§ 177
Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde
(1) Der Vollmachtgeber kann die Vollmachtsurkunde durch eine öffentliche Bekanntmachung für kraftlos erklären; die Kraftloserklärung muss nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung veröffentlicht werden. Mit dem Ablauf eines Monats nach der letzten Einrückung in die öffentlichen Blätter wird die Kraftloserklärung wirksam. (2) Zuständig für die Bewilligung der Veröffentlichung ist sowohl das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Vollmachtgeber seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, als das Amtsgericht, welches für die Klage auf Rückgabe der Urkunde, abgesehen von dem Wert des Streitgegenstands, zuständig sein würde. (3) Die Kraftloserklärung ist unwirksam, wenn der Vollmachtgeber die Vollmacht nicht widerrufen kann. 1. Zweck. Solange der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde nicht gem § 175 herausgegeben hat oder eine entspr (nicht ausgehändigte) Urkunde im Umlauf ist (München ZEV 2018, 730 Rn 31), besteht weiterhin die Gefahr des Missbrauchs. Durch öffentliche Kraftloserklärung beseitigt der Vollmachtgeber die Wirkungen der Vollmachtsurkunde (§ 172 II). 2. Verfahren. In dem Antrag des Vollmachtgebers an das nach Abs II zuständige AG ist der wesentliche Inhalt der Urkunde näher zu beschreiben. Die materiellen Voraussetzungen (zB Erlöschen der Vollmacht) brauchen nicht dargetan zu werden; sie dürfen vom Gericht auch nicht geprüft werden (KG JW 1933, 2153). Auch für eine (noch) wirksame Vollmacht kann die Kraftloserklärung beantragt werden. Das Gericht hat dem Antrag auch stattzugeben, wenn die Vollmacht nach ihrem Wortlaut unwiderruflich ist (Soergel/Bayer Rn 3; Staudinger/ Schilken Rn 7; s aber Rn 4). War auf der Urkunde mehreren Vollmacht erteilt und ist nur die Vollmacht eines von ihnen widerrufen, kann bei entspr Begr auch die Urkunde teilw für kraftlos erklärt werden (BeckOGK/ Deckenbrock Rn 7.2). Die Entscheidung des Gerichts wird durch eine nach §§ 58ff FamFG mit der Beschwerde anfechtbare Verfügung getroffen. Diese wird nach §§ 185ff ZPO veröffentlicht; der Aushang auf der Gerichtstafel und die Einstellung ins elektronische Informationssystem nach § 186 II 1 ZPO sind aber nicht ausreichend (so aber MüKo/ Schilken Rn 5), vielmehr ist wegen § 176 I 2 eine Veröffentlichung im (elektronischen) Bundesanzeiger (§ 187 ZPO) nötig (BeckOGK/Deckenbrock Rn 20). Der Bevollmächtigte kann mangels subj Rechts nicht Beschwerde erheben, KG FamRZ 2015, 1045 Rn 9. 3. Wirkung. Mit Ablauf eines Monats nach der letzten in der Verfügung gem §§ 186, 187 ZPO bestimmten Einrückung in die öffentlichen Blätter wird die Kraftloserklärung wirksam. Eine etwa noch wirksame Vollmacht wird unwirksam. Die Vollmachtsurkunde verliert zugleich ihre Rechtsscheinswirkung, so dass das Vertrauen eines Dritten auf die Urkunde nicht mehr geschützt wird. Ist die Vollmacht unwiderruflich (§ 168 Rn 15ff), so ist die Kraftloserklärung unwirksam (Abs III), und die Vollmacht bleibt mit allen Folgen bestehen, es sei denn, ausnahmsw wäre die Vollmacht aus wichtigem Grund doch widerruflich (§ 168 Rn 18).
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Vertragsschluss durch Vertreter ohne Vertretungsmacht
(1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab. (2) Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. 1. Bedeutung. Das rechtsgeschäftliche Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht bindet den Vertrete- 1 nen grds nicht; der Vertretene kann jedoch ein Interesse daran haben, dass der in seinem Namen geschlossene Vertrag wirksam wird. Dem trägt Abs I Rechnung: Ein ohne Vertretungsmacht geschlossener Vertrag ist zunächst (nur) schwebend unwirksam; durch eine Genehmigung des Vertretenen wird er wirksam. Abs II gibt dem Geschäftsgegner die Möglichkeit, den Schwebezustand zu beenden. Die Regelung des § 177 entspricht der in § 108 I, II, § 1366 I, III und § 1856. Beide Absätze sind dispositiv (BeckOGK/Ulrici Rn 80); zum Kollisionsrecht BeckOGK/Ulrici Rn 231. 2. Voraussetzungen des Abs I. § 177 setzt den Abschluss eines Vertrags in fremdem Namen durch einen Ver- 2 treter ohne Vertretungsmacht voraus (allg dazu Prölss JuS 1985, 577). a) Vertrag. In Betracht kommen alle Arten von Verträgen, auch die Auflassung (RGZ 103, 295, 303) oder ein Lizenzvertrag (BGH GRUR 2022, 893 Rn 74), sofern nicht die Vertretung (wie zB beim Erbvertrag, § 2274) ausgeschlossen ist. Das dem anwesenden vollmachtlosen Vertreter gemachte Angebot ist ein Angebot unter Anwesenden iSv § 147 (BGH NJW 1996, 1062, 1064). Bei einseitigen Rechtsgeschäften greift zunächst nicht § 177, sondern § 180 ein. Danach führt die unbefugte Vertretung grds zur Nichtigkeit des Geschäfts; nur in den Fällen des § 180 S 2 und 3 ist § 177 entspr anzuwenden (s § 180 Rn 5ff). b) Keine Vertretungsmacht. Der Vertreter muss ohne Vertretungsmacht handeln. aa) Unerheblich ist der Grund 3 für das Fehlen der Vertretungsmacht. Sie kann zB fehlen, weil von vornherein keine wirksame Vollmacht vorgelegen hat (RGZ 110, 319, 321), diese (etwa durch Widerruf) erloschen oder rückwirkend (Rostock NJW 2012, Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
942) weggefallen ist, der Vertreter seine Vollmacht überschritten hat (RG JW 1937, 2036). Str ist die Rechtsfolge, wenn eine AG entgegen § 112 AktG durch den Vorstand statt durch den Aufsichtsrat vertreten wurde; richtigerweise für schwebende Unwirksamkeit (§ 177) als hinreichende Sanktion München ZIP 2008, 220, 222; MüKo-AktG/Habersack § 112 Rn 34; Jenne/Miller ZIP 2019, 1052, 1059; für Anwendung des § 134 aber Brandenburg AG 2015, 428. Zur Abgrenzung von Formmangel und Vertretungsmangel bei jur Person des öffentlichen Rechts BGH NJW 2001, 2626, 2628 mwN sowie § 125 Rn 10. bb) Die Vertretungsmacht kann auch teilw fehlen. Ist das Geschäft teilbar, so ist in diesem Fall § 177 nur auf den nicht von der Vertretungsmacht gedeckten Teil des Vertrags anwendbar. Wird die Genehmigung verweigert, gilt § 139 (BGH NJW 1970, 240; dazu Gerhardt JuS 1970, 326, 328f). cc) Maßgeblich dafür, ob der Vertreter mit oder ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, ist der Zeitpunkt des Vertreterhandelns, also der Abgabe oder Entgegennahme der Willenserklärung durch den Vertreter (hM; MüKo/Schubert Rn 22; Soergel/Bayer Rn 17f; diff BeckOGK/Ulrici Rn 100). Wenn zw Abgabe und Zugang der Erklärung des Aktivvertreters dessen Vollmacht ggü dem Dritten widerrufen wird oder der Rechtsschein der Vertretungsmacht endet (§ 173 Rn 7), ist § 130 I 2 entspr anzuwenden (Staudinger/Schilken Rn 5; ebenso, aber ohne Differenzierung nach der Erkennbarkeit des Vertretungsmangels MüKo/Schubert Rn 22). c) Einzelfälle. § 177 ist anwendbar, wenn jemand unbefugt für einen Unbekannten handelt, dessen Name erst nach Vertragsschluss genannt werden soll (RGZ 140, 336, 337; Schrell/Kirchner ZBB 2002, 230f; BeckOGK/Ulrici Rn 74), wenn bei einer jur Person ein unzuständiges Organ rechtsgeschäftlich handelt (Bsp: Frankfurt GmbHR 2006, 650; s aber Rn 3), wenn ein Gesamtvertreter übergangen wird (Scholz/U. Schneider/S. Schneider § 35 GmbHG Rn 97; Düsseldorf NZM 2005, 909). Auch ein Bevollmächtigter kann bei Abschluss des Vertrags als vollmachtloser Vertreter handeln, wenn er zB durch Vorbehalt der Genehmigung zum Ausdruck bringt, dass er von seiner Vollmacht keinen Gebrauch mache (OGH NJW 1949, 141f; BGH DNotZ 1968, 407f; Soergel/Bayer Rn 16) oder wenn zwei Einzelvertretungsberechtigte erkennbar nur gemeinsam vertreten wollen (BGH NJW-RR 2008, 1484 Rn 26). Die Auslegung kann auch eine Bedingung ergeben (MüKo/Schubert Rn 13; dann vorbehaltlich § 159 keine Rückwirkung der Genehmigung). Aufschiebende Bedingung – und nicht § 177 – liegt vor, wenn das Vertretungsorgan den Vertrag unter dem Vorbehalt der Genehmigung eines anderen Gremiums abschließt (Gremienvorbehalt). Vertritt der Vorsitzende des Betriebsrats diesen ohne wirksame Grundlage, kann der Betriebsrat den Vertretungsmangel rückwirkend heilen (BAG NZA 2008, 369). Keine Anwendung findet § 177, wenn der Vertreter für einen bereits Verstorbenen handelt (Bremen DNotZ 2020, 833 Rn 14). 3. Entsprechende Anwendung des § 177. § 177 gilt entspr beim Handeln unter fremdem Namen (§ 164 Rn 11ff), wenn in dem Geschäftsgegner eine unrichtige Identitätsvorstellung erweckt wurde (BGHZ 45, 193; Staudinger/Schilken Rn 21); ebenso in den Fällen der Unterschriftsfälschung, zB beim Fälschen einer Wechselunterschrift (RGZ 145, 87, 90f; BGH NJW 1963, 148). Der Namensträger wird hier wechselmäßig verpflichtet, wenn er das Handeln in seinem Namen genehmigt (krit Zeiss JZ 1963, 742, 745); Gegenstand der Genehmigung sind sowohl der Begebungsvertrag als auch das Grundgeschäft (Einzelheiten bei Hefermehl/Casper Art 7 WG Rn 7). Beim Missbrauch der Vertretungsmacht ist § 177 mindestens analog anwendbar (§ 167 Rn 73), sofern das Geschäft nicht auf Grundlage der hM wegen Kollusion nichtig ist (§ 167 Rn 71). Ebenso ist § 177 analog anwendbar, wenn jemand kraft vermeintlichen Amtes oder unter Vorspiegelung eines Amtes im eigenen Namen, aber mit Wirkung für andere zB als Testamentsvollstrecker (dazu K. Müller JZ 1981, 370, 371f) oder als Insolvenzverwalter tätig wird (RGZ 80, 416, 417). Handelt ein Bote ohne Botenmacht oder gibt er bewusst eine andere als die ihm aufgegebene Erklärung ab (sog Pseudobote, dazu § 120 Rn 5), wird der Geschäftsherr nicht nur im ersten Fall, sondern nach hM auch im zweiten nicht gebunden; § 177 sei hier entspr anzuwenden (Oldenburg NJW 1978, 951; Köln BeckRS 2008, 00015 Rn 25; MüKo/Schubert Rn 8; Soergel/Bayer Rn 6; zu Recht für Anwendung des § 120 BeckOGK/Ulrici Rn 66.2; Lüdeking [§ 167 Rn 11] 102f). Gleiches gilt bei bewusst falschen Übersetzungen von Vertragserklärungen durch einen Dolmetscher (BGH BB 1963, 204). Grds ist § 177 auch anwendbar bei einem Handeln für eine noch zu gründende Personengesellschaft (BGHZ 63, 45, 48) oder eine noch zu errichtende jur Person, sog Vorgründungsgesellschaft (BGHZ 91, 148). Zum Handeln für die errichtete, aber mangels Eintragung im Handelsregister noch nicht entstandene Kapitalgesellschaft, sog Vorgesellschaft, s die Komm zu § 11 GmbHG, § 41 AktG; s auch § 179 Rn 18. Zur entspr Anwendung im Verwaltungsverfahren, vor allem bei der fristgebundenen Anmeldung von Ansprüchen, s Wilhelm VIZ 1999, 11 mwN. 4. Schwebende Unwirksamkeit des Vertrags. Ein vom Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossener Vertrag ist nach Abs I schwebend unwirksam (Einzelheiten dazu § 184 Rn 9). Erfüllt der Vertretene während des Schwebezustandes den Vertrag, wird das oft eine konkludente Genehmigung sein (Rn 14f; § 182 Rn 10ff). Leistet der Geschäftsgegner an den Vertretenen, so leistet er ohne Rechtsgrund iSv § 812, sofern in der Annahme keine Genehmigung liegt (BGHZ 65, 123, 126; MüKo/Schubert Rn 24); fordert er die Leistung zurück, ist darin regelmäßig ein Widerruf (§ 178) zu sehen. Der Schwebezustand endet mit der Genehmigung oder ihrer Verweigerung durch den Vertretenen (Rn 12ff, 22; s auch Vor § 182 Rn 14f, § 182 Rn 17 und § 184 Rn 1ff, 9ff), dem Fristablauf gem Abs II S 2 (Rn 23f) sowie mit dem Widerruf des Geschäftsgegners (§ 178). Der Schwebezustand kann auch dadurch enden, dass der Vertretene einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben nicht widerspricht (BGH NJW 2007, 987 Rn 20ff). 588
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Vertretung und Vollmacht
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5. Genehmigung. Der Vertrag wird rückwirkend (§ 184) wirksam, wenn der Vertretene den Vertrag während der Schwebezeit genehmigt. Die Genehmigung ist keine „nachgeholte Vollmacht“ (MüKo/Schubert Rn 36), aber die nachgeholte Vollmacht oder Vollmachtsbestätigung ist regelmäßig eine mindestens konkludente Genehmigung (LG Potsdam BeckRS 2002, 15163). Die Genehmigung bedeutet die Erklärung, das „bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen“ (BGH NJW 1988, 1199f; Staudinger/Schilken Rn 10). Nach ihrem Inhalt setzt sie deshalb das Bewusstsein mindestens der Möglichkeit voraus, dass das Geschäft bisher für den Genehmigenden unverbindlich ist. Bezugspunkt der Genehmigung ist nicht die Willenserklärung, sondern das gesamte Rechtsgeschäft (§ 184 Rn 3). a) Voraussetzungen. Auf die Genehmigung sind hinsichtl des Adressaten und der Wirkung die §§ 182ff anzuwenden (hM; aA BeckOGK/Ulrici Rn 132). Ob eine Genehmigung – konkludent – erklärt wurde, ist aber wegen des unterschiedlichen Inhalts der Genehmigung (Vor § 182 Rn 11) anders zu beurteilen als bei § 182 (Rn 14f und § 182 Rn 8ff). Die Genehmigung ist eine empfangsbedürftige, formfreie Willenserklärung. Sie kann sowohl ggü dem Vertreter als auch ggü dem Geschäftsgegner erklärt werden (§ 182 I), es sei denn, der Vertretene ist nach § 177 II 1 zur Erklärung aufgefordert worden (Rn 23). Sie bedarf nach § 182 II nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (Einzelheiten § 182 Rn 4ff). Das gilt auch, wenn die Formvorschrift eine Warnfunktion hat (BGHZ 125, 218, 222f; MüKo/Schubert Rn 45 mwN; aA Staudinger/Schilken Rn 10 mwN; Erman/Palm12 Rn 14; dazu ausf Einsele DNotZ 1996, 835); die Grundsätze zur ausnahmsw Formbedürftigkeit einer Vollmacht insb wegen faktischer Bindung (§ 167 Rn 5) sind nicht übertragbar (ausf BGHZ 125, 218, 224f; BeckOGK/Ulrici Rn 160 mwN). Zum Problem der Verfügungsmacht des Geschäftsherrn bei zu genehmigenden dinglichen Geschäften § 184 Rn 5f. b) Konkludenz. Eine Genehmigung kann auch in einem schlüssigen Handeln liegen. Eine konkludente Genehmigung muss eindeutig sein (Staudinger/Klumpp § 182 Rn 11). Der Erklärende muss jedenfalls wissen oder damit rechnen, dass der Vertrag in seinem Namen abgeschlossen wurde (Hamm NJW-RR 1994, 439f; den Umständen entnimmt diese Kenntnis BGH WM 1981, 171f). Ob die schlüssige Genehmigung auch das Bewusstsein der schwebenden Unwirksamkeit voraussetzt, ist str. Bei ausdr Genehmigung kommt es auf dieses Bewusstsein nicht an (BGHZ 47, 341, 351). Nach st Rspr setzt aber die konkludente Genehmigung dieses Bewusstsein schon begrifflich voraus (RGZ 118, 335, 337; BGHZ 159, 294, 304; BGH ZIP 2003, 1692, 1696; NJOZ 2003, 3231, 3235; NZG 2005, 276, 277; krit Erman/Palm12 § 182 Rn 5; Soergel/Bayer Rn 29ff sowie § 182 Rn 7, 8; widersprüchlich MüKo/Schubert Rn 38), obwohl nach zT denselben Entscheidungen die Willenserklärung ein Erklärungsbewusstsein nicht voraussetzt (BGH ZIP 2003, 1692, 1696; NJOZ 2003, 3231, 3235; s auch BGHZ 128, 41, 49). Der scheinbare Widerspruch löst sich dadurch auf, dass das Bewusstsein der schwebenden Unwirksamkeit Teil des vorauszusetzenden obj Erklärungsgehalts des schlüssigen Verhaltens sein muss. Erforderlich und ausreichend ist demnach, dass der Adressat das Verhalten als Ausdruck dieses Bewusstseins und des Willens verstehen durfte, eine erkannte oder für möglich gehaltene schwebende Unwirksamkeit zu beenden und dem Vertrag Wirksamkeit zu verleihen oder seine Wirksamkeit außer Zweifel zu stellen, s auch BeckOGK/Ulrici Rn 156. Ein Erklärungsbewusstsein ist dafür nach den allg Grundsätzen nicht erforderlich (Vor § 116 Rn 15ff). Dagegen muss der Erklärungsempfänger das Verhalten tatsächlich als Ausdruck eines solchen Willens verstanden haben (Vor § 116 Rn 15; Soergel/Bayer Rn 31); dies setzt wiederum voraus, dass der Geschäftspartner den Vertretungsmangel gekannt oder mit seiner Möglichkeit und einer entspr Kenntnis des Vertretenen gerechnet hat. I Erg gelten daher für die konkludente Genehmigung keine anderen Grundsätze als sonst für konkludente Willenserklärungen. In den Entscheidungen, die das Bewusstsein einer schwebenden Unwirksamkeit als begriffliche Voraussetzung einer Genehmigung erklären, wird die konkludente Genehmigung denn auch mit der Begr verneint, beiden Teilen sei der Vertretungsmangel nicht bewusst gewesen und/oder der Vertretene habe den Vertretungsmangel nicht kennen müssen (BGH NJW 2002, 2325, 2327; ZIP 2003, 1692, 1696 jew mwN; anders Sachverhalt und Ergebnis von Karlsruhe BeckRS 2006, 09285). Erfüllungshandlungen aufgrund vermeintlich bestehender Verpflichtungen können demnach nicht als Genehmigung gewertet werden, solange nicht für die andere Seite der eindeutige Anschein besteht, der Handelnde rechne mindestens mit der Möglichkeit der – schwebenden – Unwirksamkeit (RGZ 118, 335, 337; BGH NJW 2002, 2325, 2327; aA Stuttgart VersR 2018, 748 Rn 94). Auch die eigenhändige Unterzeichnung des Vertrags zur Zwischenfinanzierung enthält mangels einer solchen Kenntnis keine Genehmigung des vollmachtlos abgeschlossenen Darlehensvertrags, sondern einen eigenständigen Vertrag (BGH ZIP 2003, 1692, 1696; aA Frankfurt NJW-RR 2005, 1514, 1516), aus dem sich die Treuwidrigkeit späterer Berufung auf die Unwirksamkeit des Hauptvertrags ergeben kann (BGH ZIP 2003, 1692, 1696; Karlsruhe ZIP 2004, 2423f). Auch die eigenhändige Unterzeichnung von Änderungen (neue Zinskonditionen) enthält mangels eines solchen Bewusstseins keine Genehmigung (Stuttgart NJOZ 2007, 1211, 1232; München WM 2009, 217, 220; aA Frankfurt NJW-RR 2005, 1514, 1516). Gleiches gilt bei schwebender Unwirksamkeit eines von nur einem Gesamtvertreter abgeschlossenen Vertrags für dessen Verhalten nach Erlangung der Einzelvertretungsbefugnis (RGZ 118, 335, 337; BGH NJW 1988, 1199f), oder wenn die Beteiligten bei weiteren, die Wirksamkeit voraussetzenden Maßnahmen nicht erkannten, dass der Bevollmächtigte (Notariatsangestellter mit Vollzugsvollmacht) die Grenzen seiner Vollmacht überschritten hatte (BGH NJW 2002, 2863f). Schlägt der allein zuständige Aufsichtsrat der Hauptversammlung die Genehmigung des vom unzuständigen Organ abgeschlossenen Vertrags vor, so ist das keine Genehmigung durch den Aufsichtsrat (BGH NZG 2005, 276f). Zur Genehmigung der Prozessführung durch das unzuständige
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Organ BGH NJW 1999, 3263; 2010, 2886 Rn 8. IÜ zu den Einzelheiten der stillschw Genehmigung s § 182 Rn 8ff. c) Teilgenehmigung. Grds kann nur der gesamte Vertrag genehmigt werden. Eine Teilgenehmigung ist ausnahmsw zulässig, wenn gem § 139 die Aufrechterhaltung eines Teils des Geschäfts dem Parteiwillen entspricht (Hamm DNotZ 2002, 266, 268; MüKo/Schubert Rn 48; Vor § 182 Rn 14). Teilwirksamkeit sollte jedoch nur in Ausnahmefällen angenommen werden, da sie – anders als bei § 139 – dem Vertretenen einseitig die Möglichkeit einer Änderung gibt (s nur den Fall Hamm DNotZ 2002, 266); hinsichtl des nicht genehmigten Teils gilt § 179. Genehmigung mit Abweichungen bedeutet Verweigerung der Genehmigung (Hamburg NJOZ 2008, 2360, 2363). d) Unmöglichkeit der Genehmigung. Eine Genehmigung ist nicht mehr möglich, wenn der Vertrag aufgrund eines Widerrufs nach § 178 oder infolge Fristablaufs nach einer Aufforderung des Geschäftsgegners (Abs II S 2) endgültig unwirksam geworden ist. e) Genehmigungsrecht. Das Genehmigungsrecht steht dem Vertretenen zu. Mit dessen Tod geht es auf die Erben über (Hamm Rpfleger 1979, 17), bei sonstiger Gesamtrechtsnachfolge auf den jew Gesamtrechtsnachfolger. Zur Genehmigungskompetenz nach Abtretung des Anteils an einer GbR durch den bei einem Vertrag der GbR vollmachtlos vertretenen Gesellschafter s BGHZ 79, 374. Der Vertreter kann auch selbst genehmigen, wenn er später Vertretungsmacht erhält (§ 108 III analog; BGH WM 1960, 611f; NJW-RR 1994, 291, 293; Staudinger/ Schilken Rn 10a; aA K. Müller AcP 168, 113, 128ff). Die Rechtsnachfolge des Vertreters ohne Vertretungsmacht in das Objekt des Geschäfts reicht, anders als nach § 185 II, nicht aus (Frankfurt NJW-RR 1997, 17f); zur Genehmigung durch den Verwaltungsbeiratsvorsitzenden einer Wohnungseigentümergemeinschaft § 9b II WEG. Die Genehmigungszuständigkeit kann auch bei einem aus einer Mehrzahl von Personen bestehenden Organ liegen, wenn die Vertretungsmacht bei diesem liegt (etwa Eigentümerversammlung nach dem WEG; Aufsichtsrat einer AG in den Fällen des § 112 AktG, dazu Rn 3, 6; zu den Anforderungen an die Genehmigung BAG NZA 2017, 644 Rn 88) oder das Zusammenwirken von zwei Organen erforderlich ist (§§ 179a, 293 AktG, § 13 UmwG); zum Gremienvorbehalt s Rn 6. Haben bei einer Gesamtvertretung nur einzelne Gesamtvertreter gehandelt, dann muss der Vertrag entweder vom Geschäftsherrn oder von den Gesamtvertretern genehmigt werden, deren Mitwirkung erforderlich war (näher § 167 Rn 58), ggf schlüssig auch dadurch, dass sie in Kenntnis des Geschäfts dieses nicht beanstanden (RGZ 75, 419, 424; Düsseldorf NZM 2005, 909). Die konkludente Genehmigung des übergangenen Gesamtvertreters kann nicht aus einer Zurechnung des Wissens des handelnden Gesamtvertreters hergeleitet werden (BGH NJW 2010, 861f). Die Genehmigung der übergangenen Vertreter kann auch ggü dem unbefugt Handelnden erklärt werden (RGZ 81, 325, 329; anders nach Aufforderung gem § 177 II). Dieser muss im Zeitpunkt der Genehmigung noch mit dem Vertrag einverstanden sein (s § 167 Rn 58). Zur Anwendung von § 177 bei notwendiger Gesamtvertretung für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, etwa Gemeinde oder Kreis, s BGH NJW 1982, 1036; BAG NJW 1996, 2594 mwN. f) Rechtsfolgen. Die Genehmigung heilt den Mangel der Vertretungsmacht in dem Sinne, als sei mit Vertretungsmacht gehandelt worden; andere Wirksamkeitshindernisse (zB Sittenwidrigkeit) dürfen nicht entgegenstehen. Mit der Genehmigung finden die für die befugte Stellvertretung geltenden Regeln Anwendung. Für Willensmängel, Kennen und Kennenmüssen kommt es bei dem Vertreter auf den Zeitpunkt seines Handelns, bei dem Vertretenen auf den Zeitpunkt der Genehmigung an (§ 166 Rn 38; RGZ 68, 374, 375ff). Die Genehmigung wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück (§ 184 I; s dort). Ob bei fristgebundenen Erklärungen auch die Genehmigung noch innerhalb der Frist erfolgen muss, ist mangels ausdr Regelung durch Auslegung nach dem Zweck der Frist und den Interessen des Geschäftsgegners zu entscheiden. Bei Ausschlussfristen für die Ausübung von Gestaltungsrechten ist regelmäßig eine Genehmigung nach § 180 S 2 und 3, § 177 nur innerhalb der Frist möglich (BGHZ 32, 375, 382). Gleiches soll nach wohl hM auch gelten, wenn der unbefugte Vertreter ein befristetes Vertragsangebot angenommen hat (BGH NJW 1973, 1789; BeckOK/Schäfer Rn 25; RGRK/Steffen Rn 10). Das entspricht jedoch nicht der Interessenlage. Der Geschäftsgegner kann sich gem § 174 (§ 174 Rn 2) oder § 177 II, § 178 Klarheit verschaffen. Tut er dies nicht, so gibt es keinen Grund, den Vorgang anders zu behandeln als beim Vertragsangebot unter Anwesenden, das nur sofort angenommen werden kann (§ 147 I) und auf dessen Annahme § 177 dennoch anwendbar ist (i Erg ebenso MüKo/Schubert Rn 55; BeckOGK/Ulrici Rn 163.1). Keinen Einfluss hat die Rückwirkungsfiktion des § 184 I auf den Beginn der Verjährungsfrist und den Eintritt des Verzugs. Zu Einzelheiten s § 184 Rn 15. – Inwieweit öffentlich-rechtl Beschränkungen, die während der Schwebezeit eintreten, zu berücksichtigen sind, bestimmt sich allein nach den Grundsätzen des öffentlichen Rechts (§ 184 Rn 16; Staudinger/Schilken Rn 9). 6. Verweigerung der Genehmigung. Mit ihr wird der Vertrag für den Vertretenen endgültig unwirksam (Vor § 182 Rn 15), s aber Abs II und Rn 24. Ein Widerruf der Verweigerung ist ausgeschlossen (Vor § 182 Rn 15; § 182 Rn 17). Allerdings kann sie als Willenserklärung nach §§ 119ff angefochten werden (Vor § 182 Rn 15; § 182 Rn 17) oder nach § 242 unbeachtlich sein, wenn der Vertretene (zB aus einem Vorvertrag mit dem Geschäftspartner) zur Genehmigung verpflichtet ist (BGHZ 108, 380, 384; dazu Vor § 182 Rn 15). Wird die Genehmigung der ohne Vertretungsmacht erklärten Annahme eines Vertragsangebots gem § 147 II durch Erklärung an den Offerenten verweigert, ist dies als Ablehnung seines Angebots zu werten (MüKo/Schubert Rn 59). 7. Befristung des Schwebezustandes durch den Geschäftsgegner. a) Aufforderung zur Erklärung über Genehmigung. Kennt der Geschäftsgegner den Mangel der Vertretungsmacht, so gibt ihm Abs II die Möglichkeit, den Schwebezustand durch Aufforderung des Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung zu befristen. 590
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Vertretung und Vollmacht
§ 178
Entweder genehmigt der Vertretene, oder der Vertrag wird durch die Verweigerung der Genehmigung oder Fristablauf endgültig unwirksam. Wenn mehrere Personen Vertragspartner des vollmachtlos Vertretenen sind, müssen grds alle an der Aufforderung mitwirken, sofern sich nicht aus ihrem Innenverhältnis etwas anderes ergibt (BGH NJW 2004, 2382f mwN und Bespr Rimmelspacher/Bolkart LMK 2004, 170; aA BeckOGK/Ulrici Rn 208). Die Aufforderung ist empfangsbedürftige, rechtsgeschäftsähnl Handlung; die Vorschriften über Willenserklärungen gelten entspr (Brandenburg BeckRS 2021, 26813 Rn 100; Staudinger/Schilken Rn 13). Die Aufforderung muss nicht auf Erteilung der Genehmigung gerichtet werden, sie kann vielmehr ergebnisoffen gefasst sein (BGHZ 145, 44, 48). Ob eine Bitte um Genehmigung im Einzelfall eine Aufforderung iSv Abs II darstellt, ist Auslegungsfrage; die Genehmigungsbitte des beurkundenden Notars ist regelmäßig keine Aufforderung iSv Abs II, weil er als Amtsträger und nicht namens der Beteiligten handelt (BGH NJW 2001, 1647f; aA Köln NJW 1995, 1499). Der Unterschied zw Aufforderung und kaufmännischem Bestätigungsschreiben liegt darin, dass bei diesem der Bestätigende von Vertretungsmacht ausgeht (Hopt/Leyens § 346 HGB Rn 24). In Ausnahmefällen soll sich der Geschäftsgegner nach § 242 nicht auf den Vertretungsmangel berufen können und dann auch nicht das Recht gem Abs II haben (BGH NJW 2012, 3424 Rn 14ff; MüKo/Schubert Rn 32; zu Recht abl BeckOGK/Ulrici Rn 203.2). Dann könnte der Vertretene sich aber auf Dauer noch von dem Vertrag lösen. Deshalb sollten in solchen Fällen die Anforderungen an die Aufforderung verschärft werden (so die Vorinstanz Hamm 8.8.2011 – I-5 U 41/11 Rn 28, 33), ggf mit dem Erfordernis einer Fristverlängerung; zur Verwirkung des Rechts, die Genehmigung zu verweigern, MüKo/Bayreuther § 184 Rn 5. b) Wirkungen der Aufforderung. Die Aufforderung bewirkt: Der Vertretene kann die Genehmigung nur noch ggü dem Vertragsgegner erklären. Eine bereits vorher ggü dem Vertreter erklärte Genehmigung oder Verweigerung wird unwirksam; das ist notwendig, um dem Geschäftsgegner Klarheit zu verschaffen. Die Genehmigung kann nur noch binnen zwei Wochen erklärt werden (Abs II S 2). Da die Erklärungsfrist allein den Interessen des Geschäftsgegners dient, kann dieser sie einseitig zugunsten des Vertretenen verlängern (MüKo/Schubert Rn 31). Wird die Genehmigung nicht vor Fristablauf erklärt, gilt sie als verweigert. c) Unsicherheit über Vertretungsmacht. Bei Unsicherheit über die Vertretungsmacht sollen Abs II wie § 108 II entspr gelten (§ 108 Rn 7; Grü/Ellenberger Rn 5 iVm § 108 Rn 7; Erman/Maier-Reimer15 Rn 24a; anders zu Recht BeckOGK/Ulrici Rn 204; MüKo/Schubert § 179 Rn 25; Albers AcP 217, 766, 793). 8. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit des ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Vertrags beruft, muss beweisen, dass der Vertretene rechtzeitig genehmigt hat. Leitet der Gegner die Unwirksamkeit des Vertrags aus der Aufforderung zur Genehmigung ab, dann muss er beweisen, dass dem Vertretenen eine Aufforderung in dem behaupteten Zeitpunkt zugegangen ist. Sache desjenigen, der sich auf die Genehmigung beruft, ist es dann zu beweisen, dass die Genehmigung innerhalb der Erklärungsfrist zugegangen ist. 9. Haftung des Vertretenen aus cic/§ 311 II. Wenn der Vertretene nicht genehmigt, kann – neben einer Haftung des Vertreters nach § 179 – ggü dem Geschäftsgegner eine Haftung des Vertretenen auf den Vertrauensschaden aus cic/§ 311 in Betracht kommen (ausf BeckOGK/Ulrici Rn 120ff). Ein solcher Anspruch wird jedoch nur in seltenen Fällen gegeben sein. Er setzt stets voraus, dass der Vertreter mit Wissen und Wollen des Vertretenen zB bei Verhandlungen tätig geworden ist (MüKo/Schubert Rn 64). Ist dann keine Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) anzunehmen, so bleibt für einen Anspruch aus cic gegen den Vertretenen Raum, wenn dieser entweder selbst das vollmachtlose Handeln des Vertreters (mit-)verschuldet hat (Bsp: mangelhafte Auswahl, Anleitung oder Überwachung, s Staudinger/Schilken Rn 23f) oder sich das Verschulden seines Vertreters nach § 278 zurechnen lassen muss (Bsp: schuldhaft fehlerhaftes Verhalten eines nur zum Verhandlungsgehilfen bestellten Vertreters ohne Vertretungsmacht, vgl BGH NJW-RR 1992, 1435f; NJW-RR 1998, 1342; MüKo/Schubert Rn 64 mwN; ausf Schnorbus WM 1999, 197; einschränkend Canaris JuS 1980, 332, 334f). Bei der gesetzl Vertretung gebietet es die besondere Schutzbedürftigkeit des Vertretenen (zB des Minderjährigen oder der jur Person), diesen nicht aus cic haften zu lassen, wenn der Vertreter die gesetzl festgelegte Vertretungsmacht überschreitet (MüKo/Schubert Rn 65; Staudinger/Schilken Rn 25 mwN). Zur Haftung der jur Person für Kompetenzüberschreitungen ihrer Vertretungsorgane § 31 Rn 5 und § 311 Rn 36). Zur Vertrauenshaftung einer Bank für Auskünfte eines vollmachtlosen Angestellten BGH NJW-RR 1998, 1342f. Kannte der Geschäftsgegner den Mangel der Vertretungsmacht oder musste er ihn kennen, scheidet zwar eine Haftung des Vertreters nach § 179 III 1 aus; das schließt aber eine Haftung des Vertretenen aus cic/§ 311 II, § 278 nicht von vornherein aus; vielmehr ist § 254 anzuwenden (MüKo/Schubert Rn 66; Staudinger/Schilken Rn 24). Nebeneinander bestehen können Ansprüche aus § 179 und Ansprüche aus GoA bei Leistungen an den Vertretenen während der Schwebezeit (hM; BGH NJW-RR 1989, 970; 2004, 81, 83; zu Recht abl Oechsler LMK 2004, 19; BeckOGK/Ulrici Rn 127; s dazu auch Wendlandt NJW 2004, 985, 987) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (BGHZ 36, 30, 35; BGH NJW 2001, 3184f; Celle BauR 2000, 289f; Staudinger/Schilken Rn 27).
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Widerrufsrecht des anderen Teils
Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerruf berechtigt, es sei denn, dass er den Mangel der Vertretungsmacht bei dem Abschluss des Vertrags gekannt hat. Der Widerruf kann auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden. 1. Bedeutung. Die schwebende Unwirksamkeit gibt dem Vertretenen faktisch eine Option auf den Vertrag. Diese Option kann der Vertragsgegner durch Widerruf beenden, sofern er sie nicht bewusst durch Abschluss Finkenauer
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mit einem vollmachtlosen Vertreter eingeräumt hat. Die Regelung entspricht § 109, § 1366 II und § 1857 und ist dispositiv. 2. Voraussetzungen des Widerrufsrechts. Das Widerrufsrecht besteht nur, wenn der Vertrag noch schwebend unwirksam ist, also der Schwebezustand nicht bereits durch Genehmigung des Vertretenen oder deren Verweigerung beendet worden ist. Die Vergewisserung nach § 177 II 1 hindert einen Widerruf nicht (hM; aA BeckOGK/ Ulrici Rn 32, 49). Dieser setzt weiter voraus, dass der Vertragspartner bei Vertragsschluss keine Kenntnis vom Fehlen der Vertretungsmacht hatte; fahrlässige, auch grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht. Maßgeblich für die Kenntnis ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, bei mehraktigem Abschluss der Zeitpunkt des letzten Akts, mit dem die Bindung des Vertragsgegners eintritt, ggf also die auf die Einigung folgende Übergabe oder Grundbucherklärung/Bewilligung gem § 873 II (MüKo/Schubert Rn 6). Die Kenntnis führt hier (anders als in § 173) nicht zur Beendigung der Vertretungsmacht; deshalb ist ein anderer Zeitpunkt maßgeblich als in § 173. In Ausnahmefällen kann das Widerrufsrecht unmittelbar durch § 242 oder deshalb ausgeschlossen sein, weil sich der Geschäftsgegner nach § 242 nicht auf den Vertretungsmangel berufen kann (BGH NJW 2012, 3424 Rn 20; dazu § 177 Rn 23). 3. Widerruf. Der Widerruf ist eine empfangsbedürftige, formlose Willenserklärung, die wahlweise ggü dem Vertretenen oder ggü dem Vertreter abgegeben werden kann (S 2). Sie muss den Willen erkennen lassen, dass der Vertrag gerade wegen des Mangels der Vertretungsmacht nicht mehr gelten soll (BGH WM 1973, 460f; BAG NJW 1996, 2594f). Ein Widerruf kann in der Erhebung von Ansprüchen liegen, die sich bei Widerruf ergeben (BGH NJW 1988, 1199f; dazu krit Reinicke/Tiedtke DB 1988, 1203f). Erklärt der Geschäftsgegner, aus anderen Gründen zurücktreten zu wollen, oder bestreitet er den Abschluss des schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts, so ist darin kein Widerruf zu sehen (RGZ 102, 24ff; BGH NJW 1965, 1714; Frankfurt BB 1995, 2440f). 4. Gegenstand und Folge des Widerrufs. Gegenstand des Widerrufs ist die Vertragserklärung des Widerrufenden (Staudinger/Schilken Rn 1; aA BeckOGK/Ulrici Rn 39: Vertrag). Der Widerruf beendet den Schwebezustand und führt zur endgültigen Unwirksamkeit des Vertrags. Eine Genehmigung des Vertrags ist dann ausgeschlossen (RG JW 1929, 2944, 2945f m Anm Flechtheim). 5. Verhältnis zur Anfechtung. Der Irrtum über das Fehlen der Vertretungsmacht berechtigt nicht zur Anfechtung nach § 119, weil dessen Tatbestand nicht vorliegt. Ggü § 123 besteht indes freie Konkurrenz mit § 178 (BeckOGK/Ulrici Rn 21, 21.1; Albers AcP 217, 766, 790; aA NK/Ackermann Rn 5; Erman/Maier-Reimer15 Rn 5: § 178 lex specialis). Wegen eines anderen, nach §§ 119, 123 beachtlichen Willensmangels steht dem Geschäftsgegner ein Anfechtungsrecht zu; allerdings wird er wegen der Folgen des § 122 regelmäßig den Widerruf vorziehen. Hat er gleichwohl – etwa in Unkenntnis seines Widerrufsrechts – angefochten, so scheitert ein Schadensersatzanspruch des Vertretenen aus § 122 daran, dass der Vertragspartner hätte widerrufen können (s auch BeckOGK/ Ulrici Rn 21.2; anders Soergel/Bayer Rn 4: ggf Auslegung der Anfechtung als Widerruf, und MüKo/Schubert Rn 8: Widerruf auch noch nach Anfechtung). Unberührt bleibt die Möglichkeit, die bei Unwirksamkeit der Anfechtung fortbestehende Vertragserklärung vorsorglich zu widerrufen. 6. Analoge Anwendung. Ist bei einem einseitigen Rechtsgeschäft die Vertretungsmacht nicht gem § 180 S 2 beanstandet worden, ist § 178 entspr anzuwenden (§ 180 Rn 10). 7. Beweislast. Wer die Unwirksamkeit des Vertrags infolge Widerrufs geltend macht, muss den Widerruf während des Schwebezustandes beweisen. Hält der Gegner den Widerruf wegen der von ihm behaupteten Kenntnis des Mangels der Vertretungsmacht bei Abschluss des Vertrags für unwirksam, ist er für seine Behauptung beweispflichtig („es sei denn“).
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Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht
(1) Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert. (2) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat. (3) Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, dass er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat. 1. Bedeutung. Wer als Vertreter einen Vertrag schließt, behauptet zumindest konkludent, dass er eine entspr Vertretungsmacht habe und infolgedessen ein Vertrag mit dem Vertretenen zustande komme (BGHZ 39, 45, 51). Wenn die Vertretungsmacht in Wirklichkeit nicht besteht und der Vertrag deshalb scheitert, gibt das Gesetz deshalb dem Vertragsgegner gegen den Vertreter einen Anspruch wahlweise auf Vertragserfüllung oder auf Schadensersatz (Abs I). Wenn der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt hat, braucht er aber nur das negative Interesse zu ersetzen (Abs II); auf ein Verschulden kommt es dafür nicht an (Rn 20). Der Vertreter haftet nicht, wenn der Vertragsgegner den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste; Abs III 592
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Vertretung und Vollmacht
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S 1. Ein beschränkt geschäftsfähiger Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet nur, wenn er mit Zustimmung seines gesetzl Vertreters gehandelt hat (Abs III S 2; Rn 19). 2. Anwendungsbereich. Die Vorschrift gilt für alle Arten der Vertretung (allgM, Staudinger/Schilken Rn 6 mwN). Auch wer fälschlich als Partei kraft Amtes auftritt, haftet analog Abs I (Vor § 164 Rn 29; Soergel/Bayer § 177 Rn 6). Zur entspr Anwendung s weiter Rn 23f. Bei Mängeln in der wirksamen Vertretung von Gemeinden und anderen öffentlich-rechtl Körperschaften durch ein Vertretungsorgan ist Abs I regelmäßig nicht anzuwenden, wenn der Vertretungsmangel lediglich auf der Verletzung öffentlich-rechtl Formvorschriften (dazu § 125 Rn 10) beruht (BGHZ 147, 381, 387ff = LM Nr 22 m krit Anm Stadler/Janköster; JZ 2002, 194, 196ff m Anm Püttner) oder darauf, dass ohne aufsichtsrechtl Genehmigung der Gemeinde die erforderliche Rechtsmacht fehlt (BGHZ 157, 168; s auch BGHZ 153, 198 m Anm Teichmann JZ 2003, 958). 3. Haftung des Vertreters nach Abs I. a) Voraussetzungen. aa) Der Anspruchsgegner muss als Vertreter in fremdem Namen aufgetreten sein (§ 164 Rn 4ff). bb) Der Vertreter muss einen Vertrag ohne Vertretungsmacht geschlossen haben (s auch § 177 Rn 3ff). Diese Voraussetzung fehlt auch dann, wenn sich die Vertretungsmacht nur aus den Grundsätzen der Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) ergibt. Insb kann der Vertragspartner nicht wahlweise den Vertretenen aufgrund des Rechtsscheins oder den Vertreter aus § 179 in Anspruch nehmen (str, s § 167 Rn 28). Hat den Vertrag ein Untervertreter abgeschlossen, so hat dieser nach Abs I dem Geschäftsgegner einzustehen, wenn die Untervertretungsmacht nicht besteht; zur Haftung bei einem Mangel der Hauptvertretungsmacht s § 167 Rn 65. Fehlt die Vertretungsmacht nur teilw und ist der von der Vertretungsmacht gedeckte Teil des Geschäfts nicht nach § 139 unwirksam, so kann der Geschäftsgegner von dem Vertreter nur hinsichtl des unwirksamen Teils Schadensersatz oder Erfüllung verlangen (BGHZ 103, 275, 278; Soergel/Bayer Rn 11; zu Bedenken s Jakobs NJW 1989, 697). cc) Der Vertretene muss die Genehmigung verweigert haben; gleich steht der Fall, dass die Genehmigung nach § 177 II 2 als verweigert gilt (MüKo/Schubert Rn 26). Ist die Unwirksamkeit vorher schon durch Widerruf (§ 178) eingetreten, so sind Ansprüche nach Abs I ausgeschlossen (BGH NJW 1988, 1199f; Staudinger/Schilken Rn 6). Genehmigt der Vertretene nur einen Teil des Geschäfts, der nach dem Parteiwillen gem § 139 allein aufrechterhalten werden kann (s § 177 Rn 16), so gilt § 179 nur für den anderen Teil des Geschäfts. Wird die Genehmigung erteilt, so haftet der Vertreter für den durch den Mangel der Vertretungsmacht entstandenen Verzögerungsschaden nicht nach § 179, möglicherweise aber aus cic nach § 241 II, § 311 II, III (Hamm NJW 1994, 666). dd) Die Haftung aus Abs I ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag nicht (nur) wegen des Mangels der Vertretungsmacht, sondern (auch) aus anderen Gründen (zB wegen Sittenwidrigkeit oder Formmangels) unwirksam ist (RGZ 106, 68, 70f; 145, 40, 43). Der Geschäftsgegner darf nicht besser gestellt werden, als er im Falle einer wirksamen Vertretung stünde (RGRK/Steffen Rn 4; Soergel/Bayer Rn 12f). Wäre jedoch bei einer wirksamen Vertretung auch das weitere Wirksamkeitshindernis beseitigt (zB eine noch erforderliche behördliche Genehmigung erteilt) worden, so muss der Vertreter nach Abs I haften, weil dann der Mangel der Vertretungsmacht der maßgebliche Grund für das Scheitern des Vertrags ist (MüKo/Schubert Rn 35; Staudinger/Schilken Rn 24; s aber RGZ 145, 40, 43f: negatives Interesse). Ein Widerrufsrecht nach den Verbraucherschutzbestimmungen oder die Anfechtbarkeit des Vertrags schließen eine Haftung des Vertreters ebenfalls nicht aus. Der Vertreter kann jedoch, wenn er nach Abs I in Anspruch genommen wird, anstelle des Vertretenen unter den Voraussetzungen der §§ 119ff die Anfechtung erklären (BGH NJW 2002, 1867f mwN; MüKo/Schubert Rn 33; Staudinger/Schilken Rn 10; s auch § 164 Rn 26). Er hat dann dem anderen Teil entspr § 122 den Vertrauensschaden zu ersetzen (RGRK/Steffen Rn 4; Soergel/Bayer Rn 13). Auch ein Widerrufsrecht nach §§ 312ff kann der Vertreter ausüben und so die Erfüllungshaftung beseitigen, wenn er selbst Verbraucher ist (BGH NJW-RR 1991, 1074f mwN; Hoffmann JZ 2012, 1156, 1163f; aA LG Fulda VuR 2013, 303). Auch wenn wegen eines weiteren Unwirksamkeitsgrundes ein Anspruch aus Abs I ausgeschlossen ist, kann sich in Ausnahmefällen aufgrund anderer Vorschriften eine Vertrauenshaftung des Vertreters ergeben, so wenn der Vertretene aus cic gehaftet hätte, wenn die Vertretungsmacht bestanden hätte (RGZ 106, 68, 73; s dazu Rn 23; RGZ 145, 40, 44; Staudinger/Schilken Rn 24). IÜ haftet der Vertreter für cic nur unter den Voraussetzungen des § 311 III; dass er das Vertrauen in die Vertretungsmacht in Anspruch genommen hat, genügt dafür nicht (Soergel/Bayer Rn 17; Bork AT Rn 1636). b) Haftungsfolgen. Nach Abs I kann der Geschäftsgegner den Vertreter auf Vertragserfüllung (zur Dogmatik dieser Haftung Lobinger [§ 167 Rn 10] 273ff, 343f; er ordnet die Haftung als eine Verpflichtung des Vertreters wegen Nichterfüllung eigener Pflichten ein) oder Schadensersatz statt der Leistung in Anspruch nehmen. Nach wohl hM besteht insoweit eine gesetzl Wahlschuld, auf welche §§ 262ff anwendbar sind (RGZ 154, 58, 62; Flume § 47, 3b; MüKo/Schubert Rn 37 mwN). Vorzug verdient die Gegenauffassung, die elektive Konkurrenz annimmt (§ 262 Rn 3; Grü/Ellenberger Rn 5; MüKo/Krüger § 262 Rn 12; Prütting/Schirrmacher Jura 2016, 1156, 1164). Denn es bestehen nebeneinander alternative Ansprüche (im Fall des Erfüllungsverlangens vorbehaltlich aller damit verbundenen Gegenrechte). Da im Fall elektiver Konkurrenz die (auch konkl) Wahl nicht bindet (NK/Arnold § 262 Rn 5), sind deren Rechtsfolgen namentlich im Fall eines nach Wahl der Erfüllung eintretenden, vom Vertreter nicht zu vertretenden Leistungshindernisses eher sachgerecht als die der §§ 262ff (dazu § 265 Rn 7). Bei Verfügungsverträgen, die keine Leistungspflichten der Parteien begründen, kann nur Schadensersatz verlangt werden (Soergel/Bayer Rn 21). Anspruchsberechtigter Geschäftsgegner des ArbGeb ist bei Betriebsvereinbarungen der Betriebsrat, nicht der einzelne ArbN (BAG DB 2008, 1163f). Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
aa) Wählt der Geschäftsgegner Vertragserfüllung, wird der Vertreter nicht selbst Vertragspartei, weil jener das nicht in seinen Vertragswillen aufgenommen hatte. Ist nur eine von mehreren Vertragsparteien vollmachtlos vertreten, so ergibt sich aus dem Erfüllungsanspruch nicht die Gesamtwirksamkeit des Vertrags unabhängig von § 139 (BGH NJW 1970, 240f). Kraft Gesetzes entsteht zw dem Vertreter und dem Vertragsgegner ein Schuldverhältnis, das den gleichen Inhalt hat wie der für den Vertretenen geschlossene Vertrag. Der Vertragsgegner hat also alle Ansprüche, die er aufgrund des Vertrags gegen den Vertretenen hätte geltend machen können (Rn 6). Der Vertragsgegner kann den Vertreter am Erfüllungsort (München OLG 1966, 424) oder im vertragl vereinbarten Gerichtsstand verklagen (Hamburg MDR 1975, 227). Tarifvertragl Ausschlussfristen finden ggü dem Erfüllungsanspruch Anwendung (BAG NJW 2007, 1378). Wenn eine Partei eines (mangels Vertretungsmacht unwirksamen) Arbeitsvertrags den Vertreter gem § 179 auf Erfüllung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis oder auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben (BAGE 106, 10). Eine im Vertrag enthaltene Schiedsgerichtsabrede gilt aber ggü dem Vertreter nicht (BGH NJW 1977, 1397, 1399). Entscheidend ist die Unternehmereigenschaft des Vertreters, nicht des Vertretenen (Hamm BeckRS 2020, 41781). Nach der Wahl der Erfüllung kann der Vertreter seinerseits Erfüllung durch den Vertragspartner verlangen (Grü/Ellenberger Rn 5; MüKo/Schubert Rn 41). Er hat (auch vor eigener Erfüllung) die Einwendungen und Gegenrechte, die sonst dem Vertretenen zustünden (BGH NJW 2004, 774; Soergel/Bayer Rn 19), insb aus § 275 oder aus §§ 320ff, 326. Ihm stehen auch hinsichtl der Gegenleistung die Gewährleistungsansprüche zu (Staudinger/Schilken Rn 15). Die Wahl der Erfüllung schließt den Übergang auf den Schadensersatz statt der Leistung (§ 281) nicht aus (RGZ 120, 126, 129 zu § 326 aF). Sind Sekundäransprüche von der Kenntnis abhängig, so kommt es auf die Kenntnis des Vertreters, nicht des Vertretenen an, denn der Vertragspartner ist so zu stellen, als hätte der Vertreter Vertretungsmacht gehabt, nicht so, als hätte der Vertretene genehmigt; maßgeblich ist daher § 166 I, nicht – wie bei Genehmigung (§ 166 Rn 38) – auch § 166 II (aA zu § 463 aF Köln NJW-RR 1990, 760). Entspr dem Schutzzweck des Abs I, dem Geschäftsgegner nicht mehr zu gewähren, als er bei Vertragsschluss mit dem Vertretenen hätte, ist der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Vertretene vermögenslos ist und der Vertragsgegner deshalb seinen Erfüllungsanspruch nicht hätte durchsetzen können (Flume § 47, 3b; MüKo/ Schubert Rn 43; Soergel/Leptien Rn 16; Hamm MDR 1993, 515; zweifelnd Medicus/Petersen AT Rn 987 unter Hinweis auf Hilger NJW 1986, 2237, 2238f). Insofern enthält auch der Erfüllungsanspruch ein schadensrechtl Element (s Rn 12). Auch hier darf die Vertrauenshaftung den Geschäftsgegner nicht besser stellen als ein wirksamer Vertrag. Rechnet der Geschäftsgegner mit einer Besserung der Vermögenslage des Vertretenen, so muss ihm die Möglichkeit eingeräumt werden, für diesen Fall einen entspr (Feststellungs-)Titel zu erwirken. bb) Der Schadensersatzanspruch geht nicht auf Naturalrestitution (was Vertragserfüllung bedeuten würde), sondern auf Geldersatz, dessen Höhe sich nach dem Interesse bemisst, das der andere Teil an der Erfüllung hat, bei schuldrechtl Verträgen also Schadensersatz statt der Leistung (§ 281). Anstelle des Erfüllungsinteresses kann der Vertragspartner gem § 284 auch Ersatz frustrierter Aufwendungen verlangen (Staudinger/Schilken Rn 16; NK/Ackermann Rn 18), jedoch nur, wenn sie gerade wegen des Fehlens der Vertretungsmacht frustriert wurden (Karlsruhe NJW-RR 2010, 675, 677). Ob der Schaden auch nach der sog Surrogationstheorie (§ 281 Rn 66) bemessen werden kann (so Erman/Palm12 Rn 9; MüKo/Schubert Rn 47), ist anders als bei § 281 zweifelhaft, da die Schadensliquidation auf dieser Basis praktisch dem Erfüllungsanspruch entspricht; insofern bleiben die Bedenken von BGH NJW 1994, 3351; 1999, 3115 (beide zu § 326 aF) relevant. Der Schaden kann konkret oder evtl auch abstrakt berechnet werden (RGZ 58, 326f). Zum ersatzfähigen Schaden gehören idR auch die Kosten eines erfolglosen Vorprozesses gegen den Vertretenen, weil diese bei wirksamer Vertretung nicht entstanden wären (Düsseldorf NJW 1992, 1176f). Wäre auch bei wirksamer Vertretung der Vertrag unwirksam oder der Erfüllungsanspruch gegen den Vertretenen wegen dessen Vermögenslosigkeit nicht durchsetzbar gewesen, besteht kein ersatzfähiger Schaden (Soergel/Leptien13 Rn 16; s auch Rn 11). c) Verjährung. Der Anspruch auf Schadensersatz oder Erfüllung verjährt in der Frist, die für den Erfüllungsanspruch aus dem vom Vertreter geschlossenen Vertrag gegolten hätte (zu dem bis 31.12.2001 geltenden Verjährungsrecht BGHZ 73, 266; BGH NJW 2004, 774; aA RGZ 145, 40, 41). Die Verjährungsfrist beginnt mit der Verweigerung der Genehmigung (BGH aaO; MüKo/Schubert Rn 49), nach § 199 also mit dem darauf folgenden Jahresende. Zur Verjährung von mietrechtl Ansprüchen gegen den vollmachtlosen Vertreter des Mieters BGH NJW 2004, 774 m Anm Schimmel/Buhlmann LMK 2004, 58. Tarifliche Ausschlussfristen werden gewahrt, wenn die Ansprüche gegen den vermeintlich Vertretenen fristgerecht geltend gemacht werden (BAG NJW 2007, 1378f). 4. Haftung des Vertreters nach § 179 II. a) Unkenntnis der Vertretungsmacht. War dem Vertreter bei Abschluss des Vertrags der Mangel der Vertretungsmacht nicht bekannt, ist er dem Geschäftsgegner nur zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet. Das gilt auch, wenn er grob fahrlässig seine Vertretungsmacht annahm; anders aber, wenn er für diese Annahme keinerlei Grund hatte (Saarbrücken OLG 1989, 234f). Zum Ersatz des Vertrauensschadens ist der Vertreter auch dann verpflichtet, wenn er bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt den Mangel der Vertretungsbefugnis nicht erkennen konnte (BGH WM 1977, 478f; Staudinger/Schilken Rn 17). Die Haftung wird deshalb als gesetzl Garantiehaftung gewertet (BGHZ 105, 283, 285), s aber § 117 III InsO (dazu München NJW-RR 2010, 62) sowie Rn 20f. b) Vertrauensschaden. Hinsichtl der Rechtsfolgen entspricht Abs II weitgehend dem § 122. Der Vertreter schuldet den Ersatz des negativen Interesses. Zu ersetzen ist der Schaden, der auf dem enttäuschten Vertrauen in die Vertretungsmacht beruht. Der Vertreter muss den Geschäftsgegner vermögensmäßig so stellen, wie dieser 594
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Vertretung und Vollmacht
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stehen würde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre (Staudinger/Schilken Rn 18). Der zu ersetzende Schaden kann konkret oder evtl abstrakt berechnet werden (RGZ 58, 326f; Staudinger/Schilken Rn 18); er umfasst auch die Kosten eines erfolglosen Prozesses gegen den Vertretenen (Düsseldorf NJW 1992, 1176f). Ersatzfähig ist der Vertrauensschaden jedoch nur bis zur Höhe des Erfüllungsinteresses (MüKo/Schubert Rn 53) und nur, soweit ohne den Mangel der Vertretungsmacht ein durchsetzbarer Anspruch gegen den Vertretenen bestanden hätte (dazu Rn 6, 12; s auch § 122 Rn 5ff). c) Verjährung. Für den Ersatzanspruch aus Abs II gilt die Verjährungsfrist, die für den vertragl Erfüllungsanspruch gegolten hätte; die Frist beginnt mit der Verweigerung der Genehmigung zu laufen (BGH NJW 1979, 1161), nach § 199 also mit dem darauf folgenden Jahresende. d) Dispositivität. Abs II ist dispositiv. Der Vertreter kann auch eine von seinem Kenntnisstand unabhängige Garantiehaftung mit den Rechtsfolgen des Abs I übernehmen. Dazu ist jedoch eine unzweideutige Gewährübernahme erforderlich (Staudinger/Schilken Rn 3). Durch AGB kann dem Vertreter eine über § 179 II hinausgehende Haftung nicht auferlegt werden (§ 309 Nr 11). 5. Ausschluss der Haftung. a) (Fahrlässige) Unkenntnis von fehlender Vertretungsmacht. Nach Abs III S 1 haftet der Vertreter nicht, wenn der Geschäftsgegner das Fehlen der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste, also infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 122 II). Auch leichte Fahrlässigkeit genügt. Jedoch darf der Geschäftsgegner idR der ausdr oder schlüssigen Behauptung der Vertretungsmacht glauben und braucht keine Nachforschungen anzustellen (BGHZ 105, 283, 285f; 147, 381, 385; MüKo/Schubert Rn 56; Soergel/Bayer Rn 30). Gesamtvertretungsbefugnis laut Registereintrag schafft nicht ohne weiteres Kenntnis von fehlender Einzelvertretungsbefugnis (Tonner FS K. Schmidt II, 2019, 533, 541f). Mit der Annahme fahrlässiger Unkenntnis ist die Rspr sehr zurückhaltend. Verneint wurde Fahrlässigkeit etwa in BGHZ 105, 283 (Vertreter für noch zu werbende Bauherren nach dem Bauherrenmodell); BGH NJW 1990, 387f (Vertretung einer GmbH durch einen Gesellschafter für die Gesellschafterversammlung); BGH NJW-RR 2005, 268 (Vertretung der GmbH in Liquidation durch früheren Geschäftsführer nach Eintragung und Bek der Liquidation und des Liquidators); BGH NJW 2000, 1407 (Vertretung durch Krankenhausleiter bei Abschluss von Mietverträgen für Krankenschwestern); s auch Düsseldorf NJW-RR 1995, 113; Fahrlässigkeit wurde bejaht von BGH NZG 2005, 276, 278 (Aufsichtsrat muss Vertretungsregelung des § 112 AktG kennen); Saarbrücken NJW-RR 2001, 453 (Bauleiter vertritt vollmachtlos den Bauherrn bei Vereinbarung wesentlicher Vertragsänderung). Höhere Anforderungen gelten für eine Bank als Geschäftsgegner (RG HRR 1935 Nr 104). Verspricht ein vollmachtloser Vertreter, „seine Vollmacht nachzureichen“, so kann der Vertragsgegner regelmäßig darauf vertrauen, dass dem Vertreter schon mündlich Vollmacht erteilt worden ist (Celle DNotZ 1977, 33). Wenn die Haftung nach Abs III S 1 ausgeschlossen ist, kann dem Geschäftsgegner auch kein nach § 254 gekürzter Anspruch aus cic/§ 311 III gegen den Vertreter zugesprochen werden (RGRK/Steffen Rn 8; s auch Rn 22). Handelt der Vertreter unter Vorbehalt der Genehmigung für eine nicht existierende Person oder Gesellschaft, so ist seine Haftung auch dann ausgeschlossen, wenn der Vertragspartner nicht weiß, dass der Vertretene nicht existiert (BGHZ 178, 307, 311). Auch wenn der Geschäftsgegner weiß, dass der Vertretene noch nicht existiert oder eine Vertretungsmacht nicht besteht, haftet der Vertreter aber, wenn er nach den Umständen das Risiko der Entstehung des Vertretenen (BGHZ 63, 45, 49f zur Vertretung einer noch nicht entstandenen GmbH & Co. KG durch ihren Gründer) oder seiner Genehmigung (BGHZ 105, 283, 285ff zur Vertretung noch zu werbender Bauherren im Bauherrenmodell) übernimmt; krit zur Differenzierung des BGH Fehrenbach NJW 2009, 2173, 2175ff. b) Beschränkt geschäftsfähiger Vertreter. Nach Abs III S 2 haftet der beschränkt geschäftsfähige Vertreter nur, wenn sein gesetzl Vertreter dem Vertretungshandeln zugestimmt hat; sein Schutz hat Vorrang vor dem Verkehrsschutz. Der Schutz entfällt, wenn der gesetzl Vertreter dem Handeln zugestimmt hat, auch wenn er den Vertretungsmangel nicht kennt (MüKo/Schubert Rn 62 mwN; aA van Venrooy AcP 181, 220, der eine Zustimmung des gesetzl Vertreters wegen Perplexität [230] oder fehlender Vertretungsmacht [233] für nichtig hält; für eine teleologische Reduktion auf Fälle, in denen die Eltern nicht die Bevollmächtigenden sind, Boss Jura 2022, 10, 16f). Ist der Vertreter geschäftsunfähig, so beruht die Nichtigkeit des Vertrags nicht auf einem Vertretungsmangel (§ 165 Rn 5). Ein minderjähriger Vertreter, der ohne Zustimmung seines gesetzl Vertreters als unbefugter Vertreter aufgetreten ist, haftet dem Geschäftsgegner nur nach Deliktsrecht. Ansprüche aus cic/§ 311 III sind ebenfalls ausgeschlossen (Soergel/Leptien13 Rn 20). c) Besondere Fälle. Auf das negative Interesse haftet der Vertreter auch, wenn der Mangel der Vertretungsmacht außerhalb der Erkenntnis- und Beurteilungsmöglichkeit des Vertreters liegt (aA Flume § 47, 3c). In den in Betracht kommenden Fällen (zB Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers oder Anfechtung der Innenvollmacht, s § 167 Rn 46) steht der Vertreter dem Risiko immer noch näher als der Geschäftsgegner (Staudinger/Schilken Rn 17; Neuner § 51 Rn 33; Medicus/Petersen AT Rn 994). Eine Zuweisung des Risikos zw Vertreter und Geschäftsgegner danach, wer im Einzelfall den Mangel leichter erkennen kann (so NK/Ackermann Rn 24), ist mit den Prinzipien des § 179 nicht vereinbar. Beruht der Mangel gesetzl Vertretungsmacht jedoch auf der Verfassungswidrigkeit des sie vermeintlich begründenden Gesetzes, so ist eine Ausnahme gerechtfertigt (BGHZ 39, 45, 51f zur Verfassungswidrigkeit des Alleinvertretungsrechts des Vaters nach § 1629 aF); Veranlasser des enttäuschten Vertrauens ist dann nicht der Vertreter, sondern das Gesetz (Grü/Ellenberger Rn 2; Staudinger/Schilken Rn 18). Mit solchen Fällen ist eine nach Rechtsprechungswechsel anzunehmende Nichtigkeit einer umfassenden Vollmacht aufgrund von § 3 RDG (früher Finkenauer
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nach RBerG) nicht vergleichbar (aA Dorka/Losert DStR 2005, 1145, 1147). Legt der Vertreter nur die Umstände offen, aus denen sich seine Vertretungsmacht ergeben soll, so entfällt seine Haftung, wenn dies in einer Weise geschieht, die die Beurteilung der Vertretungsmacht ausdr oder konkludent dem Geschäftsgegner überlässt (Staudinger/Schilken Rn 18; BeckOK/Schäfer Rn 29; K. Müller AcP 168, 113, 140). Die bloße Mitteilung der Tatsachen, aus denen die Vertretungsmacht folgen soll, genügt dafür nicht (Grü/Ellenberger Rn 2; s auch BGHZ 39, 45, 51). Ansprüche gegen den Vertreter sind jedenfalls ausgeschlossen, wenn dieser selbst auf mögliche Mängel seiner Vertretungsmacht hingewiesen hat (MüKo/Schubert Rn 5). Meist wird dann schon Abs III S 1 eingreifen. Schließlich kann ein Anspruch ausgeschlossen sein, wenn trotz Verweigerung der Genehmigung der Geschäftsgegner aufgrund eines rechtskräftigen Titels Rechte wie bei bestehender Vertretungsmacht hat (Hamm BauR 2004, 1472f). 6. Entspr Anwendung des § 179. § 179 ist entspr anwendbar, wenn ein Vertrag für eine nicht (mehr) existierende Person abgeschlossen wurde (Staudinger/Schilken Rn 22; BGHZ 178, 307, 311) oder die Person zwar existiert, aber nicht fähig ist, Vertragspartei des geschlossenen Vertrags zu werden (RGZ 106, 68, 73; Flume § 47, 3a; Soergel/Bayer Rn 35) oder der Vertreter namens einer unselbständigen Abteilung handelt, wenn weder diese, noch ihr Träger in Anspruch genommen werden kann (BGH NZG 2013, 672f) oder mit dem Vertrag die Grenzen ihrer Teilrechtsfähigkeit überschritten werden (BGHZ 195, 174, 177ff zum Betriebsrat; abl Lunk/Rodenbusch NJW 2014, 1989, 1991f). Der Vertreter kann ferner analog § 179 in Anspruch genommen werden, wenn er einen Vertrag für einen anderen geschlossen hat, dessen Benennung später erfolgen sollte, der Vertreter aber den Vertretenen nicht namhaft macht (Köln NJW-RR 1991, 918f; Staudinger/Schilken Rn 22; s auch BGH NJW 1995, 1739, 1742 m Anm Altmeppen – treuwidrige Abstimmung in der Hauptversammlung einer AG mit Stimmrechtsvollmacht ohne Benennung der Aktionäre). Analog anwendbar ist § 179 grds auch bei einem Handeln für eine noch nicht entstandene Personenhandelsgesellschaft (BGHZ 63, 45, 48f) oder eine noch nicht errichtete Kapitalgesellschaft (BGHZ 91, 148; Köln NJW-RR 1995, 1503). Der Vertreter haftet in diesen Fällen auch dann, wenn der andere Teil weiß, dass die Gesellschaft noch nicht besteht (BGHZ 63, 45, 49; aA K. Schmidt NJW 1975, 665, 667). Handelt der Vertreter für eine errichtete, aber mangels Eintragung im Handelsregister noch nicht entstandene Kapitalgesellschaft, sog Vorgesellschaft, gelten die (die §§ 11 GmbHG, 41 AktG weitgehend überlagernden) Grundsätze zur Vorgesellschaft; s dazu die Kommentierungen zu § 11 GmbHG, § 41 AktG. Keine Haftung analog § 179 tritt ein, wenn die vertretene Partei existiert und Vertretungsmacht erteilt hat, aber bei Vertragsschluss unrichtig (zB mit dem Namen einer nicht bestehenden Scheinfirma) bezeichnet wird (BGH NJW 1996, 1053 m Anm Altvater WiB 1996, 498). Zur Haftung des Geschäftsführers einer GmbH analog § 179 bei Nichtbeachtung von § 4 GmbHG s § 164 Rn 24. Analog § 179 haften auch der unter fremdem Namen Handelnde (§ 164 Rn 11ff; zur Abgrenzung im Zusammenhang mit Ansprüchen aus § 661a s auch BGH NJW-RR 2006, 701), wenn der wahre Namensträger den Vertrag nicht genehmigt, der Bote ohne Botenmacht (Oldenburg NJW 1978, 951; Staudinger/Schilken Rn 25) und derjenige, der kraft eines vermeintlichen Amtes (zB als Insolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker) oder unter Vorspiegelung eines solchen Amtes ein Geschäft vorgenommen hat (RG SeuffA 87 Nr 105). Zu § 179 analog beim Handeln namens eines inexistenten Strohmannes LG Stuttgart BB 1994, 815. 7. Konkurrenzfragen. § 179 verdrängt grds die Haftung aus cic/§ 311 III, soweit es um den Ersatz des Schadens geht, der infolge des Vertretungsmangels beim Vertragsgegner eingetreten ist (ebenso MüKo/Schubert Rn 63 und § 177 Rn 61; RGRK/Steffen Rn 18; einschränkend Crezelius JuS 1977, 796ff; aA Flume § 47, 3a; Staudinger/Schilken Rn 20); insoweit geht § 179 als lex specialis vor. Anders dann, wenn die für die cic/§ 311 III erforderliche vorvertragl Pflichtverletzung nicht in der (konkludenten) wahrheitswidrigen Behauptung der Vertretungsmacht liegt, sondern darin, dass der offen ohne Vertretungsmacht auftretende Vertreter beim Vertragsgegner schuldhaft den falschen Eindruck erweckt, der Vertretene werde mit Sicherheit die Genehmigung erteilen, und dadurch den anderen Teil zu nutzlosen Vermögensaufwendungen veranlasst (Köln JMBl NW 1971, 270f; ähnl Crezelius JuS 1977, 769, 799). Eine Haftung aus cic kommt ferner in Betracht, wenn der Verhandlungsführer einer Vertragspartei nicht als Bevollmächtigter auftritt, aber doch persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt (Bsp BGH NJW-RR 2006, 993). Soweit es um andere Schäden geht, die nicht durch das Fehlen der Vertretungsbefugnis hervorgerufen worden sind, steht § 179 einer Haftung aus cic nicht entgegen, wenn der Vertreter also ein eigenes wirtschaftl Interesse verfolgt oder persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (MüKo/Schubert § 177 Rn 62; RGRK/Steffen Rn 18). Keinen Einfluss hat § 179 auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung (RGRK/Steffen Rn 18; aA MüKo/Schubert § 177 Rn 61). Auch die Haftungsbeschränkungen des § 179 II, III sind auf deliktische Ansprüche nicht entspr anwendbar (Soergel/Leptien13 Rn 22). Zu den Ansprüchen aus GoA und aus Bereicherungsrecht gegen den Vertretenen § 177 Rn 26. Im Einzelfall kann der Geschäftsgegner auch den Vertretenen aus cic/§ 311 II in Anspruch nehmen (§ 177 Rn 26). Zur Haftung von Gebietskörperschaften wegen Verschuldens beim Vertragsschluss ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde BGH NVwZ 2001, 116; s auch BGHZ 147, 381, 391ff. 8. Beweislast. a) Geschäftsgegner. Klagt der Vertragsgegner gegen den Vertreter auf Erfüllung oder Schadensersatz (§ 179 I), dann muss er behaupten und beweisen, dass dieser in fremdem Namen mit ihm einen Vertrag geschlossen und der Vertretene die Genehmigung verweigert hat oder die Genehmigung gem § 177 II 2 als verweigert gilt. Bei Ungewissheit über die Person des Vertragspartners kann es sich für den Vertragsgegner empfehlen, den ihm ggü Handelnden (aus Vertrag oder § 179) zu verklagen und etwaigen weiteren Personen, die als 596
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Vertretung und Vollmacht
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Vertragspartner in Betracht kommen könnten, den Streit zu verkünden (Bsp BGH NJW-RR 2005, 1585f; s auch BGHZ 85, 252). b) Vertreter. Der verklagte Vertreter erreicht eine Abweisung der Klage, wenn er eine der folgenden Voraus- 29 setzungen behauptet und beweist: aa) Er war vertretungsberechtigt (Düsseldorf NJW 1992, 1176); dies muss er trotz des abw Wortlauts auch nach Art 8 WG beweisen (BGHZ 99, 50, 52). Dabei genügt es, wenn er die Erteilung der Vollmacht durch den Vertretenen beweist; Sache des Klägers ist es, ein etwaiges Erlöschen der Vollmacht zu beweisen. bb) Der Kläger kannte den Mangel der Vertretungsmacht oder musste ihn kennen. cc) Der Vertreter war beschränkt geschäftsfähig; die Beweislast für die Zustimmung des gesetzl Vertreters trägt wiederum der Kläger. Der Vertreter trägt die Beweislast für seine Unkenntnis des Mangels (§ 179 II).
§ 180
Einseitiges Rechtsgeschäft
Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wird. 1. Bedeutung. An einem einseitigen Rechtsgeschäft wirkt dessen Adressat nicht aktiv mit. Deshalb ist er besonders schutzbedürftig (s auch § 174 Rn 1). Daher ist nach S 1 die Vertretung ohne Vertretungsmacht bei einseitigen Rechtsgeschäften grds unzulässig (vgl auch §§ 111, 1367, 1831). Soweit es bei dieser Unzulässigkeit verbleibt, kommt auch eine Haftung des Vertreters aus § 179 nicht in Betracht (s jedoch Rn 11). Er kann nur aus Delikt oder ggf cic haften. Von dem Grundsatz macht S 2 bedeutsame Ausnahmen für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die bei der Aktivvertretung daran anknüpfen, dass der Adressat seine Rechte aus § 174 nicht wahrnimmt oder bewusst mit dem vollmachtlosen Verhalten einverstanden ist. Vertraut der Adressat auf eine tatsächlich nicht bestehende Vertretungsmacht, so ist er deshalb durch § 179 iVm § 180 S 2 geschützt. 2. Anwendungsbereich. a) Einseitige Rechtsgeschäfte. Die Vorschrift gilt insg für einseitige Rechtsgeschäfte. Für einseitige geschäftsähnl Handlungen (Einl § 104 Rn 7) gilt sie entspr (BGH NJW 2006, 687f für die Mahnung). Sie ist insg nicht anwendbar auf Prozesshandlungen einschl der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (Staudinger/Schilken Rn 13). b) Empfangsbedürftige Willenserklärungen. Die Ausnahme des S 2 gilt nur für empfangsbedürftige Willenserklärungen. Die Abgrenzung ist str. aa) Sie gilt jedenfalls nicht für streng einseitige Rechtsgeschäfte (Einl § 104 Rn 15) wie Auslobung (§ 657), Eigentumsaufgabe (§ 959), Erbausschlagung (BGH NJW 2016, 3032 Rn 24). Mangels Erklärungsadressaten gilt sie auch nicht für die Einmanngründung einer GmbH (Stuttgart GmbHR 2015, 487; Frankfurt ZIP 2017, 920f; Habersack/Casper/Löbbe/P. Ulmer/Löbbe § 2 GmbHG Rn 32; aA Hasselmann ZIP 2012, 1947, 1949ff), dagegen zB für die Kündigung (hM; s Tonikidis JR 2019, 215, 219; aA RGZ 146, 314, 316; LAG Köln LAGE § 180 BGB 2002 Nr 1) oder für die vollmachtlose Vertretung des Alleingesellschafters bei Gesellschafterbeschlüssen, weil die Stimmen in diesem Fall ggü der Gesellschaft abgegeben und für diese vom Vertreter angenommen werden (München ZIP 2011, 772). bb) Bei amtsempfangsbedürftigen einseitigen Rechtsgeschäften, die sowohl ggü einer Behörde als auch ggü einem Dritten abgegeben werden können (Bsp § 875 I 2, § 876 S 3, § 880 II 3, § 1168 II 1, § 1183 S 2), ist die Ausnahme des S 2 anwendbar, wenn die Erklärung tatsächlich ggü einem Dritten abgegeben wird (hM; Staudinger/ Schilken Rn 11; MüKo/Schubert Rn 8), und nicht anwendbar, wenn sie ggü der Behörde abgegeben wird, weil die Behörde nicht als befugt angesehen werden kann, über die mitbetroffenen Rechte anderer Beteiligter zu disponieren (insoweit hM; Staudinger/Schilken Rn 11). Kann die Erklärung nur ggü der Behörde abgegeben werden, so ist nach hM die Ausnahme ebenfalls nicht anwendbar (Soergel/Leptien13 Rn 3f; Staudinger/Schilken Rn 11; aA MüKo/Schubert Rn 8). Wenn jedoch die Behörde die einzige mögliche Adressatin ist, besteht kein hinreichender Grund, weshalb die Möglichkeit des S 2 nicht eingreifen sollte (MüKo/Schubert Rn 8). Die hM vermeidet einige der sich aus ihr ergebenden Konsequenzen dadurch, dass sie nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sondern auf dessen Einreichung bei der Behörde abstellt, weil erst damit die Erklärung abgeschlossen sei (Soergel/Leptien13 Rn 3; zu der vergleichbaren Bestimmung des § 1858 III s § 1858 Rn 4), oder eine Erklärung wie die vollmachtlose Eintragungsbewilligung trotz § 875 (dazu BGHZ 77, 7, 9) als reine Verfahrenshandlung wertet, für die § 180 nicht gilt (Demharter § 19 GBO Rn 74 mwN). Wenn die Erklärung einer materiellen Ausschlussfrist unterliegt, besteht kein Grund, die noch innerhalb der Frist erklärte Genehmigung nicht genügen zu lassen (so zur Erbausschlagung durch den gesetzl Vertreter [§ 1831 aF, jetzt § 1858] RGZ 118, 145, 147 sowie § 1858 Rn 6 mwN). S 2 soll auch nicht gelten für die vollmachtlose Wahrung tarifvertragl Ausschlussfristen (BAG NJW 2003, 236f), wobei allerdings unklar bleibt, ob das nur für den Fall gemeint ist, dass die Genehmigung nach Ablauf der Frist erklärt wird (dazu Rn 9). 3. Ausnahme bei aktiver Stellvertretung (S 2). Mit den genannten Einschränkungen (Rn 3, 4) können auch einseitige empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte schwebend unwirksam sein. Das gilt auch für eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (BAG AP BGB § 180 Nr 1; Düsseldorf NJOZ 2006, 4058, 4060 mwN; abw Celle ZMR 1999, 237). Finkenauer
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a) Voraussetzungen. Für die schwebende Unwirksamkeit muss eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: aa) Der Adressat beanstandet die behauptete Vertretungsmacht nicht. Die Behauptung der Vertretungsmacht kann ausdr oder konkludent erfolgen, wofür idR das Auftreten als Vertreter genügt (MüKo/ Schubert Rn 9). Nicht erforderlich ist, dass der Vertreter erkennen lässt, worauf seine Vertretungsmacht beruht (Soergel/Bayer Rn 10; aA Soergel/Leptien13 Rn 9 für den Fall, dass mehrere Grundlagen in Betracht kommen). Vorausgesetzt ist ferner, dass der Adressat den Vertretungsmangel nicht kennt; andernfalls kommt nur die 2. Var (Rn 7) in Betracht (Staudinger/Schilken Rn 6). Beanstandung bedeutet dasselbe wie die Zurückweisung iSv § 174; in ihr muss der Erklärungsgegner zu erkennen geben, dass er das Geschäft gerade wegen des Zweifels an der Vertretungsmacht nicht gelten lassen will. Sie kann auch eine Zurückweisung nach § 174 enthalten (BGH NJW 2013, 297f). Eine Zurückweisung aus anderen Gründen ist keine Beanstandung iSd S 2 (BGH BB 1969, 293; s auch § 174 Rn 10). Nach dem Wortlaut muss die Beanstandung „bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts“ erfolgen, das scheint zeitl enger zu sein als die „unverzügliche“ Zurückweisung iSv § 174. Ist das Rechtsgeschäft unter Abwesenden vorgenommen, kommt ohnehin nur eine unverzügliche Zurückweisung in Betracht. Aber auch wenn die Erklärung unter Anwesenden abgegeben war, genügt die unverzügliche Zurückweisung – denn der Adressat kann sie gem § 174 noch „unverzüglich“ mit derselben Folge zurückweisen. I Erg genügt deshalb immer die unverzügliche Beanstandung (Soergel/Bayer Rn 13; MüKo/Schubert Rn 11; aA mit Differenzierung für Erklärungen zw Anwesenden und zw Abwesenden Staudinger/Schilken Rn 7; NK/Ackermann Rn 6). bb) Der Erklärungsempfänger ist mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden. Das setzt voraus, dass der Erklärungsempfänger den Mangel der Vertretungsmacht kennt oder ihn zumindest für möglich hält; fahrlässige Unkenntnis reicht nicht. Die Erklärung des Einverständnisses kann ausdr oder konkludent erfolgen. Bloßes Schweigen des Erklärungsempfängers in Kenntnis des Fehlens der Vertretungsmacht genügt jedoch idR nicht (MüKo/Schubert Rn 12; Staudinger/Schilken Rn 4). Das Einverständnis kann innerhalb desselben Zeitrahmens erklärt werden, in welchem eine Beanstandung noch möglich wäre, also auch unverzüglich nach Vornahme des Rechtsgeschäfts (Soergel/Bayer Rn 15; MüKo/Schubert Rn 12). b) Rechtsfolgen. Hat der Erklärungsgegner die vom Vertreter behauptete Vertretungsmacht nicht beanstandet oder sein Einverständnis zum Handeln ohne Vertretungsmacht erteilt, so gelten die Vorschriften über Verträge, also die §§ 177–179, entspr. Das Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam und wird durch Genehmigung des Vertretenen wirksam. aa) Die Genehmigung hat Rückwirkung (§ 184; RGZ 66, 430, 432; Düsseldorf NJOZ 2006, 4058, 4060; Staudinger/Klumpp § 184 Rn 78; MüKo/Bayreuther § 184 Rn 13ff); eine Frist wird dadurch aber nicht rückwirkend in Lauf gesetzt (§ 177 Rn 21, § 184 Rn 15). Sollte mit dem Rechtsgeschäft eine Ausschlussfrist gewahrt werden, so entspricht es dem Sinn der Befristung, dass die Genehmigung innerhalb der Frist erklärt werden muss (BGHZ 32, 375, 382; BAG NJW 1987, 1038f; NZA 1987, 635 für die fristlose Kündigung gem § 626; Tonikidis JR 2019, 215, 220f; aA BGH NJW 2010, 2950 für die Frist gem § 651g I aF). Ob generell die Genehmigung innerhalb der Frist erfolgen muss (hM; Staudinger/Schilken Rn 6; einschr MüKo/Schubert Rn 16), erscheint zweifelhaft. Es sollte wie bei § 177 auf den Zweck der Frist ankommen (§ 177 Rn 21). Zur Rückwirkung der Genehmigung einer (ordentlichen) Kündigung s MüKo/Schubert Rn 14. bb) Die entspr Geltung des § 178 bedeutet: Wenn der Adressat den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte, kann er „widerrufen“, dh in diesem Fall das einseitige Rechtsgeschäft bis zur Genehmigung zurückweisen (Staudinger/Schilken Rn 6). War der Adressat mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden (Rn 7), so ist § 178 nicht anwendbar, weil er den Vertretungsmangel kannte (Staudinger/Schilken Rn 5). cc) Wird die Genehmigung verweigert oder gilt sie gem § 177 II 2 als verweigert, so haftet der Vertreter gem § 179, jedoch nur bei der 1. Var des § 180 S 2; war er mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden, so entfällt eine Haftung des Vertreters gem § 179 III. Ein Erfüllungsanspruch gegen den Vertreter kommt in den Fällen des § 180 S 2 nicht in Betracht, so dass sich die Haftung auf Schadensersatz beschränkt. 4. Ausnahme bei passiver Stellvertretung (S 3). Das ggü einem Vertreter ohne Vertretungsmacht vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam, wenn der Empfangsvertreter sein Einverständnis dazu erteilt, dass die Erklärung ihm ggü abgegeben wird. Der Vertreter braucht keine Kenntnis vom Fehlen seiner Vertretungsmacht zu haben. Er kann sein Einverständnis ausdr oder konkludent erteilen; erforderlich ist jedoch, dass er erkennbar zur Entgegennahme der Willenserklärung bereit ist. Dafür genügt es idR, dass sich der Empfänger als Vertreter bezeichnet. Die Rechtsfolgen ergeben sich auch hier aus einer entspr Anwendung der §§ 177–179: Die Wirksamkeit des Geschäfts hängt von der Genehmigung durch den Vertretenen ab. Entspr § 177 II kann der Erklärende den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. Ein Widerrufsrecht hat der Erklärende nur, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht nicht kennt (§ 178). Ein Schadensersatzanspruch des Erklärenden gegen den Vertreter bei Verweigerung der Genehmigung entspr § 179 kommt nur in Betracht, wenn der Vertreter sich als solcher aufgeführt hat. Auch wenn der Vertretene die Genehmigung verweigert, kann die Erklärung ihm ggü wirksam werden, wenn sie ihm nämlich von dem Empfänger (als Boten des Erklärenden) weitergeleitet wird (Staudinger/Schilken Rn 9). 5. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts beruft, muss die Vertretungsmacht des Vertreters beweisen. Gelingt der Beweis nicht, ist das einseitige Rechtsgeschäft nach der Regel des S 1 als nichtig anzusehen. Wer sich demggü auf einen der Ausnahmetatbestände (S 2 oder 3) beruft, ist für alle dort genannten Voraussetzungen beweispflichtig (zT aA RGRK/Steffen Rn 7). 598
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Vertretung und Vollmacht
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Insichgeschäft
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. 1. Bedeutung. Die Vertretungsmacht des Vertreters umfasst grds nicht die Vornahme von Insichgeschäften 1 (= Rechtsgeschäfte, die eine Person ggü sich selbst vornimmt). § 181 kennt zwei Arten von Insichgeschäften, das Selbstkontrahieren und die Mehr(fach)vertretung. Beim Selbstkontrahieren nimmt ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich selbst im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft vor. Bei der Mehrfachvertretung nimmt ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im Namen eines Dritten ein Rechtsgeschäft vor. Ein Insichgeschäft wirft drei grundlegend verschiedene Fragen auf (eingehend Flume § 48, 1). Schon der Tatbestand eines Rechtsgeschäfts ist nur aufgrund ausdr Anerkennung durch § 181 gegeben (Flume § 48, 3). Fragen ergeben sich weiter hinsichtl des Erfordernisses einer Dokumentation oder Manifestation des Rechtsgeschäfts (dazu Rn 3). Schließlich ist der in der Person des Vertreters bestehende Interessenkonflikt zu regeln. Die ersten beiden Fragen regelt das Gesetz nicht ausdr (s aber zur Dokumentation § 35 III 2 GmbHG). Das Problem des Interessenkonflikts regelt § 181 dahin, dass sich die Vertretungsmacht nicht auf Insichgeschäfte erstreckt, soweit nicht diese gestattet sind oder das Geschäft nur in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. § 181 begrenzt also die an sich bestehende Vertretungsmacht. Der gesetzgeberische Grund der Regelung liegt in dem Interessenkonflikt. Ein konkreter Interessenkonflikt ist 2 jedoch für den Tatbestand weder erforderlich noch ausreichend (BGHZ 50, 8, 11). Daraus ergibt sich die Frage, ob dieser Grund jedenfalls bei der (teleologischen) Auslegung zu berücksichtigen ist. Das RG und die frühere Rspr des BGH knüpften die Anwendung der Vorschrift allein an die formalen Kriterien des Wortlauts (zB RGZ 103, 417f; 157, 24, 31; BGHZ 21, 229; 112, 339; BGH NJW 1991, 982f; Flume § 48, 1 und 5). Diese Auslegung wird oft dahin zusammengefasst, sie verstehe § 181 als „rein formale Ordnungsvorschrift“, womit auch das Ziel der Erkennbarkeit von Rechtsgeschäften (Rn 1) den Anwendungsbereich bestimme (BGHZ 50, 8, 11; Staudinger/Schilken Rn 5; Soergel/Leptien13 Rn 4). Auch wenn der Tatbestand eines Insichgeschäfts ausschließlich nach formalen Kriterien beurteilt würde, wäre die Vorschrift indessen keine „rein formale Ordnungsvorschrift“. Denn als solche müsste sie unabhängig davon eingreifen, ob der Vertretene die Insichvertretung gestattet hat. Die heute hM berücksichtigt das gesetzgeberische Motiv der Regelung des typischen Interessenkonfliktes, indem sie den Anwendungsbereich teleologisch dadurch reduziert, dass sie die Vorschriften nicht auf Fallgruppen anwendet, in denen bei abstrahierender Betrachtung ein Interessenkonflikt ausgeschlossen ist (Rn 22f). Dagegen bestehen auch unter Rechtssicherheitsaspekten keine Bedenken. Die Lit hat darüber hinaus seit langem – mit Unterschieden – auch eine extensive Auslegung oder analoge Anwendung der Vorschrift auf vergleichbare Konstellationen wegen eines Interessenkonflikts gefordert; den an dem Interessenkonflikt orientierten Zweck des § 181 betont auch BGHZ 50, 209, 215; 112, 339. Auch nach der überwiegenden Auffassung der Lit bedarf es aber neben dem – mindestens abstrakt indizierten – Interessenkonflikt der Personenidentität auf beiden Seiten (MüKo/ Schubert Rn 23ff; Staudinger/Schilken Rn 34ff; weitergehend Tiedtke, Teleologische Reduktion und analoge Anwendung des § 181 BGB, 2002, 37ff, 57ff). Es geht also darum, wann eine solche Personenidentität anzunehmen ist. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte § 181 über seinen – richtig verstandenen – Wortlaut hinaus allenfalls aufgrund konkreter Analogie auf formalisierte, eindeutig abgrenzbare Fallgruppen angewandt werden. Die zunehmende Tendenz, die Grenzen des Tatbestands nach dem Kriterium der Interessenkollision zu bestimmen (s nur Auktor NZG 2006, 334f; Baetzgen RNotZ 2005, 193; Lichtenberger MittBayNot 1999, 470, 471ff; Vollhardt DNotZ 2000, 309, 310), weicht ohne Not die Grenzen des Tatbestands in beide Richtungen mit der Folge einer sich ausweitenden Rechtsunsicherheit auf. Bei mehraktigen Sachverhalten (Untervollmacht, Ermächtigung, Gestattung, Genehmigung) ist nicht nach einem Interessenkonflikt zu fragen, sondern immer danach, ob der Handelnde durch § 181 an dem Abschluss des Geschäfts, so, wie es abgeschlossen wurde, gehindert wäre oder nicht (Rn 10ff, 27, 33f). § 181 ist nicht der einzige Schutz, den der Vertretene hat. Ihn schützen auch die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht (Schanze, § 181 und die organschaftl Vertretung von Kapitalgesellschaften, 2018, 233; § 167 Rn 70ff). Zum Verhältnis dieses Instituts zu § 181 BGH NJW-RR 2018, 222 Rn 24f; NZG 2021, 239 Rn 10, wonach ein Missbrauch abzulehnen ist, wenn das Insichgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht bzw wenn das Geschäft für den Vertretenen nicht nachteilig ist; zu Recht krit Scholz ZfPW 2019, 297, 303ff. 2. Erkennbarkeit. Auch wenn im Einzelfall das Insichgeschäft von der Vertretungsmacht gedeckt ist oder 3 nachträgl genehmigt wird (Rn 33f), kann es sich nicht allein im Willen des Vertreters abspielen, sondern der auf Vornahme des Geschäfts gerichtete Wille muss sich – anstelle der sonst erforderlichen Erklärung – äußerlich manifestieren. Das Geschäft muss deshalb nach außen erkennbar sein. Das gilt vor allem für Verfügungsgeschäfte (s etwa RGZ 63, 403, 405; 139, 114, 117; BGH NJW 1962, 587, 589; 1991, 1730 mwN; BFH WM 1968, 341f). Bei Verpflichtungsgeschäften genügt es, dass sich die Vornahme aus späteren Maßnahmen ergibt (RG JW 1912, 236f; 1926, 2571f); jedoch muss bei formbedürftigen Geschäften das Insichgeschäft aus der Urkunde zu entnehmen sein (Düsseldorf MDR 1977, 1018). Bei einem Insichgeschäft des Alleingesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH mit dieser sind besonders strenge Anforderungen an den Nachw des Geschäfts zu stellen (BGHZ 75, 358, 363). Die nach § 35 III 2 GmbHG vorgeschriebene Dokumentation ist aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung (Scholz/U. Schneider/S. Schneider § 35 GmbHG Rn 186). Zur Dokumentation von RechtsFinkenauer
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Rechtsgeschäfte
geschäften bei Mehrfachvertretung durch den Geschäftsführer mehrerer GmbH FG Baden-Württemberg GmbHR 1994, 198. Ist den Anforderungen an die Erkennbarkeit genügt, dann gelten für die Auslegung die allg Grundsätze (§§ 133, 157); insb hat auch beim Insichgeschäft das „übereinstimmend“ Gewollte nach den Grundsätzen über die Unschädlichkeit der falsa demonstratio Vorrang vor dem Erklärten (BGH NJW 1991, 1730f). 3. Anwendungsbereich. a) Privatrecht. § 181 gilt für das ganze Zivilrecht. Die Vorschrift wird aber teilw durch Spezialnormen verdrängt. Für öffentliche Versteigerungen gelten §§ 450f (BeckOGK/Fröhler Rn 7; s auch BGH WM 1960, 1419, 1420). Bei Beschl der Mitglieder eines Vereins, einer Wohnungseigentümergemeinschaft oder einer Kapitalgesellschaft gelten anders abgegrenzte Stimmrechtsverbote (§ 34; § 25 IV WEG, § 136 I AktG, § 47 IV GmbHG, § 43 VI GenG). Kollisionsrechtl ist § 181 Teil des sog Vollmachtstatuts. § 181 kommt daher dann und nur dann zur Anwendung, wenn sich die Vertretungsmacht nach dt Recht richtet. Er gilt deshalb nicht für die Organvertretung einer englischen Limited Liability Company, auch wenn diese mit einer Zweigniederlassung in einem dt Handelsregister eingetragen ist. Deshalb ist eine Befreiung des Organvertreters von den Beschränkungen des § 181 nicht eintragungsfähig (München NJW-RR 2005, 1486; Frankfurt GmbHR 2009, 214, 215); zur Eintragung der Befreiung eines ständigen Zweigstellenvertreters gem § 13e II 5 Nr 3 HGB s München NJW-RR 2006, 1042. b) Prozessrecht. Auf Prozesshandlungen ist § 181 nicht unmittelbar anzuwenden (BGHZ 41, 105, 107); doch gilt der Grundgedanke der Bestimmung auch im Prozess (Staudinger/Schilken Rn 27; Soergel/Bayer Rn 38) einschl der echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BayObLG 1962, 1f); eine Befreiung ist nicht möglich (Stuttgart GmbHR 2013, 535, 539). Deshalb kann die Zustellung an den durch den Zustellenden vertretenen Gegner unwirksam sein (Celle BeckRS 2007, 11304). Zur Anwendung auf die grundbuchrechtl Eintragungsbewilligung Demharter § 19 GBO Rn 89 und LG Karlsruhe MittBayNot 2008, 382; s auch Rn 14. c) Öffentliches Recht. Auf Privatrechtsgeschäfte von Rechtssubjekten des öffentlichen Rechts sowie auf öffentlich-rechtl Verträge ist § 181 erg anzuwenden, soweit das öffentliche Recht keine eigene Regelung enthält, § 62 VwVfG (Soergel/Bayer Rn 40 mwN). 4. Voraussetzungen. a) Rechtsgeschäft. Es muss ein Rechtsgeschäft vorliegen. Dabei kann es sich um einen (schuldrechtl oder dinglichen) Vertrag oder ein einseitiges Rechtsgeschäft handeln, soweit dieses eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist (BGH NJW 1991, 1730). Bei einem streng einseitigen Rechtsgeschäft (Einl § 104 Rn 15) fehlt es an einer „Gegenseite“ und kann deshalb der Tatbestand nicht erfüllt sein. Auch familien- und erbrechtl Geschäfte kommen in Betracht (RGZ 79, 282f; BGHZ 50, 8, 10ff; zum Testamentsvollstrecker, der zugleich gesetzl Vertreter von Erben ist, Hamm MittBayNot 1994, 53 m Anm Reimann; zur Erbausschlagung Coing NJW 1985, 6, 9 und Buchholz NJW 1993, 1161 sowie Rn 14). Schließlich gilt § 181 auch für wechselrechtl Geschäfte (BGH WM 1978, 1002; Tiedtke BB 1976, 1535f; s aber Dittmann NJW 1959, 1957); Einlösung und Einziehung von Wertpapieren durch dieselbe Bank ist regelmäßig ein Insichgeschäft (BGHZ 26, 167, 171f). Für geschäftsähnl Handlungen gelten nach hM die Vorschriften über Willenserklärungen (BGHZ 47, 352, 357), deshalb auch § 181 (Staudinger/Schilken Rn 14). b) Vertretung. Das Geschäft muss durch einen Vertreter vorgenommen werden; es mag sich um einen rechtsgeschäftlichen, um einen gesetzl oder um einen organschaftl Vertreter (RGZ 71, 162f; BGHZ 33, 189f) handeln. Ein Vormund kann aber nicht für mehrere Mündel etwa einen Erbauseinandersetzungsvertrag schließen, und zwar auch dann nicht, wenn das FamG den Vertrag gestattet (RGZ 71, 162). Auch die Vertretungsorgane einer jur Person fallen unter § 181 (BGHZ 33, 189f; 56, 101; de lege ferenda sehr krit Hauschild ZIP 2014, 954). Schließlich ist die Vorschrift auf die Verwalter fremden Vermögens (jedenfalls entspr) anwendbar, zB Testamentsvollstrecker (BGHZ 30, 67, 69; 51, 209, 215ff; dazu v Lübtow JZ 1960, 151), Nachlassverwalter, Insolvenzverwalter (BGH NJW 1991, 982f). c) Beteiligung des Vertreters auf der Gegenseite. Der Vertreter muss auch auf der anderen Seite an dem Rechtsgeschäft beteiligt sein. Das ist der Fall, wenn er auf der anderen Seite das Geschäft vornimmt, sei es im eigenen Namen (Selbstkontrahieren) oder – mit oder ohne Vertretungsmacht, Rn 21 – als Vertreter eines Dritten (Mehrfachvertretung), oder wenn er selbst die Gegenseite ist. Der Wortlaut „mit sich im eigenen Namen … vornimmt“ legt zwar nahe, dass der Vertreter auch für sich selbst handeln müsse. Zwingend ist dies nicht; es genügt ein Rechtsgeschäft „mit sich“ (Staudinger/Schilken Rn 36; Flume § 48, 4). Sog wirtschaftl Identität genügt nicht (BGH NJW 1991, 982 zum Vertrag zw Konkursverwalter und einer ihm zu 100 % gehörenden GmbH; aA Soergel/Bayer Rn 42). Die Vorschrift greift jedoch grds nicht ein, wenn jemand auf derselben Seite des Rechtsgeschäfts für sich und einen anderen oder als Vertreter mehrerer Personen auftritt (RGZ 127, 103, 105; BGHZ 50, 8, 10; MüKo/Schubert Rn 23), indem er etwa als Vertreter zweier Käufer mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag schließt oder als Vertreter des als Gläubiger und des als Schuldner beteiligten Konzernunternehmens mit einem Dritten eine Konzernverrechnung vereinbart (BGHZ 94, 132, 136f) oder als WEG-Verwalter zu der von ihm selbst als WE vorgenommenen Wohnungsveräußerung seine Zustimmung gibt (Düsseldorf NJW 1985, 390). Dasselbe kann bei Veräußerung von Nachlassgegenständen durch einen Miterben, zugleich als Vertreter eines anderen Miterben, an einen Dritten gelten (BayObLG NJW-RR 1995, 1032f; Frankfurt NJW-RR 2007, 1308f), nicht aber, wenn dies mit einer (Teil-)Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verbunden ist (RGZ 93, 334f). Auch wenn ein Mehrfachvertreter auf derselben Seite des Rechtsgeschäfts auftritt, kann § 181 anwendbar sein, wenn es um die Ausgestaltung und gegenseitige Abgrenzung der Rechtspositionen der Vertretenen geht oder rechtsgeschäftliche Beziehungen zw den Vertretenen begründet werden (Frankfurt AG 2018, 635 Rn 45). 600
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Vertretung und Vollmacht
§ 181
Werden an Minderjährige gleichzeitig bereits bestehende Anteile an einer KG abgetreten, so können sie durch denselben Ergänzungspfleger vertreten werden, nicht aber, wenn sie durch Aufnahmevertrag in die Gesellschaft aufgenommen werden (München NZG 2010, 862; Maier-Reimer/Marx NJW 2005, 3025, 3027). 5. Einzelfälle. Die Abgrenzung von Fällen, bei denen die Voraussetzungen des Insichgeschäfts vorliegen, ist im Einz str. Dessen Voraussetzungen sind immer zu bejahen, wenn der Vertreter auf beiden Seiten an der Vornahme des Geschäfts beteiligt ist, dh bei zweiseitigen Rechtsgeschäften auf beiden Seiten abschließt, bei einseitigen Rechtsgeschäften sowohl Erklärender als auch Erklärungsempfänger ist. Jenseits dieser Fälle genügt es aber auch, wenn er den Vertretenen in einem Geschäft vertritt, das materiell ein Geschäft zw dem Vertretenen und dem Vertreter ist. Ob das der Fall ist, ist nicht aus § 181 zu beurteilen, sondern nach den Charakteristika des jew Rechtsgeschäfts aufgrund der für es selbst geltenden Vorschriften. a) Untervertreter/Eigenvertreter. Bestellt der Vertreter einen Untervertreter und nimmt er das Geschäft mit diesem vor, so hielt das RG den § 181 mangels Personenidentität für nicht anwendbar (RGZ 108, 405, 407). Nach heute hM ist die Vorschrift wegen Umgehung oder unter Betonung des Gesichtspunkts der Interessenkollision analog anwendbar (MüKo/Schubert Rn 50; Staudinger/Schilken Rn 35f; ausf Harder AcP 170, 295ff). In diesen Fällen bedarf es jedoch einer Erweiterung des § 181 nicht: Wenn der Vertreter das Geschäft wegen § 181 nicht selbst abschließen kann, kann er dafür auch keine Untervollmacht erteilen (MüKo/Schubert Rn 46; Soergel/Bayer Rn 47; KG NJW-RR 1999, 168; im Ausgangspunkt auch BGHZ 64, 72, 75ff; s auch § 167 Rn 64). Mit einer Untervollmacht in diesem Sinne ist jedoch eine von dem Vertreter (Organvertreter) erteilte Prokura nicht vergleichbar. Wegen ihres typisierten und unbeschränkbaren Inhalts (§§ 49, 50 HGB) gilt sie auch für Geschäfte mit dem – dem Verbot des § 181 unterliegenden – Geschäftsführer, der sie erteilt hat (BGHZ 91, 334, 336; Staudinger/Schilken Rn 37; zweifelnd Soergel/Leptien13 Rn 29; krit und auf Umgehungsabsicht abstellend MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves § 35 Rn 205f). Bestellt der Vertreter seinerseits für sich selbst einen Vertreter, mit dem er dann namens des Vertretenen abschließt, so ist § 181 unmittelbar einschlägig, da es sich um ein Geschäft zw dem Vertretenen und dem Vertreter handelt (Flume § 48, 4;Staudinger/Schilken Rn 36; i Erg auch Hamm NJW 1982, 1105; für Analogie BeckOGK/Fröhler Rn 293; Soergel/Bayer Rn 50). Wenn der Vertreter Vertretungsmacht für beide Seiten hat und ihm von einer Seite das Selbstkontrahieren und die Erteilung von Untervollmachten gestattet ist und er für diese Seite Untervollmacht erteilt, so ist § 181 auf das Geschäft, das der Unterbevollmächtigte für diese Seite mit dem Vertreter abschließt, nach seinem Wortlaut nicht anwendbar, denn die Untervollmacht ist eine Vollmacht namens des Vertretenen, und eine Durchgangsvertretung findet nicht statt (§ 167 Rn 63). Der Vertreter handelt weder auf beiden Seiten, noch ist es ein Geschäft, an dem er selbst als Partei beteiligt wäre. Ist die Untervollmacht eine Spezialvollmacht, so bleibt der Vertreter aber dennoch durch die Erteilung der Untervollmacht an der Vornahme des Geschäfts beteiligt (Staudinger/Schilken Rn 36; MüKo/ Schubert Rn 50). Deshalb ist § 181 mindestens analog anzuwenden. b) Gesamtvertreter; Einzelermächtigung. § 181 ist auch anwendbar, wenn das Geschäft mit einem von mehreren handelnden Gesamtvertretern abgeschlossen wird (RGZ 89, 367, 373; Soergel/Bayer Rn 18). Ermächtigt aber ein Gesamtvertreter den anderen zur Vertretung bei bestimmten Geschäften, so kann der so Ermächtigte nach der Rspr den Vertretenen in dem Geschäft mit dem Ermächtigenden vertreten. Ein Fall des § 181 liege nicht vor, weil die Ermächtigung bewirke, dass die Gesamtvertretungsmacht für diese Geschäfte zur Einzelvertretung „erstarke“ (BGHZ 64, 72, 74ff); die Lit stimmt dem überwiegend zu (Staudinger/Schilken Rn 17; NK/ Stoffels Rn 20; Scholz/U. Schneider/S. Schneider § 35 GmbHG Rn 93; abl MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher § 125 Rn 46; Tiedtke [Rn 2] 205ff, 211ff). Die Auffassung des BGH beruht auf der wenig überzeugenden Annahme, die Einzelermächtigung bedeute keine mittelbare Mitwirkung an dem Geschäft, sondern eine Enthaltung von der Vertretung (BGHZ 64, 72, 76; dazu Schwarz NZG 2001, 529, 534f und ZGR 2001, 744, 750f). Richtigerweise ist die Ermächtigung als Ausübungsermächtigung zu verstehen (§ 167 Rn 58). Wer wegen § 181 nicht vertreten kann, kann auch nicht zur Ausübung seiner insoweit nicht bestehenden Vertretungsmacht ermächtigen (MüKoHGB/K. Schmidt/Drescher § 125 Rn 45). Darauf, dass der Ermächtigte anders als idR ein Unterbevollmächtigter nicht den Weisungen des Ermächtigenden unterliegt, sollte es bei § 181 entgegen BGHZ 64, 72, 76 nicht ankommen (aA Scholz/U. Schneider/S. Schneider § 35 GmbHG Rn 139); denn mit diesem Kriterium würden Elemente des Innenverhältnisses mit der Frage der (nicht durch Innenvollmacht begründeten) Vertretungsmacht vermengt. Lässt man eine Ressortermächtigung zu (Scholz/U. Schneider/S. Schneider § 35 GmbHG Rn 95), so sollte sie, ähnl wie im Fall der Prokura (Rn 11), auch Geschäfte mit dem Ermächtigenden umfassen. c) Ermächtigung nach § 113. Schließt der vom gesetzl Vertreter ermächtigte Minderjährige mit diesem einen Dienst- oder Arbeitsvertrag, ist § 181 nicht direkt anwendbar, weil er durch die Ermächtigung partiell unbeschränkt geschäftsfähig ist (§ 113 Rn 6), wohl aber entspr, weil die gesetzl Vertreter über die Ermächtigung auch auf der Seite des Minderjährigen mitwirken, vgl FG Schl-Holst NJW 1987, 1784; BeckOGK/Fröhler Rn 83; aA Erman/Maier-Reimer15 Rn 13. Ein Ergänzungspfleger hat die Ermächtigung zu erteilen oder den Vertrag zu schließen. d) Erklärungen ggü Behörden. Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft ggü einer Behörde vorgenommen (wie zB gem § 875 I 2, § 876 S 3, § 1168 II, § 1945 I, § 2081 I), so liegen die Voraussetzungen des Handelns auf beiden Seiten nicht vor. Dennoch kann es sich materiell um ein Geschäft zw dem Vertretenen und dem Vertreter handeln. Ein freilich nicht zwingendes Indiz dafür, dass es sich um ein Geschäft mit dem Vertretenen handelt, ist es, wenn die Erklärung (wie in den Fällen der § 875 I 2, § 876 S 3) auch ggü dem Vertretenen hätte abgegeben werden können (zu solchen Wahlmöglichkeiten MüKo/Schubert Rn 56 unter Umgehungsaspekten). Richtigerweise Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
ist allein darauf abzustellen, wer materiell an dem Geschäft beteiligt ist. Die Bewilligung der Löschung einer Hypothek namens des Hypotheken-Gläubigers durch den von ihm bevollmächtigten Grundstückseigentümer ist materiell ein Geschäft zw Hypotheken-Gläubiger und Grundstückseigentümer und fällt deshalb unter § 181, auch wenn der Verzicht gem § 1168 II ggü dem Grundbuchamt erklärt wird (BGHZ 77, 7, 9f). Der Rangtausch zw zwei Grundpfandrechten ist ein Geschäft zw deren Gläubigern; die Zustimmung des Eigentümers dazu gem § 880 II 2, 3 ist wegen der Auswirkungen auf den Erwerb einer Eigentümergrundschuld (§ 1163) erforderlich, macht den Rangwechsel aber nicht zu einem Geschäft zw einem der Grundpfandgläubiger und dem Eigentümer. Sie kann deshalb ggü dem Grundbuchamt von dem Eigentümer als Vertreter eines der Grundschuldgläubiger oder von einem an dem Rangtausch Beteiligten als Vertreter des Eigentümers ggü dem Grundbuchamt erklärt werden (RGZ 157, 24, 30). Die Ausschlagung einer Erbschaft ist kein Geschäft zw dem Ausschlagenden und dem dann an seiner Stelle als Testaments- oder gesetzl Erbe Berufenen; die Ausschlagung durch den gesetzl Vertreter fällt deshalb nicht unter § 181, auch wenn er dann selbst Ersatzerbe wird (Staudinger/Schilken Rn 40; BayObLG 1983, 213, 220ff; dazu Coing NJW 1985, 6, 9f). Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung ist dagegen materiell ein Geschäft zw dem Anfechtenden (§ 2080) und dem durch die angefochtene Verfügung Begünstigten, auch wenn sie ggü dem Nachlassgericht zu erklären ist (§ 2081 I). Der durch die anzufechtende Verfügung begünstigte gesetzl Vertreter ist deshalb an der Anfechtung durch § 181 gehindert, weshalb der Minderjährige mit der Folge der Ablaufhemmung (§§ 210, 2082) ohne gesetzl Vertretung ist (RGZ 143, 350). e) Wahl-Adressaten. Nimmt der Vertreter ein Eigengeschäft vor, das der Zustimmung des Vertretenen bedarf, so kann er die Zustimmung namens des Vertretenen sowohl ggü sich selbst als auch ggü dem anderen Teil erklären (§ 182). Im ersten Fall ist § 181 anwendbar, im zweiten Fall nicht (RGZ 76, 89, 92; BGHZ 94, 132, 137 m krit Anm Hübner JZ 1985, 745; Staudinger/Schilken Rn 41; offengelassen in BayObLG NJW-RR 1995, 1032, 1033). Die Gegenmeinung (MüKo/Schubert Rn 59) beruft sich auf BGHZ 77, 7; sie differenziert damit nicht hinreichend nach dem Gegenstand der Zustimmung (dazu Rn 14 und Flume § 48, 2). Soweit sie den Umgehungsaspekt betont, setzt sie das Ergebnis voraus. Deshalb kann der als Vorerbe eingesetzte gesetzl Vertreter des Nacherben für diesen eine erforderliche Zustimmung ggü dem Dritten erklären (Hamm NJW 1965, 1489f; BeckOGK/Fröhler Rn 310; aA Grü/Weidlich § 2113 Rn 6; Soergel/Bayer Rn 55; offengelassen in BayOblG NJW-RR 1995, 1032f). f) Interzession. Kein Insichgeschäft liegt vor, wenn der Vertreter namens des Vertretenen eine Bürgschaft für eine eigene Schuld des Vertreters übernimmt oder namens des Vertretenen mit seinem eigenen Gläubiger die Übernahme seiner eigenen Schuld durch den Vertretenen gem § 414 vereinbart (Staudinger/Schilken Rn 43; MüKo/Schubert Rn 49; für Schuldübernahme aA Erman/Palm12 Rn 18), dagegen ist § 181 anwendbar, wenn der Vertreter für den Vertretenen die Übernahme seiner eigenen Schuld gem § 415 mit sich selbst vereinbart. In den ersten beiden Fällen besteht zwar ein offensichtlicher Interessenkonflikt, der Fall hat aber keine Ähnlichkeit mit dem des § 181. Der Schutz des Vertretenen ergibt sich aus den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht (§ 167 Rn 70ff). Zur entspr Anwendung des ähnl § 1795 I Nr 2 auf die Übernahme einer besicherten Schuld des gesetzl Vertreters ggü dem Mündel durch einen Dritten s RGZ 68, 37. g) Anweisung/Wechsel. Nicht anwendbar ist § 181 auf die Anweisung des Vertreters an die kontoführende Bank, vom Konto des Vertretenen Zahlungen an den Vertreter zu leisten (RGZ 75, 357, 359; BGH WM 1982, 549). Auch dies ist kein Geschäft zw dem Vertreter und dem Vertretenen. Handelt bei Annahme eines Wechsels eine Person für den Bezogenen, die auch für den – vom Bezogenen verschiedenen – Aussteller gehandelt hat, so ist § 181 nur dann anwendbar, wenn im Zeitpunkt der Annahme der Aussteller noch Inhaber des Wechsels ist; sonst ist es ein Geschäft zw Bezogenem und dem neuen Inhaber (BGH WM 1978, 1002). h) Zusammengesetzte Geschäfte. Stellt nur eines von mehreren Teilen eines zusammengesetzten Geschäfts ein Insichgeschäft dar, so gilt § 181 für das gesamte Geschäft (BGHZ 50, 8, 11ff; s auch RGZ 93, 334, 337). i) Gesellschafterbeschlüsse. Ob und wann § 181 auf Gesellschafterbeschlüsse anwendbar ist, ist str; s dazu die Lit zu § 709 und § 47 GmbHG. Hier nur die Grundzüge: Die Frage des Insichgeschäfts stellt sich bei Gesellschafterbeschlüssen in dreierlei Hinsicht. Ob der Gesellschafter selbst wegen Selbstbetroffenheit vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, ist abschließend gesellschaftsrechtl geregelt, nämlich in § 136 I AktG, § 47 IV GmbHG und § 43 VI GenG; zu Personengesellschaften s §§ 712, 737 S 2 sowie § 714 Rn 13, § 720 Rn 7 und MüKo/Schäfer § 709 Rn 65ff. Diese gesellschaftsrechtl Stimmverbote gelten auch für einen Stimmrechtsvertreter und auch, wenn der Tatbestand des Verbots nur den Vertreter und nicht den Vertretenen betrifft (Noack/Servatius/Haas/ Noack § 47 GmbHG Rn 95). Die Verbote gelten nicht in der Einpersonengesellschaft und auch nicht für sog Sozialakte wie die Bestellung des Gesellschafters zum Geschäftsführer und das Anstellungsverhältnis mit ihm (BGHZ 18, 205, 210; Scholz/K. Schmidt § 47 GmbHG Rn 105, 110 mwN). Ob § 181 für die Doppelvertretung in der Gesellschafterversammlung gilt, bei der ein Gesellschafter auch die Stimmen eines anderen oder dieselbe Person die Stimmen mehrerer Gesellschafter abgibt, hängt vom Beschlussgegenstand ab. Geht es um einen Akt körperschaftlicher Willensbildung, wie insb bei der Abstimmung über Geschäftsführungsmaßnahmen, gilt § 181 nicht (so für Personengesellschaften BGHZ 65, 93, 99f; für GmbH Scholz/K. Schmidt § 47 GmbHG Rn 180a – „Maßnahmebeschlüsse“). Die zT gegebene Begr, dass es hier an einem Interessenkonflikt fehle (BGHZ 65, 93, 97f), überzeugt nicht und ist in der Abgrenzung unscharf. Bei Beschl zur Änderung des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung oder sonstigen Grundlagenbeschlüssen, die das Verhältnis zw den Gesellschaftern zum Gegenstand haben, ist § 181 nach heute hM anwendbar (für Personengesellschaften BGHZ 65, 93, 97; Staudinger/ Habermeier § 709 Rn 21; für Kapitalgesellschaften BGH NJW 1989, 168, 169; Scholz/K. Schmidt § 47 GmbHG Rn 180 mwN; i Erg auch MüKo/Schubert Rn 18; zum Liquidationsbeschluss MüKo/Schubert Rn 89f; generell ge602
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Vertretung und Vollmacht
§ 181
gen die Anwendung des § 181 bei Doppelvertretung Roth/Altmeppen § 47 GmbHG Rn 61). Es geht hier materiell um Geschäfte mindestens auch zw den Gesellschaftern (Noack/Servatius/Haas/Noack § 47 GmbHG Rn 60). Die Vertretung mehrerer Aktionäre oder anderer Aktionäre neben der Vertretung eigener Aktien in der Hauptversammlung einer AG unterliegt nicht dem § 181; dass dieser nicht anwendbar ist, ist in § 135 AktG vorausgesetzt (Staudinger/Schilken Rn 25; aA Soergel/Bayer Rn 142). Schließlich ist § 181 anwendbar auf die Stimmabgabe des Vertreters für seine eigene Bestellung als Geschäftsführer (BGHZ 51, 209, 214ff zur Stimmausübung eines Testamentsvollstreckers in der GmbH; BGHZ 112, 339f zur GbR; BayObLG NJW-RR 2001, 469 zur GmbH; s aber München ZIP 2012, 1122, 1123), nicht aber für die Bestellung eines Dritten als Geschäftsführer (Nürnberg DNotZ 2019, 314 Rn 27 für den gesetzl Vertreter zweier minderjähriger Gesellschafter). j) Zwischenschaltung eines Dritten. Wegen Umgehung ist § 181 anwendbar, wenn der Vertreter künstlich einen Dritten zw ein Geschäft einschaltet, das er mit sich selbst abschließen will, um formal den § 181 zu vermeiden (RGZ 56, 104, 106). k) Mehrfachvertretung. Mehrfachvertretung liegt auch vor, wenn der Vertreter den Vertretenen als eine Vertragspartei und diesen als Vertreter der anderen Vertragspartei vertritt (Düsseldorf DB 1999, 578). Dies ergibt sich bereits aus der Struktur der Untervertretung als Direktvertretung (§ 167 Rn 63). § 181 gilt für die Vertretung einer Seite auch dann, wenn der Mehrfachvertreter für die andere Seite überhaupt keine Vertretungsmacht hat (Düsseldorf DB 1999, 578; MüKo/Schubert Rn 46; Rawert/Endres ZIP 2015, 2197, 2199f; aA Neumayer RNotZ 2001, 249, 265f). 6. Teleologische Reduktion. § 181 ist aufgrund einer teleologischen Reduktion nicht anwendbar auf Fallgruppen, bei denen abstrakt-generell eine Interessenkollision ausgeschlossen ist (hM; MüKo/Schubert Rn 5, 33ff; Staudinger/Schilken Rn 6f; weitergehend Jäger, Teleologische Reduktion des § 181, 1999, 79ff, 125ff; dagegen Tiedtke [Rn 2] 75ff). a) Rechtlich vorteilhaftes Geschäft. Wenn das Rechtsgeschäft dem Vertretenen lediglich rechtl Vorteil bringt (dazu Tiedtke [Rn 2] 41ff mwN), bedarf der Vertretene des Schutzes nicht. Deshalb ist § 181 unter Beachtung der Wertung des § 107 einschränkend dahin auszulegen, dass er nicht gilt, wenn das Geschäft dem Vertretenen lediglich einen rechtl Vorteil bringt (BGHZ 59, 236, 240; 94, 232, 235; MüKo/Schubert Rn 34; krit Wilhelm NJW 2006, 2353, 2356). Weitergehend Jäger [Rn 22] 227ff, nach dem § 181 auch auf „relativ neutrale“ Geschäfte (solche, die keine Rechtsfolgen zw dem Vertretenen und dem Vertreter oder anderen Vertretenen auslösen) nicht anwendbar sein soll, und Kiehnle AcP 212, 875, 900ff, nach dem § 181 nicht anwendbar sein soll, wenn der Inhalt des Geschäfts dem Vertreter vollständig vorgegeben ist. Lediglich vorteilhaft ist der unentgeltliche Erwerb eines auch mit Grundschulden belasteten, nicht aber der eines vermieteten Grundstücks (Einzelheiten § 107 Rn 7) und, wegen der sich aus dem WEG ergebenden Verpflichtungen und Haftungen, auch nicht der Erwerb einer Eigentumswohnung (BGHZ 187, 119, 123); weitere Bsp bei BeckOGK/Fröhler Rn 331ff. Ist das schuldrechtl (Schenkungs-)Geschäft rechtl nur vorteilhaft, aber das Vollzugsgeschäft, wie bspw in den vorgenannten Fällen, nicht, so ergibt sich Vertretungsmacht für das Vollzugsgeschäft auch nicht daraus, dass mit ihm lediglich eine Verbindlichkeit erfüllt wird. Das folgt nicht aus einer dem Trennungsprinzip widersprechenden Gesamtbetrachtung (so noch BGHZ 78, 28, 34f; offengelassen in BGHZ 161, 170, 174), sondern aus einer teleologischen Reduktion der Ausnahme im letzten Hs (BGHZ 162, 137, 143; MüKo/Schubert Rn 105; Staudinger/Schilken Rn 62a; s auch München MittBayNot 2011, 239f; anders München NJW-RR 2012, 137f). Auch eine Schenkung unter dem Vorbehalt des Widerrufs ist nicht nur vorteilhaft, wenn der Rückgabeanspruch nicht auf die Bereicherung beschränkt ist (Köln NJOZ 2003, 3046, 3048; s auch BGHZ 161, 170, 173). Ist die Auflassung bei isolierter Betrachtung lediglich vorteilhaft, so ist § 181 nicht deshalb anwendbar, weil das Kausalgeschäft nicht nur vorteilhaft ist (BGHZ 161, 170 Rn 11). Für Gesellschaftsbeteiligungen ist der Erwerb von Aktien als ausschließlich rechtl vorteilhaft anerkannt, für den Erwerb eines GmbH-Anteils ist das umstr. Bei einer Beteiligung an einer Personengesellschaft erscheint eine vor allem nach Haftungsrisiken diff Betrachtung geboten (Einzelheiten bei Maier-Reimer/Marx NJW 2005, 3025 mwN; s zu der Gesamtproblematik auch Werner GmbHR 2006, 737). b) Geschäftsführender Alleingesellschafter; Alleinvorstand einer Stiftung. Wenn jemand als geschäftsführender Alleingesellschafter einer GmbH mit sich selbst ein Rechtsgeschäft vornimmt, besteht kein Interessenkonflikt, sondern Interessenidentität. Deshalb wurde früher eine Anwendung des § 181 in solchen Fällen abgelehnt (BGHZ 56, 97, 100ff; entspr zur GmbH & Co. KG BGHZ 75, 358; anders noch BGHZ 33, 189). Jedoch ist § 181 nach § 35 III GmbHG anzuwenden (eingehend dazu Bachmann ZIP 1999, 85; Schneider BB 1986, 201; krit Schanze [Rn 2] 208, 244; zur Gestattung s BGHZ 33, 189; näher Rn 29). Für eine Nichtanwendung des § 181 auf den Alleinvorstand einer Stiftung Kamp ZfPW 2019, 408. c) Mehrfachvertretung. Auch für die Mehrfachvertretung im Konzern gilt § 181 (dazu eingehend Jäger [Rn 22] 181ff, 251; Tiedtke [Rn 2] 85ff mwN; aA Timm AcP 193, 423, 432 für den Vertragskonzern; s ferner BGHZ 94, 132ff m Anm Hübner JZ 1985, 745; Schneider BB 1986, 201ff; Bachmann ZIP 1999, 85; Hauschild ZIP 2014, 954). 7. Gestattung. § 181 erlaubt ein Insichgeschäft, wenn es dem Vertreter gestattet ist. Vielfach werden § 1009 II sowie § 125 II 2 HGB und § 78 IV AktG als Fälle gesetzl Gestattung verstanden (Grü/Ellenberger Rn 16). § 1009 betrifft jedoch keinen Fall der Vertretung, und bei § 125 II 2 HGB und § 78 IV AktG vertritt der Geschäftsgegner den Prinzipal nach der Konstruktion der Rspr gerade nicht (BGHZ 64, 72, 76; dazu Rn 12). Eine gesetzl Gestattung enthalten zB Art 233 § 2 III 3 EGBGB, § 400 HGB (dazu mit anderem Verständnis Kiehnle Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
AcP 212, 876, 899f) und § 10 III BBiG (s auch Soergel/Bayer Rn 79). Kirchenrechtl sind der Residenzialbischof und der Kirchenvorstand von § 181 befreit (BeckOGK/Fröhler Rn 240f). IdR hat die Gestattung durch den Vertretenen zu erfolgen. Kollusion beim gestatteten Insichgeschäft setzt voraus, dass dieses für den Vertretenen nachteilig ist, s BGH NZG 2021, 239 Rn 10; NJW-RR 2018, 222 Rn 25; ZIP 2014, 615 Rn 10 (mittelbare Kollusion durch Veranlassung eines arglosen Mitbevollmächtigten zur Geschäftsvornahme); aA Scholz ZfPW 2019, 297, 305 (Handeln gegen den mutmaßlichen Willen des Vertretenen). Missbrauch der Vertretungsmacht bei Gestattung führt zur Anwendung des § 138 (Karlsruhe WM 2021, 645). a) Willenserklärung. Die Gestattung kann in der Vollmacht oder gesondert erklärt werden, sie ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie kann sowohl für ein einzelnes Geschäft als auch für einen bestimmten Kreis von Geschäften (Bsp BGH WM 2000, 1757) oder für den gesamten Umfang der Vertretungsmacht erteilt werden, kann vollständig oder nur teilw von den Verboten des § 181 befreien (Nürnberg NJW-RR 2015, 1073 Rn 14) und bedarf grds keiner Form, weil die Gestattung nur die Vollmacht erweitert, nicht aber die Bindung des Vollmachtgebers erhöht (hM, s BGH NJW 1979, 2306 Rn 12; Ausnahme: Form des § 311b, wenn der Vollmachtgeber sich bereits rechtl binden will, BGH NJW 1952, 1210f; näher § 167 Rn 5f; aA Staudinger/ Schilken Rn 49). In der Befreiung durch AGB kann eine unangemessene Benachteiligung des Vertretenen iSv § 307 I 1, II Nr 2 liegen (Düsseldorf NJW 2006, 3645f). Die Befreiung kann auch konkludent erfolgen (BGH BB 1971, 1212f; NJW 1976, 1538f; WM 1980, 1451), zB dadurch, dass die Parteien in einem Grundstückskaufvertrag dieselbe Person zur Auflassung bevollmächtigen (KG JW 1937, 471) oder dass dem Versteigerer ein Ersteigerungsauftrag (BGH NJW 1983, 1186f) oder die Wohnungseigentümergemeinschaft den Abschluss eines Vertrags mit dem WEG-Verwalter beschließt (BeckOGK/Greiner § 9b WEG Rn 9). Eine Generalvollmacht enthält nicht ohne weiteres die Befreiung von § 181 (KG JR 1952, 438). Auch eine Bevollmächtigung, „soweit die Gesetze eine Vertretung zulassen“, ist idR nicht als Erlaubnis zum Insichgeschäft aufzufassen (KG JW 1937, 471). Die Wirksamkeit der Vollmacht bei Unwirksamkeit der Gestattung richtet sich nach § 139 (KG HRR 1933 Nr 988). Die Ermächtigung an den Gläubiger, eine ihm übergebene Schuldurkunde zu ändern oder das Blankett der Urkunde zu vervollständigen, enthält zugleich eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 (BGH NJW 1968, 1131f; 1984, 798), bedarf aber ggf der Form des § 766 (BGHZ 132, 119; dazu § 172 Rn 16). Ob im Einzelfall eine Befreiung von § 181 gewollt ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Dabei ist – wie bei jeder Auslegung – auch die Verkehrssitte heranzuziehen. Jedoch kann die Gestattung nicht allein aus einer Verkehrssitte entnommen werden (Soergel/Bayer Rn 65; Staudinger/Schilken Rn 52; aA Jauernig/Mansel Rn 9). b) Gestattender. Die Gestattung muss durch den Vertretenen erfolgen. Der Vertreter, dem ein Insichgeschäft nicht gestattet ist, kann einem Untervertreter das Insichgeschäft nicht generell gestatten (Grü/Ellenberger Rn 18; Staudinger/Schilken Rn 49); bei einer mehrstufigen Vertretung, auch bei einer mehrstufigen organschaftl Vertretung, bedarf es daher regelmäßig einer durch alle Stufen gehenden Befreiungskette (KG HRR 1941 Nr 468; BayObLG BB 1993, 746; Auktor NZG 2006, 334; Jauernig/Mansel Rn 9). Anderes muss jedoch für die Gestattung für den konkreten Einzelfall gelten. Wenn ein Vertreter berechtigterweise eine Untervollmacht für ein Geschäft erteilt, das er mit dem Unterbevollmächtigten oder einem von diesem vertretenen Dritten selbst abschließen kann, muss es ihm auch gestattet sein, dem Unterbevollmächtigten dafür das Selbstkontrahieren zu gestatten (KG NJW 2017, 2358 Rn 6 mit anderer Begr; KG FGPrax 2011, 55 Rn 14; LG München NJW-RR 1989, 997; Schmidt-Ott ZIP 2007, 943, 945f; Maier-Reimer, FS Hellwig, 2010, 205, 215f; weiter, nämlich allg für Organvertreter, außer für Geschäfte mit dem Organvertreter BeckOK/Schäfer Rn 34). Die Gegenmeinung (zB MüKo/Schubert Rn 83f; Harder AcP 170, 295, 304; Fröhler BWNotZ 2003, 14, 15f) hebt hervor, dass der Hauptvertreter mit der Untervollmacht keine Befugnisse erteilen kann, die er selbst nicht hat. Dabei sollte aber auf das Geschäft nach Beteiligten und Inhalt, nicht auf die Art seiner Vornahme abgestellt werden. Fraglich sollte deshalb nur sein, wie konkret das Geschäft mit seinen Einzelheiten in der Untervollmacht bezeichnet sein muss. Einem gesetzl Vertreter kann eine erforderliche Befreiung von § 181 nur durch einen besonders bestellten Pfleger, nicht durch den Vertretenen oder das FamG erteilt werden (s auch Rn 34). c) Gesellschaftsrechtliche Gestattungen. Für das Organ einer jur Person erfolgt die Gestattung entweder schon durch den Gesellschaftsvertrag/die Satzung (RGZ 103, 417) oder durch das Bestellungsorgan (BGHZ 33, 189, 191ff), also beim Verein durch die Mitgliederversammlung (§§ 27, 32). Bei der AG, der Genossenschaft und der GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat kommt wegen § 112 AktG (bei der GmbH iVm § 1 I Nr 3 DrittelbG, § 25 I 1 Nr 2 MitbestG), § 39 GenG die Gestattung nur für die Mehrfachvertretung in Betracht. Zur Gestaltung bei der GmbH mit fakultativem oder ohne Aufsichtsrat s BeckOGK/Fröhler Rn 380 mwN). Gestattung an den Alleingesellschafter, der gleichzeitig Geschäftsführer ist, kann nur durch die Satzung erfolgen (BGHZ 33, 189; 87, 59, 60; BGH NJW 2000, 664f; BeckOGK/Fröhler Rn 403). Wird neben einem befreiten Alleingeschäftsführer ein weiterer Geschäftsführer bestellt, entfällt die Befreiung (Nürnberg ZIP 2016, 74 Rn 41). In der GmbH & Co. KG kann die Gestattung eines Geschäfts mit dem Geschäftsführer der Komplementärin nur durch die KG erteilt werden, die dabei entweder durch die Komplementärin, vertreten durch einen anderen Geschäftsführer, oder durch Gesellschafterbeschluss handelt (BGHZ 58, 115; aA für Gestattung im Einzelfall Düsseldorf NZG 2005, 131f; ausf Mielke BB 2017, 1734, 1735f). d) Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter. Dem Testamentsvollstrecker kann das Insichgeschäft durch den Erblasser gestattet werden (BGHZ 30, 67, 69; 51, 209, 217; Frankfurt NJW-RR 1998, 795f; § 2205 Rn 18). Ist der Testamentsvollstrecker auch der gesetzl Vertreter des Erben, so bedarf es zur Wahrnehmung der Rechte der Erben ihm ggü auch dann der Bestellung eines Ergänzungspflegers (Hamm MittBayNot 1994, 53, 54f m Anm 604
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Vertretung und Vollmacht
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Reimann). Konkludente Befreiung zur Vornahme aller sich im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung haltenden Geschäfte ist anzunehmen, wenn ein Miterbe zum Testamentsvollstrecker bestimmt ist (BGHZ 30, 67, 70; BGH WM 1960, 1419f). Gestattung durch alle Erben sollte ebenfalls möglich sein, wenn das dem Willen des Erblassers nicht widerspricht (v Lübtow JZ 1960, 157; Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, 1977, 113; Staudinger/Schilken Rn 58). Beim Insolvenzverwalter genügt die Gestattung durch den Sonderinsolvenzverwalter (Hamm BeckRS 2022, 7597 Rn 124) sowie durch die Gläubiger (dazu Hübner aaO, 114f; anders Staudinger/Schilken Rn 59; BeckOGK/Fröhler Rn 447, die Gestattung durch Gläubiger und Insolvenzschuldner für erforderlich halten). Entspr muss für andere Verwalter gelten, die im Gläubigerinteresse bestellt sind. 8. Erfüllung einer Verbindlichkeit. Ein Insichgeschäft ist auch erlaubt, wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht (dazu Lobinger AcP 213, 366; Jänicke/Braun NJW 2013, 2474). Das soll nach hM (Soergel/Bayer Rn 81; Erman/Maier-Reimer15 Rn 31) zunächst für die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Vertreters ggü dem Vertretenen gelten (anders mit Recht Lobinger AcP 213, 366, 382ff); die Ausnahme gilt aber jedenfalls für die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Vertretenen ggü dem Vertreter und (im Falle der Mehrfachvertretung) des einen Vertretenen ggü dem anderen Vertretenen (MüKo/Schubert Rn 99; Soergel/Bayer Rn 81) sowie ebenfalls für die Erfüllung einer gemeinschaftl Verbindlichkeit des Vertretenen und des Vertreters ggü Dritten (BayObLG NJW-RR 1995, 1032f). Voraussetzung ist immer, dass die Verbindlichkeit auch besteht; es genügt nicht, dass sie erst durch die Erfüllung begründet wird (zB ein formungültiges Schenkungsversprechen oder ein formungültiger Grundstückskaufvertrag wird erfüllt; RGZ 94, 147, 150). Eine Verbindlichkeit des Vertretenen genügt nicht, wenn ihr eine Einrede entgegensteht, die durch Erfüllung verloren ginge (Staudinger/Schilken Rn 61; MüKo/Schubert Rn 101). Die Verbindlichkeit muss fällig sein (Grü/Ellenberger Rn 22). Die Erfüllung durch Aufrechnung fällt nicht unter die Ausnahme, wenn eine fällige Forderung des Vertretenen gegen eine nicht fällige Verbindlichkeit aufgerechnet wird. Sind beide Forderungen fällig, so gilt die Ausnahme für die Aufrechnung unabhängig von der Aufrechnungsbefugnis (Staudinger/Schilken Rn 62); für sonstige Erfüllungssurrogate, wie insb Leistung an Erfüllungs statt gilt die Ausnahme nicht (Staudinger/Schilken Rn 62). § 181 letzter Hs ist nach hM teleologisch zu reduzieren, so dass er nicht gilt, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit über den Erfüllungserfolg hinaus für den Vertretenen rechtl Nachteile bewirkt (Rn 23; BGHZ 162, 137, 143; Staudinger/Schilken Rn 62a, MüKo/Schubert Rn 102, 104f; s auch § 107 Rn 6); dagegen Lobinger AcP 213, 366, 387ff, 402f, der die Lösung namentlich über eine weite Auslegung des § 1821 I Nr 2 sucht. 9. Folgen des Insichgeschäfts. a) Schwebende Unwirksamkeit. Der Vertreter, der ein Insichgeschäft vornimmt, überschreitet seine Vertretungsmacht. Deshalb ist der von ihm geschlossene Vertrag trotz des Wortlauts („kann … nicht“) nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam; er kann vom Vertretenen gem §§ 177, 184 rückwirkend genehmigt werden (allgM seit RGZ 56, 104, 107; BGHZ 65, 123, 125f; BGH NJW-RR 1994, 291f). Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft gilt § 180. b) Genehmigung. Die Genehmigung, die auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann (§ 177 Rn 14), muss durch den Vertretenen, im Fall der Mehrfachvertretung durch alle diejenigen erfolgen, die mangels jeglicher Vertretungsmacht oder wegen § 181 nicht wirksam vertreten waren (MüKo/Schubert Rn 45, 66; Soergel/ Bayer Rn 108). Die häufiger verwendete Formulierung, alle (also auch die wirksam) Vertretenen müssten genehmigen (Soergel/Leptien13 Rn 45), ist missverständlich oder missversteht die zugrunde liegende Entscheidung Düsseldorf DB 1999, 578 (zutr Tebben DNotZ 2005, 173; Auktor NZG 2006, 334, 335f; s auch Rawert/Endres ZIP 2015, 2197, 2200f). Die Genehmigung ist nicht nachträgl Befreiung von § 181, sondern heilt den Mangel der Vertretungsmacht. Die Kenntnis des durch § 181 ausgeschlossenen Vertreters kann nicht zur Begr einer konkludenten Genehmigung zugerechnet werden (BGH NJW 2010, 861f). § 177 II 1 ist analog anzuwenden (BeckOGK/Fröhler Rn 487). Der Vertreter, der das Geschäft abgeschlossen hat, kann die Genehmigung weder sich selbst noch, im Falle der Mehrfachvertretung, ggü dem Geschäftspartner erklären. Auch ein Vertreter, der von § 181 nicht befreit ist, kann genehmigen, wenn er das Geschäft selbst hätte abschließen können, die Genehmigung also nicht ihrerseits ein Insichgeschäft ist (Zweibrücken MittBayNot 2012, 377, 378; Staudinger/Schilken Rn 46; MüKo/Schubert Rn 65; Rawert/Endres ZIP 2015, 2197, 2201; Soergel/Bayer Rn 116; aA Grü/Ellenberger Rn 18; BeckOGK/Fröhler Rn 482; s auch LG Saarbrücken MittBayNot 2000, 433f). Nach dem Tod des Vertretenen kann dessen Erbe genehmigen (Hamm OLG 1979, 44, 46), nach Wegfall eines gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers einer GmbH der verbleibende, dann alleinvertretungsberechtigte, Geschäftsführer, auch wenn er an dem genehmigten Geschäft zusammen mit dem durch § 181 ausgeschlossenen früheren Gesamtvertreter mitgewirkt hat (BGH NJW-RR 1994, 291f m Anm Schlechtriem EWiR 1994, 745). Hat der gesetzl Vertreter ein Insichgeschäft vorgenommen, kann der Vertretene genehmigen, nachdem er geschäftsfähig geworden ist; sonst ist die Genehmigung nur durch einen Ergänzungspfleger möglich (RG JW 1924, 1862f; aA BeckOGK/Fröhler Rn 365). Jedenfalls scheidet eine Genehmigung durch das FamG aus (RGZ 71, 162, 165; BGHZ 21, 229, 234; MüKo/Schubert Rn 96 mwN). c) Genehmigungspflicht. Ein Anspruch des Vertreters gegen den Vertretenen auf Genehmigung kann sich aus dem Innenverhältnis ergeben; sonst besteht eine Pflicht des Vertretenen zur Genehmigung nur dann, wenn die Verweigerung gegen Treu und Glauben verstoßen würde (RGZ 64, 366, 373; 110, 214, 216).
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Rechtsgeschäfte
10. Beweislast. Wer sich auf das Vertretungshindernis des § 181 beruft, muss dessen Voraussetzungen beweisen; wer die Zulässigkeit des Insichgeschäfts und damit die Ausnahme in der gesetzl Regelung geltend macht, muss die Voraussetzungen der Zulässigkeit behaupten und beweisen.
Titel 6 Einwilligung und Genehmigung (§§ 182–185) Vorbemerkung vor § 182 1
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1. Bedeutung. In einer Reihe von Fällen macht das Gesetz die Wirksamkeit des Geschäfts von der Zustimmung eines Dritten abhängig. Dafür sind verschiedene Gründe maßgebend. Einmal kann es um den Schutz von Personen gehen, welche die Tragweite ihrer Erklärungen möglicherweise nicht voll übersehen (zB §§ 106ff, 1411, 1596, 1600a III, § 1746 I 3, § 1825); deshalb ist zur Wirksamkeit des Geschäfts die Zustimmung einer Aufsichtsperson erforderlich (Zustimmung kraft Aufsichtsrechts). In anderen Fällen sollen Dritte geschützt werden, weil das Rechtsgeschäft ihren Rechtskreis oder ihre schutzwürdigen Interessen berührt (zB § 185 I, § 415 I, § 451 I, §§ 876ff, 1071 I, § 1178 II 2, §§ 1183, 1245 I 2, § 1255 II, § 1276 I, §§ 1365ff, 1423ff, 1516f, § 1747, §§ 2113ff, § 2291; § 15 V GmbHG; § 12 I WEG); deshalb ist die Zustimmung des Dritten zur Wirksamkeit des Geschäfts erforderlich (Zustimmung kraft Rechts- oder Interessenbeteiligung; vgl auch § 58 VwVfG für den öffentlichrechtl Vertrag); zur Genehmigung gem § 177 s Rn 12ff. 2. Begriffe. Die Zustimmung iSv §§ 182ff ist die rechtsgeschäftliche Erklärung des Einverständnisses mit dem von (einem) anderen im Privatrechtsverkehr vorgenommenen Rechtsgeschäft, also einem Vertrag oder einer empfangsbedürftigen Willenserklärung. Auch auf nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen, namentlich eine Dereliktion (§ 959), können §§ 182ff angewendet werden; dem steht der Wortlaut des § 182 nicht entgegen (Staudinger/Klumpp Rn 6). Die Zustimmung umfasst als Oberbegriff die Einwilligung (vor oder bei Abschluss des Rechtsgeschäfts erteilte Zustimmung, § 183) und die Genehmigung (nach Abschluss des Rechtsgeschäfts erteilte Zustimmung, § 184). Jedoch verwendet das Gesetz die Begriffe nicht immer einheitlich und genau. So wird die Zustimmung des FamG und BetrG zT als „Genehmigung“ bezeichnet (§§ 1411, 1643f, 1849ff), auch wenn es sich sachlich um eine vorherige Zustimmung handelt. Auch die „Genehmigung“ gem §§ 1001, 1002 kann im Voraus erklärt werden (BGH NJW 2002, 2875, 2876f; Wieling SachenR I2 2006, § 12 V 8d ee). Teilw verwendet das Gesetz den Begriff „Zustimmung“, um damit die Mitwirkung an einem Vorgang oder einer Handlung auszudrücken (zB § 32 II, § 709 I, § 744 II: Mitwirkung jedes Beteiligten an dem Beschl). Schließlich werden die genannten Ausdrücke nicht selten in rechtsgeschäftlichen Erklärungen und in Satzungen benutzt; hier ist durch Auslegung (§§ 133, 157; RGZ 132, 149, 155) zu ermitteln, was gemeint ist; im Einzelfall kann durchaus unter einer vertragl vereinbarten oder satzungsmäßigen „Genehmigung“ abw von der Begriffsbestimmung in §§ 182ff eine vorherige Erklärung zu verstehen sein. 3. Gesetzliches Zustimmungserfordernis. §§ 182ff sind unmittelbar nur anzuwenden, wenn das Gesetz die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von der (privatrechtl, rechtsgeschäftlichen) Zustimmung eines Dritten abhängig macht. Die durch Vereinbarung geforderte Zustimmung kann eine rechtsgeschäftliche Bedingung (§§ 158ff) sein (zB BAG NJW 1995, 1981f – Zustimmung eines Dritten als vereinbarte Bedingung für die Wirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses). Der Unterschied betrifft vor allem die Frage der Rückwirkung. Im Einz sind die Grenzen zweifelhaft. So sollen §§ 182ff auf die Zustimmung der Mitgesellschafter zur Abtretung von Gesellschaftsanteilen anwendbar sein (BGHZ 13, 179, 184ff zur Abtretung von Kommanditbeteiligungen; Scholz/ Seibt § 15 GmbHG Rn 133 zur Abtretung von GmbH-Anteilen), nicht aber auf die nach dem Schuldverhältnis erforderliche Zustimmung des Schuldners zur Abtretung der Forderung; letztere sei nur eine Modifikation der Unabtretbarkeit gem § 399 (BGHZ 108, 172, 176f; dazu § 184 Rn 20). Entspr ist die Zustimmung zur einmaligen Abtretung einer unabtretbaren Grundschuld wirkungslos; es bedarf der – eintragungspflichtigen – Aufhebung des Abtretungsausschlusses (Hamm 13.10.2009 – 15 Wx 43/09). Zur Zustimmung gem § 888 s Kesseler NJW 2010, 3341. 4. Abgrenzungen. Von der Zustimmung iSv §§ 182ff sind zu unterscheiden: a) Die Bestätigung (§§ 141, 144). Sie ist keine Erklärung zu einem fremden Geschäft, sondern eine Erklärung der Beteiligten zu einem eigenen Rechtsgeschäft. b) Die Billigung (etwa beim Kauf auf Probe, § 454). Sie ist eine im Rechtsgeschäft selbst vereinbarte Bedingung, deren Herbeiführung im Belieben des Vertragspartners steht. c) Die vereins- oder gesellschaftsrechtl Zustimmung. Bei ihr geht es meist um die eigene Mitwirkung (zB Zustimmung zu einem Beschl) oder um die Zulässigkeit, nicht die Wirksamkeit eines Geschäfts (zB § 111 IV 2 AktG; s aber § 179a AktG, § 13 UmwG). d) Die privatrechtl Erlaubnis (zB §§ 540, 603; Einwilligung in eine Verletzungshandlung iSv §§ 823ff; Einwilligung in die Veröffentlichung von Bildern, Texten usw im Medienrecht; dazu Frömming/Peters NJW 1996, 958; zur datenschutzrechtl Einwilligung Funke, Dogmatik und Voraussetzungen der datenschutzrechtl Einwilligung im Zivilrecht, 2016). Sie betrifft die Rechtmäßigkeit der Handlung eines anderen, nicht die Wirksamkeit eines (fremden) Rechtsgeschäfts, oder ihr Erfordernis ergibt sich aus geteilter Rechtszuständigkeit (so § 30 III MarkenG, dazu München NJW-RR 1997, 1266). e) Zu weiteren ähnl Fällen s Staudinger/Klumpp Rn 63ff. 606
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Einwilligung und Genehmigung
Vor § 182
Keine Einwilligung ist die Vollmacht; diese ist personenbezogen, jene gegenstandsbezogen (Flume § 57, 1b); jedoch sind auf die Genehmigung gem § 177 die §§ 182ff anwendbar (§ 177 Rn 13). An die Vollmacht oder deren Fehlen knüpft das Gesetz (insb §§ 165, 166 II, § 177 II, § 179) andere Folgen als an die Einwilligung und deren Fehlen (§§ 182ff). Der Mangel der Vollmacht hat ausweislich § 179 auch nicht die Unwirksamkeit des Geschäfts zur Folge, sondern die, dass es für den Vertretenen nicht wirksam ist (§ 177 I). Demgemäß macht die Genehmigung das Geschäft nicht an sich, sondern für und gegen den Vertretenen wirksam. Eine entspr Anwendung der §§ 182ff kommt im Prinzip bei der familien- oder betreuungsgerichtlichen Genehmigung (einer Sonderform der öffentlich-rechtl Genehmigung) in Betracht; die Sonderbestimmungen der §§ 1643f und 1855ff und des einschlägigen Verfahrensrechts gehen aber vor (s auch BayObLG NJW 1965, 397f). Nach hM sind §§ 182, 184 auf die Genehmigung nach § 684 S 2 analog anzuwenden, auch wenn hier ein tatsächliches Verhalten genehmigt wird (NK/Staffhorst § 182 Rn 5). Vielfach ist zu zivilrechtl Rechtsgeschäften einer Behörde oder einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts nicht nur intern, sondern mit Außenwirkung die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich. Insoweit gilt ausschließlich Verwaltungsrecht (Soergel/Klinck Rn 13). Die §§ 182ff können allenfalls als Ausdruck allg Grundsätze herangezogen werden und nur, soweit keine Spezialvorschriften bestehen (s auch BGH JZ 2000, 149 m Anm Singer – genehmigungsbedürftige Übernahme einer Bürgschaft durch einen Landkreis; s auch § 125 Rn 11). Zur kirchenaufsichtlichen Genehmigung Janssen AcP 218, 767, 778. 5. Öffentlich-rechtliche Genehmigung. Von einer öffentlich-rechtl (behördlichen) Genehmigung (Zustimmung, Einwilligung, Erlaubnis) kann zwar die Wirksamkeit eines privatrechtl Rechtsgeschäfts ebenso wie von einer privatrechtl notwendigen Zustimmung abhängig sein; zB §§ 18 KSchG, 2 GrdstVG, 4 III, 8 AWG, 40 II GWB. Sie ist aber keine Zustimmung iSd §§ 182ff. Auch als Wirksamkeitsvoraussetzung für ein Rechtsgeschäft ist die öffentlich-rechtl Genehmigung keine private Willenserklärung, sondern Hoheitsakt („privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt“). Rechtl Bedeutung, Voraussetzungen, Erteilungsverfahren und Wirkungen einer öffentlich-rechtl Genehmigung sind stets primär dem öffentlichen Recht zu entnehmen (Staudinger/Klumpp Rn 115). Maßgebend sind Inhalt und Sinn der öffentlich-rechtl Regelung (BVerwGE 11, 195, 198). §§ 182ff sind jedenfalls nicht unmittelbar, auch nicht entspr anwendbar. Allerdings lassen sich die §§ 182ff in diesen Grenzen als Ausdruck allgemeingültiger Grundsätze ergänzend zum öffentlichen Recht heranziehen (Soergel/Klinck Rn 12). Im Allg gilt: Ob eine „Genehmigung“ schon vor Abschluss des Rechtsgeschäfts vorliegen muss oder ob eine nachträgl Erteilung genügt, bestimmt das öffentliche Recht ebenso wie das gesamte Erteilungsverfahren einschl der Person der Genehmigungsadressaten. Muss die „Genehmigung“ nicht bereits im Voraus vorliegen, so ist das private Rechtsgeschäft bis zur Erteilung oder bestandskräftigen Versagung der Genehmigung schwebend unwirksam (BGHZ 23, 342, 348; BGH NJW 1993, 648, 650f). Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien während des Schwebezustandes richten sich nach Privatrecht (§ 184 Rn 9ff). Mit der Erteilung der Genehmigung oder dem Wegfall des Genehmigungserfordernisses (BGHZ 37, 233, 236) wird das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft wirksam. Die zumeist angenommene Rückwirkung der nachträgl behördlichen Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts folgert die Rspr weniger aus einer entspr Anwendung des § 184, sondern in erster Linie aus dem mit der Zustimmungsbedürftigkeit verfolgten Zweck (BGHZ 32, 383, 389; BGH NJW 1965, 41); nur erg gilt § 184 als Ausdruck eines allg Rechtsgedankens (§ 184 Rn 13). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine erteilte öffentlich-rechtl Genehmigung trotz ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkung widerrufen oder zurückgenommen werden kann, ist umstr (vgl Staudinger/Klumpp Rn 122). Die Versagung der Genehmigung beendet (erst) bei Bestandskraft den Schwebezustand; das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft wird damit endgültig unwirksam (Rn 15; BGHZ 84, 70, 71f; K. Schmidt AcP 189, 1, 12). Wird die Genehmigung nach Bestandskraft ihrer Verweigerung doch erteilt oder das Genehmigungserfordernis aufgehoben, bleibt das Geschäft unwirksam; seine Wirkungen können nur durch Neuvornahme erzielt werden (BGH NJW 1953, 1301; WM 1964, 1195; BeckOGK/Regenfus § 182 Rn 145; K. Schmidt JuS 1995, 102, 105; aA Palm, Die nachträgl Erteilung der verweigerten Genehmigung, 1964, 87ff, 110f). Bezieht sich das Genehmigungserfordernis nicht auf den schuldrechtl Vertrag, sondern nur auf das Erfüllungsgeschäft (zB § 40 II GWB), so tritt mit der endgültigen Verweigerung nachträgl Unmöglichkeit ein (BGHZ 37, 233, 240; BGH NJWRR 1997, 686, 688; Soergel/Klinck Rn 18). Die behördliche Bekanntmachung, dass Genehmigungen dieser Art generell verweigert werden, kann der bestandskräftigen Verweigerung gleichstehen (BGHZ 127, 368, 377; dazu K. Schmidt NJW 1995, 2255; s aber BGH NJW 1993, 648, 650f). Erklärt die für die Genehmigung zuständige Behörde, eine Genehmigung sei nicht erforderlich (Negativattest), so kann dies einer Genehmigung gleichstehen, wenn das Genehmigungserfordernis ausschließlich öffentliche Interessen schützt (BGHZ 1, 294, 302f; zu den Anforderungen an ein solches Negativattest BGH NJW 2016, 3162 Rn 44ff; MüKo/Bayreuther Rn 18). Ein unrichtiges Negativattest des FamG oder BetrG ersetzt dessen Genehmigung nicht, weil die Genehmigung den privaten Interessen des Mündels dient (BGHZ 44, 325). Zur Frage, ob das Erfordernis einer behördlichen Unbedenklichkeitserklärung einem Genehmigungserfordernis gleichsteht, s BGHZ 14, 1, 4. 6. Inhalt. Die Zustimmung zu dem Geschäft eines Dritten bringt das Einverständnis mit diesem zum Ausdruck (Soergel/Klinck Rn 1). Ihr Inhalt ist deshalb – abgesehen von dem zeitl Bezug zu ihrem Gegenstand – bei der Einwilligung und der Genehmigung identisch. Dies ist bei der Genehmigung vollmachtloser Vertretung anders. Diese ist nicht nachgeholte Vollmacht (§ 177 Rn 12) und drückt nicht die Zustimmung zum Geschäft eines Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
Dritten aus, sondern macht dessen Geschäft gleichsam zu einem eigenen. Sie enthält deshalb die Erklärung, das (möglicherweise) für den Vertretenen unwirksame Geschäft solle (für ihn) gültig sein (§ 177 Rn 12). Daraus ergeben sich Unterschiede namentlich für die Genehmigung durch schlüssiges Verhalten (§ 177 Rn 14f; § 182 Rn 8ff). 7. Rechtsnatur. a) Willenserklärung. Die Zustimmung selbst ist einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Zu Einzelheiten der Zustimmung durch schlüssiges Verhalten § 182 Rn 8ff, zur Anfechtung Rn 13. Da die Zustimmung einseitiges Rechtsgeschäft ist, sind die §§ 111, 180, 182 III, §§ 1367, 1831 anwendbar. Als empfangsbedürftige Willenserklärung wird die Zustimmung mit Zugang (§§ 130ff) wirksam. Jedoch kann der Erklärungsempfänger auf den Zugang verzichten. Der Rechtsgedanke des § 151 S 1 gilt entspr. Die §§ 182ff sind unabdingbar. b) Willensmängel; Bedingung. Auf die Zustimmung als Willenserklärung sind die Regeln über die Willensmängel (§§ 116ff) und die Auslegung (§ 133) anwendbar. Willensmängel beim Zustimmenden sind nur beachtlich, wenn sie die Zustimmung selbst und nicht (lediglich) das zustimmungsbedürftige Geschäft betreffen (BGHZ 111, 339, 347). Allerdings können Fehlvorstellungen über den wesentlichen Gehalt des Rechtsgeschäfts einen Irrtum über den Inhalt der Zustimmung begründen (Staudinger/Klumpp Rn 65). Adressat der Anfechtungserklärung ist wegen § 182 I, § 143 III der Empfänger der Zustimmungserklärung (str; wie hier Soergel/ Klinck Rn 9; MüKo/Bayreuther § 182 Rn 21; Staudinger/Klumpp Rn 70 mwN; zum nur scheinbar parallelen Problem der Anfechtung einer Vollmacht s § 167 Rn 46). Die Zustimmung zur Vertragsübernahme soll nach dem BGH ggü dem alten und dem neuen Vertragspartner angefochten werden müssen (BGHZ 96, 302, 309f; 137, 255, 262; anders mit Recht MüKo/Bayreuther § 182 Rn 21). War die Zustimmung durch die arglistige Täuschung seitens eines Dritten veranlasst, so kann sie auch dann angefochten werden, wenn zwar nicht der tatsächliche Zustimmungsempfänger, wohl aber der nach § 182 mögliche andere Zustimmungsadressat die Täuschung kannte oder kennen musste (§ 123 II 2; Soergel/Leptien13 Rn 5: § 123 II 1). Nach wohl hL ist dagegen die Anfechtung nur möglich, wenn alle am Hauptgeschäft Beteiligten die Täuschung kannten oder kennen mussten, weil die Anfechtung auf Vernichtung des Hauptgeschäfts gerichtet ist (Soergel/Klinck Rn 10). Die Zustimmung zu dem zw Alt- und Neumieter vereinbarten Mieterwechsel soll wegen argl Täuschung nur angefochten werden können, wenn Alt- und Neumieter die Täuschung kannten oder kennen mussten (BGHZ 137, 255, 262 = LM § 123 Nr 79 m abl Anm Kramer; aA auch Staudinger/Klumpp Rn 68). Im Unterschied zur bedingbaren Einwilligung ist die Genehmigung grds bedingungsfeindlich (Rostock MDR 2018, 982 Rn 22; HKK/Finkenauer §§ 158–163 Rn 38); Ausnahmen sind gem den Interessen der Parteien zu machen (NK/Staffhorst § 182 Rn 31ff; weitergehend Rodi, Die bedingte Zustimmung, 2016, 77, 83ff, der generell eine [auch antizipierte] aufschiebend bedingte Genehmigung zulässt); zur auflösend bedingten Genehmigung nach § 816 I Berner Jura 2019, 700. 8. Wirkung. a) Schwebende Unwirksamkeit. Bei einer im Voraus erteilten Zustimmung (Einwilligung) ist das zustimmungsbedürftige Geschäft von Anfang an wirksam. Wird das Geschäft ohne die erforderliche Zustimmung vorgenommen, ist es zunächst schwebend unwirksam (zum Schwebezustand § 184 Rn 9ff). Durch nachträgl Zustimmung (Genehmigung) wird das Geschäft – idR rückwirkend (§ 184) – wirksam. Die Zustimmung macht das zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäft in beiden Fällen so wirksam, wie es vorgenommen wurde. Die Zustimmung muss sich auf das gesamte zustimmungsbedürftige Geschäft beziehen. Eine Teilzustimmung genügt grds nicht; ist das zustimmungsbedürftige Geschäft teilbar, führt die Teilzustimmung unter den Voraussetzungen von § 139 zur Teilwirksamkeit (s auch § 177 Rn 16 und § 184 Rn 3). Die Zustimmung hat keinen Einfluss auf sonstige Nichtigkeitsgründe. b) Verweigerung der Genehmigung. Welche Folgen die Verweigerung der Genehmigung (§ 182 Rn 17) hat, ist im Gesetz nur vereinzelt geregelt (s etwa § 415 II 1 oder § 1366 IV). Nach ganz hM macht in allen Genehmigungsfällen die endgültige vorbehaltlose Verweigerung der Genehmigung das Geschäft dauerhaft unwirksam und ist ebenso wie die Genehmigung (§ 184 Rn 2) unwiderruflich (RGZ 139, 118, 127; BGHZ 13, 179, 187; 125, 355, 358; BGH NJW 1999, 3704; MüKo/Bayreuther § 182 Rn 30 mwN; BeckOGK/Regenfus Rn 144f; im Grundsatz auch Staudinger/Gursky, 2014, § 182 Rn 38ff; aA Münzel NJW 1959, 601ff; Palm, Die nachträgl Erteilung der verweigerten Genehmigung, 1964, 47ff, 69ff; s auch § 182 Rn 17). Nach hM kann das Geschäft nur noch durch Bestätigung analog § 141 I wirksam werden (BGH NJW 1999, 3704; MüKo/Bayreuther § 182 Rn 31). Ausnahmen ergeben sich aber aus § 177 II 1 Hs 2, § 108 II, § 415 II 2 und § 1366 III (dazu BGHZ 125, 355, 358, 361). Den berechtigten Interessen der Beteiligten wird die hM nicht immer gerecht; sie ist insb bei Pflichtwidrigkeit der Verweigerung unbefriedigend. Auch die diff Lösungsansätze etwa von K. Schmidt AcP 189, 1ff und JuS 1995, 102ff mwN sowie Flume § 56 haben in der Rechtspraxis aber bislang keine Zustimmung gefunden. Auf dieser Grundlage bleibt nur eine Korrektur über § 242 im Einzelfall (BGHZ 108, 380, 385; i Erg zust K. Schmidt DNotZ 1990, 708; MüKo/Bayreuther § 182 Rn 32; Staudinger/Gursky, 2014, § 182 Rn 42).
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Zustimmung
(1) Hängt die Wirksamkeit eines Vertrags oder eines einseitigen Rechtsgeschäfts, das einem anderen gegenüber vorzunehmen ist, von der Zustimmung eines Dritten ab, so kann die Erteilung sowie die Verweigerung der Zustimmung sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber erklärt werden. (2) Die Zustimmung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. 608
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Einwilligung und Genehmigung
§ 182
(3) Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit von der Zustimmung eines Dritten abhängt, mit Einwilligung des Dritten vorgenommen, so finden die Vorschriften des § 111 Satz 2, 3 entsprechende Anwendung. 1. Adressat der Zustimmung. a) Grundsatz des Abs I. Die Zustimmung (Einwilligung oder Genehmigung) kann wahlweise ggü demjenigen, für dessen wirksames Handeln sie nötig ist, oder ggü dessen Geschäftsgegner erklärt werden (Bsp BGH NJW 1953, 58; 1961, 1763). Ist das zustimmungsbedürftige Geschäft ein Vertrag, kommt also jede der beiden Vertragsparteien als Erklärungsempfänger in Betracht. Die Genehmigung der vollmachtlosen Vertretung kann ggü dem Vertreter oder dem Geschäftspartner, ggf auch deren Rechtsnachfolgern (RGZ 145, 87, 93) erklärt werden. Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft kann die Zustimmung entweder dem Erklärenden oder dem Erklärungsempfänger ggü erklärt werden. Für die Wirkung der Zustimmungserklärung kommt es nicht auf die Kenntnis desjenigen an, dem ggü die Zustimmung nicht erklärt worden ist. Besteht die Partei, ggü welcher die Zustimmung zu erklären ist, aus mehreren Personen, so ist die Zustimmung jeder von ihnen zu erklären; vertritt eine von ihnen auch die anderen, so genügt die Erklärung an sie (MüKo/Bayreuther Rn 6). b) Ausnahmen von Abs I. In bestimmten Fällen gibt das Gesetz keine Wahlmöglichkeit oder erweitert sie (zB § 108 II, § 177 II, §§ 876, 1071 I, § 1178 II, § 1245 I, § 1255 II, § 1276 I, § 1366 III 1, § 1644 III 1 iVm § 1855ff, § 1750 I sowie für die Genehmigung des BetrG § 1855ff). Gesetzl Sonderregelungen dieser Art haben ggü § 182 I Vorrang. – Die Zustimmung ggü einer nicht empfangsberechtigten Person ist unwirksam. Eine an den richtigen Adressaten weitergeleitete Zustimmungserklärung wird mit Zugang bei diesem wirksam, jedoch nur, wenn sie für den richtigen Adressaten bestimmt war (§ 130 Rn 4; großzügiger Soergel/Leptien13 Rn 4). c) Einzelfälle. Die von einem vollmachtlosen Vertreter vorgenommene Auflassung kann nur durch Erklärung ggü dem Vertreter oder der anderen Vertragspartei, nicht aber ggü dem Grundbuchamt genehmigt werden (KG KGJ 34 A 253; MüKo/Bayreuther Rn 7; aA BayObLG KGJ 27 A 305). Zum Empfang der Genehmigungserklärung kann auch der beurkundende Notar bevollmächtigt werden (KG KGJ 34 A 253, 256; Soergel/Klinck Rn 5), auch von dem vollmachtlosen Insichvertreter (Korbmacher NJW 1950, 244). Die Genehmigung der Übernahme einer Hypothekenschuld durch den Grundstückskäufer (§ 416) kann mit Wirkung für den Verkäufer vom Hypothekengläubiger nur ggü dem Verkäufer oder dem ersten Käufer, nicht ggü einem späteren Erwerber des Grundstücks erklärt werden (RG Warn Rspr 1908 Nr 440). Die Genehmigung eines übergangenen Gesamtvertreters kann auch ggü dem handelnden Gesamtvertreter erklärt werden (RGZ 112, 215, 220f; s auch § 177 Rn 19). – Der Nacherbe kann seine Zustimmung zu einer Veräußerung durch den Vorerben auch dem Erwerber erklären (BayObLG Recht 1912 Nr 1136; Hamm NJW 1965, 1489f mwN; aA KG KGJ 33 A 184, A 187). Ist der Vorerbe auch gesetzl Vertreter des Nacherben, so ist § 181 zu beachten (BayObLG NJW-RR 1995, 1032). – Die Genehmigung der ohne Vertretungsmacht vorgenommenen Wechselakzeptierung kann wirksam ggü dem Akzeptierenden erklärt werden (RG SeuffA 81 Nr 192; Soergel/Klinck Rn 4). 2. Form der Zustimmung. Grds ist die Zustimmung formfrei. Sie bedarf insb nicht der für das Rechtsgeschäft selbst bestimmten Form (Abs II; dazu Rn 5f). Vielfach schreibt das Gesetz jedoch für die Zustimmung selbst eine besondere Form vor (dazu Rn 7). a) Form des Hauptgeschäfts. Die Freiheit der Zustimmung von der Form des Hauptgeschäfts entspricht § 167 II. Sie gilt nach hM auch dann, wenn die für das Hauptgeschäft vorgeschriebene Form Warnzwecken dient und der Zust in der Lage desjenigen ist, der gewarnt werden soll (BGHZ 125, 218; MüKo/Bayreuther Rn 24). Deshalb bedürfen zB die Zustimmung des Eigentümers zur Auflassung des Grundstücks durch einen Dritten nicht der Form der §§ 311b, 925 (BGH NJW 1998, 1482, 1484) und die Genehmigung eines vollmachtlos abgeschlossenen Ehevertrags nicht der Form des § 1410 (BGHZ 138, 239, 242ff). Die Formfreiheit gilt auch, wenn die Genehmigungszuständigkeit (des gesetzl Vertreters für den Minderjährigen nach dessen Volljährigkeit) auf den Handelnden selbst übergegangen ist (BGH NJW 1980, 1842). Diese hM wird kritisiert, da sie dem Zweck der Formvorschrift nicht hinreichend Rechnung trage (Flume § 54, 6b; Erman/Palm12 Rn 4; weitere Nachw bei Staudinger/Klumpp Rn 116f). Die Kritik ist für die Genehmigung unberechtigt. Die zur Formbedürftigkeit unwiderruflicher Vollmachten entwickelten Grundsätze (§ 167 Rn 5f) sind auf die Genehmigung schon deshalb nicht übertragbar, weil § 182 II sonst für die Genehmigung keinen Anwendungsbereich hätte (BGHZ 125, 218, 224f; Wieling LM § 183 BGB Nr 5 Bl 4). Bei der Einwilligung ist hingegen nach den gleichen Grundsätzen zu differenzieren wie bei der Vollmacht: Wenn die Einwilligung unwiderruflich ist oder sonst faktisch eine Bindung des Einwilligenden bewirkt und der Zweck der Form in der Warnung gerade desjenigen in der Position des Einwilligenden liegt, sollte wie bei § 167 die Formvorschrift auch für die Einwilligung gelten (BGH LM § 183 BGB Nr 5 Bl 4 m Anm Wieling; Neuner § 54 Rn 22; Bork AT Rn 1701; Soergel/Klinck Rn 9); ausdr aA Staudinger/ Gursky, 2014, Rn 28 mwN mit dem Arg, dann müsse die Genehmigung „erst recht“ formbedürftig sein und dadurch würde § 182 II zu sehr ausgehöhlt. Das arg a fortiori überzeugt deshalb nicht, weil die Grundsätze über die Einwilligung nicht ohne weiteres auf die Genehmigung übertragen werden können; denn die Unwiderruflichkeit der Genehmigung folgt e contrario aus § 183, die Unwiderruflichkeit der Einwilligung ergibt sich dagegen aus einer besonderen den Erklärenden bindenden Vereinbarung. Formfrei ist die Zustimmung erst recht, wenn der Zweck der Formvorschrift durch eine formfreie Zustimmung nicht berührt wird; so bei der Zustimmung zur Übernahme eines für sich selbst nach §§ 550, 578 II formbedürftigen Mietvertrags, die der Vermieter mit dem neuen Vermieter oder dem bisherigen Mieter vereinbart, VermieFinkenauer
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ter- oder Mieterwechsel außerhalb des § 566 (BGHZ 154, 171, 178ff; BGH NJW-RR 2005, 958; s auch BGH DtZ 1996, 56: Zustimmung zur Vertragsübernahme bedarf nicht der für Vertragsänderungen vereinbarten Form). b) Eigene Form der Zustimmung. Vielfach verlangt das Gesetz eine besondere Form für die Zustimmung (zB in § 1516 II, § 1597 I, § 1750 I, § 2120 S 2, § 2291 II; § 193 III UmwG). In anderen Fällen ist die Zustimmung in bestimmter Form nicht Voraussetzung der Wirksamkeit, sondern der Zulässigkeit bestimmter Maßnahmen (zB § 5 I, §§ 10, 12 I DepotG). In wieder anderen Fällen ist eine Form zu Beweiszwecken oder aus Gründen der Rechtsklarheit vorgeschrieben (§ 29 GBO, § 71 II ZVG). Wo das Gesetz eine besondere Form für die Vollmacht vorschreibt, dient die Formvorschrift idR der Rechtssicherheit (zB § 2 II, § 47 III GmbHG); sie ist deshalb auch für die Genehmigung erforderlich (Frankfurt GmbHR 2012, 751 für § 12 I 2 HGB; Scholz/ Cramer § 2 GmbHG Rn 37). S auch §§ 2347f für den Erbverzicht (Düsseldorf NJW-RR 2002, 584). Zu § 492 IV s § 492 Rn 34, 37; andererseits MüKo/Bayreuther Rn 24. Gemeindeordnungen enthalten keine echten Formvorschriften iSv § 125, die Nichtbeachtung der Zuständigkeits- und Genehmigungsregelungen führt zur Anwendung der §§ 177ff (zu Kirchenordnungen Düsseldorf WM 2019, 603 Rn 42; aA Janssen AcP 218, 767, 797). Zur effektiven Durchsetzung der Zuständigkeitsregelungen wird entgegen § 182 II auch die Zustimmung für formbedürftig erachtet, etwa des einen Gesamtvertreters einer Gemeinde zum Handeln des anderen, wenn kommunalrechtl die Unterzeichnung durch beide vorgeschrieben ist (BGH NJW 1984, 606f und 1994, 1528; NVwZRR 1997, 725, 727; s auch § 125 Rn 10). 3. Zustimmung durch schlüssiges Verhalten. Der Zustimmungsberechtigte kann seine Zustimmung wie bei jedem anderen formfreien Rechtsgeschäft auch durch schlüssiges Verhalten erklären. Das ist als Grundsatz unbestritten (s Staudinger/Klumpp Rn 11ff mwN). Eine konkludente Zustimmung liegt vor, wenn sich nach dem Empfängerhorizont die Äußerung des Willens ergibt, den Zustimmungstatbestand zu verwirklichen (Vor § 182 Rn 11). Das gilt für die Einwilligung und die Genehmigung gleichermaßen. Ob ein Verhalten einen solchen Erklärungswert hat, ist nach allg Auslegungsgrundsätzen zu entscheiden. a) Zustimmungsbewusstsein? An den inneren Willen des Zustimmenden sind nach hM keine weitergehenden Anforderungen als bei jeder anderen Willenserklärung (vgl Vor § 116 Rn 2ff) zu stellen; insb ist nach der hier vertretenen Ansicht (Vor § 116 Rn 4, 15ff) kein besonderes Erklärungs- oder Zustimmungsbewusstsein und deshalb auch nicht die Kenntnis der Genehmigungsbedürftigkeit erforderlich (anders, ausgehend von einer anderen Auffassung zur Notwendigkeit des Erklärungsbewusstseins, Staudinger/Gursky, 2014, Rn 17ff, der aber [Rn 19] ggf zu einer Vertrauenshaftung analog § 122 kommt). Für die ausdr Genehmigung ist das anerkannt (BGHZ 47, 341, 351; MüKo/Schubert § 177 Rn 36). Für die konkludente Genehmigung scheint die Rspr jedoch uneinheitlich (einerseits BGHZ 159, 294, 304; BGH NZG 2005, 276; München WM 2009, 217, nach denen Kenntnis des Genehmigenden von der Genehmigungsbedürftigkeit erforderlich ist, und andererseits BGHZ 109, 171, 177; 128, 41, 49; LAG Düsseldorf NZA-RR 2022, 32 Rn 86, wonach es auf solche Kenntnis nicht ankommt). Ob ein solcher Gegensatz tatsächlich besteht, erscheint zweifelhaft; s Rn 11 sowie § 177 Rn 14; zu berücksichtigen ist auch die Verschiedenheit der Inhalte der Genehmigung vollmachtloser Vertretung (dazu § 177 Rn 12ff) und der Zustimmung zu dem Geschäft eines Dritten (Vor § 182 Rn 11). b) Einzelfälle. Der Zwangsverwalter eines Grundstücks, der bewusst die Einziehung der Mieten durch einen Nichtberechtigten duldet, stimmt dem konkludent gem § 362 II zu, auch wenn er nicht weiß, dass seine Zustimmung erforderlich ist (BGHZ 109, 171, 177). Bloße Anwesenheit bei Beurkundung eines Grundstücksvertrags enthält nicht die konkludente Zustimmung, wenn der Anwesende seine Mitberechtigung nicht kennt (BGH NJW 1998, 1482, 1484 zu §§ 13, 15 DDR-FGB). Stillschw Genehmigung ist anzunehmen, wenn der ohne Vertretungsmacht Handelnde kurz nach dem Geschäft Vertretungsmacht erlangt (Frankfurt BB 1980, 10 – nachfolgende Bestellung zum Geschäftsführer). Die Klage gegen den Nichtberechtigten, der die Sache veräußert hat, auf Herausgabe des Erlöses kann die Genehmigung gem § 185 II enthalten (RGZ 106, 44, 45; zur Problematik s Berner Jura 2019, 700; § 816 Rn 9). Die Klage gegen den nicht berechtigten Empfänger einer Leistung gem § 816 II enthält idR die Genehmigung der Leistung an ihn (BGH NJW 1972, 1197, 1199). Der Vertragsabschluss mit einer noch nicht errichteten GmbH (mit der Folge persönlicher Haftung des Handelnden) enthält nicht die Zustimmung zur späteren Vertragsübernahme durch die GmbH (BGH NJW 1998, 1645f). Zur konkludenten Zustimmung des namens eines anderen Beteiligten Handelnden BGH NJW 2015, 2872 Rn 16ff. Eine konkludente Zustimmung kann ferner zB darin liegen, dass der Zustimmungsberechtigte das Rechtsgeschäft ggü einem Empfangsberechtigten – etwa durch Erfüllungshandlungen oder durch Aufnahme und längerfristige Durchführung des Geschäftsbetriebes in gemieteten Räumen – als gültig behandelt (vgl RGZ 170, 233, 237; 160, 225, 232 – Anteilsabtretung; BGH WM 1990, 1573, 1575 – Vertragsübernahme; BGH BauR 2005, 1628 [Frankfurt]; KG ZMR 2010, 443; Düsseldorf NZM 2005, 909; MüKo/Bayreuther Rn 13; Soergel/Klinck Rn 13), oder auch durch längeres vertragskonformes Verhalten eines bei Abschluss minderjährigen und inzwischen volljährigen Versicherungsnehmers (Koblenz VersR 1991, 209). Eine schlüssige Genehmigung kann auch in dem – für sich betrachtet wirksamen – Abschluss von Folgevereinbarungen liegen, die die Wirksamkeit der vorhergehenden und zunächst schwebend unwirksamen Hauptvereinbarung voraussetzen (Frankfurt BKR 2003, 831f; NJW-RR 2005, 1514, 1516; Dresden BKR 2006, 122, LS; grds zust Staudinger/Klumpp Rn 20). Praktisch wird dies relevant, wenn die Hauptvereinbarung wegen eines Vertretungsmangels schwebend unwirksam ist. Dann muss aber die konkludente Genehmigung obj als Ausdruck des Willens erscheinen, ein nach Auffassung des Handelnden mindestens möglicherweise unwirksames Geschäft wirksam zu machen, und der andere Teil muss dies auch tatsächlich so verstanden haben (§ 177 Rn 14f). Beruht der Vertretungsmangel auf einem beiderseits 610
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Einwilligung und Genehmigung
§ 182
nicht erkannten Verstoß gegen § 3 RDG, kann in der Folgevereinbarung deshalb keine konkludente Genehmigung gesehen werden (so mit Recht Stuttgart NJOZ 2007, 1211, 1231f; München WM 2009, 217); wohl aber, wenn der Vertretungsmangel den Beteiligten in diesem Zeitpunkt bekannt war (Karlsruhe OLGR 2006, 865). Eine schlüssige Genehmigung kann bejaht werden, wenn der Namensträger auf eine Wechselvorlage leistet, obwohl er die Fälschung erkennt (RGZ 145, 87, 93; BGH LM Art 7 WG Nr 1–3; krit Staudinger/Gursky, 2014, Rn 13). Aus dem Verhalten ggü einem Dritten kann dagegen nicht auf eine Zustimmung geschlossen werden, weil der Dritte kein geeigneter Adressat einer Zustimmung ist (BGH NJW 1953, 58). Zur stillschw Genehmigung der Leistung an einen Nichtberechtigten BGHZ 109, 171, 176ff; VersR 1974, 590. Zur schlüssigen Erteilung einer Genehmigung iSv §§ 1001f BGH NJW 2002, 2875, einer Genehmigung der Prozessführung BGH NJW 1999, 3263. c) Schweigen. Bloßes Schweigen des Zustimmungsberechtigten ist idR eher als Ablehnung, jedenfalls nicht als Zustimmung zu werten (MüKo/Bayreuther Rn 16; Staudinger/Schilken § 177 Rn 11; Staudinger/Klumpp Rn 23ff mwN). Ausnahmen können sich im Handelsverkehr nach den §§ 75h, 91a HGB und den Grundsätzen über das kaufmännische Bestätigungsschreiben ergeben; auch wenn das an den Vertragspartner gerichtete Bestätigungsschreiben „zu Händen“ des vollmachtlosen Vertreters adressiert ist (BGH NJW 1964, 1951; NJW 1990, 386; NJW 2007, 987, 988f; s auch § 177 Rn 23). Außerhalb solcher Regelungen setzt eine Bewertung des Stillschweigens als Zustimmung regelmäßig voraus, dass der Zustimmungsberechtigte verpflichtet gewesen wäre, seine Ablehnung zu äußern. Das wird der Fall sein, wenn die Vertragschließenden den Zustimmungsberechtigten unterrichtet haben und eine Erklärung erwarten durften (BGH WM 1963, 528; WM 1964, 224; DB 1976, 1573f). Eine Bitte des Geschäftsbeteiligten an den Zustimmungsberechtigten um Äußerung allein genügt aber nicht ohne weiteres (BGHZ 47, 110, 112f). Schweigen der Bank, deren Zustimmung zur Abtretung des Rückgewähranspruchs der Sicherungsgrundschuld nach ihren AGB erforderlich ist, auf die Abtretungsanzeige des Notars ist ohne weitere Anhaltspunkte keine Zustimmung (BGH NJW 1990, 1601f). Wird der Zustimmungsberechtigte nur von dritter Seite unterrichtet, so liegt in seinem Schweigen grds keine Genehmigung (BGH NJW 1951, 398). Ausnahmsw kann ein jahrelanges Schweigen unter Berücksichtigung weiterer Umstände als Zustimmung gewertet werden (RGZ 137, 324, 339). In dem Schweigen eines Kaufmanns auf eine Wechselrückfrage kann eine Genehmigung der gefälschten oder ohne Vertretungsmacht abgegebenen Erklärung nur unter besonderen Bedingungen erblickt werden (RGZ 145, 87, 94f; s auch BGHZ 47, 110, 113; München NJW 1959, 1085). d) Treu und Glauben. Soweit danach die Voraussetzungen einer Zustimmung nicht vorliegen, kann die Berufung auf das Fehlen einer Zustimmung gegen Treu und Glauben verstoßen oder eine Haftung aus § 826 begründen (BGHZ 47, 110ff; Staudinger/Gursky, 2014, Rn 13 mwN; zu Recht einschr Soergel/Klinck Rn 17); zur treuwidrigen Vereitelung der Genehmigung BGH NJW 2012, 3424 Rn 14ff; dazu § 177 Rn 23. Für die Annahme einer Genehmigung nach Rechtscheinsgrundsätzen (dazu Staudinger/Gursky, 2014, Rn 19) besteht kein Bedürfnis, soweit ein Erklärungsbewusstsein nach hM nicht mehr zum Minimaltatbestand einer Willenserklärung und damit auch einer Genehmigung gehört (Rn 9; Soergel/Klinck Rn 17). 4. Rechtsscheinseinwilligung. Auf die Einwilligung sind die §§ 170ff entspr anwendbar (BGH WM 1964, 224; Grü/Ellenberger Rn 3; Staudinger/Klumpp § 183 Rn 73; MüKo/Bayreuther Rn 17 und § 183 Rn 14). Ob zusätzl die Grundsätze über die Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) Anwendung finden, ist, auch auf dem Boden der hM, zweifelhaft (grds bejahend Staudinger/Klumpp Rn 75; BeckOGK/Regenfus Rn 137). Vom Sachverhalt her sind entspr Konstellationen praktisch nur bei dem Zustimmungserfordernis zur Aufsicht, insb des gesetzl Vertreters, vorstellbar. Für solche Fälle ist die Anerkennung aber mit dem Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses schwerlich vereinbar. In den Fällen des Zustimmungserfordernisses wegen Mitbetroffenheit ist ein den Fällen der Rechtsscheinsvollmacht vergleichbarer Sachverhalt kaum vorstellbar (Staudinger/Gursky, 2014, Rn 21; aA MüKo/Bayreuther Rn 17 mit dem Bsp Brandenburg 24.3.2010 – 3 U 117/09, das aber eine konkludente Genehmigung betrifft). Richtigerweise liegt ohnehin in den diskutierten Fällen eine konkludente Zustimmung vor (§ 167 Rn 11). 5. Zustimmung zu einem einseitigen Rechtsgeschäft. Auch eine solche Zustimmung ist formfrei gültig (Abs II). Doch ergibt sich aus Abs III iVm § 111 S 2 ein indirekter Formzwang, da der Erklärungsempfänger das einseitige Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweisen und es dadurch unwirksam machen kann, wenn die erforderliche Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorgelegt wird. Ist die vorgelegte Einwilligung von einem angeblich Bevollmächtigten unterzeichnet, gilt § 174 und über ihn § 182 III iVm § 111 S 2; die Zurückweisung nach § 174 schließt dann die nach § 111 S 2 ein (LAG Düsseldorf BB 2001, 2479). Die Zurückweisung ist nach Abs III iVm § 111 S 3 nur ausgeschlossen, wenn der Zustimmungsberechtigte den Erklärungsempfänger von der Zustimmung in Kenntnis gesetzt hatte. Auf die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist Abs III iVm § 111 S 2 und 3 weder unmittelbar noch analog anzuwenden, weil es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Zustimmung handelt und § 103 BetrVG iVm § 15 KSchG eine abschließende Sonderregelung enthält (BAG NJW 2004, 2612 mit eingehender Begr gegen die bis dahin hM). Ob ein zustimmungsbedürftiges einseitiges Rechtsgeschäft ohne Einwilligung nichtig oder genehmigungsfähig ist, ist str. Abs III verweist nur auf § 111 S 2 und 3, nicht auf S 1. Dennoch halten Rspr und wohl noch hL das ohne Einwilligung vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft für unheilbar nichtig, da einseitige Gestaltungsgeschäfte keinen Schwebezustand vertrügen (RGZ 146, 314, 316; BGHZ 114, 360, 366; BGH NJW 1997, 1150, 1151f; BeckOGK/Regenfus Rn 180; relativierend zur Nachfristsetzung BGH NJW 1998, 3058, 3060; 2000, 506f: jedenfalls keine Rückwirkung, wenn die Frist bei Genehmigung bereits verstrichen ist). Ein allg Rechtsgrundsatz, Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
wonach bei einseitigen Gestaltungsgeschäften ein Schwebezustand nicht möglich sei, ist jedoch nicht anzuerkennen. § 180 S 2, 3 beweist, dass es ihn nicht gibt. Die Besonderheit einseitiger Rechtsgeschäfte liegt nicht in ihrer Gestaltungswirkung, sondern darin, dass der Adressat daran nur passiv beteiligt ist und deshalb eines besonderen Schutzes bedarf (s § 174 Rn 1). Mit der zunehmenden Auffassung ist deshalb § 180 S 2, 3 analog anzuwenden (MüKo/Bayreuther Rn 34; einschr BeckOGK/Regenfus Rn 181; ohne Problematisierung auch Frankfurt 23.6.2009 – 8 U 130/07 Rn 32, 34), soweit nicht aufgrund ausdr Vorschrift oder wegen Besonderheiten der Materie nur die Einwilligung genügt (so für die Zustimmung des Betriebsrats gem § 15 I KSchG, § 103 BetrVG, BAG DB 1977, 1190, 1191). Zur Genehmigungsfähigkeit amtsempfangsbedürftiger einseitiger Rechtsgeschäfte s § 180 Rn 4. Die Genehmigung einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist ist jedenfalls unwirksam (BAG AP § 184 BGB Nr 3). 6. Verweigerung der Zustimmung. Die Verweigerung der Einwilligung hat keine rechtsgestaltende Wirkung. Sie ist jederzeit „widerruflich“, dh die Zustimmung kann (als Einwilligung oder Genehmigung) danach ohne weiteres erteilt werden (MüKo/Bayreuther Rn 28; Soergel/Klinck Rn 12). Die Verweigerung der Genehmigung dagegen hat rechtsgestaltende Wirkung. Sie ist, wie die Erteilung der Genehmigung, eine empfangsbedürftige Willenserklärung und zugleich Rechtsgeschäft (RGZ 139, 118, 125; BGH NJW 1982, 1099; MüKo/Bayreuther Rn 29f; aA Staudinger/Gursky, 2014, Rn 35 mwN: nur geschäftsähnl). Sie kann auch durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (BGH NJW 1982, 1099; allgM, s auch Rn 8ff), ist nicht widerruflich (Vor § 182 Rn 15) aber wie die Zustimmung (dazu Vor § 182 Rn 13) nach §§ 119, 123 anfechtbar (Soergel/Klinck Rn 612 und § 184 Rn 2). Die Verweigerung setzt Kenntnis des Abschlusses des zu genehmigenden Geschäfts, seiner Art und seines wesentlichen Inhalts voraus (BGH NJW 1982, 1099f). Auch für eine konkludente Verweigerung ist Eindeutigkeit des Verweigerungswillens erforderlich. Die Klage des Eigentümers gegen den früheren Besitzer aus §§ 989, 990 und der Versuch der Sicherstellung gestohlenen Guts bei dem späteren Besitzer enthalten deshalb keine schlüssige Verweigerung der Genehmigung der unberechtigten Verfügung und schließen deshalb die Klage aus § 816 I 1 nicht aus (BGH NJW 1968, 1326). Der rechtsgeschäftliche Verzicht auf eine Zustimmung pro futuro ist unstatthaft (§ 137), s BeckOGK/Regenfus Rn 138; aA BeckOK/Bub Rn 27. 7. Beweislast. Die Beweislast für das Zustimmungserfordernis trägt derjenige, der sich auf das Erfordernis beruft. Die Beweislast für die Zustimmung trägt dann derjenige, der sich auf die Zustimmung beruft. Wer demggü behauptet, eine Genehmigung sei ins Leere gegangen, weil sie vorher verweigert und das Geschäft dadurch endgültig unwirksam geworden sei, trägt hierfür die Beweislast (BGH NJW 1989, 1728).
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Widerruflichkeit der Einwilligung
Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) ist bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich, soweit nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis sich ein anderes ergibt. Der Widerruf kann sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber erklärt werden. 1. Bedeutung. Einwilligung ist die dem zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäft vorausgehende oder zugleich mit dessen Vornahme erteilte Zustimmung. Sie schafft für den Einwilligungsempfänger die sonst nicht bestehende Möglichkeit, ein zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft mit sofortiger Wirksamkeit vorzunehmen. Die Einwilligung zur Verfügung über ein Recht des Einwilligenden (§ 185) begründet für den Einwilligungsempfänger eine Rechtsmacht, die der Vollmacht verwandt ist; der Einwilligungsempfänger handelt aber im eigenen Namen, der Bevollmächtigte dagegen in fremdem Namen (§ 164 I; s Vor § 182 Rn 5). S zur Autorisierung mit Doppelnatur München DB 1973, 1693; Naumburg NJW-RR 1999, 1462; zum Inhalt und zur Rechtsnatur der Einwilligung Vor § 182 Rn 11ff; zu ihrer Wirkung Vor § 182 Rn 14. Nicht hierher gehört die Einwilligung zu einer tatsächlichen Handlung (Vor § 182 Rn 4 unter d). 2. Erlöschensgründe. Die Einwilligung erfüllt ihren Zweck nur, wenn sie bei Vornahme des Rechtsgeschäfts (noch) wirksam ist. Als Erlöschensgrund nennt § 183 nur den Widerruf. Wie die Vollmacht kann sie aber auch aus anderen Gründen erlöschen: nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis oder mit diesem (BGH NJW 2012, 1207 Rn 11ff) oder aufgrund einer für die Einwilligung selbst bestimmten auflösenden Bedingung oder Befristung (§ 168 Rn 2). Unberührt bleibt die Einwilligung dagegen vom Tod oder von einer nachträgl Geschäftsunfähigkeit des Einwilligenden, sofern das zugrunde liegende Rechtsgeschäft nichts anderes ergibt (MüKo/Bayreuther Rn 6). Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einwilligenden sind §§ 80ff InsO zu beachten, wenn das zustimmungsbedürftige Geschäft die Insolvenzmasse betrifft. Die Einwilligung (Ermächtigung) wird gegenstandslos, wenn der Ermächtigende die Rechtsstellung, auf der die Ermächtigung beruht, verliert (s Soergel/Klinck Rn 8). Ob die Einwilligung mit dem Tod des Ermächtigten erlischt, hängt wie bei der Vollmacht (§ 168 Rn 10) von dem Kausalverhältnis ab (MüKo/Bayreuther Rn 5). Beruht die Einwilligung nicht auf einem grds fremdnützigen Verhältnis, wie zB einer Geschäftsbesorgung, sondern sollte sie dem Ermächtigten eine eigene Rechtsposition geben, wie die Ermächtigung des Vorbehaltskäufers zur Weiterveräußerung, oder diente sie der Verwirklichung eines Leistungsanspruchs, so geht sie auf den Erben über (MüKo/ Bayreuther Rn 5; s auch § 168 Rn 10). 3. Widerruf als Erlöschensgrund. a) Freie Widerruflichkeit. Die Einwilligung ist bis zur (wirksamen) Vornahme des Rechtsgeschäfts wie eine Vollmacht (§ 168 S 2) frei widerruflich (S 1). Bei mehraktigen Rechtsgeschäften ist der Widerruf bis zur Verwirklichung des letzten Tatbestandselements widerruflich (BGHZ 14, 114, 118f; MüKo/Bayreuther Rn 12; Staudinger/Klumpp Rn 59). Die Einwilligung zu Grundstücksgeschäften soll 612
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Einwilligung und Genehmigung
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nach hM dagegen nur bis zur Bindung an die Einigung gem § 873 II (und Stellung des Eintragungsantrags) statt bis zum Vollzug der Eintragung widerruflich sein (BGH NJW 1963, 36; 1998, 1482, 1484; München Rpfleger 2017, 529 Rn 47; MüKo/Bayreuther Rn 12; Erman/Maier-Reimer15 Rn 3). Das überdehnt den Anwendungsbereich des § 873 II (richtig Staudinger/Gursky, 2014, Rn 10) und schützt bei Kettenauflassungen den Veräußerer nicht hinreichend. Die Zustimmung des Eigentümers zur Veräußerung gem § 5 ErbbauRG soll sogar unwiderruflich sein, wenn das Kausalgeschäft wirksam geworden ist, BGH NJW 2017, 3514 Rn 13ff (aA BGH NJW 1963, 36 für die Bestellung einer Hypothek). Auf das Kausalgeschäft über die Veräußerung stellt die hM auch für die Zustimmung gem § 12 I WEG ab (BGH Rpfleger 2019, 378 Rn 16ff; Staudinger/Klumpp Rn 61; aA München Rpfleger 2017, 529 Rn 37ff). Nach dem Widerruf einer Verfügungsermächtigung sollten §§ 175f analog angewendet werden (§ 175 Rn 1). b) Willenserklärung. Der Widerruf ist wie die Einwilligung selbst eine empfangsbedürftige Willenserklärung und kann wie sie (§ 182 I) ebenfalls sowohl ggü dem Einwilligungsempfänger als auch ggü dem anderen Teil erklärt werden (S 2). Die Möglichkeit und die zeitl Grenzen des Widerrufs gelten auch für die Einwilligung im Verfahrensrecht. Bsp: Bei der gewillkürten Prozessstandschaft kann die Einwilligung nur bis zur Klageerhebung widerrufen werden (RGZ 164, 240, 242; MüKo/Bayreuther Rn 13). Die Einwilligung ggü dem Notar, dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zu erteilen, kann nicht mehr widerrufen werden, wenn der Gläubiger die Ausfertigung erhalten hat (BayObLG DNotZ 2003, 847; Staudinger/Klumpp Rn 89). Zum Widerruf einer Zustimmung zu einer baulichen Veränderung Düsseldorf NZM 2006, 702 m Anm Becker IMR 2006, 161. c) Unwiderruflichkeit. In einigen Fällen ist die Einwilligung kraft Gesetzes unwiderruflich, zB gem § 876 (dazu BGH NJW 2020, 610 Rn 24), § 880 II und III, § 1071 I, § 1178 II, §§ 1183, 1245 I, § 1255 II, § 1276 I, § 1516 II, § 1517 I, § 1750 II, § 2291 II. Die Zustimmung bewirkt in diesen Fällen den Verlust eines Rechts, nämlich des Rechts auf Mitwirkung; sie ist deshalb selbst Verfügung (Flume § 55; s Einl § 104 Rn 25; Staudinger/Gursky Vor § 182 Rn 50; aA Staudinger/Klumpp Vor § 182 Rn 47, § 183 Rn 69). Zur rechtsgeschäftlich herbeigeführten Unwiderruflichkeit Soergel/Klinck Rn 6. d) Ausschluss. Der Widerruf kann durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen sein. Wie bei der Vollmacht (§ 168) ist für die Widerruflichkeit das zugrunde liegende Rechtsverhältnis maßgeblich; für den Ausschluss des Widerrufs gelten deshalb allg dieselben Grundsätze wie für die unwiderrufliche Vollmacht (Grü/Ellenberger Rn 2; s dazu § 168 Rn 16ff; anders MüKo/Bayreuther Rn 16: Widerrufsverzicht auch ohne Grund im Kausalverhältnis). Wegen der Verschiedenheit der Ausgangslage wirken sich die Grundsätze jedoch unterschiedlich aus. Beruht das Zustimmungserfordernis auf Aufsichtsrecht oder -pflicht (Vor § 182 Rn 1), ist die Einwilligung stets widerruflich, weil eine Verpflichtung zur Einwilligung pflichtwidrig wäre (Flume § 55). Beruht das Zustimmungserfordernis dagegen auf Rechts- oder Interessenbeteiligung (Vor § 182 Rn 1), so fällt die Annahme eines konkludenten Ausschlusses des Widerrufsrechts leichter als bei der Vollmacht. Ein konkludenter Ausschluss des Widerrufs wurde angenommen für die Veräußerungsermächtigung an den Vorbehaltskäufer (BGH NJW 1969, 1171) und für die Einziehungsermächtigung bei der stillen Sicherungszession (München BB 1985, 2270 gegen BGHZ 82, 283, 290). Auch die unwiderrufliche Einwilligung kann wie die unwiderrufliche Vollmacht aus wichtigem Grund widerrufen werden (MüKo/Bayreuther Rn 16; BeckOGK/Regenfus Rn 27; s auch BGH NJW 1969, 1171). In der Zustimmung der Mitgesellschafter zur Sicherungsabtretung einer Kommanditbeteiligung liegt zugleich die – unwiderrufliche – Zustimmung zur Rückabtretung nach Erreichung des Sicherungszwecks (BGHZ 77, 392, 396ff). 4. Wirkung. Der Widerruf bewirkt das Erlöschen der Einwilligung, so dass das zustimmungsbedürftige Geschäft ohne erneute Einwilligung oder Genehmigung nicht wirksam vorgenommen werden kann. Allerdings muss der Dritte, dem ggü die Einwilligung erklärt und der Widerruf nicht angezeigt wurde, in seinem guten Glauben an das Bestehen der Einwilligung wegen des Rechtsscheins geschützt werden; §§ 170–173 sind wegen der vergleichbaren Interessenlage entspr anzuwenden (BGH WM 1964, 224; MüKo/Bayreuther Rn 14; Staudinger/Klumpp Rn 84). Der Widerruf der Einwilligung schließt eine erneute Einwilligung ebenso wenig aus wie eine spätere Genehmigung.
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Rückwirkung der Genehmigung
(1) Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. (2) Durch die Rückwirkung werden Verfügungen nicht unwirksam, die vor der Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von dem Genehmigenden getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt sind. 1. Genehmigung. a) Willenserklärung. Genehmigung ist die nachträgl Zustimmung. Sie ist eine empfangs- 1 bedürftige Willenserklärung, gem § 182 II grds an keine Form gebunden (§ 182 Rn 4ff) und kann ausdr oder konkludent erklärt werden (§ 177 Rn 14f; § 182 Rn 8ff). Sie wird wirksam mit dem Zugang gem §§ 130ff (Vor § 182 Rn 12) und kann gem § 182 I sowohl dem einen wie dem anderen Teil ggü erklärt werden (§ 182 Rn 1–3). Dass die Genehmigung auf Antrag erteilt worden wäre, genügt nicht (BGH NJW 1972, 940f zur kommunalrechtl Vertretung; Soergel/Klinck Rn 1). Finkenauer
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Rechtsgeschäfte
b) Unwiderruflichkeit. Die Genehmigung ist unwiderruflich (BGHZ 40, 156, 164; MüKo/Bayreuther Rn 2) und grds bedingungsfeindlich (Soergel/Klinck Rn 2). Das ergibt sich daraus, dass die Erteilung der Genehmigung unmittelbar rechtsgestaltend das schwebend unwirksame Geschäft wirksam macht. Celle (RdL 1954, 46) und Köln (RdL 1954, 71) lassen den Widerruf der (öffentlich-rechtl) Genehmigung uU zu, wenn sie erschlichen wurde; dagegen Riedel JZ 1955, 109f. Die Genehmigung kann aber nichtig oder anfechtbar sein (Vor § 182 Rn 13). Ob eine öffentlich-rechtl Genehmigung zurückgenommen oder widerrufen werden kann, richtet sich nach öffentlichem Recht. Zur Unwiderruflichkeit der Genehmigungsverweigerung Vor § 182 Rn 15. c) Gegenstand. Gegenstand der Genehmigung ist das zustimmungsbedürftige und zustimmungsfähige Rechtsgeschäft (zur Genehmigungsfähigkeit einseitiger Rechtsgeschäfte § 182 Rn 16). Die Genehmigung nur eines Teils kann zu dessen Wirksamkeit führen, wenn das Geschäft teilbar ist und die Beteiligten es auch ohne den nicht genehmigten Teil vorgenommen hätten (MüKo/Bayreuther Rn 11; MüKo/Schubert § 177 Rn 48; Hamm DNotZ 2002, 266, 268; s auch § 177 Rn 16 und Vor § 182 Rn 14). Eine mit Änderungen und Vorbehalten versehene Genehmigung kann durch Auslegung als Teilgenehmigung gedeutet werden; sie kann aber auch als (endgültige) Versagung der Genehmigung auszulegen sein. Gilt sie als Verweigerung, so kann darin die Einwilligung zu einem neuen, der eingeschränkten „Genehmigung“ entspr Vertragsschluss liegen (KG HRR 1941, Nr 853 zur Grundstücksverkehrsgenehmigung zu einem anderen Preis; MüKo/Bayreuther Rn 11). Zur nichtigen Genehmigung (gem § 17 aF GmbHG) s Liese GmbHR 2005, 1460. d) Entspr Anwendung. § 184 gilt entspr für die Genehmigung von Prozesshandlungen, etwa einer nicht postulationsfähigen Person (BGHZ 111, 339, 343f mwN), oder – auch im Verwaltungsverfahren (BVerwG NJW 1999, 3357) – eines Vertreters ohne Vertretungsmacht (BGH NJW 1967, 2304 zur Vererblichkeit des rechtshängigen Anspruchs aus § 847 aF, dazu aber BGHZ 69, 323; GmS-OGB in BGHZ 91, 111 zur Möglichkeit der Genehmigung in der Revisionsinstanz; BGH NJW 2010, 2886). Genehmigungsfähig ist auch ein ohne Vertretungsmacht gestellter Insolvenzantrag (BGH NZG 2003, 583). Die Genehmigung nur einzelner Verfahrenshandlungen eines vollmachtlosen Vertreters im Prozess ist jedoch unwirksam, da die Prozessführung als einheitliches Ganzes zu werten und deshalb nur insg genehmigungsfähig ist (BGHZ 92, 137). 2. Zuständigkeit. § 184 regelt nicht, welcher Zeitpunkt für die Zuständigkeit für die Genehmigung maßgeblich ist. Bei einem Zustimmungserfordernis nach Aufsichtsrecht (Vor § 182 Rn 1) muss der Genehmigende im Zeitpunkt der Genehmigung das Zustimmungsrecht haben (unstr; BeckOK/Bub Rn 5). Nach hM muss grds auch in den Fällen der Mitbetroffenheit, insb der Genehmigung der Verfügung eines Nichtberechtigten, der Genehmigende die Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Genehmigung haben, da die Genehmigung mit ihrer Rückwirkung nicht ihre eigenen Voraussetzungen schaffen könne (BGHZ 107, 340; Flume § 57, 3a; Staudinger/ Klumpp Rn 28; MüKo/Bayreuther Rn 20ff; BeckOGK/Regenfus § 185 Rn 83). Das Erfordernis der Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Genehmigung soll sich aus der Natur der Sache ergeben. Es soll sogar für die Genehmigung gem § 177 gelten (RGZ 134, 283, 286ff; Hamm FamRZ 2017, 1872 Rn 12; MüKo/Bayreuther Rn 21 [„Gesamtbetrachtung“]; diff Haberzettl JA 2019, 801, 805). Wegen Abs II kommt es auf die Frage nur an, wenn der zunächst Berechtigte die Verfügungsmacht anders als durch eigene Verfügung verloren hat. Stellungnahme: (1) Für eine Genehmigung nach § 177 ist Verfügungsmacht nicht erforderlich; soll eine vollmachtlose Verfügung aber nicht ins Leere gehen, bedarf es neben dem genehmigten dinglichen Geschäft zu diesem Zeitpunkt auch der Verfügungsmacht. Mit der Gegenauffassung ist auch für eine Genehmigung nach § 185 II 1 Verfügungsmacht nur bei Vornahme des zu genehmigenden Rechtsgeschäfts zu fordern (Finkenauer AcP 203, 282, 288f; BeckOGK/Ulrici § 177 Rn 179.2; Staudinger/Schilken § 177 Rn 10; BeckOK/Bub Rn 5). Der Gesetzeswortlaut ist zwar offen; die Existenz des ausf vom Gesetzgeber beratenen Abs II beweist jedoch, dass nur für Abs II die Verfügungsmacht des Genehmigenden entscheidend ist (Finkenauer AcP 203, 282, 298ff). Für die hM ist die Vorschrift bloß überflüssige Klarstellung, dass nach einer Zwischenverfügung (Veräußerung) dem Genehmigenden die Verfügungsmacht fehle (Rn 17). Der Gesetzgeber pflegte aber keine überflüssigen Normen aufzustellen. Gerade wegen Abs II bedarf es keines Rekurses auf das Fortbestehen der Verfügungsmacht zum Zeitpunkt der Genehmigung. Im Fall des § 177 ergibt sich die Genehmigungszuständigkeit des Vertretenen auch auf Veräußererseite nicht aus seiner – damaligen oder jetzigen – Verfügungsmacht, sondern folgt allein daraus, dass in seinem Namen gehandelt wurde (Finkenauer AcP 203, 282, 288ff; Staudinger/Schilken § 177 Rn 10a; Soergel/Klinck Rn 12). (2) Die Verfügung des Nichtberechtigten greift in das Recht des zu ihrem Zeitpunkt Berechtigten ein. Deshalb muss es auf die Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Vornahme des Hauptgeschäfts ankommen (ausf Finkenauer AcP 203, 282, 288ff, 302f; RGRK/Steffen Rn 6; Pfister JZ 1969, 623; Wieling SachenR I2 2006, § 9 VIa; Erman/Maier-Reimer15 Rn 5; Rodi [Vor § 182 Rn 13] 24ff; Köhler AT § 14 Rn 9; BeckOK/Bub § 185 Rn 11; Soergel/Klinck Rn 14f). Entgegen der Begr der hM (MüKo/Bayreuther Rn 21; Staudinger/Klumpp Rn 28) greift die Genehmigung des nicht mehr Berechtigten nicht in Rechte des aktuell Berechtigten ein (s auch den in BGHZ 107, 340 entschiedenen Fall). Es kann also der früher Berechtigte stets mit voller Wirkung für die Zeit bis zu seiner Zwischenverfügung genehmigen (Abs II); dem zwischenzeitl Begünstigten stehen daher die Früchte zu (aA MüKo/Bayreuther Rn 22). Die hM muss dagegen viele Ausnahmen machen und so doch auf den Zeitpunkt des Hauptgeschäfts abstellen; zB für den Fall, dass der Gegenstand untergegangen ist oder durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung seine selbständige Existenz verloren hat (BGHZ 56, 131, der die allg Frage unentschieden lässt; Staudinger/Klumpp Rn 29; MüKo/Bayreuther Rn 24) oder durch Ersitzung auf den Erwerber übergegangen ist (str; dafür Staudinger/Lorenz § 816 Rn 10; dagegen Staudinger/Klumpp Rn 32). Rückwirkung tritt für sie erst ab dem Zeitpunkt des späteren Erwerbs des Genehmigenden ein (MüKo/Bay614
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Einwilligung und Genehmigung
§ 184
reuther Rn 23; Staudinger/Gursky, 2014, Rn 27), für die Zeit bis dahin ist eine Genehmigung seitens des früher Berechtigten unzulässig (Staudinger/Gursky, 2014, Rn 29, 59; Staudinger/Klumpp Rn 33). Zahlt der Schuldner an den vollmachtlosen „Vertreter“ des Gläubigers und erlässt dieser sodann die Schuld, kann der Gläubiger die Zahlung nach hM gem § 362 II, § 185 II genehmigen, wenn er von ihr erfährt, obwohl er keine Verfügungsmacht mehr hat (BeckOK/Bub § 185 Rn 11; aA Staudinger/Klumpp Rn 120). Kommt es dagegen mit der Gegenauffassung auf die Berechtigung im Zeitpunkt des zu genehmigenden Geschäfts an, so bedarf es der inkonsequenten Ausnahmen der hM nicht. Hat D dem E eine Stute im Wert von 11.000 t gestohlen und für 10.000 t an den bösgläubigen A verkauft und hat A sie für 12.000 t an den gutgläubigen B weiterveräußert, so kann E die Veräußerung A-B genehmigen und von A gem § 816 I 1 den Kaufpreis von 12.000 t herausverlangen. Hatte E noch vor Aufklärung des Diebstahls die Stute für 11.000 t an C verkauft und nach §§ 929, 931 übereignet, so steht es ihm ebenfalls frei, danach die Verfügung A-B zu genehmigen. B wird dadurch Eigentümer der Stute, E kann auch hier gem § 816 I 1 von A Herausgabe des Kaufpreises in Höhe von 12.000 t verlangen. Allerdings verliert B sein Eigentum durch die Übereignung E-C, die gem § 184 II von der Genehmigung des Geschäfts A-B nicht berührt wird; C ist endgültig Eigentümer. Den Kaufpreis von 11.000 t aus dem Geschäft mit C muss E an B gem § 816 I 1 herausgeben, denn durch die Genehmigung hat E über das Eigentum des B verfügt. Hat die Stute bei dem bösgläubigen A ein Fohlen geworfen, so hat E gem § 953 das Eigentum daran erlangt und kann es gem §§ 985, 990, 987 herausverlangen; denn zu dieser Zeit war noch E Eigentümer der Stute. Zediert der Nichtberechtigte zunächst die Forderung des G an X und G sodann dieselbe Forderung an Y, kann G die Zession des Nichtberechtigten genehmigen; Y bleibt wegen Abs II Gläubiger (Finkenauer AcP 203, 282, 305; zust Soergel/ Klinck § 185 Rn 18; anders die hM, vgl BeckOK/Bub § 185 Rn 11). Zum Problem des gutgläubigen Erwerbs bei genehmigter Verfügung Rn 8. Beruht das Zustimmungserfordernis auf mittelbarer Betroffenheit, so soll wegen der anderen Art der Betroffenheit auch nach der Minderheitsmeinung die Zustimmung des aktuell Berechtigten erforderlich sein (BeckOK/Bub Rn 5). Einer Ausnahme für solche Genehmigungserfordernisse bedarf es indessen nicht. Abs II löst auch diese Fälle sachgerecht (s Rn 21). 3. Genehmigung und gutgläubiger Erwerb. Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten setzen grds voraus (Ausnahme § 892 II), dass der Rechtsscheinstatbestand und der gute Glaube in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem der Erwerbsakt vollendet wäre, wenn der Verfügende berechtigt gewesen wäre (§ 892 Rn 33ff; § 932 Rn 24). Trotz der Rückwirkung der Genehmigung müssen diese Voraussetzungen nach hier abgelehnter hM noch im Zeitpunkt der Genehmigung vorliegen (Rn 5; Grü/Herrler § 892 Rn 25; MüKo/ Bayreuther Rn 26). Bedarf es einer behördlichen oder familiengerichtlichen Genehmigung, so kommt es auf den guten Glauben bei Vornahme der maßgeblichen Handlung an (RGZ 125, 53, 56; 142, 59, 63; MüKo/Bayreuther Rn 28; s auch BGHZ 10, 69, 73f). Gleiches sollte gelten, wenn die Genehmigung bei dem erforderlich ist, dessen guter Glaube (zB nach § 173) in Frage steht. Für den Schutz des vollmachtlos vertretenen Erwerbers kommt es auf den guten Glauben des Vertreters bei Abschluss und den des Vertretenen bei Genehmigung (§ 166 II) an (RGZ 161, 153, 161f; MüKo/Bayreuther Rn 27; Soergel/Klinck Rn 14). Veräußert der vollmachtlose Vertreter eines eingetragenen Nichtberechtigten ein Grundstück, ist wegen § 184 I der maßgebliche Zeitpunkt für den Gutglaubenserwerb der Zeitpunkt der Verfügung (RGZ 69, 263, 268ff; Pfister JZ 1969, 623, 626; Finkenauer AcP 203, 282, 292ff; BeckOK/Bub Rn 9; Soergel/Klinck Rn 14; aA (Genehmigungszeitpunkt) Lutter AcP 164, 122, 168f; MüKo/Bayreuther Rn 26). Damit schafft die Genehmigung nicht ihre eigenen Voraussetzungen, weil das Recht des Vertretenen zur Genehmigung des Vertreterhandelns nicht auf seiner Verfügungsmacht beruht (Rn 6). Dass spätere Bösgläubigkeit nicht schadet, ergibt sich aus § 892 II. Die Eintragung eines Widerspruchs hindert unabhängig von einer Genehmigung des Vertreterhandelns den Eigentumserwerb (BeckOGK/Regenfus Rn 102); für den Erwerb eines beschränkten dinglichen Rechts muss öffentlicher Glaube im Zeitpunkt der Bestellung bestehen, nicht aber mehr zum Genehmigungszeitpunkt (Finkenauer Acp 203, 282, 296; aA RGZ 134, 283). Der Zeitpunkt der Verfügung, nicht der Genehmigung ist auch für die Verfügung eines Nichtberechtigten (§ 185 II) maßgeblich, die nach Eintritt der Bösgläubigkeit genehmigt wird (Rn 6). 4. Schwebezustand. Bis zur Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung ist das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft schwebend unwirksam (RGZ 64, 149, 154). Die Parteien sind vorläufig an den Vertrag gebunden und können sich nicht einseitig davon lösen (BGH NJW 1993, 648, 651; Ausnahmen zB §§ 109, 178, 1857). Einvernehmliche Vertragsaufhebung ist möglich, aber nicht durch Vereinbarung mit dem Vertreter, der das Geschäft ohne Vertretungsmacht abgeschlossen hatte; mit dem beschränkt Geschäftsfähigen nur, wenn die Aufhebung ausschließlich vorteilhaft für ihn ist (MüKo/Bayreuther Rn 4; Soergel/Klinck Rn 8). Erfüllungsansprüche bestehen noch nicht (BGHZ 65, 123, 126; BGH NJW 1993, 648, 651); schon für die Zeit des Schwebezustandes können aber einstw Erfüllungspflichten vereinbart werden (Bsp: BGH NJW 1999, 1329; 1999, 3040), soweit dies nicht dem Sinn des Genehmigungserfordernisses widerspricht (Armbrüster NJW 1999, 1306f). Die Beteiligten können überdies je nach Lage des Einzelfalles aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis und/oder nach Treu und Glauben verpflichtet sein, sich zumutbar um die Genehmigung zu bemühen und alles zu unterlassen, was die Erteilung gefährden könnte (RGZ 129, 357, 376; BGH BB 1956, 869; BVerwG NJW-RR 1986, 756, 758; Soergel/Klinck Rn 11). Keine solche Verpflichtung besteht bei § 108 für den beschränkt Geschäftsfähigen und bei § 177 für den ohne Vertretungsmacht Vertretenen. Für die Genehmigung besteht keine gesetzl Frist. Der Vertragspartner desjenigen, dessen Erklärung zustimmungsbedürftig ist, kann jedoch analog § 108 II, § 177 II, § 1366 III durch Aufforderung an den ZustimmungsFinkenauer
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Rechtsgeschäfte
berechtigten eine Frist in Gang setzen (heute wohl hL; MüKo/Bayreuther Rn 9; NK/Staffhorst Rn 5; s aber KGRp Berlin 1998, 144, 145). Das gilt aber nicht für eine behördliche Zustimmung. Zu weiteren Sorgfalts- und Treuepflichten während der Schwebezeit s RGZ 114, 155, 159f. IÜ darf die Einholung der Genehmigung nicht länger als erforderlich hinausgeschoben werden (vgl RGRK/Steffen Rn 4); maßgeblich für die angemessene Dauer ist die Parteivereinbarung. Auslegungsfrage ist, ob nach Ablauf einer angemessenen Frist der andere Teil ein Rücktrittsrecht hat oder – ausnahmsw – sogar endgültige Unwirksamkeit des Vertrags auch ohne Rücktritt anzunehmen ist (BGH Warn Rspr 1969 Nr 182 – mehr als 30 Jahre und fundamentale Veränderung der Verhältnisse; s auch BGH NJW 1993, 648, 651). Entgegen einer zT vertretenen Ansicht kann der Vertragspartner nicht in allen Fällen analog §§ 109, 178, 1366 II bis zur Genehmigung ohne weiteres widerrufen, wenn er das Genehmigungserfordernis nicht kannte (MüKo/Bayreuther Rn 4 gegen MüKo/Schramm5 Rn 5). Zur Genehmigung nach Auslaufen des befristeten Hauptgeschäfts s Rn 11 sowie MüKo/Bayreuther Rn 6. Verträge, die der behördlichen Genehmigung bedürfen, können uU noch nach Ablauf der Vertragszeit (ggf mit Rückwirkung) genehmigt werden (BGH BB 1956, 385; WM 1958, 358). Solange zu einem Rechtsgeschäft einer kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft eine mit Außenwirkung erforderliche Genehmigung der (staatlichen) Aufsichtsbehörde fehlt, ist das Rechtsgeschäft ebenfalls schwebend unwirksam (vgl – auch zur Haftung wegen cic bzw GoA – BGHZ 142, 51, 53ff, 60ff m krit Anm Singer JZ 2000, 153ff und BGHZ 157, 168, 175ff). 5. Wirkung der Genehmigung. a) Rückwirkung. Die Genehmigung macht das schwebend unwirksame Geschäft voll wirksam. Die Genehmigung wirkt zurück auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sofern nicht ein anderes bestimmt ist (Abs I). Die Wirksamkeitsvoraussetzungen richten sich grds nach dem Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts (Soergel/Klinck Rn 13). Das gilt sowohl für das obligatorische als auch für das dingliche Geschäft. Auch die Genehmigung der Auflassung wirkt zurück. Da zum Erwerb des Eigentums an einem Grundstück auch die Eintragung gehört, führt die Genehmigung allerdings nicht zum Eigentumsübergang, wenn die Eintragung vor der Genehmigung durch Berichtigung gelöscht wurde (RGZ 131, 97, 99; JW 1931, 2726; BGH LM § 107 Nr 7). Hat dagegen der Erwerber das Grundstück weiterveräußert und ist der neue Erwerber bereits als Eigentümer eingetragen, steht dem rückwirkenden Eigentumserwerb des Ersterwerbers durch die Genehmigung nichts entgegen (so ohne Abgrenzung von den vorgenannten Fällen RG Gruchot 67, 549, 552). IdR ist die Rückwirkung steuerrechtl nicht anzuerkennen (BFH 29.5.2009 – IX B 23/09), die Frage hängt aber von Auslegung und Zweck der einzelnen Steuervorschrift ab (s auch BFH BStBl II 2002, 10). Nichtanerkennung einer Rückwirkung zB für Verkehrsteuern (BFH BStBl II 1999, 606; s § 14 Nr 2 GrEStG), für die Berechnung der Spekulationsfrist gem § 23 EstG (BFH BStBl II 2002, 10), für die Entstehung der Schenkungsteuer (BFH NV 2006, 551) und für den Zeitpunkt des Steuertatbestandes gem § 17 EstG (BFH 29.5.2009 – IX B 23/09). b) Öffentlich-rechtl Genehmigung. Die Wirkungen einer öffentlich-rechtl Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft sind in erster Linie den für sie maßgebenden Rechtsvorschriften zu entnehmen (Vor § 182 Rn 8). I Erg ist Rückwirkung die Regel, da Abs I als Ausdruck eines allg Rechtsgedankens verstanden wird (BGHZ 32, 383, 389f; BGH NJW 1969, 1245f; einschränkend MüKo/Bayreuther Vor § 182 Rn 17: Rückwirkung höchstens bis zur Antragstellung). Die Rückwirkung kann gem § 159 auch gewollt sein, wenn die Parteien den genehmigungsbedürftigen Vertrag ausdr unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen haben, dass die behördliche Genehmigung erteilt wird (Braunschweig MDR 1949, 552). Ein „vorbehaltlich der behördlichen Genehmigung“ geschlossener Vertrag ist sofort voll wirksam, wenn eine Genehmigung nicht erforderlich ist und deshalb nicht erteilt werden kann (im Einz BGH RdL 1953, 326). Zum Negativattest Vor § 182 Rn 10. c) Einschränkungen der Rückwirkung. Keine Rückwirkung tritt ein, wenn etwas anderes bestimmt ist (Abs I). aa) Die andere Bestimmung kann durch Vereinbarung in dem genehmigungsbedürftigen Geschäft getroffen werden. Die Genehmigung wirkt dann wie der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung (MüKo/Bayreuther Rn 31; Staudinger/Gursky, 2014, Rn 40). Es bleibt aber vorrangig bei der Anwendung des § 184 ggü den §§ 160–162 (MüKo/Bayreuther Rn 31). An eine stillschw Vereinbarung sind eher strenge Anforderungen zu stellen (BeckOGK/Regenfus Rn 92). Einseitig kann der Genehmigende nicht auf die Rückwirkung verzichten, weil er damit ein anderes als das abgeschlossene Geschäft genehmigen würde (str; wie hier BeckOGK/Regenfus Rn 93; Staudinger/Klumpp Rn 86 mwN). Wird die Genehmigung durch Urteil erzwungen (§ 894 ZPO), kann die Rückwirkung im Urteil als „andere Bestimmung“ ausgeschlossen werden (so im Fall BGHZ 108, 380, 384; dazu K. Schmidt DnotZ 1990, 708, 711; MüKo/Bayreuther Rn 30). bb) Die Rückwirkung ist ferner ausgeschlossen, wenn sie über den Sinn des § 184 hinausginge (s dazu auch Rn 8). Insb gilt das, wenn die Rückwirkung im Widerspruch zum Gesetzeszweck zur Verkürzung oder zum Abschneiden von Fristen führen würde. Erst mit dem Zugang der Genehmigung kann der Schuldner in Verzug geraten (Rostock NJW 1995, 3127f; MüKo/Bayreuther Rn 14; Staudinger/Klumpp Rn 93). Allerdings wirkt bei Vereinbarung einer kalendermäßig bestimmten Leistungszeit (§ 286 II Nr 1) auch eine erst kurz vor dem Leistungszeitpunkt erteilte Genehmigung zurück (BGH NJW 2001, 365f m Anm Löwisch LM § 284 Nr 46); wird die Genehmigung aber erst nach dem vereinbarten Leistungstermin erklärt, bedarf es der Mahnung (Karlsruhe NJWRR 1986, 57). Den Lauf der Verjährungsfrist oder einer anderen Frist kann die Genehmigung nicht rückwirkend in Gang setzen (BAG NJW 2013, 2219 Rn 14 zu § 4 KSchG; BGH MDR 2021, 996 Rn 39; MüKo/Bayreuther Rn 14 mwN). Der Beginn der Verjährung setzt vielmehr voraus, dass der Anspruch auch geltend gemacht werden kann (§ 199 Rn 3). Für die „Genehmigung“ einer Abtretung unter Verstoß gegen § 399 gilt § 184 nicht (Rn 20). 616
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Einwilligung und Genehmigung
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cc) Die Rückwirkung der privatrechtl erforderlichen Genehmigung hat nicht zur Folge, dass es für die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht gem § 3 AnfG nur auf den Zeitpunkt des Hauptgeschäfts ankäme und Kenntnis im Zeitpunkt der Genehmigung unschädlich wäre (RGZ 88, 216, 217; aA BGH WM 1958, 1417, 1419 für die devisenrechtl Genehmigung) oder Fristen für die Gläubigeranfechtung bereits mit der Vornahme des Hauptgeschäfts zu laufen begännen; sie beginnen jedenfalls im Fall einer privatrechtl erforderlichen Genehmigung erst mit dieser (BGH NJW 1979, 102). Dagegen soll die bei dem Genehmigenden erst im Zeitpunkt der Genehmigung bestehende Kenntnis nicht für die Arglist genügen (Düsseldorf NJW-RR 1997, 718 – zweifelhaft, s § 166 Rn 38). Zur Mangelkenntnis gem § 442 bei vollmachtloser Vertretung BGH NJW 2022, 2843. Zum Verhältnis Rückwirkung und Gutglaubensschutz s Rn 8. Ob die Rückwirkung für den zeitl Anwendungsbereich öffentlich-rechtl Eingriffsnormen zu berücksichtigen ist, hängt von deren Auslegung ab (s zB KG HRR 1941 Nr 852 – Genehmigungserfordernis – einerseits und BGHZ 32, 383, 389 – gesetzl Vorkaufsrecht – andererseits). Die Widerrufsfrist gem § 356 III 2 beginnt nicht vor der Genehmigung zu laufen (BGHZ 129, 371, 381ff zu § 7 II 3 VerbrKrG). Die Genehmigung kann nicht durch Rückwirkung die Folgen der Versäumung einer Ausschlussfrist oder eines Fristablaufs bei fristgebundenen Rechtsgeschäften außer Kraft setzen, sondern muss innerhalb der vorgesehenen Frist erfolgen (BGHZ 32, 375, 382f für die Frist zur Ausübung eines gesetzl Vorkaufsrechts; BGH NJW 1973, 1789 für das befristete Vertragsangebot; dazu § 177 Rn 21; BverwG NJW 1999, 3357f für Ausschlussfrist nach § 30 VermG; s auch Brandenburg MDR 2000, 1306 – keine rückwirkende Genehmigung einer fristlosen Kündigung bei einem Vorstandsmitglied einer Genossenschaft; BeckOGK/Fervers § 188 Rn 16f); aA für befristete Angebote Staudinger/Klumpp Rn 65 und für die Frist gem § 651g I aF BGH NJW 2010, 2950. 6. Bestand von Zwischenverfügungen (Abs II). a) Bedeutung. Die Rückwirkung kann mit Verfügungen kollidieren, die der Genehmigende während der Schwebezeit getroffen hat. Nach Abs II haben solche Zwischenverfügungen Vorrang vor der Rückwirkung, wenn sie von dem Genehmigenden oder gegen ihn im Wege der Zwangsvollstreckung getroffen wurden. Zwischenverfügungen müssen aber vom Genehmigenden zugunsten Dritter erfolgt sein; in § 184 II geht es also um den Schutz der Rechte Dritter (HKK/Finkenauer §§ 182–185 Rn 8; Staudinger/Klumpp Rn 116). Abs II ist also entgegen seinem Wortlaut nicht anzuwenden, wenn ein Eigentümer nach Veräußerung seines Grundstücks durch einen Nichtberechtigten sich selbst eine Grundschuld bestellt und dann die Verfügung genehmigt. Er ist aber keine allg Schutzvorschrift für wohlerworbene Rechte, wenn das Recht nicht auf einer Verfügung des Genehmigenden, sondern zB des Erwerbers beruht (Finkenauer AcP 203, 282, 299 Fn 69). Ist die Zwischenverfügung zugunsten derselben Person wie die – genehmigte – Erstverfügung erfolgt, so ist Abs II gleichfalls nicht anwendbar (Soergel/Klinck Rn 25; MüKo/Bayreuther Rn 41; aA Staudinger/ Gursky, 2014, Rn 56). Nach hier vertretener Auffassung zur Genehmigungszuständigkeit (Rn 5f) bedarf es der Vorschrift; nach hL ist die Vorschrift nur (überflüssige) Klarstellung, weil dem Genehmigenden nach einer Zwischenverfügung die Genehmigungszuständigkeit fehlt (Staudinger/Klumpp Rn 117); Bedeutung hat die Vorschrift indes auch nach hL, wenn der Genehmigende durch die Zwischenverfügung nicht das Recht übertragen, sondern nur belastet hat. b) Unmittelbarer Anwendungsbereich. Abs II gilt für Verfügungen, die der Genehmigende selbst getroffen hat. Eine Verfügung des Genehmigenden ist es auch, wenn er die Verfügung eines vollmachtlosen Vertreters genehmigt oder der Verfügung eines Dritten zustimmt (MüKo/Bayreuther Rn 35; Staudinger/Klumpp Rn 127). Nicht anwendbar ist Abs II, wenn das Genehmigungserfordernis auf der Erwerberseite besteht oder es um eine behördliche oder gerichtliche Genehmigung geht. In diesem Fall verbleibt es bei der uneingeschränkten Rückwirkung, jedoch vorbehaltlich der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb aufgrund der Zwischenverfügung (Rn 22). Ebenfalls nicht unter Abs II fällt es, wenn der Genehmigende sein Recht nicht durch eigene Verfügung, sondern durch Verfügung eines Nichtberechtigten zugunsten eines Gutgläubigen verloren hat (s auch Rn 6 und 22). Der Verfügung des Genehmigenden steht gleich eine Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung, Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter. Voraussetzung dafür ist aber immer, dass sich diese Verfügung gegen den Genehmigenden richtet (RGZ 134, 121, 123; JW 1936, 2063 Nr 3; Stuttgart NJW 1954, 36; Soergel/Klinck Rn 21). Die Eintragung eines Widerspruchs ist keine Zwangsverfügung (Finkenauer AcP 203, 282, 296; BeckOGK/ Regenfus Rn 102). c) Erweiternde Anwendung. Zunächst hat der BGH Abs II auf die Zustimmung des Schuldners zu einer gem § 399 Var 2 ausgeschlossenen Abtretung der Forderung angewandt und dabei die Zustimmung als Verfügung angesehen (BGHZ 40, 156, 163f; zust Soergel/Leptien13 Rn 11). Nach der neueren Rspr ist § 184 in diesen Fällen nicht anwendbar (BGHZ 70, 299, 303; 108, 172, 176; aA MüKo/Bayreuther Vor § 182 Rn 24; ausf Staudinger/ Klumpp Vor § 182 Rn 83; s auch § 399 Rn 3f). Danach ist die Genehmigung des Schuldners in diesem Fall Zustimmung zur Aufhebung des Abtretungsverbots und hat keine Rückwirkung, so dass eine entspr Anwendung des Abs II nicht in Betracht kommt. Mit der ersten Zustimmung des Schuldners zu einer Abtretung verliert der Gläubiger die Forderung, so dass eine frühere Abtretung nicht mehr wirksam werden kann (Soergel/Klinck Rn 23). Darüber hinaus kommt eine allg Anwendung des Abs II zum Schutz „wohlerworbener Rechte“ nicht in Betracht (RG JW 1936, 2063 m abl Anm H. Lehmann; Soergel/Leptien13 Rn 11; für Sonderfälle MüKo/Bayreuther Rn 43 mwN). Zur entspr Anwendung bei genehmigungspflichtiger Abtretung sozialrechtl Ansprüche BSG NZS 2001, 104, 106. d) Wirkung. Die Zwischenverfügung bleibt wirksam. Auf den guten Glauben des durch sie Begünstigten kommt es – anders als nach § 161 III – nicht an. Wurde durch die Zwischenverfügung das Recht übertragen, so Finkenauer
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ist der durch die Erstverfügung Begünstigte aufgrund der Rückwirkung Berechtigter für die Zeit bis zu der Zwischenverfügung (Rn 6; zust Soergel/Klinck Rn 26). Da die Zwischenverfügung wirksam bleibt, steht ihm ggf ein Anspruch aus § 816 gegen den Genehmigenden zu, der die Zwischenverfügung traf. Die hL kann eine solche zeitl begrenzte Berechtigung des Begünstigten der Erstverfügung nicht annehmen, weil nach ihr dem Verfügenden bereits die Genehmigungsmacht fehlt (Staudinger/Klumpp Rn 137). Wurde mit der Zwischenverfügung das Recht belastet, so erwirbt der Begünstigte der Erstverfügung das belastete Recht. War der Genehmigende Inhaber eines mittelbar betroffenen Rechts, das er auf einen anderen übertragen hat, so bewirkt die Genehmigung zwar die Aufhebung des belasteten Rechts (§ 876), sie ist aber relativ unwirksam ggü dem Begünstigten der Zwischenverfügung (Finkenauer AcP 203, 282, 306; anders Erman/Maier-Reimer15 Rn 21: Wirkung nur bis zur Zeit der Zwischenverfügung). War also der Inhaber des Pfandrechts an einer Hypothek bei der Zustimmung zu deren Aufhebung vollmachtlos vertreten, kann er diese Vertretung nach Abtretung seiner eigenen Forderung deshalb zwar genehmigen, das Pfandrecht des Zessionars besteht aber nun an einer aufgehobenen Hypothek. e) Gutgläubiger Erwerb. Unabhängig von Abs II bleiben Zwischenverfügungen wirksam, wenn sie die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten erfüllen (Staudinger/Gursky, 2014, Rn 52, 53; NK/Staffhorst Rn 17).
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Verfügung eines Nichtberechtigten
(1) Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt. (2) Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt oder wenn er von dem Berechtigten beerbt wird und dieser für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. In den beiden letzteren Fällen wird, wenn über den Gegenstand mehrere miteinander nicht in Einklang stehende Verfügungen getroffen worden sind, nur die frühere Verfügung wirksam. I. Bedeutung. In vier Fallgruppen kann gem § 185 eine Verfügung wirksam sein oder werden, obwohl dem Verfügenden das Recht, über das er verfügte, nicht zustand oder er nicht verfügungsbefugt war. Zu unterscheiden sind die Fälle der Zustimmung (Einwilligung, Abs I, und Genehmigung, Abs II S 1 Var 1) und zwei damit wenig zusammenhängende Fälle der Konvaleszenz (Erwerb des Gegenstands durch den Verfügenden, Abs II S 1 Var 2, und Beerbung des Verfügenden durch den Berechtigten, wenn dieser unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten haftet, Abs II S 1 Var 3). Zur Geschichte der Konvaleszenz HKK/Finkenauer §§ 182–185 Rn 4f, 7. Durch die Zustimmung wird die Verfügung (im Falle der Genehmigung aufgrund deren Rückwirkung, § 184) zum Zeitpunkt ihrer Vornahme wirksam, während die Konvaleszenz in dem 2. und 3. Fall des Abs II S 1 nur mit Wirkung ex nunc eintritt. Überträgt die Verfügung das Recht eines anderen, so bewirkt die Zustimmung den unmittelbaren Übergang auf den Erwerber (ohne Durchgangserwerb beim Verfügenden), während im Falle der Konvaleszenz durch Erwerb des Gegenstandes durch den Verfügenden dessen Zwischenerwerb für eine sog jur Sekunde eintritt. Die Abgrenzung zum gutgläubigen Erwerb richtet sich nach der Priorität: Im Falle der Einwilligung kommt es auf die Gutglaubensvorschriften nicht mehr an. Ist die Verfügung aufgrund der Gutglaubensvorschriften wirksam geworden, so bedarf es der Heilung gem Abs II nicht mehr. Zur Rückabwicklung obligatorischer Geschäfte, deren Erfüllung gem § 185 wirksam war, s Braun ZIP 1998, 1469. II. Gemeinsame Voraussetzungen. 1. Verfügung. a) Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar auf ein bestehendes Recht einwirken, es etwa verändern, aufheben oder übertragen (BGHZ 1, 294, 304; Einl § 104 Rn 21; Haedicke JuS 2001, 966). Gegenstand der Verfügung kann ein einzelnes Recht, gleich ob Schuld- oder Sachenrecht sein, aber auch ein ganzes Rechtsverhältnis (MüKo/Bayreuther Rn 7; Soergel/Klinck Rn 5). Auch einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigung (BGH NJW 2015, 1881 Rn 19; BAGE 170, 84 Rn 20), Rücktritt oder Aufrechnung sind Verfügungen (zur Anwendbarkeit von Abs II s aber Rn 6). Analog anwendbar ist § 185 auf die Einräumung eines obligatorischen Besitz- und Gebrauchsrechts (RGZ 80, 395, 397f; MüKo/Bayreuther Rn 8; s auch BGHZ 84, 90, dazu krit Gursky JR 1983, 265f; anders BGHZ 114, 96, 100, der dies als Verpflichtungsermächtigung – s Rn 18 – ablehnt; s auch § 816 Rn 4) oder Zurückbehaltungsrechts (RGZ 124, 28; Soergel/Klinck Rn 12) oder auf den vom Eigentümer des Stammgrundstücks gestatteten Grenzüberbau (BGHZ 15, 216, 219). Nicht unter § 185 fallen Verfügungen von Todes wegen (RGZ 111, 247, 251; Soergel/Klinck Rn 4). Keine Verfügung ist auch die rechtsgeschäftlich ausgelöste Gesamtrechtsnachfolge nach dem UmwG (BGH ZIP 1999, 447). Zum Verfügungscharakter der Zustimmung s § 183 Rn 5 und Einl § 104 Rn 25; § 185 ist zumindest entspr auf die Zustimmung anwendbar (BGH LM Nr 7 zur Einwilligung; Staudinger/Klumpp Rn 162). b) Da § 185 im Gegensatz zu § 184 II die sog Zwangsverfügungen nicht gleichstellt, gilt § 185 insg analog für Verfügungen im Wege der Mobiliarvollstreckung (Pfändung schuldnerfremder Sachen) oder durch Insolvenzverwalter (i Erg RGZ 60, 70; BGHZ 56, 339, 351; MüKo/Bayreuther Rn 14f; Staudinger/Gursky, 2014, Rn 91; ausf zur Problematik K. Schmidt ZZP 87, 316ff). Dagegen soll die Pfändung einer schuldnerfremden Forderung unheilbar unwirksam sein, weil ein Zahlungsverbot gem § 829 ZPO ins Leere geht; das gelte auch, wenn die Forderung des Schuldners vor der Pfändung still abgetreten war (München JurBüro 2010, 160), und auch dann, wenn die Forderung des Schuldners vor der Pfändung an einen Dritten und von diesem nach der Pfändung wieder an den Schuldner zurück abgetreten wurde (BGHZ 56, 339, 350; BGH NJW 2002, 755, 757; MüKo/Bayreuther Rn 15; Erman/Maier-Reimer15 Rn 3; aA zu Recht wegen der Pfändbarkeit künftiger Forderungen Soergel/Klinck Rn 8; K. Schmidt ZZP 87, 316, 326ff; Medicus/Petersen AT Rn 1034). 618
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Einwilligung und Genehmigung
§ 185
c) Auf Prozesshandlungen ist § 185 nicht anwendbar (BGH NJW 1958, 338, 339 m abl Anm Baur JZ 1958, 246; Grü/Ellenberger Rn 4). Auf die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gem § 794 I Nr 5, § 800 ZPO ist jedenfalls § 185 I und II Var 1 entspr anwendbar, s KG Grundeigentum 2013, 875; Braunschweig ZfIR 2013, 727; Demharter § 44 GBO Rn 28 mwN; MüKo/Bayreuther Rn 16 mwN; Soergel/Klinck Rn 9; diff BeckOGK/Regenfus Rn 195; aA Soergel/Leptien13 Rn 11 mwN; s auch KG NJW-RR 1987, 1229; BGHZ 108, 372, 376). Die Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) ist zwar reine Verfahrenserklärung (Demharter § 19 GBO Rn 13), jedoch wird auf sie § 185 analog angewendet (BGH NJW-RR 2011, 19 Rn 13; MüKo/Bayreuther Rn 13 mwN). Zur gewillkürten Prozessstandschaft s Rn 17. Die Genehmigung der Klage eines Nichtberechtigten durch den Berechtigten führt nicht rückwirkend zur Hemmung der Verjährung gem § 204 (BGH NJW 2004, 1043, 1044). d) Auf gesetzl Besitzpfandrechte des BGB (§ 647) und HGB (zB §§ 397, 440, 464 HGB) ist § 185 nach richtiger Auffassung analog anwendbar (MüKo/Bayreuther Rn 9; Wieling SachenR I2 2006, § 15 XIc; K. Schmidt NJW 2014, 1; Soergel/Klinck Rn 10; anders BGHZ 34, 122, 126; BGH NJW 1983, 2140; Staudinger/Klumpp Rn 137). Erwirbt der Mieter/Besteller das Eigentum an dem Objekt später, so gelten §§ 562, 647 unmittelbar ohne Rückgriff auf § 185 II 1 Var 2 (MüKo/Bayreuther Rn 53; Staudinger/Klumpp Rn 138; aA Staudinger/Gursky, 2014, Rn 94: § 185 II 1 Var 2). e) Abs I ist auch anwendbar auf einseitige Rechtsgeschäfte (zB Aufrechnung; Kündigung, BGH NJW 1998, 896f; Ausübung der Wandelungsbefugnis alten Rechts, BGHZ 68, 118, 125). Die unwirksame Abtretung unselbständiger Gestaltungsrechte kann in die wirksame Ermächtigung zu ihrer Ausübung umgedeutet werden (BGHZ 68, 118, 125; BGH NJW 1998, 896f). Dagegen ist Abs II nach hM unanwendbar, da einseitige Gestaltungsgeschäfte grds (Ausnahme vgl § 180 S 2, 3) keinen Schwebezustand vertrügen (Grü/Ellenberger Rn 2 mN; BGHZ 114, 360, 366; BGH NJW 1997, 1150, 1151f); dazu aber § 182 Rn 16. § 185 ist analog auch auf die Zustimmung zu einer Verfügung anwendbar, etwa wenn ein Nichtberechtigter die Verfügung eines Nichtberechtigten genehmigt und der Genehmigende später das Eigentum erwirbt (BGH LM Nr 7; Wieling SachenR I2 2006, § 9 VIa aE; Staudinger/Klumpp Rn 162). Zur analogen Anwendung von Ermächtigung und Genehmigung auf die Schaffung eines (obligatorischen) Besitzrechts aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags BeckOGK/Regenfus Rn 181; Soergel/Klinck Rn 11 (str). 2. Nichtberechtigung. Die Verfügung muss von einem Nichtberechtigten vorgenommen werden. a) Das ist der Fall, wenn der Verfügende nicht Inhaber des Rechts ist oder als Rechtsinhaber nicht verfügungsberechtigt ist (zB bei Testamentsvollstreckung – Düsseldorf NJW 1963, 162; Nachlassverwaltung – BGHZ 46, 221, 229; uU auch bei Vor- und Nacherbschaft – RGZ 110, 94f; München FamRZ 1971, 93f). Nicht berechtigt ist auch, wer im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr (BGH NJW 1990, 2678, 2680) oder noch nicht berechtigt ist. Verfügt der Vorbehaltskäufer allerdings über das ihm zustehende Anwartschaftsrecht, handelt er als Berechtigter (RGZ 140, 223, 225; BGHZ 20, 88, 94; dazu G. und D. Reinicke MDR 1956, 596). Verfügen gemeinsam Berechtigte über den Gegenstand und ist die Mitwirkung des einen wegen seiner Geschäftsunfähigkeit nichtig, so haben die anderen als Nichtberechtigte verfügt (BGH NJW 1994, 1470f). Als Nichtberechtigter verfügt auch der nicht voll Berechtigte, der die Grenzen seiner Verfügungsmacht überschreitet, indem er zB über ein belastetes Recht als unbelastetes verfügt oder als Mit- oder Gesamthandseigentümer allein über die gemeinschaftl Sache verfügt (s auch RGZ 149, 19, 23f gegen RGZ 93, 292, 296). Veräußert der Grundstückseigentümer ein dem Haftungsverband des Grundpfandrechts unterliegendes Anwartschaftsrecht, so verfügt er als nicht voll Berechtigter, und die Zubehörhaftung bleibt bestehen (BGHZ 35, 85, 87f); für die lastenfreie Veräußerung gilt also § 185. Dagegen soll für die Aufhebung des Anwartschaftsrechts die Zustimmung des Grundpfandgläubigers nicht analog § 1276 erforderlich sein (BGHZ 92, 280, 289ff); das ist nicht haltbar, dingliche Rechte können nicht ohne die Zustimmung des Inhabers durch Rechtsgeschäfte Dritter vernichtet oder beeinträchtigt werden; s Wieling SachenR I2 2006, § 17 Vc; Kollhosser JZ 1985, 370; Tiedtke NJW 1985, 1305. b) Nicht berechtigt ist auch der, dessen Verfügung gegen ein Veräußerungsverbot (§§ 135f) verstößt oder aus anderen Gründen relativ unwirksam ist, wie im Falle des § 883 II oder der §§ 2113ff (RGZ 154, 355, 367f; Soergel/Klinck Rn 16f). Nicht berechtigt bleibt auch der iSv § 878 nichtberechtigt Verfügende, der mit Zustimmung des Berechtigten handelt; zu § 878 RGZ 135, 378, 383; BayObLG JZ 1961, 543; Staudinger/Heinze § 878 Rn 64. Dagegen ist § 185 nicht anwendbar auf den pflichtwidrig verfügenden Treuhänder (BGH ZIP 1999, 59 m krit Anm Jakobs ZIP 1999, 733). Der Alleingesellschafter einer GmbH, der neben seinen Anteilen auch die von der GmbH gehaltenen eigenen veräußert, handelt nach BGH NJW 2004, 365 nicht als Nichtberechtigter iSv § 816 (nur i Erg überzeugend: mit seinen Anteilen allein überträgt er 100 % der ausstehenden Anteile). Nicht unter § 185 fällt eine Verfügungsbeschränkung gem § 15 V GmbHG oder § 399; § 184 ist auf diese gar nicht (BGHZ 108, 172, 176; § 184 Rn 20) und auf jene unmittelbar anwendbar. c) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Berechtigung ist grds die Vollendung des Verfügungstatbestandes, bei mehraktigen Erwerbstatbeständen also der letzte Akt (BGH LM Nr 6; MüKo/Bayreuther Rn 18). Der maßgebliche Zeitpunkt wird jedoch ggf durch die Rückwirkung von Genehmigungen nach §§ 108, 177 und hinsichtl der Verfügungsbefugnis durch § 878 vorverlegt (Staudinger/Klumpp Rn 54). Zum maßgeblichen und streitigen Zeitpunkt für die Berechtigung des Genehmigenden s § 184 Rn 5f. d) Berechtigter ist der Inhaber des Rechts, welches Gegenstand der Verfügung ist oder durch diese beeinträchtigt wird oder (im Falle des Fehlens der Verfügungsmacht) der Verfügungsberechtigte (Grü/Ellenberger Rn 6).
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e) § 185 ist nicht anwendbar, wenn der Handelnde im Namen des Berechtigten handelt; er muss also entweder im eigenen Namen oder im Namen eines ebenfalls Nichtberechtigten gehandelt haben. Letzterenfalls kommen kumulativ §§ 164, 167 oder 177 und § 185 zur Anwendung (Staudinger/Klumpp Rn 32). III. Einwilligung des Berechtigten, Abs I. Einwilligung ist die im Voraus erteilte Zustimmung; für sie gelten §§ 182f (s dort). Die Einwilligung zu einer Verfügung begründet die aus dem Recht des Einwilligenden abgeleitete Macht, über das Recht des Einwilligenden im eigenen Namen zu verfügen (BGH NJW 1989, 521f). Sie wird deshalb auch als Ermächtigung bezeichnet. Ob eine Ermächtigung oder eine Vollmacht vorliegt und welchen Inhalt sie hat, ist Auslegungsfrage. Im Einzelfall kann eine Vollmacht auch als Einwilligung zur Verfügung im eigenen Namen auszulegen sein (Naumburg NJW-RR 1999, 1462 mwN; Düsseldorf FGPrax 2000, 55). Im Gegensatz zu der personenbezogenen Vollmacht ist die Einwilligung gegenstandsbezogen (Flume § 57, 1b; MüKo/Bayreuther Rn 21). Zu ihrer Ausübung bedarf es daher nicht der Offenlegung, dass über fremdes Recht verfügt wird. Die Ermächtigung lässt die Verfügungsmacht des Ermächtigenden unberührt. Im Falle konkurrierender Verfügungen des Ermächtigenden und des Ermächtigten gilt die zeitl vorangehende (MüKo/Bayreuther Rn 23). Eine „Unterermächtigung“ ist zulässig. 1. Verfügungsermächtigung. Verfügungsermächtigungen haben große praktische Bedeutung, vor allem beim (verlängerten) Eigentumsvorbehalt, bei der Verkaufskommission und im Liegenschaftsrecht. a) Wer eine zur Weiterveräußerung bestimmte Sache unter Eigentumsvorbehalt erwirbt, ist idR formularmäßig ermächtigt, die Ware im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb weiterzuveräußern (das ist meist verbunden mit einer Vorausabtretung der künftigen Kaufpreisforderung; sog verlängerter Eigentumsvorbehalt). Hierzu § 449 Rn 45ff. b) In der Auflassung eines Grundstücks ist vielfach die konkludente Einwilligung des Eigentümers in die Weiterveräußerung des Grundstücks durch den Erwerber vor seiner Eintragung im Grundbuch zu sehen (BGHZ 106, 108, 112; Soergel/Klinck Rn 23; Einzelheiten s § 925 Rn 54); entspr enthält die Abtretung eines Grundpfandrechts iVm der Umschreibungsbewilligung regelmäßig die Einwilligung zu einer weiteren Verfügung vor Eintragung (RGZ 54, 362, 368f; Düsseldorf DNotZ 1996, 559). 2. Weitere Fälle der Ermächtigung. a) Die gewohnheitsrechtl anerkannte Einziehungsermächtigung verschafft dem Ermächtigten die Rechtsmacht, die dem Ermächtigenden geschuldete Leistung im eigenen Namen vom Schuldner nicht nur mit Tilgungswirkung zu empfangen, sondern über § 362 II hinaus selbst zu verlangen. § 185 ist analog anzuwenden, s HKK/Finkenauer §§ 182–185 Rn 15; Soergel/Klinck Rn 35. Hierzu § 398 Rn 51ff. b) Gewillkürte Prozessstandschaft. Die Ermächtigung, eine Forderung des Ermächtigenden im eigenen Namen des Ermächtigten gerichtlich geltend zu machen, ist das prozessuale Gegenstück der Einziehungsermächtigung. Sie ist Prozesshandlung (BGH NJW 1958, 338f; dazu Baur JZ 1958, 246; Bülow MDR 1958, 421; Soergel/Klinck Rn 36 mwN). Ihre Zulässigkeit ist heute anerkannt, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Ermächtigte (Prozessstandschafter) ein eigenes schutzwürdiges Interesse daran hat, das fremde Recht geltend zu machen (BGHZ 100, 217f; BGH NJW 2003, 2231f; Bsp s bei Soergel/Klinck Rn 37 sowie Zöller/Althammer Vor § 50 ZPO Rn 46). Der Ermächtigte ist grds nicht berechtigt, das Prozessführungsrecht auf einen Dritten weiterzuübertragen (BGH NJW 1998, 3205f mwN m Anm K. Schmidt JuS 1999, 83). Die Ermächtigung kann auch noch nach Klageerhebung widerrufen werden, BGH NJW 2015, 2425 Rn 24. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen analog §§ 115f InsO das der Ermächtigung zugrunde liegende Rechtsverhältnis und analog § 168 die Ermächtigung, BGH ZInsO 2016, 1852 Rn 9. c) Eine Verpflichtungsermächtigung soll dem Ermächtigten die Möglichkeit geben, den Ermächtigenden durch Rechtsgeschäfte im eigenen Namen zu verpflichten. Sie ist nach hM mit dem geltenden Recht grds nicht zu vereinbaren und wird von § 185 nicht gedeckt (BGHZ 34, 122, 125f; 114, 96, 100; Peters AcP 171, 234). Für die Anerkennung der Verpflichtungsermächtigung unter Bezeichnung des zu Verpflichtenden besteht kein Bedürfnis: Stellvertretung und ggf Schuldbeitritt genügen; ohne Bezeichnung des zu Verpflichtenden widerspräche sie dem berechtigten Interesse des anderen an der Identität seines Schuldners (Staudinger/Schilken Vor § 164 Rn 71). Analog § 185 I kann jedoch eine Verpflichtungsermächtigung, die (nur) zu einer Mitverpflichtung des Ermächtigenden führt, anerkannt werden; der Gläubiger erhält dann nur einen weiteren Schuldner. Entspr § 333 hat er ein Zurückweisungsrecht, vor allem um zu verhindern, dass der Ermächtigende ihm ggü aufrechnet (Bettermann JZ 1951, 321, 323; Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, 1966, 207ff, 211; HKK/ Finkenauer §§ 182–185 Rn 16; Soergel/Klinck Rn 41; abl die hM, s Staudinger/Klumpp Rn 167; BeckOGK/Regenfus Rn 162). Ein Fall gesetzl Verpflichtungsermächtigung ist die sog Schlüsselgewalt (s § 1357 Rn 4). Zur Einräumung obligatorischer Besitzrechte s aber Rn 2. Für die Ermächtigung zur Ausfüllung eines Blanketts gelten §§ 164ff entspr, s § 172 Rn 16. IV. Heilung, Abs II. Die schwebend unwirksame Verfügung wird in den drei Fällen des Abs II wirksam. Voraussetzung für den Wirkungseintritt ist immer, dass das Geschäft noch schwebend und nicht endgültig unwirksam ist (BGHZ 13, 179, 187; 125, 355, 358ff; s aber Rn 24). 1. Genehmigung des Berechtigten (Abs II S 1 Var 1). a) Die zunächst schwebend unwirksame Verfügung eines Nichtberechtigten wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt (dazu allgM Merle AcP 183, 81ff). Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Berechtigung s § 184 Rn 5f. §§ 182 und 184 gelten auch für diese Genehmigung. Insb ist die Genehmigung formfrei; sie kann ausdr oder konkludent erteilt werden (zur konkludenten Genehmigung § 182 Rn 8ff). In der Klage gegen den nicht berechtigten Leistungsempfänger auf Herausgabe des 620
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Einwilligung und Genehmigung
§ 185
Geleisteten gem § 816 II wird häufig die schlüssige Genehmigung der Leistung liegen (s mwN: BGH NJW-RR 2009, 705 Rn 8; § 816 Rn 9); nach den Umständen des Einzelfalles kann aber auch eine andere Beurteilung in Betracht kommen (Bsp: BGH NJW-RR 1990, 1200 – Erhaltung von Ansprüchen gegen Dritte; BGH NJW 2005, 2698f – Klage auf Herausgabe einer Urhebervergütung). Auch die Verfügung einzelner Miterben über Nachlassgegenstände kann von den übrigen Miterben genehmigt werden; das gilt selbst dann, wenn die verfügenden Erben die Gemeinschaft mit weiteren Miterben nicht kannten und daher unwissentlich über deren Recht verfügten (RGZ 152, 380, 383; BGHZ 19, 138; BGH MDR 1964, 577). Hat ein Vorerbe unentgeltlich (§ 2113 II) über einen Nachlassgegenstand an einen Dritten verfügt, so ist Berechtigter hinsichtl einer weiteren Verfügung durch den Dritten nicht der Vorerbe, sondern der Nacherbe (BayObLG NJW-RR 1997, 1239). Auch ein Saldoanerkenntnis kann eine Genehmigung enthalten, nicht aber das nach AGB-Banken fingierte Anerkenntnis (BGH NJW 1995, 320). Wegen § 91 I InsO kann der Vorbehaltsverkäufer (Lieferant) eine ihm ggü unwirksame Forderungseinziehung durch den Insolvenzgläubiger nicht mit Wirkung ggü der Masse genehmigen (BGH NJW-RR 2020, 370 Rn 38). b) Die Genehmigung hat grds rückwirkende Kraft (§ 184). Das gilt jedoch nicht für die „Genehmigung“ einer Abtretung, die entgegen § 399 vorgenommen wurde (§ 184 Rn 20). Im Rahmen des § 816 führt die Genehmigung zwar zur Wirksamkeit der Verfügung, macht aber den verfügenden Nichtberechtigten nicht rückwirkend zum Berechtigten (BGH JZ 1961, 24 m Anm Raiser; § 816 Rn 7ff). c) Nach hM ist Abs II auf die Genehmigung einseitiger Verfügungen nicht anwendbar, da diese keinen Schwebezustand vertrügen (BGHZ 114, 360, 366; dazu § 182 Rn 16). Auch soweit entgegen der hM § 180 analog angewandt wird, soll die Verfügung unheilbar nichtig sein, wenn der Erklärungsempfänger nicht wusste, dass der Erklärende als Nichtberechtigter handelt (MüKo/Bayreuther Rn 17). Das ist dann richtig, wenn die Verfügung das Recht eines Dritten zum Gegenstand hat, der Erklärungsempfänger also den Erklärenden für den Rechtsinhaber hält; dann kommt die für § 180 S 2 analog erforderliche Behauptung der Verfügungsermächtigung nicht in Betracht. Wenn dem Verfügenden (nur) die Verfügungsmacht fehlt und deshalb die (entspr) Voraussetzungen des § 180 S 2 erfüllt sind, sollte es aber bei dessen analoger Anwendung bleiben. Dem Erklärungsempfänger, dem das Zustimmungserfordernis nicht bekannt ist, ist mit der unheilbaren Nichtigkeit nicht geholfen (s nur den Fall BGHZ 114, 360). d) Aus mehreren Verfügungen desselben oder verschiedener Nichtberechtigter über denselben Gegenstand kann der Berechtigte wählen, welche er genehmigen will. Bei sog Kettenverfügungen bewirkt die Genehmigung der ersten Verfügung, dass auch die darauf folgenden rückwirkend wirksam werden, weil die durch sie Begünstigten dann jew vom Berechtigten erworben haben (MüKo/Bayreuther Rn 45). Wenn der Berechtigte eine spätere Verfügung genehmigt, ist die zeitl folgende Genehmigung einer früheren Verfügung nach der hM insg wirkungslos, weil der vormals Berechtigte mit der ersten Genehmigung die Genehmigungsmacht verlor, während nach der hier vertretenen Auffassung (§ 184 Rn 5f) die spätere Genehmigung der früheren Verfügung zunächst wirksam ist, aber (als Zwischenverfügung) mit dem Zeitpunkt der späteren Verfügung ihre Wirkung gem § 184 II verliert (s auch BGHZ 40, 156, 162f). Genehmigt der Berechtigte zuerst die zeitl vorangegangene Verfügung, so erfolgte wegen der Rückwirkung der Genehmigung die zweite Verfügung durch den Berechtigten. 2. Nachträglicher Erwerb durch den Verfügenden (Abs II S 1 Var 2). a) Die Verfügung des Nichtberechtigten wird wirksam, wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt. Das gilt für jeden Erwerbsgrund, auch für den (Rück-)Erwerb aufgrund des Eintritts einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung; zur Konvaleszenz durch Rückerwerb eines zur Sicherheit übertragenen Gegenstandes durch den Sicherungsgeber, den dieser zwischenzeitl als Nichtberechtigter erneut zur Sicherheit an einen anderen Kreditgeber übertragen hat, s Bülow WM 1998, 845ff. Selbst wenn das Geschäft nicht mehr genehmigungsfähig war, etwa weil der Berechtigte die Zustimmung verweigert hatte, kann Konvaleszenz eintreten (Wieling SachenR I2 2006, § 9 VIb; BeckOGK/Regenfus Rn 109; aA BGH NJW 1967, 1272). Mit dem Erwerb des Gegenstandes muss der Nichtberechtigte mindestens die Verfügungsmacht erlangen, die für die erfolgte Verfügung erforderlich gewesen wäre (BGHZ 36, 329, 334; BGH NJW 1958, 1281f). Der Erwerb bloßer Legitimation aufgrund eines Ermächtigungsindossaments genügt nicht (BGHZ 36, 329, 335f). Erwirbt der Verfügende einen Bruchteil an dem Gegenstand seiner Verfügung, so kommt unter den Voraussetzungen der §§ 139f die Heilung einer Verfügung über den Bruchteil in Betracht (BGH LM Nr 9; MüKo/Bayreuther Rn 49). Belastet ein Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück mit einer Hypothek, deren Bestellung als unentgeltliche Verfügung über den Nachlassgegenstand unwirksam ist, und erwirbt er später einen Bruchteil dieses Grundstücks, so wird die Hypothek auf diesem Bruchteil voll wirksam (RG HRR 1939 Nr 1462). Nicht wirksam werden Verfügungen dadurch, dass der materiell nicht berechtigte Verfügende nachträgl Verfügungsmacht kraft Amtes über das Vermögen des Berechtigten erhält, zB als dessen Testamentsvollstrecker bestellt wird (BGH WM 1999, 746, 749; Soergel/Klinck Rn 30; MüKo/Bayreuther Rn 52); zum Erwerb einer vorläufigen Verfügungsbefugnis ohne Erwerb des Rechts s BGH ZIP 1999, 447, 450f. Die Vorschrift gilt auch nicht für den Erwerb durch denjenigen, der den Berechtigten bei der Verfügung vollmachtlos vertreten hatte, weil § 185 eine Verfügung im eigenen Namen voraussetzt (München NJOZ 2011, 400f). b) Ungeschriebene Voraussetzung ist, dass im Zeitpunkt des Erwerbs der rechtsgeschäftliche Verfügungstatbestand noch besteht, insb also die Einigung nicht aufgehoben ist. Nach zT vertretener Auffassung soll die Konvaleszenz weiter voraussetzen, dass der Verfügende im Zeitpunkt des Erwerbs noch an das Kausalgeschäft gebunden, also zu der Verfügung verpflichtet ist (Hagen AcP 167, 481, 499 sowie, unter unzutr Berufung auf BGH NJW 1994, 1470 Soergel/Leptien13 Rn 27; Grü/Ellenberger Rn 11). Dies wird von der hM mit Recht unter HinFinkenauer
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Rechtsgeschäfte
weis auf das Abstraktionsprinzip abgelehnt (Staudinger/Klumpp Rn 109; MüKo/Bayreuther Rn 51; BeckOGK/ Regenfus Rn 102; Kiehnle Jura 2017, 877; Finkenauer, FS Picker, 2010, 201, 213; Soergel/Klinck Rn 29). Hat der nichtberechtigte Verkäufer nach einem Rücktritt des Käufers wegen des Rechtsmangels den Kaufpreis zu erstatten, so wird er bei der Rückabwicklung gem § 346 Aufhebung der noch schwebend unwirksamen Übereignung verlangen können. c) Abs II S 1 Var 2 gilt entspr, wenn der nicht berechtigte Zustimmende den Gegenstand der Verfügung erwirbt (BGH LM Nr 7; BGHZ 36, 329, 334, beide zur Einwilligung durch den zukünftigen Konnossementsinhaber; MüKo/Bayreuther Rn 48). Die Vorschrift gilt ferner entspr bei Verfügungen dessen, der in der Verfügung beschränkt war, dann aber das Verfügungsrecht erlangt hat (BGHZ 123, 58, 62; MüKo/Bayreuther Rn 52; RGZ 149, 19, 22 zur Abtretung künftiger, erst während des Konkurses entstandener Forderungen nach Beendigung des Konkurses). Gleiches gilt für Verfügungen des Vorerben, wenn die Nacherbschaft und damit die Beschränkung fortfällt (Staudinger/Klumpp Rn 163). Zur Konvaleszenz in den Fällen der §§ 1365ff durch Aufhebung des Güterstands s § 1366 Rn 8ff. In entspr Anwendung des Abs II S 1 Var 2 kann auch ein Pfändungspfandrecht an einer Sache wirksam werden, wenn der Schuldner die Sache nachträgl zu Eigentum erlangt (vgl RGZ 69, 68, 73; Staudinger/Klumpp Rn 130). Zur Forderungspfändung s Rn 3. Die durch eine insolvenzrechtl Rückschlagsperre (§§ 88, 89 I InsO) unwirksam gewordene Zwangshypothek eines Dritten auf einem Grundstück des Insolvenzschuldners kann, sofern sie noch im Grundbuch eingetragen ist, wieder wirksam werden, wenn der Insolvenzverwalter das Grundstück aus der Masse freigibt oder das Insolvenzverfahren eingestellt wird, allerdings analog § 879 I 2 Hs 2 bei Gleichrangigkeit mehrerer betroffener Rechte (BGHZ 166, 74, 80ff m Anm Demharter Rpfleger 2006, 256); richtigerweise ist analog § 185 II auf das Prioritätsprinzip abzustellen, die Rechte entstehen also wieder mit ihrem ursprünglichen Rang, s Kohler ZIP 2015, 1471, 1474f; BeckOGK/Regenfus Rn 122ff. Wegen § 91 InsO keine Anwendung auf vorausabgetretene, nach Verfahrenseröffnung entstehende Forderungen während des Zeitraums der Freigabe der selbständigen Tätigkeit: BGHZ 222, 165 Rn 44 (Aufgabe von BGH WM 2013, 1129). d) Wirkung. Anders als zB bei § 108 III hängt die Wirksamkeit der Verfügung nicht von einer neuen Entscheidung des nunmehr Berechtigten ab. Die Verfügung wird aber nicht rückwirkend, sondern erst vom Zeitpunkt des Erwerbs an wirksam (RGZ 89, 152, 158; BGH WM 1978, 1406). Verfügt jemand über ein erst noch zu erwerbendes Recht (etwa GmbH-Anteil, vgl BFH NJW 1996, 1079), dann wird die Verfügung mit seinem (Durchgangs-)Erwerb wirksam (anders bei Erstverfügung über das Anwartschaftsrecht, BGHZ 20, 88, 100f; 49, 197, 205). Wegen des Durchgangserwerbs unterliegt der Gegenstand den am Eigentum des Verfügenden anknüpfenden Haftungen (§§ 562, 647, 1120). Zu Zwangsverfügungen s Rn 29. Zwischenzeitl eingetretene Verfügungsbeschränkungen (zB § 81 InsO) verhindern die Konvaleszenz (BGH NJW-RR 2004, 259 mwN). 3. Beerbung des Verfügenden durch den Berechtigten (Abs II S 1 Var 3). Wenn der verfügende Nichtberechtigte stirbt und vom Berechtigten beerbt wird, wird die Verfügung ohne Rückwirkung wirksam, wenn der Erbe unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten haftet. Die hM versteht die unbeschränkte Haftung als „endgültig unbeschränkbare“ Haftung iSv § 1994 I 2, § 2005 I, § 2013 I, wenn also der Erbe das Recht (meist wegen Inventarverfehlungen) verloren hat, die Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen (Soergel/Klinck Rn 31; Erman/Maier-Reimer15 Rn 28; BeckOGK/Regenfus Rn 148; Ebel NJW 1982, 724, 725; Habersack JZ 1991, 70, 72; Stuttgart NJW-RR 1995, 968). Das stimmt weder mit der Gesetzgebungsgeschichte noch mit dem Regelungsplan überein. Abzustellen ist daher auf die gem § 1967 unbeschränkte Haftung (ausf Finkenauer, FS Picker, 2010, 201, 214, 216; zust MüKo/Bayreuther Rn 57; BeckOK/Bub Rn 16): Die mit dem Erbfall eingetretene Konvaleszenz wird rückwirkend beseitigt, wenn eine Haftungsbeschränkung eintritt. Die hM führt dagegen planwidrig dazu, dass Konvaleszenz nach Var 3 nur in Ausnahmefällen eintreten kann, und dies ausgerechnet meist bei insolventen Nachlässen, bei denen der Verlust des Haftungsbeschränkungsrechts idR problematisch ist (Finkenauer, FS Picker, 2010, 201, 215). – Die Konvaleszenz ist auch in Var 3 nicht von der Wirksamkeit des Kausalverhältnisses abhängig, eine Korrektur mit Hilfe des Bereicherungsrechts genügt (Kiehnle Jura 2017, 877; HKK/Finkenauer §§ 182–185 Rn 18; Staudinger/Klumpp Rn 117; BeckOGK/Regenfus Rn 143; Soergel/Klinck Rn 31). Für die hM wird dagegen die Verfügung nur wirksam, wenn der Berechtigte als Erbe des Verfügenden den Verfügungserfolg noch schuldet und daher ohnehin verpflichtet wäre, die von diesem vorgenommene Verfügung nach Erwerb der Rechtszuständigkeit zu genehmigen (BGH NJW 1994, 1470, 1471; Erman/Maier-Reimer15 Rn 28; MüKo/Bayreuther Rn 59). Umstr ist, ob es für die Wirksamkeit einer nach § 1365 zustimmungsbedürftigen Verfügung ausreicht, dass der zustimmungsberechtigte Ehegatte Alleinerbe wird (bejahend Celle NJW-RR 1994, 646 mwN; verneinend Karlsruhe FamRZ 1978, 505; offengelassen in BGHZ 77, 293, 300; s § 1366 Rn 11). – Zur (ungerechtfertigten) rechtspolitischen Kritik an der Konvaleszenz nach Var 3 durch Wacke ZRG RA 114, 197, 199ff s HKK/Finkenauer §§ 182–185 Rn 18; BeckOGK/Regenfus Rn 140f. V. Kollisionsregel des Abs II S 2. Von mehreren einander widersprechenden Verfügungen wird im Fall der Konvaleszenz durch Erwerb oder Erbgang nur die frühere wirks